Seite 1 von 4 Info 5/2014 l l e u t ak Histopathologische Diagnosen nach Zehenamputation bei Hund und Katze Umfangsvermehrte Zehen sind häufig schmerzhaft und verursachen Lahmheiten. Sie sind therapeutisch mittels Antibiose oft nur schwierig oder unzureichend zu be­ einflussen. Eine Amputation der Zehe ist dann der ein­ zige erfolgsversprechende nächste Schritt. Sie ist ein häufig praktizierter chirurgischer Eingriff bei umfangsvermehrten Zehen von Hund und Katze und bereitet den Patienten nach der Operation meist wenig Probleme. Die Amputation bietet die Möglichkeit, gleich zeitig zu therapieren und eine Diagnose zu stellen. Das klinische Erscheinungsbild tu­ moröser und nicht­neoplastischer (Abb. 1) Veränderungen kann sehr ähnlich sein. erkennbar sind, bei denen später histopatho­ logisch ein maligner knochendestruierender Tumor diagnostiziert wird. Abb. 2: Röntgenbild von Pfote eines Mittelschnauzers mit Osteolyse der Phalanx distalis der 2. Zehe. Histo logisch wurde ein Plattenepithelkarzinom gefunden. (Dr. Sieberz, Kleintierklinik Ravensburg) Abb. 1: Umfangsvermehrung dorsal an der Kralle eines Hundes, die sich histologisch als Granulations­ gewebe darstellte Insbesondere kann eine Destruktion des Knochens nicht nur durch maligne Tumore sondern auch durch benigne Neoplasien, Entzündungen und andere nicht­tumoröse Veränderungen (z.B. Haarfollikelzysten) verursacht werden. Die Knochendestruktion wird häufig schon röntgenologisch vor der Amputation beobachtet (Abb. 2). Anderer­ seits gibt es aber auch Fälle, in denen rönt­ genologisch keine Knochenveränderungen Amputierte Zehen sollten daher immer histo­ pathologisch untersucht werden. Es existiert nur wenig Datenmaterial über die histopathologischen Befunde von ampu­ tierten Zehen bei Hund und Katze. In der folgenden Auswertung wurden daher 380 kanine sowie 87 feline amputierte Zehen aus dem Einsendungsgut von LABOKLIN histologisch aufgearbeitet und ausgewertet, um die Häufigkeitsverteilung der möglichen Diagnosen aufzuzeigen und in Relation zueinander zu setzen. LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68548 • E-Mail: [email protected] www.laboklin.de Seite 2 von 4 Tab. 1: Vorkommen tumoröser und nicht-neoplasti­ scher Veränderungen in den amputierten Zehen des Untersuchungsgutes bei Hund und Katze Läsion Hund Katze Zehen insgesamt 380 87 Entzündung 118 (31,1%) 33 (37,9%) Tumoren • maligne • benigne 249 (65,5%) 192 (50,5%) 57 (15,0%) 51 (58,6%) 49 (96,1%) 2 (3,9%) Bei den Zehen der Katze (n=87) wurden in 33 Fällen (37,9%) ein entzündliches Ge­ schehen diagnostiziert, in 51 Einsendungen (58,6%) wurde ein tumoröser Prozess (Tab. 2) festgestellt. Tab. 2: Vorkommen verschiedener Tumore in den amputierten Zehen des Untersuchungsgutes bei Hund und Katze Hund Katze Plattenepithelkarzinom 117 10 Malignes Melanom 42 3 Sarkom 17 12 In einzelnen Fällen traten mehrere Ver­ änderungen an einer Zehe auf. Sonstige maligne Tumoren 16 18, davon 16 Karzinome Bei den Zehen des Hundes wurde in 118 Fällen (31,1%) ein entzündlicher Prozess ohne Hinweis für Tumorwachstum diagnos­ tiziert. Dabei wurden unterschiedliche Entzün­ dungsbilder gefunden. Insbesondere Re­ aktionen auf Fremdmaterial wurden häufig beobachtet. Diese können umfangreiche Zubildungen an den Zehen verursachen. Es kann sich um eingespießtes Fremdmaterial wie Pflanzenteile handeln oder auch um Haare, die im Rahmen eines entzündli­ chen Geschehens oder durch ungerichtetes Wachstum wie endogenes Fremdmaterial wirken. Oft lässt die Art der Entzündungs zellen auf eine zusätzliche bakterielle Infek­ tion schließen. Auch einzelne Pilzinfektionen sowie allergische Reaktionen konnten beobachtet werden. Gehen die entzündlichen Veränderungen in ein chronisches Stadium über, wird vermehrt Granulationsgewebe gebildet (Abb. 1). Subunguales Keratoakanthom 25 0 Sonstige benigne Tumoren z.B. Histiozytom, Plasmazelltumor 32 2 Sonstiges (z.B. Haar­ follikelzyste) 22 (5,7%) 3 (3,4%) In 249 Fällen (65,5%) wurde ein tumoröses Geschehen diagnostiziert (Tab. 2). Tumorart Ähnliche Häufigkeitsverteilungen wurden auch in anderen Studien bei Hund und Katze (Wobeser et al. 2007a und b) beobachtet. Plattenepithelkarzinom Plattenepithelkarzinome an den Zehen (Abb. 2+3) haben ihren Ursprung im Stratum spinosum der Krallen­ bzw. Sohlenepider­ mis. Sie können klinisch zunächst wie eine Entzündung des Krallenbettes aussehen. Es kann zu Lahmheit, Verdickung der