22 WISSEN ERLEBEN KOHLGEMÜSE Gesund essen und leben – geht das nur mit exotischen Früchten und Gemüsearten? Weit gefehlt, schon Sebastian Kneipp wusste: „Die fleißigsten Kohlesser werden am ältesten“. Er hatte den Wert dieses heimischen Gemüses erkannt. Die Fachschule für Landwirtschaft Salern gab Kneipp recht und wählte im Schuljahr 2008/2009 Kohlgemüse zum Schwerpunkt für die Erwachsenenbildung im Gemüsebereich. Ergänzend zu Kohltagung und Kohlausstellung erscheint mit der Produktbroschüre Kohlgemüse abschließend ein wertvolles Nachschlagwerk für Gesundheitsbewusste und GemüseInteressierte. Bilder und Hintergrundwissen entführen in die unerwartet große Vielfalt der Kohlpflanzen und machen den Wert dieser Gemüsegruppe für Gesundheit, Ökologie und Ökonomie sichtbar. Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre! Hans Berger Landesrat für Landwirtschaft Dr. Stefan Walder Direktor der Abteilung für Land-, forst- und hauswirtschaftliche Berufsbildung Juliane Gasser Pellegrini Direktorin der Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern A 3 Inhaltsverzeichnis 04 Vorgeschichte 06 geschichte 10 Botanik 14 Anbau und Pflege 16 Gemüseportrait Blätterkohl 20 Gemüseportrait Kopfkohl 24 Gemüseportrait Rüben 30 Gemüseportrait Exoten 32 Gemüseportrait Kohl aus Asien 36 Inhaltsstoffe und Wirkung 38 Verwendung 40 Saures Kohlgemüse 46 Für den Vorratsschrank 48 Aus der Küche 58 Literaturnachweis 59 Impressum Vorgeschichte A 5 Brokkoli, Pak Choi & Co Die vorliegende Broschüre ist das Abschlusswerk zum Thema „Kohl“, das im Schuljahr 2008/09 an der Fachschule Salern einen Schwerpunkt bildete: Im November 2008 fand in Zusammenarbeit mit der Gartenbauschule Schönbrunn (Wien) die Kohltagung „Brokkoli, Pak Choi & Co“ in der Fachschule Salern statt. Die Vorträge und das anschließende Kohl-Menü machten Lust auf mehr, so dass wir uns an die Planung einer Kohlgemüseausstellung machten. In fast einjähriger Vorbereitungszeit sammelten wir Saatgut von mehr als 200 Sorten Weißkohl, Kohlrüben, Chinakohl, Brokkoli etc. und bauten die Pflanzen in Salern an. Im Oktober 2009 ging die Ausstellung mit dem Titel „Brokkoli, Pak Choi & Co“ in Salern über die Bühne. Rund 400 Interessierte besichtigten die ausgestellten Kohlgewächse und informierten sich über Geschichte, Anbau und Verwendung dieser vielfältigen Gemüsegruppe. Einhergehend mit diesen beiden Veranstaltungen haben wir Informatives und Kurioses zum Thema Kohlgemüse zusammengetragen. Dieses Wissen finden Sie – ergänzt durch zahlreiche Bilder – in der vorliegenden Broschüre. Viel Spaß beim Lesen wünschen Michaela Krause, Gabriele Falschlunger, Valentina Danese Fachlehrerinnen Salern Ein großes DANKE allen, die zum Gelingen dieser Broschüre beigetragen haben! Die Broschüre und die Gemüseausstellung „Brokkoli, Pak Choi & Co“ konnten im Rahmen des ELR-Projekts SOKUL II „Naturnahe Produktionsmethoden für Gemüse- und Beerenobstanbau – Teil 2“ verwirklicht werden. GESCHICHTE A 7 Wie alles begann Hallo! Ich bin Vinz, der Vinschger Kobis und erzähle euch etwas über meine Verwandten Fast alle Pflanzen, die die Menschen heute anbauen und essen, stammen ursprünglich aus fremden Ländern. Wir Kohlgewächse bilden hier eine Ausnahme. Wir sind echte Europäer. Noch heute wachsen meine wilden Verwandten im Mittelmeerraum und an der Atlantikküste. Diese Wildkohle kann man nie und nimmer mit einem zarten Krautkopf wie ich es bin vergleichen. Sie haben dicke, raue Blätter und schmecken meistens bitter. Aber giftig sind sie nicht und waren deshalb früher wichtige Futterpflanzen für Schweine, Hühner und Kühe. In Notzeiten haben auch die Menschen davon gegessen. Besser als Wildkohl schmecken allerdings gezüchtete Kohlpflanzen – ich zum Beispiel. Uns Kulturpflanzen haben Bäuerinnen und Bauern aus den Wildpflanzen gemacht, indem sie jedes Jahr die zartesten und süßesten Exemplare vermehrten. Die ersten Kohlgemüse, die der Mensch züchtete, waren den Wildpflanzen noch sehr ähnlich. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden dann die heute bekannten Kohlgemüse. Weil die Menschen beim Züchten auf ganz unterschiedliche Merkmale geachtet haben, entstanden viele unterschiedliche Kohlgemüse. Mehr zur Kohlvielfalt erfahren Sie später. Kehren wir jetzt zur Geschichte zurück. Alle heute bekannten Kohlgemüse lassen sich auf eine einzige Urpflanze zurückführen – Brassica oleracea. Das ist sozusagen meine Ururgroßmutter. Von ihr ausgehend züchteten die Menschen schon früh Blätterkohle, die den heutigen Grün- und Federkohlsorten ähnlich waren. Diese gewannen zur Zeit der antiken Griechen und Römer als Gartengemüse an Bedeutung. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Menschen aus dem Blätterkohl damals Suppen und Eintöpfe herstellten und die Blätter durch Einsäuern haltbar machten. Haben Sie schon von Aristoteles gehört? Oder von Platon? Die beiden waren berühmte griechische Philosophen und lebten im 4. Jahrhundert v. Chr. in Athen. Sie schätzten Kohl als Nahrungs- und Heilpflanze. Bevor ich’s vergesse: Griechen und Römer haben nicht nur angefangen Blätterkohl zu züchten – auch die Speiserübe ist eine Kulturpflanze, die wir ihnen verdanken. Bei uns in Mitteleuropa wurde Kohlgemüse erst ein paar Jahrhunderte später „modern“. Mit den Römern verbreiteten sich Blätterkohl und Speiserüben in Europa und wurden immer beliebter. Im Mittelalter gelang den Menschen die Züchtung von Kohlköpfen. Wir Kohlköpfe haben den Vorteil, dass wir länger gelagert werden können als Blätterkohl. Überhaupt sind wir die Krönung der Schöpfung – wenn ich hier meine bescheidene Meinung einbringen darf. Abbildungen und Schriften zeigen, dass Kohlgemüse im Hochmittelalter bereits einen hohen Stellenwert in der Ernährung einnahm. Eine wichtige Art der Haltbarmachung von Kraut und Rüben war schon damals das Einschneiden zu Sauerkraut. Kolumbus hatte auf seinen Seefahrten stets Sauerkaut geladen. So stand auf hoher See vitaminreiches Gemüse zur Verfügung und die Besatzung blieb gesund. Die Menschheit verdankt die Entdeckung Amerikas also ganz klar uns Kohlköpfen! In der europäischen Heimat setzte Kohlgemüse nach dem Mittelalter seinen Siegeszug fort. Zu fast allen Bauernhöfen gehörte ein Krautacker. Vor allem bei der einfachen Bevölkerung standen Kraut und Rüben regelmäßig auf dem Speiseplan. 1431 belagerten Bauern für einige Wochen die Fürstenburg im Vinschgau. Sie verpflegten sich in dieser Zeit mit 20 Wagenladungen Rüben. Weil wir uns gerade im Vinschgau befinden, möchte ich ein paar Worte zu meiner eigenen Geschichte einbringen. Im Vinschgau regulierten die Menschen am Ende des 19. Jahrhunderts die Etsch. Es entstand neues Ackerland, auf dem die Bauern Feldgemüse – allem voran Weißkohl – anbauten. In erster Linie deckte dieses Kraut den Eigenbedarf. Überschüsse verkauften die Bauern in Meran auf dem Markt. Aus einem großen Teil der Ernte entstand Sauerkraut. Die Bäuerinnen und Bauern vermehrten meistens ihr Saatgut A 9 Wie alles begann selbst. Mit den Jahren entstand so eine lokale Sorte, der Vinschger Kobis. Auch in anderen Regionen züchteten die Menschen Lokalsorten. Sie sind an die Bedingungen der jeweiligen Region besonders gut angepasst. Aber immer nur Kraut und Rüben auf dem Teller? Keine Angst, unsere Familie hat auch sonst noch einiges zu bieten. Im Laufe der Jahrhunderte kamen immer neue Kohlvariationen dazu. Im 16. Jahrhundert wanderten Blumenkohl und Brokkoli aus dem östlichen Mittelmeerraum über Italien bei uns ein. Sie galten als sehr edle Gemüse. Die Kohlrübe verbreitete sich im 17. Jahrhundert von Nordeuropa aus. In Notzeiten und strengen Wintern rettete sie die Menschen vor dem Verhungern. Im 19. Jahrhundert entstanden die nach ihrer Herkunft benannten Brüssler Sprossen (Rosenkohl), im 20. Jahrhundert „entdeckten“ die Europäer asiatische Kohlpflanzen wie den Chinakohl für sich. Mittlerweile leben sehr viele Verwandte von mir bei uns. Ich kenne mich oft selber nicht mehr aus. Ihnen geht es ähnlich? Dieses Büchlein hilft, Klarheit in den Kohl-Dschungel zu bringen. Ich wünsche viel Vergnügen beim Schmökern! BotANIK 11 A Steckbrief Die Familie: Kreuzblütler (Brassicaceae) Botanisch gesehen gehört der Kohl (Brassica) zur großen Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae). Unter seinen Verwandten sind zahlreiche Wildkräuter, Zierpflanzen und seit langer Zeit genutzte Gemüse-, Öl-, Gewürz- und Futterpflanzen zu finden. Der Kohl ist ein wahrer Weltenbummler, und Vertreter dieser Gattung kommen von der Dauerfrostzone bis zu den Tropen vor. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt jedoch in der gemäßigten Zone der Nordhalbkugel, in den Mittelmeerländern und in Südwest- und Zentralasien. Woran man sie erkennt Das gemeinsame Merkmal aller Kreuzblütler ist der typische vierzählige Aufbau der Blüte. Die vier Kronblätter sind in der Form eines Kreuzes angeordnet, daher auch die Bezeichnung Kreuzblütler. Vielfach sind 6 Staubblätter vorhanden (zwei kurze und vier lange). Die Blüten stehen meist dicht gedrängt in einer Traube zusammen. Die Früchte sind Schoten oder Schötchen. Zwischen den beiden Kammern der Schote bildet sich eine dünne Scheidewand aus. Kreuzblütler sind hauptsächlich Fremdbefruchter. Für die Bestäubung sind vor allem Insekten zuständig (einige Arten geben eine hervorragende Bienenweide ab), seltener auch der Wind. Die meisten Kohlarten sind ein- oder zweijährige Pflanzen mit wechselständiger Blattstellung, einer kräftigen Hauptwurzel und zahlreichen Nebenwurzeln. Typisch für alle Kreuzblütler ist der hohe Gehalt an schwefelhaltigen Senfölen (Glukosinolate), die den Pflanzen den charakteristischen Kohlgeschmack verleihen. Die Gattung: Kohl (Brassica) Die Gattung Kohl ist sehr formen- und farbenreich und viele Vertreter werden schon seit Langem vom Menschen genutzt. Überblick über die wichtigsten Kulturformen der Gattung Kohl • Weißer Senf (Brassica alba) • Abessinischer Senf (Brassica carinata, auch Abessinischer Kohl) • Brauner Senf (Brassica juncea, auch Indischer Senf, Sareptasenf oder Ruten-Kohl) hierher gehören viele Asia-Salate • Schwarzer Senf (Brassica nigra) • Raps (Brassica napus), hierher gehört z.B. die Steckrübe • Gemüsekohl (Brassica oleracea) z.B. Blumenkohl, Brokkoli, Kohlrabi, Kopfkohl, Rosenkohl, Grünkohl, Palmkohl • Rübsen (Brassica rapa) z.B. Herbstrübe, Ölrübsen, Chinakohl, Pak Choi, Mizuna und einige andere Asia-Salate Die Art: Gemüsekohl (Brassica oleracea) Der Gemüsekohl (Brassica oleracea) hat es von allen Kohlgewächsen wohl am weitesten gebracht. Er gehört zu den bedeutendsten und vielfältigsten Gemüsearten weltweit. Alle Formen dieser Gruppe sind untereinander kreuzbar. Äußerlich sind die Verwandtschaftsverhältnisse kaum mehr erkennbar. Eines haben sie alle gemeinsam: große blaugrüne Blätter mit wachsartigem Überzug. Durch Auslese, Mutation und Kultur entstanden unzählige Formen: Die Mutation des Blütensprosses führte zur Entwicklung von Brokkoli. Aus dem Brokkoli entstand der Blumenkohl. Durch die Mutation der Endknospe des Sprosses bildeten sich die Kopfkohlarten: Die Köpfe sind gestauchte Sprossachsen. Die Sprossverdickung führte zur Bildung von Markstammkohl und schließlich zum Kohlrabi. Aus der Mutation der Seitenknospen von Wirsing entstand der Rosenkohl. 13 A Stammbaum Wildkohl Mutation von Haupttrieb Seitentriebe Strunk Blütenstand Blätterkohl Lactuarischer Kohl Arcisischer Kohl Pompejanischer Kohl Brokkoli Grünkohl Palmkohl Federkohl Futterkohl Weißkohl Rotkohl Wirsing Rosenkohl Kohlrabi Markstammkohl Blumenkohl Anbau und Pflege 15 A Von Boden, Licht und Wasser Herkunft Die Wildform des Gemüsekohls ist eine Küstenpflanze des Atlantik- und Mittelmeerraumes. Sie gedeiht auf salzreichen Böden und ist an das raue Küstenklima angepasst. Daraus lassen sich auch die wichtigsten Bedürfnisse der meisten Kohlgemüse ableiten. Der ideale Standort An das Klima stellt Kohl keine allzu großen Ansprüche, jedoch braucht er unbedingt eine regelmäßige Wasserversorgung, da Hitze und Trockenheit zu Wachstumsstörungen führen und sich nachhaltig auf den Ertrag auswirken können. Durch tiefe oder zu hohe Temperaturen im Jugendstadium kann es bei einigen Sorten zu einer vorzeitigen Blüte kommen (Vorblüher). Vor allem Blumenkohle reagieren sehr empfindlich auf starke Temperaturschwankungen zu Beginn ihres Wachstums. Worauf es ankommt Die meisten Kohlgemüse lieben mittelschwere, tiefgründige und nährstoffreiche Böden mit relativ hohen pH-Werten zwischen 7 und 7,5. Als typische Starkzehrer verbrauchen sie pro Jahr so einiges an Nährstoffen, vor allem Stickstoff und Kalium. Den größten Nährstoffbedarf haben die Pflanzen zur Zeit des Blattwachstums. Den Stickstoff braucht es für ein gesundes, kräftiges Wachstum, Kalium fördert die Zuckerbildung und verbessert damit die Lagerfähigkeit (hauptsächlich bei Kopfkohlarten). Aber wie in den meisten Bereichen, so gilt auch hier: Zu gut gemeint ist schlecht getroffen – bei Überdüngung leidet die Gesundheit der Pflanzen. Was noch zu sagen ist Da es einige bedeutende Pilz- und Bakterienkrankheiten gibt, die den Kohlpflanzen das Leben schwer machen und deren Sporen sehr lange im Boden überdauern können, sollten Kreuzblütler nur alle 4 Jahre auf demselben Standort angebaut werden. Kohlarten sind gute Vorfrüchte für andere Kulturen. Durch ihr tiefes und weit verzweigtes Wurzelwerk hinterlassen sie einen lockeren, humusreichen Boden. Gemüseportrait Blätterkohl 17 A Der Schwarze Palmkohl Brassica oleracea convar. acephala var. palmifolia Einer der ältesten Blätterkohle ist wohl der Palmkohl – bekannt unter unzähligen Pseudonymen wie Nero di Toscana, Cavolo nero, Cavolo laciniato nero di Toscana, Italienischer Kohl, Toskanischer Kohl, Schwarzkohl. Er gilt als Ursprung vieler anderer Kohlpflanzen und wird traditionell in Norditalien, vor allem in der Toscana angebaut. Der Palmkohl ist zweijährig und ein wahrer Riese unter den Kohlpflanzen. Manche Sorten werden bis zu 3 Meter hoch. Als echter Südländer ist er in unseren Breiten nicht frosthart und wird nur selten angebaut. Unverkennbar ist sein Erscheinungsbild: Der palmartige Wuchs und die schwarzgrünen, blasigen, nach unten gerollten Blätter geben ihm ein vornehmes Aussehen. Palmkohl wird nicht zu Unrecht gerne als Zierpflanze verwendet. Die milden Blätter geben ein vorzügliches Gemüse ab. Sie werden für Salate oder als Kochgemüse verwendet und sind wertvolle Vitaminspender in der kalten Jahreszeit. Die Ernte der Blätter erfolgt im Laufe des Sommers von unten nach oben. Die oberste Rosette bleibt stehen und sorgt für steten Nachschub. Früher verwerteten die Menschen den langen verholzten Strunk, um Spazierstöcke daraus zu fertigen. Grünkohl Brassica oleracea convar. acephala var. sabellica Was im Süden der Palmkohl, ist im Norden der Grünkohl. Für ihn gibt es viele Namen, und es ist schon so mancher Streit darüber ausgebrochen, welcher wohl der richtige wäre. Je nach Region sind verschiedene Bezeichnungen für lokale Sorten üblich: Langkohl, Braunkohl, Federkohl, Krauskohl, Hochkohl und Winterkohl. Eine Besonderheit ist die wegen ihrer bemerkenswerten Höhe bekannte „Ostfriesische Palme“. Allen ist gemein, dass sich das jeweilige Aussehen in der Namensgebung niederschlägt. Der Grünkohl hat seinen Ursprung vermutlich in Griechenland. Im alten Rom galt er als Delikatesse. Im Gegensatz dazu entwickelte sich Grünkohl in Mittel- und Nordeuropa zu einer wichtigen Nahrungspflanze für ärmere Leute. Seit einigen Jahren erlebt er eine Renaissance und hat als regionale Besonderheit Einzug in die Spitzengastronomie gehalten. Heute ist der Grünkohl vor allem in Mittel- und Westeuropa, Nordamerika, Ost- sowie Westafrika verbreitet. Grünkohl ist eines der beliebtesten Wintergemüse Norddeutschlands. Geerntet wird in der Regel nach dem ersten Frost, da sich der Geschmack durch die Kälteeinwirkung verbessert. Die Ernte kann den ganzen Winter über andauern. Grünkohl ist ausgesprochen frosthart, einige Sorten halten Temperaturen bis zu -10° C aus. Seine Verwendung ist seit jeher vielseitig. Die unteren Blätter dienten als Viehfutter, die oberen Blätter werden für die menschliche Ernährung verwendet. Roh schmecken sie etwas bitter. Deswegen wird Grünkohl vor allem als Kochgemüse verwendet. Meist kocht man die Blätter mehrere Stunden lang. In Norddeutschland bekommt man Grünkohl als Konserve oder tiefgekühlt zu kaufen. Kenner behaupten, dass Grünkohl erst aufgewärmt richtig gut schmeckt. 19 A Der Grüne Kohlfahrt – ein beliebtes Volksspektakel Ab Mitte November ziehen Wandergruppen durch Norddeutschland, die durch ihr seltsames Äußeres auffallen. Sie tragen Eierbecher mit einem Band um den Hals, halten mit Grünkohlblättern geschmückte Schirme in die Höhe und unterhalten sich mit allerlei Späßen und Spielchen. Ausgerüstet mit einem Leiterwagen voll – oft hochprozentigem – Proviant sind sie unterwegs zu einem deftigen Grünkohl-Schmaus. All das ist Teil der Kohlfahrt. Dieser Brauch entwickelte sich im 19. Jahrhundert rund um Bremen und Oldenburg. Noble Stadtbürger nutzten die immer besseren Straßen für eine Landpartie. Sie wanderten zu einem Gasthaus außerhalb der Stadt und schlugen sich den Bauch mit Grünkohl und „Pinkel“ (einer speziellen Wurst) voll. Grünkohl war damals für die Landbevölkerung das wichtigste Wintergemüse und galt eigentlich als Arme-Leute-Essen. Aber für die Städter stellte dieses Essen eine „exotische“ Abwechslung dar. Turnvereine machten es den edlen Herren nach und so entwickelten sich die Kohlfahrten zu einem beliebten Volksspektakel im Spätherbst und Winter. Im Lauf der Zeit entstanden rund um die Kohlfahrten allerlei Traditionen. Kohlfahrer verkleiden sich, wählen Kohlmajestäten und verleihen einen Fressorden. Und sie essen nach wie vor Grünkohl. In den Gasthäusern verkochen die Wirte in der Zeit der Kohlfahrten ganze Wagenladungen Grünkohl und Kartoffeln – ganz nach dem Motto:„Beter dat de Buuk barst, as dat de Kohl verdarft.“ (Besser der Bauch platzt, als dass der Kohl verdirbt.) Gemüseportrait Kopfkohl 21 A Eine Runde Sache KOPFKOHL Brassica oleracea convar. capitata Wer kennt sie nicht, die weißen oder roten Kohlköpfe, meist rund, manchmal abgeflacht oder sogar spitzig? Sie fehlen in keinem Garten, sind wahre Vitaminbomben in der kalten Jahreszeit und erfahren doch wenig Anerkennung. Höchste Zeit, ihnen eine Seite zu widmen. Kopfkohl entstand durch gezielte Züchtung. Man vermehrte Pflanzen mit kurzem Strunk, bei denen die dicht beieinander stehenden Blätter einen Kopf bilden. Kopfkohl wird seit rund 1.000 Jahren angebaut und ist wirtschaftlich gesehen heute in vielen Ländern der Welt das wichtigste Gemüse. Kopfkohl ist zweijährig. Im ersten Jahr wächst der Kopf, erst im zweiten Jahr – nach dem „Kälteschock“ des Winters – bildet sich die Blüte. Manchmal kann es vorkommen, dass durch tiefe Temperaturen nach der Pflanzung einige Arten schon im ersten Jahr „schießen“. Der Weiße Weißkohl, auch Kabis, Kobis, Kraut, Kappes – die Bezeichnungen sind vielfältig – ist weltweit verbreitet. Bekannt sind vor allem die runden oder plattrunden Formen. Aber es gibt noch mehr. Im 19. Jahrhundert wurde von zahlreichen lokal verbreiteten Spitzkohlsorten berichtet. Eine besonders aromatische Varietät ist das „Filderkraut“, ein Spitzkohl mit lang ausgezogener Spitze. Das „Filderkraut“ stammt ursprünglich aus der Gegend um Stuttgart, wo es auf den fruchtbaren Böden der Filderebene wuchs. In den Kohlfabriken des 20. Jahrhundert konnte Rundkraut schneller und effektiver verarbeitet werden. Das bedeutete das Aus für den großflächigen Anbau des Filderkrautes. Der Rote Rotkohl – oder heißt es doch Blaukraut? Der in den Blättern enthaltene Farbstoff verändert sich je nach Art der Zubereitung. Die Zugabe von Backpulver würde eine Blaufärbung bewirken, während Essig den Kohl rot erscheinen lässt. Genauso wirkt sich auch der unterschiedliche pH-Wert der Böden auf die Farbe des Krautes aus. Chemisch gesehen ist der Saft des Rotkohls also ein Säure-Base-Indikator. Rotkohl wird hauptsächlich in Europa angebaut. In der Küche gilt Rotkohl als der Edle unter den Kohlen: Ob zu Hirschragout, Gamskeule oder Rehrücken – Rotkohl ist eine typische Beilage zu Wildgerichten. Der „Gerutschelte“ Wirsing, auch Welschkraut, Savoyer Kohl oder Wirz genannt, stammt aus dem Mittelmeerraum, genauer gesagt aus Italien und ist heute weltweit verbreitet. Er ist vermutlich ein Kreuzungsprodukt aus Weißkohl und Palmkohl und ein direkter Nachfahre des zarten, hellgrünen und weniger gekrausten Butterkohls. Eine Besonderheit beim Wirsing ist seine Frosthärte. Einige Sorten halten problemlos Minustemperaturen aus. Die Blätter sind zarter als die anderer Kohlarten und werden als Suppeneinlage, Gemüsebeilage oder für Eintöpfe genutzt. 23 A Eine runde Sache Kopfkohl in der Volksmedizin Krautwickel Krautwickel (Kohlumschläge) sind ein altbewährtes Heilmittel gegen schmerzende Körperstellen und schlecht heilende Wunden. Die Kohlblätter entziehen dem Körper Giftstoffe, entschlacken entzündetes Gewebe und stärken die Durchblutung selbst in tiefen Hautschichten. Bekannt ist die Anwendung von Krautwickeln auch bei Verbrennungen, Insektenstichen, Halsschmerzen, Gicht oder Rheuma. Für Krautwickel sollen frische, gewaschene Innenblätter von Weißkohl oder Wirsing verwendet werden. Die dicken Mittelrippen werden herausgeschnitten und die Blätter dann mit einem Nudelholz flachgewalzt. Die weichen, mürben Blätter werden über die betreffende Stelle geschichtet und mit einem lockeren Verband befestigt. Zweimal am Tag sollen die Blätter erneuert werden. Auch bei Augenentzündungen können Kohlblätter aufgelegt werden. Krautsaft Frisch gepresster Krautsaft wirkt Magengeschwüren entgegen und fördert die Verdauung. Weiters wirkt er blutreinigend und lindert Ekzeme und Akne. Für eine Trinkkur können Saft aus dem Reformhaus oder selbst gepresster Saft verwendet werden. Für die Dauer eines Monats soll täglich ein Liter Krautsaft über den Tag verteilt getrunken werden. Gemüseportrait Rüben 25 A Die Zarte Speiserübe Brassica rapa ssp. rapa Von der antiken Kulturpflanze… Die Speiserübe – auch Stoppelrübe, Wasserrübe, Mairübe, Teltower Rübchen, Herbstrübe, Weiße Rübe, Rübstiel genannt – war schon im griechischen und römischen Altertum als Kulturpflanze bekannt. Auch in Indien und anderen asiatischen Ländern sind Rüben seit Jahrhunderten in Verwendung. Bis zur Einfuhr der Kartoffel waren Speise- und Kohlrübe auch bei uns für Mensch und Tier wichtige Nahrungsmittel. …zur Delikatesse der gehobenen Gastronomie Eine kleine, zarte Sorte der Speiserübe sind die Teltower Rübchen. Sie waren schon um 1700 an Fürstenhöfen als Delikatesse geschätzt. Der Name kommt von der brandenburgischen Stadt Teltow, in deren Umland diese Rüben angebaut wurden. In den Nachkriegszeiten fast in Vergessenheit geraten, erfreuen sie sich in den letzten Jahren wieder zunehmender Beliebtheit und werden als regionale Spezialität gehandelt. Von Form und Farbe Speiserüben sind zweijährig. Im ersten Jahr bildet sich die Rübe, im zweiten Jahr entstehen aus der Blattrosette die Blütenstände. Die behaarten, hellgrünen Blätter der Speiserübe bilden ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zur eng verwandten Kohlrübe mit ihren blaugrünen, bereiften Blättern. Bei Speiserüben gibt es verschiedene Formen: Mairübe: kleine, kugelige Rübe mit weißer Rinde Stoppelrübe:größere, grün- oder rotköpfige Rübe Teltower Rübchen: plattrunde, bauchig verdickte Rübchen Wer schmeckt am besten? Zwischen den verschiedenen Formen der Speiserübe gibt es wesentliche Geschmacksunterschiede. Während Stoppelrüben einen etwas strengen, rettichartigen Geschmack haben, gelten Teltower Rübchen und neue Sorten der Mairübe als milde Delikatesse. In einigen Gebieten des Alpenraums wird aus Stoppelrüben das sogenannte „Ruabenkraut“ gemacht. Ernährungsphysiologisch gesehen sind alle Varianten der Speiserübe wegen ihres hohen Mineral- und Vitamingehalts von Bedeutung. Kohlrübe Brassica napus ssp. rapifera Die Kohlrübe, auch Steckrübe, Wruke, Unterkohlrabi oder Bodenrübe genannt, ist eine alte Kulturpflanze, die bereits in der Antike bekannt war. Sie ist wahrscheinlich ein Kreuzungsprodukt von Kohlrabi (B. oleracea) und Speiserübe (B. rapa) und nur als Kulturpflanze bekannt. Nahrungsmittel für Hungerwinter Angebaut wird die Kohlrübe weltweit in gemäßigten Klimazonen. In Mitteleuropa haftet der Kohlrübe – zu Unrecht – der Ruf eines minderwertigen Gemüses an. Wohl, weil sie in so manchen Krisenzeiten tagtäglich gegessen werden musste. In Deutschland ist der Kriegswinter 1916/1917 als Steckrübenwinter in die Geschichte eingegangen. Aufgrund einer Kartoffelmissernte im Herbst 1916 und der allgemein schlechten Versorgungslage drohte eine Hungersnot. Lediglich Steckrüben (Kohlrüben) – vorher hauptsächlich als Schweinefutter angebaut – standen in großen Mengen zur Verfügung. Sie dienten bald als Basis für verschiedenste Gerichte, da die ursprünglichen Zutaten knapp waren. 1917 erschienen spezielle Steckrübenkochbücher mit Rezepten für Suppen, Aufläufe, Marmeladen und sogar für Steckrüben-Kaffee. Diese vielseitige Verwendung war möglich, weil die Rüben den Geschmack anderer Zutaten annehmen und sich deshalb zum Strecken verschiedenster Speisen eignen. Bei der Bevölkerung waren die Steckrüben unbeliebt. Wohl deshalb, weil es kaum ein Gericht ohne sie gab. Am Ende des Winters 1917 waren noch große Mengen Steckrüben übrig. Sie wurden zu Dörrgemüse und Rübenmehl weiterverarbeitet. Dieses Mehl kam – mit Kartoffelmehl und Suppenwürze gemischt – als sogenannte „Vollkost“ in den Handel. Jede Familie musste eine gewisse Menge davon abnehmen, um andere Lebensmittel kaufen zu können. In jüngster Zeit hat die Kohlrübe eine Renaissance erlebt. Feinschmecker haben längst ihre geschmacklichen Qualitäten wieder entdeckt. 27 A Die Kräftige Rübe ist nicht gleich Rübe Kohlrüben sind zweijährige Pflanzen. Im ersten Jahr bildet sich die kräftige Rübe aus, erst im zweiten Jahr entwickelt sich die Blüte. Anders als die Speiserübe hat sie blaugrüne Blätter. Der Großteil der Kohlrübe liegt immer über dem Boden. Je nach Sorte hat sie eine rundliche bis ovale Form und ein weißes oder gelbes Fruchtfleisch. Die Gelbfärbung wird durch den hohen Gehalt an Provitamin A hervorgerufen, das ihr den typischen Geschmack verleiht und sie für die menschliche Ernährung interessant macht. Weißfleischige Sorten werden hauptsächlich als Tierfutter verwendet. Aber Achtung: Die Kohlrübe ist nicht mit Futter- und Zuckerrüben verwandt. Auch wenn sich Aussehen und Verwendung ähneln, gehören sie zu verschiedenen Pflanzenfamilien. In der Küche Kohlrüben sind unter optimalen Bedingungen bis zu 6 Monaten lagerbar und eignen sich deshalb hervorragend als Wintergemüse. Sie können roh gegessen werden, meistens werden sie jedoch gekocht oder gegart. Die Kohlrübe besteht zu 84% aus Wasser und zählt damit zu den kalorienärmsten Wurzelgemüsesorten – also ideal für Schlankheitsbewusste. Für die Ernährung bedeutsam ist der hohe Gehalt an Traubenzucker, Mineralstoffen und Vitaminen. Die Rübe Es waren einmal zwei Brüder. Der eine war reich, der andere arm. Der Arme wollte sich aus seiner Not helfen. Er hackte sein Stückchen Acker und säte Rübsamen. Der Same ging auf, und es wuchs eine Rübe, die ward groß und stark und wollte gar nicht aufhören zu wachsen. Zuletzt war sie so groß, dass sie allein einen ganzen Wagen anfüllte, und zwei Ochsen daran ziehen mussten, und der Bauer wusste nicht, was er damit anfangen sollte, und ob‘s sein Glück oder sein Unglück wäre. Endlich dachte er:„Verkaufe ich sie, werd ich dafür nicht viel bekommen und zum Essen tun es die kleinen Rüben für mich auch. Am besten ist, ich bringe sie dem König und mache ihm eine Verehrung damit.“ Also lud er sie auf den Wagen, spannte zwei Ochsen vor, brachte sie an den Hof und schenkte sie dem König. „Was ist das für ein seltsames Ding?“, sagte der König, „mir ist viel Wunderliches vor die Augen gekommen, aber so ein Ungetüm noch nicht. Du bist ein Glückskind.“ „Ach nein“, sagte der Bauer, „ein Glückskind bin ich nicht, ich bin ein armer Bauer. Ich habe noch einen Bruder, der ist reich, ich aber bin von aller Welt vergessen.“ Da empfand der König Mitleid mit ihm und sprach:„Ich will dich beschenken, dass du deinem reichen Bruder gleich kommst.“ Er schenkte dem armen Bruder eine Menge Gold, Äcker, Wiesen und Herden und machte ihn steinreich. Als der reiche Bruder hörte, was der andere mit einer einzigen Rübe erworben hatte, beneidete er ihn und sann hin und her, wie er sich auch solche Geschenke verdienen könne. Er wollte es noch viel gescheiter anfangen, nahm Gold und Pferde und brachte sie dem König und meinte, der würde ihm ein viel größeres Gegengeschenk machen. Der König nahm das Geschenk und sagte, er wüsste ihm nichts wiederzugeben, das seltener und besser wäre als die große Rübe. Also musste der Reiche seines Bruders Rübe auf einen Wagen legen und zornig nach Hause fahren. Auszug aus einem Märchen der Gebrüder Grimm. 29 A Zwei Rübenmärchen Die Rübe und der Bär Es war einmal ein Bauer, der hatte ein kleines Feld voll Rüben. Als es Zeit zum Ernten war, bemerkte der Bauer eine besonders große Rübe. Nach vielen Versuchen gelang es ihm schließlich, mit zwei Ochsen und zwei Pferden die große Rübe aus dem Boden zu ziehen. Da er nicht wusste, was er mit der großen Rübe machen sollte, schenkte er sie dem Landesfürsten. Dieser verschaffte dem Bauern zum Dank eine Stelle an seinem Hofe als Erster Berater. Sogleich fragte er seinen neuen Ersten Berater, was er wohl mit der großen Rübe anstellen sollte. Da riet dieser ihm, die große Rübe dem König zu schenken. So wurde die Rübe auf einen riesigen Wagen geladen und mit einem großen Tuch zugedeckt. Schließlich sollte niemand dem König Kunde bringen können, bevor das große Geschenk ihn persönlich erreichte. Der Weg zum König führte durch einen großen Wald, in dem das Nachtlager aufgeschlagen werden musste. Am Nachmittag des nächsten Tages kamen der Landesfürst und sein Erster Berater samt Geschenk am Hofe des Königs an. Da ließ der Landesfürst den großen Wagen, der von vier Pferden gezogen wurde, vorfahren und sagte: „Mein hochwohlgeborener König, hiermit erweise ich Euch untertänigst die hoffentlich große Freude, Euch ein außergewöhnlich großes Exemplar einer höchst erstaunlichen Laune der Natur schenken zu dürfen!“ Doch was war das? Als die Diener das Tuch zurückzogen, war nichts anderes zu sehen als – ein Bär. Dieser hatte des Nachts einen Schlafplatz gesucht, die große Rübe vom Wagen gestoßen und es sich an ihrer Stelle gemütlich gemacht. Als der König den Bären sah, schrie er laut auf und verschwand in seinem Palast. Der Bär erwachte und nahm schnell Reißaus in den Wald. Der Landesfürst wurde seines Amtes enthoben und seinem Ersten Berater blieb nichts weiter übrig als wieder als einfacher Bauer sein Feld zu bearbeiten. Die große Rübe aber fand ein ausgehungerter Feldhase und hatte damit lange sein Auskommen. Auszug aus „Die große Rübe“ http://www.1000-maerchen.de/fairyTale/2478-die-grosse-ruebe.htm Gemüseportrait EXOTEN 31 A Bunte Vielfalt Cima di Rapa Brassica rapa sp. Cima di rapa – oder broccoletto, broccoletto di rapa – im Deutschen auch Italienischer Brokkoli, Rübstiel, Stängelmus oder Stielmus genannt – ist eine Kreuzung aus Speiserübe und Brokkoli. Als typisches Wintergemüse Süditaliens ist es fest in der regionalen Küche verankert. In unseren Gegenden ist Cima di rapa nicht winterhart und muss vor den ersten Frösten geerntet werden. Verwendet werden die noch geschlossenen Blütenstände mit den umliegenden Blättern. Sie werden wie Brokkoli gedünstet und meist zu Nudelgerichten gegessen. Romanesco und seine farbigen Freunde Brassica oleracea convar. botrytis Besonders in Italien und Frankreich sind violette und grüne Zuchtformen des Blumenkohls verbreitet. Ihre Blütenstände sind nicht vollständig von Hüllblättern umgegeben und verfärben sich während des Wachstums durch die Einwirkung von Licht. Der Romanesco ist eine grüne Variante des Blumenkohls, die in der Nähe von Rom gezüchtet wurde. Sein besonderes Markenzeichen sind die kunstvoll gestalteten, türmchenartig angeordneten Blütenstände, denen er auch den Namen Minarett- oder Türmchenkohl verdankt. Romanesco enthält mehr Vitamin C als sein weißer Verwandter und ist reich an Mineralstoffen. Durch seine zarte Zellstruktur ist er leichter verdaulich als andere Kohlarten. Ursprünglich hauptsächlich in Italien und Frankreich verbreitet, hat er inzwischen auch Einzug in die internationale Küche gehalten. In den letzten Jahren bereichern bunte Blumenkohlsorten das Angebot in Gemüseregalen – die Farbpalette reicht von sattem Grün über helles Orange bis hin zu kräftigem Violett. Sie zeichnen sich durch intensiven Geschmack und Vitaminreichtum aus. Sie sind ein Gag, verleihen gewöhnlichen Gerichten den nötigen Pfiff und sind „mal was anderes“ auf unseren Tellern. Gemüseportrait KOHL AUS ASIEN 33 A Verwandte aus Fernost Geschichte Nicht nur wir Mitteleuropäer blicken auf eine lange Kohl-Geschichte zurück. In Südostasien züchteten die Menschen noch früher die ersten Kohlgemüse. