Konzeption für die Entwicklung einer praktisch nutzbaren

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Konzeption für die Entwicklung einer praktisch nutzbaren
Wissensbasis für Campus-Infrastrukturmodelle
E. Pflaum, W. Oertel, U. Kunze, S.Kracht
Dresden University of Applied Sciences, Friedrich-List-Platz 1, 01069 Dresden, Germany
CWSM GmbH Software Solutions, Rippiener Str. 19, 01217 Dresden, Germany
[email protected], [email protected], [email protected], [email protected]
www.htw-dresden.de/fakultaet-bauingenieurwesenarchitektur
www.informatik.htw-dresden.de
www.cwsm-dresden.de
www.bcscad.de
Kurzfassung. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt darin, einen Konzeptentwurf für die kommerzielle
Umsetzung einer Wissensbasis für Campus-Infrastrukturmodelle vorzustellen, die realen praktischen Anforderungen genügt. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht auf theoretisch ausgefeilten Daten- und Wissensmodellen,
sondern auf realen umfangreichen Daten- und Wissensbeständen. Der Entwurf baut auf einer existierenden
vollständigen Infrastrukturdatenbank sowie exemplarischen Implementationen separater wissensbasierter Systeme auf. Ziel ist es, in einer Kombination von wissensbasierten Verfahren und zugehörigen leistungsfähigen
Software-Werkzeugen den Prototyp eines kommerziell nutzbaren Systems mit industriellem Anspruch zu entwickeln. Der Fokus vom Standpunkt des Bauingenieurwesens wird dabei auf der Nutzung von standardisierten
Datenformaten, auf fachgebietsspezifischen Normen und Standards sowie auf ausgewählten Anwendungen in
der Campus-Domäne liegen. Aus Informatiksicht wird auf der Basis eines existierenden systematischen Datenmodells und bereits entwickelter leistungsfähiger Software-Werkzeuge der Firma CWSM GmbH Software
Solutions Dresden ein Expertensystem zur Verarbeitung von Wissensbeständen aufgebaut. Als Anwendungsfall
fungiert der Hochschul-Campus der HTW Dresden.
1 Einführung
Durch die Entwicklung einer Wissensbasis für Campus-Infrastrukturmodelle, die generisches bauprojektübergreifendes Wissen enthält, soll es zur Standardisierung von Gebäudemodellen und den damit verbundenen
Geschäftsprozessen sowie einer Verbesserung der Datendurchgängigkeit bei baulichen Projekten im Hochschulbereich kommen. Dabei erfolgt der Aufbau eines effizienten, nachhaltigen und flexiblen Prozessmodells
auf Basis von Normenstandards, Gesetzmäßigkeiten und Regeln für die Campus-Infrastrukturdomäne. Dadurch
soll eine Integration bislang getrennter Wertschöpfungsketten, eine Beschleunigung von Abläufen durch optimierte Kommunikation und die damit verbundene Steigerung der Effizienz betrieblicher und betriebsübergreifender IT-Prozesse erfolgen. Aus Informatiksicht kommt es zum Einsatz wissensbasierter Technologien aufsetzend auf einer soliden Datenbanktechnologie. Als Ergebnis soll ein nutzbares funktionales System entstehen,
welches auch Änderungen durch den Nutzer sowohl auf Daten- als auch auf Wissensebene zulässt.
Die Zielgruppe des Systems sind insbesondere die Hochschulen und Universitäten mit ihren technischen Dezernaten und Staatsbetriebe des Immobilien- und Baumanagements als Eigentümer und Verwalter der Gebäude
sowie die Städte als Besitzer der umgebenden Infrastruktur. Hochschulen und Universitäten werden aus bauli-
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cher, technischer und organisatorischer Sicht von unterschiedlichen Institutionen permanent betrieben, genutzt,
gewartet, gepflegt, erneuert und umgebaut. Häufig erfolgt dies im Rahmen von bauspezifischen Projekten. Diese dabei ablaufenden Prozesse sind aus Sicht aller beteiligten Einrichtungen so effizient wie möglich zu gestalten. Hierzu sollen die vorgeschlagenen wissensbasierten Verfahren mit ihren Fähigkeiten zur formalen und
flexiblen Beschreibung von generischen Sachverhalten den entscheidenden Beitrag leisten. Bei Erfolg des Projektes kann die entwickelte Technologie nicht nur auf Hochschulen, sondern auch auf ähnlich strukturierte öffentliche Einrichtungen übertragen werden.
2 Zielsetzung
Mit der Arbeit wird das Ziel verfolgt, das kooperative Arbeiten mit einer zentralen relationalen Datenbasis
und einer ebenfalls zentralen regelbasierten Wissensbasis zu ermöglichen, um hochschultypische informationelle Prozesse effizienter organisieren zu können und somit insgesamt ein wissensbasiertes System bereitzustellen, mit dem alle die Baulichkeiten des Campus betreffenden Daten an verschiedenen Stellen erfasst, zentral
verwaltet, über die Zeit hinweg aktualisiert und in beliebige Anwendungen eingebunden werden können
(vgl.[11]). Auf der Grundlage der in den letzten Jahren im Rahmen von Forschungsprojekten entwickelten 3DGebäudemodelle und Datenbanken der HTW Dresden [2] und der Implementation einzelner darauf aufsetzender exemplarischer wissensbasierter Systeme [12] erfolgt prototypisch der Aufbau einer umfassenden Wissensbank mit Bezug auf Normenstandards, Gesetzmäßigkeiten und Regeln für die Campus-Infrastrukturdomäne.
Auch werden auf die gleiche Weise Auswertungsmechanismen realisiert, die in Endanwendungen einfließen
und diese flexibel gestalten.
Für die Realisierung des Projektes wird das universelle Informationsmanagementsystem bcs::system der
Firma CWSM GmbH Software Solutions [8] eingesetzt, das objektbezogene Daten intelligent miteinander verknüpft und damit ein flexibles, wissensbasiertes sowie plattformunabhängiges Datenmanagement ermöglicht.
Die entstehende Applikation soll letztlich die Grundlage für eine kommerzielle Verwertung liefern.
Ein hierfür geeigneter Ansatz soll folgende Eigenschaften aufweisen.
• Daten- und Wissensbasis sollen die Campusinfrastrukturdomäne vollständig und adäquat modellieren.
• Sowohl die Datenbank, als auch die Wissensbank sollen flexibel sein, um das System jederzeit mit
neuen gewonnenen Informationen erweitern oder Änderungen von Normen bzw. Richtlinien übernehmen zu können.
• Für den Fachexperten muss es ebenso möglich sein, ohne Informatikkenntnisse Regeln zu ergänzen
oder auszutauschen.
• Es soll ein effizientes problemorientiertes Arbeiten möglich sein, das den Anwender von Implementationsdetails entlastet.
• Die Benutzeroberfläche muss individuell an verschiedene Nutzergruppen anpassbar und erweiterbar
sein.
• Die Datenauswertung erfolgt in verschiedenen Sachdatenschalen, die wissensbasiert flexibel für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle generierbar sind.
• Transparenz, die sich auf die Erklärung der Lösung anhand des gespeicherten Wissens bezieht, soll
überall gegeben sein.
• Das Rahmensystem soll branchen- und softwareneutral aufgebaut sein.
Für das Projekt wird eine Applikation des Informationsmanagementsystems bcs::system mit einer Datenbankstruktur, verschiedenen Datenschnittstellen und einer Benutzeroberfläche generiert. Diese Applikation
wird als intelligentes Interface über der bereits bestehenden IT-Landschaft realisiert. Die Wissensbasis wird mit
den KI-Werkzeugen von bcs::system selbstentwickelt und in diese Applikation eingebettet. Der Fokus wird in
der ersten Phase vor allem auf folgende Anwendungsbereiche des Hochschul-Campus gelegt:
3
•
•
•
•
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Flächen- und Raummanagement,
Schlüsselmanagement,
Wartungs- und Instandhaltungsmanagement und
Reinigungsmanagement.
Abb. 1 zeigt exemplarisch das Nutzerinterface eines Anwendungsbereiches.
Abbildung 1 Nutzerinterface eines Anwendungsbereiches
3 Ausgangsdaten
Die Grundlagen der geplanten Entwicklung bilden die Ergebnisse zweier fakultätsübergreifender Hochschulprojekte der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, die unter dem Aspekt
Sustainable Campus laufen. In den Forschungsprojekten Virtuelles
v3cim1
Dreidimensionales Campus Infrastruktur Modell (V3CIM) [1]
und Nachhaltige digitale Erfassung von primären CampusInfrastrukturdaten (NEPCID) [2] wurden umfangreiche Datenbestände aufgenommen, systematisiert und daraus zwei physische
Datenbanken, die zur Verwaltung von infrastrukturellen gebäudebezogenen Daten der HTW Dresden dienen, entwickelt: v3cim1
und v3cim2. Die physischen Datenbanken setzen sich wiederrum
aus logischen Datenbanken zusammen (Abb.2). Die Trennung von
relativ beständigen Gebäudedaten und sich häufiger ändernden
Abbildung 2: Überblick der physischen
Außenanlagen-, Technikausrüstungs- und Inventardaten ist bewusst
und logischen Datenbanken
gewählt, da die Gebäudedaten in der Regel das verbindende Element in der Hochschulinfrastruktur darstellen. Für die weitere Arbeit werden die beiden physischen Datenbanken miteinander verknüpft, um so eine exakte Synchronisation zu
ermöglichen. Die logischen Datenbanken sind relationale, also tabellenförmig strukturierte, und voneinander
unabhängige Datenbankeinheiten. Die mit den einzelnen Datenelementen verbundenen Dokumentdaten, wie
Texte, 2D Zeichnungen, 3D Modelle oder Bilder, werden außerhalb des Datenbanksystems in einem hierarchischen File-System geordnet verwaltet, von der Datenbank über Deskriptoren beschrieben und über Verweise
referenziert. Das Ergebnis ist eine durchgängige Systematisierung von Infrastrukturdaten einer Hochschule
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sowie eine umfangreiche Sammlung von Campusdaten. Die Systematisierung bildet gleichzeitig eine Begriffshierarchie in Form einer Ontologie, auf der die Strukturierung der Wissensbasis aufsetzen kann.
Die Systematisierung der Datenbestände erfolgte unter Beachtung der Normen DIN 276-1 sowie der DIN
277, wobei die DIN 276-1 eine wichtige Grundlage zur Ermittlung der (Investitions-)Kosten darstellt und die
DIN 277 bei der Ermittlung der Grundflächen und Rauminhalte eingesetzt wird (vgl. [3]). In Abbildung 3 ist
nach [2] die ontologische Systematisierung am Beispiel der Außenanlagen einer Hochschule verdeutlicht.
Abbildung 3 Systematisierung der Außenanlagen
Mit der geplanten Entwicklung wird das Ziel verfolgt, eine automatische normgerechte Einteilung zu generieren. Die erfassten Campus-Infrastrukturdaten umfassen verschiedene Repräsentationen von Daten und Dokumenten zu Gebäuden, Außenanlagen, technischen Ausrüstungen, Inventar aller Campus-Unterstrukturen.
