Empfehlungen zur Nachsorge - Tumorzentrum Land Brandenburg

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Brandenburgisches TumorzentrumOnkologischer Schwerpunkt Cottbus e. V.
Cottbus
Nordbrandenburgischer Onkologischer Schwerpunkt e. V.
Schwedt
Onkologischer Schwerpunkt Brandenburg/Nordwest e. V.
Neuruppin
Onkologischer Schwerpunkt Frankfurt (Oder) e. V.
Frankfurt (Oder)
Tumorzentrum Bad Saarow e. V.
Bad Saarow
Tumorzentrum Potsdam e. V.
Potsdam
Brandenburgische Krebsgesellschaft e. V.
Landesärztekammer Brandenburg
Tumorzentrum Land Brandenburg
4. Auflage
2005
1
2
Vorwort
Das Tumorzentrum Land Brandenburg e. V. hat sich die Aufgabe gestellt, aktiv an der
onkologischen Betreuung der Tumorpatienten mitzuwirken.
Zu diesem Zweck wurden die Empfehlungen der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und die der
Fachgesellschaften zur Nachsorge von Patienten mit onkologischen Erkrankungen
zusammenfassend und übersichtlich in dieser Broschüre dargestellt.
Da sich in den letzten Jahren die Erkenntnisse über den Verlauf onkologischer Erkrankungen
erweitert haben und sicherlich auch ökonomische Gesichtspunkte mit einflossen, gibt es eine
Reihe von Veränderungen in den Empfehlungen zur Nachsorge, die sich in der 4. Auflage
widerspiegeln.
Die Nachsorgeempfehlungen sind in erster Linie für den symptomfreien Tumorpatienten nach
Beendigung der Primärbehandlung gedacht.
Bei den meisten soliden Malignomen wird trotz früher Diagnose und Therapie bisher keine
überzeugende Verlängerung der Überlebenszeit oder Verbesserung der Heilungsrate erreicht.
Neben einer umfassenden Untersuchung und apparativen Diagnostik gewinnt die
psychoonkologische Betreuung und die Lebensqualität zunehmend an Bedeutung.
Auch die palliative oder supportive Behandlung der Tumorpatienten stellt eine wichtige und
besondere Aufgabe in den Nachsorgesprechstunden dar. Besonders bei den Patienten mit
fortgeschrittenem Tumorleiden ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Zusammenarbeit
zwischen Facharzt und Hausarzt unabdingbar.
Im Land Brandenburg werden durch die fünf Nachsorgeleitstellen mit Ihren klinischen
Krebsregistern inzwischen ca. 80% aller Tumorerkrankungen registriert. Neben den Diagnose- und
Therapiedaten werden auch alle Ergebnisse der Nachsorgeuntersuchungen erfasst. Die Register
sind somit in der Lage, den betreuenden Ärzten bei Bedarf sofort einen zusammenfassenden
Bericht zu jedem einzelnen Patienten zu erstellen.
Die Vereinbarung zur „Vergütung der ärztlichen Leistungen im Rahmen der Berichterstattung der
einheitlichen Tumorbasisdokumentation im Land Brandenburg“ bezieht sich auf diese
Empfehlungen, die sowohl zeitliche Intervalle als auch das Ende der onkologischen Nachsorge
bzw. den Beginn der Vorsorgeuntersuchungen vergütungsrelevant regelt.
Ich möchte allen Mitarbeitern des Tumorzentrums Land Brandenburg e. V. für ihr Engagement bei
der Erstellung der neuen Broschüre danken. Mein Dank gilt auch den Ärzten, die sich aktiv an der
Tumordokumentation beteiligen, denn nur ein vollständiges Register, mit kompletten Datensätzen,
von der Diagnose bis zum Ende der onkologischen Betreuung, ermöglicht eine Qualitätskontrolle
der onkologischen Versorgung. Durch Langzeitauswertungen können wir Versorgungslücken
aufdecken und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Betreuung der Tumorpatienten
einleiten.
Dr. med. K. Wenzelides
Vorsitzender des Tumorzentrums Land Brandenburg e. V.
3
Vorwort
Die hier vorliegende Broschüre „Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit
onkologischen Erkrankungen“ ist, nun bereits in der vierten überarbeiteten Auflage, für die
ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte im Land Brandenburg ein sehr wichtiges
Informationsmedium.
Viele von Ihnen haben sich an der Zusammenstellung der in dieser Broschüre enthaltenen
Daten, Zahlen, Fakten, Erfahrungen beteiligt. Dafür an dieser Stelle ein herzliches
Dankeschön. Viele von uns niedergelassenen Ärzten werden hier wiederum neue
Anregungen für eine Verbesserung der Patientenbetreuung – oder aber, eine Bestätigung
für die Richtigkeit der bereits praktizierten Diagnostik- und Therapieverfahren
erhalten. Denn diese Broschüre ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Anleitung zum
Handeln!
Gerade auf diesem sehr sensiblen Gebiet medizinischer Tätigkeit, das immer wieder und
immer mehr auch im Focus der Öffentlichkeit steht, ist ein enges Miteinander aller hier
Tätigen von großer Bedeutung.
Die KV Brandenburg unterstützt von Anfang an die Arbeit des Tumorzentrums Brandenburg;
finanziell aber auch logistisch. Dies werden wir auch in der Zukunft so halten, gleichwohl die
Spielräume aufgrund der angespannten Finanzlage immer geringer werden.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit mit diesen Informationen und
Empfehlungen den erwarteten Zugewinn an Erkenntnissen und möglichst zugleich viele
Anregungen für die eigene Tätigkeit zum Wohle der uns anvertrauten Patienten.
Dr. med. Hans-Joachim Helming
Vorsitzender des Vorstandes der KV Brandenburg
4
Inhaltsverzeichnis
1. Tumoren der Haut
1.1 Melanome
1.2 Basaliome
1.3 Plattenepithelkarzinome
1.4 Merkelzellkarzinom
1.5 Dermatofibrosarkom
1.6 Kaposi-Sarkom
1.7 Kutane Lymphome
7
7
12
15
19
21
23
26
2. Kopf-Hals-Tumoren
31
3. Schilddrüsentumoren
3.1 Differenzierte Karzinome
3.2 Undifferenziertes anaplastisches Karzinom
3.3 Medulläres Karzinom
35
35
36
37
4. Mammakarzinom
39
5. Bronchialkarzinome
41
6. Tumoren des Verdauungstraktes
6.1 Oesophaguskarzinome
6.2 Magenkarzinome
6.3 Gallenblasen- und Gallengangskarzinome
6.4 Primäre Leberkarzinome und Lebermetastasen
6.5 Pankreaskarzinome
6.6 Kolorektale Karzinome
6.7 Analkarzinome
46
46
47
48
49
50
51
54
7. Prostatakarzinom
55
8. Harnblasenkarzinom
56
9. Nierenbecken- und Harnleiterkarzinome
58
10. Hodentumore
59
11. Nierenzellkarzinom
63
12. Peniskarzinom
65
13. Gynäkologische Karzinome
13.1 Vulvakarzinom
13.2 Vaginalkarzinom
13.3 Zervixkarzinom
13.4 Endometriumkarzinom
13.5 Ovarialkarzinom
66
66
67
67
68
69
14. Leukämien und maligne Lymphome
71
15. Hirntumoren
78
5
16. Nachsorge nach Strahlentherapie
82
17. Tumorschmerztherapie
17.1 Einleitung
17.2 Schmerzarten und -ursachen
17.3 Schmerzanalyse
17.4 Therapiemethoden bei Tumorschmerzen
17.5 Defizite in der Schmerztherapie und deren Ursachen
17.6 Systemische analgetische Pharmakotherapie
17.7 Invasive Verfahren – Mehrstufen-Therapie
17.8 Medikamente zur rückenmarksnahen Analgesie
17.9 Destruierende Verfahren
17.10 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung
17.11 Zusammenfassende Schlußfolgerungen
91
91
91
92
93
93
93
101
105
106
107
107
Interdisziplinäre onkologische Tumorkonferenzen
115
6
1. Tumoren der Haut
1.1
Melanome
Definition
Das maligne Melanom ist ein bösartiger Tumor, der vom melanozytären Zellsystem ausgeht und
sich überwiegend an der Haut manifestiert. Selten kommt er auch am Auge (Uvea, Retina), an den
Hirnhäuten und den Schleimhäuten verschiedener Lokalisation vor. Das Melanom ist meist
pigmentiert. Im Verhältnis zur Tumormasse besteht eine frühe Tendenz zur Metastasierung und
damit eine ungünstige Prognose. Das maligne Melanom ist etwa für 90% der Mortalität an
Hautkrebs verantwortlich.
Epidemiologie und Ätiologie
Die Melanominzidenz nimmt in weißen Bevölkerungen weltweit zu, insbesondere bei stark
sonnenexponierten hellhäutigen Bevölkerungsgruppen. Zu Beginn der 70er Jahre betrug die
Inzidenz des Melanoms in Deutschland 3 pro 100.000 Einwohner. Im letzten Jahrzehnt stieg sie
auf 10 - 12 pro 100.000 Einwohner und in Regionen mit stärkerer UV-Belastung (Australien,
südliche USA) bis etwa 40 pro 100.000 Einwohner [Boyle et al. 1995; Elder 1995].
Risikofaktoren:
Hohe Anzahl von Naevi und Melanomvorläufern, Naevuswachstum
Haarfarbe (rot versus braun/schwarz)
Aktinische Lentigines
Familiäre Belastung
UV-Belastung
Melanomtypen
Typ
superfiziell spreitendes Melanom
Abkürzung
Prozentualer Anteil
SSM
57,4%
NM
21,4%
Lentigo-maligna-Melanom
LMM
8,8%
Akral-lentiginöses Melanom
ALM
Noduläres Melanom
nicht klassifizierbares Melanom /Sonstige
4,0%
8,4%
Prognose
Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung befinden sich heute mehr als 90 % der Patienten in den
Stadien I und II, d.h. ohne nachweisbare Metastasen. Die Metastasierung kann sowohl primär
lymphogen als auch primär hämatogen erfolgen. 2/3 aller Erstmetastasierungen sind zunächst auf
das regionäre Lymphabflussgebiet beschränkt. Eine regionäre Metastasierung kann manifest
werden mit:
•
•
•
Satelliten-Metastasen (bis 2 cm um den Primärtumor) oder lokale Rezidive nach Entfernung
des Primärtumors mit ungenügendem Sicherheitsabstand
In-transit-Metastasen (in der Haut bis zur ersten LK-Station) und
Regionären Lymphknotenmetastasen
7
Während für Patienten ohne Metastasierung die 10-Jahres-Überlebensrate etwa 75% beträgt,
haben Patienten mit lokoregionärer Metastasierung bei frühzeitiger Entfernung der Metastasen
eine Zehnjahresüberlebensrate von 20 – 40%. Nach wie vor ist die Prognose bei Auftreten von
Fernmetastasen nahezu infaust. Die mediane Überlebenszeit beträgt im Stadium IV ca. 5-7
Monate [Häffner et al. 1992]
Für das maligne Melanom wurde vom AJCC eine neue TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung
vorgeschlagen, die sich inzwischen durchgesetzt hat [Balch et al. 2001]
TNM-Klassifikation beim malignen Melanom nach AJCC (gültig seit 2002)
T Klassifikation
Tumordicke
Tis
Ulcerationsstatus
Melanoma in situ, keine Tumorinvasion
Tx
Keine Angabe
Stadium nicht bestimmbar
T1
< 1,0 mm
a: ohne Ulceration und Level II/III
b: mit Ulceration oder Level IV/V
T2
1,01 mm – 2,0 mm
a: Ohne Ulceration b: mit Ulceration
T3
2,01 – 4,0 mm
a: Ohne Ulceration b: mit Ulceration
T4
> 4,0 mm
a: Ohne Ulceration b: mit Ulceration
N Klassifikation
N1
Zahl metastatisch befallener
Lymphknoten (LK)
1 LK
Ausmaß der
Lymphknotenmetastasierung
a: Mikrometastasierung
b: Makrometastasierung
N2
2-3 LK
a: Mikrometastasierung
b: Makrometastasierung
c: Satelliten- oder In-transit-Metastasen
≥ 4 LK, Satelliten- oder In-transit-
N3
Metastasen
M Klassifikation
M1a
M1b
M1c
Art der Fernmetastasierung
Haut, Subkutan oder LK
Lunge
Alle anderen viszeralen Metastasen
Jede Art von Fernmetastasierung
LDH
normal
normal
normal
erhöht
Klinische Stadieneinteilung des malignen Melanoms [Balch et al. 2001]
Stadium
0
Ia
8
Primärtumor (pT)
Regionäre
Lymphknotenmetastasen (N)
In situ Tumoren
Keine
” 1,0 mm, keine Ulceration Keine
Fernmetastasen (M)
Keine
Keine
Ib
IIa
IIb
IIc
IIIa
IIIb
IIIc
”1,0 mm mit Ulceration
Keine
oder Clark-Level IV oder V
Keine
1,01-2,0 mm, keine
Ulceration
1,01-2,0 mm mit
Ulceration
keine
keine
Keine
Keine
Keine
Keine
Keine
Keine
2,01-4,0 mm, keine
Ulceration
2,01-4,0 mm mit
Ulceration
Keine
> 4,0 mm, keine Ulceration
> 4,0 mm mit Ulceration
Keine
Jede Tumordicke, keine
Mikrometastasen
Ulceration
Jede Tumordicke mit
Mikrometastasen
Ulceration
Keine
Keine
Keine
Keine
Jede Tumordicke, keine
Ulceration
Bis zu 3 Makrometastasen
Keine
Jede Tumordicke ±
Ulceration
Jede Tumordicke mit
Ulceration
Keine aber Satelliten- und/oder intransit
Bis zu 3 Makrometastasen
Keine
Jede Tumordicke ±
Ulceration
• 4 Makrometastasen oder
kapselüberschreitender LK-Befall
oder Satelliten- und/oder IntransitMetastasen mit LK-Befall
Keine
IV
Keine
Fernmetastasen
Nachsorge
Die Nachsorge orientiert sich hinsichtlich Umfang und Frequenz an Prognosefaktoren bzw. dem
Tumorstadium. Da 90% der Metastasen in den ersten 5 postoperativen Jahren auftreten, wird für
diesen Zeitraum die Nachsorge intensiver gestaltet. Da Spätmetastasen jedoch nicht
ungewöhnlich sind, wird generell eine Nachsorge über 10 Jahre empfohlen.
Ziele der Nachsorge
•
•
•
•
•
Feststellung der Rezidivfreiheit bzw. Früherkennung einer Tumorprogression, eines
Zweittumors oder Melanomvorläuferläsionen
Hilfe bei der Krankheitsverarbeitung und Bewältigung von Folgezuständen
Anleitungen zur Eigenuntersuchung (4wöchentlich)
Dokumentation der Krankheitsverläufe
Durchführung und Überwachung einer adjuvanten Therapie
Empfehlungen für die Nachsorge
Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft hatte 1994 ein Nachsorgeschema empfohlen, das
umfangreiche Kontrolluntersuchungen vorsah [Orfanos et al. 1994]. Die Nachsorge des malignen
Melanoms wie auch anderer Tumoren wurde allerdings in den letzten Jahren verstärkt in Frage
gestellt. So wurde bezweifelt, dass die Untersuchungen und Maßnahmen der Nachsorge das
9
Leben von Patienten mit Metastasen tatsächlich verlängern. Dieses gilt insbesondere für Tumoren,
bei denen die therapeutischen Möglichkeiten in den Stadien der Metastasierung sehr begrenzt
sind.
Inzwischen liegen zwei neuere empirische Untersuchungen zur Nachsorge des Melanoms aus
Deutschland vor, deren Ergebnisse nun zu einer Modifikation der Empfehlungen führen [Hofmann
et al. 2002, Garbe et al. 2003]. Im Vergleich zu den bisherigen Empfehlungen kann der Umfang
der Untersuchungen in den Stadien des Primärtumors und besonders bei Melanomen mit weniger
als 1 mm Tumordicke reduziert werden [Garbe & Schadendorf 2003]. Bei besonderen
prognostischen Risikofaktoren kann von diesen Empfehlungen abgewichen werden.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Melanoma in situ (pTis), einschließlich Lentigo maligna
Jahr nach Primärtherapie
Monat
1. – 5.
6
12
X
X
X
X
1. - 5.
6
12
6. - 10.
12
Anamnese:
OP-Folgen? Neue Muttermale?
Klinische Untersuchung:
Narbe, lokoregionaler Befund, übrige Haut und einsehbare Schleimhaut
Melanom, Stadium I, ”1mm
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Gewicht, Behinderung
Klinische Untersuchung:
Lokalbefund, regionäre Lymphabflusswege,
Lymphknoten, Hautbefund, Naevuszellnaevi,
Allgemeinbefund
X
X
X
X
X
X
Melanom, Stadium Ib, IIa+b, >1mm
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Gewicht, Behinderung
Klinische Untersuchung:
Lokalbefund, regionäre Lymphabflusswege,
Lymphknoten, Hautbefund, Naevuszellnnaevi,
Allgemeinbefund
Laboruntersuchung:
LDH, AP, S100ß
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax
Sonographie: LK und Abdomen
CT, MRT, Skelettszintigraphie, PET
10
3
6
1. -5
9
12
6. - 10.
12
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
(X)
X
(X)
X
gezielt bei entsprechenden
Befunden
Melanom, Stadium IIc, III
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Gewicht, Behinderung
Klinische Untersuchung:
Lokalbefund, regionäre Lymphabflusswege,
Lymphknoten, Hautbefund, Naevuszellnaevi,
Allgemeinbefund
Laboruntersuchung:
LDH, AP, S100ß
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax
Sonographie: LK und Abdomen
CT, MRT, Skelettszintigraphie, PET
3
1. - 5
6
9
12
6. - 10.
6
12
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
gezielt bei entsprechenden
Befunden
Melanom, Stadium IV
Die Nachsorge sollte individuell erfolgen. Im Rahmen von palliativen Chemo- und/oder
Immuntherapien wird in der Regel alle 3 Monate ein komplettes Staging durchgeführt.
Anamnese:
•
•
•
•
Änderung des Allgemeinbefindens (Gewichtverlust, Abgeschlagenheit, Fieber,
Nachtschweiß, Kopfschmerz, Knochenschmerzen, andere Organbeschwerden)
Eigenbeobachtungen (Veränderungen/Neuauftreten von Pigmentläsionen, knotige
Verhärtungen)
Zwischenzeitliche Erkrankungen, Zweitmalignome, Operationen,
Änderung der Medikation
Körperliche Untersuchung:
•
•
•
Inspektion des gesamten Hautorgans einschließlich der behaarten Kopfhaut, der
einsehbaren Schleimhäute, der Fußsohlen und Zehenzwischenräume
Inspektion und Palpation der Region des Primärtumors, der Transitstrecke und aller
zugänglichen Lymphknotenregionen
Zur Beurteilung suspekter Pigmentveränderungen wird die Durchführung der
Auflichtmikroskopie empfohlen.
Laboruntersuchungen:
LDH, AP, S100β.
Weitere Untersuchungen individuell bzw. im Rahmen adjuvanter oder palliativer Therapien.
Bildgebende Diagnostik:
Abdomen- und Lymphknotensonographie und Röntgen Thorax als Basisdiagnostik. Im Rahmen
der Verlaufskontrolle bei palliativen Chemo- und/ oder Immunherapien bzw. bei speziellen
Fragestellungen CT, cerebrales MRT und Skelettszintigraphie.
Die Positronenemissionstomographie (PET) bietet als geeignetste Ganzkörpermethode zum
Nachweis und zum Ausschluss von vitalem Tumorgewebe/Metastasen eines malignen Melanoms
eine effektive, wenn auch kostenintensive Alternative.
11
Rehabilitation und psychosoziale Hilfe
Neben der sorgfältigen Überwachung hinsichtlich eines möglichen Rezidivs oder einer
Metastasierung ist bei der Nachsorgeuntersuchung auch immer die “Behinderung” mit ihren
psychosozialen Folgen zu dokumentieren.
Dabei sollte auf funktionelle Einschränkungen und ästhetische Beeinträchtigung geachtet werden.
Zur Erholung nach primärer Behandlung und Rehabilitation von krankheits- und therapiebedingten
Schäden könnten nachfolgende Leistungen in Anspruch genommen werden:
• Rehabilitations-Heilverfahren,
• Schwerbehindertenstatus,
• Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v. H. bis Abschluss der Heilbewährung und darüber
hinaus bei Entstellung und Fortbestehen der Organeinschränkung.
Literatur
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
1.2
Balch CM, Buzaid AC, Soong SJ, Atkins MB, Cascinelli N, Coit DG, Fleming ID, Gershenwald JE,
Houghton A Jr, Kirkwood JM, McMasters KM, Mihm MF, Morton DL, Reintgen DS, Ross MI, Sober A,
Thompson JA, Thompson JF. Final version of the American Joint Committee on Cancer staging system
for cutaneous melanoma. J Clin Oncol 19: 3635-48 (2001)
Boyle P, Maisonneuve P, Dore JF: Epidemiology of malignant melanoma. Br Med Bull 51: 523-547
(1995)
Elder DE: Skin cancer. Melanoma and other specific nonmelanoma skin cancers. Cancer 75: 245-256
(1995)
Garbe C, Paul A, Kohler-Spath H, Ellwanger U, Stroebel W, Schwarz M, Schlagenhauff B, Meier F,
Schittek B, Blaheta HJ, Blum A, Rassner G: Prospective evaluation of a follow-up schedule in
cutaneous melanoma patients: recommendations for an effective follow-up strategy. J Clin Oncol 21:
520-529 (2003)
Garbe C, Schadendorf D: Malignes Melanom: Neue Daten und Konzepte zur Nachsorge. Dtsch Arztebl
100: A 1804-1808 (2003)
Häffner AC, Garbe C, Büttner P, Orfanos CE, Rassner G, Burg G: The prognosis of primary and
metastasizing melanoma. An evaluation of the TNM classification in 2495 patients and proposals for
their revision. Br J Cancer 66: 856-861 (1992)
Hofmann U, Szedlak M, Rittgen W, Jung EG, Schadendorf D: Primary staging and follow-up in
melanoma patients---monocenter evaluation of methods, costs and patient survival. Br J Cancer 87:
151-157 (2002)
Orfanos CE, Jung EG, Rassner G, Wolff HH, Garbe C: Stellungnahme und Empfehlungen der
Kommission malignes Melanom der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft zur Diagnostik,
Behandlung und Nachsorge des malignen Melanoms der Haut. Stand 1993/94. Hautarzt 45: 285-291
(1994)
Basaliome
Epidemiologie und Ätiologie
Das Basaliom (Basalzellkarzinom, Basalzellepitheliom) ist der häufigste Tumor des Menschen. In
Deutschland beträgt die Inzidenz 100 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr. Das
Durchschnittsalter liegt derzeit bei 60 Jahren. Allerdings ist eine Tendenz zu jüngerem
Manifestationsalter erkennbar. Basaliome treten zu 80% im Kopf-Hals-Bereich auf. Das
Tumorwachstum beginnt in der Regel ohne Präkanzerose.
Ätiologische Faktoren sind:
• Genetische Disposition mit geringer Hautpigmentierung
• UV-Belastung
• Arsen
• Immunsuppression
• Im Rahmen assoziierter Syndrome wie Xeroderma pigmentosum, Basalzellnaevus-Syndrom,
Albinismus
12
Basaliomtypen
Basaliome beginnen zumeist als flach erhabene, umschriebene, gelblich-rötliche Papeln mit
perlschnurartigem Randsaum. Daneben existieren Varianten wie die als rote Flecken
erscheinenden Rumpfhautbasaliome (superfizieller Typ) oder die an Vernarbungen erinnernden
sklerodermiformen Basaliome. Fortgeschrittene Basaliome gehen in Erosionen und Ulzerationen
über und können auch darunterliegende Gewebe (Muskel, Knorpel, Knochen) zerstören.
Histogenetisch stammen Basaliome von den Zellen der Basalzellschicht und/oder der äußeren
Wurzelscheide der Haarfollikel ab. Entsprechend der unterschiedlichen Differenzierungsmuster
erfolgt die aktuelle Klassifizierung der WHO [Heenan et al. 1996]:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Multifokales superfizielles Basaliom
Noduläres Basaliom
Infiltratives Basaliom
Fibroepitheliales Basaliom
Basaliom mit adnexoider Differenzierung
Basosquamöses Karzinom
Keratotisches Basaliom
Pigmentiertes Basaliom
Basaliom bei Basalzellnaevus-Syndrom
Mikronoduläres Basaliom
Prognose
Das Basaliom ist durch destruierendes Wachstum per continuitatem gekennzeichnet. Es entwickelt
sich über Monate und Jahre und geht in langen Verläufen in ulzerierende Läsionen (Ulcus rodens)
über, die auch tiefere Gewebestrukturen zerstören können (Ulcus terebrans). In der Regel tritt
keine Metastasierung auf (seltener als 1:1000).
Stadieneinteilung
Es gilt die derzeitige Stadieneinteilung nach der UICC-Klassifikation. Allerdings ist sie im klinischen
Gebrauch wertlos, da die T-Klassifikation zu grob ist und die Kategorien N und M praktisch nicht
vorkommen.
Hilfreich sind dagegen folgende Angaben:
• Horizontaler und vertikaler Tumordurchmesser
• Lokalisation
• Histologischer Typ
• Sicherheitsabstand bei Resektion
• Mikrographische Resektion
Nachsorge
Nach mikrographisch kontrollierter Chirurgie findet sich eine geringe Rezidivrate. Eine Nachsorge
ist aber wegen des relativ häufigen Auftretens von Zweittumoren (ca. 30%) sinnvoll. Nach nicht
erkannter subtotaler Exzision werden Rezidive meist innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren
erkennbar [Rowe et al. 1989], können aber auch noch nach über 10 Jahren auftreten. Eine
klinische Nachsorge ist zumindest über 3 Jahre in jährlichen Abständen empfehlenswert.
Patienten mit rezidivierenden Tumoren oder höherem Risiko (Immunsuppression, genetische
Disposition) sollten alle 3-6 Monate kontrolliert werden.
13
Orientierender Zeitplan für die Nachsorgeuntersuchungen:
Basaliom, low risk
1. – 3.
Jahr nach Primärtherapie
Monat
12
X
X
Anamnese
Klinische Untersuchung: Lokalbefund
Basaliom , high risk
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese
Klinische Untersuchung: Lokalbefund
Laboruntersuchung
Apparative Untersuchung:
Röntgen, Endoskopie, Sonographie, Computertomogramm,
Skelettszintigramm
3
X
X
1. Jahr
2. - 3.
6
12
6
12
X
X
X
X
X
X
X
X
nur gezielt
bei entsprechendem
Verdacht auf invasive
Ausbreitung
Literatur
1. Heenan PJ, Elder DJ, Sobin LH: Histological typing of skin tumours. 26. WHO Intenational Histological
Classification of Tumours. Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1996
2. Rowe DE, Carroll RJ, Day CL Jr: Long-term recurrence rates in previously untreated (primary) basal cell
carcinoma: implications for patient follow-up. J Dermatol Surg Oncol 15(3):315-28 (1989)
14
1.3
Plattenepithelkarzinome
Epidemiologie und Ätiologie
Das Plattenepithel-Karzinom ist nach dem Basaliom der zweithäufigste Hauttumor und tritt in
Mitteleuropa mit einer Häufigkeit von 20 bis 30 Erkrankungen/100.000 Einwohner pro Jahr mit
steigender Tendenz auf. Das Durchschnittsalter liegt bei 70 Jahren. Männer erkranken häufiger als
Frauen.
Risikofaktoren sind:
• Aktinische Keratosen
• Höheres Lebensalter
• Kumulative UV-Exposition
• Heller Hauttyp
• Chronische Wunden und Entzündungen (Ulcera crurum, Verbrennungen, Narben, Lichen
ruber, bullöse Dermatosen)
• Arsenexposition
• Röntgenstrahlen
• Immunsuppression (iatrogen nach Organtransplantation, Leukosen, HIV)
Plattenepithelkarzinomtypen
Die Entwicklung des Plattenepithelkarzinoms beginnt in situ. Durchsetzen die Veränderungen die
gesamte Epidermis, so wird der Befund als Morbus Bowen (intraepidermales Karzinom)
bezeichnet, im Bereich der Übergangsschleimhäute als Erythroplasie Queyrat.
Die aktuelle histologische Klassifizierung der WHO unterscheidet wie folgt [Heenan et al. 1996]:
•
•
•
•
•
Spindelzelliges Plattenepithelkarzinom der Haut (aggressives Verhalten)
Akantholytisches Plattenepithelkarzinom der Haut
verruköses Plattenepithelkarzinom der Haut (prognostisch günstig)
Plattenepithelkarzinom mit Hornbildung
Lymphoepitheliomartiges Plattenepithelkarzinom der Haut
Noch nicht aufgenommen in die internationale Klassifikation ist das desmoplastische
Plattenepithelkarzinom mit hohem Stromaanteil und schmalen Zellsträngen, das sich aufgrund
einer sehr hohen Rezidivrate (25%) und Metastasierungspotenz (50%) von der Gruppe der
gewöhnlichen Plattenepithelkarzinome abgrenzt.
TNM-Klassifikation (UICC 2002)
Im folgenden ist das TNM-System für Hautkarzinome aufgeführt [Wittekind et al. 2002]. Es gilt
nicht für Tumoren der Augenlider, der Vulva und des Penis. Es umfasst die Karzinome der
Lippenhaut, nicht aber die des Lippenrotes, für die die Klassifikation der Mundhöhlenkarzinome
gilt.
T Klassifikation
Tumormerkmale*
Tis
Carcinoma in situ (Metastasierung ist ausgeschlossen)
Tx
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
To
Kein Anhalt für Primärtumor
T1
Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung
15
T2
Tumor > 2 cm aber ” 5 cm in größter Ausdehnung
T3
Tumor > 5 cm in größter Ausdehnung
T4
Tumor infiltriert tiefe extradermale Strukturen wie Knorpel, Skelettmuskel oder
Knochen
N Klassifikation
Regionäre Lymphknoten (LK)
Nx
Regionäre LK können nicht beurteilt werden
N0
keine regionären LK-Metastasen
N1
Regionäre LK-Metastasen
M Klassifikation
Fernmetastasen
Mx
Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
* Im Falle multipler simultaner Tumoren wird der Tumor mit der höchsten T-Kategorie klassifiziert
und die Anzahl abgrenzbarer Tumoren in Klammern angegeben.
Da diese Einteilung die Möglichkeiten der Prognoseabschätzung nicht ausschöpft, muß die
klinische Klassifizierung durch histopathologische Parameter ergänzt werden. Zur besseren
Diskriminierung des Metastasierungsrisikos wurde bei der Festlegung der T-Klasse die
Tumordicke vorgeschlagen [Breuninger et al. 1990].
pT-Klasse
Merkmale
pT1-3a
Begrenzt auf Dermis und Tumordicke < 2 mm
pT1-3b
Begrenzt auf Dermis und Tumordicke > 2 mm, aber <
Metastasierungsrate
0%
ca. 6%
5 mm
pT1-3c
Invasion der Subcutis und/oder Tumordicke > 5 mm
pT4a
Tumordicke < 5 mm
ca. 25%
pT4b
Tumordicke > 5 mm
ca. 40%
ca. 20%
Bei Infiltration extradermaler Strukturen (T4):
Anmerkung: pT1-3 sind entsprechend der TNM-Klassifikation durch die Tumorgröße bestimmt:
pT1 < 2cm, pT2: 2 - 5cm, pT3 > 5cm Ausdehnung.
16
Stadieneinteilung des Plattenepithel-Karzinoms (UICC 2002)
Stadium
Primärtumor
Lymphknoten
Fernmetastasen
0
Tis
N0
M0
I
T1
N0
M0
II
T2
N0
M0
T3
N0
M0
T4
N0
M0
Jedes T
N1
M0
Jedes T
Jedes N
M1
III
IV
Prognose
Das Plattenepithel-Karzinom wächst destruierend. Eine Metastasierung tritt fast immer primär
lymphogen lokoregionär auf. Die Letalität ist insgesamt gering. Metastasierungen treten bei 5% der
Patienten auf. Die 5-Jahres-Überlebensrate bei Metastasierung liegt bei 25-50%. Fernmetastasen
sind selten.
Nachsorge
Das Nachsorgeschema sollte sich entsprechend der primär lokoregionären Metastasierung und
des Auftretens der überwiegenden Zahl der Rezidive und Metastasen innerhalb der ersten 2 Jahre
gestalten und somit auf den lokoregionären Bereich und den entsprechenden Zeitraum
konzentrieren. Die Nachsorge sollte eine Anleitung des Patienten zur regelmäßigen
Selbstuntersuchung umfassen.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Plattenepithelkarzinom, pT1-3a (”2 mm)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Behinderung
Klinische Untersuchung:
Lokalbefund, regionäres Lymphabflussgebiet
Apparative Untersuchungen:
Sonographie: LK
Röntgen: Thorax, Sonographie, CT, Skelettszintigramm
3
1. – 2.
6
9
12
3. - 5.
6 12
X
X
X
X
nur bei klinisch unklarem
Palpationsbefund
Nur gezielt bei Verdacht auf
metastatische Ausbreitung
17
Plattenepithelkarzinom, pT1-3b (>2-5 mm)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Behinderung
Klinische Untersuchung:
Lokalbefund, regionäres Lymphabflussgebiet
Apparative Untersuchungen:
Sonographie: LK
Röntgen: Thorax, Sonographie, CT, Skelettszintigramm
3
1. – 2.
6
9
12
3. - 5.
6 12
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Nur gezielt bei Verdacht auf
metastatische Ausbreitung
Plattenepithelkarzinom, pT1-3c (>5 mm)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Behinderung
Klinische Untersuchung:
Lokalbefund, regionäres Lymphabflussgebiet
Apparative Untersuchungen:
Sonographie: LK
Röntgen: Thorax, Sonographie, CT, Skelettszintigramm
3
1. – 2.
6
9
12
3. - 5.
6 12
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Nur gezielt bei Verdacht auf
metastatische Ausbreitung
Plattenepithelkarzinom, pT4 oder desmoplastischer Typ
Nachsorge alle 3 Monate bzw. individuell.