Zehen und Ulzerationen kommen. Das Krallenma­ terial wirkt häufig aufgeweicht und aufge­ fasert. Der Tumor wächst lokal invasiv und destruiert im fortschreitenden Stadium den Knochen. In der Literatur werden Metastasierungs­ raten von 5 bis 29% der Fälle beschrieben. LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68548 • E-Mail: [email protected] www.laboklin.de Seite 3 von 4 Die Amputation der Zehe ist die Therapie der Wahl. Das Risiko für ein Rezidiv kann bei korrekter Durchführung (Resektion im gesunden Gewebe) als gering angesehen werden. Es besteht eine Rassedisposition Riesen­ und Mittelschnauzer. für Abb. 4. Zytologisches Präparat eines malignen Melanoms an der Zehe eines Hundes (HE 400x) Karzinome in der Zehe der Katze Abb. 3. Infiltrativ wachsendes Plattenepithelkarzinom eines Riesenschnauzer (HE 10x) Subunguales Keratoakanthom Subunguale Keratoakanthome gehen, wie die Plattenepithelkarzinome, vom Stratum spinosum der Epidermis aus. Sie bilden begrenzte noduläre Umfangsvermehrungen, die eine zentrale Verhornung aufweisen. Subunguale Keratoakanthome können eine maligne Transformation zu Plattenepithel­ karzinomen durchmachen. Sie können durch ihr expansives Wachstum das Knochengewebe verdrängen bzw. zu lytischen Veränderungen führen. Melanom Melanozytäre Tumoren der Zehen (Abb. 4) können den Melanozyten der Epidermis der Krallen oder der Haut zwischen den Zehen entspringen. An den Zehen verhalten sie sich unabhängig von ihrer histologischen Differenzierung oft maligne. Trotz Amputa­ tion kommt es in vielen Fällen zu Metasta­ sierung, insbesondere in Lymphknoten und Lunge. Eine Besonderheit der Zehentumore bei der Katze sind Karzinome, die oft Metastasen anderer Primärtumore sind. Insbesondere bei Bronchialkarzinomen ist die Tendenz zur Ausbildung von Metastasen in den Zehen bekannt. Anmerkungen zu den pathologischen Untersuchungen Die zytologische Untersuchung ist bei Umfangsvermehrungen an den Zehen nur sehr bedingt aussagekräftig, da keine Aus­ sagen zu Wachstumsverhalten oder der Beteiligung des Knochengewebes möglich sind. Außerdem sind viele Tumoren an den Zehen oberflächlich entzündet und ulzeriert, so dass zytologisch ein entzündlicher Prozess beobachtet wird und ein tumoröser Prozess in der Tiefe des Gewebes nicht erfasst wird. Die Entzündung kann eine Pleomorphie der Zellen hervorrufen, die der von niedrig malig­ nen Neoplasien gleichen kann, so dass eine Differenzierung problematisch sein kann. Die Untersuchung von Biopsien kann vor der Amputation der Zehe Hinweise auf die Art des Tumors geben. Wird nur eine Entzündung festgestellt, so ist ein Tumor in anderen Bereichen jedoch nicht aus­ zuschließen. LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68548 • E-Mail: [email protected] www.laboklin.de Seite 4 von 4 Da in amputierten Zehen immer Knochen­ gewebe enthalten ist, ist für die Aufarbeitung im Labor eine Entkalkung notwendig. Diese kann einige Tage in Anspruch nehmen. In unserem Labor wird – wenn möglich – zu­ nächst Weichteilgewebe entnommen und direkt histologisch eingebettet, so dass häufig ein Vorabbefund erstellt werden kann. Dies ist umso wichtiger, als die Ent kalkungstechnik mit einem Verlust der Detailerkennbarkeit im Gewebe einhergeht. Die Resektionsränder des Knochengewebes werden nach der Entkalkung beurteilt und die Ergebnisse umgehend als Nachbefund mitgeteilt. Fazit für die Praxis Die Amputation umfangsvermehrter Zehen bietet die Möglichkeit gleichzeitig zu therapieren und wenn das entnommene Gewebe zur histologischen Untersuchung eingeschickt wird, eine prognostisch re levante Diagnose stellen zu können. Literatur: Heckel, Franziska (2012) Fallbericht: Subunguales Keratoakanthom bei einem Beagle ­ Es muss nicht immer ein Plattenepithelkarzinom sein. Kleintiermedizin 2/12, S. 82-88 Wobeser, B.K. et al. (2007a) Diagnosis and clinical outcomes associated with surgically amputated canine digits submitted to multiple veterinary diagnostic laboratories. Vet. Pathol. 44: 355­361 Wobeser, B.K. et al. (2007b) Diagnosis and clinical outcomes associated with surgically amputated feline digits submitted to multiple veterinary diagnostic laboratories. Vet. Pathol. 44: 362-365 (2007) Kessler, M. (2013) Kleintieronkologie, 3. Auflage (2013): Dia- gnose und Therapie von Tumorerkrankungen. S. 428­431 LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68548 • E-Mail: [email protected] www.laboklin.de