Brandenburgisches TumorzentrumOnkologischer Schwerpunkt Cottbus e. V. Cottbus Nordbrandenburgischer Onkologischer Schwerpunkt e. V. Schwedt Onkologischer Schwerpunkt Brandenburg/Nordwest e. V. Neuruppin Onkologischer Schwerpunkt Frankfurt (Oder) e. V. Frankfurt (Oder) Tumorzentrum Bad Saarow e. V. Bad Saarow Tumorzentrum Potsdam e. V. Potsdam Brandenburgische Krebsgesellschaft e. V. Landesärztekammer Brandenburg Tumorzentrum Land Brandenburg 4. Auflage 2005 1 2 Vorwort Das Tumorzentrum Land Brandenburg e. V. hat sich die Aufgabe gestellt, aktiv an der onkologischen Betreuung der Tumorpatienten mitzuwirken. Zu diesem Zweck wurden die Empfehlungen der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und die der Fachgesellschaften zur Nachsorge von Patienten mit onkologischen Erkrankungen zusammenfassend und übersichtlich in dieser Broschüre dargestellt. Da sich in den letzten Jahren die Erkenntnisse über den Verlauf onkologischer Erkrankungen erweitert haben und sicherlich auch ökonomische Gesichtspunkte mit einflossen, gibt es eine Reihe von Veränderungen in den Empfehlungen zur Nachsorge, die sich in der 4. Auflage widerspiegeln. Die Nachsorgeempfehlungen sind in erster Linie für den symptomfreien Tumorpatienten nach Beendigung der Primärbehandlung gedacht. Bei den meisten soliden Malignomen wird trotz früher Diagnose und Therapie bisher keine überzeugende Verlängerung der Überlebenszeit oder Verbesserung der Heilungsrate erreicht. Neben einer umfassenden Untersuchung und apparativen Diagnostik gewinnt die psychoonkologische Betreuung und die Lebensqualität zunehmend an Bedeutung. Auch die palliative oder supportive Behandlung der Tumorpatienten stellt eine wichtige und besondere Aufgabe in den Nachsorgesprechstunden dar. Besonders bei den Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Zusammenarbeit zwischen Facharzt und Hausarzt unabdingbar. Im Land Brandenburg werden durch die fünf Nachsorgeleitstellen mit Ihren klinischen Krebsregistern inzwischen ca. 80% aller Tumorerkrankungen registriert. Neben den Diagnose- und Therapiedaten werden auch alle Ergebnisse der Nachsorgeuntersuchungen erfasst. Die Register sind somit in der Lage, den betreuenden Ärzten bei Bedarf sofort einen zusammenfassenden Bericht zu jedem einzelnen Patienten zu erstellen. Die Vereinbarung zur „Vergütung der ärztlichen Leistungen im Rahmen der Berichterstattung der einheitlichen Tumorbasisdokumentation im Land Brandenburg“ bezieht sich auf diese Empfehlungen, die sowohl zeitliche Intervalle als auch das Ende der onkologischen Nachsorge bzw. den Beginn der Vorsorgeuntersuchungen vergütungsrelevant regelt. Ich möchte allen Mitarbeitern des Tumorzentrums Land Brandenburg e. V. für ihr Engagement bei der Erstellung der neuen Broschüre danken. Mein Dank gilt auch den Ärzten, die sich aktiv an der Tumordokumentation beteiligen, denn nur ein vollständiges Register, mit kompletten Datensätzen, von der Diagnose bis zum Ende der onkologischen Betreuung, ermöglicht eine Qualitätskontrolle der onkologischen Versorgung. Durch Langzeitauswertungen können wir Versorgungslücken aufdecken und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Betreuung der Tumorpatienten einleiten. Dr. med. K. Wenzelides Vorsitzender des Tumorzentrums Land Brandenburg e. V. 3 Vorwort Die hier vorliegende Broschüre „Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit onkologischen Erkrankungen“ ist, nun bereits in der vierten überarbeiteten Auflage, für die ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte im Land Brandenburg ein sehr wichtiges Informationsmedium. Viele von Ihnen haben sich an der Zusammenstellung der in dieser Broschüre enthaltenen Daten, Zahlen, Fakten, Erfahrungen beteiligt. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön. Viele von uns niedergelassenen Ärzten werden hier wiederum neue Anregungen für eine Verbesserung der Patientenbetreuung – oder aber, eine Bestätigung für die Richtigkeit der bereits praktizierten Diagnostik- und Therapieverfahren erhalten. Denn diese Broschüre ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Anleitung zum Handeln! Gerade auf diesem sehr sensiblen Gebiet medizinischer Tätigkeit, das immer wieder und immer mehr auch im Focus der Öffentlichkeit steht, ist ein enges Miteinander aller hier Tätigen von großer Bedeutung. Die KV Brandenburg unterstützt von Anfang an die Arbeit des Tumorzentrums Brandenburg; finanziell aber auch logistisch. Dies werden wir auch in der Zukunft so halten, gleichwohl die Spielräume aufgrund der angespannten Finanzlage immer geringer werden. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit mit diesen Informationen und Empfehlungen den erwarteten Zugewinn an Erkenntnissen und möglichst zugleich viele Anregungen für die eigene Tätigkeit zum Wohle der uns anvertrauten Patienten. Dr. med. Hans-Joachim Helming Vorsitzender des Vorstandes der KV Brandenburg 4 Inhaltsverzeichnis 1. Tumoren der Haut 1.1 Melanome 1.2 Basaliome 1.3 Plattenepithelkarzinome 1.4 Merkelzellkarzinom 1.5 Dermatofibrosarkom 1.6 Kaposi-Sarkom 1.7 Kutane Lymphome 7 7 12 15 19 21 23 26 2. Kopf-Hals-Tumoren 31 3. Schilddrüsentumoren 3.1 Differenzierte Karzinome 3.2 Undifferenziertes anaplastisches Karzinom 3.3 Medulläres Karzinom 35 35 36 37 4. Mammakarzinom 39 5. Bronchialkarzinome 41 6. Tumoren des Verdauungstraktes 6.1 Oesophaguskarzinome 6.2 Magenkarzinome 6.3 Gallenblasen- und Gallengangskarzinome 6.4 Primäre Leberkarzinome und Lebermetastasen 6.5 Pankreaskarzinome 6.6 Kolorektale Karzinome 6.7 Analkarzinome 46 46 47 48 49 50 51 54 7. Prostatakarzinom 55 8. Harnblasenkarzinom 56 9. Nierenbecken- und Harnleiterkarzinome 58 10. Hodentumore 59 11. Nierenzellkarzinom 63 12. Peniskarzinom 65 13. Gynäkologische Karzinome 13.1 Vulvakarzinom 13.2 Vaginalkarzinom 13.3 Zervixkarzinom 13.4 Endometriumkarzinom 13.5 Ovarialkarzinom 66 66 67 67 68 69 14. Leukämien und maligne Lymphome 71 15. Hirntumoren 78 5 16. Nachsorge nach Strahlentherapie 82 17. Tumorschmerztherapie 17.1 Einleitung 17.2 Schmerzarten und -ursachen 17.3 Schmerzanalyse 17.4 Therapiemethoden bei Tumorschmerzen 17.5 Defizite in der Schmerztherapie und deren Ursachen 17.6 Systemische analgetische Pharmakotherapie 17.7 Invasive Verfahren – Mehrstufen-Therapie 17.8 Medikamente zur rückenmarksnahen Analgesie 17.9 Destruierende Verfahren 17.10 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung 17.11 Zusammenfassende Schlußfolgerungen 91 91 91 92 93 93 93 101 105 106 107 107 Interdisziplinäre onkologische Tumorkonferenzen 115 6 1. Tumoren der Haut 1.1 Melanome Definition Das maligne Melanom ist ein bösartiger Tumor, der vom melanozytären Zellsystem ausgeht und sich überwiegend an der Haut manifestiert. Selten kommt er auch am Auge (Uvea, Retina), an den Hirnhäuten und den Schleimhäuten verschiedener Lokalisation vor. Das Melanom ist meist pigmentiert. Im Verhältnis zur Tumormasse besteht eine frühe Tendenz zur Metastasierung und damit eine ungünstige Prognose. Das maligne Melanom ist etwa für 90% der Mortalität an Hautkrebs verantwortlich. Epidemiologie und Ätiologie Die Melanominzidenz nimmt in weißen Bevölkerungen weltweit zu, insbesondere bei stark sonnenexponierten hellhäutigen Bevölkerungsgruppen. Zu Beginn der 70er Jahre betrug die Inzidenz des Melanoms in Deutschland 3 pro 100.000 Einwohner. Im letzten Jahrzehnt stieg sie auf 10 - 12 pro 100.000 Einwohner und in Regionen mit stärkerer UV-Belastung (Australien, südliche USA) bis etwa 40 pro 100.000 Einwohner [Boyle et al. 1995; Elder 1995]. Risikofaktoren: Hohe Anzahl von Naevi und Melanomvorläufern, Naevuswachstum Haarfarbe (rot versus braun/schwarz) Aktinische Lentigines Familiäre Belastung UV-Belastung Melanomtypen Typ superfiziell spreitendes Melanom Abkürzung Prozentualer Anteil SSM 57,4% NM 21,4% Lentigo-maligna-Melanom LMM 8,8% Akral-lentiginöses Melanom ALM Noduläres Melanom nicht klassifizierbares Melanom /Sonstige 4,0% 8,4% Prognose Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung befinden sich heute mehr als 90 % der Patienten in den Stadien I und II, d.h. ohne nachweisbare Metastasen. Die Metastasierung kann sowohl primär lymphogen als auch primär hämatogen erfolgen. 2/3 aller Erstmetastasierungen sind zunächst auf das regionäre Lymphabflussgebiet beschränkt. Eine regionäre Metastasierung kann manifest werden mit: • • • Satelliten-Metastasen (bis 2 cm um den Primärtumor) oder lokale Rezidive nach Entfernung des Primärtumors mit ungenügendem Sicherheitsabstand In-transit-Metastasen (in der Haut bis zur ersten LK-Station) und Regionären Lymphknotenmetastasen 7 Während für Patienten ohne Metastasierung die 10-Jahres-Überlebensrate etwa 75% beträgt, haben Patienten mit lokoregionärer Metastasierung bei frühzeitiger Entfernung der Metastasen eine Zehnjahresüberlebensrate von 20 – 40%. Nach wie vor ist die Prognose bei Auftreten von Fernmetastasen nahezu infaust. Die mediane Überlebenszeit beträgt im Stadium IV ca. 5-7 Monate [Häffner et al. 1992] Für das maligne Melanom wurde vom AJCC eine neue TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung vorgeschlagen, die sich inzwischen durchgesetzt hat [Balch et al. 2001] TNM-Klassifikation beim malignen Melanom nach AJCC (gültig seit 2002) T Klassifikation Tumordicke Tis Ulcerationsstatus Melanoma in situ, keine Tumorinvasion Tx Keine Angabe Stadium nicht bestimmbar T1 < 1,0 mm a: ohne Ulceration und Level II/III b: mit Ulceration oder Level IV/V T2 1,01 mm – 2,0 mm a: Ohne Ulceration b: mit Ulceration T3 2,01 – 4,0 mm a: Ohne Ulceration b: mit Ulceration T4 > 4,0 mm a: Ohne Ulceration b: mit Ulceration N Klassifikation N1 Zahl metastatisch befallener Lymphknoten (LK) 1 LK Ausmaß der Lymphknotenmetastasierung a: Mikrometastasierung b: Makrometastasierung N2 2-3 LK a: Mikrometastasierung b: Makrometastasierung c: Satelliten- oder In-transit-Metastasen ≥ 4 LK, Satelliten- oder In-transit- N3 Metastasen M Klassifikation M1a M1b M1c Art der Fernmetastasierung Haut, Subkutan oder LK Lunge Alle anderen viszeralen Metastasen Jede Art von Fernmetastasierung LDH normal normal normal erhöht Klinische Stadieneinteilung des malignen Melanoms [Balch et al. 2001] Stadium 0 Ia 8 Primärtumor (pT) Regionäre Lymphknotenmetastasen (N) In situ Tumoren Keine 1,0 mm, keine Ulceration Keine Fernmetastasen (M) Keine Keine Ib IIa IIb IIc IIIa IIIb IIIc 1,0 mm mit Ulceration Keine oder Clark-Level IV oder V Keine 1,01-2,0 mm, keine Ulceration 1,01-2,0 mm mit Ulceration keine keine Keine Keine Keine Keine Keine Keine 2,01-4,0 mm, keine Ulceration 2,01-4,0 mm mit Ulceration Keine > 4,0 mm, keine Ulceration > 4,0 mm mit Ulceration Keine Jede Tumordicke, keine Mikrometastasen Ulceration Jede Tumordicke mit Mikrometastasen Ulceration Keine Keine Keine Keine Jede Tumordicke, keine Ulceration Bis zu 3 Makrometastasen Keine Jede Tumordicke ± Ulceration Jede Tumordicke mit Ulceration Keine aber Satelliten- und/oder intransit Bis zu 3 Makrometastasen Keine Jede Tumordicke ± Ulceration 4 Makrometastasen oder kapselüberschreitender LK-Befall oder Satelliten- und/oder IntransitMetastasen mit LK-Befall Keine IV Keine Fernmetastasen Nachsorge Die Nachsorge orientiert sich hinsichtlich Umfang und Frequenz an Prognosefaktoren bzw. dem Tumorstadium. Da 90% der Metastasen in den ersten 5 postoperativen Jahren auftreten, wird für diesen Zeitraum die Nachsorge intensiver gestaltet. Da Spätmetastasen jedoch nicht ungewöhnlich sind, wird generell eine Nachsorge über 10 Jahre empfohlen. Ziele der Nachsorge • • • • • Feststellung der Rezidivfreiheit bzw. Früherkennung einer Tumorprogression, eines Zweittumors oder Melanomvorläuferläsionen Hilfe bei der Krankheitsverarbeitung und Bewältigung von Folgezuständen Anleitungen zur Eigenuntersuchung (4wöchentlich) Dokumentation der Krankheitsverläufe Durchführung und Überwachung einer adjuvanten Therapie Empfehlungen für die Nachsorge Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft hatte 1994 ein Nachsorgeschema empfohlen, das umfangreiche Kontrolluntersuchungen vorsah [Orfanos et al. 1994]. Die Nachsorge des malignen Melanoms wie auch anderer Tumoren wurde allerdings in den letzten Jahren verstärkt in Frage gestellt. So wurde bezweifelt, dass die Untersuchungen und Maßnahmen der Nachsorge das 9 Leben von Patienten mit Metastasen tatsächlich verlängern. Dieses gilt insbesondere für Tumoren, bei denen die therapeutischen Möglichkeiten in den Stadien der Metastasierung sehr begrenzt sind. Inzwischen liegen zwei neuere empirische Untersuchungen zur Nachsorge des Melanoms aus Deutschland vor, deren Ergebnisse nun zu einer Modifikation der Empfehlungen führen [Hofmann et al. 2002, Garbe et al. 2003]. Im Vergleich zu den bisherigen Empfehlungen kann der Umfang der Untersuchungen in den Stadien des Primärtumors und besonders bei Melanomen mit weniger als 1 mm Tumordicke reduziert werden [Garbe & Schadendorf 2003]. Bei besonderen prognostischen Risikofaktoren kann von diesen Empfehlungen abgewichen werden. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Melanoma in situ (pTis), einschließlich Lentigo maligna Jahr nach Primärtherapie Monat 1. – 5. 6 12 X X X X 1. - 5. 6 12 6. - 10. 12 Anamnese: OP-Folgen? Neue Muttermale? Klinische Untersuchung: Narbe, lokoregionaler Befund, übrige Haut und einsehbare Schleimhaut Melanom, Stadium I, 1mm Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Gewicht, Behinderung Klinische Untersuchung: Lokalbefund, regionäre Lymphabflusswege, Lymphknoten, Hautbefund, Naevuszellnaevi, Allgemeinbefund X X X X X X Melanom, Stadium Ib, IIa+b, >1mm Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Gewicht, Behinderung Klinische Untersuchung: Lokalbefund, regionäre Lymphabflusswege, Lymphknoten, Hautbefund, Naevuszellnnaevi, Allgemeinbefund Laboruntersuchung: LDH, AP, S100ß Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax Sonographie: LK und Abdomen CT, MRT, Skelettszintigraphie, PET 10 3 6 1. -5 9 12 6. - 10. 12 X X X X X X X X X X X X (X) X (X) X gezielt bei entsprechenden Befunden Melanom, Stadium IIc, III Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Gewicht, Behinderung Klinische Untersuchung: Lokalbefund, regionäre Lymphabflusswege, Lymphknoten, Hautbefund, Naevuszellnaevi, Allgemeinbefund Laboruntersuchung: LDH, AP, S100ß Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax Sonographie: LK und Abdomen CT, MRT, Skelettszintigraphie, PET 3 1. - 5 6 9 12 6. - 10. 6 12 X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X gezielt bei entsprechenden Befunden Melanom, Stadium IV Die Nachsorge sollte individuell erfolgen. Im Rahmen von palliativen Chemo- und/oder Immuntherapien wird in der Regel alle 3 Monate ein komplettes Staging durchgeführt. Anamnese: • • • • Änderung des Allgemeinbefindens (Gewichtverlust, Abgeschlagenheit, Fieber, Nachtschweiß, Kopfschmerz, Knochenschmerzen, andere Organbeschwerden) Eigenbeobachtungen (Veränderungen/Neuauftreten von Pigmentläsionen, knotige Verhärtungen) Zwischenzeitliche Erkrankungen, Zweitmalignome, Operationen, Änderung der Medikation Körperliche Untersuchung: • • • Inspektion des gesamten Hautorgans einschließlich der behaarten Kopfhaut, der einsehbaren Schleimhäute, der Fußsohlen und Zehenzwischenräume Inspektion und Palpation der Region des Primärtumors, der Transitstrecke und aller zugänglichen Lymphknotenregionen Zur Beurteilung suspekter Pigmentveränderungen wird die Durchführung der Auflichtmikroskopie empfohlen. Laboruntersuchungen: LDH, AP, S100β. Weitere Untersuchungen individuell bzw. im Rahmen adjuvanter oder palliativer Therapien. Bildgebende Diagnostik: Abdomen- und Lymphknotensonographie und Röntgen Thorax als Basisdiagnostik. Im Rahmen der Verlaufskontrolle bei palliativen Chemo- und/ oder Immunherapien bzw. bei speziellen Fragestellungen CT, cerebrales MRT und Skelettszintigraphie. Die Positronenemissionstomographie (PET) bietet als geeignetste Ganzkörpermethode zum Nachweis und zum Ausschluss von vitalem Tumorgewebe/Metastasen eines malignen Melanoms eine effektive, wenn auch kostenintensive Alternative. 11 Rehabilitation und psychosoziale Hilfe Neben der sorgfältigen Überwachung hinsichtlich eines möglichen Rezidivs oder einer Metastasierung ist bei der Nachsorgeuntersuchung auch immer die “Behinderung” mit ihren psychosozialen Folgen zu dokumentieren. Dabei sollte auf funktionelle Einschränkungen und ästhetische Beeinträchtigung geachtet werden. Zur Erholung nach primärer Behandlung und Rehabilitation von krankheits- und therapiebedingten Schäden könnten nachfolgende Leistungen in Anspruch genommen werden: • Rehabilitations-Heilverfahren, • Schwerbehindertenstatus, • Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v. H. bis Abschluss der Heilbewährung und darüber hinaus bei Entstellung und Fortbestehen der Organeinschränkung. Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 1.2 Balch CM, Buzaid AC, Soong SJ, Atkins MB, Cascinelli N, Coit DG, Fleming ID, Gershenwald JE, Houghton A Jr, Kirkwood JM, McMasters KM, Mihm MF, Morton DL, Reintgen DS, Ross MI, Sober A, Thompson JA, Thompson JF. Final version of the American Joint Committee on Cancer staging system for cutaneous melanoma. J Clin Oncol 19: 3635-48 (2001) Boyle P, Maisonneuve P, Dore JF: Epidemiology of malignant melanoma. Br Med Bull 51: 523-547 (1995) Elder DE: Skin cancer. Melanoma and other specific nonmelanoma skin cancers. Cancer 75: 245-256 (1995) Garbe C, Paul A, Kohler-Spath H, Ellwanger U, Stroebel W, Schwarz M, Schlagenhauff B, Meier F, Schittek B, Blaheta HJ, Blum A, Rassner G: Prospective evaluation of a follow-up schedule in cutaneous melanoma patients: recommendations for an effective follow-up strategy. J Clin Oncol 21: 520-529 (2003) Garbe C, Schadendorf D: Malignes Melanom: Neue Daten und Konzepte zur Nachsorge. Dtsch Arztebl 100: A 1804-1808 (2003) Häffner AC, Garbe C, Büttner P, Orfanos CE, Rassner G, Burg G: The prognosis of primary and metastasizing melanoma. An evaluation of the TNM classification in 2495 patients and proposals for their revision. Br J Cancer 66: 856-861 (1992) Hofmann U, Szedlak M, Rittgen W, Jung EG, Schadendorf D: Primary staging and follow-up in melanoma patients---monocenter evaluation of methods, costs and patient survival. Br J Cancer 87: 151-157 (2002) Orfanos CE, Jung EG, Rassner G, Wolff HH, Garbe C: Stellungnahme und Empfehlungen der Kommission malignes Melanom der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft zur Diagnostik, Behandlung und Nachsorge des malignen Melanoms der Haut. Stand 1993/94. Hautarzt 45: 285-291 (1994) Basaliome Epidemiologie und Ätiologie Das Basaliom (Basalzellkarzinom, Basalzellepitheliom) ist der häufigste Tumor des Menschen. In Deutschland beträgt die Inzidenz 100 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr. Das Durchschnittsalter liegt derzeit bei 60 Jahren. Allerdings ist eine Tendenz zu jüngerem Manifestationsalter erkennbar. Basaliome treten zu 80% im Kopf-Hals-Bereich auf. Das Tumorwachstum beginnt in der Regel ohne Präkanzerose. Ätiologische Faktoren sind: • Genetische Disposition mit geringer Hautpigmentierung • UV-Belastung • Arsen • Immunsuppression • Im Rahmen assoziierter Syndrome wie Xeroderma pigmentosum, Basalzellnaevus-Syndrom, Albinismus 12 Basaliomtypen Basaliome beginnen zumeist als flach erhabene, umschriebene, gelblich-rötliche Papeln mit perlschnurartigem Randsaum. Daneben existieren Varianten wie die als rote Flecken erscheinenden Rumpfhautbasaliome (superfizieller Typ) oder die an Vernarbungen erinnernden sklerodermiformen Basaliome. Fortgeschrittene Basaliome gehen in Erosionen und Ulzerationen über und können auch darunterliegende Gewebe (Muskel, Knorpel, Knochen) zerstören. Histogenetisch stammen Basaliome von den Zellen der Basalzellschicht und/oder der äußeren Wurzelscheide der Haarfollikel ab. Entsprechend der unterschiedlichen Differenzierungsmuster erfolgt die aktuelle Klassifizierung der WHO [Heenan et al. 1996]: • • • • • • • • • • Multifokales superfizielles Basaliom Noduläres Basaliom Infiltratives Basaliom Fibroepitheliales Basaliom Basaliom mit adnexoider Differenzierung Basosquamöses Karzinom Keratotisches Basaliom Pigmentiertes Basaliom Basaliom bei Basalzellnaevus-Syndrom Mikronoduläres Basaliom Prognose Das Basaliom ist durch destruierendes Wachstum per continuitatem gekennzeichnet. Es entwickelt sich über Monate und Jahre und geht in langen Verläufen in ulzerierende Läsionen (Ulcus rodens) über, die auch tiefere Gewebestrukturen zerstören können (Ulcus terebrans). In der Regel tritt keine Metastasierung auf (seltener als 1:1000). Stadieneinteilung Es gilt die derzeitige Stadieneinteilung nach der UICC-Klassifikation. Allerdings ist sie im klinischen Gebrauch wertlos, da die T-Klassifikation zu grob ist und die Kategorien N und M praktisch nicht vorkommen. Hilfreich sind dagegen folgende Angaben: • Horizontaler und vertikaler Tumordurchmesser • Lokalisation • Histologischer Typ • Sicherheitsabstand bei Resektion • Mikrographische Resektion Nachsorge Nach mikrographisch kontrollierter Chirurgie findet sich eine geringe Rezidivrate. Eine Nachsorge ist aber wegen des relativ häufigen Auftretens von Zweittumoren (ca. 30%) sinnvoll. Nach nicht erkannter subtotaler Exzision werden Rezidive meist innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren erkennbar [Rowe et al. 1989], können aber auch noch nach über 10 Jahren auftreten. Eine klinische Nachsorge ist zumindest über 3 Jahre in jährlichen Abständen empfehlenswert. Patienten mit rezidivierenden Tumoren oder höherem Risiko (Immunsuppression, genetische Disposition) sollten alle 3-6 Monate kontrolliert werden. 13 Orientierender Zeitplan für die Nachsorgeuntersuchungen: Basaliom, low risk 1. – 3. Jahr nach Primärtherapie Monat 12 X X Anamnese Klinische Untersuchung: Lokalbefund Basaliom , high risk Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese Klinische Untersuchung: Lokalbefund Laboruntersuchung Apparative Untersuchung: Röntgen, Endoskopie, Sonographie, Computertomogramm, Skelettszintigramm 3 X X 1. Jahr 2. - 3. 6 12 6 12 X X X X X X X X nur gezielt bei entsprechendem Verdacht auf invasive Ausbreitung Literatur 1. Heenan PJ, Elder DJ, Sobin LH: Histological typing of skin tumours. 26. WHO Intenational Histological Classification of Tumours. Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1996 2. Rowe DE, Carroll RJ, Day CL Jr: Long-term recurrence rates in previously untreated (primary) basal cell carcinoma: implications for patient follow-up. J Dermatol Surg Oncol 15(3):315-28 (1989) 14 1.3 Plattenepithelkarzinome Epidemiologie und Ätiologie Das Plattenepithel-Karzinom ist nach dem Basaliom der zweithäufigste Hauttumor und tritt in Mitteleuropa mit einer Häufigkeit von 20 bis 30 Erkrankungen/100.000 Einwohner pro Jahr mit steigender Tendenz auf. Das Durchschnittsalter liegt bei 70 Jahren. Männer erkranken häufiger als Frauen. Risikofaktoren sind: • Aktinische Keratosen • Höheres Lebensalter • Kumulative UV-Exposition • Heller Hauttyp • Chronische Wunden und Entzündungen (Ulcera crurum, Verbrennungen, Narben, Lichen ruber, bullöse Dermatosen) • Arsenexposition • Röntgenstrahlen • Immunsuppression (iatrogen nach Organtransplantation, Leukosen, HIV) Plattenepithelkarzinomtypen Die Entwicklung des Plattenepithelkarzinoms beginnt in situ. Durchsetzen die Veränderungen die gesamte Epidermis, so wird der Befund als Morbus Bowen (intraepidermales Karzinom) bezeichnet, im Bereich der Übergangsschleimhäute als Erythroplasie Queyrat. Die aktuelle histologische Klassifizierung der WHO unterscheidet wie folgt [Heenan et al. 1996]: • • • • • Spindelzelliges Plattenepithelkarzinom der Haut (aggressives Verhalten) Akantholytisches Plattenepithelkarzinom der Haut verruköses Plattenepithelkarzinom der Haut (prognostisch günstig) Plattenepithelkarzinom mit Hornbildung Lymphoepitheliomartiges Plattenepithelkarzinom der Haut Noch nicht aufgenommen in die internationale Klassifikation ist das desmoplastische Plattenepithelkarzinom mit hohem Stromaanteil und schmalen Zellsträngen, das sich aufgrund einer sehr hohen Rezidivrate (25%) und Metastasierungspotenz (50%) von der Gruppe der gewöhnlichen Plattenepithelkarzinome abgrenzt. TNM-Klassifikation (UICC 2002) Im folgenden ist das TNM-System für Hautkarzinome aufgeführt [Wittekind et al. 2002]. Es gilt nicht für Tumoren der Augenlider, der Vulva und des Penis. Es umfasst die Karzinome der Lippenhaut, nicht aber die des Lippenrotes, für die die Klassifikation der Mundhöhlenkarzinome gilt. T Klassifikation Tumormerkmale* Tis Carcinoma in situ (Metastasierung ist ausgeschlossen) Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden To Kein Anhalt für Primärtumor T1 Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung 15 T2 Tumor > 2 cm aber 5 cm in größter Ausdehnung T3 Tumor > 5 cm in größter Ausdehnung T4 Tumor infiltriert tiefe extradermale Strukturen wie Knorpel, Skelettmuskel oder Knochen N Klassifikation Regionäre Lymphknoten (LK) Nx Regionäre LK können nicht beurteilt werden N0 keine regionären LK-Metastasen N1 Regionäre LK-Metastasen M Klassifikation Fernmetastasen Mx Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden M0 Keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen * Im Falle multipler simultaner Tumoren wird der Tumor mit der höchsten T-Kategorie klassifiziert und die Anzahl abgrenzbarer Tumoren in Klammern angegeben. Da diese Einteilung die Möglichkeiten der Prognoseabschätzung nicht ausschöpft, muß die klinische Klassifizierung durch histopathologische Parameter ergänzt werden. Zur besseren Diskriminierung des Metastasierungsrisikos wurde bei der Festlegung der T-Klasse die Tumordicke vorgeschlagen [Breuninger et al. 1990]. pT-Klasse Merkmale pT1-3a Begrenzt auf Dermis und Tumordicke < 2 mm pT1-3b Begrenzt auf Dermis und Tumordicke > 2 mm, aber < Metastasierungsrate 0% ca. 6% 5 mm pT1-3c Invasion der Subcutis und/oder Tumordicke > 5 mm pT4a Tumordicke < 5 mm ca. 25% pT4b Tumordicke > 5 mm ca. 40% ca. 20% Bei Infiltration extradermaler Strukturen (T4): Anmerkung: pT1-3 sind entsprechend der TNM-Klassifikation durch die Tumorgröße bestimmt: pT1 < 2cm, pT2: 2 - 5cm, pT3 > 5cm Ausdehnung. 16 Stadieneinteilung des Plattenepithel-Karzinoms (UICC 2002) Stadium Primärtumor Lymphknoten Fernmetastasen 0 Tis N0 M0 I T1 N0 M0 II T2 N0 M0 T3 N0 M0 T4 N0 M0 Jedes T N1 M0 Jedes T Jedes N M1 III IV Prognose Das Plattenepithel-Karzinom wächst destruierend. Eine Metastasierung tritt fast immer primär lymphogen lokoregionär auf. Die Letalität ist insgesamt gering. Metastasierungen treten bei 5% der Patienten auf. Die 5-Jahres-Überlebensrate bei Metastasierung liegt bei 25-50%. Fernmetastasen sind selten. Nachsorge Das Nachsorgeschema sollte sich entsprechend der primär lokoregionären Metastasierung und des Auftretens der überwiegenden Zahl der Rezidive und Metastasen innerhalb der ersten 2 Jahre gestalten und somit auf den lokoregionären Bereich und den entsprechenden Zeitraum konzentrieren. Die Nachsorge sollte eine Anleitung des Patienten zur regelmäßigen Selbstuntersuchung umfassen. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Plattenepithelkarzinom, pT1-3a (2 mm) Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Behinderung Klinische Untersuchung: Lokalbefund, regionäres Lymphabflussgebiet Apparative Untersuchungen: Sonographie: LK Röntgen: Thorax, Sonographie, CT, Skelettszintigramm 3 1. – 2. 6 9 12 3. - 5. 6 12 X X X X nur bei klinisch unklarem Palpationsbefund Nur gezielt bei Verdacht auf metastatische Ausbreitung 17 Plattenepithelkarzinom, pT1-3b (>2-5 mm) Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Behinderung Klinische Untersuchung: Lokalbefund, regionäres Lymphabflussgebiet Apparative Untersuchungen: Sonographie: LK Röntgen: Thorax, Sonographie, CT, Skelettszintigramm 3 1. – 2. 6 9 12 3. - 5. 6 12 X X X X X X X X X X X X Nur gezielt bei Verdacht auf metastatische Ausbreitung Plattenepithelkarzinom, pT1-3c (>5 mm) Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Behinderung Klinische Untersuchung: Lokalbefund, regionäres Lymphabflussgebiet Apparative Untersuchungen: Sonographie: LK Röntgen: Thorax, Sonographie, CT, Skelettszintigramm 3 1. – 2. 6 9 12 3. - 5. 6 12 X X X X X X X X X X X X X X X X X X Nur gezielt bei Verdacht auf metastatische Ausbreitung Plattenepithelkarzinom, pT4 oder desmoplastischer Typ Nachsorge alle 3 Monate bzw. individuell. Anamnese • Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Behinderung, Eigenbeobachtung, Medikation (Immunsuppression) Klinische Untersuchung: • • Lokalbefund regionäres Lymphabflussgebiet Lymphknotensonographie • regionäres Lymphabflussgebiet Rehabilitation und psychosoziale Hilfe Da die Plattenepithelkarzinome als Ursprungslokalisation Gesicht, Hals, Ohren, Lippen befallen, sind bei Rezidivfreiheit ggf. plastisch-chirurgische Wiederherstellungsoperationen und Versorgung mit Epithesen notwendig. Auch bei rezidivfreiem Verlauf ist aufgrund der unsicheren Prognose der Schwerbehindertenstatus über das Versorgungsamt zu erwirken. Literatur 1. Heenan PJ, Elder DJ, Sobin LH: Histological typing of skin tumours. 26. WHO Intenational Histological Classification of Tumours. Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1996 2. Wittekind C, Meyer HJ, Bootz F: UICC (International Union against cancer), TNM Klassifikation maligner Tumoren. 6. Auflage, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokio 2002 3. Breuninger H, Black B, Rassner G: Mikrostaging of squamous cell carcinomas. Am J Clin Pathol 94: 624-627 (1990) 18 1.4 Merkelzellkarzinom (Kutanes neuroendokrines Karzinom) Definition Das Merkelzellkarzniom ist ein bösartiger Tumor, der von den Merkelzellen der Haut ausgeht. Merkelzellen sind neuroektodermale Zellen, die in der Basalschicht der Epidermis, frei in der Dermis und in der äußeren Haarwurzelscheide vorkommen. Sie leitet Tastempfindungen an dermale Nervenendigungen. Die Merkelzelle wird dem APUD-System (Amine Precursor Uptake and Decarboxylation System) zugeordnet. Epidemiologie Das Merkelzellkarzinom ist ein seltener Tumor mit einer Inzidenz von ca. 0,1 - 0,3 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr. Betroffen sind überwiegend ältere Personen unter Bevorzugung des weiblichen Geschlechts. Merkelzellkarzinomtypen Das Merkelzellkarzinom stellt sich meist als solider, rötlich-violetter, halbkugeliger oder kugeliger, manchmal auch plaqueförmiger Tumor dar. Histologisch ist das Merkelzellkarzinom ein dermal gelegener Tumor. Es werden 3 histologische Subtypen unterschieden: • trabekulärer Typ • intermediärer Zelltyp • kleinzelliger Typ Prognose Das Merkelzellkarzinom ist ein relativ aggressiver Tumor, der häufig lokal rezidiviert und eine hohe Metastasierungsrate aufweist. Bereits bei Erstdiagnose besteht bei 50% der Patienten ein Lymphknotenbefall. Bei etwa 30% der Patienten ist mit einem letalen Ausgang zu rechnen. Ungünstige prognostische Faktoren sind: Fortgeschrittenes Tumorstadium (lokoregionäre Metastasen oder Fernmetastasen), männliches Geschlecht, Lokalisation des Primärtumors in der Kopf-Hals-Region oder am Rumpf, jüngeres Lebensalter (< 60 Jahre). Prognostische Bedeutung hat auch die Unterscheidung der histologischen Subtypen mit günstiger Prognose für den trabekulären Typ, mittlerer für den intermediären Typ und schlechter Prognose für den kleinzelligen Typ. Stadieneinteilung Eine allgemein eingeführte Stadieneinteilung existiert nicht. In der Literatur wird meist die folgende Einteilung verwendet. Stadium Definition Stadium I Primärtumor allein Stadium II Lokoregionäre Metastasen Stadium III Fernmetastasen 19 Nachsorge Aufgrund der geringen Inzidenz des Merkelzellkarzinoms wurden bisher keine systematischen Untersuchungen zur genauen Ausbreitungsdiagnostik und Nachsorge durchgeführt. Diagnose des Primärtumors sollte eine Ausbreitungsdiagnostik mittels Nach Lymphknotensonographie der drainierenden Lymphknoten sowie eine Sonographie Abdomen und eine Röntgen-Thorax-Untersuchung erfolgen. Bei Verdacht auf eine viszerale Fernmetastasierung werden die geeigneten organspezifischen Untersuchungen, wie z.B. die Magnetresonanztomographie des Hirns oder Computertomographie-Untersuchung des Thorax bzw. des Abdomens zur weiterführenden Diagnostik durchgeführt. Als experimentell ist derzeit immer noch die Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie anzusehen. Die Nachsorge sollte wegen des hohen Risikos von Lokalrezidiven und regionären Lymphknotenmetastasen innerhalb des ersten Jahres in 4- bis 6-wöchigen Abständen und später in vierteljährlichen Abständen erfolgen. Diese sollte neben der klinischen Untersuchung mit Lymphknotenpalpation eine Lymphknotensonographie unter besonderer Berücksichtigung der regionären Lymphknotenstationen umfassen. Einmal jährlich wird eine Abdomen-Sonographie und Röntgen-Thorax-Untersuchung empfohlen. Insgesamt sollte der Nachsorgezeitraum mindestens 5 Jahre umfassen [Hauschild & Garbe 1998]. Orientierender Zeitplan für die Nachsorgeuntersuchungen: Merkzellkarzinom Jahr nach Primärtherapie Monat 1,5 1. 3 4,5 6 7,5 9 X X X X X 10,5 12 3 2. – 5. 6 9 12 X X X Klinische Untersuchung: Lokalbefund LK-Palpation Apparative Untersuchungen: Sonographie-LK Sonographie-Abdomen Rönthgen-Thorax X X X X X X X X X X Literatur 1. 20 Hauschild A, Garbe C: Kutanes neuroendokrines Karzinom (Merkelzellkarzinom). Kommission für Qualitätssicherung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes Deutscher Dermatologen. Hautarzt 48 Suppl 1: 27-29 (1998). 1.5 Dermatofibrosarkom Definition Das Dermatofibrosarkom (Dermatofibrosarcoma protuberans) ist ein fibrohistiozytärer, ausschließlich an der Haut vorkommender Tumor von intermediärer Malignität. Klinisch zeigt sich meist ein hautfarbener manchmal braun-gelb tingierter, manchmal auch rötlicher, uncharakteristischer, flach erhabener, derber, unregelmäßig konturierter manchmal auch multinodulärer Tumor, mit teilweise jahrelanger Bestandsdauer. Der Tumor ist vorwiegend am Stamm sowie an den proximalen Extremitätenabschnitten lokalisiert. Epidemiologie Das Vorkommen ist sehr selten (unter 1 pro 100.000 Einwohner und Jahr). Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei 40 Jahren. Männer und Frauen sind gleichmäßig betroffen. Prognose Das Dermatofibrosarkom wächst langsam lokal infiltrierend und neigt zu lokalen Rezidiven, metastasiert aber nur selten. Lokalrezidive treten bei bis zu 80% der Patienten auf. Lymphknotenmetastasierungen sind sehr selten – eher noch finden sich Fernmetastasierungen unter Bevorzugung der Lunge (ca. 5% nach zuvor aufgetretenen Lokalrezidiven oder Tumoren mit fibrosarkomatösen Anteilen). Stadieneinteilung Eine allgemein eingeführte Stadieneinteilung existiert nicht. In der Literatur wird meist die folgende Einteilung verwendet. Stadium Definition Stadium I Primärtumor allein Stadium II Lokoregionäre Metastasen Stadium III Fernmetastasen Nachsorge Aufgrund der geringen Inzidenz liegen keine allgemeinen Empfehlungen zur genauen Ausbreitungsdiagnostik und Nachsorge vor. Bei Diagnose des Primärtumors ist präoperativ eine Bestimmung der Tumorausdehnung mittels Sonographie oder CT, vor allem aber MRT hilfreich. Die Nachsorge sollte wegen des hohen Risikos von Lokalrezidiven vor allem auf die frühzeitige Erkennung dieser gerichtet sein. Hierzu sind klinische Untersuchungen alle 6 Monate über 3 Jahre und folgend in jährlichen Abständen zu empfehlen. Die Nachsorge sollte auch eine Anleitung des Patienten zur regelmäßigen Selbstuntersuchung umfassen. Eine klinische Kontrolle der Lymphknotenregion erscheint zunächst ausreichend. Bei Rezidiven oder fibrosarkomatösen Typen sollte eine Röntgen-Thorax-Untersuchung und Lymphknotensonographie halbjährlich erfolgen. 21 Orientierender Zeitplan für die Nachsorgeuntersuchungen: Dermatofibrosarkom: Jahr nach Primärtherapie Monat Klinische Untersuchungen: Lokalbefund LK-Palpation Apparative Untersuchungen: Röntgen-Thorax Sonographie-LK 6 1. – 3. 12 X X X X 4. – 5. 12 X X bei Rezidiven oder fibrosarkomatösen Typen halbjährlich Literatur 1. Breuninger H, Sebastian G, Garbe C: Dermatofibrosarcoma protuberans - An Update. Neues zum Dermatofibrosarkoma protuberans. JDDG 2 (8): 661-667 (2004). 22 1.6 Kaposi-Sarkom Definition Das Kaposi-Sarkom (KS) ist eine maligne, von den Gefäßendothelien ausgehende multilokuläre Systemerkrankung mit sehr variablem Verlauf. Häufigstes Manifestationsorgan ist die Haut, aber auch Schleimhäute, das lymphatische System und innere Organe - vor allem Lunge und Gastrointestinaltrakt - können betroffen sein. Allen Formen des Kaposi-Sarkoms liegt eine Infektion mit dem sexuell und über Blut übertragbaren Humanen Herpesvirus 8 (HHV-8) zu Grunde. Epidemiologie Bis 1981 galt das Kaposi-Sarkom als extrem seltener Gefäßtumor, der im typischen Fall bei alten Männern an der Haut der unteren Extremitäten beginnt. Solche sporadisch, in einigen Gebieten auch endemisch auftretenden Tumoren werden unter der Bezeichnung klassisches KaposiSarkom zusammengefaßt. Die Inzidenz wird mit ca. 1 Fall/ 10 Mio. Einwohner/Jahr angegeben. Darüber hinaus werden Kaposi-Sarkome bei iatrogener Immunsuppression (z.B. transplantationsassoziiertes Kaposi-Sarkom) und als kutane bzw. lymphatische Verlaufsform endemisch in Zentralafrika beobachtet (Afrikanisches endemisches Kaposi-Sarkom). Eine schwere, rasch progrediente und disseminiert Haut, Schleimhäute, Lymphknoten und innere Organe betreffende epidemische Variante des Kaposi-Sarkoms tritt seit Anfang der 80-er Jahre bei jungen HIV-infizierten homosexuellen Männern auf (HIV-assoziiertes Kaposi-Sarkom). Das KaposiSarkom gilt als AIDS-definierende Erkrankung und trat früher bei 25% aller HIV-Infizierten auf. Seit Einführung der antiretroviralen Therapie ist die Häufigkeit um ca. 90% zurückgegangen. Kaposi-Sarkom-Typen • • • • Klassisches (sporadisches) Kaposi-Sarkom Kaposi-Sarkom bei iatrogener Immunsuppression Afrikanisches endemisches Kaposi-Sarkom HIV-assoziiertes (epidemisches) Kaposi-Sarkom Prognose Das klassische Kaposi-Sarkom ist ein wenig maligner, langsam progredienter Tumor. Aufgrund des hohen Erkrankungsalters und der langsamen Tumorprogression wird in vielen Fällen die Lebensqualität und -erwartung der Betroffenen nur wenig beeinträchtigt. Bei den bei iatrogener Immunsuppression auftretenden Kaposi-Sarkomen sind nach Verbesserung des Immunstatus Spontanremmissionen zu beobachten. Das HIV-assoziierte Kaposi-Sarkom besitzt eine außerordentlich variable Dignität. Es gibt über viele Jahre chronisch-stationäre Verläufe bis hin zu rasch progredientem Tumorwachstum, das innerhalb von Wochen zum Tode führt. Seit Einführung der antiretroviralen Therapie hat sich die Prognose verbessert und die Häufigkeit des Kaposi-Sarkoms ist deutlich rückläufig. Stadieneinteilung des HIV-assoziierten (epidemischen) Kaposi-Sarkoms (nach ACTG*) [Krown 1989] Frühstadium (gute Prognose) Spätstadium (schlechte Prognose) Wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind: wenn eine einzige der folgenden Bedingungen zutrifft: 1.Tumor (T): Pulmonales oder gastrointestinales Kaposi- 1. Tumor (T): Kaposi-Sarkom auf Haut und/oder 23 Lymphknoten beschränkt; allenfalls minimale orale Beteiligung (nicht erhabene Läsionen am harten Gaumen) 2. Immunstatus (I): CD4-Zellen 200/µl 3. Symptome (S): Keine opportunistischen Infektionen, kein Mundsoor, keine B-Symptomatik** der HIVInfektion Sarkom; ausgedehnter oraler Befall; Tumorbedingte Ödeme oder Ulzerationen 2. Immunstatus (I): CD4-Zellen < 200/µl 3. Symptome (S): In der Anamnese opportunistische Infektionen, Mundsoor, malignes Lymphom oder HIVassoziierte neurologische Erkrankungen, BSymptomatik der HIV-Infektion** *AIDS Clinical Trial Group, ** B-Symptomatik = unklares Fieber, Nachtschweiß oder Diarrhoen, die länger als 2 Wochen anhalten, Gewichtsverlust 10% Ausbreitungsdiagnostik und Nachsorge Zur Ausbreitungsdiagnostik ist eine komplette Inspektion des Patienten (inklusive der Schleimhäute), eine sonographische Erhebung des Lymphknotenstatus, eine Gastroduodeno- und Rektoskopie, sowie eine Röntgen-Thorax-Untersuchung und eine abdominelle Sonographie erforderlich. Fallweise nützlich sind eine CT-Thorax- und CT-Abdomen-Untersuchung. Ein serologischer Tumormarker steht nicht zur Verfügung, jedoch scheint der PCR-Nachweis des Kaposi-Sarkom Herpes-Virus (KSHV, entspricht HHV-8) im Blut der Tumorentwicklung bei HIVInfizierten parallel bzw. auch vorauszugehen [Whitby et al. 1995]. Aufgrund der Seltenheit des klassischen Kaposi-Sarkoms älterer Menschen stehen valide Daten über den Nutzen regelmäßiger Nachsorgeuntersuchungen bisher nicht zur Verfügung. Die langsame Tumorprogression läßt klinische Kontrollen in 6-monatigen Abständen für sinnvoll erscheinen. Beim HIV-assoziierten epidemischen Kaposi-Sarkom bestimmt meist die zugrundeliegende HIVErkrankung mit ihren opportunistischen Infektionen die Nachsorgeintervalle. Da jedoch in Einzelfällen auch bei noch gut erhaltenen Restfunktionen des zellulären Immunsystems (CD4 > 400/µl) mit einer raschen Tumorprogression und Organbeteiligung gerechnet werden muss, empfehlen sich 3-monatliche Kontrollen des klinischen Ausbreitungsgrades (Haut, Schleimhäute, Lymphknoten) sowie 6 - 12 monatliche Kontrollen der Lunge (Röntgen-Thorax-Untersuchung) und des Gastrointestinaltraktes (okkultes Blut, ggf. Sonographie, Endoskopie). Harte Daten zur Tumornachsorge, die eine Verbesserung der Heilungsrate durch engmaschige Kontrollen belegen, liegen auch für das Kaposi-Sarkom bei iatrogener Immundefizienz, das afrikanische und das HIV-assoziierte Kaposi-Sarkom bisher nicht vor. 24 Orientierender Zeitplan für die Nachsorgeuntersuchungen: Klassisches Kaposi-Sarkom: Jahr nach Primärtherapie Monat Klinische Untersuchungen: Haut, Schleimhäute, LK 1. 3 6 2. – 5. 9 12 6 12 X X X 3 1. – 3. 6 9 12 6 12 X X X X X HIV-assoziiertes epidemisches Kaposi-Sarkom: Jahr nach Primärtherapie Monat Klinische Untersuchungen: Haut, Schleimhäute, LK, okkultes Blut Apparative Untersuchungen: Röntgen-Thorax Sonographie-Abdomen Endoskopie X X X X 4. – 5. X X X X X X Literatur 1. Krown SE, Metroka C, Wernz JC: Kaposi’s sarcoma in the acquired immune deficiency syndrome: a proposal for uniform evaluation, response, and staging criteria. J Clin Oncol 7: 1201-1207 (1989) 2. Whitby D, Howard MR, Tenant-Flowers M, Brink NS, Copas A, Boshoff C, Hatzioannou T, Suggett FE, Aldam DM, Denton AS et al.: Detection of Kaposi‘ s sarcoma associated herpesvirus in peripheral blood of HIV-infected individuals and progression to Kaposi‘ s sarcoma. Lancet 346: 799802 (1995). 25 1.7 Kutane Lymphome Definition Kutane Lymphome sind eine heterogene Gruppe von neoplastischen Erkrankungen, die durch klonale Proliferation von Lymphozyten in der Haut entstehen. Sie sind zytomorphologisch vergleichbar mit Lymphomen an anderen Lokalisationen wie z.B. gastrointestinalen oder nodalen. Auf Grund des spezifischen Mikroenvironmentes der Haut, präsentieren sie sich klinisch und histologisch in besonderen Varianten, so dass die üblichen Klassifikationen nur bedingt für diese Erkrankungen anwendbar sind Epidemiologie Die Häufigkeit kutaner Lymphome wird auf ca. 1/100.000 Einwohner pro Jahr geschätzt und scheint anzusteigen. Klassifikation und Prognose Hinsichtlich der Klassifikation von kutanen Lymphomen wird zwischen kutanen T-Zell-Lymphomen und kutanen B-Zell-Lymphomen unterschieden. Nachfolgend ist die WHO-Klassifikation aufgeführt [Heenan et al. 1996]: 1. Kutane T-Zell-Lymphome - Mycosis fungoides - Sézary-Syndrom - Pagetoide Retikulose (M. Woringer-Kollop) - Adultes T-Zell-Lymphom/Leukämie 2. Kutane B-Zell-Lymphome 3. Kutanes Plasmozytom 4. Pleomorphe Varianten kutaner Lymphome - Immunoblastisches T-Zell-Lymphom- großzelliges anaplastisches Lymphom 5. Hautbefall bei Leukämien Die EORTC hat 1997 folgende Klassifikation vorgeschlagen [Willemze et al. 1997]: Kutane T-Zell-Lymphome Kutane B-Zell-Lymphome Indolent (Überlebenszeit > 10 Jahre) • Mycosis fungoides + follikuläre Muzinose • pagetoide Retikulose • lymphomatoide Papulose • großzelliges CD 30 pos. kut. T-ZellLymphom (inkl. anaplastische, pleomorphe u. immunoblastische Form) • Keimzentrumslymphom • Immunocytom (einschl. Marginalzonen B-Zell Lymphom) Intermediär (Überlebenszeit > 5 Jahre) 26 • großzelliges B-Zell-Lymphom der unteren Extremität Aggressiv (Überlebenszeit < 5 Jahre) • Sezary-Syndrom • großzelliges CD 30 neg. kut.T-ZellLymphom (inkl. immunoblastische und pleomorphe Form) Provisorisch • Granulomatous slack skin • Intravasculäres kut. B-Zell-Lymphom • subkutanes pannikulitisartiges T-ZellLymphom • Plasmozytom • Klein- und mittelgroßzellige pleomorphe kutane T-Zell-Lymphome TNM-Stadieneinteilung (Bunn et al. 1979) für Mycosis fungoides und Sezary-Syndrom Kategorie Definition T: Primärtumor Tx T0 T1 T2 T3 T4 Primärtumor kann nicht beurteilt werden Kein Anhalt für Primärtumor Begrenzte Plaques, Papeln oder ekzematöse Herde, weniger als 10% der Körperoberfläche einnehmend Disseminierte Plaques, Papeln oder ekzematöse Herde, 10% oder mehr der Körperoberfläche einnehmend Tumoren (>1) Generalisierte Erythrodermie N: Lymphknoten N0 N1 N2 N3 Klinisch keine Lymphknoten palpabel Palpable Lymphknoten, histologisch kein Anhalt für CTCL Klinisch keine vergrösserten Lymphknoten, histologisch Infiltrate eines T-Zell-Lymphoms Palpable Lymphknoten, histologisch Infiltrate eines T-ZellLymphoms B: Peripheres Blut B0 B1 Keine atypischen Lymphozyten im peripheren Blut (<5%) Atypische Lymphozyten im peripheren Blut (>5%) M: Fernmetastasen M0 M1 Keine Beteiligung viszeraler Organe Histologisch gesicherte viszerale Beteiligung 27 Stadium T N M Ia 1 0 0 Ib 2 0 0 IIa 1/2 1 0 IIb 3 0/1 0 III 4 0/1 0 IVa 1-4 2/3 0 IVb 1-4 0-3 1 Diagnostik Die Mehrheit der Lymphome der Haut kann bereits klinisch vermutet werden, dennoch ist eine histologische und immunhistologische Untersuchung unerläßlich. Molekularbiologische Verfahren gewinnen in jüngster Zeit zunehmend mehr Einfluss auf Diagnostik und Klassifikation maligner Lymphome der Haut sowie deren Abgrenzung zu reaktiven lymphozytären Infiltraten: Biopsie/Histologie: Zur Diagnostik empfiehlt sich eine Probeexzision eines unbehandelten klinisch verdächtigen Hautareals (gegebenenfalls auch mehrere Probebiopsien). Prinzipiell sollte bei Verdacht auf ein malignes Lymphom ein Präparat für die Routine-Paraffin-Histologie und ein unfixiertes Gefrierpräparat entnommen werden. Molekularbiologische Untersuchungen: Monoklonalität kann prinzipiell auf DNA-, mRNA- und Proteinebene nachgewiesen werden, wobei die T-Zellrezeptor- bzw. Immunglobulin- Gene und Genprodukte analysiert werden. Bei Läsionen mit einem sehr dichten lymphozytären Infiltrat kann die Southernblot-Technik angewendet werden. Allerdings ist die Sensitivität dieser Methoden oft nicht ausreichend, so dass Methoden mit Einsatz der PCR (Polymerase-Kettenreaktion) eingesetzt werden müssen. Klinische Untersuchung Erhebungen eines genauen Hautbefundes auf einem Erhebungsbogen • Exakter Status aller Lymphknotenstationen (Palpation; ggf. Lk-Sono) • Palpation von Leber und Milz • Fallweise nützlich: Fotodokumentation • Abdomen-Sonographie • Röntgen-Thorax-Untersuchung in 2 Ebenen • Fallweise nützlich: CT-Thorax, CT Abdomen und andere gezielte bildgebende Untersuchungen Laboruntersuchungen • Komplettes Routinelabor (BSG, Blutbild, DifferentialBlutbild, Leberenzyme, Nierenwerte, LDH, Elektrolyte, Elektrophorese) Bei B-Zell-Lymphomen • Immunelektrophorese aus Serum und Urin • Beckenkammbiopsie Apparative Diagnostik 28 • Bei T-Zell-Lymphomen • Blutausstrich auf Sézary-Zellen • Biopsie von befallenen Hautarealen • Fallweise nützlich: Biopsien von vergrößerten Lymphknoten und Organen Nachsorge Gesicherte, durch Daten untermauerte Nachsorgeschemata gibt es nicht. In früheren Stadien (I und II) scheinen Nachuntersuchungen halbjährlich bis jährlich sinnvoll, in fortgeschrittenen Stadien (III und IV) sind gegebenenfalls 4-6 wöchentliche Nachuntersuchungen zu erwägen, um den Therapieerfolg besser beurteilen zu können. Die Nachsorgeintervalle bei Patienten mit kutanen Lymphomen sind dem klinischen Bild anzupassen. Auf jeden Fall ist eine erneute Biopsie indiziert, wenn sich das klinische Bild des Lymphoms ändert oder innerhalb kurzer Zeit neue Läsionen auftreten. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Kutane Lymphome Stadium I-II Jahr nach Primärtherapie Monat Klinische Untersuchungen: Lokalbefund, LK, Palpation von Leber und Milz Laboruntersuchungen: Routinelabor (BSG, BB, Differential-Blutbild, Leberenzyme, Nierenwerte, LDH, Elekrolyte) Speziallabor (z.B. Sezary—Zellen bei T-ZellLymphomen) Apparative Untersuchungen: Röntgen-Thorax Sonographie-Abdomen LK-Sonographie 6 1. – 2. 12 3. – 5. 12 X X X X X X X X X X X X Kutane Lymphome Stadium III-IV Die Nachsorge erfolgt 4-6 wöchentlich bzw. individuell! Literatur 1. Heenan P, Elder D, Sobin L 1996: Histological typing of skin tumors. 2nd ed. WHO international classification of tumours. Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 69-77 2. Bunn PA, Lamberg SI: Repor of the Committee on Staging and Classification of Cutaneous T-Cell lymphomas. Cancer Treat Rep 63: 725-28 (1979) 3. Willemze R, Kerl H, Sterry W, Berti E, Cerroni L, Chimenti S, Diaz-Perez JL, Geerts ML, Goos M, Knobler R, Ralfkiaer E, Santucci M, Smith N, Wechsler J, van Vloten WA, Meijer CJ: EORTC classification for primary cutaneous lymphomas: a proposal from the Cutaneous Lymphoma Study Group of the European Organization for Research and Treatment of Cancer. Blood 90(1):354-71 (1997) -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Diese Leitlinien wurden in Anlehnung an die vorläufigen Leitlinien (Stand September 2004) der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt. 29 Die Leitlinien der ADO sind auch im Internet verfügbar: http://www.ado-homepage.de/FK_Home/fk_home.html http:www.krebsgesellschaft.de Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. A. Milling Oberärztin der Klinik für Dermatologie Klinikum Frankfurt (Oder) GmbH Dr. med. A . Happ Chefarzt der Klinik für Dermatologie Klinikum Frankfurt (Oder) GmbH 30 2. Kopf-Hals-Tumoren (einschließlich Tumoren des Fachgebietes Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie) Die bei Patienten mit Malignomen im Kopf-Hals-Bereich in regelmäßigen Abständen durchzuführende Tumornachsorgesprechstunde verfolgt nach kurativer oder palliativer Malignombehandlung mehrere Ziele: - Erkennung und ggf. Veranlassung der Therapie - des Lokalrezidivs - der regionären Metastase - der Fernmetastase - des Zweittumors - Erkennung und Therapie von Nachfolgeerkrankungen des Tumorleidens einschließlich Einstellung einer effektiven Schmerzmedikation - Unterstützung im Rahmen der somatischen, psychischen und sozialen Rehabilitation, einschließlich der Planung von plastisch-chirurgischen Wiederherstellungsoperationen sowie Veranlassung der Anpassung von Epithesen. Die vorliegenden Nachsorgeempfehlungen beziehen sich auf die am häufigsten auftretenden Malignome des Gesichts- und Halsbereiches (des Tätigkeitsbereichs des HNO-Arztes und MKG-Chirurgen), mit Ausnahme der Hauttumoren (Basaliome, Spinaliome, Melanome). Die Grenzen der Effektivität der Tumornachsorge werden durch folgende Tatbestände vorgegeben: - Nach umfangreichen Studien werden die Heilungsaussichten bei Patienten mit Kopf-Hals-Malignomen nahezu ausschließlich vom Erfolg der Erstbehandlung bestimmt. Darüber hinaus bestehen nach Abschluss der primären Tumorbehandlung oft nur noch begrenzte Möglichkeiten für den Einsatz weiterer erfolgversprechender Behandlungsschritte (betrifft lokoregionäre Rezidive). - Abgesehen von chirurgisch erfolgversprechend angehbaren solitären Rundherden der Lunge ist meist auch beim Auftreten von Fernmetastasen keine Kurabilität mehr gegeben. - Die soziale Schichtung der Patienten mit Kopf-Hals-Malignomen lässt mitunter die erforderliche Kooperationsbereitschaft vermissen. - Rezidive geben sich in etwa 50 Nachsorgeintervalles zu erkennen. - Zweittumoren treten naturgemäß zunehmend häufiger mit steigendem Abstand zum Primärereignis auf. Dem steht entgegen, dass gewöhnlich mit wachsendem Abstand zur Primärbehandlung größere Nachsorgeintervalle vorgeschlagen werden. - Idealerweise sollte die Tumornachsorge individuell gestaltet und in ihrem Vorgehen vom Sitz, der Größe und Behandlungsart des jeweiligen Tumors abhängig gemacht werden. Die nachfolgenden Untersuchungsempfehlungen können deshalb nur als grobe Orientierungsrichtlinien angesehen werden. % der Fälle erst durch Beschwerden außerhalb des Umfang der Nachsorgeuntersuchungen - Erheben der Zwischenanamnese: Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit gemäß WHO- oder Karnowski-Index, Gewichtsabnahme, Schmerzen, Blutungen, Schwellungen, Funktionsstörungen im Bereich von Atmung, Nahrungsaufnahme, Sensibilität, Mastikation, Phonation, Hirnnerven (Riechen, Schmecken, Sehen, Hören) u. a. - Inspektion: Spiegeluntersuchung, Laryngoskopie, ggf. Stroboskopie, flexible Endoskopie - Palpation des Primärtumorgebietes und der regionären Lymphknotenstationen - B-Scan-Sonographie - Elektiv, bei Beschwerden bzw. Rezidiv- und Metastasenverdacht. - Röntgenuntersuchungen - CT - MRT 31 - Skelettszintigraphie - Gewebeproben (konventionelle Histologie, Immunhistologie, Aspirations- oder Exfoliativzytologie) Zusätzlich - Röntgen Thorax in 2 Ebenen (alle 12 Monate) - Endoskopie der oberen Luft- und Speisewege (alle 12 Monate) Aufgrund des gegenwärtigen Erkenntnisstandes scheint die Bestimmung von Laborparametern, einschließlich der Tumormarker, bei Malignomen im Kopf-Hals-Bereich wenig aussagefähig. Zeitintervalle für die Tumornachsorge (vorwiegend high-risk-Patienten): 1. Jahr: 2. Jahr: 3. Jahr: 4. Jahr: 5. Jahr: 6. - 10. Jahr: zweimonatig vierteljährlich vierteljährlich halbjährlich halbjährlich jährlich Sogenannte “low-risk-Tumoren” (odontogene Tumoren, Lippenkarzinome) können Zeitabständen kontrolliert werden. Hier empfehlen sich folgende Kontrollintervalle: 1. Jahr: 2. u. 3. Jahr: ab 4. Jahr: in selteneren vierteljährlich halbjährlich jährlich Die Tumornachsorge sollte lebenslang erfolgen, da einige Geschwülste (z. B. adenoidzystische Karzinome) noch nach vielen Jahren rezidivieren können. Bei Auftreten eines Rezidivs oder eines Zweittumors beginnt das Nachsorgeprogramm wieder zeitlich am Ausgangspunkt. Abschließende Bemerkungen - Besondere Bedeutung kommt der Tumornachsorge bei Larynx- und Mundhöhlenkarzinompatienten zu, da bei diesen erfahrungsgemäß in beschränktem Ausmaß noch Heilungsmöglichkeiten durch eine Zweittherapie gegeben sind. - Idealerweise sollte die Tumornachsorge durch den Arzt, der auch die Primärbehandlung durchgeführt hat, erfolgen. Dies gilt um so mehr, wenn ungewöhnliche oder neue Operationstechniken angewandt wurden oder wenn die histologische Diagnose eine gesonderte Nachsorge erforderlich macht. - Wenn die Tumornachsorge von niedergelassenen Kollegen durchgeführt wird, sollte sichergestellt sein, dass diese ausreichend Kenntnisse in der Tumorchirurgie besitzen, die in der Nachsorge notwendigen Untersuchungstechniken beherrschen sowie über die notwendigen apparativen Ausstattungen einschließlich des B-Scan-Sonographiegerätes verfügen. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: (h = “high-risk-Tumoren”, l = “low-risk-Tumoren”) Kopf-Hals-Tumoren (1. Jahr) Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Leistungsvermögen, Gewicht, Schmerzen, Blutungen, Schwellungen, Atmung, Nahrungsaufnahme, Sensibilität, Mastikation, Phonation, Hirnnerven (Riechen, Schmecken, Sehen, Hören) Klinische Untersuchung: Spiegeluntersuchung, Laryngoskopie, ggf. Stroboskopie, flexible Endoskopie, Palpation des Primärtumorgebietes u. der regionären Lymphknotenstationen 32 2 3 H 4 H L H H L 1. Jahr 6 8 9 H L H L H L H L 10 12 H H L H H L Laboruntersuchung: Blutbild/Thrombozyten, BSG, AP, LDH, ALAT, Kreatinin, Elektrolyte: K, Na Tumormarker: CEA, SCC (nur, wenn prätherapeutisch erhöht) Apparative Untersuchung: Sonographie: Hals, Abdomen -GT, H H zeitunabhängige, individuelle Indikation H H H L L H H H L H L L Röntgen: Thorax in 2 Ebenen Röntgen: Kopf/Hals, CT: Schädel, MRT, Skelettszintigraphie Endoskopie: NNH Panendoskopie, Laryngoskopie, Bronchoskopie, Ösophagoskopie, Aspirations- oder Exfoliativzytologie, Histologie, Immunhistologie elektiv, bei Beschwerden bzw. Rezidiv- oder Metastasenverdacht Kopf-Hals-Tumoren (2. und 3. Jahr) Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Leistungsvermögen, Gewicht, Schmerzen, Blutungen, Schwellungen, Atmung, Nahrungsaufnahme, Sensibilität, Mastikation, Phonation, Hirnnerven (Riechen, Schmecken, Sehen, Hören) Klinische Untersuchung: Spiegeluntersuchung, Laryngoskopie, ggf. Stroboskopie, flexible Endoskopie, Palpation des Primärtumorgebietes u. der regionären Lymphknotenstationen Laboruntersuchung: Blutbild/Thrombozyten, BSG, AP, LDH, ALAT, -GT, Kreatinin, Elektrolyte: K, Na Tumormarker: CEA, SCC (nur, wenn prätherapeutisch erhöht) Apparative Untersuchung: Sonographie: Hals, Abdomen 3 4 H 2. Jahr 6 9 3 3. Jahr 6 9 12 H H L H L H H L H H L H L H H L H H L H H L L H 12 H L H L zeitunabhängige, individuelle Indikation H H L H H L H L Röntgen: Thorax in 2 Ebenen Röntgen: Kopf/Hals CT Schädel, MRT, Skelettszintigraphie Endoskopie: NNH Panendoskopie, Laryngoskopie, Bronchoskopie, Ösophagoskopie Aspirations- oder Exfoliativ-Zytologie, Histologie, Immunhistologie H H L H H L H L elektiv, bei Beschwerden bzw. Rezidiv- oder Metastasenverdacht Kopf-Hals-Tumoren (ab 4. Jahr) Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Leistungsvermögen, Gewicht, Schmerzen, Blutungen, Schwellungen, Atmung, Nahrungsaufnahme, Sensibilität, Mastikation, Phonation, Hirnnerven (Riechen, Schmecken, Sehen, Hören) 4. Jahr 6 12 5. Jahr 6 12 H H H L H L weiter 6 12 H L 33 Klinische Untersuchung: Spiegeluntersuchung, Laryngoskopie, ggf. Stroboskopie, flexible Endoskopie, Palpation des Primärtumorgebietes u. der regionären Lymphknotenstationen Laboruntersuchung: Blutbild/Thrombozyten, BSG, AP, LDH, ALAT, -GT, Kreatinin, Elektrolyte: K, NA Tumormarker: CEA, SCC (nur, wenn prätherapeutisch erhöht) Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax in 2 Ebenen Sonographie: Hals, Abdomen Röntgen: Kopf/Hals, CT Schädel, MRT, Skelettszintigraphie Endoskopie: NNH Panendoskopie, Laryngoskopie, Bronchoskopie, Ösophagoskopie Aspirations- oder Exfoliativ-Zytologie, Histologie, Immunhistologie H H L H H L H L H L zeitunabhängige individuelle Indikation H H L H L H H L H L H L H L H L H L elektiv, bei Beschwerden bzw. Rezidiv- oder Metastasenverdacht Literatur: - Empfehlungen zur Nachsorge maligner Tumoren Herausgabe: Aktionsgemeinschaft der Nordrhein-Westfälischen Tumorzentren und Onkologischen Arbeitskreise in der Gesellschaft zur Bekämpfung der Krebskrankheiten NRW e. V. - Bier, H., M. Schultze und U. Ganzer Anmerkungen zur Nachsorge von Tumorpatienten. HNO H. 1 (1993), S. 47 - 54 - Boysen, M., K. Natvig, F. Ö. Winther, J. Tausjö Value of routine follow-up in patients treated for squamous cell carcinoma of the head and neck. J. Otolaryngology 14 (1985), S. 211 - 214 - Ramshorn, R. Pharynx- und Larynxtumoren. In “Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit onkologischen Erkrankungen” Hrsg. Brandenburgisches Tumorzentrum - Onkologischer Schwerpunkt Cottbus e. V. Nachsorgeleitstelle, (1992), S. 23 - 26 - Ruttig, C. Tumoren des Mund-Kiefer-Gesichtsbereiches. In “Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit Onkologischen Erkrankungen” Hrsg. Brandenburgisches Tumorzentrum - Onkologischer Schwerpunkt Cottbus e. V. Nachsorgeleitstelle, (1992), S. 18 - 22 - Wolfensberger, M. Aufwand und Nutzen regelmäßiger Nachkontrollen bei Patienten mit Pflasterzellkarzinomen des Larynx, der Mundhöhle und des Pharynx. HNO 36 (1988), S. 28 - 32 Redaktionelle Bearbeitung: Priv.-Doz. Dr. med. Eichhorn Chefarzt der HNO-Klinik Carl-Thiem-Klinikum Cottbus 34 3. Schilddrüsentumoren Allgemeines - SD-Malignome machen etwa 0,5 % aller Malignome aus. - Über 90 % sind epitheliale Tumoren (Karzinome), der Rest sind nichtepitheliale Tumoren (malignes Lymphom, Sarkome u. a.). - Von den Karzinomen sind >80 % differenzierte Karzinome (follikuläre 20-40% und <papilläre 50-80%), etwa 2% sind undifferenzierten oder anaplastischen Karzinomen und 4-10% medulläre Karzinome. - Jährliche Inzidenz liegt bei 2-3 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner. 3.1 Differenzierte Karzinome 3.1.1 Follikuläres Karzinom - (totale) Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion im zentralen Kompartiment - Bei palpablen oder sonografisch verdächtigen lateralen Halslymphknoten erfolgt die laterale Lymphknotendissektion ipsilateral ggf. auch kontralateral, wegen der Häufigkeit von Lymphknotenmetastasen bei fortgeschrittenen Tumorstadien (65-90%) wird von manchen Autoren prinzipiell die Dissektion des ipsilateralen Kompartiments empfohlen. - Postoperativ zunächst keine SDH, damit TSH-Spiegel auf > 30 mU/l steigt. - 3 bis 4 Wochen postoperativ Ganzkörperszintigramm mit 131 J, um SD-Restgewebe und eventuell speichernde Metastasen zu detektieren. - Anschließend Radiojodtherapie zur völligen Ausschaltung noch nachweisbaren speichernden Gewebes, eventuell Wiederholung in 4-6monatigem Abstand bis kein speicherndes Gewebe mehr nachweisbar ist - Nach erster Radiojodtherapie hochdosierte Suppressionsbehandlung mit SDH lebenslang (TSH-Spiegel 0,1-0,2 mU/l). - Perkutane Bestrahlung: a) primär bei T4-Tumoren für SD-Bett und Lymphabstrombahnen b) bei Tumorrezidiven, wenn Radiojodtherapie nicht möglich oder bereits erschöpft und keine Operation möglich ist. - Chemotherapie: Als Palliativmaßnahme, bei nichtspeicherndem Rezidiv oder Metastasen, wenn Operation und Bestrahlung nicht möglich sind. 3.1.2 Papilläres Karzinom - Bei Tumorgröße > 1 cm im Durchmesser und Patientenalter > 40 Jahre, Therapieschema wie beim follikulären Karzinom. - Bei Tumorgröße < 1 cm im Durchmesser und Patientenalter < 40 Jahre ist ein eingeschränkt radikales Vorgehen möglich. Eine Hemithyreoidektomie mit Isthmusresektion ist onkologisch adäquat ohne nachfolgendes Ganzkörperszintigramm und ohne Radiojodtherapie. Bei nach subtotaler Schilddrüsenresektion zufällig gefundenem Tumor < 1 cm und Resektion im Gesunden ist eine Nachoperation nicht erforderlich. 35 Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Differenzierte Karzinome Niedriges Risiko: Hohes Risiko: (75% der Patienten) pT1-3 pN0 M0 und pT1-3 pN1 M0 (TNM-Klassifikation 5. Auflage) (25% der Patienten) pT4 jedes pN jedes M und jedes pT pN und M1 (TNMKlassifikation 5. Auflage) Nach Beweis der vollständigen Ablation durch zweimaligen 131J-Scan Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese Klinische Untersuchung Laboruntersuchung: Thyreoglobulin, TSH/TRH-Test Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax Sonographie: Hals 131 J-Ganzkörperszintigrafie 1. Jahr 2. 3. - 5. weiter 3 6 12 6 12 6 12 x x x x x x x x x x x x x x 1x 1x x x x x x x x x x x x x x x 1x 1x x x x x x x x alle 2 Jahre x 1x bei hohem Risiko alle 1-2 Jahre Bei Anstieg des TG Lokalisationsdiagnostik mittels Sonografie, CT, MRT, 18F-FDG-PET oder 99m Tc-MIBI-Szinigrafie. 3.2 Undifferenziertes anaplastisches Karzinom - Hochmaligne, sehr schnell diffus und infiltrierend wachsend, histologisch wird eine großzellig, spindelzellig und polymorphe Formunterschieden. - Thyreoidektomie mit Lymphdissektion des zentralen Kompartiments und Resektion der kurzen geraden Halsmuskulatur, eventuell Lymphdissektion des ipsi- u. kontralateralen Kompartiments. - Häufig keine R0-Resektion mehr möglich, dann Tumorverkleinerung anstreben. - Neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie. - Da bis zu 20 % Radiojodspeicherung in Tumor und Metastasen möglich ist, sollten Ganzkörperszintigramm und evtl. Radiojodtherapie postoperativ durchgeführt werden. - Hochdosierte Suppressionstherapie mit SDH lebenslang, da TSH-abhängiges Tumorwachstum möglich. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Undifferenziertes Karzinom Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese Klinische Untersuchung 36 1. Jahr 2. 3. - 5. weiter alle 2 Jahre 1/2 3 6 12 6 12 jährlich x x x x x x x x x x x x 1x 1x 1x 1x Jahr nach Primärtherapie Monat 1. Jahr 3. - 5. weiter alle 2 Jahre 3 6 12 6 12 jährlich x x x x x x x 1x 1x x x x x x 1x 1x x x x x x 1x x 1x weiter nach Bedarf nach Bedarf 1x 1x Laboruntersuchung: Thyreoglobulin, CEA, TSH/TRH-Test Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax Sonographie: Hals/Leber Ganzkörperszintigramm mit 131 J Knochen-Scan, CT, MRT 3.3 2. 1/2 x x Medulläres Karzinom - 75% sporadische Form, 25% familiäre Form (isoliert oder im Rahmen des MEN 2a oder 2b Syndroms) - Zur präoperativen Diagnostik Calcitonin (Pentagastrin-Stimulationstest) und CEABestimmung, zum Ausschluss familiärer Form RET-Protoonkogenbestimmung und bei positivem Befund Familienscreening erforderlich. - Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion des zentralen und beidseitigen lateralen Kompartiments, eventuell auch mediastinale Lymphknotendissektion und Thymektomie. - Prophylaktische Thyreoidektomie bei familiärer Form und RET-Protoonkogenträgern. - Bei unvollständiger Tumorentfernung postoperativ perkutane Bestrahlung. - Ganzkörperszintigramm und Radiojodtherapie sind nicht indiziert. - Lebenslange Suppressionstherapie mit SDH (TSH im Normbereich). - Evtl. Chemotherapie bei nichtoperablen Rezidiven oder Metastasen. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Medulläres Karzinom Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese Klinische Untersuchung Laboruntersuchung: Calcitonin/Pentagastrinstimulationstest, CEA, TSH/TRH-Test Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax Sonographie: Hals/Leber Knochen-Scan, CT, MRT, 18F-FDGPET, 111 In-Octreotid-Szinigrafie 1. Jahr 2. 3. - 5. weiter alle 2 Jahre 3 6 9 12 6 12 jährlich x x x x x x x x x x x x 1x 1x 1x 1x x x x x x x x x x x x x x 1x 1x 1x 1x 1x 1x x x 1x 1x 1x 1x x x x x x nach Bedarf Literatur: - Empfehlungen zur Nachsorge maligner Tumoren der Aktionsgemeinschaft der NordrheinWestfälischen Tumorzentren und Onkologischen Arbeitskreise in der Gesellschaft zur Bekämpfung der Krebskrankheiten NRW e. V. 37 - - - - Horschig, P. Schilddrüsentumoren In „Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit Onkologischen Erkrankungen“ Hrsg. Brandenburgisches Tumorzentrum – Onkologische Schwerpunkte und Arbeitskreise, 3. Auflage 1998 Interdisziplinäre Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 3. Auflage 2002 Maligne Schilddrüsentumoren Pfannenstiel, P. et. al. Schilddrüsenkrankheiten - Diagnose und Therapie 4. Auflage, 1999, hrsg. Henning Berlin Berliner Medizinische Verlagsanstalt GmbH Rothmund, M. et. al. Praxis der Viszeralchirurgie, Endikrine Chirurgie 1. Auflage 2000 Springer Verlag Berlin – Heidelberg – New York Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. J. Kluge OA der Chirurgischen Klinik am Carl-Thiem-Klinikum Cottbus 38 4. Mammakarzinom In Deutschland erkranken jährlich über 47.500 Frauen an Brustkrebs, davon etwa 19.300 im Alter unter 60 Jahren. Brustkrebs stellt die häufigste Krebserkrankung bei Frauen dar. Die relative 5-Jahresüberlebensrate für Brustkrebspatientinnen beträgt 76% (1). Die Nachsorge durch den Gynäkologen beginnt nach Abschluss der Primärbehandlung und soll den individuellen Bedürfnissen der Patientin angepasst sein. Ziele der Nachsorge sind • Erfassung und Therapie von Behandlungsfolgen • die psychosoziale Rehabilitation • die Durchführung der adjuvanten Hormontherapie • die frühe Erkennung lokoregionärer Rezidive • die frühe Diagnostik von kontralateralen Mammakarzinomen • die Diagnostik oder der Ausschluß von Fernmetastasen (bei Symptomen) • Erkennung von Zweitkarzinomen (Kolon, Endometrium) • Qualitätssicherung Zur psychosozialen Rehabilitation gehört die Einbeziehung des Sozialdienstes, um geeignete Maßnahmen wie Anschlussheilbehandlungen und Wiedereingliederung in den Beruf vorzubereiten. Zusätzlich können Kontakte zu Selbsthilfegruppen hergestellt oder eine psychologische Betreuung veranlasst werden. Die Durchführung der adjuvanten Hormontherapie ist einem ständigen Wandel unterworfen und muss dem jeweils aktuellen Stand angepasst werden. Beratungen in den Tumorkonferenzen der jeweiligen Tumorzentren sind empfehlenswert. Bei den Nebenwirkungen sind insbesondere therapieassoziierte Symptome wie Lymphödeme und Funktionsstörungen des Armes zu beachten und physiotherapeutische Behandlungen einzuleiten. Die Toxizität der adjuvanten Chemotherapie kann die Mitbetreuung durch einen Hämato/Onkologen, bei Behandlung mit kardiotoxischen Substanzen durch einen Kardiologen erfordern. Bei bestrahlten Patientinnen sind ergänzende Nachsorgeuntersuchungen durch den Strahlentherapeuten nach der Strahlenschutzverordnung vorgeschrieben. Nachsorgeuntersuchungen Die Nachsorgeuntersuchungen sollten in den ersten 3 Jahren vierteljährlich, im 4. und 5. Jahr halbjährlich und ab dem 6. Jahr jährlich erfolgen. Sie bestehen aus einem ausführlichen ärztlichen Gespräch, der Anamnese, körperlicher Untersuchung, Laboruntersuchungen und bildgebender Diagnostik. Da bei einem Lokalrezidiv oder Zweitkarzinom der ipsi- oder kontralateralen Mamma eine kurative Chance gegeben ist, ist die bildgebende Diagnostik (Mammographie, Sonographie, ggf. MRT) unverzichtbar. Bei Symptomen der Patientin muss eine gezielte, frühzeitige bildgebende Diagnostik veranlasst werden (Skelettszintigraphie, CT usw.). Insbesondere sind die zunehmend besseren Behandlungsmöglichkeiten im metastasierten Stadium (Hormontherapie, Biphosphonate, neue Zytostatika, Trastuzumab, Metastasenoperationen, minimal invasive Eingriffe, wie z. B. die LITT bei Lebermetastasen – und die Strahlentherapie) zu berücksichtigen. 39 Systematische bildgebende Untersuchungen auf Metastasen werden von den Fachgesellschaften nicht empfohlen. Klinische Studien haben gezeigt, dass durch systematische Untersuchungen kein Überlebensvorteil erreicht wird. Der mögliche Vorteil der Verbesserung der Lebensqualität durch apparativen Nachweis einer Metastasenfreiheit wird durch negative Beeinflussung der Lebensqualität bei falsch positiven Befunden aufgehoben. Hier sollte hinterfragt werden, ob diese Studien (1994/1996) noch dem heutigen Stand der Wissenschaft oder auch den individuellen Bedürfnissen der Patientinnen entsprechen. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen Mammakarzinom Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese Klinische Untersuchung* Gynäkologische Untersuchung Laboruntersuchung Apparative Untersuchung: Sonographie: kontralaterale Mamma Sonographie: Mamma (nach brusterhaltender OP) Mammographie kontralateral Mammographie ipsilateral (bei brusterhaltender OP) Skelettszintigraphie Rö-/CT- Thorax Sonographie/CT/MRT-Oberbauch 1 1) x x x x 3 x x 1.- 3. 6 9 x x x x x x x x x x x 12 x x x x 6 x x x x x x x x 4.-5. 12 x x x x 6.-10. 12 x x x x x x x bei Symptomen bei Symptomen bei Symptomen x x ) Basisuntersuchungen im Rahmen der Primärtherapie * Die klinische Untersuchung beinhaltet: Lokalbefund; Lymphabflusswege axillär/supra-/intraklavikulär; Armumfang; kontralaterale Mamma; Leber (palp.); Lunge (auskult. und perkutorisch); Skelettsystem. (1) Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch Institut, 4. überarbeitete, aktualisierte Ausgabe 2004 Redaktionelle Bearbeitung Dr. med. F. Dreßler Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam 40 5. Bronchialkarzinome Das Ziel dieser Empfehlungen ist es, die Nachsorge aller Patienten mit einem malignen Tumor im Bereich des Thorax zu koordinieren und einheitlich zu gestalten, unabhängig von der angewandten Therapieform. Alle Kollegen, sowohl Hausärzte als auch konservativ und operativ tätige Kliniker, sollten nach dem vorgegebenen Schema die Nachbehandlung durchführen und die Ergebnisse dem zuständigen klinischen Krebs- und Nachsorgeregister rückmelden. Diese Daten werden im Register erfasst m damit ein Kontrollinstrument über die Qualität der Behandlung zu besitzen. Nur so werden über lange Zeiträume Trends in der Behandlung ersichtlich und können therapeutische Konsequenzen daraus gezogen werden. Weiterhin soll durch die Erarbeitung einheitlicher Behandlungskriterien das Niveau der Nachsorge für alle Patienten verbessert werden. Zielvorstellung ist es, Metastasen und Lokalrezidive frühzeitig zu erkennen, um in geeigneten Fällen nach eingehender Diagnostik und Beratung mit den Fachkliniken die bestmögliche Therapie durchzuführen. Sowohl lokal angreifende Behandlungsformen, wie Metastasenchirurgie oder Nachresektion von Lokalrezidiven bei funktionell operablen Patienten, oder die Strahlentherapie beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom können heute zu einer Verlängerung des Lebens oder doch mindestens zu einer Verbesserung der Lebensqualität des Patienten führen. In diesem Zusammenhang wird auch an eine effektive Schmerztherapie mit nach Möglichkeit oral gegebenen Analgetika, auch aus der Morphiumreihe oder die Implantation von Periduralkathetern mit und ohne Portsystemen gedacht. Kommentar zum Bronchialkarzinom - - - - - Das Bronchialkarzinom ist mit einer Inzidenz von 62/100000 das häufigste Malignom mit Todesfolge beim Mann aber auch mit derzeit 15/100000 bei der Frau in Zunahme begriffen. Hauptinzidenz 45-85 Jahre, Altersgipfel 75 Jahre. Risikofaktoren: Rauchen in 85-90% der Inzidenz und mindestens 10-fach erhöhtes Risik, Asbestfasern, Luftkontaminanten (polyzyklische Kohlen-wasserstoffe (PAH), Arsen, Chrom- Nickelverbindungen, Vinylchlorid) Radon, Röntgenstrahlung Differenzierung/Klassifikation (anhand best-differenziertem Tumoranteil) o Kleinzellige Karzinome (SCLC) o Nichtkleinzellige Karzinome (NSCLC) (Plattenepithel-, Adeno-, adenocystische, adenosquamöse, großzellige Karzinome) o Neuroendokrine Tumoren (NEC) (typisches u. atypisches Karzinoid, klein- u. großzellige NEC) o Mischdifferenzierungen (Pleomorphie) in bis zu 50%! Stadiierung (TNM-System, UICC 1997): derzeit 7 therapierelevante Gruppierungen: Stadium I a, b, II a, b, III a, b, IV beim SCLC zusätzlich Unterscheidung: „limited“ (thorakal-unilateral) und „extensive disease“ (übrige) Grading (an hand schlechtest-differenziertem Tumoranteil) vierstufig G1-G4 Therapie o Resektion (Operabilitätsrate 17-32%, staging- und funktionsabhängig) bei SCLC limited disease bei NSCLC bis Stadium IIIa(b) + sequentielle Metastasenresektion (selten) o (Poly)zytotoxische Therapie o Bestrahlung 41 Interventionelle Endoskopie: (endobronchiale Brachytherapie, Prothetik, Laser-/Beamer-/ mechanische endobronchiale Resektion / Thorakoskopie (Talk-Pleurodese) o Multimodale Therapie (Resektion + adjuvante oder neoadjuvante Chemoradiatio) o „best supportive“: Schmerztherapie, Pleurodese, Pericardese, Psychoonkologie, O2-Langzeit u.a. Prognosefaktoren: Histologie, Stadium, Grading, Protoonkogen / Suppressorgenpatterns o - Kleinzellige Bronchialkarzinome Überleben limited extensiv Überlebensfunktion Medianes (Monate) ohne Therapie nach Resektion ± nach Chemotherapie Nicht-kleinzellige Bronchialkarzinome St I II IIIa IIIb IV 6 4-5 2 36 12-14 7 n.d. 20 37 14 21 8 13 – 17 4,5 % Lobektomie Operative Letalität (Sammelstatistik) 7,3 % Pneumonektomie Metastasen 80% Ursache der Mortalität Lokaler Progress/Rezidiv 12% Kombiniert 6% Lokalisationsort der Metastasen Klinisches Erscheinungsbild Nachweis Leber unklare Abdominalbeschwerden, pathologische Fermente, unklares Fieber Sonographie, CT Gehirn Schwindel, Krämpfe, Erbrechen, Doppelbilder, Wesensveränderung CT Niere Hämaturie, Flankenschmerz Sonographie, CT Nebenniere körperlicher Verfall CT Skelett Schmerzen Knochenszintigraphie, Röntgen Lokales Rezidiv Husten, Atemnot, Einflussstauung Röntgen: Thorax CT, Bronchoskopie, Zytologie 42 Ziele der Nachsorge beim Bronchialkarzinom Kurativ behandeltes BC - - Nicht-kurativ behandeltes BC 5-Jahres-Rezidivrate Stadium I/II g lobal: 50% davon lokal: 10-20% Fernmetastasen 20-30% Zweittumoren 2-15% Lokalrezidiverkennung Komplikationserfassung Spätmetastasierungserkennung Zweittumorerkennung Multimorbiditätsmanagement Psychologische Führung - Krankheitsverlaufsdokumentation (Remissionskontrolle) Symptomkontrolle und –Minimierung Nebenwirkungskontrolle und – Minimierung Lebensqualitätsoptimierung Psychologische Führung Zur Überwachungsdichte (Kontrollintervalle) beim Bronchialkarzinom liegen keine kontrollierten Studien vor. Empfehlungen und Leitlinien beruhen auf retrospektiven Daten, Konsensusstatements und klinischer Empirie. Anamnese und klinische Beobachtung sind die Schlüsselkriterien der Nachsorge! Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Kleinzellige Bronchialkarzinome (SCLC) Jahr nach Primärtherapie 1. 2. u. 3. Monat 1,5 3 4,5 6 7,5 Anamnese: AZ, Gewicht, Schmerzen, Dyspnoe, X Husten, Auswurf, Hämoptoe, Heiserkeit Klinische Untersuchung: LK, Einflussstauung, Auskultation, Leber, X Skelett Laboruntersuchung: BSG, Hb, Ery, Leuko, Al. Phosph., GGT, X LDH, CEA, NSE* Lungenfunktion* Apparative Untersuchungen: Thorax-übers. X Sonographie* CT (Schädel)* Bronchoskopie* Endosonographie* 9 10, 12 5 4. u. 5. >5 3 6 9 12 6 12 1xjährl. X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X klinik- und fallbezogen X X X X X X X X X X X X klinik- u. fallbezogen X klinik. u. fallbezogen (N-Status) X X X X X X X X X X (X) (X) (X) (X) X (X) (X) X 43 Nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC) Jahr nach Primärtherapie Monat 3 Anamnese: AZ, Gewicht, Schmerzen, Dyspnoe, Husten, Auswurf, Hämoptoe, Heiserkeit X 6 1. 9 12 3 2. u. 3. 4. u. 5. >5 6 9 12 6 12 1xjährl. X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Klinische Untersuchung: LK, Einflussstauung, Auskultation, Leber, Skelett X Laboruntersuchung: BSG, Hb, Ery, Leuko, Al. Phosph., GGT, X LDH, CEA, NSE* Lungenfunktion* Apparative Untersuchungen: Thorax-übers. X Sonographie* X CT (Schädel)* X Bronchoskopie* Endosonographie* X klinik- und fallbezogen X X X X X X X X X X X X (X) (X) (X) (X) X (X) (X) X X klinik- u. fallbezogen klinik- und fallbezogen (N-Status) Erläuterungen zum Schema und Anmerkungen: X empfohlene Kontrolle generell * Tumormarkerkontrolle nur bei prätherapeutisch erhöhten Werten (CEA, NSE, CYFRA 21) (X) regelmäßige Kontrollen aufgrund retrospektiver Studien nicht generell zu empfehlen sondern gezielt fall- und befundbezogen (Verdacht) für: * - - 44 Sonographie (Abdomen, Pleura): bedingt zu empfehlen (Oberbauch) im 3 Jahresverl. * CT (Schädel, Thorax, Abdomen): bedingt zu empfehlen (Schädel) im 3 Jahresverl. * Skelettszintigraphie nur fall- und befundbezogen * Bronchoskopie: 1x jährlich im 3-Jahresverlauf bedingt zu empfehlen, ansonsten gezielt fall- und befundbezogen (Verdacht), die Option der präventiven Autofluoreszenzbronchoskopie kann individuell angeboten und berechnet werden * Endosonographie, bronchial, ösophageal, gastral (EBUS bzw. EUS), kann ausschließlich gezielt fall- und befundbezogen (N-Status mediastinal, Nebennieren) nachgeschaltet zu CT und insbesondere postoperativ angeboten werden tumorbezogene Nachsorgemaßnahme Lungenfunktionsprüfungen als direkt (Obstruktion, Restriktion, Diffusionsstörung) erfolgen gezielt fall-, befund- und therapiebezogen (Tumorstenose, Erguss-Pleura, Bestrahlung und Interventionen) nicht direkt tumorbezogene allgemeine Lungenfunktionsprüfungen als Nachsorgemaßnahme erfolgen abhängig von Basismorbidität (obstruktive Atemwegserkrankungen u.a.) Literatur - - - - - Mountain CF International Staging System for Lung Cancer In „Lung Cancer“ HI Pass, JB Mitchell et.al. Edts Lippincott, Williams & Wilkins 2nd ed.(2000) pp. 501-601 Travis WD, Colby TV, Corrins B et al. Histological Typing of Lung and Pleural Tumours Springer (1999) Thomas M, Gatzemeier U, Goerg R et al. Sektion Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) Empfehlungen zur Diagnostik des Bronchialkarzinoms Pneumologie (2000) 54:361-371 Thomas M, Baumann M, Deppermann M et al. Sektion Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) Empfehlungen zur Therapie des Bronchialkarzinoms Pneumologie (2002) 56:113-131 Rivera MP, Detterbeck F, Mehta AC Diagnosis of lung cancer. The guidelines Chest (2003) 123: 129 Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. W. Frank Chefarzt der Fachklinik für Pneumologie Johanniter-KH im Fläming gGmbH, Treuenbrietzen 45 6. Tumoren des Verdauungstraktes Schematisierte Nachsorgeempfehlungen werden nur für radikal oder unter kurativer Zielsetzung operierte Patienten vorgenommen. Es wird davon ausgegangen, dass palliativ-operativ oder endoskopisch-interventionell behandelte Patienten einer symptombezogenen engmaschigen Betreuung unterliegen. 6.1 Oesophaguskarzinome In Deutschland erkranken jährlich etwa 3.370 Männer und 880 Frauen an einem Ösophaguskarzinom. Die Überlebensraten von Patienten mit Ösophaguskarzinom gehören zu den ungünstigsten aller Krebserkrankungen. Die relative 5-Jahresüberlebensrate liegt für Männer bei etwa 11% und für Frauen bei 8% (1). Jeder Patient mit einem Oesophaguskarzinom ist behandlungsbedürftig. Führendes Symptom ist die Dysphagie, einhergehend mit Gewichtsverlust. Nur der kleinere Teil der Oesophaguskarzinome läßt sich radikal operieren. Der Hauptanteil bedarf einer Palliativtherapie. Bei fehlender Belastbarkeit für radikale oder palliative Maßnahmen ist eine symptomatische Behandlung erforderlich. 6.1.2 Nachsorgeprogramm Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte daher symptomorientiert erfolgen, z.B. bei Anastomosenstenosen. Aspekte der Lebensführung sind einzubeziehen. Häufigste Anlässe zu Maßnahmen in der Nachbehandlungsphase: - Dysphagien in den ersten Monaten nach einer Radikaloperation sind meist auf Narbenstenosen und nicht auf Rezidive zurückzuführen und mit ein bis zwei Bougierungen dauerhaft zu beseitigen. - Narbenstenosen nach Strahlentherapie sind ebenfalls zu bougieren. Palliativ Behandelte sollten bei Auftreten einer Dysphagie sofort der klinischen Behandlungsstelle zugeführt werden. Behandlungsanlässe: - oesophagotracheale Fisteln können durch eine endoskopische Pertubation gedeckt werden und beseitigen die Aspiration. - ein durch Nahrungsbrocken blockierter Tubus muss endoskopisch wieder durchgängig gemacht werden. - oralwärts dislozierte Tuben werden endoskopisch entfernt und evtl. neu plaziert. - Fernmetastasen bedürfen einer befundbezogenen Behandlung. Für Radikaloperierte wird folgendes Nachsorgeprogramm vorgeschlagen: 46 Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Oesophaguskarzinome Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat 3 Anamnese x klinische Untersuchung x Laboruntersuchung: Apparative Untersuchung: Röntgen/CT: Thorax Endoskopie: Obere Intestinoskopie Sonographie: Leber 6.2 1. 6 x x 2. 9 12 3 x x x x x x 6 x x 9 12 6 x x x x x x bei Bedarf 3. 12 x x 6 x x 4. 12 x x 6 x x 5. 12 x x bei Bedarf bei Symptomen / Rezidivverdacht Magenkarzinome Die geschätzte Zahl der jährlichen Neuerkrankungen an einem Magenkarzinom beträgt in Deutschland insgesamt 20.970, davon 11.110 Männer. Magenkrebs ist die fünfthäufigste Krebserkrankung bei beiden Geschlechtern. Die relative 5-Jahresüberlebensrate beträgt bei Männern 30% und bei Frauen 31% (1). Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge für die Verbesserung der Prognose ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte symptomorientiert erfolgen und insbesondere Folgen des Organverlustes behandeln. Dazu gehört z.B. die Verordnung von Vitamin B 12 und von lipasereichen Pankreasfermentpräparaten nach totaler Gastrektomie wie auch die Ernährungsberatung. Neu auftretende Symptome sollten innerhalb von vier bis sechs Wochen abgeklärt werden. Erfolgte die Behandlung eines auf die Schleimhaut begrenzten Frühkarzinoms durch Polypektomie, Mukosektomie oder lokale Magenwandexzision, ist wegen des möglicherweise erhöhten Rezidivrisikos und der Möglichkeit einer kurativen radikalen Reoperation eine gastroskopische Überwachung in sechsmonatigen Abständen für 3 Jahre zu empfehlen. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Magenkarzinome nach Gastrektomie Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat 3 Anamnese x klinische Untersuchung x Laboruntersuchung: Apparative Untersuchung: Endoskopie Sonographie: Abdomen CT: Abdomen 1. 6 x x 2. 9 12 3 x x x x x x 6 x x 9 12 6 x x x x x x bei Bedarf 3. 12 x x 6 x x 4. 12 x x 6 x x 5. 12 x x bei Symptomen / Rezidivverdacht 47 Magenfrühkarzinome nach lokaler Therapie Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat 3 Anamnese x klinische Untersuchung x Laboruntersuchung: Apparative Untersuchung: Gastroskopie Sonographie: Abdomen 6.3 1. 2. 6 x x 9 12 3 x x x x x x x x 3. 12 x x 6 x x 9 12 6 x x x x x x bei Bedarf x x x bei Bedarf 6 x x 4. 12 x x 6 x x 5. 12 x x x Gallenblasen- und Gallengangskarzinome Gallenblasenkarzinome (90 % Adenokarzinome) sind seltene, aber sehr bösartige Tumoren (ca. 1 % der malignen Tumoren), die frühzeitig lymphogen metastasieren oder per continuitatem in die Leber einwachsen. Nur ein geringer Teil (10 - 20 %) ist kurabel (Tis, T1, T2) und zwar meist dann, wenn der Tumor zufällig bei einer Cholezystektomie, z. B. wegen Steinleiden, entdeckt wird. Gallengangstumoren sind häufig langsam wachsende, relativ spät metastasierende Tumoren, die hauptsächlich durch die biliäre Obstruktion zu Komplikationen führen. Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte symptomorientiert erfolgen und zunächst auf Anamnese und klinische Untersuchung beschränkt werden. Wenn sich hieraus ein Handlungsbedarf für weiterführende Untersuchungen ergibt, so wären alle diejenigen Untersuchungen zu veranlassen, aus denen sich eine zu erwartende therapeutische Konsequenz ableiten lässt. Nach endoskopischer Endoprothesenimplantation sollte in Abständen von ca. 6 Wochen die Durchgängigkeit der implantierten Drainagen überprüft werden. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Gallenblasen- und Gallengangkarzinome Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat 3 Anamnese x klinische Untersuchung x Laboruntersuchung: Cholestaseparameter apparative Untersuchung: Sonographie: Abdomen CT: Abdomen 48 1. 2. 3. 4. 5. 6 9 12 3 6 9 12 6 12 6 12 6 12 x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x bei Endoprothesenimplantation ca. alle 6 Wo., sonst bei Bedarf bei Endoprothesenimplantation ca. alle 6 Wo., sonst bei Bedarf bei Symptomen / Rezidivverdacht 6.4 Primäre Leberkarzinome Als primäre Leberkarzinome werden das von den Hepatozyten ausgehende hepatozelluläre Karzinom (90 %) und das von den intrahepatischen Gallenwegen ausgehende cholangiozelluläre Karzinom (10 %) zusammengefasst. 1978 wurden die Leberkarzinome von der WHO in mehrere Typen klassifiziert. Ihre metastatische Ausbreitung erfolgt überwiegend hämatogen, zu 30 % lymphogen. In etwa 60 % der hepatozellulären Karzinome und ca. 30 % der cholangiozellulären Karzinome finden sich Infiltrationen der Pfortaderäste mit Tumorthrombenbildungen. Bis zu 25 % sind auch die Lebervenen betroffen. Diese Zustandsbilder finden sich in 50 % der Fälle bereits bei einer Tumorgröße von 3 cm. Als weitere Metastasenlokalisation kommen die Lungen (bis 50 %), Skelett (20 %), Zwerchfell (15 %) sowie Nebennieren, Peritoneum und ZNS (10 %) in Frage. Beim Auftreten der ersten klinischen Symptome liegt in 60 % der Fälle bereits ein Stadium mit Metastasen vor. Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Bei wenigen Patienten mit Rezidiven kann eine erneute Resektion, eine Lebertransplantation oder eine Resektion einzelner Lungenmetastasen prognostisch relevant sein. Aus diesem Grunde sollten als Minimalprogramm alle sechs Monate eine klinische Untersuchung, eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens sowie eine Tumormarkerbestimmung (AFP) durchgeführt werden. Ansonsten sollte und kann sich die Nachsorge nur auf die Überwachung der Ernährung, die Funktion der Restleber, ggf. die antibiotische Behandlung einer auftretenden Cholangitis, die Schmerzreduktion und die psychische Betreuung konzentrieren (Lebensqualität). Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Primäre Leberkarzinome Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat Anamnese klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP apparative Untersuchung: Sonographie Röntgen: Thorax CT/MRT: Oberbauch 6 x x x x 1. 12 x x x 6 x x x 2. 12 x x x 6 x x x 3. 12 x x x 6 x x x 4. 12 x x x 6 x x x 5. 12 x x x x x x x x x x x x x x x x x bei Symptomen / Rezidivverdacht Lebermetastasen Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist zwar bisher nicht belegt, aber im Falle eines Tumorrezidivs in der Leber nach operativer Therapie von Metastasen eines kolorektalen Karzinoms ist bei ca. 20% der Patienten eine nochmalige R0-Resektion möglich mit einer Fünfjahres-Überlebensrate von etwa 30%. Auch bei begrenzter Lungenmetastasierung ist eine Resektion sinnvoll. Dies ist einer der wesentlichen Gründe für eine regelmäßige Nachsorge bei diesen Patienten (alle sechs Monate klinische Untersuchung, Sonographie Abdomen, Röntgenuntersuchung Thorax, ggf. Tumormarker, siehe Primärtumor). 49 Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Lebermetastasen (kolorektaler Karzinome) Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat Anamnese klinische Untersuchung Laboruntersuchung: Tumormarker je nach Primärtumor apparative Untersuchung: Sonographie Abdomen Röntgen Thorax 6.5 6 x x 1. 12 x x 6 x x 2. 12 x x 6 x x 3. 12 x x 6 x x 4. 12 x x 6 x x 5. 12 x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x Pankreaskarzinom und Karzinom der Ampulla vateri (Papillenkarzinom) In Deutschland wird die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen bei Männern auf über 5.700, bei Frauen auf über 7.700 geschätzt. Etwa 3,5 % aller Krebserkrankungen sind Pankreaskarzinome. Bösartige Neubildungen der Bauchspeicheldrüse gehören zu den Krebserkrankungen deren Frühsymptome selten und uncharakteristisch sind. Daher werden Pankreaskarzinome häufig erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Für die überwiegende Zahl der an einem Pankreaskarzinom Erkrankten besteht nach wie vor kaum Aussicht auf Heilung. Die 5Jahresüberlebensrate liegt nahezu bei 5% (1). Nachsorgeempfehlungen Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte symptomorientiert erfolgen. Wenn sich hieraus ein Handlungsbedarf für weiterführende Untersuchungen ergibt, so wären alle diejenigen Untersuchungen zu veranlassen, aus denen sich eine zu erwartende therapeutische Konsequenz ableiten lässt. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Pankreaskarzinom und Papillenkarzinom Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat 3 Anamnese x klinische Untersuchung x Laboruntersuchung: apparative Untersuchung: Sonographie/CT: Abdomen 1. 6 x x 2. 3. 9 12 6 12 6 12 x x x x x x x x x x x x bei Bedarf 6 x x 4. 12 x x 6 x x 5. 12 x x bei Symptomen /Rezidivverdacht (1): Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem RobertKoch-Institut, 4. überarbeitete, aktualisierte Ausgabe 2004 Redaktionelle Bearbeitung : Prof. Dr. H. Wenisch Chefarzt Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam 50 6.6 Kolorektale Karzinome Nachfolgende Empfehlungen (www.krebsgesellschaft.de). entsprechen den Empfehlungen der ISTO-Leitlinien 2004 Bei Patienten mit UICC-Stadium I ist nach R0-Resektion in Anbetracht der geringen Rezidivrate und der günstigen Prognose durch regelmäßige Nachuntersuchung kein prognostischer Gewinn zu erwarten. Eine Koloskopie nach 2 und 5 Jahren dient der Früherkennung von Zweittumoren (s. Tab.). Abweichend hiervon kann im Einzelfall bei Annahme eines hohen Rezidivrisikos aufgrund des intraoperativen Befundes (z.B. erhöhtes Lokalrezidivrisiko nach intraoperativer Tumoreröffnung) oder eines pathohistologischen Befundes (z.B. erhöhtes Risiko für Lebermetastasen bei Invasion perikolischer Venen oder G3/4-Tumoren) eine regelmäßige oder engmaschige Nachsorge angezeigt sein. Dies gilt auch für die anderen Stadien. Bei Patienten mit UICC-Stadium II und III sind nach operativer Therapie mit R0-Resektion regelmäßige Nachuntersuchungen zu empfehlen, sofern der Allgemeinzustand und die Lebenserwartung einen Eingriff bei Rezidiv vertretbar erscheinen lassen. Nach palliativer Tumorresektion (R2-Resektion) oder im UICC-Stadium IV sollte eine symptomorientierte Nachbetreuung durchgeführt werden. Bei Patienten mit HNPCC (Hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis) sind nach Hemikolektomie koloskopische Untersuchungen in zweijährigem Intervall (bei Adenom jährlich), nach subtotaler Kolektomie in zweijährigem Intervall eine Rektoskopie angezeigt. Außerdem sollten jährlich gynäkologische Untersuchungen und eine Urinzytologie erfolgen. Bei Patienten mit familiärer Adenomatosis coli (FAP) sollten nach Anlage eines Ileum-Pouches eine Poucheoskopie jährlich und ab dem 30. Lebensjahr eine Gastro-Duodenoskopie in dreijährigem Abstand (bei Vorliegen von Adenomen jährlich) erfolgen. Nach Ileorektostomie ist die Rektoskopie in jährlichem Abstand empfehlenswert. Für alle Nachsorgeschemata gilt: Die Nachsorge beginnt in der Regel 6 Monate postoperativ. Bei nicht kompletter präoperativer Koloskopie sollte diese 3 Monate postoperativ erfolgen. Nach dem 5. Nachsorgejahr sollte alle 3 Jahre eine Koloskopie durchgeführt werden. Abweichungen von den Schemata bzw. Erweiterungen im diagnostischen Spektrum (z.B. durch Spiral-Computertomographie) können befund- bzw. symptomorientiert notwendig werden (z.B. bei unklarem Sonographiebefund, CEA-Anstieg) oder aus anderen individuellen Gründen. Eine CEA-Bestimmung in der Nachsorge erscheint nur sinnvoll bei primär/präoperativ erhöhtem CEA. Abweichend von vorliegenden Nachsorgeempfehlungen hat die American Society of Clinical Oncology (ASCO) 1996 die CEA-Bestimmung bei Patienten mit kolorektalem Karzinom des Stadiums II und III alle 2-3 Monate für 2 Jahre empfohlen, allerdings nur für Patienten, die willens und in der Lage sind, sich einer Leberresektion bei Auftreten von Metastasen zu unterziehen. Tumoren, die nicht eindeutig dem Rektum oder Sigma zuzuordnen sind (sog. Rektosigmoidkarzinome), werden in der Tumornachsorge wie Rektumkarzinome behandelt. 51 Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen Kolonkarzinom, UICC-Stadium I Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat Anamnese körperliche Untersuchung Koloskopie * nur bei Lokaltherapie 1. 6 x x x* 2. 12 18 12 x x x x 18 x x x x 12 18 12 x x x 18 x x x 24 x x x 3. 36 4. 48 5. 60 x x x 3. 36 x x x x 4. 48 x x x x 5. 60 x x x x x 3. 36 4. 48 5. 60 x x x 3. 36 x x 4. 48 x x 5. 60 x x Kolonkarzinom, UICC-Stadium II und III Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat Anamnese körperliche Untersuchung CEA Abdomen-Sonographie Koloskopie 1. 6 x x x x 2. 24 x x x x x Rektumkarzinom, UICC-Stadium I Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat Anamnese körperliche Untersuchung Koloskopie 1. 6 2. 24 x x x Rektumkarzinom, nach lokaler Exzision Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat Anamnese körperliche Untersuchung Rektoskopie oder Sigmoidoskopie, Endosonographie Koloskopie 1. 6 x x x 2. 24 x x x x Nach endoskopischer Abtragung eines gestielten Polypen mit T1-Karzinomen low-risk sind bei tumorfreier Polypenbasis die Nachuntersuchungen nach 12 und 18 Monaten entbehrlich. 52 Rektumkarzinom, UICC-Stadium II und III Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat Anamnese körperliche Untersuchung CEA Abdomen-Sonographie Rektoskopie oder Sigmoidoskopie, Endosonographie Koloskopie Computertomographie Becken 1 2 1. 6 x x x x x1 2. 12 x x x x x1 18 x x x x x1 24 x x x x 3. 36 x x x x x2 4. 48 x x x x x2 x 5. 60 x x x x x x Nach durchgeführter Radiochemotherapie ist der Nutzen nicht erwiesen. Nach adjuvanter Strahlen-/Chemotherapie wegen verzögert auftretender Lokalrezidive. Kontrolluntersuchungen nach Polypektomien Die nachfolgenden Empfehlungen entsprechen den Empfehlungen der Dt. Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), 3. Auflage 2002. Nicht-neoplastische Polypen: Adenomfreies Kolon nach Polypektomie: keine spezielle endoskopische Nachsorge notwendig. Neoplastische Polypen: Adenomfreies Kolon nach Polypektomie (R0): Kontrollendoskopie nach 3 Jahren, dann alle 5 Jahre. Kolon nicht sicher adenomfrei bzw. Abtragung nicht sicher im Gesunden: Kontrollendoskopie mit Biopsie/ Restpolypektomie nach 3 Monaten. Ektomie eines invasiven T1-Karzinoms (G1-2, R0, L0V0, low-risk): Kontrollendoskopie nach 6, 24 und 60 Monaten. Ektomie eines invasiven T1-Karzinoms (R1 oder G3-4 oder/und L1, high-risk): radikale chirurgische Therapie und entsprechende Nachsorge. - 53 6.7 Analkarzinome (nach Radiochemotherapie oder lokaler Exzision) Nachfolgende Empfehlungen entsprechen den Nachsorgeempfehlungen in den ISTO-Leitlinien 2004. Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat* 1. 1,5 (6 Wo.) x x 3 2. 6 9 Anamnese x x x körperliche Untersuchung x x x Abdomensonographie x Röntgen-Thorax in 2 Ebenen Rektoskopie, x x x x Endosonographie MRT oder Spiral-CT Becken x * nach Abschluss der Radiochemotherapie bzw. Primärtherapie Redaktionellle Bearbeitung PD Dr. med. D. Nürnberg Dipl.-Med. Ch. Löschner Dr. med. Uebach Medizinische Klinik B Dr. med. M. Bastian Klinik f. Allgemein- u. Viszeralchirurgie Ruppiner Kliniken GmbH 54 3. 4. 5. 12 18 24 36 48 60 x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x 7. Prostatakarzinom Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes. Unter den urologischen Tumoren ist er die häufigste Todesursache. Ca. 10.000 Männer sterben pro Jahr an den folgen eines Prostatakarzinoms in Deutschland. Risikofaktoren: familiäre Häufung (Brüder u. Söhne betroffener Pat. haben ein dreimal höheres Risiko und erkranken ca. 10 Jahre früher), fettreiche Ernährung, genetische Prädisposition(?) Frühsymptome gibt es beim Prostatakarzinom nicht, nur Vorsorgeuntersuchungen (PSA, rektale Untersuchung) ermöglichen eine Früherkennung. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Prostatakarzinom – nach Therapie mit kurativer Zielsetzung Jahr nach Primärtherapie 1. - 2. Jahr 3. - 5. weiter Monat 3 6 9 12 6 12 jährlich Anamnese x x x x x x 1x Klinische Untersuchung x x x x x x 1x Laboruntersuchung: x x x x x x 1x BB, BSR, Kreatinin, Elektrolyte, Urin-Status, PSA (Tumormarker) Apparative Untersuchung: Sonographie: Abdomen, Nieren, Blase, Restharn x x x x x 1x Röntgen: Skelett und Thorax bei entsprechenden Symptomen und Befunden Skelettszintigraphie Klinische Hinweise auf Knochenmetastasen, verbunden mit einem PSA-Anstieg, erfordern eine Skelettszintigraphie zum Erkennen von Knochenmetastasen. Zusätzliche Röntgenuntersuchung (gezielte Skelettaufnahmen, Röntgen-Thorax) können indiziert sein, wenn szintigraphisch Knochenmetastasen festgestellt wurden und sich therapeutische Konsequenzen ergeben, z. B. palliative Bestrahlung oder operative Stabilisierung destruierender Knochenmetastasen. Da Prostatakarzinome unterschiedliche Verläufe zeigen, ist die Nachsorge lebenslänglich fortzuführen. Prostatakarzinom – nach palliativer Zielsetzung Nachsorge individuell nach klinischer Symptomatik und Befunden - Symptomatische Therapie. Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. G. Lehmann FA für Urologie / Konsiliararzt Nordbrandenburgischer Onkologischer Schwerpunkt e. V. Am Klinikum Uckermark Schwedt/O. 55 8. Harnblasenkarzinom Das Harnblasenkarzinom ist neben dem Prostatakarzinom der zweithäufigste urologische maligne Tumor. Männer sind in einem Verhältnis von 3 : 1 häufiger betroffen als Frauen. Risikofaktoren: Rauchen, Exposition mit aromatischen chronische Blasenentzündung) Aminen, Phenazetinabusus, Das Maximum der Tumorinzidenz liegt zwischen dem 5. und 7. Lebensjahrzehnt. Patienten mit einem primären Blasenkarzinom weisen zu 70 % während der Verlaufskontrolle ein Tumorrezidiv auf, wobei es sich in mehr als der Hälfte der Fälle bei den Rezidivtumoren um nicht muskelinvasive Erkrankungen handelt, die somit durch eine transurethrale Resektion kurativ zu behandeln oder mindestens gut zu kontrollieren sind. Aufgrund dieser Tatsachen ist eine sorgfältige Tumornachsorge zwingend notwendig. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Blasenkarzinom/Oberfl. Tumoren (Ta, Tis, T1 G1-2) (nach TUR mit kurativer Zielsetzung) Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese Klinische Untersuchung Laboruntersuchung: BB, BSR, Kreatinin, Harnstoff, Elektrolyte, Urin-Status, UrinZytologie (nur bei Tis), Apparative Untersuchung: Zystoskopie Sonographie: Abdomen, Nieren, Restharn 1. - 2. Jahr 3 x x 6 x x 9 12 x x x x 3. und 4. 6 12 x x x x x x x x x x Urogramm, Skelettszintigraphie, CT (Abdomen) x x 5. 12 x x x x x x x x x x x x x x x bei entsprechenden Symptomen und Befunden Fortgeschrittenes Harnblasenkarzinom nach Zystektomie (pT2 - pT3b, G 3-4) Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese Klinische Untersuchung Laboruntersuchung: BB, BSR, Kreatinin, Elektrolyte, ALAT, ASAT, Blutgasanalyse Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax Sonographie: Abdomen, Nieren, Restharn CT: ges. Abdomen Skelettszintigraphie Urogramm 1. Jahr 3 x x x x 6 x x x x x x x 9 x x x x 2. Jahr 12 x x x x x x x x 3 x x x 6 x x x 9 12 x x x x x x x x x Dauer der Nachsorge: lebenslänglich Bei Rezidiv oder Metastasierung individuelle Nachsorge und Therapie. 56 3. und 4. x x x x x 6 x x x x 12 x x x x x x x x ab 5. 12 x x x x x Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. G. Lehmann FA für Urologie / Konsiliararzt Nordbrandenburgischer Onkologischer Schwerpunkt e. V. Am Klinikum Uckermark Schwedt/O. 57 9. Nierenbecken- und Ureterkarzinome Die Nierenbeckentumoren machen etwa 7 – 10 % aller malignen Nierentumoren aus. Ureterkarzinome sind nur mit 1 % aller Urogenitalmalignome vertreten. Histologisch handelt es sich überwiegend um Urothel- selten um Plattenepithelkarzinome. Das Verhältnis Männer zu Frauen beträgt 3 zu 1. Das Prädilektionsalter liegt zwischen 50 und 55 Jahren. Risikofaktoren: Analgetikaabusus, chronische Entzündungen, Steinleiden, Nephritis, Rauchen. Differentialdiagnostisch kommen Nierenbeckenkonkremente, Narben, Strikturen, Nierenbeckenoder Ureterpolypen in Betracht. In Abhängigkeit vom Infiltrationsgrad, vom Grading und von der Lymphgefäßinvasion ergibt sich etwa folgende Prognose: G1-Tumoren G2-Tumoren G3-Tumoren – – – 5-Jahres-Überlebenszeit 83 % 5-Jahres-Überlebenszeit 52 % 5-Jahres-Überlebenszeit 18 % Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Nierenbecken- und Ureterkarzinome (nach Therapie mit kurativer Zielsetzung) Jahr nach Primärtherapie Monat 3 Anamnese x Klinische Untersuchung x Laboruntersuchung: BB, BSR, Kreatinin, Harnstoff, x Elektrolyte, Urin-Status, Urin-Zytologie Apparative Untersuchung: Zystoskopie x Sonographie: Nieren x Urogramm, Skelettszintgraphie, CT (Abdomen Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. G. Lehmann FA für Urologie / Konsiliararzt Nordbrandenburgischer Onkologischer Schwerpunkt e. V. Am Klinikum Uckermark Schwedt/O. 58 1. 2. 6 x x 9 x x 12 x x 3 x x 6 x x 9 x x 12 x x x x x x x x x x x x x x x 3. und 4. 6 12 x x x x x 5. 12 x x x x x x x x x x x x bei entsprechenden Symptomen und Befunden x x 10. Hodentumore In den aufgeführten Empfehlungen wurde Wert auf Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit gelegt. Die Nachsorge besteht aus klinischer Untersuchung, Tumormarkerbestimmungen und bildgebender Diagnostik. Sonografische Kontrollen des kontralateralen Hodens sind notwendig, sofern nicht primär durch eine PE eine TIN ausgeschlossen oder eine nachgewiesene TIN bestrahlt wurde. Diese sollten einmal jährlich durchgeführt werden. Zur Beurteilung des Retroperitoneums ist eine Computertomografie einer Sonografie überlegen. Dargestellt werden die Nachsorgeintervalle für alle Stadien, Histologien und Therapiemodalitäten entsprechend dem Rezidivrisiko nach den Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Hodentumoren auf Grundlage evidenzbasierter Medizin (EBM) 2002. Stadieneinteilung - Lugano Stadium I Stadium II II A II B II C Stadium III Hoden regionäre LK-Stationen Metastase in solitärem LK Metastase(n) in solitärem LK 2-5cm oder in multiplen LK < 5cm Metastase(n) in LK > 5cm Fernmetastasen Prognose-Definition - IGCCCG 1995 gute Prognose Nichtseminom Testis/primärer retroperitonealer Tumor und „niedrige“ Marker und keine nichtpulmonalen viszeralen Metastasen Seminom jede Primärlokalisation und jede Markerhöhe und keine nichtpulmonalen viszeralen Metastasen Intermediäre Prognose Nichtseminom Testis/primärer retroperitonealer Tumor und „intermediäre“ Marker und keine nichtpulmonalen viszeralen Metastasen Seminom jede Primärlokalisation und jede Markerhöhe und nichtpulmonale viszerale Metastasen Schlechte Prognose Nichtseminom primär mediastinaler Keimzelltumor oder Testis/primärer retroperitonealer Tumor mit nichtpulmonalen viszeralen Metastasen oder „hohe“ Marker Marker niedrig intermediär hoch AFP (ng/ml) < 1000 1000-10000 > 10000 HCG (ng/ml) < 1000 1000-10000 > 10000 LDH x NW < 1,5 1,5-10 > 10 59 Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Nichtseminom CS I - nach diagnost. RLA Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH 3 x 1.- 2. 6 9 x x x x x 3. 12 x 3 x 6 x 9 x 12 x x x x x x apparative Untersuchung Röntgen Thorax x x CT-Abdomen/Becken x x x x 4. – 5. 6. – 10. 6 12 12 x x x x x x x * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte Nichtseminom CS I - nach adjuvanter Chemotherapie Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH 3 x 1.- 2. 6 9 x x x Röntgen Thorax CT-Abdomen/Becken x 12 x x 3. – 5. 6. – 10. 6 12 12 x x x x x x x x x x * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte Nichtseminom CS IIA/B – primäre Chemotherapie mit / ohne Residualtumorresektion Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH 3 x 1.- 2. 6 9 x x x Röntgen Thorax CT-Abdomen/Becken • 60 12 x x 3. – 5. 6. – 10. 6 12 12 x x x x x x x x x Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte x Nichtseminom CS IIA/B - RLA Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH 3 x 1.- 2. 6 9 x x x x x 3. 4. – 5. 6. – 10. 6 12 12 x x x 12 x 3 x 6 x 9 x 12 x x x x x x x x x apparative Untersuchung Röntgen Thorax x x CT-Abdomen/Becken x x x x x x x x * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte Nichtseminom CS IIA/B – RLA + Chemotherapie Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH 3 x 1.- 2. 6 9 x x x 12 x x 3. – 5. 6 12 x x x 6. – 10. 12 x x x Röntgen Thorax CT-Abdomen/Becken * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte Seminom CS I Surveillance – Nichtseminom CS I Surveillance Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH Röntgen Thorax 3 x x 1.- 3. 6 9 x x x x x 12 x 3 x x x 4.-5. 6 9 x x x 12 x x x x 6. – 10. 6 12 x x x* x* x CT-Abdomen/Becken x x x x x x x* Seminom halbjährlich – Nichtseminom jährlich * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte x Seminom CS I – adjuvante Radiotherapie Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH 3 x 1.- 2. 6 9 x x x x x 3. 4. – 5. 6. – 10. 6 12 12 x x x 12 x 3 x 6 x 9 x 12 x x x x x x x x x x x x x apparative Untersuchung Röntgen Thorax x x CT-Abdomen/Becken x x x x x * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte 61 Seminom CS IIA/B – Radiotherapie Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH 3 x 1.- 3. 6 9 x x x x x 12 x 4. – 5. 6 12 x x 6. – 10. 12 x x x x x x x x Röntgen Thorax x x CT-Abdomen/Becken x x x * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte Seminom oder Nichtseminom im fortgeschrittenem Stadium – „good prognosis“ nach IGCCCG Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH Röntgen Thorax 3 x x 1.- 3. 6 9 x x x x x 12 x 3 x 4.-5. 6 9 x x x x x x x 12 x x x 6. – 10. 6 12 x x x CT-Abdomen/Becken x x x * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte x x x Seminom oder Nichtseminom im fortgeschrittenem Stadium – „intermediate / prognosis“ nach IGCCCG Jahr Monat klinische Untersuchung Laboruntersuchung: AFP, ß-HCG, LDH Röntgen Thorax 3 x 1.- 3. 6 9 x x x (x) x x x (x) 12 x 3 x x x x 4.-5. 6 9 x x x x x 12 x x x CT-Abdomen/Becken x x x x x x (x) 2-4x jährlich * jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte Redaktionelle Bearbeitung: Prof. Dr. med. Oesterwitz CA Klinik f. Urologie Klinikum E.v. Bergmann, Potsdam Dr. med. Schott OA Klinik f. Urologie Klinikum E.v. Bergmann, Potsdam 62 6. – 10. 6 12 x x x x x x poor 11. Nierenzellkarzinom Die Nachsorge von Erkrankten mit Nierenzellkarzinom orientiert sich am Tumorstadium, an der OP-Methode, am Krankheitsverlauf, am Allgemeinzustand und an den therapeutischen Möglichkeiten. Onkologischen Situation: - Inzidenz in Europa 8 - 13 Krankheitsfälle / 100.000 Einwohner / Jahr - Männer sind 1,5- mal häufiger betroffen als Frauen - Prädilektionsalter im 5.-7. Lebensjahrzehnt - 95% Nierenzellkarzinome, 4% Onkozytome - 60-70% asymptomatische Zufallsbefunde - trotzdem ca. 30% bereits initial metastasiert - 30-50% der Patienten weisen im weiteren Krankheitsverlauf Metastasen auf - nur 3% davon solitär Prognose: Tumorstadium 5-Jahres-Überlebensrate in % T1, N0, M0 T2, N0, M0 T3, N0, M0 T4 NX, N+ M1 95 83 58 16 20 8 Metastasenverteilung: 55 % 34 % 33 % 32 % 19 % 11 % 10 % 6-9% Lunge Lymphknoten Leber Skelettsystem Nebenniere kontralaterale Niere Gehirn Lokalrezidiv Therapie: Beim Nierenzellkarzinom ist die operative Therapie die einzige kurative Behandlungsoption. Chemo-, Strahlen- und Hormontherapien müssen als weitestgehend wirkungslos angesehen werden. Beim metastasierten Tumor kann die Entfernung des Primärtumors einen rein palliativen Charakter haben oder in einem kombiniert chirurgisch-immuntherapeutisch-systemischen Behandlungskonzept gesehen werden. Die Reduzierung der Tumorlast durch die Tumornephrektomie erfolgt dann sinnvoller Weise als erster Schritt, um anschließend eine Immuntherapie (systemisch und/oder inhalativ) durchzuführen. Durch Studien belegt, können dadurch bis zu 30% objektive Remissionen erzielt werden. In diesen Fällen kann es auch zu einer Überlebensverlängerung kommen. Nierenerhaltende Operationen: Voraussetzung ist die komplette Resektion des Tumors unter Funktionserhaltung des Restparenchyms. 63 absolute Indikation (imperativ): Einzelniere bilaterale Tumoren eingeschränkte Nierenfunktion relative Indikation (elektiv): Tumoren bis 4 cm Größe mit und ohne Veränderungen der anderen Niere Metastasenbehandlung: Chirurgisch-kurativer Ansatz: - Primärtumor unter Kontrolle oder kontrollierbar - höchstens eine entfernbare Metastase in einem weiteren Organ - lokale Operabilität - kalkulierbares Op-Risiko Immuntherapie: - auf Interleukin-2 und Interferon alpha basierende systemische Kombinationen mit 5-FU, Vinblastin oder Retinoiden - inhalative Therapie bei isolierten Lungenmetastasen palliativer Ansatz: - bei Symptomatik (Blutungen, Frakturen, spinale oder radikuläre Kompression etc.) - bei drohender Symptomatik frühzeitige Stabilisierung anstreben - Einbindung von Bestrahlungskonzepten - Tumorembolisation - Biphosphonattherapie bei Skelettmetastasen - schmerztherapeutische Konzepte Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Jahr nach kurativer Primärtherapie Monat 3 Anamnese / klinische x Untersuchung Laboruntersuchung: BSG, AP, Hb x apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax Sonographie Abdomen CT Abdomen (alternativ MRT) x 1. 2. 3. 4. 6 x 9 x 12 x 3 x 6 x 9 x 12 6 x x 12 x 6 x 12 x jährlich x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x bei unklarem Befund Literatur: - Diagnostische und therapeutische Standards in der Urologischen Onkologie Weißbach, L., Miller, K., (1998) - Nierentumoren Staehler, G., Pomer, J., - Qualitätssicherung in der Onkologie Kurzgefasste Interdisziplinäre Leitlinien 2001 Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. B. Hoschke ChA der Urologischen Klinik Carl-Thiem-Klinikum Cottbus 64 5. – 10. 