Aus
grafischer
Sicht
umfassen sie insbesondere einen
kompletten
Satz
an
2DZeichnungen sowie 3D-Modelle
aller HTW-Gebäude in den beiden Campusbereichen Dresden
und in Pillnitz, 3D-Modelle der
Technischen Gebäudeausrüstung
(TGA), eine 3D-Modellierung
der Außenanlagen, 3D-Modelle
aller öffentlich zugängigen Innenräume mit deren Inventar
sowie eine Digitalisierung aller
die Infrastruktur betreffender
Verträge und Abläufe. Die 3DModelle der Gebäude sind keine
reinen
3D-Volumenmodelle,
sondern bauteilorientierte 3DAbbildung 4 Visualisierung eines Hörsaals
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Produkmodelle, welche über Building Information Modeling (BIM) generiert wurden. Somit beinhalten die
Modelle nicht nur die reine Gebäudegeometrie, sondern sind aus intelligenten, parametrischen Objekten zusammengesetzt, welche somit auch zusätzliche bauliche Inforationen, die für die weitere Auswertung relevant
sind, beinhalten [18]. Für die Modellierung der Gebäudehülle wurden die Systeme Allplan und Revit Architecture eingesetzt, wobei in Zukunft vorwiegend Revit Architecture verwenden werden soll, da dies die bessere
BIM Lösung bietet. Die TGA-Objekte wurden mit AutoCAD MEP erfasst. Für die Modellierung der Innenräume einschließlich Inventar und der Außenanlagen wurde 3dsMax verwendet. Die Gebäudemodelle bilden
eine wichtige Grundlage für weiterführende Modellierungen und Auswertungen. Somit können beispielsweise
technische Anlagen in Räumen exakt positioniert oder fotorealistische Darstellungen und Sonnenstudien
(vgl.Abb.4, 5)[16][17] für Baumaßnahmen erstellt werden, um Entwurfs- und Einrichtungsvarianten gegenüber
zu stellen. (vgl.[13])
Abbildung 5 Einrichtungsvariante CAD-Pool
Somit bilden die Datenbanken und BIM-Modelle die wichtigste Grundlage für die geplante Entwicklung.
Um intelligente Objektinformationen zwischen verschiedenen Systemen austauschen zu können, eignet sich das
neutrale objektorientierte Übergabeformat IFC (Industry Foundation Classes), welches näher untersucht wird
[18]. Über intelligenten Datenschnittstellen von bcs::system werden weitere externe Informationsquellen integriert und die Daten mit externen Programmen synchronisiert.
Auf all den genannten Datenbeständen und Programmen aufsetzend wird ein wissensbasiertes System mit
einer Wissensbasis entwickelt, das die Daten miteinander verknüpft und sie für den Nutzer in bestimmte Anwendungen einbindet.
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4 Wissensbasiertes System
Das Kernsystem der zu entwickelnden Technologie bildet das wissensbasierte System [4]. Es verwendet
Wissensbestände einer Wissensbank, um Datenbestände einer Datenbank in von Nutzern betriebene Anwendungssysteme einzubinden. Dabei können über intelligente Schnittstellen auch externe Bestände einbezogen
werden. Der Grundaufbau des Systems nach [5] ist in der Abbildung 6 verdeutlicht. Die Aufgaben, die die einzelnen Komponenten dabei übernehmen, sind in der Tabelle 1 dargestellt. Aus Anwendersicht wird für das
System das Niveau eines Expertensystems [10] angestrebt.
Abbildung 6 Grundaufbau des wissensbasierten Systems
Tabelle 1 Komponenten des wissensbasierten Systems
Komponente
Aufgabe
Inferenzkomponente
Ableitung von neuem Wissen aus vorhandenem Wissen durch Verknüpfung ausgewählter Elemente der
Daten- und Wissensbasis.
Wissenserwerbskomponente
Ermöglichung von Aufbau, Änderung und Wartung
des in der Wissensbasis enthaltenen Wissens durch
Experten.
Erklärungskomponente
Begründung der von der Inferenzkomponente erarbeiteten Lösungen und Transparentmachung der Vorgehensweise für Experten und Benutzer.
Interviewkomponente
Steuerung der Kommunikation mit dem Benutzer.
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Ein fundierter Wissensstand, welcher über einen Aufgabenbereich das Problemlösungswissen beinhaltet, ist
ein essentieller Bestandteil des Systems und bildet die Wissensbasis. Die Wissensbasis kann in drei Bereiche
unterteilt werden: das bereichsbezogene Expertenwissen, welches sich während einer Konsultation nicht ändert,
das fallspezifische Faktenwissen, das vom Anwender während einer Konsultation eingegeben wird und die
Zwischen- und Endergebnisse, die vom System durch die Inferenzkomponente logisch abgeleitet werden und
über die Interviewerkomponente dem Benutzer angezeigt werden [6].
Im System wird neu erworbenes Wissen mit minimalem Aufwand eingepflegt und vorhandenes Wissen bei
Bedarf angepasst werden können. Durch das System sollen vor allem die Dezernate der Hochschule, die Immobilienbetreiber und die Verwaltungsmitarbeiter des Campus bei Routineaufgaben entlastet werden. Es wird
eine automatisierte Wissensverarbeitung ermöglicht, einmal erworbenes Wissen wird vervielfältigt, gehalten
und angewandt werden können. Ein enormer Vorteil des Systems ist zudem, dass das Wissen ohne Vergessen
von Informationen bzw. Fehlinterpretation weitergeben wird und dass es Wissen vieler Experten, auch über
deren Wissensbereich hinaus, in sich vereint. (vgl.[9])
4.1 Wissensakquisition
Die Übertragung der menschlichen Expertise in eine formale Notation wird als Wissensakquisition bezeichnet [6]. Die wichtigsten Schritte dabei sind die Wissenserhebung und die anschließende Wissensanalyse [7].
Dabei wird in vier Wissensarten unterschieden.
Tabelle 2 Arten des Wissens
Wissensklassen
Sachwissen
Kontrollwissen
Öffentliches Wissen
(öffentlich zugänglich: Handbücher, Normen)
Faktenwissen, z.B. Raum Z208
ist ein Vorlesungssaal
Gesetzmäßigkeiten, Regeln
z.B. wenn im Raum eine Vorlesung stattfindet, dann ist der
Raum nicht verfügbar
z.B. in der Hochschule ausgehängtes Verfahren zur Immatrikulation oder Raumanforderungen
Persönliches Wissen
(an Personen gebunden: Dokumente, Erfahrungen)
Prof. x weiß z.B., dass eine
seiner Lehrveranstaltungen
auch für andere Studienrichtungen interessant ist
Prof. x weiß, dass in einem
Monat eine neue Forschungsstelle entsteht, die einen Raum
benötigt
Zudem ist es geplant, das Wissen folgendermaßen zu klassifizieren:
•
nach der Ableitung:
o Fakten, die z. B. in einer Datenbank existierende Daten darstellen
o Regeln, welche die Anwendung dieser mit weiteren Daten beschreiben
o Metaregeln, welche die Regeln strukturieren und deren Abarbeitung steuern
•
nach der Repräsentation:
o prozedurales Wissen, welches die Anwendung von Gesetzmäßigkeiten als Algorithmus beschreibt
o deklaratives Wissen, welches Gesetzmäßigkeiten in einer beschreibenden Form enthält
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Für die Domäne der Campus-Infrastruktur umfassen die Fakten alle mit dem aktuellen Zustand der Infrastruktur verbundenen Daten, wie Gebäudemodelle oder Raumnutzungspläne. Die Regeln definieren allgemeingültige Zusammenhänge zwischen Klassen von Fakten, wie z.B. die Art der erforderlichen Überprüfungen von
technischen Anlagen oder Vorschriften für die Ausgabe von Schlüsseln an Mitarbeiter. Metaregeln koordinieren auf einer höheren Ebene den Einsatz aller Wissensbestände, wie z.B. das zeitgesteuerte Initiieren von Regelpaketen zur Wartungsdurchführung oder die Strukturierung von Reinigungsplänen nach Etagen, Fakultäten
oder Semesterplänen. Unter prozeduralem Wissen in der Campusinfrastrukturdomäne versteht man festgeschriebene, etablierte und bewährte komplette Vorgänge und Abläufe, z.B. Algorithmen zur Stundenplanung
oder Optimierung von Fluchtplänen. Das deklarative Wissen beinhaltet kleinere, auch im Detail änderbare Regelpakete, z.B. zur Umsetzung von Richtlinien zur Bestimmung von Nutzflächen oder Raumgrößen für Labore,
Büros oder Seminarräume.
Wichtig ist für die Komplexität der Campusdomäne, dass das gesamte Spektrum an Kategorien von Wissensbeständen für die Wissensmodellierung aus Gründen Adäquatheit der Modellierung und der Effizienz der
Realisierung für das System, die Systementwickler, die Experten und die Anwender genutzt wird. Diese Entscheidungen werden wesentlich über den Erfolg des Systems entscheiden.
4.2 Techniken der Wissenserhebung
Die Wissenserhebung des öffentlichen Wissens erfolgt durch ein non-reaktives Verfahren, d.h. dass es nicht
notwendig sein wird mit dem Experten in Kontakt zu treten, um das Wissen zu erheben. Das trifft für Sach- und
Kontrollwissen gleichermaßen zu. Das Sammeln von Fachinformationen und Auswerten dieser erfolgt dabei
unabhängig vom Zweck. Das vorrangige Ziel wird es sein, sich ein großes Vorwissen über das Fachgebiet anzueignen, um den Experten später leichter zu verstehen. Für den Campus sind dazu die einschlägigen Normen,
Standards und Gesetze sowie hochschulspezifische Verordnungen zu studieren und umzusetzen. Dies sind z.B.
Hausordnungen, Studienordnungen, Prüfungsordnungen, Beschaffungsordnungen, Bauordnungen. Alle Dokumente liegen dazu bereits in Textform, Strukturdiagrammen oder Ablaufdiagrammen vor.
Persönliches Sachwissen wird hingegen durch Interviews erhoben. Diese können fokussiert oder strukturiert sein. Fokussierte Themen werden anhand eines Leitfadens angesprochen. Anschließend erfolgt eine Zusammenfassung und Bewertung der Informationen. Das Ziel strukturierter Interviews ist es, eine möglichst
detaillierte Einsicht in das persönliche Sachwissen des Experten zu bekommen. Als Experten an einer Hochschule fungieren vor allem die Leiter und Mitarbeiter der Dezernate für Technik, Personal, Studium, Beschaffung und Dokumentation. Ähnliche Techniken können auch eingesetzt werden, um persönliches Kontrollwissen zu erheben. Persönliches Kontrollwissen wird jedoch vorrangig durch Beobachtungen erhoben und ist vergleichbar mit einer Berichterstattung von Ereignissen, die gerade stattfinden oder die bereits beendet sind. Mit
dieser Art von Wissenserhebung gelingt es, die für die Problemlösung notwendigen Heuristiken aufzudecken.
(vgl.[5]) Entsprechend des Betriebes einer Hochschule werden die Interviews vorwiegend in den lehrveranstaltungsfreien Zeiten geführt, währen im regulären Studienbetrieb vor allem das Beobachten von Abläufen überwiegen wird.
4.3 Wissensanalyse
In diesem Schritt erfolgt die Interpretation und Strukturierung des erworbenen Wissens und die anschließende formelle und grafische Darstellung des Wissensgebiets, jedoch noch ohne die Berücksichtigung von
Problemlösungsstrategien des Experten. In dieser Phase werden bereits ein Glossar sowie ein Datenerfassungskatalog erstellt. Diese Dokumente sind nicht nur in der Anfangsphase der Systementwicklung, sondern auch bei
der späteren Wartung und Weiterentwicklung notwendig.
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Die Analyse wird in der Anfangsphase des Aufbaus der Wissensbasis vorwiegend vom Administrator der
Wissensbasis in Konsultation mit den Fachexperten an der Hochschule durchgeführt. Schrittweise wird jedoch
auch bereits diese Aufgabe dem wissensbasierten System übertragen in dem Umfang, wie Wissensbestände
vorhanden sind, die für Konsistenz- und Integritätsüberprüfungen eingesetzt werden können. So kann der Aufbau der Wissensbasis nach und nach durch automatisierte Verfahren unterstützt werden, was bei der Komplexität der Aufgabe unabdingbar sein wird.
4.4 Regelaufbau
Um die Wissensbasis insgesamt bei der Komplexität und dem Umfang der Struktur handhabbar zu machen,
wird bei den elementaren Wissenselementen auf einfach strukturierte Regelpakete zurückgegriffen. Eine Regel
stellt eine Implikation im Sinne der Logik dar, die als eine Schlussfolgerung im Anwendungsbereich aufgefasst
werden kann. Das Regelsystem bildet dadurch eine nichtmonotone Logik, in der neues Wissen aus altem Wissen abgeleitet wird, gleichzeitig aber auch neues Wissen altes Wissen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen revidieren kann.