Anamnese
•
Schmerzen, Leistungsfähigkeit, Behinderung, Eigenbeobachtung, Medikation
(Immunsuppression)
Klinische Untersuchung:
•
•
Lokalbefund
regionäres Lymphabflussgebiet
Lymphknotensonographie
•
regionäres Lymphabflussgebiet
Rehabilitation und psychosoziale Hilfe
Da die Plattenepithelkarzinome als Ursprungslokalisation Gesicht, Hals, Ohren, Lippen befallen,
sind bei Rezidivfreiheit ggf. plastisch-chirurgische Wiederherstellungsoperationen und Versorgung
mit Epithesen notwendig.
Auch bei rezidivfreiem Verlauf ist aufgrund der unsicheren Prognose der Schwerbehindertenstatus
über das Versorgungsamt zu erwirken.
Literatur
1. Heenan PJ, Elder DJ, Sobin LH: Histological typing of skin tumours. 26. WHO Intenational Histological
Classification of Tumours. Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1996
2. Wittekind C, Meyer HJ, Bootz F: UICC (International Union against cancer), TNM Klassifikation maligner
Tumoren. 6. Auflage, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokio 2002
3. Breuninger H, Black B, Rassner G: Mikrostaging of squamous cell carcinomas. Am J Clin Pathol 94:
624-627 (1990)
18
1.4
Merkelzellkarzinom (Kutanes neuroendokrines Karzinom)
Definition
Das Merkelzellkarzniom ist ein bösartiger Tumor, der von den Merkelzellen der Haut ausgeht.
Merkelzellen sind neuroektodermale Zellen, die in der Basalschicht der Epidermis, frei in der
Dermis und in der äußeren Haarwurzelscheide vorkommen. Sie leitet Tastempfindungen an
dermale Nervenendigungen. Die Merkelzelle wird dem APUD-System (Amine Precursor Uptake
and Decarboxylation System) zugeordnet.
Epidemiologie
Das Merkelzellkarzinom ist ein seltener Tumor mit einer Inzidenz von ca. 0,1 - 0,3
Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr. Betroffen sind überwiegend ältere Personen
unter Bevorzugung des weiblichen Geschlechts.
Merkelzellkarzinomtypen
Das Merkelzellkarzinom stellt sich meist als solider, rötlich-violetter, halbkugeliger oder kugeliger,
manchmal auch plaqueförmiger Tumor dar. Histologisch ist das Merkelzellkarzinom ein dermal
gelegener Tumor.
Es werden 3 histologische Subtypen unterschieden:
• trabekulärer Typ
• intermediärer Zelltyp
• kleinzelliger Typ
Prognose
Das Merkelzellkarzinom ist ein relativ aggressiver Tumor, der häufig lokal rezidiviert und eine hohe
Metastasierungsrate aufweist. Bereits bei Erstdiagnose besteht bei 50% der Patienten ein
Lymphknotenbefall. Bei etwa 30% der Patienten ist mit einem letalen Ausgang zu rechnen.
Ungünstige prognostische Faktoren sind: Fortgeschrittenes Tumorstadium (lokoregionäre
Metastasen oder Fernmetastasen), männliches Geschlecht, Lokalisation des Primärtumors in der
Kopf-Hals-Region oder am Rumpf, jüngeres Lebensalter (< 60 Jahre).
Prognostische Bedeutung hat auch die Unterscheidung der histologischen Subtypen mit günstiger
Prognose für den trabekulären Typ, mittlerer für den intermediären Typ und schlechter Prognose
für den kleinzelligen Typ.
Stadieneinteilung
Eine allgemein eingeführte Stadieneinteilung existiert nicht. In der Literatur wird meist die folgende
Einteilung verwendet.
Stadium
Definition
Stadium I
Primärtumor allein
Stadium II
Lokoregionäre Metastasen
Stadium III
Fernmetastasen
19
Nachsorge
Aufgrund der geringen Inzidenz des Merkelzellkarzinoms wurden bisher keine systematischen
Untersuchungen zur genauen Ausbreitungsdiagnostik und Nachsorge durchgeführt.
Diagnose
des
Primärtumors
sollte
eine
Ausbreitungsdiagnostik
mittels
Nach
Lymphknotensonographie der drainierenden Lymphknoten sowie eine Sonographie Abdomen und
eine Röntgen-Thorax-Untersuchung erfolgen. Bei Verdacht auf eine viszerale Fernmetastasierung
werden
die
geeigneten
organspezifischen
Untersuchungen,
wie
z.B.
die
Magnetresonanztomographie des Hirns oder Computertomographie-Untersuchung des Thorax
bzw. des Abdomens zur weiterführenden Diagnostik durchgeführt. Als experimentell ist derzeit
immer noch die Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie anzusehen.
Die Nachsorge sollte wegen des hohen Risikos von Lokalrezidiven und regionären
Lymphknotenmetastasen innerhalb des ersten Jahres in 4- bis 6-wöchigen Abständen und später
in vierteljährlichen Abständen erfolgen. Diese sollte neben der klinischen Untersuchung mit
Lymphknotenpalpation eine Lymphknotensonographie unter besonderer Berücksichtigung der
regionären Lymphknotenstationen umfassen. Einmal jährlich wird eine Abdomen-Sonographie und
Röntgen-Thorax-Untersuchung empfohlen. Insgesamt sollte der Nachsorgezeitraum mindestens 5
Jahre umfassen [Hauschild & Garbe 1998].
Orientierender Zeitplan für die Nachsorgeuntersuchungen:
Merkzellkarzinom
Jahr nach Primärtherapie
Monat 1,5
1.
3
4,5
6
7,5
9
X
X
X
X
X
10,5 12
3
2. – 5.
6
9
12
X
X
X
Klinische Untersuchung:
Lokalbefund
LK-Palpation
Apparative
Untersuchungen:
Sonographie-LK
Sonographie-Abdomen
Rönthgen-Thorax
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Literatur
1.
20
Hauschild A, Garbe C: Kutanes neuroendokrines Karzinom (Merkelzellkarzinom). Kommission für
Qualitätssicherung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes Deutscher
Dermatologen. Hautarzt 48 Suppl 1: 27-29 (1998).
1.5
Dermatofibrosarkom
Definition
Das Dermatofibrosarkom (Dermatofibrosarcoma protuberans) ist ein fibrohistiozytärer,
ausschließlich an der Haut vorkommender Tumor von intermediärer Malignität. Klinisch zeigt sich
meist ein hautfarbener manchmal braun-gelb tingierter, manchmal auch rötlicher,
uncharakteristischer, flach erhabener, derber, unregelmäßig konturierter manchmal auch
multinodulärer Tumor, mit teilweise jahrelanger Bestandsdauer. Der Tumor ist vorwiegend am
Stamm sowie an den proximalen Extremitätenabschnitten lokalisiert.
Epidemiologie
Das Vorkommen ist sehr selten (unter 1 pro 100.000 Einwohner und Jahr). Das Durchschnittsalter
der Patienten liegt bei 40 Jahren. Männer und Frauen sind gleichmäßig betroffen.
Prognose
Das Dermatofibrosarkom wächst langsam lokal infiltrierend und neigt zu lokalen Rezidiven,
metastasiert aber nur selten.
Lokalrezidive treten bei bis zu 80% der Patienten auf. Lymphknotenmetastasierungen sind sehr
selten – eher noch finden sich Fernmetastasierungen unter Bevorzugung der Lunge (ca. 5% nach
zuvor aufgetretenen Lokalrezidiven oder Tumoren mit fibrosarkomatösen Anteilen).
Stadieneinteilung
Eine allgemein eingeführte Stadieneinteilung existiert nicht. In der Literatur wird meist die folgende
Einteilung verwendet.
Stadium
Definition
Stadium I
Primärtumor allein
Stadium II
Lokoregionäre Metastasen
Stadium III
Fernmetastasen
Nachsorge
Aufgrund der geringen Inzidenz liegen keine allgemeinen Empfehlungen zur genauen
Ausbreitungsdiagnostik und Nachsorge vor.
Bei Diagnose des Primärtumors ist präoperativ eine Bestimmung der Tumorausdehnung mittels
Sonographie oder CT, vor allem aber MRT hilfreich.
Die Nachsorge sollte wegen des hohen Risikos von Lokalrezidiven vor allem auf die frühzeitige
Erkennung dieser gerichtet sein. Hierzu sind klinische Untersuchungen alle 6 Monate über 3 Jahre
und folgend in jährlichen Abständen zu empfehlen. Die Nachsorge sollte auch eine Anleitung des
Patienten zur regelmäßigen Selbstuntersuchung umfassen. Eine klinische Kontrolle der
Lymphknotenregion erscheint zunächst ausreichend.
Bei Rezidiven oder fibrosarkomatösen Typen sollte eine Röntgen-Thorax-Untersuchung und
Lymphknotensonographie halbjährlich erfolgen.
21
Orientierender Zeitplan für die Nachsorgeuntersuchungen:
Dermatofibrosarkom:
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Klinische Untersuchungen:
Lokalbefund
LK-Palpation
Apparative Untersuchungen:
Röntgen-Thorax
Sonographie-LK
6
1. – 3.
12
X
X
X
X
4. – 5.
12
X
X
bei Rezidiven oder
fibrosarkomatösen Typen
halbjährlich
Literatur
1. Breuninger H, Sebastian G, Garbe C: Dermatofibrosarcoma protuberans - An Update. Neues zum
Dermatofibrosarkoma protuberans. JDDG 2 (8): 661-667 (2004).
22
1.6
Kaposi-Sarkom
Definition
Das Kaposi-Sarkom (KS) ist eine maligne, von den Gefäßendothelien ausgehende multilokuläre
Systemerkrankung mit sehr variablem Verlauf. Häufigstes Manifestationsorgan ist die Haut, aber
auch Schleimhäute, das lymphatische System und innere Organe - vor allem Lunge und
Gastrointestinaltrakt - können betroffen sein. Allen Formen des Kaposi-Sarkoms liegt eine Infektion
mit dem sexuell und über Blut übertragbaren Humanen Herpesvirus 8 (HHV-8) zu Grunde.
Epidemiologie
Bis 1981 galt das Kaposi-Sarkom als extrem seltener Gefäßtumor, der im typischen Fall bei alten
Männern an der Haut der unteren Extremitäten beginnt. Solche sporadisch, in einigen Gebieten
auch endemisch auftretenden Tumoren werden unter der Bezeichnung klassisches KaposiSarkom zusammengefaßt. Die Inzidenz wird mit ca. 1 Fall/ 10 Mio. Einwohner/Jahr angegeben.
Darüber hinaus werden Kaposi-Sarkome bei iatrogener Immunsuppression (z.B.
transplantationsassoziiertes Kaposi-Sarkom) und als kutane bzw. lymphatische Verlaufsform
endemisch in Zentralafrika beobachtet (Afrikanisches endemisches Kaposi-Sarkom).
Eine schwere, rasch progrediente und disseminiert Haut, Schleimhäute, Lymphknoten und innere
Organe betreffende epidemische Variante des Kaposi-Sarkoms tritt seit Anfang der 80-er Jahre bei
jungen HIV-infizierten homosexuellen Männern auf (HIV-assoziiertes Kaposi-Sarkom). Das KaposiSarkom gilt als AIDS-definierende Erkrankung und trat früher bei 25% aller HIV-Infizierten auf. Seit
Einführung der antiretroviralen Therapie ist die Häufigkeit um ca. 90% zurückgegangen.
Kaposi-Sarkom-Typen
•
•
•
•
Klassisches (sporadisches) Kaposi-Sarkom
Kaposi-Sarkom bei iatrogener Immunsuppression
Afrikanisches endemisches Kaposi-Sarkom
HIV-assoziiertes (epidemisches) Kaposi-Sarkom
Prognose
Das klassische Kaposi-Sarkom ist ein wenig maligner, langsam progredienter Tumor. Aufgrund
des hohen Erkrankungsalters und der langsamen Tumorprogression wird in vielen Fällen die
Lebensqualität und -erwartung der Betroffenen nur wenig beeinträchtigt.
Bei den bei iatrogener Immunsuppression auftretenden Kaposi-Sarkomen sind nach Verbesserung
des Immunstatus Spontanremmissionen zu beobachten.
Das HIV-assoziierte Kaposi-Sarkom besitzt eine außerordentlich variable Dignität. Es gibt über
viele Jahre chronisch-stationäre Verläufe bis hin zu rasch progredientem Tumorwachstum, das
innerhalb von Wochen zum Tode führt. Seit Einführung der antiretroviralen Therapie hat sich die
Prognose verbessert und die Häufigkeit des Kaposi-Sarkoms ist deutlich rückläufig.
Stadieneinteilung des HIV-assoziierten (epidemischen) Kaposi-Sarkoms (nach
ACTG*) [Krown 1989]
Frühstadium (gute Prognose)
Spätstadium (schlechte Prognose)
Wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:
wenn eine einzige der folgenden Bedingungen
zutrifft:
1.Tumor (T):
Pulmonales oder gastrointestinales Kaposi-
1. Tumor (T):
Kaposi-Sarkom auf Haut und/oder
23
Lymphknoten beschränkt; allenfalls minimale
orale Beteiligung (nicht erhabene Läsionen am
harten Gaumen)
2. Immunstatus (I):
CD4-Zellen • 200/µl
3. Symptome (S):
Keine opportunistischen Infektionen, kein
Mundsoor, keine B-Symptomatik** der HIVInfektion
Sarkom; ausgedehnter oraler Befall; Tumorbedingte Ödeme oder Ulzerationen
2. Immunstatus (I):
CD4-Zellen < 200/µl
3. Symptome (S):
In der Anamnese opportunistische Infektionen,
Mundsoor, malignes Lymphom oder HIVassoziierte neurologische Erkrankungen, BSymptomatik der HIV-Infektion**
*AIDS Clinical Trial Group, ** B-Symptomatik = unklares Fieber, Nachtschweiß oder Diarrhoen,
die länger als 2 Wochen anhalten, Gewichtsverlust •10%
Ausbreitungsdiagnostik und Nachsorge
Zur Ausbreitungsdiagnostik ist eine komplette Inspektion des Patienten (inklusive der
Schleimhäute), eine sonographische Erhebung des Lymphknotenstatus, eine Gastroduodeno- und
Rektoskopie, sowie eine Röntgen-Thorax-Untersuchung und eine abdominelle Sonographie
erforderlich. Fallweise nützlich sind eine CT-Thorax- und CT-Abdomen-Untersuchung.
Ein serologischer Tumormarker steht nicht zur Verfügung, jedoch scheint der PCR-Nachweis des
Kaposi-Sarkom Herpes-Virus (KSHV, entspricht HHV-8) im Blut der Tumorentwicklung bei HIVInfizierten parallel bzw. auch vorauszugehen [Whitby et al. 1995].
Aufgrund der Seltenheit des klassischen Kaposi-Sarkoms älterer Menschen stehen valide Daten
über den Nutzen regelmäßiger Nachsorgeuntersuchungen bisher nicht zur Verfügung. Die
langsame Tumorprogression läßt klinische Kontrollen in 6-monatigen Abständen für sinnvoll
erscheinen.
Beim HIV-assoziierten epidemischen Kaposi-Sarkom bestimmt meist die zugrundeliegende HIVErkrankung mit ihren opportunistischen Infektionen die Nachsorgeintervalle. Da jedoch in
Einzelfällen auch bei noch gut erhaltenen Restfunktionen des zellulären Immunsystems (CD4 >
400/µl) mit einer raschen Tumorprogression und Organbeteiligung gerechnet werden muss,
empfehlen sich 3-monatliche Kontrollen des klinischen Ausbreitungsgrades (Haut, Schleimhäute,
Lymphknoten) sowie 6 - 12 monatliche Kontrollen der Lunge (Röntgen-Thorax-Untersuchung) und
des Gastrointestinaltraktes (okkultes Blut, ggf. Sonographie, Endoskopie).
Harte Daten zur Tumornachsorge, die eine Verbesserung der Heilungsrate durch engmaschige
Kontrollen belegen, liegen auch für das Kaposi-Sarkom bei iatrogener Immundefizienz, das
afrikanische und das HIV-assoziierte Kaposi-Sarkom bisher nicht vor.
24
Orientierender Zeitplan für die Nachsorgeuntersuchungen:
Klassisches Kaposi-Sarkom:
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Klinische Untersuchungen:
Haut, Schleimhäute, LK
1.
3
6
2. – 5.
9
12
6
12
X
X
X
3
1. – 3.
6
9
12
6
12
X
X
X
X
X
HIV-assoziiertes epidemisches Kaposi-Sarkom:
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Klinische Untersuchungen:
Haut, Schleimhäute, LK, okkultes Blut
Apparative Untersuchungen:
Röntgen-Thorax
Sonographie-Abdomen
Endoskopie
X
X
X
X
4. – 5.
X
X
X
X
X
X
Literatur
1. Krown SE, Metroka C, Wernz JC: Kaposi’s sarcoma in the acquired immune deficiency syndrome: a
proposal for uniform evaluation, response, and staging criteria. J Clin Oncol 7: 1201-1207 (1989)
2. Whitby D, Howard MR, Tenant-Flowers M, Brink NS, Copas A, Boshoff C, Hatzioannou T, Suggett
FE, Aldam DM, Denton AS et al.: Detection of Kaposi‘ s sarcoma associated herpesvirus in
peripheral blood of HIV-infected individuals and progression to Kaposi‘ s sarcoma. Lancet 346: 799802 (1995).
25
1.7
Kutane Lymphome
Definition
Kutane Lymphome sind eine heterogene Gruppe von neoplastischen Erkrankungen, die durch
klonale Proliferation von Lymphozyten in der Haut entstehen. Sie sind zytomorphologisch
vergleichbar mit Lymphomen an anderen Lokalisationen wie z.B. gastrointestinalen oder nodalen.
Auf Grund des spezifischen Mikroenvironmentes der Haut, präsentieren sie sich klinisch und
histologisch in besonderen Varianten, so dass die üblichen Klassifikationen nur bedingt für diese
Erkrankungen anwendbar sind
Epidemiologie
Die Häufigkeit kutaner Lymphome wird auf ca. 1/100.000 Einwohner pro Jahr geschätzt und
scheint anzusteigen.
Klassifikation und Prognose
Hinsichtlich der Klassifikation von kutanen Lymphomen wird zwischen kutanen T-Zell-Lymphomen
und kutanen B-Zell-Lymphomen unterschieden. Nachfolgend ist die WHO-Klassifikation aufgeführt
[Heenan et al. 1996]:
1. Kutane T-Zell-Lymphome
- Mycosis fungoides
- Sézary-Syndrom
- Pagetoide Retikulose (M. Woringer-Kollop)
- Adultes T-Zell-Lymphom/Leukämie
2. Kutane B-Zell-Lymphome
3. Kutanes Plasmozytom
4. Pleomorphe Varianten kutaner Lymphome - Immunoblastisches T-Zell-Lymphom- großzelliges
anaplastisches Lymphom
5. Hautbefall bei Leukämien
Die EORTC hat 1997 folgende Klassifikation vorgeschlagen [Willemze et al. 1997]:
Kutane T-Zell-Lymphome
Kutane B-Zell-Lymphome
Indolent (Überlebenszeit > 10 Jahre)
•
Mycosis fungoides + follikuläre
Muzinose
•
pagetoide Retikulose
•
lymphomatoide Papulose
•
großzelliges CD 30 pos. kut. T-ZellLymphom (inkl. anaplastische,
pleomorphe u. immunoblastische Form)
•
Keimzentrumslymphom
•
Immunocytom (einschl.
Marginalzonen B-Zell Lymphom)
Intermediär (Überlebenszeit > 5 Jahre)
26
•
großzelliges B-Zell-Lymphom der
unteren Extremität
Aggressiv (Überlebenszeit < 5 Jahre)
•
Sezary-Syndrom
•
großzelliges CD 30 neg. kut.T-ZellLymphom (inkl. immunoblastische und
pleomorphe Form)
Provisorisch
•
Granulomatous slack skin
•
Intravasculäres kut. B-Zell-Lymphom
•
subkutanes pannikulitisartiges T-ZellLymphom
•
Plasmozytom
•
Klein- und mittelgroßzellige pleomorphe
kutane T-Zell-Lymphome
TNM-Stadieneinteilung (Bunn et al. 1979) für Mycosis fungoides und Sezary-Syndrom
Kategorie
Definition
T: Primärtumor
Tx
T0
T1
T2
T3
T4
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
Kein Anhalt für Primärtumor
Begrenzte Plaques, Papeln oder ekzematöse Herde, weniger als
10% der Körperoberfläche einnehmend
Disseminierte Plaques, Papeln oder ekzematöse Herde, 10%
oder mehr der Körperoberfläche einnehmend
Tumoren (>1)
Generalisierte Erythrodermie
N: Lymphknoten
N0
N1
N2
N3
Klinisch keine Lymphknoten palpabel
Palpable Lymphknoten, histologisch kein Anhalt für CTCL
Klinisch keine vergrösserten Lymphknoten, histologisch Infiltrate
eines T-Zell-Lymphoms
Palpable Lymphknoten, histologisch Infiltrate eines T-ZellLymphoms
B: Peripheres Blut
B0
B1
Keine atypischen Lymphozyten im peripheren Blut (<5%)
Atypische Lymphozyten im peripheren Blut (>5%)
M: Fernmetastasen
M0
M1
Keine Beteiligung viszeraler Organe
Histologisch gesicherte viszerale Beteiligung
27
Stadium
T
N
M
Ia
1
0
0
Ib
2
0
0
IIa
1/2
1
0
IIb
3
0/1
0
III
4
0/1
0
IVa
1-4
2/3
0
IVb
1-4
0-3
1
Diagnostik
Die Mehrheit der Lymphome der Haut kann bereits klinisch vermutet werden, dennoch ist eine
histologische und immunhistologische Untersuchung unerläßlich. Molekularbiologische Verfahren
gewinnen in jüngster Zeit zunehmend mehr Einfluss auf Diagnostik und Klassifikation maligner
Lymphome der Haut sowie deren Abgrenzung zu reaktiven lymphozytären Infiltraten:
Biopsie/Histologie:
Zur Diagnostik empfiehlt sich eine Probeexzision eines unbehandelten klinisch verdächtigen
Hautareals (gegebenenfalls auch mehrere Probebiopsien). Prinzipiell sollte bei Verdacht auf ein
malignes Lymphom ein Präparat für die Routine-Paraffin-Histologie und ein unfixiertes
Gefrierpräparat entnommen werden.
Molekularbiologische Untersuchungen:
Monoklonalität kann prinzipiell auf DNA-, mRNA- und Proteinebene nachgewiesen werden, wobei
die T-Zellrezeptor- bzw. Immunglobulin- Gene und Genprodukte analysiert werden.
Bei Läsionen mit einem sehr dichten lymphozytären Infiltrat kann die Southernblot-Technik
angewendet werden. Allerdings ist die Sensitivität dieser Methoden oft nicht ausreichend, so dass
Methoden mit Einsatz der PCR (Polymerase-Kettenreaktion) eingesetzt werden müssen.
Klinische Untersuchung
Erhebungen eines genauen Hautbefundes auf einem
Erhebungsbogen
•
Exakter Status aller Lymphknotenstationen (Palpation;
ggf. Lk-Sono)
•
Palpation von Leber und Milz
•
Fallweise nützlich: Fotodokumentation
•
Abdomen-Sonographie
•
Röntgen-Thorax-Untersuchung in 2 Ebenen
•
Fallweise nützlich: CT-Thorax, CT Abdomen und andere
gezielte bildgebende Untersuchungen
Laboruntersuchungen
•
Komplettes Routinelabor (BSG, Blutbild, DifferentialBlutbild, Leberenzyme, Nierenwerte, LDH, Elektrolyte,
Elektrophorese)
Bei B-Zell-Lymphomen
•
Immunelektrophorese aus Serum und Urin
•
Beckenkammbiopsie
Apparative Diagnostik
28
•
Bei T-Zell-Lymphomen
•
Blutausstrich auf Sézary-Zellen
•
Biopsie von befallenen Hautarealen
•
Fallweise nützlich: Biopsien von vergrößerten
Lymphknoten und Organen
Nachsorge
Gesicherte, durch Daten untermauerte Nachsorgeschemata gibt es nicht. In früheren Stadien (I
und II) scheinen Nachuntersuchungen halbjährlich bis jährlich sinnvoll, in fortgeschrittenen Stadien
(III und IV) sind gegebenenfalls 4-6 wöchentliche Nachuntersuchungen zu erwägen, um den
Therapieerfolg besser beurteilen zu können. Die Nachsorgeintervalle bei Patienten mit kutanen
Lymphomen sind dem klinischen Bild anzupassen. Auf jeden Fall ist eine erneute Biopsie indiziert,
wenn sich das klinische Bild des Lymphoms ändert oder innerhalb kurzer Zeit neue Läsionen
auftreten.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Kutane Lymphome Stadium I-II
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Klinische Untersuchungen:
Lokalbefund, LK, Palpation von Leber und Milz
Laboruntersuchungen:
Routinelabor (BSG, BB, Differential-Blutbild,
Leberenzyme, Nierenwerte, LDH, Elekrolyte)
Speziallabor (z.B. Sezary—Zellen bei T-ZellLymphomen)
Apparative Untersuchungen:
Röntgen-Thorax
Sonographie-Abdomen
LK-Sonographie
6
1. – 2.
12
3. – 5.
12
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Kutane Lymphome Stadium III-IV
Die Nachsorge erfolgt 4-6 wöchentlich bzw. individuell!
Literatur
1. Heenan P, Elder D, Sobin L 1996: Histological typing of skin tumors. 2nd ed. WHO international
classification of tumours. Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 69-77
2. Bunn PA, Lamberg SI: Repor of the Committee on Staging and Classification of Cutaneous T-Cell
lymphomas. Cancer Treat Rep 63: 725-28 (1979)
3. Willemze R, Kerl H, Sterry W, Berti E, Cerroni L, Chimenti S, Diaz-Perez JL, Geerts ML, Goos M,
Knobler R, Ralfkiaer E, Santucci M, Smith N, Wechsler J, van Vloten WA, Meijer CJ: EORTC
classification for primary cutaneous lymphomas: a proposal from the Cutaneous Lymphoma Study
Group of the European Organization for Research and Treatment of Cancer. Blood 90(1):354-71
(1997)
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Diese Leitlinien wurden in Anlehnung an die vorläufigen Leitlinien (Stand September 2004) der
Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt.
29
Die Leitlinien der ADO sind auch im Internet verfügbar:
http://www.ado-homepage.de/FK_Home/fk_home.html
http:www.krebsgesellschaft.de
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. A. Milling
Oberärztin der Klinik für Dermatologie
Klinikum Frankfurt (Oder) GmbH
Dr. med. A . Happ
Chefarzt der Klinik für Dermatologie
Klinikum Frankfurt (Oder) GmbH
30
2. Kopf-Hals-Tumoren
(einschließlich Tumoren des Fachgebietes Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie)
Die bei Patienten mit Malignomen im Kopf-Hals-Bereich in regelmäßigen Abständen durchzuführende
Tumornachsorgesprechstunde verfolgt nach kurativer oder palliativer Malignombehandlung mehrere Ziele:
-
Erkennung und ggf. Veranlassung der Therapie
- des Lokalrezidivs
- der regionären Metastase
- der Fernmetastase
- des Zweittumors
-
Erkennung und Therapie von Nachfolgeerkrankungen des Tumorleidens einschließlich Einstellung einer
effektiven Schmerzmedikation
-
Unterstützung im Rahmen der somatischen, psychischen und sozialen Rehabilitation, einschließlich der
Planung von plastisch-chirurgischen Wiederherstellungsoperationen sowie Veranlassung der Anpassung
von Epithesen.
Die vorliegenden Nachsorgeempfehlungen beziehen sich auf die am häufigsten auftretenden Malignome des
Gesichts- und Halsbereiches (des Tätigkeitsbereichs des HNO-Arztes und MKG-Chirurgen), mit Ausnahme
der Hauttumoren (Basaliome, Spinaliome, Melanome).
Die Grenzen der Effektivität der Tumornachsorge werden durch folgende Tatbestände vorgegeben:
-
Nach umfangreichen Studien werden die Heilungsaussichten bei Patienten mit Kopf-Hals-Malignomen
nahezu ausschließlich vom Erfolg der Erstbehandlung bestimmt. Darüber hinaus bestehen nach
Abschluss der primären Tumorbehandlung oft nur noch begrenzte Möglichkeiten für den Einsatz weiterer
erfolgversprechender Behandlungsschritte (betrifft lokoregionäre Rezidive).
-
Abgesehen von chirurgisch erfolgversprechend angehbaren solitären Rundherden der Lunge ist meist
auch beim Auftreten von Fernmetastasen keine Kurabilität mehr gegeben.
-
Die soziale Schichtung der Patienten mit Kopf-Hals-Malignomen lässt mitunter die erforderliche
Kooperationsbereitschaft vermissen.
-
Rezidive geben sich in etwa 50
Nachsorgeintervalles zu erkennen.
-
Zweittumoren treten naturgemäß zunehmend häufiger mit steigendem Abstand zum Primärereignis auf.
Dem steht entgegen, dass gewöhnlich mit wachsendem Abstand zur Primärbehandlung größere
Nachsorgeintervalle vorgeschlagen werden.
-
Idealerweise sollte die Tumornachsorge individuell gestaltet und in ihrem Vorgehen vom Sitz, der Größe
und Behandlungsart des jeweiligen Tumors abhängig gemacht werden. Die nachfolgenden
Untersuchungsempfehlungen können deshalb nur als grobe Orientierungsrichtlinien angesehen werden.
%
der
Fälle
erst
durch
Beschwerden
außerhalb
des
Umfang der Nachsorgeuntersuchungen
-
Erheben der Zwischenanamnese:
Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit gemäß WHO- oder Karnowski-Index, Gewichtsabnahme,
Schmerzen,
Blutungen,
Schwellungen,
Funktionsstörungen
im
Bereich
von
Atmung,
Nahrungsaufnahme, Sensibilität, Mastikation, Phonation, Hirnnerven (Riechen, Schmecken, Sehen,
Hören) u. a.
-
Inspektion: Spiegeluntersuchung, Laryngoskopie, ggf. Stroboskopie, flexible Endoskopie
-
Palpation des Primärtumorgebietes und der regionären Lymphknotenstationen
-
B-Scan-Sonographie
-
Elektiv, bei Beschwerden bzw. Rezidiv- und Metastasenverdacht.
-
Röntgenuntersuchungen
-
CT
-
MRT
31
-
Skelettszintigraphie
-
Gewebeproben (konventionelle Histologie, Immunhistologie, Aspirations- oder Exfoliativzytologie)
Zusätzlich
-
Röntgen Thorax in 2 Ebenen (alle 12 Monate)
-
Endoskopie der oberen Luft- und Speisewege (alle 12 Monate)
Aufgrund des gegenwärtigen Erkenntnisstandes scheint die Bestimmung von Laborparametern,
einschließlich der Tumormarker, bei Malignomen im Kopf-Hals-Bereich wenig aussagefähig.
Zeitintervalle für die Tumornachsorge (vorwiegend high-risk-Patienten):
1. Jahr:
2. Jahr:
3. Jahr:
4. Jahr:
5. Jahr:
6. - 10. Jahr:
zweimonatig
vierteljährlich
vierteljährlich
halbjährlich
halbjährlich
jährlich
Sogenannte “low-risk-Tumoren” (odontogene Tumoren, Lippenkarzinome) können
Zeitabständen kontrolliert werden. Hier empfehlen sich folgende Kontrollintervalle:
1. Jahr:
2. u. 3. Jahr:
ab 4. Jahr:
in
selteneren
vierteljährlich
halbjährlich
jährlich
Die Tumornachsorge sollte lebenslang erfolgen, da einige Geschwülste (z. B. adenoidzystische Karzinome)
noch nach vielen Jahren rezidivieren können.
Bei Auftreten eines Rezidivs oder eines Zweittumors beginnt das Nachsorgeprogramm wieder zeitlich am
Ausgangspunkt.
Abschließende Bemerkungen
-
Besondere Bedeutung kommt der Tumornachsorge bei Larynx- und Mundhöhlenkarzinompatienten zu,
da bei diesen erfahrungsgemäß in beschränktem Ausmaß noch Heilungsmöglichkeiten durch eine
Zweittherapie gegeben sind.
-
Idealerweise sollte die Tumornachsorge durch den Arzt, der auch die Primärbehandlung durchgeführt
hat, erfolgen. Dies gilt um so mehr, wenn ungewöhnliche oder neue Operationstechniken angewandt
wurden oder wenn die histologische Diagnose eine gesonderte Nachsorge erforderlich macht.
-
Wenn die Tumornachsorge von niedergelassenen Kollegen durchgeführt wird, sollte sichergestellt sein,
dass diese ausreichend Kenntnisse in der Tumorchirurgie besitzen, die in der Nachsorge notwendigen
Untersuchungstechniken beherrschen sowie über die notwendigen apparativen Ausstattungen
einschließlich des B-Scan-Sonographiegerätes verfügen.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
(h = “high-risk-Tumoren”, l = “low-risk-Tumoren”)
Kopf-Hals-Tumoren (1. Jahr)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Leistungsvermögen, Gewicht, Schmerzen, Blutungen,
Schwellungen, Atmung, Nahrungsaufnahme, Sensibilität,
Mastikation, Phonation,
Hirnnerven (Riechen, Schmecken, Sehen, Hören)
Klinische Untersuchung:
Spiegeluntersuchung, Laryngoskopie, ggf. Stroboskopie,
flexible Endoskopie, Palpation des Primärtumorgebietes
u. der regionären Lymphknotenstationen
32
2
3
H
4
H
L
H
H
L
1. Jahr
6
8
9
H
L
H
L
H
L
H
L
10
12
H
H
L
H
H
L
Laboruntersuchung:
Blutbild/Thrombozyten, BSG, AP, LDH, ALAT,
Kreatinin, Elektrolyte: K, Na
Tumormarker: CEA, SCC
(nur, wenn prätherapeutisch erhöht)
Apparative Untersuchung:
Sonographie: Hals, Abdomen
-GT,
H
H
zeitunabhängige, individuelle
Indikation
H
H
H
L
L
H
H
H
L
H
L
L
Röntgen: Thorax in 2 Ebenen
Röntgen: Kopf/Hals,
CT: Schädel, MRT, Skelettszintigraphie
Endoskopie: NNH Panendoskopie, Laryngoskopie,
Bronchoskopie, Ösophagoskopie,
Aspirations- oder Exfoliativzytologie, Histologie,
Immunhistologie
elektiv, bei Beschwerden bzw.