12. Peniskarzinom Das Peniskarzinom tritt in der westlichen Welt selten auf. In Deutschland erkranken jährlich 0,8 von 100.000 Einwohnern. In Asien, Afrika und Amerika ist das Peniskarzinom deutlich häufiger, es macht dort etwa 20-40% aller männlichen Malignome aus. Risikofaktoren: Virusinfektionen (Humanes Papillomvirus), fraglich Smegmaretention und Balanitis Die Zirkumzision stellt eine wesentliche Präventivmaßnahme dar. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Peniskarzinom nach Therapie mit kurativer Zielsetzung Jahr nach Primärtherapie 1. - 2. Jahr Monat 3 6 9 12 x x x x x x x x Anamnese Klinische Untersuchung Laboruntersuchung: BB, BSR, Kreatinin, Elektrolyte, Urin-Status, Apparative Untersuchung: Sonographie: Abdomen, insb. Leisten/Becken CT/MRT x x x 3. - 5. 6.-10. 6 12 jährlich x x x x x x x x x x x x x x x x bei entsprechenden Symptomen und Befunden Bei Patienten mit einem Peniskarzinom ist die psychoonkologische und psychosexuelle Betreuung von besonderer Bedeutung. Peniskarzinom nach palliativer Zielsetzung Nachsorge individuell entsprechend der klinischen Symptomatik und der Befunde. Symptomatische Therapie bei Rezidiven und Metastasierung. Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. G. Lehmann FA für Urologie / Konsiliararzt Nordbrandenburgischer Onkologischer Schwerpunkt e. V. Am Klinikum Uckermark Schwedt/O. 65 13. Gynäkologische Karzinome Die Nachsorge durch den Gynäkologen beginnt nach Abschluss der Primärbehandlung und soll den individuellen Bedürfnissen der Patientin angepasst sein. Ziele der Nachsorge sind: • Erfassung und Therapie von Behandlungsfolgen • die psychosoziale Rehabilitation • Sexualberatung • die frühe Erkennung lokoregionärer Rezidive • die Diagnostik oder der Ausschluß von Fernmetastasen • Mammavorsorgeuntersuchungen (Früherkennung) • Erkennung von Zweitkarzinomen (Kolon, Endometrium) • Qualitätssicherung Inhalte der Nachsorge sind die Anamnese und die gynäkologische Untersuchung, ggf.mit Zytologie und Biopsie und der vaginale Ultraschall. Bildgebende Verfahren (CT, MRT, PET) sind symptomorientiert und risikoadaptiert indiziert. Der systematische Einsatz von Tumormarkern ist bei Ovarialkarzinomen zu diskutieren. Bei bestrahlten Patientinnen ist die ergänzende Nachsorge durch den Strahlentherapeuten nach der Strahlenschutzverordnug vorgeschrieben. 13.1 Vulvakarzinom Untersuchungstermine werden bei den meist älteren Patientinnen individuell gehandhabt. Vorrangig ist eine sorgfältige Untersuchung der Narbenregion mit dem Kolposkop und die Palpation insbesondere im Inguinal- und Rektalbereich. Zytologische Untersuchungen oder Probeexzisionen sind bei verdächtigen Hautarealen erforderlich. Bildgebende Verfahren wie CT oder MRT sind symptomorientiert indiziert. Da Lymphknotenmetastasen mit resultierendem Lymphödem erhebliche Beschwerden verursachen, ist ihre frühzeitige Diagnose sinnvoll, um rechtzeitig palliative Maßnahmen, wie z. B. eine Strahlentherapie, einzuleiten. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Vulvakarzinome Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Klinische Untersuchung: Gewicht, Spekulum/Kolposkopie, Zytologie (falls sinnvoll Collins-Test), vaginale Sonograhie,Palpalpation - rektovaginal - inguino-femurale Region, Beinumfang Laboruntersuchung: kleines Blutbild, BSG Mammadiagnostik 66 1) x x 3 x x x x 1.-3. 6 9 12 x x x x x x x x 4.-5. 6 x x x x 1x jährlich 12 x x x 13.2 Vaginalkarzinom Auch hier handelt es sich meist um das Karzinom der älteren Frau. Rezidive treten meistens innerhalb der ersten 5 Jahre auf, doch sind auch spätere Rezidive etwas häufiger als bei anderen gynäkologischen Karzinomen. An erster Stelle stehen Inspektion, Kolposkopie, Zytologie und Palpation. Da das Vaginalkarzinom häufig radiologisch behandelt wird, sind vaginale Verklebungen möglich. Sie sollten besonders bei Wunsch nach Verkehr durch regelmäßige lokale Östrioltherapie behandelt werden. Wegen der häufigen Koinzidenz von Vaginal- und Zervixkarzinomen ist eine regelmäßige zytologische Untersuchung der Vagina und der Endozervix erforderlich. Laboruntersuchungen wie Blutbild, BSG und Urinstatus spielen eine untergeordnete Rolle. Die Sonographie beider Nieren dient der Kontrolle der Abflussverhältnisse des ableitenden Harnsystems. Zystoskopie und Rektoskopie können zur Differenzierung von radiogenen oder tumorösen Veränderungen erforderlich sein. Die bildgebende Diagnostik wird nur bei Verdacht auf eine Metastasierung eingesetzt. Hierbei ist inbesondere auch an die lymphogene abdominelle Metastasierung zu denken. Die Mammadiagnostik dient der Früherkennung des Brustkrebses. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Vaginalkarzinom Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Klinische Untersuchung: Gewicht, Spekulum/Kolposkopie Palpation rektovaginal Zytologie von Endozervix und Vagina Laboruntersuchung: BSG, Hb, Urinsediment Apparative Untersuchung: Sonographie: abd./vag. (einschl. Nieren) Zysto- und Rektoskopie CT-Thorax/Abdomen Mammadiagnostik 1) x x x 3 x 1. 6 x 9 x x x x x x x x x x x x x x 2. 12 3 x (x) x x x x x x x x (x) 6 x 9 12 (x) x 6 x 3. 12 x x x x x x x x (x) x x x x x x x x x x x x x x bei Symptomen bei Symptomen 1x jährlich x 4. - 5. 6 12 x x x x x x x x x 13.3 Zervixkarzinom Jährlich erkranken derzeit etwa 6.580 Frauen in Deutschland an Gebärmutterhalskrebs. Das entspricht einem Anteil von 3,4 % an allen Krebserkrankungen bei Frauen. Die Überlebensaussichten mit der vollständig entwickelten Krebskrankheit (invasives Karzinom) blieben während der letzten Jahrzehnte nahezu unverändert bei einer relativen Überlebensrate von 65 % (1). Die Nachsorgeuntersuchungen beinhalten neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung ein persönliches Gespräch über therapiebedingte Probleme, eine Hormonersatztherapie bei den oft jungen Frauen und eine Sexualberatung. 67 Die klinische Untersuchung besteht aus Inspektion, Kolposkopie, Zytologie und bimanuell/ rektovaginaler Palpation und Vaginalsonographie. Die Nierensonographie zeigt Harnabflussstörungen und kann eine Indikation zur Nierensequenzszintigraphie ergeben. Bei Rezidiv-/Metastasenverdacht sollte die bildgebende Diagnostik mit CT, MRT, Skelettszintigraphie und ggf. auch PET zur Therapieplanung erfolgen. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Zervixkarzinom Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Klinische Untersuchung: Gewicht, Spekulum/Kolposkopie, Zytologie,Palpation - rektovaginal/inguinal - Virchow-LK vaginale Sonographie Laboruntersuchung: BSG, Hb, Urinsediment Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax Nierensonographie CT-Thorax/Abdomen Mammadiagnostik 1. –3. 1) 4. - 5. x x 3 x x 6 x x 9 x x 12 x x 6 x x 12 x x x x x x x x x x x x x x x x x x bei Symptomen 1x jährlich x 13.4 Korpuskarzinom Mit jährlichen etwa 10.000 Neuerkrankungen und einem Anteil von 5,1 % an allen bösartigen Neubildungen stellt der Krebs des Gebärmutterkörpers die vierthäufigste Krebslokalisation bei Frauen insgesamt und die häufigste der weiblichen Genitalorgane dar. Mit einer relativen 5Jahresüberlebensrate von 78% können diese Karzinome zu den prognostisch günstigen gezählt werden (1). Die Nachsorge mit Anamnese und gynäkologischer Untersuchung erfolgt in den ersten drei Jahren 1/4jährlich. Halbjährliche Sonographien von Abdomen, Leber, Nieren und kleinem Becken sowie jährliche Mammographien können durchgeführt werden. Mehr als 3/4 aller Rezidive treten in den ersten drei Jahren nach einer Primärtherapie auf. Bei primär bestrahlten Patientinnen kann nach 6 oder 12 Monaten eine Kontrollabrasio durchgeführt werden. Die bildgebende Diagnostik ist nur bei Verdacht auf Metastasen einzusetzen. Es ist insbesondere auch das Risiko der paraaortalen Lymphknotenmetastasierung zu berücksichtigen. 68 Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Korpuskarzinom Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Gewicht; eingehende körperliche Untersuchung Klinische Untersuchung: Spekulum/Kolposkopie, Zytologie, Palpation - rektovaginal - inguinal vaginale Sonographie Laboruntersuchung: BSG, Blutbild Apparative Untersuchung: Sonographie/CT: Abdomen, Leber, Nieren, kleines Becken fraktionierte Abrasio nach primär radiolog.Therapie (evtl.) vaginale Sonographie CT-Thorax/Abdomen Mammadiagnostik 1) x 3 x 1.-3. 6 9 x x 4.-5. 12 x 6 x 12 x x x x x x x x x x x x x x x x x x x (x) (x) (x) (x) (x) x x x x x x bei Symptomen 1 x jährlich x 13.5 Ovarialkarzinom Jährlich treten bei ca. 9.670 Frauen in Deutschland Krebserkrankungen der Eierstöcke auf. Damit entfallen auf diese Erkrankung 5% aller bösartigen Neubildungen bei Frauen. Die Prognose für Eierstockkrebs ist im Vergleich zu den anderen Krebserkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane eher schlecht. Die relative 5-Jahresüberlebensrate beträgt nur etwa 39 % (1). Die Primärbehandlung mit Operation und Chemotherapie kann mit erheblichen somatischen Folgestörungen einhergehen. So gehört zur Nachsorge nicht nur die Diagnose des Rezidivs, sondern auch die Behandlung therapieassoziierter Nebenwirkungen. Eine Hormonsubstitution scheint ohne erhöhtes Rezidivrisiko möglich zu sein. Es sollten Kombinationspräparate mit Gestagenen eingesetzt werden. Die Entscheidung zur Substitution sollte individuell erfolgen. Die Östrogendosis sollte möglichst niedrig gewählt werden. Bei endometrioidem Karzinom keine Östrogensubstitition. Neben der gynäkologischen Untersuchung mit Sonographie ist eine weitere bildgebende Diagnostik routinemäßig nicht erforderlich. Eine Erhöhung des Tumormarkers CA 125 weist mit hoher Sensitivität und Spezifität auf ein Rezidiv bzw. eine Metastasierung hin und erfordert eine umfassende Diagnostik. Wenn bei der klinischen Untersuchung und der weiterführenden bildgebenden Diagnostik Tumormanifestationen nicht gefunden werden, ist nach heutigem Stand die frühzeitige Einleitung einer Therapie ohne Vorteil für die Patientin. Weitergehende Festlegungen zur Diagnostik/Therapie sollten interdisziplinär erfolgen. 69 Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Ovarialkarzinom Jahr nach Primärtherapie Monat 1) 2 3 4 Zwischenanamnese x x x x Klinische Untersuchung: x x x x Gewicht, Inspektion + Palpation des Abdomens, rektovag. Untersuchung, Kolposkopie + Zytologie vaginale Sonographie x Laboruntersuchung: x x x x Blutbild, BSG, Elektrolyte, Leber-/Nierenwerte Tumormarker: CA 125 (x) (x) Apparative Untersuchung: Röntgen-Thorax Sonographie/CT: x Abdomen, Leber, Niere, kleines Becken Mammadiagnostik 1. 5 x x 6 x x 7 x x 8 x x 9 10 11 12 x x x x x x x x x x x x x x x (x) (x) x x x (x) x x (x) x x x 1 x jährlich 2. – 3. Jahr nach Primärtherapie Monat 3 Anamnese x Klinische Untersuchung: x Gewicht, Inspektion + Palpation des Abdomens, rektovag. Untersuchung, Kolposkopie + Zytologie vaginale Sonographie x Laboruntersuchung: x Blutbild, BSG, Elektrolyte, Leber-/Nierenwerte Tumormarker: CA 125 x Apparative Untersuchung: Röntgen-Thorax Sonographie/CT: Abdomen, Leber, Niere, kleines Becken Mammadiagnostik 1) x 4. - 5. 6 x x 9 12 6 12 x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x 1 x jährlich x x Basisuntersuchungen im Rahmen der Primärtherapie (1) Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch Institut, 4. überarbeitete, aktualisierte Ausgabe 2004 Redaktionelle Bearbeitung Dr. med. F. Dreßler Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam 70 14. Leukämien und maligne Lymphome Bösartige Erkrankungen des hämatopoetischen und lymphatischen Systems verursachen ungefähr 6 % der Sterblichkeit an Malignomen insgesamt. Es handelt sich um seltene und fast immer systemisch auftretende Erkrankungen. Wegen der Seltenheit dieser Krankheitsbilder ist eine Nachsorge oder Nachbehandlung durch den Hämatologen erforderlich. Individuell für jeden Patienten müssen von ihm Art der Untersuchungen und Zeitstaffel festgelegt werden, um den Hausarzt in das Untersuchungsprogramm und die psychosoziale Betreuung mit einzubeziehen. In der Hämatologie ist der wissenschaftliche Erkenntniszuwachs relativ groß. Neue Erkenntnisse führten in den letzten Jahren erneut zu Nomenklaturüberarbeitungen. Zur besseren Übersicht werden die aktuellen Bezeichnungen nachfolgend aufgeführt: I. Hämoblastosen 1. Akute Leukämie (WHO-Einteilung) a) b) c) 2. Akute myeloische Leukämie (AML) Akute lymphatische Leukämie (ALL) Akute undifferenzierte Leukämie (AUL) Myeloproliferative Syndrome (WHO-Klassifikation) a) Chronisch myeloproliferative Erkrankungen (MPS) - Chronische myeloische Leukämie Chronische Neutrophilenleukämie Chronische Eosinophilenleukämie/Hypereosinophiles Syndrom Polycythämia vera Chronische idiopathische Myelofribrose Essentielle Thrombozythämie MPS, unklassifiziert b) Myelodysplastische/myeloproliferative Erkrankungen (MDS/MPS) - Chronische myelomonozytäre Leukämie Atypische chronische myeloische Leukämie Juventrile myelomonozytäre Leukämie MDS/MPS, unklassifizier c) Myelodysplastische Syndrome (MDS) - Refraktäre Anämie Refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten Refraktäre Zytopenie mit multilineärer Dysplasie Refraktäre Anämie mit Blastenexzess MDS mit isolierter del(5q) MDS, unklassifiziert 71 II. Hodgkin-Lymphome (B) Nach REAL-Klassifikation (Revidierte Neoplasien) nicht weiter unterteilt. III. europäisch-amerikanische Klassifikation lymphoider Non-Hodgkin-Lymphome (A) Hauptentitäten der Kiel-Klassifikation 1998 und korrespondierende Entitäten der “Revidierten europäisch-amerikanischen Klassifikation lymphoider Neoplasien” (REAL-Klassifikation) 1994 ______________________________________________________________________________ Kiel-Klassifikation REAL-Klassifikation B-Zell-Lymphome Chronische lymphatische Leukämie vom B-Zell-Typ (B-CLL) _________ B-CLL B-CLL mit plasmazellulärer Differenzierung Lymphoplasmozytoides/ Lymphoplasmozytisches Immunozytom _________ Zentroblastisch-zentrozytisches Lymphom _________ Zentroblastisches Lymphom _________ Follikuläres Keimzentrumslymphom Grad I Grad II Grad III Zentrozytisches Lymphom _________ Mantelzell-Lymphom _________ Marginalzonen-Lymphom, extranodal (MALT) _________ Plasmozytom/Multiples Myelom (alle Typen) Plasmozytisches Lymphom (nur extramedullär) Lymphoplasmozytisches Immunozytom (M. Waldenström) } Zentroblastisches Lymphom Immunoblastisches Lymphom Großzellig anaplastisches Lymphom (CD30+) Burkitt-Lymphom Lymphoblastisches Lymphom Diffuse großzellige B-Zell-Lymphome _________ _________ Burkitt-Lymphom Lymphoblastisches Lymphom T-Zell-Lymphome CLL/Prolymphozytenleukämie } Lymphoepitheloides (Lennert)Lymphom T-Zonen-Lymphom Pleomorph-kleinzelliges, mittelgroßzelliges Lymphom (HTLV) Immunoblastisches Lymphom { CLL/ Prolymphozytenleukämie Großzellige azurgranulierte Lymphozyten-Leukämie T-Zell-Typ, NK-Zell-Typ Periphere T-Zell-Lymphome unspezifiziert Großzellig anaplastisches lymphoblastisches (CD30+) Anaplastisches großzelliges Lymphom_________ Lymphom, T- und Null-Zell-Typ Lymphoblastisches Lymphom _________ 72 Lymphoblastisches Lymphom 1. Nachsorge von Leukämien In eine echte Nachsorge gelangen nur durch Chemotherapie oder durch Knochenmarktransplantation wahrscheinlich geheilte Patienten. Transplantierte Patienten verbleiben fast immer an den Transplantationszentren zur weiteren immunsuppressiven Therapie. Ansonsten erfolgt die weitere Nachsorge durch den Hämatologen unter Kenntnis der Prognose der Erkrankung in Abhängigkeit von der Erkrankungsart und z. B. dem Therapieverlauf. Zu achten wäre nicht nur auf ein mögliches Rezidiv, sondern auch auf zytostatisch bedingte und strahlenbedingte Organschäden oder Zweitneoplasien. Anhaltend chronische Leukämien werden gemeinsam mit dem Hausarzt in der hämatologischen Sprechstunde behandelt. Bei allen Leukämieformen gilt der Grundsatz, dass jede zusätzliche Erkrankung, wie z. B. eine Bronchitis, intensiv diagnostiziert und behandelt werden muss. So kann sich hinter dem Infekt eine primäre Exazerbation oder Eskalation der Leukämie verbergen oder aber zumindest eine erhebliche reaktive Leukozytose entstehen, wobei beide Zustände zu Zelldepletion, sekundärer Hyperurikämie und Nierenversagen führen können. Dringliches Blutbild und Laborchemie sind deshalb in solchen Fällen obligat, um eine rechtzeitige Vorstellung beim Facharzt oder eine Krankenhauseinweisung veranlassen zu können. 2. Nachsorge von malignen Lymphomen Die Therapie maligner Lymphome führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. So gehen Patienten mit sogenannten Remissionen als auch solche mit Teilremissionen in die Nachsorge ein. Patienten mit hochmalignen Lymphomen oder M. Hodgkin niedrigerer Stadien werden meist nur bei Erreichen einer Remission in die Nachsorge überführt, anderenfalls bedürfen sie weiterer intensiver Therapie. Allgemeingültige Nachsorgeempfehlungen zu formulieren, gelingt mit Einschränkungen nur bei dieser Patientengruppe. Es werden grundsätzlich die primär befallenen Lymphknotenstationen bzw. Organe klinisch und apparativ nachuntersucht. Hinzu kommen paraklinische Untersuchungen aller prätherapeutisch pathologischen Befunde und in jedem Fall der sog. Aktivitätsparameter (s. u.). Die 3. Säule der Nachsorge stellt die Aktualanamnese mit der Erhebung des Allgemeinbefindens, evtl. stattgehabter Infekte oder zwischenzeitlich eingetretener “B-Symptome” dar. Niedrig maligne Lymphome, vor allem der älteren Patienten, können häufig nicht in eine Remission überführt werden. Je nach Alter der Patienten und der primären Ausbreitung der Erkrankung können gute, mäßig gute und geringe Teilremissionen erreicht werden. Es wird angestrebt, diese Verbalisation durch Prozentangaben bei Knochenmarkbefall oder Zentimeterangaben bei Lymphknotenvergößerung zu objektivieren. Die Art der Nachsorge verhält sich bei niedrig malignen Lymphomen grundsätzlich individuell. So beginnen z. B. einige Lymphome mit einer Hämolyse. Nach Erreichen einer Teilremission wäre also das Erfassen von Hämolyseparametern in solchen Fällen das sensibelste Nachsorgekriterium. Allgemeingültige Prinzipien der Nachfrage Unabhängig von der Erkenntnis, dass die Nachsorge individuell verschieden gehandhabt werden muss, gelten: Befindlichkeit des Patienten Sogenannte “B-Symptome” wie Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, Fieber und Pruritus sind, sofern sie auftreten, zugleich auch krankheitseinleitende Symptome. Mit Eintreten der Remission verschwinden sie völlig. Ein Rezidiv kündigt sich meist wieder durch B-Symptome an. 73 Klinische Untersuchung Sie muss minutiös von kranial bis kaudal, unabhängig von den primär befallenen Stationen, erfolgen. Bevorzugt müssen die Tonsillen, Speicheldrüsen und alle Lymphknotenregionen betrachtet und palpiert werden. Die Auskultation des Herzens mit Frequenz- und RR-Beurteilung berücksichtigt evtl. Kardiomyopathien nach Chemotherapie und/oder Radiatio. Einschätzung von Leber- und Milzgröße sind obligat. Paraklinik Relevant, soweit prätherapeutisch pathologisch und/oder zur Verlaufsbeurteilung und Nachsorge bei Patienten mit B-Symptomen, Dreier- und Vierer-Stadien. BSG, Fibrinogen, alpha-2-Globulin, beta-2-Mikroglobulin, LDH, AP (sog. Aktivitätsparameter), Hb, BB, Thrombozyten, Immunfixation, Urineiweiß. Zeitstaffel der Nachsorge Die Wiederbestellfrequenz und auch die Abstände zwischen den einzelnen Nachuntersuchungen resultieren aus den verschiedenen Lymphomarten, entsprechend der aktualisierten KielKlassifikation, d. h. der Histologie nebst Immunhistologie, dem Malignitätsgrad, den prätherapeutischen Risikofaktoren wie hoher BSG sowohl bei A- und B-Stadien, großer Lymphompakete (bulky disease), als auch Befall extralymphatischer Organe und schließlich der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Rezidivs. So liegen die Wiederbestellfrequenzen am Tumorzentrum bzw. in der Fachpraxis unmittelbar posttherapeutisch bei durchschnittlich 2 bis 3 Monaten. Zwischenzeitlich sollte der Patient den Hausarzt alle 4 Wochen konsultieren, um in der Epikrise empfohlene Untersuchungen durchführen zu lassen. Bei eventuellen Zustandsänderungen oder Zweiterkrankungen sollte der Hämatologe informiert werden. Patienten, die aus der Kinderlymphomsprechstunde übernommen wurden, verbleiben lebenslang, gegebenenfalls in jährlichen Abständen, in der Nachkontrolle. 3. Kooperationspartner Ärztliche Partner für die ambulante Nachsorge sollten Hausärzte sein, zu denen die Patienten ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Hier kommt es vor allem darauf an, zwischen den Kollegen einen unkomplizierten Informationsaustausch zu pflegen. So leiden fast alle Patienten, ob in Remission oder in Teilremission, an einem anhaltenden Immundefizit, welches sehr häufig zu komplizierten Krankheitsverläufen führt (z. B. Herpes-Infektionen). Soziale und psychologische Betreuung Eine wesentliche Hilfe bei der Behandlung Schwerstkranker stellt die psychosoziale Betreuung dar. Die psychische Konstitution korreliert eindrucksvoll mit dem Behandlungserfolg. So finden die Patienten Hilfe in Selbsthilfegruppen oder beim Betreuungsdienst für chronisch Kranke (BcK). Hier sind besonders psychologisch qualifizierte Sozialarbeiterinnen tätig. Sie sind in der Lage, nicht nur sozialmedizinische Hilfe zu geben, sondern die Patienten z. B. während der Chemotherapien und Strahlentherapien psychologisch zu begleiten. Leider erfahren diese Mitarbeiterinnen weder von den Krankenkassen noch vom Landesministerium Unterstützung, so daß sie nur noch mit Mühe von wenigen Einrichtungen selbst getragen werden. Pflegerische Hilfe Bösartige Erkrankungen führen häufig zu Pflegebedürftigkeit und Tod. Da viele Patienten noch eine palliative bzw. supportive Therapie (Ernährung, Schmerztherapie, Transfusion, Thrombozytenkonzentrate) erhalten, hat sich die Zusammenarbeit mit Pflegediensten bewährt, die spezielle Kenntnisse auf diesem Gebiet haben und sich durch besonders großes Engagement auszeichnen. Wichtig ist, dass stets die gleichen Schwestern für den Patienten präsent sind und situationsgerecht auch die Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten herstellen. 74 Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Morbus Hodgkin Jahr nach Primärtherapie 1. Jahr Monat 3 6 9 12 Anamnese: x x x x Nachtschweiß, Fieber, Juckreiz, Leistungsvermögen Klinische Untersuchung: x x x x Gewicht, Leber, Milz, LK-Status (incl. Rachenring) Laboruntersuchung: BSG, BB u. Thrombozyten, AP, -GT, LDH, Kreatinin, Elektrophorese, Fibrinogen Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax 2 Ebenen Sonographie: Abdomen CT: Abdomen Knochenmarkpunktion, Knochenmarktrepanation 3 x x 2. Jahr 3. - 5. weiter 6 9 12 6 12 6 12 x x x x x x x x x x x x x x individuell individuell individuell fakultativ Niedrigmaligne Non-Hodgkin-Lymphome (Überwachung von Patienten mit asymptomatischer Erkrankung oder nach Behandlung) Jahr nach Primärtherapie 1. Jahr 2.-3. Jahr Monat 2 3 6 9 12 3 6 9 12 Anamnese: x x x x x x x x x Infekte, Blutungen, Nachtschweiß, Fieber Klinische Untersuchung: x x x x x x x x x Aktivitätsindex, Gewicht, Leber, Milz, LK-Status (incl. Rachenring) Laboruntersuchung: x x x x x x x x x BSG, BB u. Thrombozyten, AP, GT, LDH Fibrinogen, Elektrophorese, Kreatinin, Beta-2-Mikroglobulin fakultativ Immunglobuline (x) Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax 2 Ebenen, (x) x x x x Sonographie: Abdomen Knochenmarkpunktion Knochenmarktrepanation fakultativ 4.-5. Jahr weiter 3 6 9 12 x x x x vierteljährlich x x x x vierteljährlich x x x x vierteljährlich x x (x) nur, falls kein oder pathologischer Ausgangsbefund! Die Untersuchungsfrequenz sollte in der Anfangsphase dem individuellen Verlauf der Erkrankung angepasst werden! 75 Plasmozytom (multiples Myelom) Jahr nach Primärtherapie Monat 2 1. Jahr 2.-3. Jahr 3 6 9 12 3 6 9 1 2 x x x x x x x x Anamnese: x Infekte, Blutungen, Nachtschweiß, Dyspnoe, Leistungsvermögen Klinische Untersuchung: x x Gewicht, Leber, Milz, LK-Status, Skelettklopf-/stauchungsschmerz Laboruntersuchung: BSG, BB und Thrombozyten, AP, -GT, LDH, Ca, K, NA, Kreatinin, Beta-2-Mikroglobulin, Elektrophorese, Gesamteiweiß, Immunglobuline, quant., Urinstatus, Urineiweiß Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax 2 Ebenen (x) Röntgen: Skelettsystem Knochenmarkpunktion/ (x) Knochenmarktrepanation Skelettszintigraphie x x x x x x 3 x 4.-5. Jahr 6 9 12 weiter x x x x vierteljährlich x x x x vierteljährlich individuell x x individuell x x x x fakultativ (x) nur, falls kein oder pathologischer Ausgangsbefund! Die Untersuchungsfrequenz sollte in der Anfangsphase dem individuellen Verlauf der Erkrankung angepasst werden! Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome incl. centroblatisch-centrocytisches Lymphom (CB-CC) Jahr nach Primärtherapie 1. Jahr Monat 2 Anamnese: Infekte, Blutungen, Nachtschweiß, Leistungsvermögen Klinische Untersuchung: Gewicht, Leber, Milz, LK-Status (incl. Rachenring), neurolog. Status Laboruntersuchung: BSG, BB und Thrombozyten, AP, -GT, LDH Kreatinin, Elektrophorese Fibrinogen Apparative Untersuchung: Röntgen: Thorax 2 Ebenen Sonographie: Abdomen 76 x 2.-3. Jahr 3 5 6 9 x x x x 1 2 x 4.-5. Jahr 3 6 9 12 3 6 9 12 x x x x x x x individuell x x x x x x x x x x x x individuell individuell x halbjährlich halbjährlich individuell x x weiter jährlich x x x x halbjährlich halbjährlich halbjährlich Jahr nach Primärtherapie Monat 2 CT: Abdomen Knochenmarktrepanation/ Knochenmarkpunktion, Liquorpunktion mit Ferritin 1. Jahr 3 5 6 2.-3. Jahr 9 1 2 3 6 9 12 3 4.-5. Jahr 6 weiter 9 12 fakultativ fakultativ Die Untersuchungsfrequenz sollte in der Anfangsphase dem individuellen Verlauf der Erkrankung angepasst werden! Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. Ulrich von Grünhagen Onkologische Schwerpunktpraxis Bahnhofstraße 63, 03046 Cottbus 77 15. Hirntumoren Für die Nachsorge bei Hirntumoren steht immer der histopathologische Befund im Vordergrund. Intrakraniell gibt es 5 Arten von Hirntumoren: Geschwülste ausgehend von den Hirnhäuten (Meningeome) Diese finden sich in der überwiegenden Mehrzahl als gutartige, intrakranielle, extraaxial (außerhalb des Hirngewebes) liegende Geschwülste. In seltenen Fällen finden sich jedoch auch atypische oder sogar maligne Meningeome. Neurinome, niedermaligne Astozytome der Hirnnerven Weitere intrakranielle histopathologisch gutartige Geschwülste sind Neurinome ausgehend von den Hirnnerven. In der überwiegenden Anzahl handelt es sich hierbei um das Akustikusneurinom ausgehend vom 8. Hirnnerv. Selten ist auch ein pilozytisches Astrozytom Grad I ausgehend vom Nervus opticus zu beobachten. Beim Nervus opticus handelt es sich histologisch nicht um einen peripheren Nerven, sondern um Hirngewebe. Hirneigene Tumore In erster Linie finden sich hierbei die so genannten Astrozytome, die nach WHO in 4 Grade eingeteilt werden. Grad I und II sind histopathologisch als gutartig, Grad III und IV als bösartig einzustufen. Seltener finden sich auch Oligodendrogliome oder Oligoastrozytome, die ebenso in sämtlichen Malignitätsstadien auftreten können. Die übrigen hirneigenen Geschwülste sind eher selten und dann meistens im Kindesalter anzutreffen, z. B. Medulloblastome, pilozytische Astrozytome Grad I der hinteren Schädelgrube u. ä. Metastasen Am häufigsten handelt es sich bei intrakraniellen Raumforderungen um metastatische Geschehen. Dies sind Absiedelungen von Primärtumoren der Lunge, der Mamma sowie des Urogenitaltraktes und anderer . Chordome, Chondrome Diese gelten als Raritäten, sind therapeutisch sehr schwer angehbar und finden sich als Raumforderungen intrakraniell extraaxial überwiegend ausgehend von den Schädelnähten. Therapie und Nachsorge Meningeome Diese sollten - sofern zu einem vertretbaren Operationsrisiko machbar - bei Erreichen einer gewissen Größe und Auftreten einer neurologischen Ausfallssymptomatik in jedem Fall in erster Linie chirurgisch angegangen werden. Bei kleinen Meningeomen in nicht eloquenten Regionen und bei fortgeschrittenem Alter des Patienten, die im Rahmen eines Zufallsbefundes detektiert wurden, kann auch ausschließlich zum „Zuwarten“ geraten werden. Es sollte dann - je nach Größe und Lokalisation der Raumforderung - in zunächst 1 – später in 2 jährigen Abständen Kontrolluntersuchungen erfolgen. 