Eine Regel besteht aus:
• einer Menge von Vorbedingungen, welche positiv oder negativ sein können (Regel ist anwendbar),
• einer Folgerung, die nach der Erfüllung aller Vorbedingungen angewandt wird (Regel ist aktiv).
Diese Beziehung lässt sich als „Wenn - Dann - Regel“ darstellen:
Wenn Bedingung_1, Bedingung_2, ..., Bedingung_n -> Dann Aktion A, Aktion B, …
Regeln können sowohl auf der linken Seite als auch auf der rechten Seite nicht nur konjunktiv verknüpfte
Aussagen oder Aussageformen in Form von Termen haben, sondern auch Disjunktionen und Negationen einschließen. Als Terme können auch prozedurale Elemente eingebunden werden. Dadurch entstehen komplexere
Regeln in geringerer Anzahl.
Auf diese Weise kann Wissen auch in kleinen Stücken verarbeitet werden, da beliebig viele Regeln für den
aktuellen Problembereich angelegt werden können, wobei jede Regel einen kleinen Bereich des Wissens repräsentiert. In Voruntersuchungen hat sich gezeigt, dass diese Vorgehensweise sowohl für die deklarative als auch
für die prozedurale Formulierung von Wissenselementen, wie sie für den Hochschulbereich relevant sind, praktikabel und ausreichend ist.
5 Eingesetzte Werkzeuge
5.1 Building Content System bcs::system
Als Basissystem für das im Aufbau befindliche wissensbasierte System für den Campusinfrastrukturbereich
wird das flexible Informationssystem BUILDING CONTENT SYSTEM bcs::system der Firma CWSM
GmbH Software Solutions Dresden eingesetzt. Dieses System
arbeitet als intelligente Benutzeroberfläche und wird über bestehende IT-Landschaft realisiert,
ist modular aufgebaut,
arbeitet branchenübergreifend,
ist für den Einsatzfall der Gebäudeverwaltung optimiert,
unterstützt Gebäudeinformationsmodellierung (BIM),
gestattet die Einbeziehung von CAD-Daten und
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ermöglicht die Anbindung relationaler Datenbanken
gestattet die Einbindung externer Systeme
unterstützt die Konsistenz und Synchronisation von Daten und Programmen
ist objektorientiert und wissensbasiert organisiert.
Das System erlaubt eine einheitliche und ganzheitliche Betrachtung sowie optimale Auswertung und Verwaltung aller relevanten Informationen ist mittels Integration der zur Verfügung stehenden
bcs::system beinhaltet:
ein allgemeines Basispaket bcs::basic – ein intelligentes Informationsmanagement für den universellen
Einsatz, welches objektbezogene Daten intelligent miteinander verknüpft und ein flexibles, wissensbasiertes sowie plattformunabhängiges Datenmanagement ermöglicht (vgl. Abb.7) [8].
Anwendungslösungen bcs::applications:
o
o
o
o
für Haustechnik: bcs::mepdoc,
für Anlagenbau: bcs::isodoc,
für Verwaltung elektrischer Anlagen: bcs::edoc,
für Facility Management Aufgaben: bsc::fm,
ein Dokumentenmanagementsystem,
ein Redaktionssystem für die intelligente Erstellung von Dokumentationen und
eine Benutzerrechteverwaltung.
CAD - DATEN
Bauteilorientierte
3D-Produktmodelle, IFC, AutoCAD, Revit, MEP, Allplan…
EXT. DATENBANKEN
SQL, GLT, GIS …
bcs::basic
Datenbank
BENUTZERINTERFACE
Abbildung 7 Prinzip bcs::system
ZUSATZDATEN
Dokumente in elektronischer
und/oder eingescannter Form,
Tabellen, Bilder, Filme…
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Das KI-basierte Gesamtsystem bcs::system besteht in Anlehnung an [9] aus folgender Struktur:
Abbildung 8 Struktur des Gesamtsystems bcs::system
Die KI - Komponenten von bcs::system sind
das PlugIn - System samt KI – Interface,
das CAD - basierte KI – Interface,
die Wissensdatenbank,
der KI – Generator,
die Applikationen,
der Dokumentengenerator,
das Hilfesystem und
das Interfacesystem.
5.2 Wissensbasiertes System
Das wissensbasierte System ist ein integrierter Bestandteil des gesamten Informationssystems. Es besteht
aus einer Regelmaschine, einem Editor, der Wissensbank und der Datenbank. Seine Struktur ist in Abb. 9 nach
[9] grafisch dargestellt. Die Wissensbank beinhaltet explizites Wissen in Form von Faktenobjekten sowie implizites Wissen in Form von Regeldateien, die Erweiterung kann dabei über den Editor erfolgen. Die Datenbank umfasst alle vom System verwalteten relationalen, textuellen und grafischen Daten. Die Systemkomponenten interagieren miteinander über verschiedene Operationen, wie Wissenssicherung, Wissensbereitstellung,
Datenermittlung, Nutzung und Interaktion.