Rezidiv- oder Metastasenverdacht
Kopf-Hals-Tumoren (2. und 3. Jahr)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Leistungsvermögen, Gewicht, Schmerzen, Blutungen,
Schwellungen, Atmung, Nahrungsaufnahme, Sensibilität,
Mastikation, Phonation,
Hirnnerven (Riechen, Schmecken, Sehen, Hören)
Klinische Untersuchung:
Spiegeluntersuchung, Laryngoskopie, ggf. Stroboskopie,
flexible Endoskopie, Palpation des Primärtumorgebietes u.
der regionären Lymphknotenstationen
Laboruntersuchung:
Blutbild/Thrombozyten, BSG, AP, LDH, ALAT, -GT,
Kreatinin, Elektrolyte: K, Na
Tumormarker: CEA, SCC
(nur, wenn prätherapeutisch erhöht)
Apparative Untersuchung:
Sonographie: Hals, Abdomen
3
4
H
2. Jahr
6
9
3
3. Jahr
6
9
12
H
H
L
H
L
H
H
L
H
H
L
H
L
H
H
L
H
H
L
H
H
L
L
H
12
H
L
H
L
zeitunabhängige, individuelle Indikation
H
H
L
H
H
L
H
L
Röntgen: Thorax in 2 Ebenen
Röntgen: Kopf/Hals
CT Schädel, MRT, Skelettszintigraphie
Endoskopie: NNH Panendoskopie, Laryngoskopie,
Bronchoskopie, Ösophagoskopie
Aspirations- oder Exfoliativ-Zytologie,
Histologie, Immunhistologie
H
H
L
H
H
L
H
L
elektiv, bei Beschwerden bzw.
Rezidiv- oder Metastasenverdacht
Kopf-Hals-Tumoren (ab 4. Jahr)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Leistungsvermögen, Gewicht, Schmerzen, Blutungen,
Schwellungen, Atmung, Nahrungsaufnahme, Sensibilität,
Mastikation, Phonation,
Hirnnerven (Riechen, Schmecken, Sehen, Hören)
4. Jahr
6
12
5. Jahr
6
12
H
H
H
L
H
L
weiter
6
12
H
L
33
Klinische Untersuchung:
Spiegeluntersuchung, Laryngoskopie, ggf. Stroboskopie,
flexible Endoskopie, Palpation des Primärtumorgebietes u.
der regionären Lymphknotenstationen
Laboruntersuchung:
Blutbild/Thrombozyten, BSG, AP, LDH, ALAT, -GT,
Kreatinin, Elektrolyte: K, NA
Tumormarker: CEA, SCC
(nur, wenn prätherapeutisch erhöht)
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax in 2 Ebenen
Sonographie: Hals, Abdomen
Röntgen: Kopf/Hals, CT Schädel, MRT,
Skelettszintigraphie
Endoskopie: NNH Panendoskopie, Laryngoskopie,
Bronchoskopie, Ösophagoskopie
Aspirations- oder Exfoliativ-Zytologie,
Histologie, Immunhistologie
H
H
L
H
H
L
H
L
H
L
zeitunabhängige
individuelle Indikation
H
H
L
H
L
H
H
L
H
L
H
L
H
L
H
L
H
L
elektiv, bei Beschwerden bzw.
Rezidiv- oder Metastasenverdacht
Literatur:
-
Empfehlungen zur Nachsorge maligner Tumoren
Herausgabe: Aktionsgemeinschaft der Nordrhein-Westfälischen Tumorzentren und
Onkologischen Arbeitskreise in der Gesellschaft zur Bekämpfung der Krebskrankheiten
NRW e. V.
-
Bier, H., M. Schultze und U. Ganzer
Anmerkungen zur Nachsorge von Tumorpatienten.
HNO H. 1 (1993), S. 47 - 54
-
Boysen, M., K. Natvig, F. Ö. Winther, J. Tausjö
Value of routine follow-up in patients treated for squamous cell carcinoma of the head and neck.
J. Otolaryngology 14 (1985), S. 211 - 214
-
Ramshorn, R.
Pharynx- und Larynxtumoren.
In “Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit onkologischen Erkrankungen”
Hrsg. Brandenburgisches Tumorzentrum - Onkologischer Schwerpunkt Cottbus e. V.
Nachsorgeleitstelle, (1992), S. 23 - 26
-
Ruttig, C.
Tumoren des Mund-Kiefer-Gesichtsbereiches.
In “Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit Onkologischen Erkrankungen”
Hrsg. Brandenburgisches Tumorzentrum - Onkologischer Schwerpunkt Cottbus e. V.
Nachsorgeleitstelle, (1992), S. 18 - 22
-
Wolfensberger, M.
Aufwand und Nutzen regelmäßiger Nachkontrollen bei Patienten mit Pflasterzellkarzinomen des Larynx,
der Mundhöhle und des Pharynx.
HNO 36 (1988), S. 28 - 32
Redaktionelle Bearbeitung:
Priv.-Doz. Dr. med. Eichhorn
Chefarzt der HNO-Klinik
Carl-Thiem-Klinikum Cottbus
34
3.
Schilddrüsentumoren
Allgemeines
-
SD-Malignome machen etwa 0,5 % aller Malignome aus.
-
Über 90 % sind epitheliale Tumoren (Karzinome), der Rest sind nichtepitheliale Tumoren (malignes Lymphom, Sarkome u. a.).
-
Von den Karzinomen sind >80 % differenzierte Karzinome (follikuläre 20-40% und <papilläre
50-80%), etwa 2% sind undifferenzierten oder anaplastischen Karzinomen und 4-10% medulläre Karzinome.
-
Jährliche Inzidenz liegt bei 2-3 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner.
3.1
Differenzierte Karzinome
3.1.1 Follikuläres Karzinom
-
(totale) Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion im zentralen Kompartiment
-
Bei palpablen oder sonografisch verdächtigen lateralen Halslymphknoten erfolgt die laterale
Lymphknotendissektion ipsilateral ggf. auch kontralateral, wegen der Häufigkeit von Lymphknotenmetastasen bei fortgeschrittenen Tumorstadien (65-90%) wird von manchen Autoren
prinzipiell die Dissektion des ipsilateralen Kompartiments empfohlen.
-
Postoperativ zunächst keine SDH, damit TSH-Spiegel auf > 30 mU/l steigt.
-
3 bis 4 Wochen postoperativ Ganzkörperszintigramm mit 131 J, um SD-Restgewebe und eventuell speichernde Metastasen zu detektieren.
-
Anschließend Radiojodtherapie zur völligen Ausschaltung noch nachweisbaren speichernden
Gewebes, eventuell Wiederholung in 4-6monatigem Abstand bis kein speicherndes Gewebe
mehr nachweisbar ist
-
Nach erster Radiojodtherapie hochdosierte Suppressionsbehandlung mit SDH lebenslang
(TSH-Spiegel 0,1-0,2 mU/l).
-
Perkutane Bestrahlung:
a)
primär bei T4-Tumoren für SD-Bett und Lymphabstrombahnen
b)
bei Tumorrezidiven, wenn Radiojodtherapie nicht möglich
oder bereits erschöpft und keine Operation möglich ist.
-
Chemotherapie:
Als Palliativmaßnahme, bei nichtspeicherndem Rezidiv oder Metastasen, wenn Operation und
Bestrahlung nicht möglich sind.
3.1.2 Papilläres Karzinom
-
Bei Tumorgröße > 1 cm im Durchmesser und Patientenalter > 40 Jahre, Therapieschema wie
beim follikulären Karzinom.
-
Bei Tumorgröße < 1 cm im Durchmesser und Patientenalter < 40 Jahre ist ein eingeschränkt
radikales Vorgehen möglich. Eine Hemithyreoidektomie mit Isthmusresektion ist onkologisch
adäquat ohne nachfolgendes Ganzkörperszintigramm und ohne Radiojodtherapie. Bei nach
subtotaler Schilddrüsenresektion zufällig gefundenem Tumor < 1 cm und Resektion im Gesunden ist eine Nachoperation nicht erforderlich.
35
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Differenzierte Karzinome
Niedriges Risiko:
Hohes Risiko:
(75% der Patienten) pT1-3 pN0 M0 und pT1-3 pN1 M0 (TNM-Klassifikation
5. Auflage)
(25% der Patienten) pT4 jedes pN jedes M und jedes pT pN und M1 (TNMKlassifikation 5. Auflage)
Nach Beweis der vollständigen Ablation durch zweimaligen 131J-Scan
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese
Klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
Thyreoglobulin,
TSH/TRH-Test
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax
Sonographie: Hals
131 J-Ganzkörperszintigrafie
1. Jahr
2.
3. - 5.
weiter
3
6
12
6
12
6
12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
1x
1x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
1x
1x
x
x
x
x
x
x
x
alle 2 Jahre
x
1x
bei hohem Risiko alle 1-2 Jahre
Bei Anstieg des TG Lokalisationsdiagnostik mittels Sonografie, CT, MRT, 18F-FDG-PET oder
99m Tc-MIBI-Szinigrafie.
3.2
Undifferenziertes anaplastisches Karzinom
-
Hochmaligne, sehr schnell diffus und infiltrierend wachsend, histologisch wird eine großzellig,
spindelzellig und polymorphe Formunterschieden.
-
Thyreoidektomie mit Lymphdissektion des zentralen Kompartiments und Resektion der kurzen geraden Halsmuskulatur, eventuell Lymphdissektion des ipsi- u. kontralateralen Kompartiments.
-
Häufig keine R0-Resektion mehr möglich, dann Tumorverkleinerung anstreben.
-
Neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie.
-
Da bis zu 20 % Radiojodspeicherung in Tumor und Metastasen möglich ist, sollten Ganzkörperszintigramm und evtl. Radiojodtherapie postoperativ durchgeführt werden.
-
Hochdosierte Suppressionstherapie mit SDH lebenslang, da TSH-abhängiges Tumorwachstum möglich.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Undifferenziertes Karzinom
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese
Klinische Untersuchung
36
1. Jahr
2.
3. - 5. weiter alle 2 Jahre
1/2
3
6
12
6
12
jährlich
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
1x
1x
1x
1x
Jahr nach Primärtherapie
Monat
1. Jahr
3. - 5. weiter alle 2 Jahre
3
6
12
6
12
jährlich
x
x
x
x
x
x
x
1x
1x
x
x
x
x
x
1x
1x
x
x
x
x
x
1x
x
1x
weiter nach Bedarf
nach Bedarf
1x
1x
Laboruntersuchung:
Thyreoglobulin,
CEA,
TSH/TRH-Test
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax
Sonographie: Hals/Leber
Ganzkörperszintigramm mit 131 J
Knochen-Scan, CT, MRT
3.3
2.
1/2
x
x
Medulläres Karzinom
-
75% sporadische Form, 25% familiäre Form (isoliert oder im Rahmen des MEN 2a oder 2b
Syndroms)
-
Zur präoperativen Diagnostik Calcitonin (Pentagastrin-Stimulationstest) und CEABestimmung, zum Ausschluss familiärer Form RET-Protoonkogenbestimmung und bei positivem Befund Familienscreening erforderlich.
-
Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion des zentralen und beidseitigen lateralen Kompartiments, eventuell auch mediastinale Lymphknotendissektion und Thymektomie.
-
Prophylaktische Thyreoidektomie bei familiärer Form und RET-Protoonkogenträgern.
-
Bei unvollständiger Tumorentfernung postoperativ perkutane Bestrahlung.
-
Ganzkörperszintigramm und Radiojodtherapie sind nicht indiziert.
-
Lebenslange Suppressionstherapie mit SDH (TSH im Normbereich).
-
Evtl. Chemotherapie bei nichtoperablen Rezidiven oder Metastasen.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Medulläres Karzinom
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese
Klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
Calcitonin/Pentagastrinstimulationstest,
CEA,
TSH/TRH-Test
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax
Sonographie: Hals/Leber
Knochen-Scan, CT, MRT, 18F-FDGPET, 111 In-Octreotid-Szinigrafie
1. Jahr
2.
3. - 5.
weiter alle 2 Jahre
3
6
9
12
6
12
jährlich
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
1x
1x
1x
1x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
1x
1x
1x
1x
1x
1x
x
x
1x
1x
1x
1x
x
x
x
x
x
nach Bedarf
Literatur:
-
Empfehlungen zur Nachsorge maligner Tumoren der Aktionsgemeinschaft der NordrheinWestfälischen Tumorzentren und Onkologischen Arbeitskreise in der Gesellschaft zur Bekämpfung der Krebskrankheiten NRW e. V.
37
-
-
-
-
Horschig, P.
Schilddrüsentumoren
In „Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit Onkologischen Erkrankungen“
Hrsg. Brandenburgisches Tumorzentrum – Onkologische Schwerpunkte und Arbeitskreise, 3.
Auflage 1998
Interdisziplinäre Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft
für Chirurgie, 3. Auflage 2002
Maligne Schilddrüsentumoren
Pfannenstiel, P. et. al.
Schilddrüsenkrankheiten - Diagnose und Therapie
4. Auflage, 1999, hrsg. Henning Berlin
Berliner Medizinische Verlagsanstalt GmbH
Rothmund, M. et. al.
Praxis der Viszeralchirurgie, Endikrine Chirurgie
1. Auflage 2000
Springer Verlag Berlin – Heidelberg – New York
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. J. Kluge
OA der Chirurgischen
Klinik am Carl-Thiem-Klinikum Cottbus
38
4.
Mammakarzinom
In Deutschland erkranken jährlich über 47.500 Frauen an Brustkrebs, davon etwa 19.300 im
Alter unter 60 Jahren. Brustkrebs stellt die häufigste Krebserkrankung bei Frauen dar. Die
relative 5-Jahresüberlebensrate für Brustkrebspatientinnen beträgt 76% (1).
Die Nachsorge durch den Gynäkologen beginnt nach Abschluss der Primärbehandlung und
soll den individuellen Bedürfnissen der Patientin angepasst sein.
Ziele der Nachsorge sind
• Erfassung und Therapie von Behandlungsfolgen
• die psychosoziale Rehabilitation
• die Durchführung der adjuvanten Hormontherapie
• die frühe Erkennung lokoregionärer Rezidive
• die frühe Diagnostik von kontralateralen Mammakarzinomen
• die Diagnostik oder der Ausschluß von Fernmetastasen (bei Symptomen)
• Erkennung von Zweitkarzinomen (Kolon, Endometrium)
• Qualitätssicherung
Zur psychosozialen Rehabilitation gehört die Einbeziehung des Sozialdienstes, um
geeignete Maßnahmen wie Anschlussheilbehandlungen und Wiedereingliederung in den
Beruf vorzubereiten. Zusätzlich können Kontakte zu Selbsthilfegruppen hergestellt oder eine
psychologische Betreuung veranlasst werden.
Die Durchführung der adjuvanten Hormontherapie ist einem ständigen Wandel unterworfen
und muss dem jeweils aktuellen Stand angepasst werden. Beratungen in den
Tumorkonferenzen der jeweiligen Tumorzentren sind empfehlenswert.
Bei den Nebenwirkungen sind insbesondere therapieassoziierte Symptome wie
Lymphödeme und Funktionsstörungen des Armes zu beachten und physiotherapeutische
Behandlungen einzuleiten.
Die Toxizität der adjuvanten Chemotherapie kann die Mitbetreuung durch einen Hämato/Onkologen, bei Behandlung mit kardiotoxischen Substanzen durch einen Kardiologen
erfordern. Bei bestrahlten Patientinnen sind ergänzende Nachsorgeuntersuchungen durch
den Strahlentherapeuten nach der Strahlenschutzverordnung vorgeschrieben.
Nachsorgeuntersuchungen
Die Nachsorgeuntersuchungen sollten in den ersten 3 Jahren vierteljährlich, im 4. und 5.
Jahr halbjährlich und ab dem 6. Jahr jährlich erfolgen.
Sie bestehen aus einem ausführlichen ärztlichen Gespräch, der Anamnese, körperlicher
Untersuchung, Laboruntersuchungen und bildgebender Diagnostik.
Da bei einem Lokalrezidiv oder Zweitkarzinom der ipsi- oder kontralateralen Mamma eine
kurative Chance gegeben ist, ist die bildgebende Diagnostik (Mammographie, Sonographie,
ggf. MRT) unverzichtbar.
Bei Symptomen der Patientin muss eine gezielte, frühzeitige bildgebende Diagnostik
veranlasst werden (Skelettszintigraphie, CT usw.). Insbesondere sind die zunehmend
besseren Behandlungsmöglichkeiten im metastasierten Stadium (Hormontherapie,
Biphosphonate, neue Zytostatika, Trastuzumab, Metastasenoperationen, minimal invasive
Eingriffe, wie z. B. die LITT bei Lebermetastasen – und die Strahlentherapie) zu berücksichtigen.
39
Systematische bildgebende Untersuchungen auf Metastasen werden von den Fachgesellschaften nicht empfohlen. Klinische Studien haben gezeigt, dass durch systematische
Untersuchungen kein Überlebensvorteil erreicht wird. Der mögliche Vorteil der Verbesserung
der Lebensqualität durch apparativen Nachweis einer Metastasenfreiheit wird durch negative
Beeinflussung der Lebensqualität bei falsch positiven Befunden aufgehoben.
Hier sollte hinterfragt werden, ob diese Studien (1994/1996) noch dem heutigen Stand der
Wissenschaft oder auch den individuellen Bedürfnissen der Patientinnen entsprechen.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen
Mammakarzinom
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese
Klinische Untersuchung*
Gynäkologische Untersuchung
Laboruntersuchung
Apparative Untersuchung:
Sonographie:
kontralaterale Mamma
Sonographie: Mamma
(nach brusterhaltender OP)
Mammographie kontralateral
Mammographie ipsilateral
(bei brusterhaltender OP)
Skelettszintigraphie
Rö-/CT- Thorax
Sonographie/CT/MRT-Oberbauch
1
1)
x
x
x
x
3
x
x
1.- 3.
6
9
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
12
x
x
x
x
6
x
x
x
x
x
x
x
x
4.-5.
12
x
x
x
x
6.-10.
12
x
x
x
x
x
x
x
bei Symptomen
bei Symptomen
bei Symptomen
x
x
) Basisuntersuchungen im Rahmen der Primärtherapie
*
Die klinische Untersuchung beinhaltet: Lokalbefund; Lymphabflusswege axillär/supra-/intraklavikulär;
Armumfang; kontralaterale Mamma; Leber (palp.); Lunge (auskult. und perkutorisch); Skelettsystem.
(1) Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem
Robert Koch Institut, 4. überarbeitete, aktualisierte Ausgabe 2004
Redaktionelle Bearbeitung
Dr. med. F. Dreßler
Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam
40
5.
Bronchialkarzinome
Das Ziel dieser Empfehlungen ist es, die Nachsorge aller Patienten mit einem malignen
Tumor im Bereich des Thorax zu koordinieren und einheitlich zu gestalten, unabhängig von
der angewandten Therapieform.
Alle Kollegen, sowohl Hausärzte als auch konservativ und operativ tätige Kliniker, sollten
nach dem vorgegebenen Schema die Nachbehandlung durchführen und die Ergebnisse dem
zuständigen klinischen Krebs- und Nachsorgeregister rückmelden. Diese Daten werden im
Register erfasst m damit ein Kontrollinstrument über die Qualität der Behandlung zu
besitzen.
Nur so werden über lange Zeiträume Trends in der Behandlung ersichtlich und können
therapeutische Konsequenzen daraus gezogen werden.
Weiterhin soll durch die Erarbeitung einheitlicher Behandlungskriterien das Niveau der
Nachsorge für alle Patienten verbessert werden.
Zielvorstellung ist es, Metastasen und Lokalrezidive frühzeitig zu erkennen, um in geeigneten
Fällen nach eingehender Diagnostik und Beratung mit den Fachkliniken die bestmögliche
Therapie durchzuführen.
Sowohl lokal angreifende Behandlungsformen, wie Metastasenchirurgie oder Nachresektion
von Lokalrezidiven bei funktionell operablen Patienten, oder die Strahlentherapie beim
nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom können heute zu einer Verlängerung des Lebens oder
doch mindestens zu einer Verbesserung der Lebensqualität des Patienten führen.
In diesem Zusammenhang wird auch an eine effektive Schmerztherapie mit nach Möglichkeit
oral gegebenen Analgetika, auch aus der Morphiumreihe oder die Implantation von
Periduralkathetern mit und ohne Portsystemen gedacht.
Kommentar zum Bronchialkarzinom
-
-
-
-
-
Das Bronchialkarzinom ist mit einer Inzidenz von 62/100000 das häufigste Malignom
mit Todesfolge beim Mann aber auch mit derzeit 15/100000 bei der Frau in
Zunahme begriffen. Hauptinzidenz 45-85 Jahre, Altersgipfel 75 Jahre.
Risikofaktoren: Rauchen in 85-90% der Inzidenz und mindestens 10-fach erhöhtes
Risik, Asbestfasern, Luftkontaminanten (polyzyklische Kohlen-wasserstoffe (PAH),
Arsen, Chrom- Nickelverbindungen, Vinylchlorid) Radon, Röntgenstrahlung
Differenzierung/Klassifikation (anhand best-differenziertem Tumoranteil)
o Kleinzellige Karzinome (SCLC)
o Nichtkleinzellige Karzinome (NSCLC) (Plattenepithel-, Adeno-,
adenocystische, adenosquamöse, großzellige Karzinome)
o Neuroendokrine Tumoren (NEC) (typisches u. atypisches Karzinoid, klein- u.
großzellige NEC)
o Mischdifferenzierungen (Pleomorphie) in bis zu 50%!
Stadiierung (TNM-System, UICC 1997): derzeit 7 therapierelevante Gruppierungen:
Stadium I a, b, II a, b, III a, b, IV
beim SCLC zusätzlich Unterscheidung: „limited“ (thorakal-unilateral) und „extensive
disease“ (übrige)
Grading (an hand schlechtest-differenziertem Tumoranteil) vierstufig G1-G4
Therapie
o Resektion (Operabilitätsrate 17-32%, staging- und funktionsabhängig) bei
SCLC limited disease bei NSCLC bis Stadium IIIa(b) + sequentielle
Metastasenresektion (selten)
o (Poly)zytotoxische Therapie
o Bestrahlung
41
Interventionelle Endoskopie: (endobronchiale Brachytherapie, Prothetik,
Laser-/Beamer-/ mechanische endobronchiale Resektion / Thorakoskopie
(Talk-Pleurodese)
o Multimodale Therapie (Resektion + adjuvante oder neoadjuvante
Chemoradiatio)
o „best supportive“: Schmerztherapie, Pleurodese, Pericardese,
Psychoonkologie, O2-Langzeit u.a.
Prognosefaktoren: Histologie, Stadium, Grading, Protoonkogen /
Suppressorgenpatterns
o
-
Kleinzellige
Bronchialkarzinome
Überleben
limited
extensiv
Überlebensfunktion
Medianes
(Monate)
ohne Therapie
nach Resektion ±
nach Chemotherapie
Nicht-kleinzellige
Bronchialkarzinome
St I
II
IIIa IIIb
IV
6
4-5
2
36
12-14
7
n.d.
20
37
14
21
8
13 – 17
4,5 % Lobektomie
Operative Letalität
(Sammelstatistik)
7,3 % Pneumonektomie
Metastasen 80%
Ursache der Mortalität
Lokaler Progress/Rezidiv 12%
Kombiniert 6%
Lokalisationsort
der Metastasen
Klinisches
Erscheinungsbild
Nachweis
Leber
unklare Abdominalbeschwerden,
pathologische Fermente, unklares
Fieber
Sonographie, CT
Gehirn
Schwindel, Krämpfe, Erbrechen,
Doppelbilder, Wesensveränderung
CT
Niere
Hämaturie, Flankenschmerz
Sonographie, CT
Nebenniere
körperlicher Verfall
CT
Skelett
Schmerzen
Knochenszintigraphie, Röntgen
Lokales Rezidiv
Husten, Atemnot, Einflussstauung
Röntgen: Thorax
CT, Bronchoskopie,
Zytologie
42
Ziele der Nachsorge beim Bronchialkarzinom
Kurativ behandeltes BC
-
-
Nicht-kurativ behandeltes BC
5-Jahres-Rezidivrate Stadium I/II g
lobal: 50%
davon lokal: 10-20%
Fernmetastasen 20-30%
Zweittumoren 2-15%
Lokalrezidiverkennung
Komplikationserfassung
Spätmetastasierungserkennung
Zweittumorerkennung
Multimorbiditätsmanagement
Psychologische Führung
-
Krankheitsverlaufsdokumentation
(Remissionskontrolle)
Symptomkontrolle und –Minimierung
Nebenwirkungskontrolle und –
Minimierung
Lebensqualitätsoptimierung
Psychologische Führung
Zur Überwachungsdichte (Kontrollintervalle) beim Bronchialkarzinom liegen keine
kontrollierten Studien vor. Empfehlungen und Leitlinien beruhen auf retrospektiven Daten,
Konsensusstatements und klinischer Empirie. Anamnese und klinische Beobachtung sind die
Schlüsselkriterien der Nachsorge!
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Kleinzellige Bronchialkarzinome (SCLC)
Jahr nach
Primärtherapie
1.
2. u. 3.
Monat 1,5 3 4,5 6 7,5
Anamnese:
AZ, Gewicht,
Schmerzen,
Dyspnoe,
X
Husten, Auswurf,
Hämoptoe, Heiserkeit
Klinische
Untersuchung:
LK, Einflussstauung,
Auskultation, Leber,
X
Skelett
Laboruntersuchung:
BSG, Hb, Ery, Leuko,
Al. Phosph., GGT,
X
LDH, CEA, NSE*
Lungenfunktion*
Apparative
Untersuchungen:
Thorax-übers.
X
Sonographie*
CT (Schädel)*
Bronchoskopie*
Endosonographie*
9
10,
12
5
4. u. 5.
>5
3
6
9 12
6
12 1xjährl.
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
klinik- und fallbezogen
X
X
X
X
X X
X
X
X
X
X
X
klinik- u. fallbezogen
X
klinik. u. fallbezogen (N-Status)
X
X
X
X
X
X
X
X
X X
(X) (X)
(X) (X)
X
(X)
(X)
X
43
Nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC)
Jahr nach Primärtherapie
Monat 3
Anamnese:
AZ, Gewicht, Schmerzen, Dyspnoe,
Husten, Auswurf, Hämoptoe, Heiserkeit
X
6
1.
9
12 3
2. u. 3.
4. u. 5.
>5
6 9 12 6 12 1xjährl.
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Klinische Untersuchung:
LK, Einflussstauung, Auskultation,
Leber, Skelett
X
Laboruntersuchung:
BSG, Hb, Ery, Leuko, Al. Phosph., GGT, X
LDH, CEA, NSE*
Lungenfunktion*
Apparative Untersuchungen:
Thorax-übers.
X
Sonographie*
X
CT (Schädel)*
X
Bronchoskopie*
Endosonographie*
X
klinik- und fallbezogen
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X X
(X) (X)
(X) (X)
X
(X)
(X)
X
X
klinik- u. fallbezogen
klinik- und fallbezogen (N-Status)
Erläuterungen zum Schema und Anmerkungen:
X empfohlene Kontrolle generell
* Tumormarkerkontrolle nur bei prätherapeutisch erhöhten Werten (CEA, NSE,
CYFRA 21)
(X) regelmäßige Kontrollen aufgrund retrospektiver Studien nicht generell zu empfehlen
sondern gezielt fall- und befundbezogen (Verdacht) für:
*
-
-
44
Sonographie (Abdomen, Pleura): bedingt zu empfehlen (Oberbauch) im
3 Jahresverl.
* CT (Schädel, Thorax, Abdomen): bedingt zu empfehlen (Schädel) im 3
Jahresverl.
* Skelettszintigraphie nur fall- und befundbezogen
* Bronchoskopie: 1x jährlich im 3-Jahresverlauf bedingt zu empfehlen,
ansonsten gezielt fall- und befundbezogen (Verdacht), die Option der
präventiven Autofluoreszenzbronchoskopie kann individuell angeboten und
berechnet werden
* Endosonographie, bronchial, ösophageal, gastral (EBUS bzw. EUS), kann
ausschließlich gezielt fall- und befundbezogen (N-Status mediastinal,
Nebennieren) nachgeschaltet zu CT und insbesondere postoperativ
angeboten werden
tumorbezogene Nachsorgemaßnahme
Lungenfunktionsprüfungen als direkt
(Obstruktion, Restriktion, Diffusionsstörung) erfolgen gezielt fall-, befund- und
therapiebezogen (Tumorstenose, Erguss-Pleura, Bestrahlung und Interventionen)
nicht
direkt
tumorbezogene
allgemeine
Lungenfunktionsprüfungen
als
Nachsorgemaßnahme erfolgen abhängig von Basismorbidität (obstruktive
Atemwegserkrankungen u.a.)
Literatur
-
-
-
-
-
Mountain CF
International Staging System for Lung Cancer
In „Lung Cancer“ HI Pass, JB Mitchell et.al. Edts
Lippincott, Williams & Wilkins 2nd ed.(2000) pp. 501-601
Travis WD, Colby TV, Corrins B et al.
Histological Typing of Lung and Pleural Tumours
Springer (1999)
Thomas M, Gatzemeier U, Goerg R et al.
Sektion Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP)
Empfehlungen zur Diagnostik des Bronchialkarzinoms
Pneumologie (2000) 54:361-371
Thomas M, Baumann M, Deppermann M et al.
Sektion Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP)
Empfehlungen zur Therapie des Bronchialkarzinoms
Pneumologie (2002) 56:113-131
Rivera MP, Detterbeck F, Mehta AC
Diagnosis of lung cancer. The guidelines
Chest (2003) 123: 129
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. W. Frank
Chefarzt der Fachklinik für Pneumologie
Johanniter-KH im Fläming gGmbH, Treuenbrietzen
45
6.
Tumoren des Verdauungstraktes
Schematisierte Nachsorgeempfehlungen werden nur für radikal oder unter kurativer Zielsetzung
operierte Patienten vorgenommen. Es wird davon ausgegangen, dass palliativ-operativ oder
endoskopisch-interventionell behandelte Patienten einer symptombezogenen engmaschigen
Betreuung unterliegen.
6.1
Oesophaguskarzinome
In Deutschland erkranken jährlich etwa 3.370 Männer und 880 Frauen an einem
Ösophaguskarzinom. Die Überlebensraten von Patienten mit Ösophaguskarzinom gehören zu den
ungünstigsten aller Krebserkrankungen. Die relative 5-Jahresüberlebensrate liegt für Männer bei
etwa 11% und für Frauen bei 8% (1).
Jeder Patient mit einem Oesophaguskarzinom ist behandlungsbedürftig. Führendes Symptom ist
die Dysphagie, einhergehend mit Gewichtsverlust. Nur der kleinere Teil der Oesophaguskarzinome
läßt sich radikal operieren. Der Hauptanteil bedarf einer Palliativtherapie. Bei fehlender
Belastbarkeit für radikale oder palliative Maßnahmen ist eine symptomatische Behandlung
erforderlich.
6.1.2
Nachsorgeprogramm
Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte daher symptomorientiert erfolgen, z.B.
bei Anastomosenstenosen. Aspekte der Lebensführung sind einzubeziehen.
Häufigste Anlässe zu Maßnahmen in der Nachbehandlungsphase:
-
Dysphagien in den ersten Monaten nach einer Radikaloperation sind meist auf Narbenstenosen und nicht auf Rezidive zurückzuführen und mit ein bis zwei Bougierungen dauerhaft
zu beseitigen.
-
Narbenstenosen nach Strahlentherapie sind ebenfalls zu bougieren.
Palliativ Behandelte sollten bei Auftreten einer Dysphagie sofort der klinischen Behandlungsstelle
zugeführt werden. Behandlungsanlässe:
-
oesophagotracheale Fisteln können durch eine endoskopische Pertubation gedeckt werden
und beseitigen die Aspiration.
-
ein durch Nahrungsbrocken blockierter Tubus muss endoskopisch wieder durchgängig
gemacht werden.
-
oralwärts dislozierte Tuben werden endoskopisch entfernt und evtl. neu plaziert.
-
Fernmetastasen bedürfen einer befundbezogenen Behandlung.
Für Radikaloperierte wird folgendes Nachsorgeprogramm vorgeschlagen:
46
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Oesophaguskarzinome
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat 3
Anamnese
x
klinische Untersuchung
x
Laboruntersuchung:
Apparative Untersuchung:
Röntgen/CT: Thorax
Endoskopie: Obere Intestinoskopie
Sonographie: Leber
6.2
1.
6
x
x
2.
9 12 3
x x x
x x x
6
x
x
9 12 6
x x x
x x x
bei Bedarf
3.
12
x
x
6
x
x
4.
12
x
x
6
x
x
5.
12
x
x
bei Bedarf
bei Symptomen / Rezidivverdacht
Magenkarzinome
Die geschätzte Zahl der jährlichen Neuerkrankungen an einem Magenkarzinom beträgt in
Deutschland insgesamt 20.970, davon 11.110 Männer. Magenkrebs ist die fünfthäufigste
Krebserkrankung bei beiden Geschlechtern. Die relative 5-Jahresüberlebensrate beträgt bei
Männern 30% und bei Frauen 31% (1).
Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge für die Verbesserung der Prognose ist bisher nicht
belegt. Die Nachsorge sollte symptomorientiert erfolgen und insbesondere Folgen des
Organverlustes behandeln. Dazu gehört z.B. die Verordnung von Vitamin B 12 und von
lipasereichen Pankreasfermentpräparaten nach totaler Gastrektomie wie auch die Ernährungsberatung. Neu auftretende Symptome sollten innerhalb von vier bis sechs Wochen abgeklärt
werden.
Erfolgte die Behandlung eines auf die Schleimhaut begrenzten Frühkarzinoms durch
Polypektomie, Mukosektomie oder lokale Magenwandexzision, ist wegen des möglicherweise
erhöhten Rezidivrisikos und der Möglichkeit einer kurativen radikalen Reoperation eine
gastroskopische Überwachung in sechsmonatigen Abständen für 3 Jahre zu empfehlen.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Magenkarzinome nach Gastrektomie
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat 3
Anamnese
x
klinische Untersuchung
x
Laboruntersuchung:
Apparative Untersuchung:
Endoskopie
Sonographie: Abdomen
CT: Abdomen
1.
6
x
x
2.
9 12 3
x x x
x x x
6
x
x
9 12 6
x x x
x x x
bei Bedarf
3.
12
x
x
6
x
x
4.