78 Geschwülste, die sich in Regionen, die einem operativen Vorgehen schlecht zugänglich sind, befinden oder bei Patienten mit hohem Alter oder multiplen Begleiterkrankungen sollte nicht in jedem Fall eine chirurgische Resektion erzwungen werden. In enger Zusammenarbeit mit Strahlentherapeuten kann auch eine fraktionierte perkutane Bestrahlung in Erwägung gezogen werden. Bei der Wahl dieses Vorgehens sollten in jedem Fall nach 6 Monaten postradiatio und hiernach in jährlichen Abständen Kontrollen erfolgen. Ein ähnliches Vorgehen ist bei atypischen oder malignen Meningeomen anzuraten. Bei dieser Formengruppe sollte in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den Strahlentherapeuten eine adjuvante postoperative Therapie abgesprochen werden, ständige Kontrollen 1x jährlich sind ratsam. Häufige Nachoperationen, vor allem bei malignen Meningeomen, sind die Regel. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Klinische Untersuchung: Apparative Untersuchung: MRT Schädel 1. –lebenslänglich 12 X X X Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel Neurinome und Optikusgliome Neurinome der Hirnnerven werden meist durch neurologische Ausfälle (häufig Hörsturz) detektiert. Bei großen Neurinomen (über 2 cm) sollte in jedem Fall in erster Linie eine Exstirpation der Geschwulst angestrebt werden, da es hierbei meistens bereits zu einer Kompression auf die medullären Strukturen gekommen ist. Bei kleineren Geschwülsten, die sich häufig intrameatal finden, kann sowohl ausschließlich die Kontrolle als auch eine perkutane Radiatio mit dem Patienten abgesprochen werden. Diesbezüglich ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie eine enge Patientenführung erforderlich. Optikusgliome treten relativ selten auf. Bei Auftreten erster Symptome (Sehstörungen) ist jedoch meist eine radikale Exstirpation aufgrund des Einwachsen des Glioms in das Chiasma optici nicht mehr möglich. Adjuvante Therapieformen sind nicht bekannt. Kontrollen 1x jährlich sollten erfolgen, da bei Auftreten einer größeren Raumforderung zumindest eine operative Teilexstirpation möglich ist. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: 1. – 5. 12 X Klinische Untersuchung: X Apparative Untersuchung: MRT Schädel Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel X 79 Hirneigene Geschwülste Hirneigene Geschwülste (Astrozytome, Oligodendrogliome) treten meist im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter auf. Bei Auftreten erster Symptome (häufig zerebrales Krampfleiden) finden sich diese Geschwülste häufig in fortgeschrittenem Stadium. Sämtliche dieser Geschwülste sollten in Abhängigkeit der Lokalisation und des Allgemeinzustandes des Patienten so radikal wie möglich operativ angegangen werden, wobei zumindest bei den Astrozytomen Grad III und IV eine chirurgische Sanierung nicht möglich ist. Bzgl. der niedermalignen Astrozytome kommt neben einer möglichst radikalen chirurgischen Exstirpation kein adjuvante Therapie in Frage. Kontrolluntersuchungen sollten 1x im Jahr durchgeführt werden. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Klinische Untersuchung: Apparative Untersuchung: MRT Schädel Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel 1. – 5. 12 X X X Maligne Gliome Bei den malignen Gliomen hat sich zwischenzeitlich nach möglichst radikaler Exstirpation eine adjuvante kombinierte Radiochemotherapie mit Temozolomid (75 mg/m2 KOF) bewährt. Postoperativ sollten in 3-monatigen Abständen Kontrollen erfolgen, ebenso ist dringend die Fortführung der Chemotherapie mit Temozolomid (200 mg/m2 KOF) in 5-wöchigen Abständen zu raten. Bei Rezidivwachstum der malignen Gliome ist ggf. je nach Lokalisation und Allgemeinzustand des Patienten eine erneute Resektion angeraten. In jedem Fall ist hierbei eine lebenslange Nachkontrolle in 3-monatigen Abständen erforderlich. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Jahr nach Primärtherapie Monat 3 X X 1. – lebenslänglich 6 9 12 X X X X X X Anamnese: Klinische Untersuchung: Apparative Untersuchung: MRT Schädel Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel 80 X Chondrome/Chordome Diese Art der Geschwülste findet sich meist im Bereich der Nähte der Schädelbasis. Meistens ist aufgrund der Lokalisation und der Beteiligung funktionell wichtiger Areale eine chirurgische Sanierung nicht möglich. Es sollte jedoch in jedem Fall - soweit möglich - die Resektion dieser Geschwülste erfolgen, um dann in enger Absprache mit den Strahlentherapeuten das weitere Vorgehen festzulegen. Engmaschige Nachkontrollen 1x jährlich sind erforderlich. Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen: Jahr nach Primärtherapie Monat Anamnese: Klinische Untersuchung: Apparative Untersuchung: MRT Schädel Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel 1. – 5. 12 X X X Metastasen Bei der weiterführenden Therapie von zerebralen Metastasen kommt es auf 3 Faktoren an: Histologie des Primärgeschehens Lokalisation der Absiedelung Anzahl der Absiedelungen. In Abhängigkeit o. g. Faktoren muss in enger Zusammenarbeit mit den onkologischen und strahlentherapeutischen Fachkollegen das bestmögliche Prozedere mit dem Patienten abgesprochen werden. Große deutlich raumfordernde Metastasen, die sich in nicht eloquenten Arealen befinden, sollten in jedem Fall einer chirurgischen Intervention zugeführt werden, ebenso größere raumfordernde Metastasen zerebellär, da ansonsten ein Hydrocephalus occlusus droht. Bei multipler Metastasierung oder einer Metastasierung in funktionell wichtigen Arealen sollte zunächst der Versuch einer Radio- oder Chemotherapie gestartet werden. Engmaschige Nachkontrollen sind erforderlich, da ggf. eine erneute Therapie (sei es chirurgisch oder konservativ) eingeleitet werden muss. Redaktionelle Bearbeitung Dr. med. Funk Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie Klinikum Frankfurt (Oder) 81 16. Nachsorge nach Strahlentherapie Nachsorgeprogramme beinhalten neben der psychosozialen Betreuung als ärztliche Aufgabe die Diagnostik und Therapie von Tumorprogressionen, Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen: Diagnose von Tumorrezidiven und Metastasen (programmierte oder individuelle krankheits- und risikoadaptierte Nachsorge) Erfassung therapiebedingter Nebenwirkungen Durchführung und Überwachung von adjuvanten Langzeittherapien Diese interdisziplinären Probleme bedürfen einer Zusammenarbeit von Allgemeinärzten, Ärzten der jeweiligen Fachgebiete, Vertretern der psychosozialen Berufe sowie Berufsgruppen anderer Spezialgebiete. Organisationsformen der Kooperation sind: interdisziplinäre Tumorkonferenzen gemeinsame Tumorsprechstunden zweier oder mehrerer Fachdisziplinen Informationsaustausch durch Kommunikation auf der Basis von Telefonaten, Arztbriefen oder Systemen der elektronischen Datenverarbeitung und Telekommunikation - Fortschritt und Sicherung flächendeckender Tumortherapie und Nachsorge lassen sich nur über eine gute Kooperation von Klinik- und Praxisärzten erreichen. Diese ständige Zusammenarbeit wird durch die Nachsorgeleitstellen, Zumorzentren und Onkologischen Schwerpunkte durch die Dokumentation der Tumorerkrankung und ihrer Verläufe organisatorisch unterstützt. Es dürfte selbstverständlich sein, dass Nachuntersuchungen bei bestrahlten Patienten durch den Strahlentherapeuten unbedingt erforderlich sind. In den „Empfehlungen und Stellungnahme der Strahlenschutzkommission“ (1989) heißt es eindeutig: „Strahlenanwendungen zu therapeutischen Zwecken können zu spezifischen radiogenen Nebenwirkungen führen, die nur durch dafür qualifizierte Fachärzte unter Beiziehung der entsprechenden Bestrahlungsunterlagen (individuelle Dosisverteilung u. ä.) beurteilt werden können. Dieses Wissen besitzen in der Regel nur fachkundige Ärzte aus den Bereichen Radioonkologie bzw. Nuklearmedizin.“ „Der Strahlentherapeut trägt für die von ihm durchgeführte Behandlung, in die eine sach- und fachgerechte Nachsorge unabdingbar eingeschlossen ist, die volle Verantwortung.“ Die Weiterbildungsrichtlinien der Bundesärztekammer machen die Nachsorge von Strahlentherapie-Patienten einschließlich der interdisziplinären Tumornachsorge zum Inhalt der Weiterbildung zum Strahlentherapeuten. In der „Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin“ von 1992 wird formuliert (s.(3).7.3.1): „Qualitätssicherung in der Strahlentherapie ist nur möglich, wenn die Daten aller Patienten auf ihr Behandlungsergebnis hin überprüft wurden, so dass Vergleiche möglich sind. Daher hat der für die Durchführung der Behandlung verantwortliche Arzt nach Möglichkeit die Wirkung und die Nebenwirkungen der Behandlung durch entsprechende Fachuntersuchungen festzustellen und zu dokumentieren“(...). Aus dieser Rechtslage schließt die Strahlenkommission, dass der strahlenanwendende Arzt zur Nachsorge verpflichtet ist (z. B. durch ein EDV-gestütztes Nachsorgeregister). 82 „Eine alleinige Nachsorge durch Dritte, die nicht über die notwendigen Planungsunterlagen zur Strahlentherapie und über das notwendige strahlenbiologische und strahlentherapeutische Wissen verfügen, ist nicht ausreichend.“ Spezielle Fragestellungen einer strahlentherapeutischen Nachsorge ergeben sich aus der Zielsetzung der Bestrahlung: primär - kurativ, palliativ, symptomatisch den Möglichkeiten einer erneuten Strahlentherapie bei Rezidiven und/oder Metastasen den Möglichkeiten der Prophylaxe und Behandlung von Strahlenfolgen. Akute Strahlenreaktionen beruhen auf einem Stammzellverlust in Geweben mit regelmäßiger und rascher Zellteilungsrate, z. B. Haut und Schleimhäute, Knochenmark, späte und chronische Strahlenreaktionen treten in Geweben mit geringer Proliferation nach längerer Latenzzeit auf. Akute und chronische Strahlenfolgen können unabhängig voneinander oder kombiniert auftreten. Die Unterdrückung einer akuten Reaktion verhindert nicht zwangsläufig Spätkomplikationen. Die Leitkommission “Qualitätskontrolle in der Radioonkologie” der ARO (Arbeitsgemeinschaft Radiologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft e. V.) hat Standards zur Dokumentation von Nebenwirkungen nach Organkomplexen und Symptomen formuliert: Toxizität/Grad 0 = keine, 1 = gering/leicht 2 = mäßig/deutlich 3 = stark/ausgeprägt, 4 = lebensbedrohlich. Die umfassende Klassifikation kann bei den Tumorzentren/Onkologischen Schwerpunkten oder den Strahlenkliniken abgefordert werden. 83 84 Common Toxicity Criteria (CTC): Klassifikation von akuten Nebenwirkungen (1) Laborwerte 1. Blut/Knochenmark 9 Leukozyten (x 10 /l) 9 Thrombozyten (x 10 /l) Hämoglobin (g/100 ml) 9 Granulozyten (x 10 /l) 9 Lymphozyten (x 10 /l) 2. Blutgerinnung Fibrinogen Prothrombinzeit Part.Thromboplastinzeit 3. Niere/Blase Kreatinin Proteinurie (g/l) Harnstoff (mg %) 4. Leber Bilirubin Transaminasen Alkalische Phosphatase 5. Stoffwechsel Hyperglykämie (mg/dl) Hypoglykämie (mg/dl) Amylase Sonstige (in mmol/l): Hyperkalzämie Hypokalzämie Hypomagnesämie Hyponatriämie Hypokaliämie Toxizität / Grad N - 2,5 x N N - 2,5 x N 116 - 160 55 - 64 N - 1,5 x N 2,65 - 2,87 2,10 - 1,95 1,40 - 1,20 131 - 135 3,10 - 3,50 normal normal normal < 116 > 64 normal < 2,65 > 2,10 > 1,40 > 135 > 3,50 N - 1,5 x N 1,5 x N - 3,0 x N <3 3 - 10 < 30 oder: < 11 mmol/l 31 - 50 oder: 11 - 18 mmol/l normal keine <20/7,5 2,88 - 3,12 1,94 - 1,75 1,10 - 0,90 126 - 130 2,60 - 3,00 161 - 250 40 - 54 1,5 x N - 2,0 x N N - 1,5 x N 2,6 x N - 5,0 x N 2,6 x N - 5,0 x N 0,75 x N - 0,50 x N 1,26 x N - 1,50 x N 1,67 x N - 2,33 x N normal - 0,75 x N > 1,00 x N - 1,25 x N > 1,00 x N - 1,66 x N - 2,0 - 50,0 - 8,0 - 1,0 - 1,0 normal normal normal < 3,0 < 75,0 < 10,0 < 1,5 < 1,5 2 = “mäßig”/”deutlich” < 4,0 - 3,0 normal - 75,0 normal - 10,0 < 2,0 - 1,5 < 2,0 - 1,5 1 = “gering”/”leicht” > 4,0 >100,0 > 11,0 > 2,0 > 2,0 0 3,13 - 3,37 1,74 - 1,51 0,80 - 0,60 121 - 125 2,10 - 2,50 251 - 500 30 - 39 2,1 x N - 5,0 x N 1,5 x N - 3,0 x N 5,1 x N - 20,0 x N 5,1 x N - 20,0 x N 3,1 x N - 6,0 x N > 10 > 50 oder 18 mmol/l 0,49 x N - 0,25 x N 1,51 x N - 2,00 x N 2,34 x N - 3,00 x N < 2,0 - 1,0 < 50,0 - 25,0 < 8,0 - 6,5 < 1,0 - 0,5 < 1,0 - 0,5 3 = “stark”/”ausgeprägt” > 3,37 < 1,50 < 0,50 < 120 < 2,00 > 500 /Ketoazidose < 30/hypoglykäm. Schock > 5,1 x N > 3,0 x N > 20,0 x N > 20,0 x N > 6,0 x N Nephrotisches Syndrom -- < 0,24 x N > 2,00 x N > 3,00 x N < 1,0 < 25,0 < 6,5 < 0,5 < 0,5 4 = “lebensbedrohlich” Zusammenstellung von M.H. Seegenschmiedt, W. Haase, K. Schnabel, R.-R. Müller / Arbeitsgruppe “Qualitätssicherung in der Radioonkologie” (Stand: Juli 1995) modifiziert nach den Empfehlungen der Phase I/II Studiengruppe der AIO () und ARO () in der Deutschen Krebsgesellschaft 85 keine normal 7. Darmobstruktion 8. Intestinale Fistel 9. Obstipation 10. Schleimhäute/ Mukositis (RTOG) 11. Speicheldrüsen (RTOG) Herz/Kreislauf 1. Arrhythmie 2. Funktion (3) normal normal normal keine keine keine keine 6. Gastritis/Ulkus keine 4. Stomatitis keine keine 3. Diarrhoe 5. Ösophagitis Dysphagie kein 2. Erbrechen 0 keine Toxizität / Grad Gastro-Intestinaltrakt 1. Übelkeit (2) wiederkehrend oder persistierend, keine Therapie mäßige Mundtrockenheit, sehr zäher Speichel, mäßige Geschmacksstörung, feste/breiige Nahrung schmerzhafte fleckige Mukositis, blutige Beläge, milde Analgetika persistierend und therapiebedürftig Konservative Therapie nötig ausgeprägte Obstipation; Subileus konfluierende fibrinöse Mukositis, starke Schmerzen; starke Analgetika komplette Mundtrockenheit, kompletter Geschmacksverlust, flüssige Nahrung Stark vermehrt (7-9 Stühle/ Tag) oder Inkontinenz oder schwere Krämpfe Stark schmerzhaftes Erythem, Ödem oder Ulzera; flüssige Nahrung Starke Dysphagie; Ulzera; flüssige Nahrung oder Analgetika nötig Stark; therapierefraktär, Operation nötig Konservative Therapie nötig Abfall der linksventrikulären Abfall der linksventrikulären geringe kongestive HerzinEjektionsfraktion um < 20 % Ejektionsfraktion um > 20 % suffizienz, auf Therapie an- flüchtig, keine Therapie geringe Mundtrockenheit, zäher Speichel, Geschmacksstörung: normale Kostform geringes Erythem, Beläge oder geringe Schmerzen 3 = stark”/”ausgeprägt” mäßig , Nahrungsaufnahme Stark, keine vermindert Nahrungsaufnahme möglich mäßig (2 - 5 x/Tag) Stark (6 - 10 x/Tag) 2 = “mäßig”/”deutlich” mäßig vermehrt (4-6 Stühle/ Tag) oder nächtl. Stühle oder mäßige Krämpfe geringes Wundsein, mäßig schmerzhaftes EryErythem oder schmerzlose them, Ödem oder ErosioErosionen nen; feste/breiige Nahrung geringes Wundsein, schmerzhafte Erytheme, Erythem. oder Schmerzlose Ödem oder Erosionen, Erosionen mäßige Dysphagie gering, mit Antazida mäßig; forcierte Therapie gebessert nötig intermittierend, keine Therapie vorhanden, keine Therapie geringe Obstipation mäßige Obstipation gering vermehrt (2 - 3 Stühle/Tag) gering ( 1 x/Tag) gering, normale Nahrungsaufnahme 1 = “gering”/”leicht” ventrikuläre Tachykardie oder Fibrillation oder Monitoring massive, therapierefraktäre kongestive Herzinsuffizienz Akute Nekrose, tiefe Ulzera, PEG/parenterale Ernährung tiefe Ulzera, Hämorrhagie; PEG/parenterale Ernährung operative Therapie nötig kompletter Ileus operative Therapie nötig Perforation oder Blutung keine orale Nahrungsaufnahme; PEG/parenterale Ernährung Verschluß oder Perforation; PEG/parenterale Ernährung bedrohlich (> 10 x/Tag), oder PEG/parenterale Ernährung > 10 Stühle/Tag oder blutige Diarrhoe - 4 = “lebensbedrohlich” 86 2. Blutgase (in mmHg) 3. Lungenfunktion ( Lufu) 4. Pneumonitis 5. Lungenfibrose 6. Lungenödem 7. Pleuraerguß 8. Husten kein kein kein 2 = “mäßig”/”deutlich” Vorhanden gering: leichte Antitussiva geringe radiologische Zeichen Asymptomatisch; geringe radiologische Zeichen mäßig: starke Antitussiva nötig mäßige Dyspnoe oder respiratorische Insuffizienz bei starker Belastung pO2 61 - 70 oder pCO2 51 - 60 > 50 % - 75 % des Ausgangswertes geringe Symptomatik, Steroide nötig mäßige radiologische Zeichen - Asymptomatisch; unspezi- asymptomatisch; deutliche fische T-Wellen-Abflachung ST- und T-Wellen-Veränderung Æ Ischämie Asymptomatischer Erguß, Perikarditis-Symptomatik: keine Therapie Reiben, Brustschmerz, EKG-Veränderungen Kurzfristiger Anstieg: wiederholter oder persistieRR>20 (D) oder render Anstieg: RR>20 (D), RR>150/100 RR>150/100 geringe orthostatische Dys- mäßige Hypotension, Flüsregulation, keine Therapie sigkeitssubstitution oder andere Therapie oberflächliche Thrombophlebitis nur abends ganztags, keine Therapie nötig 1 = “gering”/”leicht” gering, asymptomatisch, aber pathologische Lungenfunktion pO2>85 pO2 71 - 85 oder pCO2<40 pCO2 41 - 50 normal > 75 % - 90 % des Ausgangswertes keine Asymptomatisch; keine Lunge/Kehlkopf 1. Dyspnoe/ARDS keine Akut Respirat. Insuff. keine (4) keine 7. Hypotonie keine keine 6. Hypertonie (D = diastol. Druck) 8. Phlebitis/ Thrombose 9. Ödeme normal 4. Perikard keine 0 3. Ischämie Toxizität / Grad starke Dyspnoe oder respiratorische Insuffizienz bei normaler Belastung pO2 51 - 60 oder pCO2 61 - 70 > 25 % - 50 % des Ausgangswertes starke Symptomatik, Sauerstoff nötig ausgeprägte radiologische Zeichen stark symptomatisch, ausgeprägte radiologische Zeichen; Diuretika nötig stark; nicht kontrollierbarer Husten ganztags, Therapie nötig geringe Symptomatik; Angina pectoris ohne Infarktzeichen symptomatischer PerikardErguß; Drainage bzw. spezifische Therapie starker oder persistierender Anstieg: antihypertensive Therapie stationäre Therapie nötig, damit Normalisierung innerhalb 48 Stunden tiefe Phlebothrombose 3 = stark”/”ausgeprägt” sprechend - lebensbedrohlich; rasche Intubation nötig - lebensbedrohliche Ruhedyspnoe oder respiratorische Insuffizienz pO2 < 50 oder pCO2 > 70 < 25 % des Ausgangswertes assistierte Beatmung nötig stationäre Therapie, aber nicht nach 48 Stunden normalisiert venöser Infarkt, Lungenembolie generalisierte Anasarka ausgeprägte Symptomatik: Tamponade; Drainage sofort nötig hypertensive Krise ausgeprägte Symptomatik; Akuter Herzinfarkt 4 = “lebensbedrohlich” 87 normal normal klar, wach 4. Harnverhalt 5. Harndrang 6. Blasenkrämpfe 7. Ureterobstruktion 8. Fistelbildung Nervensystem 1. Sensorium 2. Motorik 3. Bewußtsein (6) keine keine keine normal kein keine geringe, subjektive Schwäche, keine Funktionseinbußen geringe Somnolenz oder agitierte Stimmungslage Mäßige, objektive Schwäche ohne signifikante Funktionseinbußen Mäßige Somnolenz oder Agitierte Stimmungslage Verlust tiefer Sehnenreflexe objektivierbare sensible geringe Parästhesien Störungen, mäßiggradige Parästhesien mäßige Schmerzen oder Brennen; durch Medikamente kontrollierbar Makrohämaturie, keine Gerinnsel spontan, Kontrolle möglich permanent Heiserkeit, Reizhusten, Hals-, Mund- und Ohrenschmerzen, fibrinöses Exsudat, mäßiges Stimmbandödem; leichte Antitussiva 2 = “mäßig”/”deutlich” Intubation oder Tracheostomie massive Dyspnoe, Stridor oder Hämoptysen; 4 = “lebensbedrohlich” ausgeprägte objektiv sensible Störungen o. Parästhesen/Funktionseinbuße n ausgeprägte objektive Schwäche mit schweren Funktionseinbußen starke Somnolenz oder Agitiertheit, Halluzinationen oder Desorientierung Koma, Anfälle oder toxische Psychose Paralyse - - komplett bilaterale Obstruktion - - - Makrohämaturie mit Gerinn- Transfusionsbedürftige Bluseln; Blasenspülung nötig tung oder Zystektomie nötig unkontrolliert - “Flüstersprache”, starke Schmerzen, konfluierend fibrinöses Exsudat, ausgeprägtes Stimmbandödem; starke Analgetika und Antitussiva 3 = stark”/”ausgeprägt” starke Schmerzen oder Brennen, durch Medikamente nicht mehr kontrollierbar Restharn > 100 cm³ Katheter immer zur Entlee- Operation (TUR, Dilatation) kurzfristig Katheter nötig rung nötig nötig vermehrt: < 2 x Ausgangs- mäßig vermehrt: > 2 x Aus- stark vermehrt: > 1 x/Stunwert; oder nächtlicher Harn- gangswert; oder auch < 1 x/ de; oder Katheterisierung drang Stunde nötig vorhanden unilateral, keine Therapie bilateral, keine Therapie inkomplett bilateral, Operanötig tion (Shunt, Harnleiterschiene, Nephrotomie) nötig vorhanden Streßinkontinenz (z. B. Niesen) geringer Schmerz oder Brennen: keine Therapie keine 3. Dysurie Mikrohämaturie geringe oder intermittierende Heiserkeit, Reizhusten: geringes Schleimhauterythem, keine Therapie 1 = “gering”/”leicht” keine Niere/Blase 1. Hämaturie und Hämorrhag. Zystitis 2. Inkontinenz (5) normal 0 9. Kehlkopf (RTOG) Toxizität / Grad 88 Sinnesorgane 1. Ohr/Hörvermögen (7) normal keine nein normal normal 3. “Trockenes Auge” 4. Glaukom 5. Zunge/Geschmack 6. Nase/Geruch nein Konjunktivitis/ Keratitis (RTOG) 2. Auge/Sehvermögen normal Otitis (RTOG) 9. Schlafstörungen 8. Schwindel/Vertigo keine 7. Verhaltensänderung keine keine 6. Kopfschmerzen normal 5. Gemütslage 0 normal Toxizität / Grad 4. Koordination 2 = “mäßig”/”deutlich” gering verändert, z. B. metallisch gering verändert geringe Konjunktivitis mit oder ohne Sklerainjektion; starkes “Augentränen”; keine Therapie - gering vermindert asymptomatisch, Hörverlust nur audiometrisch faßbar geringes Erythem, Otitis externa; Pruritus 3 = stark”/”ausgeprägt” Deutlich verändert - 4 = “lebensbedrohlich” psychotisches Verhalten - suizidale Absichten zerebelläre Nekrose - - Enukleation nötig uni- oder bilaterale Erblindung - - nicht korrigierbare Ertaubung stark, unkontrollierbar, arbeitsunfähig Schlafstörung trotz Medika- menten starke Angstzustände oder Depression sehr starke und langfristig anhaltende Gefährdung für sich oder andere ausgeprägte lokomotorische Ataxie starke Symptomatik: Hörverlust mit Funktionseinbuße, Hörgerät nötig starke sero-sanguinöse Otitis externa et media; intensive Therapie nötig stark vermindert; subtotaler Sehverlust Mäßige Konjunktivitis mit starke Keratitis mit Korneaoder ohne Keratitis, Iritis mit Ulzeration, objektiver VisusPhotophobie; Steroide oder verlust; akutes Glaukom, Antibiotika Panophthalmitis Artifizielle Tränenflüssigkeit nötig ja, vorhanden Deutlich verändert - Tinnitus; mäßige Symptomatik: geringe Hypakusis bei Audiometrie Mäßige (seröse) Otitis externa et media; lokale Therapie Mäßig vermindert Mäßige Dysmetrie, Intentionstremor, undeutliche Sprache oder Nystagmus geringe Angst/Depression Mäßige Angstzustände/ Depression geringe, kurzfristig Mäßige bis starke, intermittierend Änderung ohne negative Negativer Einfluß auf sich Konsequenzen für sich oder oder auf die Familie oder Familie die Umwelt gering, kontrollierbar Mäßig, schwer kontrollierbar gering, selten Medikamente Mäßig, häufig Medikamente 1 = “gering”/”leicht” geringe Dyskoordination oder Dysdiadochokinese 89 normal keine keine 3. Epidermis systemisch 4. Alopezie 5. Allergie 4. Myalgie/Arthralgie keine kein keine 2. Infektion 3. Schüttelfrost normal Fieber/Infektion 1. Körpertemperatur (axillär) (10) normal 2. Haut/Unterhaut lokal (RTOG) geringe Schmerzen und Schwellung normal Ausgeprägt Mäßig gestört Deutliche und schmerzhafte Mäßiggradig > 1 x/Tag 2 = “mäßig”/”deutlich” gering, keine Beeinträchtigung gering, nicht therapiebedürftig gering oder kurzfristig 37,1 - 38,0°C Mäßig, orale Antibiotika nötig Ausgeprägt und langanhaltend Mäßig, Bewegungsbeeinträchtigung 38,1 - 40,0°C Mäßig, fleckig, deutlich erkennbar intermittierend Schüttelfrost Urtikaria, Schüttelfrost, Fieund Temperaturen < 38,0°C ber von > 38,0°C, leichter Bronchospasmus minimal, nicht auffallend Mäßige Schmerzen und Schwellung mit Inflammation oder Phlebitis geringes Erythem, Mäßiges Erythem, vereinEpilation, trockene zelt feuchte Epitheliolyse Desquamation, reduzierte (> 50 %), mäßiges Ödem; Schweißsekre-tion lokale Therapie asymptomatische, locker Dicht gestreute makuläre, gestreute makuläre, papulö- papulöse Effloreszenzen, se Effloreszenzen mäßiges Erythem, Pruritus oder assoziierte Symptome gering gering herabgesetzt ja gering gering, oder < 1 x /Tag 1 = “gering”/”leicht” kein 5. Cushing-Syndrom Haut/Allergie 1. Lokal, z. B. nach Injektionen normal keine keine keine 0 (9) Toxizität / Grad Endokines System 1. Libido 2. Amenorrhoe 3. Gynäkomastie 4. Hitzewallungen (8) arbeitsunfähig stark, i. v. Antibiotika/Antimykotika - > 40°C für < 24 Stunden Serumkrankheit, Bronchospasmus, parenterale Medikation ausgeprägtes Erythem, konfluierende feuchte Epitheliolye (> 50 %), starkes Ödem; intensive Therapie generalisierte makuläre, papulöse oder vesikuläre Effloreszenzen, starker Pruritus oder assoziierte Symptome komplett, jedoch reversibel starke Schmerzen und Schwellung, Ulzerationen stark gestört stark oder häufig, sehr beeinträchtigend - 3 = stark”/”ausgeprägt” - - > 40°C für > 24 Stunden oder verbunden mit Hypotension lebensbedrohliche Sepsis Anaphylaxie komplett, irreversibel generalisierte exfoliative oder ulzerierende Dermatitis tiefe Ulzera, Hämorrhagie oder Nekrose; operative Therapie plastisch chirurgische Maßnahmen nötig - - 4 = “lebensbedrohlich” 90 Weitere Befunde bei klinischer Relevanz 1 = “gering”/”leicht” normal “gering”/”leicht” normal: voll ambulant, noch zu 90-100% leichter Arbeit fähig: 70 - 80 % 5 - < 10 % 5 - < 10 % gering; keine Transfusion gering vermindert gering und gelegentlich 2 = “mäßig”/”deutlich” “mäßig”/”deutlich” Tags > 50 % ambulant, meist Selbstversorgung, arbeitsunfähig: 50 - 60 % Kurzfristig (> 1 Woche) vermindert 10 - < 20 % 10 - < 20 % Mäßig: 1 - 2 Transfusionen/ Episode Häufig und naßgeschwitzt 3 = stark”/”ausgeprägt” 4 = “lebensbedrohlich” massiv: > 4 Transfusionen/ Episode völlige Appetitlosigkeit - “stark”/”ausgeprägt” “lebensbedrohlich” tags > 50 % bettlägerig, be- ständig bettlägerig und voll grenzte Selbstversorgung, auf fremde Hilfe angewiepflegebedürftig: 30 - 40 % sen: < 30 % langfristig (> 1 Woche) vermindert > 20 % > 20 % stark: 3 - 4 Transfusionen/ Episode - Priv. Doz. Dr. med. Karin Koch Chefärztin der Klinik für Strahlentherapie Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam Redaktionelle Bearbeitung: (Druck und Verteilung der modifizierten CTC-Checkliste mit freundlicher Unterstützung der Firma AMGEN, München) Basierend auf den CTC Kriterien (NCI, 1988) und einer Modifikation der EORTC (1992) wurde von der Phase I II-Studiengruppe der AIO eine verbesserte deutsche CTC-Toxizitätstabelle erstellt. Für Radiotherapeuten wurden einige nichtberücksichtigte Organ(systeme) nach den RTOG Kriterien für “Akute Nebenwirkungen” eingearbeitet. Der Allgemeinzustand wird nach AJCC/ECOG eingeteilt. Die Organkomplexe können summarisch (Hauptkriterien 1 - 12) oder im Detail (Subkriterien) erfaßt werden. Mit der vorliegenden Systematik können besonders die “akuten Nebenwirkungen” (< 90 Tagen nach Therapie) während und nach Radiotherapie und Radiochemotherapie erfaßt werden. Eine Basisuntersuchung vor Therapiebeginn ist dringend empfohlen. Allgemeinzustand AJCC-/ECOG-Skala; Karnofsky Index <5% <5% keine 2. Gewichtszunahme 3. Gewichtsabnahme 4. Blutung (klinisch) 0 normal normal (12) (11) Toxizität / Grad 5. Schweißausbruch Âllgemeinsymptome 1. Appetit 17. Tumorschmerztherapie 17.1 Einleitung Im Verlauf der Krebserkrankung und der Therapie treten bei vielen Patienten Schmerzen auf. Diese Schmerzen können mit Zunahme von Intensität, Dauer und Ausbreitung das Leben des Patienten beherrschen und sein größtes Problem werden. Begleitsymptome, wie Übelkeit, Erbrechen, Singultus, Obstipation, Diarrhoe, Dyspnoe oder Husten, können den Leidensdruck des Patienten und seiner Angehörigen zusätzlich steigern. Verstümmelnde chirurgische Eingriffe (z.B. Mamma-Amputation, Anus praeter) ebenso wie körperliche Schwäche und Immobilität sowie Angst und soziale Isolation können die Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigen. Die symptomatische Therapie darf sich aus diesem Grund nicht allein auf den Tumorschmerz beschränken, sondern sollte umfassend und ganzheitlich sein, um eine Verbesserung der Lebensqualität der onkologischen Patienten zu gewährleisten. 