Seelisch gesund aufwachsen - Gesundheitsregion plus Bamberg

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Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie «
Vortrag beim 1. Kongress der
Gesundheitsregionplus Bamberg
„Psychische Gesundheit in Kindheit und Jugend
am 20. Oktober 2016
Seelisch gesund (auf-)wachsen?
Geht das überhaupt?
Prof. Dr. Heiner Seelisch
Keupp gesund (auf-)wachsen? Geht das überhaupt?
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• Eine Generation angepasster Konformisten sieht seine Freiheiten fast nur noch im Konsum („Marketingcharakter“).
• Die Spielräume für selbstbestimmtes Erproben eigener Handlungsmöglichkeiten werden für Kinder immer weniger.
• Bildungssysteme erhöhen den Leistungsdruck und sehen Kindheit als Trainingslager für „emplyability“.
• Eltern sind verunsichert, was Kinder denn heute brauchen, um
sich gut entwickeln zu können.
• Kindheit wird immer häufiger wie eine Belastung oder gar als
Krankheit zum Thema.
Zum Einstieg – Impressionen aus öffentlich Diskursen
Seelisch gesund (auf-)wachsen? Geht das überhaupt?
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• Wo sind aktuelle Herausforderungen für die Kinder- und
Jugendhilfe/Erziehungsberatung?
• Wie kann man die Handlungsfähigkeit von Heranwachsenden stärken?
• Was wissen wir über die Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen?
• Eine Gesellschaft sorgt sich um ihre Kinder und Jugendlichen. Zurecht?
Meine Fragen für heute
Gesundheitsressourcen von Heranwachsenden: Stark, selbstbestimmt, kompetent
Seelisch gesund (auf-)wachsen? Geht das überhaupt?
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• Wo sind aktuelle Herausforderungen für die Kinder- und
Jugendhilfe/Erziehungsberatung?
• Wie kann man die Handlungsfähigkeit von Heranwachsenden stärken?
• Was wissen wir über die Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen?
• Eine Gesellschaft sorgt sich um ihre Kinder und Jugendlichen. Zurecht?
Meine Fragen für heute
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Seelisch gesund (auf-)wachsen? Geht das überhaupt?
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Zurecht?
Eine Gesellschaft sorgt
sich um ihre Kinder und
Jugendlichen.
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Seelisch gesund (auf-)wachsen? Geht das überhaupt?
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Quelle:
Der SPIEGEL
vom 03.08.2009
Gesundheitsressourcen von Heranwachsenden: Stark, selbstbestimmt, kompetent
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Aktuelle Anstösse
Seelisch gesund (auf-)wachsen? Geht das überhaupt?
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Quelle: DIE ZEIT vom 30.07.2009
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Der Katastrophen-Guru:
Dr. Michael Winterhoff
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Quelle: DIE ZEIT Nº 38/2014 vom 26. September 2014
Als Schuldige macht Winterhoff neben Lehrern und Erziehern vor allem
die Eltern aus. Weil sie ihren Kindern alles durchgehen lassen. Weil
sie ihre Töchter und Söhne wie gleichberechtigte Partner behandeln. Weil sie mit ihnen eine schädliche "symbiotische Beziehung"
eingehen. Viele Jugendliche verharren deshalb auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes, sagt Winterhoff. Wie viele, Herr Doktor? ‚Wahrscheinlich die Mehrheit‘.“
„Wenn man Winterhoff reden hört, kann man live miterleben, wie sich
die Lage des Nachwuchses verschlimmert. Zu Beginn des Gesprächs
sind 50 Prozent der Schulabgänger ‚ausbildungsunfähig‘. Eine halbe Stunde später sind es 50 bis 70 Prozent, am Ende mehr als 70
Prozent. ‚Es dauert nicht mehr lange, dann haben wir hier Ghettos‘,
sagt Winterhoff. In Deutschland, in Bonn. Beunruhigt blickt der
Besucher in den gepflegten Vorgarten.
Der ZEIT-Autor Martin Spiewak hat kürzlich den Erfolgsautor und
Erziehungskatastrophen-Guru Michael Winterhoff be-sucht und
liefert folgenden Bericht:
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Michael Winterhoff
Martin Spiewak
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Kindheit und Jugend sind Altersphasen, die immer häufiger von
einem pathogenetischen Verdacht diskursiv umkreist werden.
Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland jedoch in ihrer
großen Mehrheit gesund, selbstbewusst und kompetent auf. Sie
dürfen nicht unter einer generalisierten Risikoperspektive gesehen werden. Notwendig sind vielmehr der Blick auf die positiven Entwicklungsbedingungen der nachwachsenden Generationen und Antworten auf die Frage, wie solche Bedingungen
für alle Kinder und Jugendlichen als Verwirklichungschancen
gefördert werden können bzw. welcher unterstützender Strukturen und gesellschaftlicher Investitionen es dazu bedarf.
These 1
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• Wo sind aktuelle Herausforderungen für die Kinder- und
Jugendhilfe/Erziehungsberatung?
• Wie kann man die Handlungsfähigkeit von Heranwachsenden stärken?
• Was wissen wir über die Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen?
• Eine Gesellschaft sorgt sich um ihre Kinder und Jugendlichen. Zurecht?
Meine Fragen für heute
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Was wissen wir über die
Gesundheit und Handlungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen?
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Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 14./15. Januar 2012
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Quelle: DER SPIEGEL
34/2011, S. 39
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Sehr viele der kolportierten Daten sind Ergebnis der bestehenden
professionellen Systemabläufe, also allenfalls Behandlungsprävalenzen, oder Interessenbekundungen der Anbieterseite
und sollten nicht als wahre Prävalenzen (miss-)verstanden
werden.
In den vorhandenen Daten zeigt sich eine zunehmende Tendenz
zur Klinifizierung und Medikalisierung des Verhaltens und der
Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen durch das Medizinsystem.
Die Kinder- und Jugendhilfe braucht ein eigenes fachliches Verständnis psychosozialer Problemlagen Heranwachsender.
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Ja, die Ergebnisse des Kinder- und
Jugendgesundheitssurveys (KiGGS)
des Robert-Koch-Instituts.
Haben wir verlässliche Daten zur gesundheitlichen Situation der Kinder
und Jugendlichen in Deutschland?
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21 21
Quelle Gutachten des Sachverständigenrates (2009)
„… ein Fünftel eines jeden Geburtsjahrgangs – das sind 140 000
Kinder pro Jahr – (wächst) mit
erheblichen, vor allem psychosozialen Belastungen und gravierenden Defiziten an materiellen und sozialen Ressourcen
auf.“
Ein „nahezu monotoner
Befund“:
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Michael Marmot –
Vorsitzender der WHOKommission
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Die Förderung von Verwirklichungschancen
erfordert einen Bezug auf die Entwicklungsphasen Heranwachsender
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Psychische Auffälligkeiten bei 3 bis 17-Jährigen (Elternangaben); KiGGSSonderauswertung des RKI im Rahmen des 13. KJB
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Quelle: KIGGS (2007)
Elterneinschätzung: „Meinem Kind geht es sehr gut“
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Quelle: KIGGS (2007)
Psychosoziale Probleme und elterliche Einkommenssituation
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Mit MH: 23,6% Ohne MH: 16,4%
Niedriger SÖS: 28,5%
Mittlerer SÖS: 15,4%
Hoher SÖS: 10,0%
Migrationshintergrund
Sozialstatus
26.10.2016
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Quelle: Robert-Koch-Institut: KIGGS
Jungen: 22,6% Mädchen: 13,0%
Geschlecht
SÖS: Sozioökonomischer Status / MH: Migrationshintergrund
82,6% psychisch unauffällig
8,4% grenzwertig auffällig, 9,0% auffällig
Gesamt
Befunde
Psychische Gesundheit/Verhaltensauffälligkeit aus der Sicht der Eltern
Gesundheitsförderung durch Kinder- und Jugendhilfe
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Quelle: KIGGS (2007)
Übergewicht und elterliche Einkommenssituation
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Quelle: KIGGS (2007)
Körperlich-sportliche Inaktivität und elterliche Einkommenssituation
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Quelle: KIGGS (2007)
Index gesunder Ernährung
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Quelle: KIGGS (2007)
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(Quelle: KiGGS-Daten; nach Angaben der Eltern und der Jugendlichen)
Sie sind motorisch weniger leistungsfähig
sie ernähren sich ungesünder und bewegen sich weniger
ihr Medienkonsum ist höher
sie haben häufiger mehrere Gesundheitsprobleme und geringeres
Wohlbefinden,
sie verfügen über weniger persönliche, familiäre und soziale
Ressourcen
geschlechtsspezifische Differenzen ergeben sich verschärft
sie zeigen häufiger Verhaltensauffälligkeiten (ADHS; v.a. Jungen),
sie haben häufiger psychische Probleme und Essstörungen (v.a.
Mädchen).
Heranwachsende aus sozial benachteiligten Familien bzw. mit Migrationshintergrund – auch sonst gesundheitlich benachteiligt:
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Am wenigsten profitieren von diesen Strukturen Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die von Armut, Flucht,
Migration oder besonderen Lebenslagen (wie Behinderung oder schwere psychische und körperliche Erkrankungen der Eltern) sowie von Exklusion betroffen sind.
Trotz aller alarmistischen Diskurse wachsen etwa 80 % der
Kinder und Jugendlichen in Deutschland gut auf und es
ist davon auszugehen, dass dafür ein gut funktionierendes lebensweltliches und sozialstaatliches System die
Grundlage schafft. Dieses gilt es weiterhin zu sichern und
auszubauen.
These 2
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Das hat erhebliche Konsequenzen auch für das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Die Fachwelt ist
sich einig: Armut ist der wichtigste Faktor bei der Beeinträchtigung gesunder Entwicklung. Die wirksamste Strategie der Gesundheitsförderung wäre eine Politik effektiver und nachhaltiger Armutsbekämpfung.
Die ökonomischen Daten für die Bundesrepublik sind unverändert positiv und trotzdem hat das nicht zu einer gerechten Verteilung der vorhandenen Ressourcen geführt. Im
Gegenteil: Die Gerechtigkeitslücke wird größer!
These 3
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• Wo sind aktuelle Herausforderungen für die Kinder- und
Jugendhilfe/Erziehungsberatung?
• Wie kann man die Handlungsfähigkeit von Heranwachsenden stärken?
• Was wissen wir über die Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen?
• Eine Gesellschaft sorgt sich um ihre Kinder und Jugendlichen. Zurecht?
Meine Fragen für heute
Gesundheitsressourcen von Heranwachsenden: Stark, selbstbestimmt, kompetent
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Bedingungen gelingenden
Aufwachsens
Die 6 Bs
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Ressourcen fördern heißt,
Verwirklichungschancen für
ein selbstbestimmtes Leben
zu fördern, das kann ein
pathogenetischer Zugang
nicht, aber ein salutogenetischer schon leisten.
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Eine gesellschaftliche Initiative zur Überwindung von Ungleichheit sollte sich als konzeptuelle Basis den Ansatz der „Verwirklichungschancen“ (capability) von Amartya Sen als
Grundlage wählen, der eine gedankliche Verknüpfung zum
Empowerment-Konzept nahe legt. Das Konzept versteht
unter Verwirklichungschancen die Möglichkeiten oder umfassenden Fähigkeiten („capabilities“) von Menschen, ein
Leben führen zu können, für das sie sich mit guten Gründen
entscheiden konnten und das die Grundlagen der Selbstachtung nicht in Frage stellt. Die Basis dafür sind materielle,
aber auch soziale, psychische und symbolische Ressourcen.
These 4
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Empowerment
Selbstwirksamkeit
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Handlungsfähigkeit durch
Salutogenese
Resilienz
Positive
Jugendentwicklung:
6 C´s (Lerner)
Verwirklichungschancen
Identitätsarbeit
Das Konzept Verwirklichungschancen sozialpsychologisch betrachtet
braucht eine Reihe zentraler Theoriebausteine
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BegründerInnen des Befähigungs-(Capability)-Ansatzes:
Amartya Sen und Martha C. Nussbaum
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Amartya Sen (2000). Ökonomie für den Menschen
versteht Amartya Sen die Möglichkeit von
Menschen, „bestimmte Dinge zu tun und
über die Freiheit zu verfügen, ein von ihnen
mit Gründen für erstrebenswert gehaltenes
Leben zu führen.“
Unter
Verwirklichungschancen
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Das Modell der Salutogenese von Aaron Antonovsky
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Kohärenzfördernd sind die Widerstandsressourcen: Individuelle, soziale, gesellschaftliche und kulturelle Ressourcen.
Für meine Lebensführung ist jede Anstrengung sinnvoll. Es gibt Ziele und
Projekte, für die es sich zu engagieren lohnt (Bedeutsamkeit).
Das Leben stellt mir Aufgaben, die ich lösen kann. Ich verfüge über Ressourcen,
die ich zur Meisterung meines Lebens, meiner aktuellen Probleme
mobilisieren kann (Handhabbarkeit).
Meine Welt erscheint mir verständlich und stimmig; auch Probleme und
Belastungen, die ich erlebe, kann ich in einem größeren Zusammenhang
sehen (Verstehbarkeit).
Der Kohärenzsinn beschreibt eine geistige Haltung:
Kohärenz ist das Gefühl, dass es Zusammenhang und Sinn im Leben
gibt, dass das Leben nicht einem unbeeinflussbaren Schicksal oder
Zufallsgenerator unterworfen ist.
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Im Individuum: organisch-konstitutionelle Widerstandsressourcen, Intelligenz, Bildung, Bewältigungsstrategien und Ich-Stärke, die nach Antonovsky eine der zentralen emotionalen Widerstandressourcen darstellt, als emotionale Sicherheit, als Selbstvertrauen und positives
Selbstgefühl in Bezug auf die eigene Person.
Im sozialen Nahraum: Zu den Widerstandsressourcen zählen aber auch
wesentlich die sozialen Beziehungen zu anderen Menschen. Diese beinhalten das Gefühl, sich zugehörig und „verortet“ zu fühlen, Vertrauen und Anerkennung durch für einen selbst bedeutsame Andere
zu erfahren und durch die Beteiligung an zivilgesellschaftlichem Engagement sich als selbstwirksam erleben zu können. Hinzu kommt
die Möglichkeit, sich Unterstützung und Hilfe von anderen Menschen
zu holen und sich auf diese zu verlassen.
Generalisierte Widerstandsressourcen und Resilienzfaktoren
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Auf gesellschaftlicher Ebene: Widerstandsressourcen entstehen durch
die Erfahrung von Anerkennung über die Teilhabe an sinnvollen
Formen von Tätigkeiten und ein bestimmtes Maß an Sicherheit,
mit diesen seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können (Verfügbarkeit über Geld, Arbeit, Wohnung….).
Auf der kulturellen Ebene: Widerstandsressourcen vermitteln auch
der Zugang zu kulturellem Kapital im Sinne tragfähiger Wertorientierungen (bezogen aus philosophischen, politischen, religiösen oder ästhetischen Quellen).
Generalisierte Widerstandsressourcen und Resilienzfaktoren
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SOC
wo wollen wir hin?
die Richtung mitbestimmen
P=
P=
Mitgestalten/
-bestimmen
(was? Wer? mit wem? Warum?)
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Sinn sehen
Beeinflussen
Verstehen
P=
Transparenz
Kohärenz und Partizipation
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(+/-) Herausforderung
Bewältigungsstrategien
SOC
Belastungswahrnehmung
Positive Verläufe
Negative Verläufe
Dr. Florian Straus
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Psychologische Grundstrukturen der Persönlichkeit, genetische Disposition
Subjektive
Erwartungen
Fähigkeiten,
Ressourcen
Gesellschaftliche Erwartungen
Soziale, kulturelle und ökonomische Grundstrukturen der Gesellschaft – ökologische Bedingungen
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Seelisch gesund (auf-)wachsen? Geht das überhaupt?
Beziehungen zu Anderen
Connection =
Bindung
Identifizierung mit Anderen
Confidence =
Vertrauen
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Selbstwirksamkeit
Spiritualität
Selbstwertgefühl
Die 5 Cs Positiver Entwicklung:
„Gedeihen“ (Thriving) von Richard M.
Lerner
Character
moralisches Handeln
Positive
Entwicklung
Selbstkontrolle
Identität
Competence =
Kompetenz
kognitiv
Achtsamkeit
Caring =
Fürsorge &
Mitgefühl
Empathie
sozial
emotional
beruflich
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Connection =
Bindung
Caring =
Fürsorge &
Mitgefühl
Confidence =
Vertrauen
Positive
Entwicklung
Character
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Competence =
Kompetenz
Ein 6. C Positiver Jugendentwicklung
kommt dazu: „Gedeihen“ (Thriving)
von Richard M. Lerner
Gemeinschaft
Ich
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Zivilgesellschaft
Contribution =
Beitrag
Familie
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Verwirklichungschancen bei Heranwachsenden stärken die
Handlungsfähigkeit und ihre Förderung muss am Ziel
der „Befähigungsgerechtigkeit“ orientiert werden. Eine
Politik der Inklusion im umfassenden Sinne ist dafür die
Voraussetzung. Nur so kann das wachsende Gerechtigkeitsdefizit überwunden werden. Wir haben tragfähige
Konzepte, die uns zeigen, welche Ressourcen erforderlich
sind, damit die Handlungsfähigkeit von Kindern und
Jugendlichen gefördert werden kann.
These 5
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Die Umsetzung dieser Empfehlungen erfordert
die Kooperation der vorhandenen Hilfesysteme
Traumatisierte Kinder und Jugendliche
Kindern von psychisch, sucht- und chronisch erkrankten Eltern
Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen
Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Aufwachsen in Armutslage
Besonderer Förderungsbedarf bei
Empfehlungen des 13. KJB
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(Ur-)Vertrauen als Basis für Selbstvertrauen
Herstellung eines kohärenten Sinnzusammenhangs.
Die Fähigkeit zur persönlichen „Grenzziehung“.
Reflexive Widerstandsressourcen
Zeitkompetenz: Reflektierter Umgang mit Zeitressourcen
Sie brauchen „einbettende Kulturen“.
Sie benötigen eine materielle Basissicherung.
Sie benötigen die Erfahrung der Zugehörigkeit.
Sie brauchen einen Kontext der Anerkennung.
Beteiligung am alltäglichen interkulturellen Diskurs.
Sie brauchen zivilgesellschaftliche Basiskompetenzen.
Verwirklichungschancen für Heranwachsende
Prekäre Lebenslagen Jugendlicher und Sucht als Bewältigungsversuch
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Heranwachsende brauchen die Chance, Zugang zu den Ressourcen
zu gewinnen, die sie zu einer souveränen Handlungsbefähigung
benötigen.
Die institutionellen Angebote des Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsystems müssen Heranwachsende in ihrer Handlungsbefähigung systematisch unterstützen.
Es sind professionelle Empowerment-Strategien zu entwickeln, die
auf dieses Ziel ausgerichtet sind.
Heranwachsende müssen über Partizipationsmöglichkeiten in ihren
Selbstwirksamkeitserfahrungen gefördert werden.
Solche Erfahrungen sind vor allem auch dann zu unterstützen, wenn
die eigene Handlungsfähigkeit durch Behinderung eingeschränkt ist.
Befähigungsgerechtigkeit
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• Wo sind aktuelle Herausforderungen für die Kinder- und
Jugendhilfe/Erziehungsberatung?
• Wie kann man die Handlungsfähigkeit von Heranwachsenden stärken?
• Was wissen wir über die Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen?
• Eine Gesellschaft sorgt sich um ihre Kinder und Jugendlichen. Zurecht?
Meine Fragen für heute
Gesundheitsressourcen von Heranwachsenden: Stark, selbstbestimmt, kompetent
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Gesundheitsförderung als fachlicher Standard in der Kinder- und Jugendhilfe
Fördermaßnahmen an den spezifischen Bedürfnissen Heranwachsender ausrichten (von der Anbieter zur Nutzerperspektive)
Inklusion als Aufgabe, die einen langen Atem erfordert
Interkulturelle Sensibilität und Kompetenz
Orientierung an lebenslaufspezifischen Entwicklungsthemen
Frühe Förderung von Familien und Kindern nicht als soziale Kontrolle
Hilfsangebote für Kinder chronisch und psychisch kranker Eltern verbessern
Mehr Aufmerksamkeit für traumatisierte Kinder („Traumasensibilität“)
Verbindliche Netzwerke für die Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitssystem und Behindertenhilfe
Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Schule
Maßnahmen zur Herstellung von Befähigungsgerechtigkeit
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Frühe Hilfen müssen als umfassendes Unterstützungsangebot für Eltern von der Schwangerschaft über die Geburt bis zu den ersten Lebensmonaten/-jahren organisiert werden. Familienhebammen sind hier ein mögliches Angebot, allerdings bedürfen sie
einer sozialdiagnostischen Qualifizierung.
Bewährte Formen der Familienbildung (wie HIPPY, Opstapje, Rucksack, Auf den Anfang
kommt es an) sollten Standardangebot werden.
Am besten geeignet scheinen Early-excellence-Projekte, Kinder-Tages-Zentren (KiTZ),
„Haus für Familien“, Mütter- und Familienzentren und Mehr-Generationen-Häuser,
die sozialraumbezogen ausgerichtet sind und ein komplexes Angebot machen
können.
Frühe Hilfen dürfen nicht unter einer Kontrollperspektive wahrgenommen werden, sondern als abrufbare Assistenz und als Orte, an denen sich Familien treffen und austauschen und damit auch selbst organisieren können.
Gesundheitsförderung in der frühen Kindheit durch ein integriertes
System früher Förderung
Empfehlungen
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In diese Richtung zielten auch die Forderungen
des 13. Kinder- und Jugendberichts:
Die dadurch ausgelöste politische und fachliche
Debatte hat zu einer wichtigen Veränderung des
Schwerpunktes geführt: Eine gute Förderstruktur für alle Kinder und Familien bietet die
beste Basis auch für den Kinderschutz.
Die Forderung nach einem wirksamen System
zum Kinderschutz waren die logische Folge und
führten zum Kinderschutzgesetz.
Die Debatte um die Etablierung früher Hilfen für
Kinder und ihre Familien ging zunächst von
dramatischen Fällen der Vernachlässigung und
der Misshandlung von Kindern aus.
Frühe Hilfen als Angebot für alle Familien
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Förderung der Elternselbsthilfe (etwa durch Projekte wie Elterntalk)
Speziell in den Ganztagesangeboten ist die systematische Förderung von altersspezifischen Gesundheitsthemen relevant.
Weil in der Schule alle Kinder erreicht werden können, bedarf es einer verbesserten Kooperation von gesundheitsförderlichen Angeboten der Kinder- und
Jugendhilfe und der Schule durch den Ausbau der schulbezogenen Sozialarbeit.
Die steigenden gesundheitlichen Belastungen (Ernährungsprobleme, Übergewicht, chronische Erkrankungen wie Allergien und psychosoziale Probleme wie
ADHS) dürfen nicht medikalisiert werden.
Gesundheitsförderung im Schulalter
Empfehlungen
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Die Koordination ist Aufgabe des Kinder- und Jugendhilfesystems und muss finanziert sein
Kinder und Jugendliche mit Behinderung.
Jugendliche in belastenden Lebenslagen,
Schnittstelle Schule – Kinder und Jugendhilfe,
Kindertagesbetreuung,
Frühe Förderung,
Netzwerke für eine verbesserte Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitssystem und Eingliederungshilfe sind erforderlich. In diesen vernetzten Strukturen sind
zielgenaue Handlungsstrategien bezogen auf den jeweiligen Sozialraum, die speziellen Problemkonstellationen und unter Berücksichtigung der Erfahrungen und
Kompetenzen der beteiligten Systeme zu ent-wickeln, durchzuführen und zu evaluieren. Diese Netzwerke sind von besonderer Bedeutung in den Bereichen
Verbindliche Netzwerkbildung
Arbeitsfeldübergreifende Herausforderungen
Empfehlungen
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Public Health
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Sozialhilfe
Agentur für Arbeit
TherapieFörderzentrum
Kuration
Rehabilitation
Prävention
Ambulanzen
Tagesklinik
Beratungsstellen
Kindertagesstätten
Rentenversicherung
Fach- und Rehaklinik
Kindergärten
Kinderkrippe
Apotheken
Schulen
Haus-/Fachärzte
62
Ambulante Fachtherapeuten
Schulsozialarbeit
Schulen
Frühförderung
Gesundheitshäuser
Hebammen
MVZ: Ärzte, Filialen
Patientenorganisationen
Versorgungsnetzwerk
Akutklinik:Pädiatrie, KJP
Kinder-/Jugendhilfe
Krankenkassen
Selbsthilfegruppen
„Kommunales
Biotop“
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Quelle: Maria Kurz-Adam (2015). Zuversichtliche Hilfe – Anmerkungen zur Zukunft der
Flüchtlingsarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe. In: Neue Praxis, 5/2015.
„Die Erziehungsberatung hat immer ihre Türen offen gehalten, um
zuzuhören und zu verstehen. Zuwendung und Zuversicht für alle
Kinder, die Hilfe brauchen, durchziehen die Geschichte der
Kinder- und Jugendhilfe wie eine lange, feste Spur. Diese Spur
muss jetzt, in der Erfahrung der Organisation mit der Flucht,
wieder gefunden, wieder entdeckt werden.“
„Zuversichtliche Hilfe“ als Perspektive der
Flüchtlingsarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe.
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Herzlichen Dank für
ihre Aufmerksamkeit
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