12
x
x
6
x
x
5.
12
x
x
bei Symptomen / Rezidivverdacht
47
Magenfrühkarzinome nach lokaler Therapie
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat 3
Anamnese
x
klinische Untersuchung
x
Laboruntersuchung:
Apparative Untersuchung:
Gastroskopie
Sonographie: Abdomen
6.3
1.
2.
6
x
x
9 12 3
x x x
x x x
x
x
3.
12
x
x
6
x
x
9 12 6
x x x
x x x
bei Bedarf
x
x x
bei Bedarf
6
x
x
4.
12
x
x
6
x
x
5.
12
x
x
x
Gallenblasen- und Gallengangskarzinome
Gallenblasenkarzinome (90 % Adenokarzinome) sind seltene, aber sehr bösartige Tumoren (ca.
1 % der malignen Tumoren), die frühzeitig lymphogen metastasieren oder per continuitatem in die
Leber einwachsen.
Nur ein geringer Teil (10 - 20 %) ist kurabel (Tis, T1, T2) und zwar meist dann, wenn der Tumor
zufällig bei einer Cholezystektomie, z. B. wegen Steinleiden, entdeckt wird.
Gallengangstumoren sind häufig langsam wachsende, relativ spät metastasierende Tumoren, die
hauptsächlich durch die biliäre Obstruktion zu Komplikationen führen.
Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte symptomorientiert erfolgen und
zunächst auf Anamnese und klinische Untersuchung beschränkt werden. Wenn sich hieraus ein
Handlungsbedarf für weiterführende Untersuchungen ergibt, so wären alle diejenigen Untersuchungen zu veranlassen, aus denen sich eine zu erwartende therapeutische Konsequenz
ableiten lässt.
Nach endoskopischer Endoprothesenimplantation sollte in Abständen von ca. 6 Wochen die
Durchgängigkeit der implantierten Drainagen überprüft werden.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Gallenblasen- und Gallengangkarzinome
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat 3
Anamnese
x
klinische Untersuchung
x
Laboruntersuchung:
Cholestaseparameter
apparative Untersuchung:
Sonographie: Abdomen
CT: Abdomen
48
1.
2.
3.
4.
5.
6 9 12 3 6 9 12 6 12 6 12 6 12
x x x x x x x x x x x x x
x x x x x x x x x x x x x
bei Endoprothesenimplantation ca. alle 6 Wo.,
sonst bei Bedarf
bei Endoprothesenimplantation ca. alle 6 Wo.,
sonst bei Bedarf
bei Symptomen / Rezidivverdacht
6.4
Primäre Leberkarzinome
Als primäre Leberkarzinome werden das von den Hepatozyten ausgehende hepatozelluläre
Karzinom (90 %) und das von den intrahepatischen Gallenwegen ausgehende cholangiozelluläre
Karzinom (10 %) zusammengefasst. 1978 wurden die Leberkarzinome von der WHO in mehrere
Typen klassifiziert.
Ihre metastatische Ausbreitung erfolgt überwiegend hämatogen, zu 30 % lymphogen. In etwa 60 %
der hepatozellulären Karzinome und ca. 30 % der cholangiozellulären Karzinome finden sich
Infiltrationen der Pfortaderäste mit Tumorthrombenbildungen. Bis zu 25 % sind auch die
Lebervenen betroffen. Diese Zustandsbilder finden sich in 50 % der Fälle bereits bei einer
Tumorgröße von 3 cm. Als weitere Metastasenlokalisation kommen die Lungen (bis 50 %), Skelett
(20 %), Zwerchfell (15 %) sowie Nebennieren, Peritoneum und ZNS (10 %) in Frage. Beim
Auftreten der ersten klinischen Symptome liegt in 60 % der Fälle bereits ein Stadium mit
Metastasen vor.
Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Bei wenigen Patienten mit Rezidiven kann eine erneute
Resektion, eine Lebertransplantation oder eine Resektion einzelner Lungenmetastasen
prognostisch relevant sein. Aus diesem Grunde sollten als Minimalprogramm alle sechs Monate
eine klinische Untersuchung, eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens sowie eine
Tumormarkerbestimmung (AFP) durchgeführt werden.
Ansonsten sollte und kann sich die Nachsorge nur auf die Überwachung der Ernährung, die
Funktion der Restleber, ggf. die antibiotische Behandlung einer auftretenden Cholangitis, die
Schmerzreduktion und die psychische Betreuung konzentrieren (Lebensqualität).
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Primäre Leberkarzinome
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat
Anamnese
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP
apparative Untersuchung:
Sonographie
Röntgen: Thorax
CT/MRT: Oberbauch
6
x
x
x
x
1.
12
x
x
x
6
x
x
x
2.
12
x
x
x
6
x
x
x
3.
12
x
x
x
6
x
x
x
4.
12
x
x
x
6
x
x
x
5.
12
x
x
x
x x x x x x x x x
x
x
x
x
x
bei Symptomen / Rezidivverdacht
Lebermetastasen
Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und
Prognoseverbesserung ist zwar bisher nicht belegt, aber im Falle eines Tumorrezidivs in der Leber
nach operativer Therapie von Metastasen eines kolorektalen Karzinoms ist bei ca. 20% der
Patienten eine nochmalige R0-Resektion möglich mit einer Fünfjahres-Überlebensrate von etwa
30%. Auch bei begrenzter Lungenmetastasierung ist eine Resektion sinnvoll. Dies ist einer der
wesentlichen Gründe für eine regelmäßige Nachsorge bei diesen Patienten (alle sechs Monate
klinische Untersuchung, Sonographie Abdomen, Röntgenuntersuchung Thorax, ggf. Tumormarker,
siehe Primärtumor).
49
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Lebermetastasen (kolorektaler Karzinome)
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat
Anamnese
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
Tumormarker je nach Primärtumor
apparative Untersuchung:
Sonographie Abdomen
Röntgen Thorax
6.5
6
x
x
1.
12
x
x
6
x
x
2.
12
x
x
6
x
x
3.
12
x
x
6
x
x
4.
12
x
x
6
x
x
5.
12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Pankreaskarzinom und Karzinom der Ampulla vateri
(Papillenkarzinom)
In Deutschland wird die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen bei Männern auf über 5.700, bei
Frauen auf über 7.700 geschätzt. Etwa 3,5 % aller Krebserkrankungen sind Pankreaskarzinome.
Bösartige Neubildungen der Bauchspeicheldrüse gehören zu den Krebserkrankungen deren
Frühsymptome selten und uncharakteristisch sind. Daher werden Pankreaskarzinome häufig erst
im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Für die überwiegende Zahl der an einem
Pankreaskarzinom Erkrankten besteht nach wie vor kaum Aussicht auf Heilung. Die 5Jahresüberlebensrate liegt nahezu bei 5% (1).
Nachsorgeempfehlungen
Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfrüherkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte symptomorientiert erfolgen. Wenn sich
hieraus ein Handlungsbedarf für weiterführende Untersuchungen ergibt, so wären alle diejenigen
Untersuchungen zu veranlassen, aus denen sich eine zu erwartende therapeutische Konsequenz
ableiten lässt.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Pankreaskarzinom und Papillenkarzinom
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat 3
Anamnese
x
klinische Untersuchung
x
Laboruntersuchung:
apparative Untersuchung:
Sonographie/CT: Abdomen
1.
6
x
x
2.
3.
9 12 6 12 6 12
x x x x x x
x x x x x x
bei Bedarf
6
x
x
4.
12
x
x
6
x
x
5.
12
x
x
bei Symptomen /Rezidivverdacht
(1): Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem RobertKoch-Institut, 4. überarbeitete, aktualisierte Ausgabe 2004
Redaktionelle Bearbeitung :
Prof. Dr. H. Wenisch
Chefarzt Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam
50
6.6
Kolorektale Karzinome
Nachfolgende Empfehlungen
(www.krebsgesellschaft.de).
entsprechen
den
Empfehlungen
der
ISTO-Leitlinien
2004
Bei Patienten mit UICC-Stadium I ist nach R0-Resektion in Anbetracht der geringen Rezidivrate
und der günstigen Prognose durch regelmäßige Nachuntersuchung kein prognostischer Gewinn zu
erwarten. Eine Koloskopie nach 2 und 5 Jahren dient der Früherkennung von Zweittumoren (s.
Tab.). Abweichend hiervon kann im Einzelfall bei Annahme eines hohen Rezidivrisikos aufgrund
des intraoperativen Befundes (z.B. erhöhtes Lokalrezidivrisiko nach intraoperativer Tumoreröffnung) oder eines pathohistologischen Befundes (z.B. erhöhtes Risiko für Lebermetastasen bei
Invasion perikolischer Venen oder G3/4-Tumoren) eine regelmäßige oder engmaschige Nachsorge
angezeigt sein. Dies gilt auch für die anderen Stadien.
Bei Patienten mit UICC-Stadium II und III sind nach operativer Therapie mit R0-Resektion
regelmäßige Nachuntersuchungen zu empfehlen, sofern der Allgemeinzustand und die Lebenserwartung einen Eingriff bei Rezidiv vertretbar erscheinen lassen.
Nach palliativer Tumorresektion (R2-Resektion) oder im UICC-Stadium IV sollte eine symptomorientierte Nachbetreuung durchgeführt werden.
Bei Patienten mit HNPCC (Hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis) sind nach
Hemikolektomie koloskopische Untersuchungen in zweijährigem Intervall (bei Adenom jährlich),
nach subtotaler Kolektomie in zweijährigem Intervall eine Rektoskopie angezeigt. Außerdem
sollten jährlich gynäkologische Untersuchungen und eine Urinzytologie erfolgen.
Bei Patienten mit familiärer Adenomatosis coli (FAP) sollten nach Anlage eines Ileum-Pouches
eine Poucheoskopie jährlich und ab dem 30. Lebensjahr eine Gastro-Duodenoskopie in
dreijährigem Abstand (bei Vorliegen von Adenomen jährlich) erfolgen. Nach Ileorektostomie ist die
Rektoskopie in jährlichem Abstand empfehlenswert.
Für alle Nachsorgeschemata gilt:
Die Nachsorge beginnt in der Regel 6 Monate postoperativ. Bei nicht kompletter präoperativer
Koloskopie sollte diese 3 Monate postoperativ erfolgen.
Nach dem 5. Nachsorgejahr sollte alle 3 Jahre eine Koloskopie durchgeführt werden.
Abweichungen von den Schemata bzw. Erweiterungen im diagnostischen Spektrum (z.B. durch
Spiral-Computertomographie) können befund- bzw. symptomorientiert notwendig werden (z.B. bei
unklarem Sonographiebefund, CEA-Anstieg) oder aus anderen individuellen Gründen.
Eine CEA-Bestimmung in der Nachsorge erscheint nur sinnvoll bei primär/präoperativ erhöhtem
CEA. Abweichend von vorliegenden Nachsorgeempfehlungen hat die American Society of Clinical
Oncology (ASCO) 1996 die CEA-Bestimmung bei Patienten mit kolorektalem Karzinom des
Stadiums II und III alle 2-3 Monate für 2 Jahre empfohlen, allerdings nur für Patienten, die willens
und in der Lage sind, sich einer Leberresektion bei Auftreten von Metastasen zu unterziehen.
Tumoren, die nicht eindeutig dem Rektum oder Sigma zuzuordnen sind (sog. Rektosigmoidkarzinome), werden in der Tumornachsorge wie Rektumkarzinome behandelt.
51
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen
Kolonkarzinom, UICC-Stadium I
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat
Anamnese
körperliche Untersuchung
Koloskopie
* nur bei Lokaltherapie
1.
6
x
x
x*
2.
12
18
12
x
x
x
x
18
x
x
x
x
12
18
12
x
x
x
18
x
x
x
24
x
x
x
3.
36
4.
48
5.
60
x
x
x
3.
36
x
x
x
x
4.
48
x
x
x
x
5.
60
x
x
x
x
x
3.
36
4.
48
5.
60
x
x
x
3.
36
x
x
4.
48
x
x
5.
60
x
x
Kolonkarzinom, UICC-Stadium II und III
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat
Anamnese
körperliche Untersuchung
CEA
Abdomen-Sonographie
Koloskopie
1.
6
x
x
x
x
2.
24
x
x
x
x
x
Rektumkarzinom, UICC-Stadium I
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat
Anamnese
körperliche Untersuchung
Koloskopie
1.
6
2.
24
x
x
x
Rektumkarzinom, nach lokaler Exzision
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat
Anamnese
körperliche Untersuchung
Rektoskopie oder Sigmoidoskopie,
Endosonographie
Koloskopie
1.
6
x
x
x
2.
24
x
x
x
x
Nach endoskopischer Abtragung eines gestielten Polypen mit T1-Karzinomen low-risk sind bei
tumorfreier Polypenbasis die Nachuntersuchungen nach 12 und 18 Monaten entbehrlich.
52
Rektumkarzinom, UICC-Stadium II und III
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat
Anamnese
körperliche Untersuchung
CEA
Abdomen-Sonographie
Rektoskopie oder Sigmoidoskopie,
Endosonographie
Koloskopie
Computertomographie Becken
1
2
1.
6
x
x
x
x
x1
2.
12
x
x
x
x
x1
18
x
x
x
x
x1
24
x
x
x
x
3.
36
x
x
x
x
x2
4.
48
x
x
x
x
x2
x
5.
60
x
x
x
x
x
x
Nach durchgeführter Radiochemotherapie ist der Nutzen nicht erwiesen.
Nach adjuvanter Strahlen-/Chemotherapie wegen verzögert auftretender Lokalrezidive.
Kontrolluntersuchungen nach Polypektomien
Die nachfolgenden Empfehlungen entsprechen den Empfehlungen der Dt. Gesellschaft für
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), 3. Auflage 2002.
Nicht-neoplastische Polypen:
Adenomfreies Kolon nach Polypektomie: keine spezielle endoskopische Nachsorge
notwendig.
Neoplastische Polypen:
Adenomfreies Kolon nach Polypektomie (R0): Kontrollendoskopie nach 3 Jahren, dann alle 5
Jahre.
Kolon nicht sicher adenomfrei bzw. Abtragung nicht sicher im Gesunden: Kontrollendoskopie
mit Biopsie/ Restpolypektomie nach 3 Monaten.
Ektomie eines invasiven T1-Karzinoms (G1-2, R0, L0V0, low-risk): Kontrollendoskopie nach 6,
24 und 60 Monaten.
Ektomie eines invasiven T1-Karzinoms (R1 oder G3-4 oder/und L1, high-risk): radikale
chirurgische Therapie und entsprechende Nachsorge.
-
53
6.7
Analkarzinome (nach Radiochemotherapie oder lokaler Exzision)
Nachfolgende Empfehlungen entsprechen den Nachsorgeempfehlungen in den ISTO-Leitlinien
2004.
Jahr nach kurativer Primärtherapie
Monat*
1.
1,5
(6 Wo.)
x
x
3
2.
6
9
Anamnese
x
x
x
körperliche Untersuchung
x
x
x
Abdomensonographie
x
Röntgen-Thorax in 2 Ebenen
Rektoskopie,
x
x
x
x
Endosonographie
MRT oder Spiral-CT Becken
x
* nach Abschluss der Radiochemotherapie bzw. Primärtherapie
Redaktionellle Bearbeitung
PD Dr. med. D. Nürnberg
Dipl.-Med. Ch. Löschner
Dr. med. Uebach
Medizinische Klinik B
Dr. med. M. Bastian
Klinik f. Allgemein- u. Viszeralchirurgie
Ruppiner Kliniken GmbH
54
3.
4.
5.
12
18
24
36
48
60
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
7. Prostatakarzinom
Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes. Unter den urologischen Tumoren ist er
die häufigste Todesursache. Ca. 10.000 Männer sterben pro Jahr an den folgen eines
Prostatakarzinoms in Deutschland.
Risikofaktoren:
familiäre Häufung (Brüder u. Söhne betroffener Pat. haben ein dreimal
höheres Risiko und erkranken ca. 10 Jahre früher), fettreiche Ernährung,
genetische Prädisposition(?)
Frühsymptome gibt es beim Prostatakarzinom nicht, nur Vorsorgeuntersuchungen (PSA, rektale
Untersuchung) ermöglichen eine Früherkennung.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Prostatakarzinom – nach Therapie mit kurativer Zielsetzung
Jahr nach Primärtherapie 1. - 2. Jahr 3. - 5. weiter
Monat 3 6 9 12 6 12 jährlich
Anamnese
x x x x x x
1x
Klinische Untersuchung
x x x x x x
1x
Laboruntersuchung:
x x x x x x
1x
BB, BSR, Kreatinin, Elektrolyte, Urin-Status,
PSA (Tumormarker)
Apparative Untersuchung:
Sonographie: Abdomen, Nieren, Blase, Restharn
x x
x x x
1x
Röntgen: Skelett und Thorax
bei entsprechenden Symptomen
und Befunden
Skelettszintigraphie
Klinische Hinweise auf Knochenmetastasen, verbunden mit einem PSA-Anstieg, erfordern eine
Skelettszintigraphie zum Erkennen von Knochenmetastasen.
Zusätzliche Röntgenuntersuchung (gezielte Skelettaufnahmen, Röntgen-Thorax) können indiziert
sein, wenn szintigraphisch Knochenmetastasen festgestellt wurden und sich therapeutische
Konsequenzen ergeben, z. B. palliative Bestrahlung oder operative Stabilisierung destruierender
Knochenmetastasen.
Da Prostatakarzinome unterschiedliche Verläufe zeigen, ist die Nachsorge lebenslänglich
fortzuführen.
Prostatakarzinom – nach palliativer Zielsetzung
Nachsorge individuell nach klinischer Symptomatik und Befunden - Symptomatische Therapie.
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. G. Lehmann
FA für Urologie / Konsiliararzt
Nordbrandenburgischer Onkologischer
Schwerpunkt e. V.
Am Klinikum Uckermark Schwedt/O.
55
8. Harnblasenkarzinom
Das Harnblasenkarzinom ist neben dem Prostatakarzinom der zweithäufigste urologische maligne
Tumor. Männer sind in einem Verhältnis von 3 : 1 häufiger betroffen als Frauen.
Risikofaktoren:
Rauchen, Exposition mit aromatischen
chronische Blasenentzündung)
Aminen,
Phenazetinabusus,
Das Maximum der Tumorinzidenz liegt zwischen dem 5. und 7. Lebensjahrzehnt. Patienten mit
einem primären Blasenkarzinom weisen zu 70 % während der Verlaufskontrolle ein Tumorrezidiv
auf, wobei es sich in mehr als der Hälfte der Fälle bei den Rezidivtumoren um nicht muskelinvasive
Erkrankungen handelt, die somit durch eine transurethrale Resektion kurativ zu behandeln oder
mindestens gut zu kontrollieren sind. Aufgrund dieser Tatsachen ist eine sorgfältige
Tumornachsorge zwingend notwendig.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Blasenkarzinom/Oberfl. Tumoren (Ta, Tis, T1 G1-2)
(nach TUR mit kurativer Zielsetzung)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese
Klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
BB, BSR, Kreatinin, Harnstoff, Elektrolyte, Urin-Status, UrinZytologie (nur bei Tis),
Apparative Untersuchung:
Zystoskopie
Sonographie: Abdomen, Nieren, Restharn
1. - 2. Jahr
3
x
x
6
x
x
9 12
x x
x x
3. und
4.
6 12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Urogramm, Skelettszintigraphie, CT (Abdomen)
x
x
5.
12
x
x
x
x x x
x
x
x
x x x
x
x
x
bei entsprechenden
Symptomen und Befunden
Fortgeschrittenes Harnblasenkarzinom nach Zystektomie
(pT2 - pT3b, G 3-4)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese
Klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
BB, BSR, Kreatinin, Elektrolyte, ALAT, ASAT,
Blutgasanalyse
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax
Sonographie: Abdomen, Nieren, Restharn
CT: ges. Abdomen
Skelettszintigraphie
Urogramm
1. Jahr
3
x
x
x
x
6
x
x
x
x
x
x
x
9
x
x
x
x
2. Jahr
12
x
x
x
x
x
x
x
x
3
x
x
x
6
x
x
x
9 12
x x
x x
x x
x
x
x
Dauer der Nachsorge: lebenslänglich
Bei Rezidiv oder Metastasierung individuelle Nachsorge und Therapie.
56
3. und 4.
x
x
x
x
x
6
x
x
x
x
12
x
x
x
x
x
x
x
x
ab
5.
12
x
x
x
x
x
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. G. Lehmann
FA für Urologie / Konsiliararzt
Nordbrandenburgischer Onkologischer
Schwerpunkt e. V.
Am Klinikum Uckermark Schwedt/O.
57
9. Nierenbecken- und Ureterkarzinome
Die Nierenbeckentumoren machen etwa 7 – 10 % aller malignen Nierentumoren aus.
Ureterkarzinome sind nur mit 1 % aller Urogenitalmalignome vertreten. Histologisch handelt es
sich überwiegend um Urothel- selten um Plattenepithelkarzinome. Das Verhältnis Männer zu
Frauen beträgt 3 zu 1. Das Prädilektionsalter liegt zwischen 50 und 55 Jahren.
Risikofaktoren:
Analgetikaabusus, chronische Entzündungen, Steinleiden, Nephritis,
Rauchen.
Differentialdiagnostisch kommen Nierenbeckenkonkremente, Narben, Strikturen, Nierenbeckenoder Ureterpolypen in Betracht. In Abhängigkeit vom Infiltrationsgrad, vom Grading und von der
Lymphgefäßinvasion ergibt sich etwa folgende Prognose:
G1-Tumoren
G2-Tumoren
G3-Tumoren
–
–
–
5-Jahres-Überlebenszeit 83 %
5-Jahres-Überlebenszeit 52 %
5-Jahres-Überlebenszeit 18 %
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Nierenbecken- und Ureterkarzinome
(nach Therapie mit kurativer Zielsetzung)
Jahr nach Primärtherapie
Monat 3
Anamnese
x
Klinische Untersuchung
x
Laboruntersuchung:
BB, BSR, Kreatinin, Harnstoff,
x
Elektrolyte, Urin-Status, Urin-Zytologie
Apparative Untersuchung:
Zystoskopie
x
Sonographie: Nieren
x
Urogramm, Skelettszintgraphie,
CT (Abdomen
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. G. Lehmann
FA für Urologie / Konsiliararzt
Nordbrandenburgischer Onkologischer
Schwerpunkt e. V.
Am Klinikum Uckermark Schwedt/O.
58
1.
2.
6
x
x
9
x
x
12
x
x
3
x
x
6
x
x
9
x
x
12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
3. und 4.
6
12
x
x
x
x
x
5.
12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
bei entsprechenden
Symptomen und Befunden
x
x
10.
Hodentumore
In den aufgeführten Empfehlungen wurde Wert auf Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit gelegt.
Die Nachsorge besteht aus klinischer Untersuchung, Tumormarkerbestimmungen und bildgebender Diagnostik. Sonografische Kontrollen des kontralateralen Hodens sind notwendig, sofern nicht
primär durch eine PE eine TIN ausgeschlossen oder eine nachgewiesene TIN bestrahlt wurde.
Diese sollten einmal jährlich durchgeführt werden.
Zur Beurteilung des Retroperitoneums ist eine Computertomografie einer Sonografie überlegen.
Dargestellt werden die Nachsorgeintervalle für alle Stadien, Histologien und Therapiemodalitäten
entsprechend dem Rezidivrisiko nach den Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Hodentumoren auf Grundlage evidenzbasierter Medizin (EBM) 2002.
Stadieneinteilung - Lugano
Stadium I
Stadium II
II A
II B
II C
Stadium III
Hoden
regionäre LK-Stationen
Metastase in solitärem LK
Metastase(n) in solitärem LK 2-5cm oder in multiplen LK < 5cm
Metastase(n) in LK > 5cm
Fernmetastasen
Prognose-Definition - IGCCCG 1995
gute Prognose
Nichtseminom
Testis/primärer retroperitonealer Tumor und
„niedrige“ Marker und
keine nichtpulmonalen viszeralen Metastasen
Seminom
jede Primärlokalisation und
jede Markerhöhe und
keine nichtpulmonalen viszeralen Metastasen
Intermediäre Prognose
Nichtseminom
Testis/primärer retroperitonealer Tumor und
„intermediäre“ Marker und
keine nichtpulmonalen viszeralen Metastasen
Seminom
jede Primärlokalisation und
jede Markerhöhe und
nichtpulmonale viszerale Metastasen
Schlechte Prognose
Nichtseminom
primär mediastinaler Keimzelltumor oder
Testis/primärer retroperitonealer Tumor mit
nichtpulmonalen viszeralen Metastasen
oder „hohe“ Marker
Marker
niedrig
intermediär
hoch
AFP (ng/ml)
< 1000
1000-10000
> 10000
HCG (ng/ml)
< 1000
1000-10000
> 10000
LDH x NW
< 1,5
1,5-10
> 10
59
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Nichtseminom CS I - nach diagnost. RLA
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
3
x
1.- 2.
6 9
x x
x
x
x
3.
12
x
3
x
6
x
9
x
12
x
x
x
x
x
x
apparative Untersuchung
Röntgen Thorax
x
x
CT-Abdomen/Becken
x
x
x
x
4. – 5. 6. – 10.
6 12
12
x x
x
x
x
x
x
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
Nichtseminom CS I - nach adjuvanter Chemotherapie
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
3
x
1.- 2.
6 9
x x
x
Röntgen Thorax
CT-Abdomen/Becken
x
12
x
x
3. – 5. 6. – 10.
6 12
12
x x
x
x
x
x
x
x
x
x
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
Nichtseminom CS IIA/B – primäre Chemotherapie mit / ohne Residualtumorresektion
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
3
x
1.- 2.
6 9
x x
x
Röntgen Thorax
CT-Abdomen/Becken
•
60
12
x
x
3. – 5. 6. – 10.
6 12
12
x x
x
x
x
x
x
x
x
Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
x
Nichtseminom CS IIA/B - RLA
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
3
x
1.- 2.
6 9
x x
x
x
x
3.
4. – 5. 6. – 10.
6 12
12
x x
x
12
x
3
x
6
x
9
x
12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
apparative Untersuchung
Röntgen Thorax
x
x
CT-Abdomen/Becken
x
x
x
x
x
x
x
x
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
Nichtseminom CS IIA/B – RLA + Chemotherapie
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
3
x
1.- 2.
6 9
x x
x
12
x
x
3. – 5.
6 12
x x
x
6. – 10.
12
x
x
x
Röntgen Thorax
CT-Abdomen/Becken
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
Seminom CS I Surveillance – Nichtseminom CS I Surveillance
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
Röntgen Thorax
3
x
x
1.- 3.
6 9
x x
x
x
x
12
x
3
x
x
x
4.-5.
6 9
x
x
x
12
x
x
x
x
6. – 10.
6 12
x
x
x*
x*
x
CT-Abdomen/Becken
x x x x
x
x
x* Seminom halbjährlich – Nichtseminom jährlich
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
x
Seminom CS I – adjuvante Radiotherapie
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
3
x
1.- 2.
6 9
x x
x
x
x
3.
4. – 5. 6. – 10.
6 12
12
x x
x
12
x
3
x
6
x
9
x
12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
apparative Untersuchung
Röntgen Thorax
x
x
CT-Abdomen/Becken
x
x
x
x
x
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
61
Seminom CS IIA/B – Radiotherapie
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
3
x
1.- 3.
6 9
x x
x
x
x
12
x
4. – 5.
6 12
x x
6. – 10.
12
x
x
x
x
x
x
x
x
Röntgen Thorax
x
x
CT-Abdomen/Becken
x
x
x
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
Seminom oder Nichtseminom im fortgeschrittenem Stadium – „good prognosis“ nach
IGCCCG
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
Röntgen Thorax
3
x
x
1.- 3.
6 9
x x
x
x
x
12
x
3
x
4.-5.
6 9
x x
x
x
x
x
x
12
x
x
x
6. – 10.
6 12
x
x
x
CT-Abdomen/Becken
x
x
x
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
x
x
x
Seminom oder Nichtseminom im fortgeschrittenem Stadium – „intermediate /
prognosis“ nach IGCCCG
Jahr
Monat
klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
AFP, ß-HCG, LDH
Röntgen Thorax
3
x
1.- 3.
6 9
x x
x
(x)
x
x
x
(x)
12
x
3
x
x
x
x
4.-5.
6 9
x x
x
x
x
12
x
x
x
CT-Abdomen/Becken
x x x x
x
x
(x) 2-4x jährlich
* jährlich Sonografie Hoden: falls primär keine kontralaterale PE erfolgte
Redaktionelle Bearbeitung:
Prof. Dr. med. Oesterwitz
CA Klinik f. Urologie
Klinikum E.v. Bergmann, Potsdam
Dr. med. Schott
OA Klinik f. Urologie
Klinikum E.v. Bergmann, Potsdam
62
6. – 10.
6 12
x
x
x
x
x
x
poor
11. Nierenzellkarzinom
Die Nachsorge von Erkrankten mit Nierenzellkarzinom orientiert sich am Tumorstadium, an der
OP-Methode, am Krankheitsverlauf, am Allgemeinzustand und an den therapeutischen Möglichkeiten.
Onkologischen Situation:
- Inzidenz in Europa 8 - 13 Krankheitsfälle / 100.000 Einwohner / Jahr
- Männer sind 1,5- mal häufiger betroffen als Frauen
- Prädilektionsalter im 5.-7. Lebensjahrzehnt
- 95% Nierenzellkarzinome, 4% Onkozytome
- 60-70% asymptomatische Zufallsbefunde
- trotzdem ca. 30% bereits initial metastasiert
- 30-50% der Patienten weisen im weiteren Krankheitsverlauf Metastasen auf
- nur 3% davon solitär
Prognose:
Tumorstadium
5-Jahres-Überlebensrate in %
T1, N0, M0
T2, N0, M0
T3, N0, M0
T4
NX, N+
M1
95
83
58
16
20
8
Metastasenverteilung:
55 %
34 %
33 %
32 %
19 %
11 %
10 %
6-9%
Lunge
Lymphknoten
Leber
Skelettsystem
Nebenniere
kontralaterale Niere
Gehirn
Lokalrezidiv
Therapie:
Beim Nierenzellkarzinom ist die operative Therapie die einzige kurative Behandlungsoption.
Chemo-, Strahlen- und Hormontherapien müssen als weitestgehend wirkungslos angesehen
werden.
Beim metastasierten Tumor kann die Entfernung des Primärtumors einen rein palliativen Charakter
haben oder in einem kombiniert chirurgisch-immuntherapeutisch-systemischen Behandlungskonzept gesehen werden. Die Reduzierung der Tumorlast durch die Tumornephrektomie erfolgt
dann sinnvoller Weise als erster Schritt, um anschließend eine Immuntherapie (systemisch
und/oder inhalativ) durchzuführen. Durch Studien belegt, können dadurch bis zu 30% objektive
Remissionen erzielt werden. In diesen Fällen kann es auch zu einer Überlebensverlängerung
kommen.
Nierenerhaltende Operationen:
Voraussetzung ist die komplette Resektion des Tumors unter Funktionserhaltung des Restparenchyms.
63
absolute Indikation (imperativ):
Einzelniere
bilaterale Tumoren
eingeschränkte Nierenfunktion
relative Indikation (elektiv):
Tumoren bis 4 cm Größe mit und ohne Veränderungen
der anderen Niere
Metastasenbehandlung:
Chirurgisch-kurativer Ansatz:
- Primärtumor unter Kontrolle oder kontrollierbar
- höchstens eine entfernbare Metastase in einem weiteren Organ
- lokale Operabilität
- kalkulierbares Op-Risiko
Immuntherapie:
- auf Interleukin-2 und Interferon alpha basierende systemische Kombinationen mit 5-FU,
Vinblastin oder Retinoiden
- inhalative Therapie bei isolierten Lungenmetastasen
palliativer Ansatz:
- bei Symptomatik (Blutungen, Frakturen, spinale oder radikuläre Kompression etc.)
- bei drohender Symptomatik frühzeitige Stabilisierung anstreben
- Einbindung von Bestrahlungskonzepten
- Tumorembolisation
- Biphosphonattherapie bei Skelettmetastasen
- schmerztherapeutische Konzepte
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Jahr nach kurativer
Primärtherapie
Monat 3
Anamnese / klinische
x
Untersuchung
Laboruntersuchung:
BSG, AP, Hb
x
apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax
Sonographie Abdomen
CT Abdomen (alternativ MRT)
x
1.
2.
3.
4.
6
x
9
x
12
x
3
x
6
x
9
x
12 6
x x
12
x
6
x
12
x
jährlich
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x x x
bei unklarem Befund
Literatur:
- Diagnostische und therapeutische Standards in der Urologischen Onkologie
Weißbach, L., Miller, K., (1998)
- Nierentumoren
Staehler, G., Pomer, J.,
- Qualitätssicherung in der Onkologie
Kurzgefasste Interdisziplinäre Leitlinien 2001
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. B. Hoschke
ChA der Urologischen Klinik
Carl-Thiem-Klinikum Cottbus
64
5. – 10.
12. Peniskarzinom
Das Peniskarzinom tritt in der westlichen Welt selten auf. In Deutschland erkranken jährlich 0,8
von 100.000 Einwohnern. In Asien, Afrika und Amerika ist das Peniskarzinom deutlich häufiger, es
macht dort etwa 20-40% aller männlichen Malignome aus.
Risikofaktoren:
Virusinfektionen (Humanes Papillomvirus), fraglich Smegmaretention und
Balanitis
Die Zirkumzision stellt eine wesentliche Präventivmaßnahme dar.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Peniskarzinom
nach Therapie mit kurativer Zielsetzung
Jahr nach Primärtherapie 1. - 2. Jahr
Monat 3 6 9 12
x x x x
x x x x
Anamnese
Klinische Untersuchung
Laboruntersuchung:
BB, BSR, Kreatinin, Elektrolyte, Urin-Status,
Apparative Untersuchung:
Sonographie: Abdomen, insb. Leisten/Becken
CT/MRT
x
x
x
3. - 5. 6.-10.
6 12 jährlich
x x
x
x x
x
x
x
x
x
x x
x x x
x
bei entsprechenden
Symptomen und Befunden
Bei Patienten mit einem Peniskarzinom ist die psychoonkologische und psychosexuelle Betreuung
von besonderer Bedeutung.
Peniskarzinom
nach palliativer Zielsetzung
Nachsorge individuell entsprechend der klinischen Symptomatik und der Befunde.