17.2 Schmerzarten und -ursachen Die Kenntnis über Schmerzursache und Schmerzart ist Voraussetzung für eine adäquate und erfolgreiche Therapie. Auch bei den Tumorpatienten werden akute und chronische Schmerzen unterschieden. Der akute Schmerz zeigt ein zeitlich begrenztes Anfallmuster und hat den Charakter einer Schutzfunktion. Er geht meist mit einer Hyperaktivität des vegetativen Nervensystems sowie subjektiven und objektiven Zeichen und Verhaltensweisen einher, die die Schmerzangaben des Patienten begleiten und damit den Arzt bei der Feststellung der Schmerzursache unterstützen. So kann der akute Schmerz das zur Diagnose “Krebs” führende Hauptsymptom sein. Seine Therapie ist in der Regel unproblematisch. Das Therapieziel ist rasche Linderung mit ggf. Sedierung. Die Dosierung erfolgt nach Standard und nach Bedarf. Die parenterale Applikation ist geeignet. Eine Zusatztherapie ist selten erforderlich. Der chronische Schmerz ist eine Folge bleibender pathoanatomischer und pathophysiologischer Veränderungen. Langfristig kommt es zu physischen, psychischen und psychosozialen Reaktionen und Anpassungen - der Schmerz wird zur Schmerzkrankheit, zum chronischen Leiden. Die Therapie des chronischen Schmerzes ist langwierig, wobei die Therapie des Tumorschmerzes eher zum Erfolg führt, als diejenige mancher chronischer Schmerzen anderer Genese. Das Therapieziel ist die Vermeidung der Schmerzen bei konstanter Wirkung der Medikamente unter der oralen Applikation. Eine Sedierung ist unerwünscht. Die Dosis muss individuell und nach einem Zeitplan festgelegt werden. Eine Zusatztherapie ist häufig erforderlich. Im Gegensatz zu manchen chronischen Schmerzen benigner Genese, die z. B. nach einem Bagatelltrauma entstanden sind und bestehen bleiben, selbst wenn die Verletzung längst ausgeheilt und vergessen wurde, oder eine Ursache nicht mehr erkennbar ist, liegen bei den Tumorschmerzen stets aktuelle Ursachen vor. Die Schmerzursachen sind vielfältig, wobei tumorbedingte, tumorassoziierte, therapiebedingte sowie tumorunabhängige Schmerzen zu unterscheiden sind. Diese Differenzierung ist nötig, da manche Schmerzen nur teilweise oder überhaupt nicht auf Opioide ansprechen. Tumorbedingte Schmerzen (60 - 80 %) entstehen durch Tumorbefall (Infiltration, Kompression, Verdrängung) von Weichteilgeweben, Nerven, Viscera, Knochen. Ferner können paraneoplastische und entzündliche Prozesse, (z. B. Peritonitis, Peritoneal- oder Pleurakarzinose), Schmerzen verursachen. 91 Tumorassoziierte Schmerzen (ca. 10 %) treten als Folge des Tumorwachstums auf, wie z.B. Lymphödem, Thrombosen, myofasziale Schmerzen oder tumorbedingte Nekrosen. Therapiebedingte Schmerzen (15 - 20 %) als Folge der antineoplastischen Therapie: Postoperative Schmerzzustände nach ausgedehnten Eingriffen, wie Verwachsungen infolge von Thorax- und Bauchoperationen, Stumpf- und Phantomschmerzen nach Extremitätenamputationen. Strahlenbedingte Schmerzen, z. B. Kopfschmerzen beim sog. “Strahlenkater”, krampfartige intestinale Schmerzen nach Bestrahlung des Abdomens (Radioenteritis), neurogene Schmerzen bei Strahlenmyelopathie oder Strahlenfibrose des Plexus lumbalis oder des Plexus brachialis (z.B. nach Mamma-Bestrahlung) u.a. Chemotherapieinduzierte Schmerzen können bedingt sein durch periphere Neuropathien nach Vinca-Alkaloiden, durch aseptische Knochennekrosen als Folge einer Steroid-Therapie und durch Gewebsschädigungen nach versehentlich extravasaler Injektion entsprechender Zytostatika. Tumorunabhängige Schmerzen (bis ca. 10. %) können auch bei Tumorpatienten auftreten, beispielsweise bei degenerativen Veränderungen der Gelenke oder der Wirbelsäule. 17.3 Schmerzanalyse Zur Schmerzanalyse gehören: eine allgemeine und onkologische Befunderhebung, eine spezifische Schmerzanalyse, eine orientierende neurologische Untersuchung und die psychosoziale Exploration. Folgende Fragen müssen im Rahmen der spezifischen Schmerzanalyse dem Patienten gestellt werden: Wo tut es weh? Sind die Schmerzen fokal, multifokal, diffus, einseitig, radikulär-segmental, pseudoradikulär? Korrespondiert die Lokalisation mit dem onkologischen Befund? Es kann hilfreich sein, den Schmerz und seine Ausbreitungsrichtung vom Patienten in die Skizze eines Körperschemas einzeichnen zu lassen. Wie tut es weh? Schmerzbeschreibende Adjektive können auf den Pathomechanismus (z. B. kolikartiger, neuralgieformer Schmerz etc.) hinweisen. Häufige Begriffe sind: scharf, stechend, einschießend, brennend, dumpf, ziehend, drückend, krampfartig. Wann tut es weh? Wie ist der Tages- und Nachtverlauf? Sind die Schmerzen persistierend, intermittierend usw.? Seit wann tut es weh? Wie stark tut es weh? Eine einfache Beschreibung nach den Kategorien schwach, mittel und stark ist zu empfehlen. Eine weitere Beurteilungsmöglichkeit bieten die visuellen analogen Scalen (VAS). Sie werden als eine Linie dargestellt, deren beiden Enden die Begrenzungen der Schmerzempfindung bilden - kein Schmerz, unerträglicher Schmerz. Der Patient markiert seinen Schmerz mit einem Punkt auf der Scala. Der Schmerz kann auch in Prozent oder Zahlen mit Hilfe der numerischen analogen Skalen (NAS) angegeben werden. Die Veränderung der Intensität im Zeitverlauf ist ebenfalls ein wichtiger Hinweis vom Patienten. Gegebenenfalls sollte der Patient angehalten werden, etwas über Intensität und Zeitstruktur seiner Schmerzempfindung schriftlich festzuhalten. Hilfreich kann hierbei das Führen eines Schmerzkalenders durch den Patienten sein. Wodurch ändert sich der Schmerz? Beeinflussen Ruhe bzw. Bewegung, körperliche Belastung, Körperlage und bisher durchgeführte Behandlungen, z.B. schmerztherapeutische Maßnahmen, den Schmerz? 92 Welche weiteren Beeinträchtigungen beklagt der Patient? Bestehen neben dem Schmerz andere Symptome, z.B. Beeinträchtigungen der Vigilanz, Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, vegetative Störungen, wie Übelkeit, Erbrechen, Inkontinenz, Obstipation, Schlafstörungen usw.? Diese sind als Folge der Grundkrankheit bzw. als Therapiefolge zu differenzieren. Die therapeutische Strategie muss sowohl auf die unmittelbare Schmerzlinderung als auch auf die kontinuierliche Betreuung des Patienten bis zu seinem Tode ausgerichtet sein. Oft wird eine Kombination verschiedener Schmerztherapiemethoden erforderlich. 17.4 Therapiemethoden bei Tumorschmerzen Die Therapiemethoden bei Tumorschmerzen sind vielfältig. Antineoplastische Verfahren wie Operationen, Strahlen-, Chemo- und Hormontherapie haben hierbei stets Priorität. Die systemische analgetische Pharmakotherapie ist der Schwerpunkt der symptomatischen Tumorschmerztherapie. Ferner gehören verschiedene Formen der lokalen Pharmakotherapie (z.B. Nervenblockaden, rückenmarksnahe Applikationen von Opioiden, Lokalanästhetika u.a.), neurochirurgische Verfahren, Reflextherapiemethoden (TENS, Neuraltherapie u.a.) sowie die psychosoziale Betreuung der Patienten ebenso hierzu. 17.5 Defizite in der Schmerztherapie und deren Ursachen Trotz dieser Vielfalt therapeutischer Möglichkeiten bestehen deutliche Defizite in der Therapie und Betreuung onkologischer Schmerzpatienten. Eine Reihe von erschwerenden Faktoren sind vor allem bei der systemischen Pharmakotherapie als Ursache anzuführen: - Vorurteile gegen die Opioide, - Unkenntnis der Verbesserungen der BtMVV, - Missachtung und Unkenntnis der Pharmakokinetik, - Compliance-Probleme bei Patienten und Ärzten, - Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Risiken der Pharmaka. Die Vorurteile gegen die Opioide wirken sich besonders nachteilig auf die Therapie aus. Sie finden Ausdruck in: - Misskreditierung dieser Analgetika als Rauschgifte, Suchtmittel, Betäubungsmittel - Angst vor der Sucht - Angst vor Nebenwirkungen und Risiken - Angst vor Missbrauch - Angst vor strafrechtlichen Folgen bei Verschreibungsfehlern Die Ängste vor Sucht und Missbrauch sind unbegründet, wenn Retardpräparate oral verordnet werden. Bei der Opioid-Langzeittherapie muss in der Regel mit einer physischen Abhängigkeit (keine psychische) gerechnet werden, daher darf die Therapie nicht abrupt abgesetzt, sondern muss allmählich ausgeleitet werden, um eine Entzugssymptomatik zu vermeiden. 17.6 Systemische analgetische Pharmakotherapie Die systemische analgetische Pharmakotherapie kommt bei fast jedem onkologischen Schmerzpatienten zur Anwendung. Sie kann den kausalen antineoplastischen Therapiemethoden vorausgehen, sie begleiten oder anschließend eingesetzt werden. 93 17.6.1 Grundsätze der systemischen analgetischen Pharmakotherapie Folgende Grundsätze müssen bei der Anwendung der systemischen analgetischen Pharmakotherapie beachtet werden: - Berücksichtigung der vorausgegangenen medikamentösen Therapie - Die orale, ggf. auch rectale Applikation ist Methode der Wahl. Sie ist einfach in der Anwendung und gewährleistet eine weitgehende physische und psychische Unabhängigkeit des Patienten vom Pflegepersonal, hat geringere Nebenwirkungen und ein verringertes Abhängigkeitspotential infolge geringer Anstiegsgeschwindigkeiten der Plasmakonzentration. Parenterale Gaben sind nur in Ausnahmefällen sinnvoll, wenn eine orale Applikation nicht möglich ist. Die transkutane Opioidapplikation (Opioidpflaster) kann vor allem bei Patienten mit Schluckstörungen, Unverträglichkeit oder unregelmäßiger Einnahme auf Grund von Vergesslichkeit eingesetzt werden. Sie stellt insgesamt eine interessante Alternative zur oralen Opioidapplikation dar. - Monosubstanzen als Retardpräparate in ausreichend hoher Dosierung individuell verordnen. Nur auf diese Weise sind die notwendigen Einzeldosen problemlos zu erreichen, vermehrte Nebenwirkungen werden vermieden und die Compliance der Patienten verbessert. Kombinationspräparate mit mehreren Nichtopioid-Analgetika vermeiden. Damit ist nur eine geringe Wirkungssteigerung bei vermehrten Nebenwirkungen zu erwarten. Die Kombination verschiedener starker Opioide ist zu vermeiden, die Kombination schwacher mit starken Opioiden - nicht sinnvoll. - Eine kontrollierte Anpassung hilft Nebenwirkungen zu vermeiden. - Angemessene Applikationsintervalle, die die Halbwertszeit der Analgetika berücksichtigen. Sie ermöglichen eine kontinuierliche Analgesie im Sinne der Schmerzprophylaxe. - Die Verordnung nach einem Zeitschema, entsprechend den Halbwertszeiten und der klinischen Wirksamkeit und nicht nach Bedarf, ist unbedingt bei chronischen Schmerzen anzustreben. - Auswahl der Analgetika und Adjuvantien unter Berücksichtigung der Schmerzursachen - Eine Beschränkung auf zwei bis höchstens drei Arzneimittel je Gruppe ist sinnvoll und empfehlenswert, um bei der Vielfalt der Medikamente mit ihren Besonderheiten und möglichen Interaktionen den Überblick zu behalten. - Schmerzdokumentation (ggf. mit Schmerzkalender), aus der die Erfahrungen des Patienten und seine subjektive Bewertung zur Optimierung der Therapie und zum Therapieerfolg verhelfen. Dosierung, Wirksamkeit und unerwünschte Wirkungen müssen dokumentiert werden. 17.6.2 Dreistufen-Therapie Die “Dreistufen-Therapie” nach WHO ist eine weltweit in Feldstudien erprobte Anwendungsart der systemischen Pharmakotherapie, mit der über 90 % der Schmerzpatienten ausreichend behandelt werden können. 17.6.2.1 Nichtopioid-Analgetika (1. Stufe) In der 1. Stufe werden leichte bis mäßige Schmerzen mit Nichtopioid-Analgetika behandelt, die mit oder ohne Adjuvantien verordnet werden. Zu diesen Analgetika gehören die NSAR (saure Analgetika), wie die COX 1- und COX 2-Hemmer sowie die selektiven COX 2-Hemmer und nicht saure Analgetika wie Metamizol und Paracetamol. 94 COX 1- und COX 2-Hemmer: Diclofenac (Voltaren® oder Generika) 1 Tbl./Drg. = 25/50 mg 1Retard-Tbl. = 100 mg 1Supp. = 12,5/25/50/100 mg 50 - 100 mg nichtretardiert 4 - 6 x tgl. 100 mg retardiert 2 - 3 x tgl. Diclofenac gehört zu den sauren Nichtopioid-Analgetika. Es ist besonders wirksam bei Tumorschmerzen, die durch Knochen- und Weichteilinfiltrationen oder entzündliche Komponenten bedingt sind. Wichtige Nebenwirkungen: Magen-Darm-Störungen und -Blutungen Weitere COX 1- und COX 2-Hemmer: Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Naproxen, Piroxicam und Dexibuprofen. Das Dexibuprofen stellt das analgetisch wirksame Enantiomer des Racemat Ibuprofen dar und hat eine höhere analgetische Potenz bei geringeren Nebenwirkungen. Selektive COX 2-Hemmer: Zu dieser Analgetikagruppe gehören Celecoxib, Rofecoxib und Waldecoxib. Celecoxib (Celebrex®) 1 Kps. 200 mg = 100/200 mg 2 x tgl. Rofecoxib (VIOXX®) 1 Tbl. 25 mg = 12,5/25 mg 2 x tgl. Valdecoxib (Bextra®) 1 Tbl. 20 mg = 10/20/40 mg 2 x tgl. Die selektiven COX 2-Hemmer haben Vorteile wie: - keine Beeinflussung der Gerinnung - Magenprotektion - Darmprotektion. Sie sind bei Risiko-Patienten indiziert. Nichtsaure Analgetika: Metamizol (Novalgin® oder Generika): Novaminsulfon-ratiopharm®: 30 Tr. = 500 mg 18 Tr. = 1 ml = 500 mg 1 Kps = 500 mg 1 Supp. = 1000 mg 500 - 1000 mg 5 - 6 x tgl. Metamizol ist ein potentes nichtsaures Analgetikum, insbesondere bei viszeralen Schmerzen. Gute analgetische Potenz, gute Verträglichkeit. Wichtige Nebenwirkungen: Schwitzen, selten allergische Hautreaktionen, äußerst selten Agranulozytose. Weitere nichtsaure Analgetika: z.B. Paracetamol Die Nichtopioid-Analgetika zeigen im Gegensatz zu den meisten Opioiden einen Ceiling-Effekt hinsichtlich der analgetischen Wirkung, d. h. bei Steigerung der Dosis über eine bestimmte (maximale) Dosis hinaus tritt kein stärkerer analgetischer Effekt auf. Die Nebenwirkungen können jedoch zunehmen. Das s.g. “Analgetika-Syndrom” (Nieren-, Knochenmark- und Leberschädigung) kann in seltenen Fällen bei chronischer Anwendung von Nichtopioid-Analgetika über mehr als ein Jahr auftreten. Um eine solche Komplikation zu vermeiden, muss nicht nur das Nichtopioid-Analgetikum, sondern auch die Medikamentengruppe (sauer, nichtsauer) alle 6 - 8 Wochen gewechselt oder selektive 95 COX 2-Hemmer verordnet werden. Die Gefahr einer derartigen Komplikation ist bei den meisten Tumorpatienten eher unwahrscheinlich, da viele von ihnen eine kurze Lebenserwartung haben. Vielmehr muss auf die unmittelbaren Nebenwirkungen und Komplikationen geachtet werden, da diese das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Patienten akut und aktuell beeinträchtigen und damit relevant sind. Eine massive gastrointestinale Blutung kann hierbei eher auftreten. Daher ist nach einer längeren Anwendung bzw. bei verstärkt auftretenden Nebenwirkungen oder einem Nachlassen der analgetischen Wirkung nicht nur das Nichtopioid-Analgetikum, sondern auch die Substanzgruppe zu wechseln. 17.6.2.2 Schwache Opioide (2. Stufe) In der 2. Stufe kommen die schwachen Opioide zum Einsatz. Sie erlauben eine Steigerung der analgetischen Therapie bei mäßigen bis starken Schmerzen, insbesondere, wenn sie zusammen mit Nichtopioid-Analgetika und ggf. mit Adjuvantien verordnet werden. Zu diesen Analgetika gehören z. B. Dihydrocodein retard, Tramadol, Tilidin (+Naloxon). Sie sind nicht BtMV-pflichtig. Dihydrocodein retardiert (DHC Mundipharma ®) (1 Retard Tbl. = 60/90/120 mg) 60 - 120 mg / 2 - 3 x tgl. Steady state nach 24 Stunden, lange Wirkungsdauer. Tramadol (Tramal ®, Tramundin ®) nichtretardiert 1 Kps. = 50 mg, 1 Supp. = 100 mg 20 Tr. = 50 mg, 50 - 100 mg / 4 - 6 x tgl. Schneller Wirkungseintritt, mittlere Wirkungsdauer, die Tropfen sind besonders günstig zur Therapieeinleitung und raschen Titration der optimalen Dosis. Tramadol retardiert 100 - 200 mg/ 2 - 3 x tgl. Tramal long ® Tbl. 100/150/200 mg Tramundin ® Tbl. 100/150/200 mg, teilbar Die Tramadol Retard-Tabl. sind für die Weiterführung der Therapie vorteilhaft. T-long ® ist eine Retardierung, deren Wirkung über 24h anhält. 1 Tbl = 100/150/200 mg Ferner gibt es eine Reihe von Generika: Tilidin (+ Naloxon) (Valoron ® N) 1 Kps. = 50 mg 20 Tr. = 50 mg 50 - 100 mg / 6 x tgl. Sehr schneller Wirkungseintritt (10 min.), kurze bis mittlere Wirkungsdauer (3 - 4 h). Valoron N Retardtbl. 1 Retardtbl. = 50/100/150/200 mg 50 - 300 mg / 2 x tgl., gegf. bis zu 3 x tägl. 200 mg Gute Wirkung bei sehr langer Wirkungsdauer und geringen Nebenwirkungen. Wichtige Nebenwirkungen der schwachen Opioide: Übelkeit, Erbrechen, Obstipation Eine Atemdepression ist in der Regel nicht zu befürchten. Vorsicht mit Hochdosierung bei alten Patienten im Terminalstadium und in Kombination mit anderen zentraldepressiv wirkenden Substanzen. 17.6.2.3 Starke Opioide (3. Stufe) In der 3. Stufe ermöglichen die starken Opioide eine weitere Steigerung der Schmerztherapie und sichern den Therapieerfolg bei den meisten Patienten. Die Kombination mit Nichtopioid-Analgetika und mit Adjuvantien ist oft sinnvoll und empfehlenswert, insbesondere bei starken Schmerzen, die nur partiell auf Opioide ansprechen. 96 Die starken Opioide sind BtMV-pflichtig. Zu ihnen gehören z.B. Morphin, Oxycodon, Hydromorphon, Fentanyl und Buprenorphin. Die Verordnung der starken Opioide wird allein von der Schmerzintensität und nicht von der Lebenserwartung bestimmt. Morphin ist die Referenzsubstanz unter den Opioiden. Als Morphin-Lösung, nichtretardierte Tabletten oder Suppositorien hat es einen schnellen Wirkungseintritt. Daher sind diese Zubereitungen besonders geeignet, um die analgetische Therapie einzuleiten oder als zusätzliche Medikation Schmerzspitzen zu eliminieren. Die Morphindosis ist so lange zu titrieren, bis eine ausreichende Schmerzlinderung bzw. -freiheit erzielt wird. Die Wirkungsdauer beträgt etwa 4 Stunden. Morphin-Lösung (0,1 % - 4 %) initial 5 - 10 mg, 6 x tgl. schneller Wirkungseintritt Mögliche Dosierungsstufen: 5-10-20-30-40-60-80-120 mg/4 h Morphin-Tabletten (Sevredol ® ) (1 nichtretardierte Tbl. = 10/20 mg) schneller Wirkungseintritt, kurze Wirkungsdauer (4 h) mögliche Dosierungsstufen: s. Morphin-Lösung Morphin-Supp. (MSR 10/20/30 Mundipharma.®) 10 - 30 mg / 5 - 6 x tgl. Die Zäpfchen sind eine Alternative zu den Sevredol®-Tabletten. Morphin-Retardtabletten haben entsprechend einen langsamen Wirkungseintritt und eine lange Wirkungsdauer. Bei Neueinstellung ist ein steady state erst nach 24 Stunden zu erreichen. Deshalb sind die Morphin-Retardtabletten nach erfolgter Morphineinstellung für die Weiterführung einer Langzeittherapie zu empfehlen. Eine Morphin-Neueinstellung und -titration kann auch mit den Retardpräparaten erfolgen. Morphin retard (MST 10/30/60/100/200 Mundipharma®) initial 10 - 30 mg / 2 - 3 x tgl. Die Morphindosis ist auch hierbei so lange zu titrieren, bis eine ausreichende Schmerzlinderung bzw. -freiheit erzielt ist. Mögliche Dosierungsstufen: 10-20-30-40-60-90-120 .....mg/8 - 12 h MST® 20/30/60/100/200 Retard-Granulat - (Dosierung wie bei den MSTMundipharma®) Das Granulat ist besonders günstig für Applikationen über Nahrungssonden, in der Kinderonkologie oder bei Patienten mit geringer Compliance. MST continus® 30/60/100/200 - nach Austitrierung der Tagesdosis 1 - 2 x tgl. die ermittelte Dosis Mit MST continus® besteht die Möglichkeit, die Patienten mit einer oralen Einnahme am Tag (ggf. 2 x/d) ausreichend einzustellen. Mögliche Dosierungsstufen: 30-60-90-120 ......./24 h Andere retardierte Morphinpräparate sind: Capros® 10/30/60/100 M long® 10/30/60/100 Beide Präparate stehen als Kapseln zur Verfügung, die Morphin-Pellets enthalten. Diese können aus den Kapseln entleert werden und sind sondengängig, bzw. mit der Nahrung vermischt, erhöhen sie ebenfalls die Compliance der Patienten. Inzwischen steht eine ganze Reihe von Generika zur Verfügung: Oxycodon (Oxygesic®) 1 Ratardtbl. = 10/20/40/80 mg 2 x tgl. ggf. 3 x tgl. die ermittelte Dosis 97 Das retardierte Oxycodon ist ein Morphin-Agonist, 2 x stärker als Morphin, mit geringeren Nebenwirkungen (weniger Pruritus und Halluzinationen) und ohne Ceiling-Effekt. Wirkeintritt – innerhalb 1 h, Wirkdauer – 12 h. Hydromorphon (Palladon®) 1 Ratradtbl. = 4/8/16/24 mg 2 x tgl. die ermittelte Dosis Schmerzspitzen können mit dem nichtretardierten und daher schnell wirksamen Hydromorphon eliminiert werden. Hydromorphon ist ein Morphin-Agonist, 7 x stärker als Morphin mit gleichen Nebenwirkungen aber ohne Ceiling-Effekt. Wirkeintritt – innerhalb 2 h, Wirkdauer – 12 h. Buprenorphin stellt eine Alternative zum Morphin dar und ist 25-50 x stärker als Morphin. Seine sublinguale Applikation ist besonders geeignet bei Dysphagie und Erbrechen. Es zeichnet sich durch eine lange Wirkungsdauer (6 - 8 h) aus. Ein “Ceiling”-Effekt bei Einzeldosen von mehr als 1 mg ist möglich, daher ist eine unbegrenzte Dosissteigerung nicht sinnvoll. Bei dem Ceiling-Effekt kann eine Dosissteigerung keine weitere Wirkungssteigerung bewirken. Buprenorphin ist ein Morphin-Agonist-Antagonist und sollte daher nicht unmittelbar nach einer längeren Morphintherapie verordnet werden, da es durch seine antagonistischen Eigenschaften zur Entzugssymptomatik führen kann. Buprenorphin (Temgesic® sublingual) (Temgesic® sublingual forte) initial: 1 Tbl. = 0,2 mg 1 Tbl. = 0,4 mg 0,2 - 0,4 mg / 2-3 x tgl. Transdermale Opioidapplikation Die transdermale Opioidapplikation stellt eine Alternative zu den starken Opioiden der 3. WHO-Stufe dar. Das Opioid-Pflaster kann bei Patienten eingesetzt werden, bei denen eine orale Therapie aufgrund von Stomatitis, Dysphagie, Übelkeit, Erbrechen Darmobstruktion nicht möglich ist oder aus pflegerischen Gründen günstiger erscheint. oder Fentanyl TTS (Durogesic smat® - 25 µg/h / 50 µg/h / 75 µg/h / 100 µg/h) 1 Pflaster/3 d (ermittelte Dosis) Fentanyl ist ein Morphin-Agonist, 75-100 x stärker als Morphin. Wirkeintritt – in ca. 12 h, Wirkdauer – 72 h Vorteile: kein first Pass-Effekt, kein Ceiling-Effekt, günstig bei stabilen Dauerschmerzen, Durogesic smat® ist im Unterschied zu seinem Vorgänger als Matrix-Pflaster teilbar Nachteile: feuchte Haut, bei Anstieg der Körpertemperatur Überdosierungsgefahr nur Fremdsubstitution möglich Buprenorphin-Pfl. (Transtec® - 35 µg/h / 52,5 µg/h / 70 µg/h) 1 Pflaster/3 d (ermittelte Dosis) Wirkeintritt – in ca. 12 h, Wirkdauer – 72 h Vorteile: wie bei Fentanylpflaster als Polymer-Matrix-Pflaster teilbar eigene Substitution Nachteile: wie bei Fentanylpflaster Hautreizung Die Therapieeinstellung muss von in der Tumorschmerztherapie erfahrenen Ärzten erfolgen. Bei der Umstellung nach Therapie mit anderen Opioiden müssen Äquipotenztabellen beachtet werden. Fieber bzw. heiße Vollbäder können zu einer verstärkten Aufnahme des Fentanyls und dadurch zu einer Überdosierung führen. 98 Wichtige Nebenwirkungen der starken Opioide: Obstipation, Übelkeit, Erbrechen, Sedation. Eine Atemdepression kann auftreten, wenn starke Opioide hoch dosiert mit anderen zentralwirkenden Substanzen (Neuroleptika, Hypnotika, Sedativa) bei stark geschwächten oder moribunden Patienten kombiniert verschrieben werden. 17.6.2.4 Adjuvantien Adjuvantien können in jeder Therapiestufe verordnet werden. Das Ziel ihrer Anwendung ist es, die analgetische Wirksamkeit der Therapie bei niedriger Dosierung zu steigern sowie spezifische Schmerzen und Begleitsymptome zu behandeln. Antidepressiva - Im Rahmen der Schmerztherapie wirken sie schmerzlindernd, stimmungsaufhellend und schwach anxiolytisch. Ihre Anwendung ist besonders sinnvoll bei Neuralgien und neuropathischen Schmerzen mit Dysästhesien. Amitriptylin retard (Saroten® ret. o. Generika) 1 Retard-Tbl. = 25/75 mg initial 25 mg/d; 25 - 75 mg/tgl. Sedierendes Antidepressivum, abendliche Gabe daher günstig. Clomipramin (Anafranil®) 1 Tbl. = 10/25 mg; 1 Retard-Tbl. = 75 mg 10 - 50 mg/tgl. Antriebssteigerndes Antidepressivum, keine abendliche Gabe. Doxepin (Aponal® oder Generika) 1 Drg. = 5/10/25 mg 1 Film-Tbl. = 50/75/100 mg 1 ml = 10 mg 25 - 100 mg/tgl. Leicht sedierendes Antidepressivum, abendliche Gabe, verzögerter Wirkungseintritt (Tage!) Die trizyklischen Antidepressiva haben durch Hemmung der Rückresorption von Serotonin und Noradrenalin mehr Nebenwirkungen als die modernen Antidepressiva mit selektiver Hemmung der Rückresorption von Serotonin. Sie sind jedoch analgetisch wirksamer und daher insgesamt günstiger für die Schmerztherapie. Antikonvulsiva - insbesondere bei neuropathischen Schmerzen mit einschießender oder bohrender bzw. stechender Komponente geeignet. Pregabalin (Lyrica®) 1 Kps. = 75/150/300 mg 2 x tgl. 150 - 300 mg Bei Niereninsuff. 2 x tgl. 75 mg. Gute Wirksamkeit bei geringen Nebenwirkungen. Gabapentin (Neurontin® u. Generika) 1 Kps. = 100/300/400/600/800 mg 3 x tgl. 1 Kps. – um 100 mg tgl. steigern bis 3 x tgl. 300 mg erreicht wurde. Wenn notwendig bei fehlenden Nebenwirkungen nach 2-3 Tagen Dosis allmählich weiter steigern, ggf. bis 3600 mg/d. Gabapentin ist derzeit Mittel der Wahl. Carbamazepin retard (Tegretal® ret.) 1 Retard-Tbl. = 400 mg initial 200 mg, Dosis langsam bis auf 800 mg/d steigern (ggf. auch 1200 mg/d) (Plasmaspiegel kontrollieren!) Clonazepam (Rivotril ®) 1 Tr. = 0,1 mg 0,1 - 0,5 mg/ 2 - 3 x tgl. 99 Antiemetika (Cave extrapyramidal- motorische Bewegungsstörungen!): Haloperidol (Haldol® oder Generika) 1 Tbl. = 1/2/5/10/20 mg 10 Tr. = 1 mg 0,5 - 1,0 mg / 2-3 x tgl. Metoclopramid (Paspertin® oder Generika) Domperidon (Motilium®) 1 Retard Kps. 1 Supp. 30 Tr. 10 mg = 30 mg = 10/20 mg = 10 mg = 3-6 x tgl. 1 Filmtbl. = 10 mg, 1 ml =(30 Tr.) = 10 mg 1 Retard-Kps. = 30 mg, 1 Supp = 10/20 mg 10/20 mg / 3 - 4 x tgl. Antiemetika wie Odansetron (Zofran®) sollte der Chemotherapie vorbehalten bleiben. Corticosteroide sind bei Schmerzen durch Entzündung oder Kompression indiziert (Nerven- oder Rückenmarkskompression, Hirndruck, Leberkapselschmerz, Lymphödem). Dexamethason (z. B. Fortecortin® oder Generika) 1 Tbl. = 0,5/1,5/4 mg initial 8 - 24 mg/tgl. nach einer Woche ggf. reduzieren. Bei Hirndruck oder Rückenmarkskompression höher dosieren. Laxantien Die Verordnung von Laxantien ist bei einer Opioid-Therapie obligat in Erwägung zu ziehen, um der hierbei sehr oft auftretenden Obstipation vorzubeugen. Macrogol 3350 (Movicol®) initial 2 Btl./d als Trinklösung danach 1 Btl./d Lactulose (z.B. Bifiteral® oder Generika) 15 - 45 ml/tgl. Natriumpicosulfat (z.B. Laxoberal® od. Generika) 10 - 20 Tr./tgl. Bisacodyl (z.B. Dulcolax® oder Generika) 1 Drg. = 5 mg 1 Supp. = 10 mg Gastroprotektiva, z.B. Prostaglandinanaloga / H²-Rezeptorantagonisten. Der prophylaktische Nutzen dieser Substanzgruppen bei gastrointestinalen Nebenwirkungen nichtopioider Analgetika ist nur für Prostaglandinanaloga gesichert, allerdings gewährleistet auch diese Substanzgruppe keine 100%ige Sicherheit. Misoprostol (Cytotec® 200) 1 Tbl. = 200 µg 600/800 µg/tgl. Wichtige Nebenwirkungen: Bauchschmerz, Diarrhoe, Nausea, Vertigo. Famotidin (Pepdul®) 1 Tbl. = 20/40 mg 400 mg/tgl. Wichtige Nebenwirkungen: Leberfunktionsstörungen, psychische Störungen, Agranulozytose. Erst wenn die Möglichkeiten der systemischen analgetischen Pharmakotherapie ausgeschöpft wurden oder unbeherrschbare Nebenwirkungen ihre Anwendung ausschließen, sollten invasive Methoden, wie rückenmarksnahe Opioidapplikationen, Neurolysen u. a. zur Anwendung kommen. 100 17.7 Invasive Verfahren – Mehrstufen-Therapie (Tabelle 1) Die invasiven Schmerztherapieverfahren kommen in der Regel immer dann zur Anwendung, wenn die Möglichkeiten der oralen bzw. transkutanen medikamentösen Therapie ausgeschöpft wurden, z.B., wenn diese unwirksam, unzureichend oder aber mit nicht beherrschbaren Nebenwirkungen behaftet ist. In Ausnahmefällen können, wie z.B. bei eng umschriebenen Tumorschmerzen, temporäre, ggf. auch permanente Blockaden (Neurolysen) frühzeitig vorgenommen oder temporäre Periduralkatheter implantiert werden. Damit kann die orale Medikation abgesetzt oder stark reduziert, bzw. während Phasen starker Schmerzen ausreichende Analgesie erzielt werden. Ggf. können diese Phasen überbrückt werden, bis Palliativmaßnahmen, wie Strahlen- oder Chemotherapie ihre, Wirkung entfalten. 17.7.1 Parenterale Opioid-Infusionen Die parenteralen Opioid-Infusionen stellen eine Alternative zur oralen medikamentösen Therapie dar. Die kontinuierlichen parenteralen Infusionen sind günstiger als die intermittierenden Bolusapplikationen, da sie einen konstanten Plasmaspiegel ermöglichen und eine weitgehende Unabhängigkeit der Patienten vom Pflegepersonal gewährleisten. Sie sind sinnvoll bei Patienten mit Schluckbeschwerden sowie Störungen der enteralen Resorption oder, wenn die orale Medikation bei hoher Dosierung vom Patienten mengenmäßig nicht verkraftet wird, bzw. unbeherrschbare Nebenwirkungen auftreten. 