In der Abbildung 9 ist nach [9] das Zusammenspiel der Wissensbasis, des Editors und der Regelmaschine
verdeutlicht:
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Abbildung 9 Struktur des wissensbasierten Systems
Den Kern des wissensbasierten Systems bildet eine Regelmaschine. Für die Regelerzeugung wird die vollständig in Java implementierte Regelmaschine DROOLS [14] eingesetzt. DROOLS arbeitet mit einer Vorwärtsverketung der Regeln. Die Möglichkeit des rückwärtigen Schließens existiert (noch) nicht. Die Grundstruktur einer Regel ist dabei die folgende:
rule „name“
ATTRIBUTES
when
LHS (left hand side - Regelbedingung)
then
RHS (right hand side - Aktion)
end
Dabei bestehen alle Regeln aus:
•
•
•
•
•
einem eindeutigen Namen,
möglichen Attributen,
einer Menge von Bedingungen (Regelprämissen),
einer Aktion (Konklusion) und
einer abschließenden „end“ – Anweisung
Die Grundlage für das Inferenzverfahren des Regelsystems bildet der RETE- Algorithmus. Dieser bestimmt
für eine Menge von Produktionsregeln auf effiziente Weise die Regeln, die durch die aktuelle Objektmenge
erfüllt werden, und bewirkt durch Einschränkung der zu überprüfenden Bedingungen und Datenbasiseinträge
eine starke Effizienzerhöhung in der Regelmaschine. Hierzu erzeugt der Algorithmus aus einer Menge von
Regelprämissen ein Entscheidungsnetzwerk in Form eines Datenflussgraphen, und es werden in zwei Arten von
Knoten unterschieden [15]:
• α- Knoten: Selektionsbedingungen, die sich auf Objekte (Elemente, Tupel) der Faktenbasis beziehen
• β- Knoten: Bedingungen, die über Junktoren (und Variablenbindungen) miteinander verknüpft sind
13
Beispiel:
E. Pflaum, W. Oertel, U. Kunze, S.Kracht
Wenn Raum X min. 100 Plätze enthält und der Fakultät Y zugewiesen ist
Dann ist X ein Vorlesungsaal der Fakultät Y
α- Knoten: Raum X hat min. 100 Plätze
α- Knoten: Raum X ist der Fakultät Y zugewiesen
β- Knoten: das UND in Verbindung mit den Variablen
Eine Regelinstanziierung kann am Ausgang eines Knotens gleichzeitig ein Input für einen anderen Knoten
sein (Abbildung 10).
Abbildung 10 Regelverarbeitung
6 Anwendungsbeispiele
Im Folgenden wird auf die Anwendung des wissensbasierten Systems eingegangen. Es erfolgt eine ausführliche Erläuterung zum Bereich Raummanagement sowie des Regelaufbaus unter Anwendung der DIN 277. Die
weiteren Anwendungsbereiche werden nur kurz angeschnitten. Abbildung 11 verdeutlicht einige typische Abfragen an das wissensbasierte System.
14
E. Pflaum, W. Oertel, U. Kunze, S.Kracht
Abbildung 11 Beispielhafte Abfragen an das wissensbasierte System
Das System bcs::system dient als intelligente Benutzeroberfläche über alle einbezogenen Programme und
Datenquellen und unterstützt dabei die Anwender durch automatisierte Abläufe und individuelle Bedienungsoberflächen. Eine Überprüfung aller relevanten Unterlagen incl. CAD-Projekte auf Vollständigkeit und Richtigkeit ist ebenso miteinbegriffen. Die Optimierung von Planungs- und Verwaltungsprozessen wird durch eine
objektbezogene Datenerfassung und eine computerunterstütze Datenpflege und –verwaltung (CAFM) erreicht.
Dem Anwender wird eine vollständig gefüllte Datenbasis in Kombination mit einer nutzbaren Wissensbasis zur
Verfügung gestellt. Durch den Einsatz ergibt sich ein insgesamt optimierter Informationsaustausch auf dem
Anwendungsgebiet zwischen allen an der Entwicklung, dem Betrieb und der Nutzung beteiligten Seiten. [8]
6.1 Raummanagementsystem
Das Raummanagement gestattet es, alle mit den Gebäuden eines Campus zusammenhängenden räumlichen
Informationen zu erfassen, zu speichern, auszuwerten und wieder bereitzustellen. Dabei werden auch zeitlich
verschiedene Zustände bereitgestellt. Abb. 12 veranschaulicht die Vorgehensweise des Zusammenspiels von
Bearbeitern und Anwendern im Anwendungssystem Raummanagement.
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E. Pflaum, W. Oertel, U. Kunze, S.Kracht
Abbildung 12 Struktur des Anwendungssystem Raummanagement
Somit sind die Daten über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerkes vorhanden, gehen nicht verloren
und sind durch Aktualisierung und Synchronisation immer aktuell. Das System wird basierend auf Regelwerken aufgebaut.
Objektbezogene Daten, die aus dem CAD-Modell oder der Datenbank direkt übernommen werden:
Raumdaten:
Bezeichnung z.B. Vorlesungssaal, Seminarraum, Büro, CAD-Pool
Raumnummer
Geschoss
Gebäudenummer/-bezeichnung
Fläche
Höhe
Bodenbelag
Wandflächen
Nutzung von Fakultät
Schlüssel
Nebenraum
Türnummer
Inventar
…
Gebäudedaten:
Gebäudenummer
Gebäudebezeichnung …
Abbildung 13 Automatisch erzeugte Raumliste
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E. Pflaum, W. Oertel, U. Kunze, S.Kracht
Informationen, die in den Basis-Datenquellen fehlen, können über eine manuelle Eingabe hinzugefügt werden (z.B. Wartungsverträge). Mit Hilfe des Datenbestandes können folgende Funktionen, realisiert werden:
Raum:
Suche von Räumen
Raumbelegungsplan editieren, anzeigen
Kostenberechnung nach DIN 276 und
Flächenberechnung nach DIN 277
z.B. für Reinigungsmanagement
Möblierungsvarienten in Abhängigkeit
von Nutzung
Grafische Anzeige von (möglichen)
Tischanordnungen
Wenn Büro, dann die Anzeige von
Sprechzeiten
Anzeige der Lage der Räume im
Grundriss
Anzeige von Kapazität/ Plätzen
Wer ist Schlüsselberechtigter?
Anzeige von Sprechzeiten
Automatische Erinnerung an Wartungen
Abbildung 14 Raumbelegungsplan
Abbildung 15 Inventaranordnungsplan
Für eine bessere Verwaltung werden Filteroptionen eingebaut, nach:
Raumbezeichnung
Inventar
Zeitraum für Raumsuche
Freie/ belegte Räume
Periodizität
Kapazität
Weiterhin werden verschiedene Rechte für die Verwaltung vergeben. Benutzerprofile mit unterschiedlichen
Berechtigungen für Funktions-, Lese- und Schreibezugriff sowie individueller Benutzeroberfläche können angelegt werden.