Symptomatische Therapie bei Rezidiven und Metastasierung.
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. G. Lehmann
FA für Urologie / Konsiliararzt
Nordbrandenburgischer Onkologischer
Schwerpunkt e. V.
Am Klinikum Uckermark Schwedt/O.
65
13. Gynäkologische Karzinome
Die Nachsorge durch den Gynäkologen beginnt nach Abschluss der Primärbehandlung und soll
den individuellen Bedürfnissen der Patientin angepasst sein.
Ziele der Nachsorge sind:
• Erfassung und Therapie von Behandlungsfolgen
• die psychosoziale Rehabilitation
• Sexualberatung
• die frühe Erkennung lokoregionärer Rezidive
• die Diagnostik oder der Ausschluß von Fernmetastasen
• Mammavorsorgeuntersuchungen (Früherkennung)
• Erkennung von Zweitkarzinomen (Kolon, Endometrium)
• Qualitätssicherung
Inhalte der Nachsorge sind die Anamnese und die gynäkologische Untersuchung, ggf.mit Zytologie
und Biopsie und der vaginale Ultraschall. Bildgebende Verfahren (CT, MRT, PET) sind
symptomorientiert und risikoadaptiert indiziert.
Der systematische Einsatz von Tumormarkern ist bei Ovarialkarzinomen zu diskutieren.
Bei bestrahlten Patientinnen ist die ergänzende Nachsorge durch den Strahlentherapeuten nach
der Strahlenschutzverordnug vorgeschrieben.
13.1 Vulvakarzinom
Untersuchungstermine werden bei den meist älteren Patientinnen individuell gehandhabt.
Vorrangig ist eine sorgfältige Untersuchung der Narbenregion mit dem Kolposkop und die
Palpation insbesondere im Inguinal- und Rektalbereich. Zytologische Untersuchungen oder
Probeexzisionen sind bei verdächtigen Hautarealen erforderlich.
Bildgebende Verfahren wie CT oder MRT sind symptomorientiert indiziert. Da Lymphknotenmetastasen mit resultierendem Lymphödem erhebliche Beschwerden verursachen, ist ihre
frühzeitige Diagnose sinnvoll, um rechtzeitig palliative Maßnahmen, wie z. B. eine Strahlentherapie, einzuleiten.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Vulvakarzinome
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Klinische Untersuchung:
Gewicht, Spekulum/Kolposkopie, Zytologie (falls
sinnvoll Collins-Test), vaginale
Sonograhie,Palpalpation
- rektovaginal
- inguino-femurale Region, Beinumfang
Laboruntersuchung: kleines Blutbild, BSG
Mammadiagnostik
66
1)
x
x
3
x
x
x
x
1.-3.
6 9 12
x x x
x x x
x
x
4.-5.
6
x
x
x
x
1x jährlich
12
x
x
x
13.2 Vaginalkarzinom
Auch hier handelt es sich meist um das Karzinom der älteren Frau. Rezidive treten meistens
innerhalb der ersten 5 Jahre auf, doch sind auch spätere Rezidive etwas häufiger als bei anderen
gynäkologischen Karzinomen.
An erster Stelle stehen Inspektion, Kolposkopie, Zytologie und Palpation. Da das Vaginalkarzinom
häufig radiologisch behandelt wird, sind vaginale Verklebungen möglich. Sie sollten besonders bei
Wunsch nach Verkehr durch regelmäßige lokale Östrioltherapie behandelt werden. Wegen der
häufigen Koinzidenz von Vaginal- und Zervixkarzinomen ist eine regelmäßige zytologische
Untersuchung der Vagina und der Endozervix erforderlich.
Laboruntersuchungen wie Blutbild, BSG und Urinstatus spielen eine untergeordnete Rolle.
Die Sonographie beider Nieren dient der Kontrolle der Abflussverhältnisse des ableitenden
Harnsystems.
Zystoskopie und Rektoskopie können zur Differenzierung von radiogenen oder tumorösen
Veränderungen erforderlich sein.
Die bildgebende Diagnostik wird nur bei Verdacht auf eine Metastasierung eingesetzt. Hierbei ist
inbesondere auch an die lymphogene abdominelle Metastasierung zu denken.
Die Mammadiagnostik dient der Früherkennung des Brustkrebses.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Vaginalkarzinom
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Klinische Untersuchung:
Gewicht, Spekulum/Kolposkopie
Palpation rektovaginal
Zytologie von Endozervix und Vagina
Laboruntersuchung:
BSG, Hb, Urinsediment
Apparative Untersuchung:
Sonographie: abd./vag. (einschl. Nieren)
Zysto- und Rektoskopie
CT-Thorax/Abdomen
Mammadiagnostik
1)
x
x
x
3
x
1.
6
x
9
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
2.
12 3
x (x)
x
x
x
x
x
x
x
x
(x)
6
x
9 12
(x) x
6
x
3.
12
x
x
x
x
x
x
x
x
(x)
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
bei Symptomen
bei Symptomen
1x jährlich
x
4. - 5.
6 12
x x
x
x
x
x
x
x
x
13.3 Zervixkarzinom
Jährlich erkranken derzeit etwa 6.580 Frauen in Deutschland an Gebärmutterhalskrebs. Das
entspricht einem Anteil von 3,4 % an allen Krebserkrankungen bei Frauen. Die Überlebensaussichten mit der vollständig entwickelten Krebskrankheit (invasives Karzinom) blieben
während der letzten Jahrzehnte nahezu unverändert bei einer relativen Überlebensrate von
65 % (1).
Die Nachsorgeuntersuchungen beinhalten neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung
ein persönliches Gespräch über therapiebedingte Probleme, eine Hormonersatztherapie bei den
oft jungen Frauen und eine Sexualberatung.
67
Die klinische Untersuchung besteht aus Inspektion, Kolposkopie, Zytologie und bimanuell/
rektovaginaler Palpation und Vaginalsonographie. Die Nierensonographie zeigt Harnabflussstörungen und kann eine Indikation zur Nierensequenzszintigraphie ergeben.
Bei Rezidiv-/Metastasenverdacht sollte die bildgebende Diagnostik mit CT, MRT, Skelettszintigraphie und ggf. auch PET zur Therapieplanung erfolgen.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Zervixkarzinom
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Klinische Untersuchung:
Gewicht, Spekulum/Kolposkopie,
Zytologie,Palpation
- rektovaginal/inguinal
- Virchow-LK
vaginale Sonographie
Laboruntersuchung:
BSG, Hb, Urinsediment
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax
Nierensonographie
CT-Thorax/Abdomen
Mammadiagnostik
1. –3.
1)
4. - 5.
x
x
3
x
x
6
x
x
9
x
x
12
x
x
6
x
x
12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
bei Symptomen
1x jährlich
x
13.4 Korpuskarzinom
Mit jährlichen etwa 10.000 Neuerkrankungen und einem Anteil von 5,1 % an allen bösartigen
Neubildungen stellt der Krebs des Gebärmutterkörpers die vierthäufigste Krebslokalisation bei
Frauen insgesamt und die häufigste der weiblichen Genitalorgane dar. Mit einer relativen 5Jahresüberlebensrate von 78% können diese Karzinome zu den prognostisch günstigen gezählt
werden (1).
Die Nachsorge mit Anamnese und gynäkologischer Untersuchung erfolgt in den ersten drei Jahren
1/4jährlich. Halbjährliche Sonographien von Abdomen, Leber, Nieren und kleinem Becken sowie
jährliche Mammographien können durchgeführt werden. Mehr als 3/4 aller Rezidive treten in den
ersten drei Jahren nach einer Primärtherapie auf.
Bei primär bestrahlten Patientinnen kann nach 6 oder 12 Monaten eine Kontrollabrasio durchgeführt werden.
Die bildgebende Diagnostik ist nur bei Verdacht auf Metastasen einzusetzen. Es ist insbesondere
auch das Risiko der paraaortalen Lymphknotenmetastasierung zu berücksichtigen.
68
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Korpuskarzinom
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Gewicht; eingehende körperliche
Untersuchung
Klinische Untersuchung:
Spekulum/Kolposkopie, Zytologie,
Palpation
- rektovaginal
- inguinal
vaginale Sonographie
Laboruntersuchung: BSG, Blutbild
Apparative Untersuchung:
Sonographie/CT:
Abdomen, Leber, Nieren, kleines Becken
fraktionierte
Abrasio
nach
primär
radiolog.Therapie (evtl.)
vaginale Sonographie
CT-Thorax/Abdomen
Mammadiagnostik
1)
x
3
x
1.-3.
6 9
x x
4.-5.
12
x
6
x
12
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
(x)
(x)
(x)
(x)
(x)
x
x
x
x
x
x
bei Symptomen
1 x jährlich
x
13.5 Ovarialkarzinom
Jährlich treten bei ca. 9.670 Frauen in Deutschland Krebserkrankungen der Eierstöcke auf. Damit
entfallen auf diese Erkrankung 5% aller bösartigen Neubildungen bei Frauen. Die Prognose für
Eierstockkrebs ist im Vergleich zu den anderen Krebserkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane eher schlecht. Die relative 5-Jahresüberlebensrate beträgt nur etwa 39 % (1).
Die Primärbehandlung mit Operation und Chemotherapie kann mit erheblichen somatischen
Folgestörungen einhergehen. So gehört zur Nachsorge nicht nur die Diagnose des Rezidivs,
sondern auch die Behandlung therapieassoziierter Nebenwirkungen.
Eine Hormonsubstitution scheint ohne erhöhtes Rezidivrisiko möglich zu sein. Es sollten
Kombinationspräparate mit Gestagenen eingesetzt werden.
Die Entscheidung zur Substitution sollte individuell erfolgen. Die Östrogendosis sollte möglichst
niedrig gewählt werden. Bei endometrioidem Karzinom keine Östrogensubstitition.
Neben der gynäkologischen Untersuchung mit Sonographie ist eine weitere bildgebende
Diagnostik routinemäßig nicht erforderlich.
Eine Erhöhung des Tumormarkers CA 125 weist mit hoher Sensitivität und Spezifität auf ein
Rezidiv bzw. eine Metastasierung hin und erfordert eine umfassende Diagnostik. Wenn bei der
klinischen Untersuchung und der weiterführenden bildgebenden Diagnostik Tumormanifestationen
nicht gefunden werden, ist nach heutigem Stand die frühzeitige Einleitung einer Therapie ohne
Vorteil für die Patientin. Weitergehende Festlegungen zur Diagnostik/Therapie sollten interdisziplinär erfolgen.
69
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Ovarialkarzinom
Jahr nach Primärtherapie
Monat 1) 2 3 4
Zwischenanamnese
x x x x
Klinische Untersuchung:
x x x x
Gewicht, Inspektion + Palpation des
Abdomens,
rektovag. Untersuchung,
Kolposkopie + Zytologie
vaginale Sonographie
x
Laboruntersuchung:
x x x x
Blutbild, BSG, Elektrolyte, Leber-/Nierenwerte
Tumormarker: CA 125
(x)
(x)
Apparative Untersuchung:
Röntgen-Thorax
Sonographie/CT:
x
Abdomen, Leber, Niere, kleines Becken
Mammadiagnostik
1.
5
x
x
6
x
x
7
x
x
8
x
x
9 10 11 12
x x x x
x x x x
x
x
x
x
x
x
x
(x)
(x)
x
x
x
(x)
x
x
(x)
x
x
x
1 x jährlich
2. – 3.
Jahr nach Primärtherapie
Monat 3
Anamnese
x
Klinische Untersuchung:
x
Gewicht, Inspektion + Palpation des Abdomens,
rektovag. Untersuchung, Kolposkopie + Zytologie
vaginale Sonographie
x
Laboruntersuchung:
x
Blutbild, BSG, Elektrolyte, Leber-/Nierenwerte
Tumormarker: CA 125
x
Apparative Untersuchung:
Röntgen-Thorax
Sonographie/CT: Abdomen, Leber, Niere, kleines Becken
Mammadiagnostik
1)
x
4. - 5.
6
x
x
9 12 6 12
x x x x
x x x x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
1 x jährlich
x
x
Basisuntersuchungen im Rahmen der Primärtherapie
(1) Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem
Robert Koch Institut, 4. überarbeitete, aktualisierte Ausgabe 2004
Redaktionelle Bearbeitung
Dr. med. F. Dreßler
Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam
70
14. Leukämien und maligne Lymphome
Bösartige Erkrankungen des hämatopoetischen und lymphatischen Systems verursachen ungefähr
6 % der Sterblichkeit an Malignomen insgesamt. Es handelt sich um seltene und fast immer
systemisch auftretende Erkrankungen.
Wegen der Seltenheit dieser Krankheitsbilder ist eine Nachsorge oder Nachbehandlung durch den
Hämatologen erforderlich.
Individuell für jeden Patienten müssen von ihm Art der Untersuchungen und Zeitstaffel festgelegt
werden, um den Hausarzt in das Untersuchungsprogramm und die psychosoziale Betreuung mit
einzubeziehen.
In der Hämatologie ist der wissenschaftliche Erkenntniszuwachs relativ groß. Neue Erkenntnisse
führten in den letzten Jahren erneut zu Nomenklaturüberarbeitungen.
Zur besseren Übersicht werden die aktuellen Bezeichnungen nachfolgend aufgeführt:
I. Hämoblastosen
1.
Akute Leukämie (WHO-Einteilung)
a)
b)
c)
2.
Akute myeloische Leukämie (AML)
Akute lymphatische Leukämie (ALL)
Akute undifferenzierte Leukämie (AUL)
Myeloproliferative Syndrome (WHO-Klassifikation)
a) Chronisch myeloproliferative Erkrankungen (MPS)
-
Chronische myeloische Leukämie
Chronische Neutrophilenleukämie
Chronische Eosinophilenleukämie/Hypereosinophiles Syndrom
Polycythämia vera
Chronische idiopathische Myelofribrose
Essentielle Thrombozythämie
MPS, unklassifiziert
b) Myelodysplastische/myeloproliferative Erkrankungen (MDS/MPS)
-
Chronische myelomonozytäre Leukämie
Atypische chronische myeloische Leukämie
Juventrile myelomonozytäre Leukämie
MDS/MPS, unklassifizier
c) Myelodysplastische Syndrome (MDS)
-
Refraktäre Anämie
Refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten
Refraktäre Zytopenie mit multilineärer Dysplasie
Refraktäre Anämie mit Blastenexzess
MDS mit isolierter del(5q)
MDS, unklassifiziert
71
II. Hodgkin-Lymphome (B)
Nach REAL-Klassifikation (Revidierte
Neoplasien) nicht weiter unterteilt.
III.
europäisch-amerikanische
Klassifikation
lymphoider
Non-Hodgkin-Lymphome (A)
Hauptentitäten der Kiel-Klassifikation 1998 und korrespondierende Entitäten der “Revidierten
europäisch-amerikanischen Klassifikation lymphoider Neoplasien” (REAL-Klassifikation) 1994
______________________________________________________________________________
Kiel-Klassifikation
REAL-Klassifikation
B-Zell-Lymphome
Chronische lymphatische
Leukämie vom B-Zell-Typ
(B-CLL)
_________
B-CLL
B-CLL mit plasmazellulärer
Differenzierung
Lymphoplasmozytoides/
Lymphoplasmozytisches
Immunozytom
_________
Zentroblastisch-zentrozytisches
Lymphom
_________
Zentroblastisches Lymphom
_________
Follikuläres Keimzentrumslymphom
Grad I
Grad II
Grad III
Zentrozytisches Lymphom
_________
Mantelzell-Lymphom
_________
Marginalzonen-Lymphom,
extranodal (MALT)
_________
Plasmozytom/Multiples Myelom
(alle Typen)
Plasmozytisches Lymphom
(nur extramedullär)
Lymphoplasmozytisches
Immunozytom (M. Waldenström)
}
Zentroblastisches Lymphom
Immunoblastisches Lymphom
Großzellig anaplastisches
Lymphom (CD30+)
Burkitt-Lymphom
Lymphoblastisches Lymphom
Diffuse großzellige
B-Zell-Lymphome
_________
_________
Burkitt-Lymphom
Lymphoblastisches Lymphom
T-Zell-Lymphome
CLL/Prolymphozytenleukämie
}
Lymphoepitheloides
(Lennert)Lymphom
T-Zonen-Lymphom
Pleomorph-kleinzelliges, mittelgroßzelliges Lymphom (HTLV“)
Immunoblastisches Lymphom
{
CLL/ Prolymphozytenleukämie
Großzellige azurgranulierte
Lymphozyten-Leukämie
T-Zell-Typ, NK-Zell-Typ
Periphere T-Zell-Lymphome
unspezifiziert
Großzellig anaplastisches
lymphoblastisches (CD30+)
Anaplastisches großzelliges
Lymphom_________
Lymphom, T- und Null-Zell-Typ
Lymphoblastisches Lymphom
_________
72
Lymphoblastisches Lymphom
1. Nachsorge von Leukämien
In eine echte Nachsorge gelangen nur durch Chemotherapie oder durch Knochenmarktransplantation wahrscheinlich geheilte Patienten. Transplantierte Patienten verbleiben fast
immer an den Transplantationszentren zur weiteren immunsuppressiven Therapie.
Ansonsten erfolgt die weitere Nachsorge durch den Hämatologen unter Kenntnis der Prognose der
Erkrankung in Abhängigkeit von der Erkrankungsart und z. B. dem Therapieverlauf. Zu achten
wäre nicht nur auf ein mögliches Rezidiv, sondern auch auf zytostatisch bedingte und
strahlenbedingte Organschäden oder Zweitneoplasien.
Anhaltend chronische Leukämien werden gemeinsam mit dem Hausarzt in der hämatologischen
Sprechstunde behandelt. Bei allen Leukämieformen gilt der Grundsatz, dass jede zusätzliche
Erkrankung, wie z. B. eine Bronchitis, intensiv diagnostiziert und behandelt werden muss. So kann
sich hinter dem Infekt eine primäre Exazerbation oder Eskalation der Leukämie verbergen oder
aber zumindest eine erhebliche reaktive Leukozytose entstehen, wobei beide Zustände zu
Zelldepletion, sekundärer Hyperurikämie und Nierenversagen führen können.
Dringliches Blutbild und Laborchemie sind deshalb in solchen Fällen obligat, um eine rechtzeitige
Vorstellung beim Facharzt oder eine Krankenhauseinweisung veranlassen zu können.
2. Nachsorge von malignen Lymphomen
Die Therapie maligner Lymphome führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. So gehen Patienten mit
sogenannten Remissionen als auch solche mit Teilremissionen in die Nachsorge ein.
Patienten mit hochmalignen Lymphomen oder M. Hodgkin niedrigerer Stadien werden meist nur
bei Erreichen einer Remission in die Nachsorge überführt, anderenfalls bedürfen sie weiterer
intensiver Therapie.
Allgemeingültige Nachsorgeempfehlungen zu formulieren, gelingt mit Einschränkungen nur bei
dieser Patientengruppe.
Es werden grundsätzlich die primär befallenen Lymphknotenstationen bzw. Organe klinisch und
apparativ nachuntersucht. Hinzu kommen paraklinische Untersuchungen aller prätherapeutisch
pathologischen Befunde und in jedem Fall der sog. Aktivitätsparameter (s. u.). Die 3. Säule der
Nachsorge stellt die Aktualanamnese mit der Erhebung des Allgemeinbefindens, evtl.
stattgehabter Infekte oder zwischenzeitlich eingetretener “B-Symptome” dar.
Niedrig maligne Lymphome, vor allem der älteren Patienten, können häufig nicht in eine Remission
überführt werden. Je nach Alter der Patienten und der primären Ausbreitung der Erkrankung
können gute, mäßig gute und geringe Teilremissionen erreicht werden. Es wird angestrebt, diese
Verbalisation durch Prozentangaben bei Knochenmarkbefall oder Zentimeterangaben bei
Lymphknotenvergößerung zu objektivieren. Die Art der Nachsorge verhält sich bei niedrig
malignen Lymphomen grundsätzlich individuell. So beginnen z. B. einige Lymphome mit einer
Hämolyse. Nach Erreichen einer Teilremission wäre also das Erfassen von Hämolyseparametern
in solchen Fällen das sensibelste Nachsorgekriterium.
Allgemeingültige Prinzipien der Nachfrage
Unabhängig von der Erkenntnis, dass die Nachsorge individuell verschieden gehandhabt werden
muss, gelten:
Befindlichkeit des Patienten
Sogenannte “B-Symptome” wie Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, Fieber und Pruritus sind, sofern
sie auftreten, zugleich auch krankheitseinleitende Symptome. Mit Eintreten der Remission
verschwinden sie völlig. Ein Rezidiv kündigt sich meist wieder durch B-Symptome an.
73
Klinische Untersuchung
Sie muss minutiös von kranial bis kaudal, unabhängig von den primär befallenen Stationen,
erfolgen. Bevorzugt müssen die Tonsillen, Speicheldrüsen und alle Lymphknotenregionen
betrachtet und palpiert werden. Die Auskultation des Herzens mit Frequenz- und RR-Beurteilung
berücksichtigt evtl. Kardiomyopathien nach Chemotherapie und/oder Radiatio. Einschätzung von
Leber- und Milzgröße sind obligat.
Paraklinik
Relevant, soweit prätherapeutisch pathologisch und/oder zur Verlaufsbeurteilung und Nachsorge
bei Patienten mit B-Symptomen, Dreier- und Vierer-Stadien.
BSG, Fibrinogen, alpha-2-Globulin, beta-2-Mikroglobulin, LDH, AP (sog. Aktivitätsparameter), Hb,
BB, Thrombozyten, Immunfixation, Urineiweiß.
Zeitstaffel der Nachsorge
Die Wiederbestellfrequenz und auch die Abstände zwischen den einzelnen Nachuntersuchungen
resultieren aus den verschiedenen Lymphomarten, entsprechend der aktualisierten KielKlassifikation, d. h. der Histologie nebst Immunhistologie, dem Malignitätsgrad, den prätherapeutischen Risikofaktoren wie hoher BSG sowohl bei A- und B-Stadien, großer
Lymphompakete (bulky disease), als auch Befall extralymphatischer Organe und schließlich der
Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Rezidivs. So liegen die Wiederbestellfrequenzen am
Tumorzentrum bzw. in der Fachpraxis unmittelbar posttherapeutisch bei durchschnittlich 2 bis 3
Monaten. Zwischenzeitlich sollte der Patient den Hausarzt alle 4 Wochen konsultieren, um in der
Epikrise empfohlene Untersuchungen durchführen zu lassen. Bei eventuellen Zustandsänderungen oder Zweiterkrankungen sollte der Hämatologe informiert werden. Patienten, die aus
der Kinderlymphomsprechstunde übernommen wurden, verbleiben lebenslang, gegebenenfalls in
jährlichen Abständen, in der Nachkontrolle.
3.
Kooperationspartner
Ärztliche Partner für die ambulante Nachsorge sollten Hausärzte sein, zu denen die Patienten ein
enges Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Hier kommt es vor allem darauf an, zwischen den
Kollegen einen unkomplizierten Informationsaustausch zu pflegen. So leiden fast alle Patienten, ob
in Remission oder in Teilremission, an einem anhaltenden Immundefizit, welches sehr häufig zu
komplizierten Krankheitsverläufen führt (z. B. Herpes-Infektionen).
Soziale und psychologische Betreuung
Eine wesentliche Hilfe bei der Behandlung Schwerstkranker stellt die psychosoziale Betreuung
dar. Die psychische Konstitution korreliert eindrucksvoll mit dem Behandlungserfolg. So finden die
Patienten Hilfe in Selbsthilfegruppen oder beim Betreuungsdienst für chronisch Kranke (BcK). Hier
sind besonders psychologisch qualifizierte Sozialarbeiterinnen tätig. Sie sind in der Lage, nicht nur
sozialmedizinische Hilfe zu geben, sondern die Patienten z. B. während der Chemotherapien und
Strahlentherapien psychologisch zu begleiten. Leider erfahren diese Mitarbeiterinnen weder von
den Krankenkassen noch vom Landesministerium Unterstützung, so daß sie nur noch mit Mühe
von wenigen Einrichtungen selbst getragen werden.
Pflegerische Hilfe
Bösartige Erkrankungen führen häufig zu Pflegebedürftigkeit und Tod. Da viele Patienten noch
eine palliative bzw. supportive Therapie (Ernährung, Schmerztherapie, Transfusion, Thrombozytenkonzentrate) erhalten, hat sich die Zusammenarbeit mit Pflegediensten bewährt, die
spezielle Kenntnisse auf diesem Gebiet haben und sich durch besonders großes Engagement
auszeichnen. Wichtig ist, dass stets die gleichen Schwestern für den Patienten präsent sind und
situationsgerecht auch die Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten herstellen.
74
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Morbus Hodgkin
Jahr nach Primärtherapie
1. Jahr
Monat 3 6 9 12
Anamnese:
x x x x
Nachtschweiß, Fieber, Juckreiz,
Leistungsvermögen
Klinische Untersuchung:
x x x x
Gewicht, Leber, Milz, LK-Status
(incl. Rachenring)
Laboruntersuchung:
BSG, BB u. Thrombozyten, AP, -GT, LDH,
Kreatinin, Elektrophorese, Fibrinogen
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax 2 Ebenen
Sonographie: Abdomen
CT: Abdomen
Knochenmarkpunktion,
Knochenmarktrepanation
3
x
x
2. Jahr
3. - 5. weiter
6 9 12 6 12 6 12
x x x x x x x
x
x
x
x
x
x
x
individuell
individuell
individuell
fakultativ
Niedrigmaligne Non-Hodgkin-Lymphome
(Überwachung von Patienten mit asymptomatischer Erkrankung oder nach Behandlung)
Jahr nach Primärtherapie
1. Jahr
2.-3. Jahr
Monat 2 3 6 9 12 3 6 9 12
Anamnese:
x x x x x x x x x
Infekte, Blutungen, Nachtschweiß,
Fieber
Klinische Untersuchung:
x x x x x x x x x
Aktivitätsindex, Gewicht, Leber, Milz,
LK-Status (incl. Rachenring)
Laboruntersuchung:
x x x x x x x x x
BSG, BB u. Thrombozyten, AP, GT, LDH
Fibrinogen, Elektrophorese,
Kreatinin, Beta-2-Mikroglobulin
fakultativ
Immunglobuline
(x)
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax 2 Ebenen,
(x) x
x
x
x
Sonographie: Abdomen
Knochenmarkpunktion
Knochenmarktrepanation
fakultativ
4.-5. Jahr
weiter
3 6 9 12
x x x x vierteljährlich
x x x
x
vierteljährlich
x x x
x
vierteljährlich
x
x
(x) nur, falls kein oder pathologischer Ausgangsbefund!
Die Untersuchungsfrequenz sollte in der Anfangsphase dem individuellen Verlauf der Erkrankung
angepasst werden!
75
Plasmozytom (multiples Myelom)
Jahr nach Primärtherapie
Monat
2
1. Jahr
2.-3. Jahr
3 6 9 12 3 6 9 1
2
x x x x x x x x
Anamnese:
x
Infekte, Blutungen, Nachtschweiß,
Dyspnoe, Leistungsvermögen
Klinische Untersuchung:
x x
Gewicht, Leber, Milz, LK-Status,
Skelettklopf-/stauchungsschmerz
Laboruntersuchung:
BSG, BB und Thrombozyten, AP,
-GT, LDH, Ca, K, NA, Kreatinin,
Beta-2-Mikroglobulin, Elektrophorese,
Gesamteiweiß, Immunglobuline,
quant., Urinstatus, Urineiweiß
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax 2 Ebenen
(x)
Röntgen: Skelettsystem
Knochenmarkpunktion/
(x)
Knochenmarktrepanation
Skelettszintigraphie
x
x
x
x
x
x
3
x
4.-5. Jahr
6 9 12
weiter
x
x
x
x
vierteljährlich
x
x
x
x
vierteljährlich
individuell
x
x
individuell
x
x
x
x
fakultativ
(x) nur, falls kein oder pathologischer Ausgangsbefund!
Die Untersuchungsfrequenz sollte in der Anfangsphase dem individuellen Verlauf der Erkrankung
angepasst werden!
Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome
incl. centroblatisch-centrocytisches Lymphom (CB-CC)
Jahr nach
Primärtherapie
1. Jahr
Monat 2
Anamnese:
Infekte, Blutungen,
Nachtschweiß,
Leistungsvermögen
Klinische Untersuchung:
Gewicht, Leber, Milz,
LK-Status (incl. Rachenring),
neurolog. Status
Laboruntersuchung:
BSG, BB und Thrombozyten,
AP, -GT, LDH
Kreatinin, Elektrophorese
Fibrinogen
Apparative Untersuchung:
Röntgen: Thorax 2 Ebenen
Sonographie: Abdomen
76
x
2.-3. Jahr
3
5
6
9
x
x
x
x
1
2
x
4.-5. Jahr
3
6
9 12 3
6
9 12
x
x
x
x
x
x
x
individuell
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
individuell
individuell
x halbjährlich
halbjährlich
individuell
x
x
weiter
jährlich
x
x
x
x
halbjährlich
halbjährlich
halbjährlich
Jahr nach
Primärtherapie
Monat 2
CT: Abdomen
Knochenmarktrepanation/
Knochenmarkpunktion,
Liquorpunktion mit Ferritin
1. Jahr
3
5
6
2.-3. Jahr
9
1
2
3
6
9 12 3
4.-5. Jahr
6
weiter
9 12
fakultativ
fakultativ
Die Untersuchungsfrequenz sollte in der Anfangsphase dem individuellen Verlauf der Erkrankung
angepasst werden!
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. Ulrich von Grünhagen
Onkologische Schwerpunktpraxis
Bahnhofstraße 63, 03046 Cottbus
77
15. Hirntumoren
Für die Nachsorge bei Hirntumoren steht immer der histopathologische Befund im
Vordergrund. Intrakraniell gibt es 5 Arten von Hirntumoren:
Geschwülste ausgehend von den Hirnhäuten (Meningeome)
Diese finden sich in der überwiegenden Mehrzahl als gutartige, intrakranielle, extraaxial
(außerhalb des Hirngewebes) liegende Geschwülste. In seltenen Fällen finden sich jedoch
auch atypische oder sogar maligne Meningeome.
Neurinome, niedermaligne Astozytome der Hirnnerven
Weitere intrakranielle histopathologisch gutartige Geschwülste sind Neurinome ausgehend
von den Hirnnerven. In der überwiegenden Anzahl handelt es sich hierbei um das
Akustikusneurinom ausgehend vom 8. Hirnnerv. Selten ist auch ein pilozytisches Astrozytom
Grad I ausgehend vom Nervus opticus zu beobachten. Beim Nervus opticus handelt es sich
histologisch nicht um einen peripheren Nerven, sondern um Hirngewebe.
Hirneigene Tumore
In erster Linie finden sich hierbei die so genannten Astrozytome, die nach WHO in 4 Grade
eingeteilt werden. Grad I und II sind histopathologisch als gutartig, Grad III und IV als
bösartig einzustufen. Seltener finden sich auch Oligodendrogliome oder Oligoastrozytome,
die ebenso in sämtlichen Malignitätsstadien auftreten können.
Die übrigen hirneigenen Geschwülste sind eher selten und dann meistens im Kindesalter
anzutreffen, z. B. Medulloblastome, pilozytische Astrozytome Grad I der hinteren
Schädelgrube u. ä.
Metastasen
Am häufigsten handelt es sich bei intrakraniellen Raumforderungen um metastatische
Geschehen. Dies sind Absiedelungen von Primärtumoren der Lunge, der Mamma sowie des
Urogenitaltraktes und anderer .
Chordome, Chondrome
Diese gelten als Raritäten, sind therapeutisch sehr schwer angehbar und finden sich als
Raumforderungen intrakraniell extraaxial überwiegend ausgehend von den Schädelnähten.
Therapie und Nachsorge
Meningeome
Diese sollten - sofern zu einem vertretbaren Operationsrisiko machbar - bei Erreichen einer
gewissen Größe und Auftreten einer neurologischen Ausfallssymptomatik in jedem Fall in
erster Linie chirurgisch angegangen werden. Bei kleinen Meningeomen in nicht eloquenten
Regionen und bei fortgeschrittenem Alter des Patienten, die im Rahmen eines
Zufallsbefundes detektiert wurden, kann auch ausschließlich zum „Zuwarten“ geraten
werden. Es sollte dann - je nach Größe und Lokalisation der Raumforderung - in zunächst 1
– später in 2 jährigen Abständen Kontrolluntersuchungen erfolgen.
78
Geschwülste, die sich in Regionen, die einem operativen Vorgehen schlecht zugänglich sind,
befinden oder bei Patienten mit hohem Alter oder multiplen Begleiterkrankungen sollte nicht
in jedem Fall eine chirurgische Resektion erzwungen werden. In enger Zusammenarbeit mit
Strahlentherapeuten kann auch eine fraktionierte perkutane Bestrahlung in Erwägung
gezogen werden. Bei der Wahl dieses Vorgehens sollten in jedem Fall nach 6 Monaten
postradiatio und hiernach in jährlichen Abständen Kontrollen erfolgen. Ein ähnliches
Vorgehen ist bei atypischen oder malignen Meningeomen anzuraten. Bei dieser
Formengruppe
sollte
in
enger
interdisziplinärer
Zusammenarbeit
mit
den
Strahlentherapeuten eine adjuvante postoperative Therapie abgesprochen werden, ständige
Kontrollen 1x jährlich sind ratsam. Häufige Nachoperationen, vor allem bei malignen
Meningeomen, sind die Regel.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Klinische Untersuchung:
Apparative Untersuchung:
MRT Schädel
1. –lebenslänglich
12
X
X
X
Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel
Neurinome und Optikusgliome
Neurinome der Hirnnerven werden meist durch neurologische Ausfälle (häufig Hörsturz)
detektiert. Bei großen Neurinomen (über 2 cm) sollte in jedem Fall in erster Linie eine
Exstirpation der Geschwulst angestrebt werden, da es hierbei meistens bereits zu einer
Kompression auf die medullären Strukturen gekommen ist. Bei kleineren Geschwülsten, die
sich häufig intrameatal finden, kann sowohl ausschließlich die Kontrolle als auch eine
perkutane Radiatio mit dem Patienten abgesprochen werden. Diesbezüglich ist eine enge
interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie eine enge Patientenführung erforderlich.