17.7.1.1 Subkutane Opioid-Infusion Die subkutanen Infusionen sind insbesondere für ambulante Patienten geeignet. Sie werden mit tragbaren Infusionspumpen durchgeführt. Je nach Modell lassen sich diese Pumpen auf verschiedene Infusionsgeschwindigkeiten einstellen bzw. mit zusätzlichen Boli programmieren, die von den Patienten bei Bedarf, z.B. bei Schmerzspitzen, zusätzlich abgefordert werden können. Morphin ist hierbei die Substanz der Wahl. Die subkutane Morphininfusion kann in Dosierungen erfolgen, die nur die Hälfte oder weniger als die Hälfte der oralen Dosierung betragen. (oral : subkutan = 2 : 1 bis 3 : 1). Um infusionsbedingte Schmerzen zu vermeiden, darf die Infusionsgeschwindigkeit 5 ml/h nicht überschreiten. Eine weitere Dosisanhebung sollte über höher konzentrierte Morphinlösungen erfolgen (20 mg/ml). Subkutane Infusionen sollten mittels dünner Kanülen erfolgen (27 G Butterfly), die an der vorderen Thoraxwand (z. B. infraklavikulär) appliziert, den Patienten in seiner Bewegungsfreiheit nicht behindern. Im Durchschnitt kann eine Punktionsstelle bis zu 7 Tagen zur subkutanen Infusion genutzt werden. Wenn mit den Schmerzen gleichzeitig Übelkeit, Angst und Unruhe vorhanden sind, ist eine kontinuierliche subkutane Infusion mehrerer Medikamente indiziert. In solchen Fällen können Antiemetika (Metoclopramid), Neuroleptika (Haloperidol, Chlorpromazin) und Anxiolytika (Midazolam) zusammen mit Opioiden infundiert werden. Gute Mischbarkeit der Substanzen, Stabilität des Gemisches sowie Gewebsverträglichkeit sind Voraussetzungen hierfür, wobei Erfahrungsberichte über die o. a. Substanzen bereits vorliegen. Eine Rücksprache mit erfahrenen Schmerztherapeuten ist vor dem Therapiebeginn sinnvoll. Bei Infusionen, die über 24 Stunden erfolgen, sollte ein Bakterienfilter vorgeschaltet werden. 101 17.7.1.2 Intravenöse Opioid-Infusion Die kontinuierliche intravenöse Infusion kann bei der Applikation großer Opioiddosen gute Dienste leisten. Die i.v. Morphindosis beträgt etwa 1/3 der oralen Dosis (oral: i.v. = 3 : 1). Von besonderem Vorteil ist hierbei die Implantation eines zentralvenösen Ports, mit dem ggf. auch eine parenterale Ernährung unproblematisch erfolgen kann. Damit ist sie aber mit einem höheren Aufwand verbunden und daher, insbesondere bei gleichzeitiger Chemotherapie oder parenteraler Ernährung, über einen derartigen Port sinnvoll. 17.7.2 Rückenmarksnahe Analgesie Die Entdeckung von Opioidrezeptoren im Rückenmark wurde von der Entwicklung der rückenmarksnahen Applikationsformen gefolgt, die bei niedriger Opioid-Dosierung eine Steigerung der Analgesieintensität ermöglichen. Das Opioid wird hierbei in die Nähe des Rückenmarks gebracht und entfaltet dort seine schmerzhemmende Wirkung, indem die nociceptive Erregung selektiv blockiert wird. Die kontinuierliche rückenmarksnahe Opioidapplikation hat ebenfalls eindeutige Vorteile im Vergleich zu intermittierenden Applikationen, wie: - niedrige Dosierung bei lokaler Wirkungsbeschränkung - keine kurzfristigen Konzentrationsspitzen - einfache ambulante Betreuung - weitgehende Unabhängigkeit der Patienten vom Pflegepersonal und Ärzten - geringere Infektionsgefahr - höhere Wirtschaftlichkeit Rückenmarksnahe Katheter und tragbare oder implantierbare Pumpen sind unabdingbare Voraussetzungen für die kontinuierliche rückenmarksnahe Analgesie. Die rückenmarksnahen Katheter können peridural oder intrathekal (spinal) implantiert werden. Die Implantationstechnik wird von der Mehrzahl der Anästhesisten, aber auch von einigen Ärzten anderer Fachgebiete, beherrscht. 17.7.2.1 Peridurale Opioidanalgesie Die peridurale Opioidanalgesie erfolgt über Katheter, die je nach Schmerzlokalisation, im gesamten Periduralbereich der Wirbelsäule (zervikal, thorakal und lumbal) implantiert werden können. Die Punktionsstelle für die Katheterimplantation wird so gewählt, dass die Katheterspitze im Bereich der schmerzleitenden Segmente positioniert ist. Die optimale Positionierung ist insbesondere bei Applikationen von Lokalanästhetika von Bedeutung. Die Periduralanalgesie ist aus diesem Grund, insbesondere bei lokal umschriebenen Schmerzen, besonders wirkungsvoll. Wenn abzusehen ist, dass die Periduralanalgesie nur für 3 - 4 Wochen benötigt wird, kann der Katheter von der Punktionsstelle auf dem Rücken über eine Schulter nach vorn abgeleitet werden. Die Fixierung erfolgt mit einem Pflasterstreifen über seine gesamte Länge. Katheterdislokationen und aszendierenden Infektionen sind aber besser zu begegnen, wenn der Katheter mit Hilfe einer subkutanen Tunnelung fern von der Punktionsstelle aus der Haut herausgeleitet und mit 1 - 2 Hautnähten fixiert wird. Die nach außen abgeleiteten Periduralkatheter (PDK) werden in der Regel über einen Bakterienfilter an eine tragbare Infusionspumpe angeschlossen. Ihre Implantation kann ambulant erfolgen. Die Nachteile dieser einfachen und preiswerten Art sind: - größere Infektionsgefahr (in der Regel lokale Hautinfektion) - Einschränkung der Körperhygiene (Vollbad nicht möglich) - Möglichkeit der Katheterdislokation - aufwendigere Katheterpflege Häufige Katheterkontrollen mit Verbandwechsel und Abdeckung der Katheteraustrittsstelle mit einer desinfizierenden Salbe (Betaisodonna ®) sind angezeigt. Die Körperpflege ist in Form von Duschbädern möglich, wenn der Periduralkatheter mit einem Kolostomie-Klebebeutel abgedichtet wird. 102 Bei der periduralen Katheterlage kommt es oft zu einer Fibrinverklebung oder Fibrosierung an der Katheterspitze, die zu einer zeitlichen Begrenzung der periduralen Analgesie bzw. zu einer Katheterreimplantation führt. Die nach außen abgeleiteten PDK sind insbesondere bei unbeherrschbaren Schmerzen im Terminalstadium der Krebserkrankung indiziert. 17.7.2.2 Intrathekale Opioidanalgesie Die intrathekale Opioidanalgesie erfolgt über Katheter, die in den Liquorraum eingeführt werden. Solche Katheter werden ausschließlich im lumbalen Wirbelsäulen-Bereich (L2-L5) implantiert. Diese Analgesiemethode ist indiziert, wenn bei unerträglichen Schmerzen aus anatomischtechnischen Gründen die Implantation eines periduralen Katheters nicht, oder nur fernab von den betroffenen Segmenten möglich ist. Die Wirkung übersteigt diejenige der periduralen Applikation. Neben der größeren Zuverlässigkeit hat die intrathekale Morphinapplikation bei niedriger Dosierung eine höhere Analgesieintensität und längere Wirkungsdauer. Ferner können mit dieser Technik auch größere Schmerzareale bzw. Ganzkörperschmerz behandelt werden. Deshalb stellt sie nicht nur eine Alternative zur periduralen Applikation, sondern auch eine Steigerungsmöglichkeit der Analgesie dar. Die Nebenwirkungen und Komplikationen entsprechen ebenfalls denjenigen der periduralen Opioidanalgesie, wobei ein höheres Infektionsrisiko und die Gefahr eines Duralecks mit Liquorrhoe und Kopfschmerzen zusätzlich bestehen. Das höhere Infektionsrisiko der intrathekalen Opioidapplikation kann durch implantierbare Injektionssysteme und tragbare Infusionspumpen sowie engmaschige Überwachung der Patienten minimiert werden. Die implantierbaren Pumpen sind für die intrathekale Opioidapplikation besonders geeignet. 17.7.2.3 Implantierbare Injektionssysteme Die implantierbaren Injektionssysteme bestehen aus einem Peridural- oder Spinalkatheter und einer Injektionskammer (Pain port). Die Injektionskammer besteht aus Kunststoff oder Metall, hat einen Durchmesser von ca. 3 bis 4 cm und weist ein Silikongummi-Einstichseptum auf. Sie wird mit dem subkutan getunnelten Katheter verbunden und ebenfalls subkutan, z.B. über eine Rippe im Bereich der Mammillarlinie, implantiert. Das Injektionsseptum wird mit Zeigefinger und Daumen durch die Haut ertastet und nach sorgfältiger Hautdesinfektion mit speziellen Einmal- oder Verweilkanülen punktiert. Diese Kanülen besitzen einen besonderen Schliff (nach Huber), um Ausstanzungen aus dem Septum Silikongummi zu vermeiden. Die rechtwinkelig gestalteten Verweilkanülen werden über dem Port mit Pflaster fixiert und mit einem Infusionsschlauch an einer externen tragbaren Infusionspumpe angeschlossen. Ein Kanülenwechsel kann nach einigen (3 - 5) Tagen erfolgen. Die Vorteile der Ports sind: - verbesserte Körperhygiene - Verhinderung einer Katheterdislokation - geringere Infektionsgefahr - geringere psychische Belastung für den Patienten - zeitweilige Stillegung des Injektionssystems und Reaktivierung problemlos möglich (während der Stillegung sind Spülungen im Abstand von 3 - 4 Wochen erforderlich) Die Nachteile sind: - größerer operativ-technischer Aufwand - größerer Kostenaufwand (Port- u. Katheterkosten je nach Modell ca. 150,- bis 300,- ¼*) - postoperative Applikationspause (7 - 10 Tage) Als Indikation zur Implantation eines Pain ports wird eine rückenmarksnahe Analgesie von mehr als drei Monaten angesehen. ----------------------------------------------------------------------------------------------------------*) Die angeführten Preise sind als grobe Orientierung gedacht, da die Listenpreise der Firmen ständigen Änderungen unterworfen sind und außerdem über Verhandlungen und Rabatte deutlich niedrigere Preise zu erzielen sind. 103 17.7.2.4 Externe tragbare Infusionspumpe Der Einführung der tragbaren Infusionspumpen ist zu verdanken, dass eine weitgehend problemfreie ambulante Schmerztherapie über längere Zeiträume (> 3 Monate) mit Hilfe von subkutanen oder rückenmarksnahen Opioidinfusionen nach Ausschöpfung der Möglichkeiten der oralen Pharmakotherapie ermöglicht wird. Diese Pumpen werden je nach Modell mit Spritzen, Kassetten oder Beuteln betrieben. Einfachere, nicht programmierbare Modelle, sind mit einer Federmechanik versehen (z.B. Springfusor®, Vigon; Ultraflow®, Fresenius) und kosten je nach Modell von ca. 30,- bis 300,- ¼*) Sie werden für eine Anwendungsdauer von einigen Monaten angegeben und sind daher als personengebundenes Einwegmaterial anzusehen. Ihre Infusionsgeschwindigkeit wird mit Hilfe von Durchflußbegrenzern reguliert und ist von der Viskosität der Medikamentenlösung und der Umgebungstemperatur abhängig. Die Durchflußbegrenzer stellen Infusionssysteme mit eingebauten Kapillaren mit einem definierten Querschnitt dar, mit dem jeweils nur eine definierte Infusionsgeschwindigkeit möglich ist. Andere mechanische Pumpen werden von einem Uhrwerk angetrieben (z.B. Perfusor M®, Braun) und erlauben eine gewisse Variabilität der Infusionsgeschwindigkeit. Ihre Anwendung ist zeitlich nicht limitiert. Der Anschaffungspreis beträgt ca. 400,- ¼ *) Weitere Modelle funktionieren als peristaltische Pumpen, die elektrisch (Batterie) angetrieben und elektronisch gesteuert werden, z. B. Chronomat®, Fresenius; CADD PCA®, Pharmacia. Neben der gewünschten konstanten Flowrate lassen sich auch Boli programmieren, die im Sinne der Patient-controlled Analgesia (PCA) von den Patienten per Knopfdruck abgefordert werden können. Auch diese Pumpen sind unbegrenzt wieder verwendbar, kosten jedoch je nach Modell ca. 4.000,¼*) 17.7.2.5 Implantierbare Infusionspumpe Die internen Infusionspumpen werden anstelle von Ports implantiert und in der Regel mit intrathekalen Kathetern gekoppelt. Diese handtellergroßen Pumpen bestehen aus einem Metallgehäuse, das als Antriebskammer dient und eine faltenbalgförmige Medikamentenkammer beinhaltet. Als Antrieb dient bei den meisten Modellen ein flüssiges Fluorocarbonat (Freon), welches bei 37°C einen Dampfdruck von 300 mmHg liefert und die Medikamentenkammer komprimiert. Auf diese Weise funktionieren z.B. die Modelle Therex®, Anschütz® und Infusaid®. Das Medtronic®-Modell wird elektrisch mittels Batterie angetrieben. Die je nach Modell zwischen 20 und 50 ml fassende Medikamentenkammer wird perkutan durch ein Septum, wie bei einem Pain port, gefüllt. Ein Zusatzseptum ermöglicht bei einigen Modellen eine unmittelbare intrathekale Opioidapplikation unter Umgehung der Medikamentenkammer. Die Infusionsgeschwindigkeit wird bei einigen Modellen (Therex®, Anschütz IP 20.1®, Infusaid®) vor der Implantation eingestellt (1-3 ml/24 h), bei anderen (Anschütz IP 35.1®, Medtronic®) kann sie bei Bedarf im geringen Rahmen nachträglich verändert werden. Eine Änderung der Dosierung erfolgt bei den festeingestellten Pumpen über Veränderung der Opioidkonzentration. Bei einer guten Einstellung der Patienten kommen diese Pumpen mit einer Füllung 14 Tage bis zu einem Monat aus. Die Vorteile der implantierbaren Pumpen sind: - kein Pflegeaufwand - hohe Wirksamkeit - geringe psychische Belastung - geringe Infektionsgefahr - keine postoperative Applikationspause Die Nachteile sind: - größerer operativer Aufwand - hoher Anschaffungspreis (ca. 4.000,- ¼*) - nicht wiederverwendbar 104 Aufgrund des hohen Preises wird die Implantation einer solchen Pumpe nur bei Patienten mit der Notwendigkeit einer intrathekalen Opioidanalgesie und mit einer Lebenserwartung von über sechs Monaten als indiziert angesehen. 17.8 Medikamente zur rückenmarksnahen Analgesie Morphin ist auch hierbei das Mittel der ersten Wahl. Die Morphindosis richtet sich nach der Schmerzintensität und ist bei der periduralen Applikation von der Schmerzausdehnung und der Katheterposition abhängig. Eine Tagesdosis von 20 mg Morphin/24 h und mehr kann durchaus notwendig sein. Bei der intrathekalen Applikation reichen in vielen Fällen Dosierungen von 1-5 mg/24 h aus. Die Morphin-Großampullen (MSI 100/200 Mundipharma®) mit 5 ml bzw. 10 ml Inhalt eignen sich gut für die Befüllung der Pumpen. Mit Nebenwirkungen, wie Schläfrigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Juckreiz und passageren Miktionsstörungen, muss gerechnet werden. Die gefürchtete Atemdepression ist insbesondere bei der intrathekalen Applikation möglich. Aus diesem Grund muss bei der Umstellung oder Dosiserhöhung stets auf Atemfrequenz und Vigilanz der Patienten geachtet werden. Bei einer Abnahme der Atemzüge auf weniger als 12/min. muss eine engmaschige Überwachung erfolgen, um rechtzeitig eine Ateminsuffizienz zu erkennen. Bei einer Ateminsuffizienz aufgrund der Atemdepression muss das Opioidantidot Naloxon (Narcanti®) in niedriger Dosierung (0,2 - 0,4 mg) wiederholt i.v. gespritzt werden, da die Wirkungsdauer von Naloxon 30 min. beträgt, während die Atemdepression bei einer Morphinüberdosierung weit über 4 h anhalten kann. Aufgrund der o. g. Komplikationsmöglichkeiten erscheint eine teilstationäre Umstellung sinnvoll. Entzugserscheinungen stellen eine weitere reale Gefahr dar, insbesondere, wenn von einer hochdosierten oralen Opioidtherapie auf eine rückenmarksnahe Analgesie mit einer vielfach geringeren Dosis umgestellt, oder nach einer erfolgreichen antineoplastischen Therapie die orale Medikation plötzlich unterbrochen wird. Um eine solche Entzugssymptomatik zu vermeiden, muss die orale Applikation bei laufender rückenmarksnaher Morphininfusion langsam, ggf. über Wochen, ausgeblendet werden. Fentanyl und Buprenorphin finden ebenfalls Anwendung in der rückenmarksnahen Opioidanalgesie. Lokalanästhetika, z.B. das langwirkende Bupivacain, gewährleisten eine sichere Analgesie. Ihre Wirkung erfolgt jedoch unspezifisch über Hemmung der Leitung von Aktionspotentialen längs der Nervenfasern. Dadurch können neben der Analgesie gleichzeitig sensorische Ausfälle und Muskelatonie bis hin zu motorischen Ausfällen auftreten. Aus diesem Grund sind die Lokalanästhetika überwiegend für die peridurale Applikation zu empfehlen, da hier mit niedrigen Konzentrationen die Wirkung leichter auf die Analgesie zu begrenzen sowie eine Herabsetzung des muskulären Tonus oder der Motorik zu verhindern ist, als bei der intrathekalen Applikation. Besonders günstig ist die gleichzeitige Infusion mit Morphin. Clonidin ist ein Alpha 2-adrenerger Agonist und entfaltet eine analgetische Wirkung im Bereich des Rückenmarks. Die Indikation ist vor allem bei der Beseitigung einer Morphintoleranz zu sehen. Die Dosierung beträgt 0,15 - 0,6 mg/24 h und mehr. Als Nebenwirkungen können Hypotension und Bradykardie auftreten. Calcitonin ist ein Hormon mit analgetischer Wirkung bei Schmerzen durch Knochendestruktion, jedoch nicht bei allen Patienten wirksam. Die Dosierung kann mit 1 x 100mg pro Woche erfolgen. (Cave allergische Reaktionen!) Als Nebenwirkungen treten häufig Übelkeit und Erbrechen auf. 105 17.9 Destruierende Verfahren 17.9.1 Chemische Neurolysen Die chemischen Neurolysen sind invasive destruktive Verfahren, bei denen mit Alkohol oder Phenol schmerzleitende Neuronen oder Nerven zerstört werden, um die Schmerzleitung zu unterbrechen. Der Einsatz dieser Verfahren ist sehr begrenzt und sollte dem erfahrenen Schmerztherapeuten vorbehalten bleiben, da es zur Entwicklung eines Deafferenzierungsschmerzes kommen kann. 17.9.1.1 Chemische Neurolyse des Ggl. coeliacum Mit der chemischen Neurolyse des Ggl. coeliacum werden alle viszeralen Afferenzen und sympathischen Efferenzen aus dem Oberbauch durch Einbringen eines Neurolyticums gezielt unterbrochen. Als chemische Substanzen mit nervenzerstörenden Eigenschaften eignen sich z.B. 50 - 100 %iger Alkohol oder 5 - 10 %iges Phenol. Die Indikationen sind therapieresistente Schmerzen bei malignen Tumoren im Oberbauch, insbesondere Pancreas, Leber, Gallenblase. Die Indikation sollte frühzeitig gestellt werden. 17.9.1.2 Intrathekale chemische Neurolyse Durch geeignete Lagerung des Patienten werden mit dem intrathekal injizierten Neurolytikum (Alkohol, Phenol) gezielt die hinteren Nervenwurzeln der schmerzleitenden Segmente zerstört. Die Indikationen sind segmentale thorakale Schmerzen, perianaler Schmerz. 17.9.1.3 Chemische Neurolyse des lumbalen Sympathikus Die gezielte Applikation des Neurolytikums (Alkohol, Phenol) erfolgt mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens. Indikationen: Teil einer Kombinationstherapie zur Schmerzreduktion bei malignen Tumoren im Becken-Beinbereich. 17.9.1.4 Chemische Neurolysen peripherer Nerven Bei dieser Neurolysenart werden periphere Nerven mit dem Neurolytikum zerstört. Indikation: In ausgesuchten Fällen, z.B. bei segmentalen Schmerzen im Bereich eines Interkostalnervs bei Rippenmetastasen. Der Erfolg einer Neurolyse ist zeitlich begrenzt und beträgt in der Regel 3 - 6 Monate, selten auch länger. Wenn Axone bzw. periphere Nerven zerstört werden, aber die zugehörigen Neuronen vital bleiben, wachsen die Axone nach und stellen die Schmerzleitung wieder her. Eine Zerstörung der Neuronen (paravertebrale Ganglien) kann einen Deafferentierungsschmerz auslösen. 17.9.2 Neurochirurgische Verfahren Die neurochirurgischen destruktiven Verfahren zur Behandlung von Tumorschmerzen haben das Ziel, die Schmerzleitung zu unterbrechen. Sie sind mit schweren Komplikationen behaftet, ohne eine Erfolgsgarantie zu gewährleisten. Glücklicherweise wurden sie von zuverlässigeren konservativen Therapieverfahren weitgehend verdrängt. Die percutane Chordotomie findet in einigen wenigen Fällen noch Anwendung. Hierbei wird der Vorderseitenstrang mit kleinen Elektroden durch Koagulation unterbrochen. Die Chordotomie kann auch operativ durchgeführt werden. Als Indikation werden halbseitige mittellinienferne therapieresistente Schmerzen unterhalb des C6-Segmentes angegeben, bei denen alle anderen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Die Analgesie ist häufig von kurzer Dauer. Mit Komplikationen wie Schlafapnoe, Thermdysästhesien, Hemiparesen und Blasenentleerungsstörungen muss gerechnet werden. 106 17.10 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung 17.10.1 Erleichterungen durch die 10. Novelle der BtMVV Die seit dem 1. Februar 1998 gültige 10. Novelle der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) erleichtert die Betäubungsmittelverschreibung erheblich: - BtM-Rezepte brauchen nicht mehr handschriftlich ausgefüllt zu werden. Die Rezepte sind über einen Praxis-Nadeldrucker komplett ausdruckbar. Ein Nadeldrucker ist wegen der weiterhin erforderlichen Durchschläge des Rezeptes notwendig. Nur noch die Unterschrift und im Falle einer Vertretung der Zusatz „i. V.“ sind handschriftlich zu leisten (Abb. 1). - Angaben, die bereits in der Arzneimittelbeschreibung enthalten sind, z. B. Gewichtsmenge, müssen nicht mehr wiederholt werden. Die zusätzliche Nennung der Darreichungsform, z. B. Retardkapsel, sowie die Wiederholung der angegebenen Stückzahl in Worten entfallen (Abb. 1) - Es gibt keine „Tageshöchstmengen“ mehr. Die angegebene Verschreibungshöchstmenge, für Morphin beispielsweise 20.000 mg, darf innerhalb von 30 Tagen verordnet werden. Sofern sie nicht überschritten wird, kann die Reichdauer der verschiedenen Medikamente auch 30 Tage überschreiten. Damit können insbesondere Schmerzpatienten, die verreisen wollen, besser als bisher versorgt werden. - Innerhalb von 30 Tagen können zwei Betäubungsmittel verschrieben werden. Ferner ist die kombinierte Verordnung von zwei Mitteln auf einem Rezept möglich (Abb. 2). - Eine Überschreitung der Höchstmenge ist im Einzelfall weiterhin möglich und die Kennzeichnung des Rezeptes mit dem Buchstaben „A“ erforderlich (Abb. 3). Die Meldung von mit „A“ gekennzeichneten Rezepten an die zuständige Landesbehörde entfällt. - Im Notfall ist die Verschreibung von BtM-Präparaten auf Normalrezept oder auf einem anderen Stück Papier jetzt möglich. Die Verordnung ist mit dem Zusatz „Notfallverschreibung“ zu kennzeichnen. Ein entsprechendes BtM-Rezept ist nachzureichen und mit „N“ zu kennzeichnen (Abb. 4). - Erkennbare Fehler auf dem BtM-Rezept oder auf dem Anforderungsschein können vom Apotheker korrigiert werden. Auch telefonische Rückfragen sind möglich. 17.10.2 Ausstellen von BtM-Rezepten (siehe Anhang) Folgende Angaben sind jetzt nur noch erforderlich (Abb. 1): 1. Name, Geburtsdatum und Anschrift des Patienten 2. Ausstellungsdatum 3. Arzneimittelbezeichnung, soweit dadurch nicht eindeutig bestimmt, die Bezeichnung und Gewichtsmenge des enthaltenen BtM 4. Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe, oder im Falle einer gesonderten schriftlichen Gebrauchsanweisung für den Patienten mit dem Vermerk: „Gem. schriftl. Anw.“ 5. Name, Berufsbezeichnung und Anschrift einschließlich Telefonnummer des verschreibenden Arztes sowie seine Zulassungsnummer bei Niederlassung 6. Eigenhändige Unterschrift des Arztes, im Vertretungsfall der Vermerk „i. V.“ 17.11 Zusammenfassende Schlussfolgerungen Die systemische analgetische Pharmakotherapie, als auch eine Reihe invasiver Therapieverfahren, bieten vielfältige Möglichkeiten, mit denen schwere Schmerzzustände erfolgreich behandelt werden können. Die invasiven Therapiemethoden können eine unzureichende medikamentöse Schmerztherapie komplettieren oder ablösen. 107 Mit der Einführung der Dreistufen-Therapie nach den WHO-Empfehlungen und Verbesserung der oralen Schmerztherapie durch die Verbesserung und Erleichterungen von der BtMVV ist die Notwendigkeit für eine invasive Methode der Schmerztherapie immer seltener geworden und betrifft nur etwa 2 - 10 % aller Tumorpatienten. Die wertvolle Ergänzung und Erweiterung des Therapierepertoires durch die beschriebenen invasiven Methoden als Mehrstufentherapie ermöglicht bei nahezu allen Tumorpatienten eine effektive Schmerztherapie. Die Vielfalt effektiver Therapiemethoden erlaubt eine rasche Linderung bzw. Schmerzfreiheit bei den meisten Tumorschmerzpatienten. Heute darf kein onkologischer Patient mehr an Tumorschmerzen leiden! Eine suffiziente Schmerztherapie allein sichert nicht immer eine ausreichende Lebensqualität für die Patienten. Vielmehr müssen Symptome, welche die Tumorerkrankung begleiten oder durch die antineoplastische oder/und Schmerztherapie entstehen, gleichzeitig behandelt werden. 108 Tabellen und Abbildungen 109 110 111 112 113 Literatur Anleitung zur Tumorschmerztherapie. Herausgeber: Arbeitskreis “Tumorschmerz” der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V., 5. Auflage, Mai 1996 (Artikel-Nr. 9482/5.96) Hausärztliche symptomatische Behandlung Krebskranker. Herausgeber: G. Tontschev, Bibliomed - Medizinische Verlagsgesellschaft mbH, 2. Auflage, Melsungen 1991 Schmerztherapie bei Tumorpatienten - ein Leitfaden. Eine gemeinsame Empfehlung der Tumorzentren, der KV und der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Herausgeber: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung, Baden-Württemberg, 2. aktualisierte Auflage, Stuttgart, November 1993 TherapiekompendiumTumorschmerz und Symptomkontrolle. Herausgeber: D. Zech, St. A. Schug, St. Grond. 3. Auflage. Perimed-Spitta Verlag GmbH, Balingen 1996 Medikamentöse Therapie von Tumorschmerzen. Teil II. Anwendung von Opioiden. Der Schmerz 9; 3-19 (1995), Cherny, N. J., Portenoy, R. K., Raber, M., Zenz, M. Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. habil. Georgi Tontschev Chefarzt der Abt. f. Anaesthesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Evang.-Freikirchliches Krankenhaus Bernau 114 Interdisziplinäre onkologische Tumorkonferenzen Carl-Thiem-Klinikum Cottbus mittwochs ab 15.30 Uhr Ort: Hörsaal, Haus 33 Anmeldungen zum Konsil: Frau J. Danke, Konsiliarärztin der Nachsorgeleitstelle Telefon: (03 55) 46 24 62 Humaine-Klinikum Bad Saarow Mittwochs ab 15.45 Uhr Ort: Demosaal Radiologie Anmeldungen zum Konsil: Sekretariat Pathologie Telefon: (03 36 31) 7 2310 Fax: (03 36 31) 7 30 10 Klinikum Barnim GmbH Werner Forßmann Krankenhaus, Eberswalde jeden 2. Mittwoch ab 15:30 Ort: Mehzweckraum Anmeldung zum Konsil: Sekretariat der Medizinischen Klinik I Telefon: (0 33 34) 69 33 82 Fax: (0 33 34) 69 21 82 e-mail: [email protected] Klinikum Frankfurt (Oder) mittwochs ab 15.00 Uhr Ort: Demonstrationsraum im Institut für Radiologie, Zimmer 4412 Anmeldungen zum Konsil: Herr A. Naas, Konsiliararzt des OSP Telefon: (03 35) 5 48 20 27 Oberhavel Kliniken GmbH, KH Hennigsdorf jeden 3. Mittwoch im Monat, 17 Uhr Raum 605 (Andachtsraum im Erdgeschoss) 16761 Hennigsdorf, Marwitzer Str. 91 Anmeldungen über Frau Voigt, Sekretariat Chirurgie Tel.: (0 33 02) 54 52 71 e-mail: [email protected] Ruppiner Kliniken Neuruppin jeden Mittwoch ab 15.30 Uhr Ort: Haus Z, Röntgen-Demonstrationsraum 16816 Neuruppin, Fehrbelliner Str. 38 Anmeldungen zum Konsil: Frau Dr. Schneider Tel.: (0 33 91) 39 32 05, Fax: (0 33 91) 39 32 19 e-mail: [email protected] Ruppiner Kliniken Neuruppin Onkologisches Mammakonsil jeden 1. Mittwoch ab 16.00 Uhr Ort: Haus Z, Röntgen-Demonstrationsraum 16816 Neuruppin, Fehrbelliner Str. 38 Anmeldungen zum Konsil: Frau Dr. Schneider Tel.: (0 33 91) 39 32 05, Fax: (0 33 91) 39 32 19 e-mail: [email protected] 115 Klinikum Ernst von Bergmann Potsdam gGmbH mittwochs ab 14.00 Uhr Ort: Hörsaal der Pathologie Anmeldungen zum Konsil: Frau Dr. Niepmann, TZ Telefon: (03 31) 2 41 68 87 Städt. Klinikum Brandenburg GmbH jeden 2. und 4. Mittwoch des laufenden Monats,16.00 Uhr Röntgen-Demoraum Neubau West Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Städtische Klinikum Brandenburg Hochstr. 29 15770 Brandenburg Anmeldung: Sekretariat Fr. Böttche Tel.: (0 33 81) 41 12 00 St. Josef-Krankenhaus Potsdam Interdisziplinäre Tumorkonferenz jeden Donnerstag ab 14.00 Uhr St. Josef Krankenhaus Allee nach Sanssouci 7 14469 Potsdam Station C1 Anmeldungen über Dr. Rupprecht Tel.: (03 31) 9 62 81 04 Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen interdisziplinäre pneumologische Tumorkonferenz jeden Donnerstag ab 13.00 Uhr Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen Klinik II, Fachklinik für Pneumologie Südstr. 20-28 14929 Treuenbrietzen Anmeldung über Sekretariat Fr. Schürmann Tel.: (03 37 48) 2 23 91 KMG Kliniken AG Pritzwalk / KH Prignitz gGmbH Perleberg jeden 4. Mittwoch im Monat, 17.00 Uhr abwechselnd im Klinik Pritzwalk bzw. KH Perleberg Anmeldungen über OA Dr. med. Büchner, Klinik für Chirurgie, KMG Kliniken AG, Klinikum Pritzwalk 16928 Pritzwalk, Perleberger Str. 2 Tel.: (0 33 95) 68 50, Fax: (0 33 95) 68 52 80 e-mail: [email protected] Klinikum Uckermark Schwedt mittwochs ab 15.30 Uhr Ort: Beratungsraum der Medizinischen Klinik Anmeldungen zum Konsil: Frau Kindt, OSP Telefon: (0 33 32) 53 23 90, Fax: (0 33 32) 53 39 06 e-mail: [email protected] 116