Zudem wird eine automatische Auslastungsauswertung, Kostenableitung/-auswertung anhand von Flächen,
Anzeigen von barrierefreien Zugängen und das automatische Ableiten von Fluchtplänen ermöglicht. Die Abbildungen 13, 14 und 15 zeigen mit der Raumliste, dem Raumbelegungsplan und dem Inventaranordnungsplan
drei wissensbasiert generierte Nutzerinformationen im Rahmen des Anwendungssystems.
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E. Pflaum, W. Oertel, U. Kunze, S.Kracht
6.2 Schlüsselmanagement
Das Anwendungssystem Schlüsselmanagement dient dem
professionellen Umgang mit allen das Schließsystem einer Hochschule betreffenden Informationen. An die Räume werden Informationen über benachbarte Räume sowie deren Verbindungen
(Türen), der zugehörigen Zylinder und Schlüssel gebunden.
Ebenso besteht eine Anbindung an die Nutzer mit unterschiedlichen Zugangsberechtigungen. Somit lassen sich folgende Hierarchien ableiten:
Gebäude - Etage - Raum - Nebenraum -Tür - Zylinder - Schlüssel
Fakultät - Institut - Abteilung - Leiter - Nutzer
Aufgrund unterschiedlicher Zugangsberechtigungen existiert
eine Schlüsselhierarchie (z.B. GHS-GS-ES). Aus dieser ergibt
sich ein Schließplan, der die Zuordnung der einzelnen Schlüssel
zu einem Zylinder verdeutlicht (Abbildung 16).
Abbildung 16 Schließplan
6.3 Wartung und Instandhaltung
Das Anwendungssystem befasst sich mit der Wartung und Instandhaltung von Gebäuden und technischen
Anlagen an der Hochschule. Die Verwaltung der Gebäude und technischen Anlagen erfolgt durch das Dezernat
Technik. Hierzu existieren Wartungsverträge, die bereits digitalisiert wurden. Ziel ist es, aus der Verwaltung
dieser Dokumente, Prozessabläufe zu generieren.
Ein beispielhafter Ablauf ist wie folgt: Ein Wartungsvertrag der Lüftungsanlage x läuft über 2 Jahre und
bedeutet pro Monat 1 Aktion. Diese Aktionen sollen aller 4 Wochen automatisch ausgelöst werden, indem jeweils nach 4 Wochen automatisch eine Erinnerung erscheint, ein Anschreiben maschinell erstellt oder der
Techniker gerufen wird.
6.4 Gebäudereinigung
Das Reinigungsmanagement erfolgt durch eine Gebäudeverwaltungsfirma. Diese besitzt eine komplette Gebäudedatenbank zur Verwaltung aller Räume und Flächen der Gebäude. Mit Hilfe des Anwendungssystems
Gebäudereinigung wird sichergestellt, dass die Auswertung der Flächen hinsichtlich ihrer Ganzheit und Genauigkeit dem Normenstandard entspricht. Es sollen insbesondere Reinigungspläne und die mit ihnen zusammenhängende Dokumente automatisiert erstellt werden. Das wird Zuständigkeiten, Abrechnungen sowie raumzeitliche Optimierungen umfassen.
6.5 Regelbasierte Anwendung einer gesetzlichen-Norm
Die Norm DIN 277-1 gilt für die Ermittlung der Grundflächen und Rauminhalten von Bauwerken oder Teilen von Bauwerken im Hochbau. Die ermittelten Flächen und Rauminhalte sind maßgebend für die Ermittlung
der Kosten im Hochbau nach DIN 276, der Nutzungskosten im Hochbau nach DIN 18960 und bei dem Vergleich von Bauwerken. Dies bildet somit eine wichtige Grundlage für die wissensbasierte Organisation aller
erwähnten Anwendungssysteme.
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Für die Anwendung der DIN 277 muss im ersten Schritt die korrekte Zuordnung der Flächen und Räume erfolgen. In diesem Abschnitt wird auszugsweise nur auf die Zuordnung der Flächen eingegangen. Mit Hilfe des
wissensbasierten Systems soll die Möglichkeit gegeben werden, die Flächen anhand ihrer Funktion automatisch
der entsprechenden Nutzungsgruppe zuzuweisen. Die Funktionen der Räume wurden im BIM Modell bereits
hinterlegt und in die Datenbank übertragen. Auf diese Datenbank greift das wissensbasierte System zu und
weist die Flächen der Räume entsprechend ihrer Funktion der in der Norm vorgeschriebenen Fläche zu. Die
Gliederung der Flächen nach ihrer Zweckbestimmung wird in der Abbildung 17 verdeutlicht. Die automatische
Zuweisung mittels der Raumbezeichnung, welche aus dem Gebäudemodell oder der Datenbank entnommen
wird, wird durch die Regelmaschine DROOLS realisiert.
Bruttogrundfläche
(BGF)
Nettogrundfläche
(NGF)
Konstruktionsgrundfläche
(KGF)
Nutzfläche
(NF)
Technische Funktionsfläche
(TF)
Verkehrsfläche
(VF)
Gruppen entspechend der
tatsächlichen Nutzung
Betriebstechnische
Anlagen
Verkehrserschließung und sicherung
Abbildung 17 Flächengliederung nach der DIN 277
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Die Bruttogrundfläche wird in Netto- und Konstruktionsgrundfläche unterteilt. Die Gliederung der Nettogrundfläche erfolgt wiederum über die Einstufung der Räume in Nutzungsgruppen. Die detaillierte Zuordnung
eines Raumes regelt die Anlage DIN 277 – 2. In der Tabelle 3 wird gezeigt, in welche Nutzungsgruppen differenziert wird.
Tabelle 3 Nutzungsraten und Gliederung der Netto-Grundflächen (Tabelle 1 in DIN 277-1) [3]
Nr.
Netto-Grundflächen (NGF)
Nutzungsgruppe
1
Nutzfläche (NF)
Wohnen und Aufenthalt
2
Büroarbeit
3
Produktion, Hand- und Maschinenarbeit, Experimente
4
Lagern, Verteilen und Verkaufen
5
Bildung, Unterricht und Kultur
6
Heilen und Pflegen
7
Sonstige Nutzflächen
8
Technische Funktionsfläche
(TF)
Betriebstechnische Anlagen
9
Verkehrsfläche
(VF)
Verkehrserschließung und- sicherung
Bei der Zuweisung der Flächen zu einer Nutzungsgruppe ist jedoch einige Punkte zu beachten. Beispielsweise sagt die Norm aus, dass eine Fläche, bei der verschiedene Nutzungsgruppen in Frage kommen, da ihre
Nutzung auf verschiedene Art möglich ist, nur einer einzigen Nutzungsgruppe zugeordnet werden darf. Hierbei
muss die überwiegende Nutzungsart berücksichtigt werden. Auch ist zu beachten, dass betriebstechnische Anlagen, die der Ver- und Entsorgung anderer Bauwerke dienen, nicht wie üblich der Nr.8, sondern der Nr.7 zu
geordnet werden. Diese zwei „Regeln“ sind lediglich zwei Beispiele aus der Norm. Es gilt alle Besonderheiten
oder Einschränkungen heraus zu filtern und in das wissensbasierte System zu integrieren.
Für die Aufstellung der Regeln wurde zunächst eine Übersicht über die Beziehungen der einzelnen Raumfunktionen und deren Zuweisung zu den Flächen (NGF, TF, VF, etc.) erstellt. (Abb.18)
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Abbildung 18 Zuordnung der Begriffe nach der DIN 277
In diesem Zusammenhang lassen sich Regeln des wissensbasierten Systems ableiten. Beispiel einer Regel in
DROOLS ist in Abbildung 19 aufgeführt.
Abbildung 19 Regelaufbau nach der DIN 277
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E. Pflaum, W. Oertel, U. Kunze, S.Kracht
Hiermit wird die Rauminformation aus dem CAD Modell entnommen und es erfolgt eine automatische Zuweisung der Flächen zu ihrer Nutzungsgruppe. Aufbauend darauf wird eine normgerechte Flächenermittlung
auf Knopfdruck ermöglicht.
Des Weiteren sind die Grundflächen und Rauminhalte nach ihrer Zugehörigkeit zu folgenden Bereichen
getrennt zu ermitteln:
• Bereich a: Überdeckt und allseitig in voller Höhe umschlossen
• Bereich b: Überdeckt, aber nicht allseitig in voller Höhe umschlossen
• Bereich c: Nicht überdeckt.
Sie sind getrennt nach Grundrissebenen und getrennt nach unterschiedlichen Höhen zu ermitteln, dies gilt
auch für Grundflächen unter und über Schrägen.
Die beispielhaft genannten und viele weitere Bestimmungen sind in DIN- Normen und anderen Standardwerken festgeschrieben, welche von den Anwendern richtig umzusetzen sind. Bei der Komplexität kann es
jedoch vorkommen, dass Regeln bei manueller Nutzung nicht richtig berücksichtigt werden. Dies soll durch die
Entwicklung der Wissensbasis vermieden werden.
7 Fazit
In diesem Artikel wurde das erste Konzept für die Entwicklung einer Wissensbasis für CampusInfrastrukturmodelle vorgestellt und eine beispielhafte Umsetzung verdeutlicht. Die Entwicklung eines wissensbasierten Systems wird zu einer beträchtlichen Entlastung der technischen Dezernate und der gebäudeverwaltenden Institutionen bei vielen wichtigen Tätigkeiten führen. Die Grundlage für die Entwicklung bilden
dabei bauteilorientierte 3D-Gebäudemodelle und Datenbanken, die bereits vorhanden sind. Jedoch muss die
Synchronisation zwischen den Gebäudemodellen und den Datenbanken noch explizit untersucht werden. Für
das wissensbasierte System wird das flexible Informationssystem BUILDING CONTENT SYSTEM
bcs::system von CWSM GmbH Software Solutions Dresden als Basissystem eingesetzt.
Es ist jedoch zu beachten, dass ein wissensbasiertes System nur ein Werkzeug zur Unterstützung des Anwenders bei der Bewältigung seiner Aufgaben ist. Es ist nur so gut wie das integrierten Regelwerk und die verfügbare Wissensbasis. Es hat trotz verfügbarer Lösung eines Problems und der Aufbereitung des Lösungsweges
kein „Verständnis“ für das eigentliche Problem. Es stützt sich auf möglicherweise unvollständige oder fehlerhafte Daten, die durch den Anwender bzw. den Experten bereitgestellt wurden und kann diese nicht selbstständig auf ihre Richtigkeit überprüfen. Zudem kann es nicht intuitiv handeln. Diese Fähigkeit ist nach wie vor dem
Anwender vorbehalten.
Danksagung. Dieser Artikel ist im Rahmen des Promotionsvorhabens „Entwicklung einer Wissensbasis für CampusInfrastrukturmodelle“, welches in Form einer kooperativen Industriepromotion durch die Sächsische Aufbaubank (SAB)
und das Unternehmen CWSM GmbH Software Solutions Dresden gefördert wird, entstanden. Eine Kooperation besteht
zwischen der HTW Dresden, der TU Dresden, der CWSM GmbH Software Solutions und Frau Dipl.-Ing. (FH) E.Pflaum.
An dieser Stelle möchten wir uns für die Kooperationsbereitschaft und die Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen
bedanken. Wie danken insbesondere Herrn Prof. Dr.-Ing. Raimar Scherer (TU Dresden) der als Betreuer mitwirkt. Für die
Unterstützung bei der Datenerhebung danken wir Frau Dipl.-Wirt.-Inf. (FH) M. Schneider und Frau Dipl.-Inf. (FH) H.
Kantardshieffa. Ein Dank für die Unterstützung und Mitarbeit geht auch an Herrn Dipl.-Inf. (FH) S. Jonitz, der die Komponenten des wissensbasierten Systems entwickelt hat.
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