Optikusgliome treten relativ selten auf. Bei Auftreten erster Symptome (Sehstörungen) ist
jedoch meist eine radikale Exstirpation aufgrund des Einwachsen des Glioms in das
Chiasma optici nicht mehr möglich. Adjuvante Therapieformen sind nicht bekannt. Kontrollen
1x jährlich sollten erfolgen, da bei Auftreten einer größeren Raumforderung zumindest eine
operative Teilexstirpation möglich ist.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
1. – 5.
12
X
Klinische Untersuchung:
X
Apparative Untersuchung:
MRT Schädel
Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel
X
79
Hirneigene Geschwülste
Hirneigene Geschwülste (Astrozytome, Oligodendrogliome) treten meist im mittleren bis
fortgeschrittenen Lebensalter auf. Bei Auftreten erster Symptome (häufig zerebrales
Krampfleiden) finden sich diese Geschwülste häufig in fortgeschrittenem Stadium. Sämtliche
dieser Geschwülste sollten in Abhängigkeit der Lokalisation und des Allgemeinzustandes
des Patienten so radikal wie möglich operativ angegangen werden, wobei zumindest bei den
Astrozytomen Grad III und IV eine chirurgische Sanierung nicht möglich ist. Bzgl. der
niedermalignen Astrozytome kommt neben einer möglichst radikalen chirurgischen
Exstirpation kein adjuvante Therapie in Frage. Kontrolluntersuchungen sollten 1x im Jahr
durchgeführt werden.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Klinische Untersuchung:
Apparative Untersuchung:
MRT Schädel
Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel
1. – 5.
12
X
X
X
Maligne Gliome
Bei den malignen Gliomen hat sich zwischenzeitlich nach möglichst radikaler Exstirpation
eine adjuvante kombinierte Radiochemotherapie mit Temozolomid (75 mg/m2 KOF) bewährt.
Postoperativ sollten in 3-monatigen Abständen Kontrollen erfolgen, ebenso ist dringend die
Fortführung der Chemotherapie mit Temozolomid (200 mg/m2 KOF) in 5-wöchigen
Abständen zu raten. Bei Rezidivwachstum der malignen Gliome ist ggf. je nach Lokalisation
und Allgemeinzustand des Patienten eine erneute Resektion angeraten. In jedem Fall ist
hierbei eine lebenslange Nachkontrolle in 3-monatigen Abständen erforderlich.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Jahr nach Primärtherapie
Monat
3
X
X
1. – lebenslänglich
6
9
12
X
X
X
X
X
X
Anamnese:
Klinische Untersuchung:
Apparative Untersuchung:
MRT Schädel
Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel
80
X
Chondrome/Chordome
Diese Art der Geschwülste findet sich meist im Bereich der Nähte der Schädelbasis.
Meistens ist aufgrund der Lokalisation und der Beteiligung funktionell wichtiger Areale eine
chirurgische Sanierung nicht möglich. Es sollte jedoch in jedem Fall - soweit möglich - die
Resektion dieser Geschwülste erfolgen, um dann in enger Absprache mit den
Strahlentherapeuten das weitere Vorgehen festzulegen. Engmaschige Nachkontrollen 1x
jährlich sind erforderlich.
Orientierender Zeitplan für Nachsorgeuntersuchungen:
Jahr nach Primärtherapie
Monat
Anamnese:
Klinische Untersuchung:
Apparative Untersuchung:
MRT Schädel
Bei klinischer Verschlechterung umgehend MRT Schädel
1. – 5.
12
X
X
X
Metastasen
Bei der weiterführenden Therapie von zerebralen Metastasen kommt es auf 3 Faktoren an:
Histologie des Primärgeschehens
Lokalisation der Absiedelung
Anzahl der Absiedelungen.
In Abhängigkeit o. g. Faktoren muss in enger Zusammenarbeit mit den onkologischen und
strahlentherapeutischen Fachkollegen das bestmögliche Prozedere mit dem Patienten
abgesprochen werden.
Große deutlich raumfordernde Metastasen, die sich in nicht eloquenten Arealen befinden,
sollten in jedem Fall einer chirurgischen Intervention zugeführt werden, ebenso größere
raumfordernde Metastasen zerebellär, da ansonsten ein Hydrocephalus occlusus droht. Bei
multipler Metastasierung oder einer Metastasierung in funktionell wichtigen Arealen sollte
zunächst der Versuch einer Radio- oder Chemotherapie gestartet werden. Engmaschige
Nachkontrollen sind erforderlich, da ggf. eine erneute Therapie (sei es chirurgisch oder
konservativ) eingeleitet werden muss.
Redaktionelle Bearbeitung
Dr. med. Funk
Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie
Klinikum Frankfurt (Oder)
81
16. Nachsorge nach Strahlentherapie
Nachsorgeprogramme beinhalten neben der psychosozialen Betreuung als ärztliche Aufgabe
die Diagnostik und Therapie von Tumorprogressionen, Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen:
Diagnose von Tumorrezidiven und Metastasen
(programmierte oder individuelle krankheits- und risikoadaptierte Nachsorge)
Erfassung therapiebedingter Nebenwirkungen
Durchführung und Überwachung von adjuvanten Langzeittherapien
Diese interdisziplinären Probleme bedürfen einer Zusammenarbeit von Allgemeinärzten, Ärzten
der jeweiligen Fachgebiete, Vertretern der psychosozialen Berufe sowie Berufsgruppen anderer
Spezialgebiete.
Organisationsformen der Kooperation sind:
interdisziplinäre Tumorkonferenzen
gemeinsame Tumorsprechstunden zweier oder mehrerer Fachdisziplinen
Informationsaustausch durch Kommunikation auf der Basis von Telefonaten, Arztbriefen
oder Systemen der elektronischen Datenverarbeitung und Telekommunikation
-
Fortschritt und Sicherung flächendeckender Tumortherapie und Nachsorge lassen sich nur über
eine gute Kooperation von Klinik- und Praxisärzten erreichen.
Diese ständige Zusammenarbeit wird durch die Nachsorgeleitstellen, Zumorzentren und
Onkologischen Schwerpunkte durch die Dokumentation der Tumorerkrankung und ihrer
Verläufe organisatorisch unterstützt.
Es dürfte selbstverständlich sein, dass Nachuntersuchungen bei bestrahlten Patienten durch
den Strahlentherapeuten unbedingt erforderlich sind.
In den „Empfehlungen und Stellungnahme der Strahlenschutzkommission“ (1989) heißt es
eindeutig:
„Strahlenanwendungen zu therapeutischen Zwecken können zu spezifischen radiogenen
Nebenwirkungen führen, die nur durch dafür qualifizierte Fachärzte unter Beiziehung der
entsprechenden Bestrahlungsunterlagen (individuelle Dosisverteilung u. ä.) beurteilt werden
können. Dieses Wissen besitzen in der Regel nur fachkundige Ärzte aus den Bereichen
Radioonkologie bzw. Nuklearmedizin.“
„Der Strahlentherapeut trägt für die von ihm durchgeführte Behandlung, in die eine sach- und
fachgerechte Nachsorge unabdingbar eingeschlossen ist, die volle Verantwortung.“
Die Weiterbildungsrichtlinien der Bundesärztekammer machen die Nachsorge von Strahlentherapie-Patienten einschließlich der interdisziplinären Tumornachsorge zum Inhalt der
Weiterbildung zum Strahlentherapeuten.
In der „Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin“ von 1992 wird formuliert (s.(3).7.3.1):
„Qualitätssicherung in der Strahlentherapie ist nur möglich, wenn die Daten aller Patienten auf
ihr Behandlungsergebnis hin überprüft wurden, so dass Vergleiche möglich sind. Daher hat der
für die Durchführung der Behandlung verantwortliche Arzt nach Möglichkeit die Wirkung und die
Nebenwirkungen der Behandlung durch entsprechende Fachuntersuchungen festzustellen und
zu dokumentieren“(...).
Aus dieser Rechtslage schließt die Strahlenkommission, dass der strahlenanwendende Arzt zur
Nachsorge verpflichtet ist (z. B. durch ein EDV-gestütztes Nachsorgeregister).
82
„Eine alleinige Nachsorge durch Dritte, die nicht über die notwendigen Planungsunterlagen zur
Strahlentherapie und über das notwendige strahlenbiologische und strahlentherapeutische
Wissen verfügen, ist nicht ausreichend.“
Spezielle Fragestellungen einer strahlentherapeutischen Nachsorge ergeben sich aus
der Zielsetzung der Bestrahlung: primär - kurativ, palliativ, symptomatisch
den Möglichkeiten einer erneuten Strahlentherapie bei Rezidiven und/oder Metastasen
den Möglichkeiten der Prophylaxe und Behandlung von Strahlenfolgen.
Akute Strahlenreaktionen beruhen auf einem Stammzellverlust in Geweben mit regelmäßiger
und rascher Zellteilungsrate, z. B. Haut und Schleimhäute, Knochenmark, späte und chronische
Strahlenreaktionen treten in Geweben mit geringer Proliferation nach längerer Latenzzeit auf.
Akute und chronische Strahlenfolgen können unabhängig voneinander oder kombiniert
auftreten. Die Unterdrückung einer akuten Reaktion verhindert nicht zwangsläufig
Spätkomplikationen.
Die Leitkommission “Qualitätskontrolle in der Radioonkologie” der ARO (Arbeitsgemeinschaft
Radiologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft e. V.) hat Standards zur
Dokumentation von Nebenwirkungen nach Organkomplexen und Symptomen formuliert:
Toxizität/Grad
0 = keine,
1 = gering/leicht
2 = mäßig/deutlich
3 = stark/ausgeprägt,
4 = lebensbedrohlich.
Die umfassende Klassifikation kann bei den Tumorzentren/Onkologischen Schwerpunkten oder
den Strahlenkliniken abgefordert werden.
83
84
Common Toxicity Criteria (CTC): Klassifikation von akuten Nebenwirkungen
†
†
†
(1)
Laborwerte
1. Blut/Knochenmark
9
Leukozyten (x 10 /l)
9
Thrombozyten (x 10 /l)
Hämoglobin (g/100 ml)
9
Granulozyten (x 10 /l)
9
Lymphozyten (x 10 /l)
2. Blutgerinnung
Fibrinogen
Prothrombinzeit
Part.Thromboplastinzeit
3. Niere/Blase
Kreatinin
Proteinurie (g/l)
Harnstoff (mg %)
4. Leber
Bilirubin
Transaminasen
Alkalische Phosphatase
5. Stoffwechsel
Hyperglykämie (mg/dl)
Hypoglykämie (mg/dl)
Amylase
Sonstige (in mmol/l):
Hyperkalzämie
Hypokalzämie
Hypomagnesämie
Hyponatriämie
Hypokaliämie
Toxizität / Grad
N - 2,5 x N
N - 2,5 x N
116 - 160
55 - 64
N - 1,5 x N
2,65 - 2,87
2,10 - 1,95
1,40 - 1,20
131 - 135
3,10 - 3,50
normal
normal
normal
< 116
> 64
normal
< 2,65
> 2,10
> 1,40
> 135
> 3,50
N - 1,5 x N
1,5 x N - 3,0 x N
<3
3 - 10
< 30 oder: < 11 mmol/l 31 - 50 oder: 11 - 18 mmol/l
normal
keine
<20/7,5
2,88 - 3,12
1,94 - 1,75
1,10 - 0,90
126 - 130
2,60 - 3,00
161 - 250
40 - 54
1,5 x N - 2,0 x N
N - 1,5 x N
2,6 x N - 5,0 x N
2,6 x N - 5,0 x N
0,75 x N - 0,50 x N
1,26 x N - 1,50 x N
1,67 x N - 2,33 x N
normal
- 0,75 x N
> 1,00 x N - 1,25 x N
> 1,00 x N - 1,66 x N
- 2,0
- 50,0
- 8,0
- 1,0
- 1,0
normal
normal
normal
< 3,0
< 75,0
< 10,0
< 1,5
< 1,5
2 = “mäßig”/”deutlich”
< 4,0 - 3,0
normal - 75,0
normal - 10,0
< 2,0 - 1,5
< 2,0 - 1,5
1 = “gering”/”leicht”
> 4,0
>100,0
> 11,0
> 2,0
> 2,0
0
3,13 - 3,37
1,74 - 1,51
0,80 - 0,60
121 - 125
2,10 - 2,50
251 - 500
30 - 39
2,1 x N - 5,0 x N
1,5 x N - 3,0 x N
5,1 x N - 20,0 x N
5,1 x N - 20,0 x N
3,1 x N - 6,0 x N
> 10
> 50 oder 18 mmol/l
0,49 x N - 0,25 x N
1,51 x N - 2,00 x N
2,34 x N - 3,00 x N
< 2,0 - 1,0
< 50,0 - 25,0
< 8,0 - 6,5
< 1,0 - 0,5
< 1,0 - 0,5
3 = “stark”/”ausgeprägt”
> 3,37
< 1,50
< 0,50
< 120
< 2,00
> 500 /Ketoazidose
< 30/hypoglykäm. Schock
> 5,1 x N
> 3,0 x N
> 20,0 x N
> 20,0 x N
> 6,0 x N
Nephrotisches Syndrom
--
< 0,24 x N
> 2,00 x N
> 3,00 x N
< 1,0
< 25,0
< 6,5
< 0,5
< 0,5
4 = “lebensbedrohlich”
Zusammenstellung von M.H. Seegenschmiedt, W. Haase, K. Schnabel, R.-R. Müller / Arbeitsgruppe “Qualitätssicherung in der Radioonkologie”
(Stand: Juli 1995)
modifiziert nach den Empfehlungen der Phase I/II Studiengruppe der AIO (†) und ARO (‹) in der Deutschen Krebsgesellschaft
85
keine
normal
7. Darmobstruktion
8. Intestinale Fistel
9. Obstipation
10. Schleimhäute/
Mukositis (RTOG)
11. Speicheldrüsen
(RTOG)
Herz/Kreislauf
1. Arrhythmie
2. Funktion
†
†
†
†
‹
‹
(3)
normal
normal
normal
keine
keine
keine
keine
6. Gastritis/Ulkus
†
keine
4. Stomatitis
keine
keine
3. Diarrhoe
5. Ösophagitis
Dysphagie
kein
2. Erbrechen
0
keine
Toxizität / Grad
Gastro-Intestinaltrakt
1. Übelkeit
†
(2)
wiederkehrend oder persistierend, keine Therapie
mäßige Mundtrockenheit,
sehr zäher Speichel, mäßige Geschmacksstörung,
feste/breiige Nahrung
schmerzhafte fleckige
Mukositis, blutige Beläge,
milde Analgetika
persistierend und therapiebedürftig
Konservative Therapie nötig
ausgeprägte Obstipation;
Subileus
konfluierende fibrinöse
Mukositis, starke
Schmerzen; starke
Analgetika
komplette Mundtrockenheit,
kompletter Geschmacksverlust, flüssige Nahrung
Stark vermehrt (7-9 Stühle/
Tag) oder Inkontinenz oder
schwere Krämpfe
Stark schmerzhaftes Erythem, Ödem oder Ulzera;
flüssige Nahrung
Starke Dysphagie; Ulzera;
flüssige Nahrung oder
Analgetika nötig
Stark; therapierefraktär,
Operation nötig
Konservative Therapie nötig
Abfall der linksventrikulären Abfall der linksventrikulären geringe kongestive HerzinEjektionsfraktion um < 20 % Ejektionsfraktion um > 20 % suffizienz, auf Therapie an-
flüchtig, keine Therapie
geringe Mundtrockenheit,
zäher Speichel,
Geschmacksstörung:
normale Kostform
geringes Erythem, Beläge
oder geringe Schmerzen
3 = stark”/”ausgeprägt”
mäßig , Nahrungsaufnahme Stark, keine
vermindert
Nahrungsaufnahme
möglich
mäßig (2 - 5 x/Tag)
Stark (6 - 10 x/Tag)
2 = “mäßig”/”deutlich”
mäßig vermehrt (4-6 Stühle/
Tag) oder nächtl. Stühle
oder mäßige Krämpfe
geringes Wundsein,
mäßig schmerzhaftes EryErythem oder schmerzlose them, Ödem oder ErosioErosionen
nen; feste/breiige Nahrung
geringes Wundsein,
schmerzhafte Erytheme,
Erythem. oder Schmerzlose Ödem oder Erosionen,
Erosionen
mäßige Dysphagie
gering, mit Antazida
mäßig; forcierte Therapie
gebessert
nötig
intermittierend, keine
Therapie
vorhanden, keine Therapie
geringe Obstipation
mäßige Obstipation
gering vermehrt
(2 - 3 Stühle/Tag)
gering ( 1 x/Tag)
gering, normale
Nahrungsaufnahme
1 = “gering”/”leicht”
ventrikuläre Tachykardie
oder Fibrillation oder Monitoring
massive, therapierefraktäre
kongestive Herzinsuffizienz
Akute Nekrose, tiefe Ulzera,
PEG/parenterale Ernährung
tiefe Ulzera, Hämorrhagie;
PEG/parenterale Ernährung
operative Therapie nötig
kompletter Ileus
operative Therapie nötig
Perforation oder Blutung
keine orale Nahrungsaufnahme; PEG/parenterale
Ernährung
Verschluß oder Perforation;
PEG/parenterale Ernährung
bedrohlich (> 10 x/Tag),
oder PEG/parenterale
Ernährung
> 10 Stühle/Tag oder
blutige Diarrhoe
-
4 = “lebensbedrohlich”
86
2. Blutgase
(in mmHg)
3. Lungenfunktion
( Lufu)
4. Pneumonitis
5. Lungenfibrose
6. Lungenödem
7. Pleuraerguß
8. Husten
†
†
†
†
†
†
†
†
kein
kein
kein
2 = “mäßig”/”deutlich”
Vorhanden
gering: leichte Antitussiva
geringe radiologische
Zeichen
Asymptomatisch; geringe
radiologische Zeichen
mäßig: starke Antitussiva
nötig
mäßige Dyspnoe oder respiratorische Insuffizienz
bei starker Belastung
pO2 61 - 70 oder
pCO2 51 - 60
> 50 % - 75 %
des Ausgangswertes
geringe Symptomatik,
Steroide nötig
mäßige radiologische
Zeichen
-
Asymptomatisch; unspezi- asymptomatisch; deutliche
fische T-Wellen-Abflachung ST- und T-Wellen-Veränderung Æ Ischämie
Asymptomatischer Erguß,
Perikarditis-Symptomatik:
keine Therapie
Reiben, Brustschmerz,
EKG-Veränderungen
Kurzfristiger Anstieg:
wiederholter oder persistieRR>20 (D) oder
render Anstieg: RR>20 (D),
RR>150/100
RR>150/100
geringe orthostatische Dys- mäßige Hypotension, Flüsregulation, keine Therapie
sigkeitssubstitution oder
andere Therapie
oberflächliche Thrombophlebitis
nur abends
ganztags, keine Therapie
nötig
1 = “gering”/”leicht”
gering, asymptomatisch,
aber pathologische Lungenfunktion
pO2>85 pO2 71 - 85 oder
pCO2<40 pCO2 41 - 50
normal
> 75 % - 90 %
des Ausgangswertes
keine
Asymptomatisch;
keine
Lunge/Kehlkopf
1. Dyspnoe/ARDS
keine
Akut Respirat. Insuff. keine
†
(4)
keine
7. Hypotonie
keine
keine
6. Hypertonie
(D = diastol. Druck)
8. Phlebitis/
Thrombose
9. Ödeme
normal
4. Perikard
†
keine
0
3. Ischämie
Toxizität / Grad
starke Dyspnoe oder respiratorische Insuffizienz
bei normaler Belastung
pO2 51 - 60 oder
pCO2 61 - 70
> 25 % - 50 %
des Ausgangswertes
starke Symptomatik,
Sauerstoff nötig
ausgeprägte radiologische
Zeichen
stark symptomatisch, ausgeprägte radiologische Zeichen; Diuretika nötig
stark; nicht kontrollierbarer
Husten
ganztags, Therapie nötig
geringe Symptomatik;
Angina pectoris ohne
Infarktzeichen
symptomatischer PerikardErguß; Drainage bzw. spezifische Therapie
starker oder persistierender
Anstieg: antihypertensive
Therapie
stationäre Therapie nötig,
damit Normalisierung innerhalb 48 Stunden
tiefe Phlebothrombose
3 = stark”/”ausgeprägt”
sprechend
-
lebensbedrohlich; rasche
Intubation nötig
-
lebensbedrohliche Ruhedyspnoe oder respiratorische Insuffizienz
pO2 < 50 oder
pCO2 > 70
< 25 %
des Ausgangswertes
assistierte Beatmung nötig
stationäre Therapie, aber
nicht nach 48 Stunden
normalisiert
venöser Infarkt,
Lungenembolie
generalisierte Anasarka
ausgeprägte Symptomatik:
Tamponade; Drainage sofort nötig
hypertensive Krise
ausgeprägte Symptomatik;
Akuter Herzinfarkt
4 = “lebensbedrohlich”
87
normal
normal
klar,
wach
4. Harnverhalt
5. Harndrang
6. Blasenkrämpfe
7. Ureterobstruktion
8. Fistelbildung
Nervensystem
1. Sensorium
2. Motorik
3. Bewußtsein
†
†
†
†
†
(6)
keine
keine
keine
normal
kein
keine
geringe, subjektive Schwäche, keine Funktionseinbußen
geringe Somnolenz oder
agitierte Stimmungslage
Mäßige, objektive Schwäche ohne signifikante
Funktionseinbußen
Mäßige Somnolenz oder
Agitierte Stimmungslage
Verlust tiefer Sehnenreflexe objektivierbare sensible
geringe Parästhesien
Störungen, mäßiggradige
Parästhesien
mäßige Schmerzen oder
Brennen; durch Medikamente kontrollierbar
Makrohämaturie, keine
Gerinnsel
spontan, Kontrolle möglich
permanent Heiserkeit, Reizhusten, Hals-, Mund- und
Ohrenschmerzen, fibrinöses Exsudat, mäßiges
Stimmbandödem; leichte
Antitussiva
2 = “mäßig”/”deutlich”
Intubation oder
Tracheostomie
massive Dyspnoe, Stridor
oder Hämoptysen;
4 = “lebensbedrohlich”
ausgeprägte objektiv sensible Störungen o. Parästhesen/Funktionseinbuße
n
ausgeprägte objektive
Schwäche mit schweren
Funktionseinbußen
starke Somnolenz oder Agitiertheit, Halluzinationen
oder Desorientierung
Koma, Anfälle oder toxische
Psychose
Paralyse
-
-
komplett bilaterale Obstruktion
-
-
-
Makrohämaturie mit Gerinn- Transfusionsbedürftige Bluseln; Blasenspülung nötig
tung oder Zystektomie nötig
unkontrolliert
-
“Flüstersprache”, starke
Schmerzen, konfluierend
fibrinöses Exsudat, ausgeprägtes Stimmbandödem;
starke Analgetika und
Antitussiva
3 = stark”/”ausgeprägt”
starke Schmerzen oder
Brennen, durch Medikamente nicht mehr kontrollierbar
Restharn > 100 cm³
Katheter immer zur Entlee- Operation (TUR, Dilatation)
kurzfristig Katheter nötig
rung nötig
nötig
vermehrt: < 2 x Ausgangs- mäßig vermehrt: > 2 x Aus- stark vermehrt: > 1 x/Stunwert; oder nächtlicher Harn- gangswert; oder auch < 1 x/ de; oder Katheterisierung
drang
Stunde
nötig
vorhanden
unilateral, keine Therapie
bilateral, keine Therapie
inkomplett bilateral, Operanötig
tion (Shunt, Harnleiterschiene, Nephrotomie) nötig
vorhanden
Streßinkontinenz
(z. B. Niesen)
geringer Schmerz oder
Brennen: keine Therapie
keine
3. Dysurie
Mikrohämaturie
geringe oder intermittierende Heiserkeit, Reizhusten:
geringes Schleimhauterythem, keine Therapie
1 = “gering”/”leicht”
keine
†
†
†
Niere/Blase
1. Hämaturie und
Hämorrhag. Zystitis
2. Inkontinenz
(5)
normal
0
9. Kehlkopf
(RTOG)
Toxizität / Grad
‹
88
Sinnesorgane
1. Ohr/Hörvermögen
(7)
normal
keine
nein
normal
normal
3. “Trockenes Auge”
4. Glaukom
5. Zunge/Geschmack
6. Nase/Geruch
†
†
†
nein
Konjunktivitis/
Keratitis (RTOG)
‹
2. Auge/Sehvermögen normal
Otitis (RTOG)
9. Schlafstörungen
†
‹
8. Schwindel/Vertigo
†
keine
7. Verhaltensänderung keine
†
keine
6. Kopfschmerzen
†
normal
5. Gemütslage
0
normal
Toxizität / Grad
4. Koordination
2 = “mäßig”/”deutlich”
gering verändert, z. B.
metallisch
gering verändert
geringe Konjunktivitis mit
oder ohne Sklerainjektion;
starkes “Augentränen”;
keine Therapie
-
gering vermindert
asymptomatisch, Hörverlust nur audiometrisch
faßbar
geringes Erythem, Otitis
externa; Pruritus
3 = stark”/”ausgeprägt”
Deutlich verändert
-
4 = “lebensbedrohlich”
psychotisches Verhalten
-
suizidale Absichten
zerebelläre Nekrose
-
-
Enukleation nötig
uni- oder bilaterale
Erblindung
-
-
nicht korrigierbare Ertaubung
stark, unkontrollierbar,
arbeitsunfähig
Schlafstörung trotz Medika- menten
starke Angstzustände oder
Depression
sehr starke und langfristig
anhaltende
Gefährdung für sich oder
andere
ausgeprägte
lokomotorische Ataxie
starke Symptomatik: Hörverlust mit Funktionseinbuße, Hörgerät nötig
starke sero-sanguinöse
Otitis externa et media;
intensive Therapie nötig
stark vermindert; subtotaler
Sehverlust
Mäßige Konjunktivitis mit
starke Keratitis mit Korneaoder ohne Keratitis, Iritis mit Ulzeration, objektiver VisusPhotophobie; Steroide oder verlust; akutes Glaukom,
Antibiotika
Panophthalmitis
Artifizielle Tränenflüssigkeit nötig
ja, vorhanden
Deutlich verändert
-
Tinnitus; mäßige Symptomatik: geringe Hypakusis
bei Audiometrie
Mäßige (seröse) Otitis
externa et media; lokale
Therapie
Mäßig vermindert
Mäßige Dysmetrie, Intentionstremor, undeutliche
Sprache oder Nystagmus
geringe Angst/Depression
Mäßige Angstzustände/
Depression
geringe, kurzfristig
Mäßige bis starke,
intermittierend
Änderung ohne negative
Negativer Einfluß auf sich
Konsequenzen für sich oder oder auf die Familie oder
Familie
die Umwelt
gering, kontrollierbar
Mäßig, schwer kontrollierbar
gering, selten Medikamente Mäßig, häufig Medikamente
1 = “gering”/”leicht”
geringe Dyskoordination
oder Dysdiadochokinese
89
normal
keine
keine
3. Epidermis
systemisch
4. Alopezie
5. Allergie
4. Myalgie/Arthralgie
†
keine
kein
keine
2. Infektion
3. Schüttelfrost
normal
Fieber/Infektion
1. Körpertemperatur
(axillär)
†
(10)
normal
2. Haut/Unterhaut
lokal (RTOG)
‹
geringe Schmerzen und
Schwellung
normal
Ausgeprägt
Mäßig gestört
Deutliche und schmerzhafte
Mäßiggradig > 1 x/Tag
2 = “mäßig”/”deutlich”
gering, keine Beeinträchtigung
gering, nicht therapiebedürftig
gering oder kurzfristig
37,1 - 38,0°C
Mäßig, orale Antibiotika
nötig
Ausgeprägt und langanhaltend
Mäßig, Bewegungsbeeinträchtigung
38,1 - 40,0°C
Mäßig, fleckig, deutlich
erkennbar
intermittierend Schüttelfrost Urtikaria, Schüttelfrost, Fieund Temperaturen < 38,0°C ber von > 38,0°C, leichter
Bronchospasmus
minimal, nicht auffallend
Mäßige Schmerzen und
Schwellung mit Inflammation oder Phlebitis
geringes Erythem,
Mäßiges Erythem, vereinEpilation, trockene
zelt feuchte Epitheliolyse
Desquamation, reduzierte
(> 50 %), mäßiges Ödem;
Schweißsekre-tion
lokale Therapie
asymptomatische, locker
Dicht gestreute makuläre,
gestreute makuläre, papulö- papulöse Effloreszenzen,
se Effloreszenzen
mäßiges Erythem, Pruritus
oder assoziierte Symptome
gering
gering herabgesetzt
ja
gering
gering, oder < 1 x /Tag
1 = “gering”/”leicht”
kein
5. Cushing-Syndrom
Haut/Allergie
1. Lokal, z. B.
nach Injektionen
normal
keine
keine
keine
0
†
(9)
Toxizität / Grad
Endokines System
1. Libido
2. Amenorrhoe
3. Gynäkomastie
4. Hitzewallungen
(8)
†
†
†
†
arbeitsunfähig
stark, i. v. Antibiotika/Antimykotika
-
> 40°C für < 24 Stunden
Serumkrankheit, Bronchospasmus, parenterale
Medikation
ausgeprägtes Erythem,
konfluierende feuchte Epitheliolye (> 50 %), starkes
Ödem; intensive Therapie
generalisierte makuläre,
papulöse oder vesikuläre
Effloreszenzen, starker Pruritus oder assoziierte Symptome
komplett, jedoch reversibel
starke Schmerzen und
Schwellung, Ulzerationen
stark gestört
stark oder häufig, sehr
beeinträchtigend
-
3 = stark”/”ausgeprägt”
-
-
> 40°C für > 24 Stunden
oder verbunden mit Hypotension
lebensbedrohliche Sepsis
Anaphylaxie
komplett, irreversibel
generalisierte exfoliative
oder ulzerierende Dermatitis
tiefe Ulzera, Hämorrhagie
oder Nekrose; operative
Therapie
plastisch chirurgische
Maßnahmen nötig
-
-
4 = “lebensbedrohlich”
90
Weitere Befunde
bei klinischer
Relevanz
†
1 = “gering”/”leicht”
normal
“gering”/”leicht”
normal: voll ambulant, noch zu
90-100% leichter Arbeit fähig:
70 - 80 %
5 - < 10 %
5 - < 10 %
gering; keine Transfusion
gering vermindert
gering und gelegentlich
2 = “mäßig”/”deutlich”
“mäßig”/”deutlich”
Tags > 50 % ambulant,
meist Selbstversorgung,
arbeitsunfähig: 50 - 60 %
Kurzfristig (> 1 Woche)
vermindert
10 - < 20 %
10 - < 20 %
Mäßig: 1 - 2 Transfusionen/
Episode
Häufig und naßgeschwitzt
3 = stark”/”ausgeprägt”
4 = “lebensbedrohlich”
massiv: > 4 Transfusionen/
Episode
völlige Appetitlosigkeit
-
“stark”/”ausgeprägt”
“lebensbedrohlich”
tags > 50 % bettlägerig, be- ständig bettlägerig und voll
grenzte Selbstversorgung, auf fremde Hilfe angewiepflegebedürftig: 30 - 40 %
sen: < 30 %
langfristig (> 1 Woche)
vermindert
> 20 %
> 20 %
stark: 3 - 4 Transfusionen/
Episode
-
Priv. Doz. Dr. med. Karin Koch
Chefärztin der Klinik für Strahlentherapie
Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam
Redaktionelle Bearbeitung:
(Druck und Verteilung der modifizierten CTC-Checkliste mit freundlicher Unterstützung der Firma AMGEN, München)
Basierend auf den CTC Kriterien (NCI, 1988) und einer Modifikation der EORTC (1992) wurde von der Phase I II-Studiengruppe der AIO eine verbesserte
deutsche CTC-Toxizitätstabelle erstellt. Für Radiotherapeuten wurden einige nichtberücksichtigte Organ(systeme) nach den RTOG Kriterien für “Akute
Nebenwirkungen” eingearbeitet. Der Allgemeinzustand wird nach AJCC/ECOG eingeteilt. Die Organkomplexe können summarisch (Hauptkriterien 1 - 12)
oder im Detail (Subkriterien) erfaßt werden. Mit der vorliegenden Systematik können besonders die “akuten Nebenwirkungen” (< 90 Tagen nach Therapie)
während und nach Radiotherapie und Radiochemotherapie erfaßt werden. Eine Basisuntersuchung vor Therapiebeginn ist dringend empfohlen.
Allgemeinzustand
AJCC-/ECOG-Skala;
Karnofsky Index
<5%
<5%
keine
2. Gewichtszunahme
3. Gewichtsabnahme
4. Blutung (klinisch)
0
normal
normal
(12)
†
(11)
Toxizität / Grad
5. Schweißausbruch
Âllgemeinsymptome
1. Appetit
17.
Tumorschmerztherapie
17.1
Einleitung
Im Verlauf der Krebserkrankung und der Therapie treten bei vielen Patienten Schmerzen auf.
Diese Schmerzen können mit Zunahme von Intensität, Dauer und Ausbreitung das Leben des
Patienten beherrschen und sein größtes Problem werden.
Begleitsymptome, wie Übelkeit, Erbrechen, Singultus, Obstipation, Diarrhoe, Dyspnoe oder
Husten, können den Leidensdruck des Patienten und seiner Angehörigen zusätzlich steigern.
Verstümmelnde chirurgische Eingriffe (z.B. Mamma-Amputation, Anus praeter) ebenso wie
körperliche Schwäche und Immobilität sowie Angst und soziale Isolation können die Lebensqualität
zusätzlich beeinträchtigen.
Die symptomatische Therapie darf sich aus diesem Grund nicht allein auf den Tumorschmerz
beschränken, sondern sollte umfassend und ganzheitlich sein, um eine Verbesserung der
Lebensqualität der onkologischen Patienten zu gewährleisten.
17.2
Schmerzarten und -ursachen
Die Kenntnis über Schmerzursache und Schmerzart ist Voraussetzung für eine adäquate und
erfolgreiche Therapie.
Auch bei den Tumorpatienten werden akute und chronische Schmerzen unterschieden.
Der akute Schmerz zeigt ein zeitlich begrenztes Anfallmuster und hat den Charakter einer
Schutzfunktion. Er geht meist mit einer Hyperaktivität des vegetativen Nervensystems sowie
subjektiven und objektiven Zeichen und Verhaltensweisen einher, die die Schmerzangaben des
Patienten begleiten und damit den Arzt bei der Feststellung der Schmerzursache unterstützen. So
kann der akute Schmerz das zur Diagnose “Krebs” führende Hauptsymptom sein. Seine Therapie
ist in der Regel unproblematisch. Das Therapieziel ist rasche Linderung mit ggf. Sedierung. Die
Dosierung erfolgt nach Standard und nach Bedarf. Die parenterale Applikation ist geeignet. Eine
Zusatztherapie ist selten erforderlich.
Der chronische Schmerz ist eine Folge bleibender pathoanatomischer und pathophysiologischer
Veränderungen. Langfristig kommt es zu physischen, psychischen und psychosozialen Reaktionen
und Anpassungen - der Schmerz wird zur Schmerzkrankheit, zum chronischen Leiden.
Die Therapie des chronischen Schmerzes ist langwierig, wobei die Therapie des Tumorschmerzes
eher zum Erfolg führt, als diejenige mancher chronischer Schmerzen anderer Genese. Das
Therapieziel ist die Vermeidung der Schmerzen bei konstanter Wirkung der Medikamente unter
der oralen Applikation. Eine Sedierung ist unerwünscht. Die Dosis muss individuell und nach
einem Zeitplan festgelegt werden. Eine Zusatztherapie ist häufig erforderlich.
Im Gegensatz zu manchen chronischen Schmerzen benigner Genese, die z. B. nach einem
Bagatelltrauma entstanden sind und bestehen bleiben, selbst wenn die Verletzung längst
ausgeheilt und vergessen wurde, oder eine Ursache nicht mehr erkennbar ist, liegen bei den
Tumorschmerzen stets aktuelle Ursachen vor.
Die Schmerzursachen sind vielfältig, wobei tumorbedingte, tumorassoziierte, therapiebedingte
sowie tumorunabhängige Schmerzen zu unterscheiden sind. Diese Differenzierung ist nötig, da
manche Schmerzen nur teilweise oder überhaupt nicht auf Opioide ansprechen.
Tumorbedingte Schmerzen (60 - 80 %) entstehen durch Tumorbefall (Infiltration, Kompression,
Verdrängung) von Weichteilgeweben, Nerven, Viscera, Knochen. Ferner können paraneoplastische und entzündliche Prozesse, (z. B. Peritonitis, Peritoneal- oder Pleurakarzinose),
Schmerzen verursachen.
91
Tumorassoziierte Schmerzen (ca. 10 %) treten als Folge des Tumorwachstums auf, wie z.B.
Lymphödem, Thrombosen, myofasziale Schmerzen oder tumorbedingte Nekrosen.
Therapiebedingte Schmerzen (15 - 20 %) als Folge der antineoplastischen Therapie:
Postoperative Schmerzzustände nach ausgedehnten Eingriffen, wie Verwachsungen
infolge von Thorax- und Bauchoperationen, Stumpf- und Phantomschmerzen
nach Extremitätenamputationen.
Strahlenbedingte Schmerzen, z. B. Kopfschmerzen beim sog. “Strahlenkater”,
krampfartige intestinale Schmerzen nach Bestrahlung des Abdomens (Radioenteritis),
neurogene Schmerzen bei Strahlenmyelopathie oder Strahlenfibrose des Plexus lumbalis
oder des Plexus brachialis (z.B. nach Mamma-Bestrahlung) u.a.
Chemotherapieinduzierte Schmerzen können bedingt sein durch periphere Neuropathien
nach Vinca-Alkaloiden, durch aseptische Knochennekrosen als Folge einer
Steroid-Therapie und durch Gewebsschädigungen nach versehentlich extravasaler
Injektion entsprechender Zytostatika.
Tumorunabhängige Schmerzen (bis ca. 10. %) können auch bei Tumorpatienten auftreten,
beispielsweise bei degenerativen Veränderungen der Gelenke oder der Wirbelsäule.
17.3
Schmerzanalyse
Zur Schmerzanalyse gehören: eine allgemeine und onkologische Befunderhebung, eine
spezifische Schmerzanalyse, eine orientierende neurologische Untersuchung und die psychosoziale Exploration.
Folgende Fragen müssen im Rahmen der spezifischen Schmerzanalyse dem Patienten gestellt
werden:
Wo tut es weh? Sind die Schmerzen fokal, multifokal, diffus, einseitig, radikulär-segmental,
pseudoradikulär? Korrespondiert die Lokalisation mit dem onkologischen Befund? Es kann hilfreich
sein, den Schmerz und seine Ausbreitungsrichtung vom Patienten in die Skizze eines
Körperschemas einzeichnen zu lassen.
Wie tut es weh? Schmerzbeschreibende Adjektive können auf den Pathomechanismus (z. B.
kolikartiger, neuralgieformer Schmerz etc.) hinweisen. Häufige Begriffe sind: scharf, stechend,
einschießend, brennend, dumpf, ziehend, drückend, krampfartig.
Wann tut es weh? Wie ist der Tages- und Nachtverlauf? Sind die Schmerzen persistierend,
intermittierend usw.? Seit wann tut es weh?
Wie stark tut es weh? Eine einfache Beschreibung nach den Kategorien schwach, mittel und
stark ist zu empfehlen. Eine weitere Beurteilungsmöglichkeit bieten die visuellen analogen Scalen
(VAS). Sie werden als eine Linie dargestellt, deren beiden Enden die Begrenzungen der
Schmerzempfindung bilden - kein Schmerz, unerträglicher Schmerz. Der Patient markiert seinen
Schmerz mit einem Punkt auf der Scala. Der Schmerz kann auch in Prozent oder Zahlen mit Hilfe
der numerischen analogen Skalen (NAS) angegeben werden. Die Veränderung der Intensität im
Zeitverlauf ist ebenfalls ein wichtiger Hinweis vom Patienten. Gegebenenfalls sollte der Patient
angehalten werden, etwas über Intensität und Zeitstruktur seiner Schmerzempfindung schriftlich
festzuhalten. Hilfreich kann hierbei das Führen eines Schmerzkalenders durch den Patienten sein.
Wodurch ändert sich der Schmerz? Beeinflussen Ruhe bzw. Bewegung, körperliche Belastung,
Körperlage und bisher durchgeführte Behandlungen, z.B. schmerztherapeutische Maßnahmen,
den Schmerz?
92
Welche weiteren Beeinträchtigungen beklagt der Patient? Bestehen neben dem Schmerz
andere Symptome, z.B. Beeinträchtigungen der Vigilanz, Lähmungen, Sensibilitätsstörungen,
vegetative Störungen, wie Übelkeit, Erbrechen, Inkontinenz, Obstipation, Schlafstörungen usw.?
Diese sind als Folge der Grundkrankheit bzw. als Therapiefolge zu differenzieren.
Die therapeutische Strategie muss sowohl auf die unmittelbare Schmerzlinderung als auch auf die
kontinuierliche Betreuung des Patienten bis zu seinem Tode ausgerichtet sein. Oft wird eine
Kombination verschiedener Schmerztherapiemethoden erforderlich.
17.4
Therapiemethoden bei Tumorschmerzen
Die Therapiemethoden bei Tumorschmerzen sind vielfältig. Antineoplastische Verfahren wie
Operationen, Strahlen-, Chemo- und Hormontherapie haben hierbei stets Priorität.
Die systemische analgetische Pharmakotherapie ist der Schwerpunkt der symptomatischen
Tumorschmerztherapie. Ferner gehören verschiedene Formen der lokalen Pharmakotherapie (z.B.
Nervenblockaden, rückenmarksnahe Applikationen von Opioiden, Lokalanästhetika u.a.),
neurochirurgische Verfahren, Reflextherapiemethoden (TENS, Neuraltherapie u.a.) sowie die
psychosoziale Betreuung der Patienten ebenso hierzu.
17.5
Defizite in der Schmerztherapie und deren Ursachen
Trotz dieser Vielfalt therapeutischer Möglichkeiten bestehen deutliche Defizite in der Therapie und
Betreuung onkologischer Schmerzpatienten. Eine Reihe von erschwerenden Faktoren sind vor
allem bei der systemischen Pharmakotherapie als Ursache anzuführen:
- Vorurteile gegen die Opioide,
- Unkenntnis der Verbesserungen der BtMVV,
- Missachtung und Unkenntnis der Pharmakokinetik,
- Compliance-Probleme bei Patienten und Ärzten,
- Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Risiken der Pharmaka.
Die Vorurteile gegen die Opioide wirken sich besonders nachteilig auf die Therapie aus. Sie finden
Ausdruck in:
- Misskreditierung dieser Analgetika als Rauschgifte, Suchtmittel, Betäubungsmittel
- Angst vor der Sucht
- Angst vor Nebenwirkungen und Risiken
- Angst vor Missbrauch
- Angst vor strafrechtlichen Folgen bei Verschreibungsfehlern
Die Ängste vor Sucht und Missbrauch sind unbegründet, wenn Retardpräparate oral verordnet
werden. Bei der Opioid-Langzeittherapie muss in der Regel mit einer physischen Abhängigkeit
(keine psychische) gerechnet werden, daher darf die Therapie nicht abrupt abgesetzt, sondern
muss allmählich ausgeleitet werden, um eine Entzugssymptomatik zu vermeiden.
17.6
Systemische analgetische Pharmakotherapie
Die systemische analgetische Pharmakotherapie kommt bei fast jedem onkologischen
Schmerzpatienten zur Anwendung. Sie kann den kausalen antineoplastischen Therapiemethoden
vorausgehen, sie begleiten oder anschließend eingesetzt werden.
93
17.6.1 Grundsätze der systemischen analgetischen Pharmakotherapie
Folgende Grundsätze müssen bei der Anwendung der systemischen analgetischen Pharmakotherapie beachtet werden:
- Berücksichtigung der vorausgegangenen medikamentösen Therapie
- Die orale, ggf. auch rectale Applikation ist Methode der Wahl. Sie ist einfach in der Anwendung
und gewährleistet eine weitgehende physische und psychische Unabhängigkeit des Patienten
vom Pflegepersonal, hat geringere Nebenwirkungen und ein verringertes Abhängigkeitspotential
infolge geringer Anstiegsgeschwindigkeiten der Plasmakonzentration. Parenterale Gaben sind
nur in Ausnahmefällen sinnvoll, wenn eine orale Applikation nicht möglich ist.
Die transkutane Opioidapplikation (Opioidpflaster) kann vor allem bei Patienten mit Schluckstörungen, Unverträglichkeit oder unregelmäßiger Einnahme auf Grund von Vergesslichkeit
eingesetzt werden. Sie stellt insgesamt eine interessante Alternative zur oralen Opioidapplikation
dar.
- Monosubstanzen als Retardpräparate in ausreichend hoher Dosierung individuell verordnen. Nur
auf diese Weise sind die notwendigen Einzeldosen problemlos zu erreichen, vermehrte
Nebenwirkungen werden vermieden und die Compliance der Patienten verbessert. Kombinationspräparate mit mehreren Nichtopioid-Analgetika vermeiden. Damit ist nur eine geringe
Wirkungssteigerung bei vermehrten Nebenwirkungen zu erwarten.
Die Kombination verschiedener starker Opioide ist zu vermeiden, die Kombination schwacher mit
starken Opioiden - nicht sinnvoll.
- Eine kontrollierte Anpassung hilft Nebenwirkungen zu vermeiden.
- Angemessene Applikationsintervalle, die die Halbwertszeit der Analgetika berücksichtigen. Sie
ermöglichen eine kontinuierliche Analgesie im Sinne der Schmerzprophylaxe.
- Die Verordnung nach einem Zeitschema, entsprechend den Halbwertszeiten und der klinischen
Wirksamkeit und nicht nach Bedarf, ist unbedingt bei chronischen Schmerzen anzustreben.
- Auswahl der Analgetika und Adjuvantien unter Berücksichtigung der Schmerzursachen
- Eine Beschränkung auf zwei bis höchstens drei Arzneimittel je Gruppe ist sinnvoll und
empfehlenswert, um bei der Vielfalt der Medikamente mit ihren Besonderheiten und möglichen
Interaktionen den Überblick zu behalten.
- Schmerzdokumentation (ggf. mit Schmerzkalender), aus der die Erfahrungen des Patienten und
seine subjektive Bewertung zur Optimierung der Therapie und zum Therapieerfolg verhelfen.
Dosierung, Wirksamkeit und unerwünschte Wirkungen müssen dokumentiert werden.
17.6.2
Dreistufen-Therapie
Die “Dreistufen-Therapie” nach WHO ist eine weltweit in Feldstudien erprobte Anwendungsart
der systemischen Pharmakotherapie, mit der über 90 % der Schmerzpatienten ausreichend
behandelt werden können.
17.6.2.1 Nichtopioid-Analgetika (1. Stufe)
In der 1. Stufe werden leichte bis mäßige Schmerzen mit Nichtopioid-Analgetika behandelt, die mit
oder ohne Adjuvantien verordnet werden. Zu diesen Analgetika gehören die NSAR (saure
Analgetika), wie die COX 1- und COX 2-Hemmer sowie die selektiven COX 2-Hemmer und nicht
saure Analgetika wie Metamizol und Paracetamol.
94
COX 1- und COX 2-Hemmer:
Diclofenac (Voltaren® oder Generika) 1 Tbl./Drg.
= 25/50 mg
1Retard-Tbl. = 100 mg
1Supp.
= 12,5/25/50/100 mg
50 - 100 mg nichtretardiert
4 - 6 x tgl.
100 mg retardiert
2 - 3 x tgl.
Diclofenac gehört zu den sauren Nichtopioid-Analgetika. Es ist besonders wirksam bei
Tumorschmerzen, die durch Knochen- und Weichteilinfiltrationen oder entzündliche Komponenten
bedingt sind.
Wichtige Nebenwirkungen: Magen-Darm-Störungen und -Blutungen
Weitere COX 1- und COX 2-Hemmer: Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Naproxen, Piroxicam und
Dexibuprofen. Das Dexibuprofen stellt das analgetisch wirksame Enantiomer des Racemat
Ibuprofen dar und hat eine höhere analgetische Potenz bei geringeren Nebenwirkungen.
Selektive COX 2-Hemmer:
Zu dieser Analgetikagruppe gehören Celecoxib, Rofecoxib und Waldecoxib.
Celecoxib (Celebrex®)
1 Kps.
200 mg
=
100/200 mg
2 x tgl.
Rofecoxib (VIOXX®)
1 Tbl.
25 mg
=
12,5/25 mg
2 x tgl.
Valdecoxib (Bextra®)
1 Tbl.
20 mg
=
10/20/40 mg
2 x tgl.
Die selektiven COX 2-Hemmer haben Vorteile wie:
- keine Beeinflussung der Gerinnung
- Magenprotektion
- Darmprotektion.
Sie sind bei Risiko-Patienten indiziert.
Nichtsaure Analgetika:
Metamizol (Novalgin® oder Generika):
Novaminsulfon-ratiopharm®:
30 Tr.
= 500 mg
18 Tr.
= 1 ml = 500 mg
1 Kps
= 500 mg
1 Supp. = 1000 mg
500 - 1000 mg
5 - 6 x tgl.
Metamizol ist ein potentes nichtsaures Analgetikum, insbesondere bei viszeralen Schmerzen.
Gute analgetische Potenz, gute Verträglichkeit.
Wichtige Nebenwirkungen: Schwitzen, selten allergische Hautreaktionen, äußerst selten
Agranulozytose.
Weitere nichtsaure Analgetika: z.B. Paracetamol
Die Nichtopioid-Analgetika zeigen im Gegensatz zu den meisten Opioiden einen Ceiling-Effekt
hinsichtlich der analgetischen Wirkung, d. h. bei Steigerung der Dosis über eine bestimmte
(maximale) Dosis hinaus tritt kein stärkerer analgetischer Effekt auf. Die Nebenwirkungen können
jedoch zunehmen.
Das s.g. “Analgetika-Syndrom” (Nieren-, Knochenmark- und Leberschädigung) kann in seltenen
Fällen bei chronischer Anwendung von Nichtopioid-Analgetika über mehr als ein Jahr auftreten.
Um eine solche Komplikation zu vermeiden, muss nicht nur das Nichtopioid-Analgetikum, sondern
auch die Medikamentengruppe (sauer, nichtsauer) alle 6 - 8 Wochen gewechselt oder selektive
95
COX 2-Hemmer verordnet werden. Die Gefahr einer derartigen Komplikation ist bei den meisten
Tumorpatienten eher unwahrscheinlich, da viele von ihnen eine kurze Lebenserwartung haben.
Vielmehr muss auf die unmittelbaren Nebenwirkungen und Komplikationen geachtet werden, da
diese das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Patienten akut und aktuell beeinträchtigen und
damit relevant sind. Eine massive gastrointestinale Blutung kann hierbei eher auftreten. Daher ist
nach einer längeren Anwendung bzw. bei verstärkt auftretenden Nebenwirkungen oder einem
Nachlassen der analgetischen Wirkung nicht nur das Nichtopioid-Analgetikum, sondern auch die
Substanzgruppe zu wechseln.
17.6.2.2 Schwache Opioide (2. Stufe)
In der 2. Stufe kommen die schwachen Opioide zum Einsatz. Sie erlauben eine Steigerung der
analgetischen Therapie bei mäßigen bis starken Schmerzen, insbesondere, wenn sie zusammen
mit Nichtopioid-Analgetika und ggf. mit Adjuvantien verordnet werden.
Zu diesen Analgetika gehören z. B. Dihydrocodein retard, Tramadol, Tilidin (+Naloxon). Sie sind
nicht BtMV-pflichtig.
Dihydrocodein retardiert (DHC Mundipharma ®) (1 Retard Tbl. = 60/90/120 mg)
60 - 120 mg / 2 - 3 x tgl.
Steady state nach 24 Stunden, lange Wirkungsdauer.
Tramadol (Tramal ®, Tramundin ®) nichtretardiert
1 Kps. = 50 mg, 1 Supp. = 100 mg
20 Tr. = 50 mg,
50 - 100 mg / 4 - 6 x tgl.
Schneller Wirkungseintritt, mittlere Wirkungsdauer, die Tropfen sind besonders günstig zur
Therapieeinleitung und raschen Titration der optimalen Dosis.
Tramadol retardiert 100 - 200 mg/ 2 - 3 x tgl.
Tramal long ® Tbl. 100/150/200 mg
Tramundin ® Tbl. 100/150/200 mg, teilbar
Die Tramadol Retard-Tabl. sind für die Weiterführung der Therapie vorteilhaft.
T-long ® ist eine Retardierung, deren Wirkung über 24h anhält. 1 Tbl = 100/150/200 mg
Ferner gibt es eine Reihe von Generika:
Tilidin (+ Naloxon) (Valoron ® N) 1 Kps. = 50 mg
20 Tr. = 50 mg
50 - 100 mg / 6 x tgl.
Sehr schneller Wirkungseintritt (10 min.), kurze bis mittlere Wirkungsdauer (3 - 4 h).
Valoron N Retardtbl.
1 Retardtbl. = 50/100/150/200 mg
50 - 300 mg / 2 x tgl., gegf. bis zu 3 x tägl. 200 mg
Gute Wirkung bei sehr langer Wirkungsdauer und geringen Nebenwirkungen.
Wichtige Nebenwirkungen der schwachen Opioide: Übelkeit, Erbrechen, Obstipation
Eine Atemdepression ist in der Regel nicht zu befürchten. Vorsicht mit Hochdosierung bei alten
Patienten im Terminalstadium und in Kombination mit anderen zentraldepressiv wirkenden
Substanzen.
17.6.2.3
Starke Opioide (3. Stufe)
In der 3. Stufe ermöglichen die starken Opioide eine weitere Steigerung der Schmerztherapie und
sichern den Therapieerfolg bei den meisten Patienten. Die Kombination mit Nichtopioid-Analgetika
und mit Adjuvantien ist oft sinnvoll und empfehlenswert, insbesondere bei starken Schmerzen, die
nur partiell auf Opioide ansprechen.
96
Die starken Opioide sind BtMV-pflichtig. Zu ihnen gehören z.B. Morphin, Oxycodon,
Hydromorphon, Fentanyl und Buprenorphin.
Die Verordnung der starken Opioide wird allein von der Schmerzintensität und nicht von der
Lebenserwartung bestimmt.
Morphin ist die Referenzsubstanz unter den Opioiden.
Als Morphin-Lösung, nichtretardierte Tabletten oder Suppositorien hat es einen schnellen
Wirkungseintritt. Daher sind diese Zubereitungen besonders geeignet, um die analgetische
Therapie einzuleiten oder als zusätzliche Medikation Schmerzspitzen zu eliminieren. Die
Morphindosis ist so lange zu titrieren, bis eine ausreichende Schmerzlinderung bzw. -freiheit erzielt
wird. Die Wirkungsdauer beträgt etwa 4 Stunden.
Morphin-Lösung
(0,1 % - 4 %) initial 5 - 10 mg, 6 x tgl.
schneller Wirkungseintritt
Mögliche Dosierungsstufen: 5-10-20-30-40-60-80-120 mg/4 h
Morphin-Tabletten (Sevredol ® ) (1 nichtretardierte Tbl. = 10/20 mg)
schneller Wirkungseintritt, kurze Wirkungsdauer (4 h)
mögliche Dosierungsstufen: s. Morphin-Lösung
Morphin-Supp. (MSR 10/20/30 Mundipharma.®) 10 - 30 mg / 5 - 6 x tgl.
Die Zäpfchen sind eine Alternative zu den Sevredol®-Tabletten.
Morphin-Retardtabletten haben entsprechend einen langsamen Wirkungseintritt und eine lange
Wirkungsdauer. Bei Neueinstellung ist ein steady state erst nach 24 Stunden zu erreichen.
Deshalb sind die Morphin-Retardtabletten nach erfolgter Morphineinstellung für die Weiterführung
einer Langzeittherapie zu empfehlen. Eine Morphin-Neueinstellung und -titration kann auch mit
den Retardpräparaten erfolgen.
Morphin retard (MST 10/30/60/100/200 Mundipharma®)
initial 10 - 30 mg / 2 - 3 x tgl.
Die Morphindosis ist auch hierbei so lange zu titrieren, bis eine ausreichende Schmerzlinderung
bzw. -freiheit erzielt ist.
Mögliche Dosierungsstufen: 10-20-30-40-60-90-120 .....mg/8 - 12 h
MST® 20/30/60/100/200 Retard-Granulat - (Dosierung wie bei den MSTMundipharma®)
Das Granulat ist besonders günstig für Applikationen über Nahrungssonden, in
der Kinderonkologie oder bei Patienten mit geringer Compliance.
MST continus® 30/60/100/200 - nach Austitrierung der Tagesdosis 1 - 2 x tgl. die
ermittelte Dosis
Mit MST continus® besteht die Möglichkeit, die Patienten mit einer oralen Einnahme
am Tag (ggf. 2 x/d) ausreichend einzustellen.
Mögliche Dosierungsstufen: 30-60-90-120 ......./24 h
Andere retardierte Morphinpräparate sind:
Capros® 10/30/60/100
M long® 10/30/60/100
Beide Präparate stehen als Kapseln zur Verfügung, die Morphin-Pellets enthalten. Diese können
aus den Kapseln entleert werden und sind sondengängig, bzw. mit der Nahrung vermischt,
erhöhen sie ebenfalls die Compliance der Patienten.
Inzwischen steht eine ganze Reihe von Generika zur Verfügung:
Oxycodon (Oxygesic®)
1 Ratardtbl. = 10/20/40/80 mg
2 x tgl. ggf. 3 x tgl. die ermittelte Dosis
97
Das retardierte Oxycodon ist ein Morphin-Agonist, 2 x stärker als Morphin, mit geringeren
Nebenwirkungen (weniger Pruritus und Halluzinationen) und ohne Ceiling-Effekt.
Wirkeintritt – innerhalb 1 h, Wirkdauer – 12 h.
Hydromorphon (Palladon®) 1 Ratradtbl. = 4/8/16/24 mg
2 x tgl. die ermittelte Dosis
Schmerzspitzen können mit dem nichtretardierten und daher schnell wirksamen Hydromorphon
eliminiert werden.
Hydromorphon ist ein Morphin-Agonist, 7 x stärker als Morphin mit gleichen Nebenwirkungen aber
ohne Ceiling-Effekt.
Wirkeintritt – innerhalb 2 h, Wirkdauer – 12 h.
Buprenorphin stellt eine Alternative zum Morphin dar und ist 25-50 x stärker als Morphin. Seine
sublinguale Applikation ist besonders geeignet bei Dysphagie und Erbrechen. Es zeichnet sich
durch eine lange Wirkungsdauer (6 - 8 h) aus.
Ein “Ceiling”-Effekt bei Einzeldosen von mehr als 1 mg ist möglich, daher ist eine unbegrenzte
Dosissteigerung nicht sinnvoll. Bei dem Ceiling-Effekt kann eine Dosissteigerung keine weitere
Wirkungssteigerung bewirken.
Buprenorphin ist ein Morphin-Agonist-Antagonist und sollte daher nicht unmittelbar nach einer
längeren Morphintherapie verordnet werden, da es durch seine antagonistischen Eigenschaften
zur Entzugssymptomatik führen kann.
Buprenorphin (Temgesic® sublingual)
(Temgesic® sublingual forte)
initial:
1 Tbl. = 0,2 mg
1 Tbl. = 0,4 mg
0,2 - 0,4 mg / 2-3 x tgl.
Transdermale Opioidapplikation
Die transdermale Opioidapplikation stellt eine Alternative zu den starken Opioiden der
3. WHO-Stufe dar. Das Opioid-Pflaster kann bei Patienten eingesetzt werden, bei denen
eine orale Therapie aufgrund von Stomatitis, Dysphagie, Übelkeit, Erbrechen
Darmobstruktion nicht möglich ist oder aus pflegerischen Gründen günstiger erscheint.
oder
Fentanyl TTS (Durogesic smat® - 25 µg/h / 50 µg/h / 75 µg/h / 100 µg/h)
1 Pflaster/3 d (ermittelte Dosis)
Fentanyl ist ein Morphin-Agonist, 75-100 x stärker als Morphin.
Wirkeintritt – in ca. 12 h, Wirkdauer – 72 h
Vorteile:
kein first Pass-Effekt, kein Ceiling-Effekt, günstig bei stabilen Dauerschmerzen,
Durogesic smat® ist im Unterschied zu seinem Vorgänger als Matrix-Pflaster teilbar
Nachteile:
feuchte Haut, bei Anstieg der Körpertemperatur Überdosierungsgefahr
nur Fremdsubstitution möglich
Buprenorphin-Pfl. (Transtec® - 35 µg/h / 52,5 µg/h / 70 µg/h)
1 Pflaster/3 d (ermittelte Dosis)
Wirkeintritt – in ca. 12 h, Wirkdauer – 72 h
Vorteile:
wie bei Fentanylpflaster
als Polymer-Matrix-Pflaster teilbar
eigene Substitution
Nachteile:
wie bei Fentanylpflaster
Hautreizung
Die Therapieeinstellung muss von in der Tumorschmerztherapie erfahrenen Ärzten erfolgen. Bei
der Umstellung nach Therapie mit anderen Opioiden müssen Äquipotenztabellen beachtet werden.
Fieber bzw. heiße Vollbäder können zu einer verstärkten Aufnahme des Fentanyls und dadurch zu
einer Überdosierung führen.
98
Wichtige Nebenwirkungen der starken Opioide:
Obstipation, Übelkeit, Erbrechen, Sedation.
Eine Atemdepression kann auftreten, wenn starke Opioide hoch dosiert mit anderen
zentralwirkenden Substanzen (Neuroleptika, Hypnotika, Sedativa) bei stark geschwächten oder
moribunden Patienten kombiniert verschrieben werden.
17.6.2.4 Adjuvantien
Adjuvantien können in jeder Therapiestufe verordnet werden. Das Ziel ihrer Anwendung ist es, die
analgetische Wirksamkeit der Therapie bei niedriger Dosierung zu steigern sowie spezifische
Schmerzen und Begleitsymptome zu behandeln.
Antidepressiva - Im Rahmen der Schmerztherapie wirken sie schmerzlindernd,
stimmungsaufhellend und schwach anxiolytisch. Ihre Anwendung ist besonders sinnvoll bei
Neuralgien und neuropathischen Schmerzen mit Dysästhesien.
Amitriptylin retard (Saroten® ret. o. Generika) 1 Retard-Tbl. = 25/75 mg
initial 25 mg/d; 25 - 75 mg/tgl.
Sedierendes Antidepressivum, abendliche Gabe daher günstig.
Clomipramin (Anafranil®) 1 Tbl. = 10/25 mg; 1 Retard-Tbl. = 75 mg
10 - 50 mg/tgl.
Antriebssteigerndes Antidepressivum, keine abendliche Gabe.
Doxepin (Aponal® oder Generika) 1 Drg. = 5/10/25 mg
1 Film-Tbl. = 50/75/100 mg
1 ml = 10 mg
25 - 100 mg/tgl.
Leicht sedierendes Antidepressivum, abendliche Gabe, verzögerter Wirkungseintritt (Tage!)
Die trizyklischen Antidepressiva haben durch Hemmung der Rückresorption von Serotonin und
Noradrenalin mehr Nebenwirkungen als die modernen Antidepressiva mit selektiver Hemmung der
Rückresorption von Serotonin. Sie sind jedoch analgetisch wirksamer und daher insgesamt
günstiger für die Schmerztherapie.
Antikonvulsiva - insbesondere bei neuropathischen Schmerzen mit einschießender oder
bohrender bzw. stechender Komponente geeignet.
Pregabalin (Lyrica®)
1 Kps. = 75/150/300 mg
2 x tgl. 150 - 300 mg
Bei Niereninsuff. 2 x tgl. 75 mg.
Gute Wirksamkeit bei geringen Nebenwirkungen.
Gabapentin (Neurontin® u. Generika) 1 Kps. = 100/300/400/600/800 mg
3 x tgl. 1 Kps. – um 100 mg tgl. steigern bis 3 x tgl. 300 mg
erreicht wurde. Wenn notwendig bei fehlenden
Nebenwirkungen nach 2-3 Tagen Dosis allmählich weiter
steigern, ggf. bis 3600 mg/d.
Gabapentin ist derzeit Mittel der Wahl.
Carbamazepin retard (Tegretal® ret.) 1 Retard-Tbl. = 400 mg
initial 200 mg, Dosis langsam bis auf 800 mg/d steigern
(ggf. auch 1200 mg/d) (Plasmaspiegel kontrollieren!)
Clonazepam (Rivotril ®)
1 Tr. = 0,1 mg
0,1 - 0,5 mg/ 2 - 3 x tgl.
99
Antiemetika (Cave extrapyramidal- motorische Bewegungsstörungen!):
Haloperidol (Haldol® oder Generika)
1 Tbl. = 1/2/5/10/20 mg
10 Tr. = 1 mg
0,5 - 1,0 mg / 2-3 x tgl.
Metoclopramid (Paspertin® oder Generika)
Domperidon (Motilium®)
1 Retard Kps.
1 Supp.
30 Tr.
10 mg
= 30 mg
= 10/20 mg
= 10 mg
= 3-6 x tgl.
1 Filmtbl. = 10 mg, 1 ml =(30 Tr.) = 10 mg
1 Retard-Kps. = 30 mg, 1 Supp = 10/20 mg
10/20 mg / 3 - 4 x tgl.
Antiemetika wie Odansetron (Zofran®) sollte der Chemotherapie vorbehalten bleiben.
Corticosteroide sind bei Schmerzen durch Entzündung oder Kompression indiziert (Nerven- oder
Rückenmarkskompression, Hirndruck, Leberkapselschmerz, Lymphödem).
Dexamethason (z. B. Fortecortin® oder Generika) 1 Tbl. = 0,5/1,5/4 mg
initial 8 - 24 mg/tgl. nach einer Woche ggf. reduzieren.
Bei Hirndruck oder Rückenmarkskompression höher dosieren.
Laxantien
Die Verordnung von Laxantien ist bei einer Opioid-Therapie obligat in Erwägung zu ziehen, um der
hierbei sehr oft auftretenden Obstipation vorzubeugen.
Macrogol 3350 (Movicol®) initial 2 Btl./d als Trinklösung
danach 1 Btl./d
Lactulose (z.B. Bifiteral® oder Generika) 15 - 45 ml/tgl.
Natriumpicosulfat (z.B. Laxoberal® od. Generika)
10 - 20 Tr./tgl.
Bisacodyl (z.B. Dulcolax® oder Generika) 1 Drg. = 5 mg
1 Supp. = 10 mg
Gastroprotektiva, z.B. Prostaglandinanaloga / H²-Rezeptorantagonisten.
Der prophylaktische Nutzen dieser Substanzgruppen bei gastrointestinalen Nebenwirkungen
nichtopioider Analgetika ist nur für Prostaglandinanaloga gesichert, allerdings gewährleistet
auch diese Substanzgruppe keine 100%ige Sicherheit.
Misoprostol (Cytotec® 200)
1 Tbl. = 200 µg
600/800 µg/tgl.
Wichtige Nebenwirkungen: Bauchschmerz, Diarrhoe, Nausea, Vertigo.
Famotidin (Pepdul®)
1 Tbl. = 20/40 mg
400 mg/tgl.
Wichtige Nebenwirkungen: Leberfunktionsstörungen, psychische Störungen,
Agranulozytose.
Erst wenn die Möglichkeiten der systemischen analgetischen Pharmakotherapie ausgeschöpft
wurden oder unbeherrschbare Nebenwirkungen ihre Anwendung ausschließen, sollten invasive
Methoden, wie rückenmarksnahe Opioidapplikationen, Neurolysen u. a. zur Anwendung kommen.
100
17.7
Invasive Verfahren – Mehrstufen-Therapie (Tabelle 1)
Die invasiven Schmerztherapieverfahren kommen in der Regel immer dann zur Anwendung, wenn
die Möglichkeiten der oralen bzw. transkutanen medikamentösen Therapie ausgeschöpft wurden,
z.B., wenn diese unwirksam, unzureichend oder aber mit nicht beherrschbaren Nebenwirkungen
behaftet ist.
In Ausnahmefällen können, wie z.B. bei eng umschriebenen Tumorschmerzen, temporäre, ggf.
auch permanente Blockaden (Neurolysen) frühzeitig vorgenommen oder temporäre
Periduralkatheter implantiert werden. Damit kann die orale Medikation abgesetzt oder stark
reduziert, bzw. während Phasen starker Schmerzen ausreichende Analgesie erzielt werden. Ggf.
können diese Phasen überbrückt werden, bis Palliativmaßnahmen, wie Strahlen- oder
Chemotherapie ihre, Wirkung entfalten.
17.7.1 Parenterale Opioid-Infusionen
Die parenteralen Opioid-Infusionen stellen eine Alternative zur oralen medikamentösen Therapie
dar.
Die kontinuierlichen parenteralen Infusionen sind günstiger als die intermittierenden Bolusapplikationen, da sie einen konstanten Plasmaspiegel ermöglichen und eine weitgehende
Unabhängigkeit der Patienten vom Pflegepersonal gewährleisten. Sie sind sinnvoll bei Patienten
mit Schluckbeschwerden sowie Störungen der enteralen Resorption oder, wenn die orale
Medikation bei hoher Dosierung vom Patienten mengenmäßig nicht verkraftet wird,
bzw. unbeherrschbare Nebenwirkungen auftreten.
17.7.1.1 Subkutane Opioid-Infusion
Die subkutanen Infusionen sind insbesondere für ambulante Patienten geeignet. Sie werden
mit tragbaren Infusionspumpen durchgeführt. Je nach Modell lassen sich diese Pumpen auf
verschiedene Infusionsgeschwindigkeiten einstellen bzw. mit zusätzlichen Boli programmieren, die
von den Patienten bei Bedarf, z.B. bei Schmerzspitzen, zusätzlich abgefordert werden können.
Morphin ist hierbei die Substanz der Wahl. Die subkutane Morphininfusion kann in Dosierungen
erfolgen, die nur die Hälfte oder weniger als die Hälfte der oralen Dosierung betragen.
(oral : subkutan = 2 : 1 bis 3 : 1). Um infusionsbedingte Schmerzen zu vermeiden, darf die
Infusionsgeschwindigkeit 5 ml/h nicht überschreiten.
Eine weitere Dosisanhebung sollte über höher konzentrierte Morphinlösungen erfolgen
(20 mg/ml).
Subkutane Infusionen sollten mittels dünner Kanülen erfolgen (27 G Butterfly), die an der vorderen
Thoraxwand (z. B. infraklavikulär) appliziert, den Patienten in seiner Bewegungsfreiheit nicht
behindern. Im Durchschnitt kann eine Punktionsstelle bis zu 7 Tagen zur subkutanen Infusion
genutzt werden.
Wenn mit den Schmerzen gleichzeitig Übelkeit, Angst und Unruhe vorhanden sind, ist eine
kontinuierliche subkutane Infusion mehrerer Medikamente indiziert. In solchen Fällen können
Antiemetika (Metoclopramid), Neuroleptika (Haloperidol, Chlorpromazin) und Anxiolytika
(Midazolam) zusammen mit Opioiden infundiert werden.
Gute Mischbarkeit der Substanzen, Stabilität des Gemisches sowie Gewebsverträglichkeit sind
Voraussetzungen hierfür, wobei Erfahrungsberichte über die o. a. Substanzen bereits vorliegen.
Eine Rücksprache mit erfahrenen Schmerztherapeuten ist vor dem Therapiebeginn sinnvoll.
Bei Infusionen, die über 24 Stunden erfolgen, sollte ein Bakterienfilter vorgeschaltet werden.
101
17.7.1.2 Intravenöse Opioid-Infusion
Die kontinuierliche intravenöse Infusion kann bei der Applikation großer Opioiddosen gute Dienste
leisten. Die i.v. Morphindosis beträgt etwa 1/3 der oralen Dosis (oral: i.v. = 3 : 1). Von besonderem
Vorteil ist hierbei die Implantation eines zentralvenösen Ports, mit dem ggf. auch eine parenterale
Ernährung unproblematisch erfolgen kann. Damit ist sie aber mit einem höheren Aufwand
verbunden und daher, insbesondere bei gleichzeitiger Chemotherapie oder parenteraler
Ernährung, über einen derartigen Port sinnvoll.
17.7.2 Rückenmarksnahe Analgesie
Die Entdeckung von Opioidrezeptoren im Rückenmark wurde von der Entwicklung der
rückenmarksnahen Applikationsformen gefolgt, die bei niedriger Opioid-Dosierung eine Steigerung
der Analgesieintensität ermöglichen. Das Opioid wird hierbei in die Nähe des Rückenmarks
gebracht und entfaltet dort seine schmerzhemmende Wirkung, indem die nociceptive Erregung
selektiv blockiert wird.
Die kontinuierliche rückenmarksnahe Opioidapplikation hat ebenfalls eindeutige Vorteile
im Vergleich zu intermittierenden Applikationen, wie:
- niedrige Dosierung bei lokaler Wirkungsbeschränkung
- keine kurzfristigen Konzentrationsspitzen
- einfache ambulante Betreuung
- weitgehende Unabhängigkeit der Patienten vom Pflegepersonal und Ärzten
- geringere Infektionsgefahr
- höhere Wirtschaftlichkeit
Rückenmarksnahe Katheter und tragbare oder implantierbare Pumpen sind
unabdingbare Voraussetzungen für die kontinuierliche rückenmarksnahe Analgesie.
Die rückenmarksnahen Katheter können peridural oder intrathekal (spinal) implantiert
werden. Die Implantationstechnik wird von der Mehrzahl der Anästhesisten, aber auch von einigen
Ärzten anderer Fachgebiete, beherrscht.
17.7.2.1 Peridurale Opioidanalgesie
Die peridurale Opioidanalgesie erfolgt über Katheter, die je nach Schmerzlokalisation, im
gesamten Periduralbereich der Wirbelsäule (zervikal, thorakal und lumbal) implantiert werden
können. Die Punktionsstelle für die Katheterimplantation wird so gewählt, dass die Katheterspitze
im Bereich der schmerzleitenden Segmente positioniert ist. Die optimale Positionierung ist
insbesondere bei Applikationen von Lokalanästhetika von Bedeutung. Die Periduralanalgesie ist
aus diesem Grund, insbesondere bei lokal umschriebenen Schmerzen, besonders wirkungsvoll.
Wenn abzusehen ist, dass die Periduralanalgesie nur für 3 - 4 Wochen benötigt wird, kann der
Katheter von der Punktionsstelle auf dem Rücken über eine Schulter nach vorn abgeleitet werden.
Die Fixierung erfolgt mit einem Pflasterstreifen über seine gesamte Länge.
Katheterdislokationen und aszendierenden Infektionen sind aber besser zu begegnen, wenn der
Katheter mit Hilfe einer subkutanen Tunnelung fern von der Punktionsstelle aus der Haut
herausgeleitet und mit 1 - 2 Hautnähten fixiert wird.
Die nach außen abgeleiteten Periduralkatheter (PDK) werden in der Regel über einen Bakterienfilter an eine tragbare Infusionspumpe angeschlossen. Ihre Implantation kann ambulant erfolgen.
Die Nachteile dieser einfachen und preiswerten Art sind:
- größere Infektionsgefahr (in der Regel lokale Hautinfektion)
- Einschränkung der Körperhygiene (Vollbad nicht möglich)
- Möglichkeit der Katheterdislokation
- aufwendigere Katheterpflege
Häufige Katheterkontrollen mit Verbandwechsel und Abdeckung der Katheteraustrittsstelle mit
einer desinfizierenden Salbe (Betaisodonna ®) sind angezeigt.
Die Körperpflege ist in Form von Duschbädern möglich, wenn der Periduralkatheter mit einem
Kolostomie-Klebebeutel abgedichtet wird.
102
Bei der periduralen Katheterlage kommt es oft zu einer Fibrinverklebung oder Fibrosierung an der
Katheterspitze, die zu einer zeitlichen Begrenzung der periduralen Analgesie bzw. zu einer
Katheterreimplantation führt.
Die nach außen abgeleiteten PDK sind insbesondere bei unbeherrschbaren Schmerzen im
Terminalstadium der Krebserkrankung indiziert.
17.7.2.2 Intrathekale Opioidanalgesie
Die intrathekale Opioidanalgesie erfolgt über Katheter, die in den Liquorraum eingeführt werden.
Solche Katheter werden ausschließlich im lumbalen Wirbelsäulen-Bereich (L2-L5) implantiert.
Diese Analgesiemethode ist indiziert, wenn bei unerträglichen Schmerzen aus anatomischtechnischen Gründen die Implantation eines periduralen Katheters nicht, oder nur fernab von den
betroffenen Segmenten möglich ist. Die Wirkung übersteigt diejenige der periduralen Applikation.
Neben der größeren Zuverlässigkeit hat die intrathekale Morphinapplikation bei niedriger
Dosierung eine höhere Analgesieintensität und längere Wirkungsdauer. Ferner können mit dieser
Technik auch größere Schmerzareale bzw. Ganzkörperschmerz behandelt werden.
Deshalb stellt sie nicht nur eine Alternative zur periduralen Applikation, sondern auch eine
Steigerungsmöglichkeit der Analgesie dar.
Die Nebenwirkungen und Komplikationen entsprechen ebenfalls denjenigen der periduralen
Opioidanalgesie, wobei ein höheres Infektionsrisiko und die Gefahr eines Duralecks mit Liquorrhoe
und Kopfschmerzen zusätzlich bestehen.
Das höhere Infektionsrisiko der intrathekalen Opioidapplikation kann durch implantierbare
Injektionssysteme und tragbare Infusionspumpen sowie engmaschige Überwachung der Patienten
minimiert werden. Die implantierbaren Pumpen sind für die intrathekale Opioidapplikation
besonders geeignet.
17.7.2.3 Implantierbare Injektionssysteme
Die implantierbaren Injektionssysteme bestehen aus einem Peridural- oder Spinalkatheter und
einer Injektionskammer (Pain port).
Die Injektionskammer besteht aus Kunststoff oder Metall, hat einen Durchmesser von ca. 3 bis 4
cm und weist ein Silikongummi-Einstichseptum auf. Sie wird mit dem subkutan getunnelten
Katheter verbunden und ebenfalls subkutan, z.B. über eine Rippe im Bereich der Mammillarlinie,
implantiert. Das Injektionsseptum wird mit Zeigefinger und Daumen durch die Haut ertastet und
nach sorgfältiger Hautdesinfektion mit speziellen Einmal- oder Verweilkanülen punktiert. Diese
Kanülen besitzen einen besonderen Schliff (nach Huber), um Ausstanzungen aus dem Septum
Silikongummi zu vermeiden. Die rechtwinkelig gestalteten Verweilkanülen werden über dem Port
mit Pflaster fixiert und mit einem Infusionsschlauch an einer externen tragbaren Infusionspumpe
angeschlossen. Ein Kanülenwechsel kann nach einigen (3 - 5) Tagen erfolgen.
Die Vorteile der Ports sind:
- verbesserte Körperhygiene
- Verhinderung einer Katheterdislokation
- geringere Infektionsgefahr
- geringere psychische Belastung für den Patienten
- zeitweilige Stillegung des Injektionssystems und Reaktivierung problemlos möglich
(während der Stillegung sind Spülungen im Abstand von 3 - 4 Wochen erforderlich)
Die Nachteile sind:
- größerer operativ-technischer Aufwand
- größerer Kostenaufwand (Port- u. Katheterkosten je nach Modell ca. 150,- bis 300,- ¼*)
- postoperative Applikationspause (7 - 10 Tage)
Als Indikation zur Implantation eines Pain ports wird eine rückenmarksnahe Analgesie von mehr
als drei Monaten angesehen.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------*) Die angeführten Preise sind als grobe Orientierung gedacht, da die Listenpreise der
Firmen ständigen Änderungen unterworfen sind und außerdem über Verhandlungen
und Rabatte deutlich niedrigere Preise zu erzielen sind.
103
17.7.2.4 Externe tragbare Infusionspumpe
Der Einführung der tragbaren Infusionspumpen ist zu verdanken, dass eine weitgehend
problemfreie ambulante Schmerztherapie über längere Zeiträume (> 3 Monate) mit Hilfe von
subkutanen oder rückenmarksnahen Opioidinfusionen nach Ausschöpfung der Möglichkeiten der
oralen Pharmakotherapie ermöglicht wird.
Diese Pumpen werden je nach Modell mit Spritzen, Kassetten oder Beuteln betrieben.
Einfachere, nicht programmierbare Modelle, sind mit einer Federmechanik versehen (z.B.
Springfusor®, Vigon; Ultraflow®, Fresenius) und kosten je nach Modell von ca. 30,- bis 300,- ¼*)
Sie werden für eine Anwendungsdauer von einigen Monaten angegeben und sind daher als
personengebundenes Einwegmaterial anzusehen.
Ihre Infusionsgeschwindigkeit wird mit Hilfe von Durchflußbegrenzern reguliert und ist von der
Viskosität der Medikamentenlösung und der Umgebungstemperatur abhängig. Die
Durchflußbegrenzer stellen Infusionssysteme mit eingebauten Kapillaren mit einem definierten
Querschnitt dar, mit dem jeweils nur eine definierte Infusionsgeschwindigkeit möglich ist.
Andere mechanische Pumpen werden von einem Uhrwerk angetrieben (z.B. Perfusor M®, Braun)
und erlauben eine gewisse Variabilität der Infusionsgeschwindigkeit. Ihre Anwendung ist zeitlich
nicht limitiert. Der Anschaffungspreis beträgt ca. 400,- ¼ *)
Weitere Modelle funktionieren als peristaltische Pumpen, die elektrisch (Batterie) angetrieben und
elektronisch gesteuert werden, z. B. Chronomat®, Fresenius; CADD PCA®, Pharmacia. Neben
der gewünschten konstanten Flowrate lassen sich auch Boli programmieren, die im Sinne der
Patient-controlled Analgesia (PCA) von den Patienten per Knopfdruck abgefordert werden können.
Auch diese Pumpen sind unbegrenzt wieder verwendbar, kosten jedoch je nach Modell ca. 4.000,¼*)
17.7.2.5 Implantierbare Infusionspumpe
Die internen Infusionspumpen werden anstelle von Ports implantiert und in der Regel mit
intrathekalen Kathetern gekoppelt. Diese handtellergroßen Pumpen bestehen aus einem
Metallgehäuse, das als Antriebskammer dient und eine faltenbalgförmige Medikamentenkammer
beinhaltet. Als Antrieb dient bei den meisten Modellen ein flüssiges Fluorocarbonat (Freon),
welches bei 37°C einen Dampfdruck von 300 mmHg liefert und die Medikamentenkammer
komprimiert. Auf diese Weise funktionieren z.B. die Modelle Therex®, Anschütz® und Infusaid®.
Das Medtronic®-Modell wird elektrisch mittels Batterie angetrieben.
Die je nach Modell zwischen 20 und 50 ml fassende Medikamentenkammer wird perkutan durch
ein Septum, wie bei einem Pain port, gefüllt. Ein Zusatzseptum ermöglicht bei einigen Modellen
eine unmittelbare intrathekale Opioidapplikation unter Umgehung der Medikamentenkammer.
Die Infusionsgeschwindigkeit wird bei einigen Modellen (Therex®, Anschütz IP 20.1®, Infusaid®)
vor der Implantation eingestellt (1-3 ml/24 h), bei anderen (Anschütz IP 35.1®, Medtronic®) kann
sie bei Bedarf im geringen Rahmen nachträglich verändert werden. Eine Änderung der Dosierung
erfolgt bei den festeingestellten Pumpen über Veränderung der Opioidkonzentration. Bei einer
guten Einstellung der Patienten kommen diese Pumpen mit einer Füllung 14 Tage bis zu einem
Monat aus.
Die Vorteile der implantierbaren Pumpen sind:
- kein Pflegeaufwand
- hohe Wirksamkeit
- geringe psychische Belastung
- geringe Infektionsgefahr
- keine postoperative Applikationspause
Die Nachteile sind:
- größerer operativer Aufwand
- hoher Anschaffungspreis (ca. 4.000,- ¼*)
- nicht wiederverwendbar
104
Aufgrund des hohen Preises wird die Implantation einer solchen Pumpe nur bei Patienten mit der
Notwendigkeit einer intrathekalen Opioidanalgesie und mit einer Lebenserwartung von über sechs
Monaten als indiziert angesehen.
17.8
Medikamente zur rückenmarksnahen Analgesie
Morphin ist auch hierbei das Mittel der ersten Wahl. Die Morphindosis richtet sich nach der
Schmerzintensität und ist bei der periduralen Applikation von der Schmerzausdehnung und der
Katheterposition abhängig. Eine Tagesdosis von 20 mg Morphin/24 h und mehr kann durchaus
notwendig sein.
Bei der intrathekalen Applikation reichen in vielen Fällen Dosierungen von 1-5 mg/24 h aus.
Die Morphin-Großampullen (MSI 100/200 Mundipharma®) mit 5 ml bzw. 10 ml Inhalt eignen sich
gut für die Befüllung der Pumpen.
Mit Nebenwirkungen, wie Schläfrigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Juckreiz und passageren
Miktionsstörungen, muss gerechnet werden.
Die gefürchtete Atemdepression ist insbesondere bei der intrathekalen Applikation möglich. Aus
diesem Grund muss bei der Umstellung oder Dosiserhöhung stets auf Atemfrequenz und Vigilanz
der Patienten geachtet werden. Bei einer Abnahme der Atemzüge auf weniger als 12/min. muss
eine engmaschige Überwachung erfolgen, um rechtzeitig eine Ateminsuffizienz zu erkennen.
Bei einer Ateminsuffizienz aufgrund der Atemdepression muss das Opioidantidot Naloxon
(Narcanti®) in niedriger Dosierung (0,2 - 0,4 mg) wiederholt i.v. gespritzt werden, da die
Wirkungsdauer von Naloxon 30 min. beträgt, während die Atemdepression bei einer
Morphinüberdosierung weit über 4 h anhalten kann.
Aufgrund der o. g. Komplikationsmöglichkeiten erscheint eine teilstationäre Umstellung sinnvoll.
Entzugserscheinungen stellen eine weitere reale Gefahr dar, insbesondere, wenn von einer
hochdosierten oralen Opioidtherapie auf eine rückenmarksnahe Analgesie mit einer vielfach
geringeren Dosis umgestellt, oder nach einer erfolgreichen antineoplastischen Therapie die orale
Medikation plötzlich unterbrochen wird. Um eine solche Entzugssymptomatik zu vermeiden, muss
die orale Applikation bei laufender rückenmarksnaher Morphininfusion langsam, ggf. über Wochen,
ausgeblendet werden.
Fentanyl und Buprenorphin finden ebenfalls Anwendung in der rückenmarksnahen Opioidanalgesie.
Lokalanästhetika, z.B. das langwirkende Bupivacain, gewährleisten eine sichere Analgesie. Ihre
Wirkung erfolgt jedoch unspezifisch über Hemmung der Leitung von Aktionspotentialen längs der
Nervenfasern. Dadurch können neben der Analgesie gleichzeitig sensorische Ausfälle und
Muskelatonie bis hin zu motorischen Ausfällen auftreten.
Aus diesem Grund sind die Lokalanästhetika überwiegend für die peridurale Applikation zu
empfehlen, da hier mit niedrigen Konzentrationen die Wirkung leichter auf die Analgesie zu
begrenzen sowie eine Herabsetzung des muskulären Tonus oder der Motorik zu verhindern ist, als
bei der intrathekalen Applikation. Besonders günstig ist die gleichzeitige Infusion mit Morphin.
Clonidin ist ein Alpha 2-adrenerger Agonist und entfaltet eine analgetische Wirkung im Bereich
des Rückenmarks. Die Indikation ist vor allem bei der Beseitigung einer Morphintoleranz zu sehen.
Die Dosierung beträgt 0,15 - 0,6 mg/24 h und mehr. Als Nebenwirkungen können Hypotension und
Bradykardie auftreten.
Calcitonin ist ein Hormon mit analgetischer Wirkung bei Schmerzen durch Knochendestruktion,
jedoch nicht bei allen Patienten wirksam. Die Dosierung kann mit 1 x 100mg pro Woche erfolgen.
(Cave allergische Reaktionen!) Als Nebenwirkungen treten häufig Übelkeit und Erbrechen auf.
105
17.9
Destruierende Verfahren
17.9.1 Chemische Neurolysen
Die chemischen Neurolysen sind invasive destruktive Verfahren, bei denen mit Alkohol oder
Phenol schmerzleitende Neuronen oder Nerven zerstört werden, um die Schmerzleitung zu
unterbrechen. Der Einsatz dieser Verfahren ist sehr begrenzt und sollte dem erfahrenen
Schmerztherapeuten
vorbehalten
bleiben,
da
es
zur
Entwicklung
eines
Deafferenzierungsschmerzes kommen kann.
17.9.1.1 Chemische Neurolyse des Ggl. coeliacum
Mit der chemischen Neurolyse des Ggl. coeliacum werden alle viszeralen Afferenzen und
sympathischen Efferenzen aus dem Oberbauch durch Einbringen eines Neurolyticums gezielt
unterbrochen. Als chemische Substanzen mit nervenzerstörenden Eigenschaften eignen sich z.B.
50 - 100 %iger Alkohol oder 5 - 10 %iges Phenol.
Die Indikationen sind therapieresistente Schmerzen bei malignen Tumoren im Oberbauch,
insbesondere Pancreas, Leber, Gallenblase. Die Indikation sollte frühzeitig gestellt werden.
17.9.1.2 Intrathekale chemische Neurolyse
Durch geeignete Lagerung des Patienten werden mit dem intrathekal injizierten Neurolytikum
(Alkohol, Phenol) gezielt die hinteren Nervenwurzeln der schmerzleitenden Segmente zerstört. Die
Indikationen sind segmentale thorakale Schmerzen, perianaler Schmerz.
17.9.1.3 Chemische Neurolyse des lumbalen Sympathikus
Die gezielte Applikation des Neurolytikums (Alkohol, Phenol) erfolgt mit Hilfe eines bildgebenden
Verfahrens.
Indikationen: Teil einer Kombinationstherapie zur Schmerzreduktion bei malignen Tumoren im
Becken-Beinbereich.
17.9.1.4 Chemische Neurolysen peripherer Nerven
Bei dieser Neurolysenart werden periphere Nerven mit dem Neurolytikum zerstört.
Indikation: In ausgesuchten Fällen, z.B. bei segmentalen Schmerzen im Bereich eines Interkostalnervs bei Rippenmetastasen.
Der Erfolg einer Neurolyse ist zeitlich begrenzt und beträgt in der Regel 3 - 6 Monate, selten auch
länger.
Wenn Axone bzw. periphere Nerven zerstört werden, aber die zugehörigen Neuronen vital bleiben,
wachsen die Axone nach und stellen die Schmerzleitung wieder her. Eine Zerstörung der
Neuronen (paravertebrale Ganglien) kann einen Deafferentierungsschmerz auslösen.
17.9.2 Neurochirurgische Verfahren
Die neurochirurgischen destruktiven Verfahren zur Behandlung von Tumorschmerzen haben das
Ziel, die Schmerzleitung zu unterbrechen. Sie sind mit schweren Komplikationen behaftet, ohne
eine Erfolgsgarantie zu gewährleisten. Glücklicherweise wurden sie von zuverlässigeren
konservativen Therapieverfahren weitgehend verdrängt.
Die percutane Chordotomie findet in einigen wenigen Fällen noch Anwendung. Hierbei wird der
Vorderseitenstrang mit kleinen Elektroden durch Koagulation unterbrochen. Die Chordotomie kann
auch operativ durchgeführt werden. Als Indikation werden halbseitige mittellinienferne
therapieresistente Schmerzen unterhalb des C6-Segmentes angegeben, bei denen alle anderen
Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Die Analgesie ist häufig von kurzer Dauer. Mit
Komplikationen wie Schlafapnoe, Thermdysästhesien, Hemiparesen und Blasenentleerungsstörungen muss gerechnet werden.
106
17.10 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung
17.10.1 Erleichterungen durch die 10. Novelle der BtMVV
Die seit dem 1. Februar 1998 gültige 10. Novelle der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung
(BtMVV) erleichtert die Betäubungsmittelverschreibung erheblich:
-
BtM-Rezepte brauchen nicht mehr handschriftlich ausgefüllt zu werden. Die Rezepte sind über
einen Praxis-Nadeldrucker komplett ausdruckbar. Ein Nadeldrucker ist wegen der weiterhin
erforderlichen Durchschläge des Rezeptes notwendig. Nur noch die Unterschrift und im Falle
einer Vertretung der Zusatz „i. V.“ sind handschriftlich zu leisten (Abb. 1).
-
Angaben, die bereits in der Arzneimittelbeschreibung enthalten sind, z. B. Gewichtsmenge,
müssen nicht mehr wiederholt werden. Die zusätzliche Nennung der Darreichungsform, z. B.
Retardkapsel, sowie die Wiederholung der angegebenen Stückzahl in Worten entfallen
(Abb. 1)
-
Es gibt keine „Tageshöchstmengen“ mehr. Die angegebene Verschreibungshöchstmenge, für
Morphin beispielsweise 20.000 mg, darf innerhalb von 30 Tagen verordnet werden. Sofern sie
nicht überschritten wird, kann die Reichdauer der verschiedenen Medikamente auch 30 Tage
überschreiten. Damit können insbesondere Schmerzpatienten, die verreisen wollen, besser als
bisher versorgt werden.
-
Innerhalb von 30 Tagen können zwei Betäubungsmittel verschrieben werden. Ferner ist die
kombinierte Verordnung von zwei Mitteln auf einem Rezept möglich (Abb. 2).
-
Eine Überschreitung der Höchstmenge ist im Einzelfall weiterhin möglich und die Kennzeichnung des Rezeptes mit dem Buchstaben „A“ erforderlich (Abb. 3). Die Meldung von mit
„A“ gekennzeichneten Rezepten an die zuständige Landesbehörde entfällt.
-
Im Notfall ist die Verschreibung von BtM-Präparaten auf Normalrezept oder auf einem anderen
Stück Papier jetzt möglich. Die Verordnung ist mit dem Zusatz „Notfallverschreibung“ zu
kennzeichnen. Ein entsprechendes BtM-Rezept ist nachzureichen und mit „N“ zu kennzeichnen (Abb. 4).
-
Erkennbare Fehler auf dem BtM-Rezept oder auf dem Anforderungsschein können vom
Apotheker korrigiert werden. Auch telefonische Rückfragen sind möglich.
17.10.2 Ausstellen von BtM-Rezepten (siehe Anhang)
Folgende Angaben sind jetzt nur noch erforderlich (Abb. 1):
1. Name, Geburtsdatum und Anschrift des Patienten
2. Ausstellungsdatum
3. Arzneimittelbezeichnung, soweit dadurch nicht eindeutig bestimmt, die Bezeichnung und
Gewichtsmenge des enthaltenen BtM
4. Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe, oder im Falle einer gesonderten schriftlichen
Gebrauchsanweisung für den Patienten mit dem Vermerk: „Gem. schriftl. Anw.“
5. Name, Berufsbezeichnung und Anschrift einschließlich Telefonnummer des verschreibenden
Arztes sowie seine Zulassungsnummer bei Niederlassung
6. Eigenhändige Unterschrift des Arztes, im Vertretungsfall der Vermerk „i. V.“
17.11 Zusammenfassende Schlussfolgerungen
Die systemische analgetische Pharmakotherapie, als auch eine Reihe invasiver Therapieverfahren, bieten vielfältige Möglichkeiten, mit denen schwere Schmerzzustände erfolgreich
behandelt werden können. Die invasiven Therapiemethoden können eine unzureichende medikamentöse Schmerztherapie komplettieren oder ablösen.
107
Mit der Einführung der Dreistufen-Therapie nach den WHO-Empfehlungen und Verbesserung der
oralen Schmerztherapie durch die Verbesserung und Erleichterungen von der BtMVV ist die
Notwendigkeit für eine invasive Methode der Schmerztherapie immer seltener geworden und
betrifft nur etwa 2 - 10 % aller Tumorpatienten.
Die wertvolle Ergänzung und Erweiterung des Therapierepertoires durch die beschriebenen
invasiven Methoden als Mehrstufentherapie ermöglicht bei nahezu allen Tumorpatienten eine
effektive Schmerztherapie.
Die Vielfalt effektiver Therapiemethoden erlaubt eine rasche Linderung bzw. Schmerzfreiheit bei
den meisten Tumorschmerzpatienten. Heute darf kein onkologischer Patient mehr
an Tumorschmerzen leiden!
Eine suffiziente Schmerztherapie allein sichert nicht immer eine ausreichende Lebensqualität für
die Patienten. Vielmehr müssen Symptome, welche die Tumorerkrankung begleiten oder durch die
antineoplastische oder/und Schmerztherapie entstehen, gleichzeitig behandelt werden.
108
Tabellen und Abbildungen
109
110
111
112
113
Literatur
Anleitung zur Tumorschmerztherapie. Herausgeber: Arbeitskreis “Tumorschmerz”
der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V., 5. Auflage, Mai 1996
(Artikel-Nr. 9482/5.96)
Hausärztliche symptomatische Behandlung Krebskranker. Herausgeber: G. Tontschev,
Bibliomed - Medizinische Verlagsgesellschaft mbH, 2. Auflage, Melsungen 1991
Schmerztherapie bei Tumorpatienten - ein Leitfaden. Eine gemeinsame Empfehlung
der Tumorzentren, der KV und der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Herausgeber:
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung, Baden-Württemberg, 2. aktualisierte
Auflage, Stuttgart, November 1993
TherapiekompendiumTumorschmerz und Symptomkontrolle. Herausgeber: D. Zech,
St. A. Schug, St. Grond. 3. Auflage. Perimed-Spitta Verlag GmbH, Balingen 1996
Medikamentöse Therapie von Tumorschmerzen. Teil II. Anwendung von Opioiden. Der Schmerz 9; 3-19
(1995), Cherny, N. J., Portenoy, R. K., Raber, M., Zenz, M.
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. habil. Georgi Tontschev
Chefarzt der Abt. f. Anaesthesiologie,
Intensivmedizin und Schmerztherapie
Evang.-Freikirchliches Krankenhaus Bernau
114
Interdisziplinäre onkologische Tumorkonferenzen
Carl-Thiem-Klinikum Cottbus
mittwochs ab 15.30 Uhr
Ort: Hörsaal, Haus 33
Anmeldungen zum Konsil: Frau J. Danke, Konsiliarärztin der Nachsorgeleitstelle
Telefon: (03 55) 46 24 62
Humaine-Klinikum Bad Saarow
Mittwochs ab 15.45 Uhr
Ort: Demosaal Radiologie
Anmeldungen zum Konsil: Sekretariat Pathologie
Telefon: (03 36 31) 7 2310 Fax: (03 36 31) 7 30 10
Klinikum Barnim GmbH
Werner Forßmann Krankenhaus, Eberswalde
jeden 2. Mittwoch ab 15:30
Ort: Mehzweckraum
Anmeldung zum Konsil: Sekretariat der Medizinischen Klinik I
Telefon: (0 33 34) 69 33 82 Fax: (0 33 34) 69 21 82
e-mail: [email protected]
Klinikum Frankfurt (Oder)
mittwochs ab 15.00 Uhr
Ort: Demonstrationsraum im Institut für Radiologie, Zimmer 4412
Anmeldungen zum Konsil: Herr A. Naas, Konsiliararzt des OSP
Telefon: (03 35) 5 48 20 27
Oberhavel Kliniken GmbH, KH Hennigsdorf
jeden 3. Mittwoch im Monat, 17 Uhr
Raum 605 (Andachtsraum im Erdgeschoss)
16761 Hennigsdorf, Marwitzer Str. 91
Anmeldungen über Frau Voigt, Sekretariat Chirurgie
Tel.: (0 33 02) 54 52 71
e-mail: [email protected]
Ruppiner Kliniken Neuruppin
jeden Mittwoch ab 15.30 Uhr
Ort: Haus Z, Röntgen-Demonstrationsraum
16816 Neuruppin, Fehrbelliner Str. 38
Anmeldungen zum Konsil: Frau Dr. Schneider
Tel.: (0 33 91) 39 32 05, Fax: (0 33 91) 39 32 19
e-mail: [email protected]
Ruppiner Kliniken Neuruppin
Onkologisches Mammakonsil
jeden 1. Mittwoch ab 16.00 Uhr
Ort: Haus Z, Röntgen-Demonstrationsraum
16816 Neuruppin, Fehrbelliner Str. 38
Anmeldungen zum Konsil: Frau Dr. Schneider
Tel.: (0 33 91) 39 32 05, Fax: (0 33 91) 39 32 19
e-mail: [email protected]
115
Klinikum Ernst von Bergmann Potsdam gGmbH
mittwochs ab 14.00 Uhr
Ort: Hörsaal der Pathologie
Anmeldungen zum Konsil: Frau Dr. Niepmann, TZ
Telefon: (03 31) 2 41 68 87
Städt. Klinikum Brandenburg GmbH
jeden 2. und 4. Mittwoch des laufenden Monats,16.00 Uhr
Röntgen-Demoraum Neubau West
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Städtische Klinikum Brandenburg
Hochstr. 29
15770 Brandenburg
Anmeldung: Sekretariat Fr. Böttche
Tel.: (0 33 81) 41 12 00
St. Josef-Krankenhaus Potsdam
Interdisziplinäre Tumorkonferenz
jeden Donnerstag ab 14.00 Uhr
St. Josef Krankenhaus
Allee nach Sanssouci 7
14469 Potsdam
Station C1
Anmeldungen über Dr. Rupprecht
Tel.: (03 31) 9 62 81 04
Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen
interdisziplinäre pneumologische Tumorkonferenz
jeden Donnerstag ab 13.00 Uhr
Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen
Klinik II, Fachklinik für Pneumologie
Südstr. 20-28
14929 Treuenbrietzen
Anmeldung über Sekretariat Fr. Schürmann
Tel.: (03 37 48) 2 23 91
KMG Kliniken AG Pritzwalk / KH Prignitz gGmbH Perleberg
jeden 4. Mittwoch im Monat, 17.00 Uhr
abwechselnd im Klinik Pritzwalk bzw. KH Perleberg
Anmeldungen über OA Dr. med. Büchner, Klinik für Chirurgie,
KMG Kliniken AG, Klinikum Pritzwalk
16928 Pritzwalk, Perleberger Str. 2
Tel.: (0 33 95) 68 50, Fax: (0 33 95) 68 52 80
e-mail: [email protected]
Klinikum Uckermark Schwedt
mittwochs ab 15.30 Uhr
Ort: Beratungsraum der Medizinischen Klinik
Anmeldungen zum Konsil: Frau Kindt, OSP
Telefon: (0 33 32) 53 23 90, Fax: (0 33 32) 53 39 06
e-mail: [email protected]
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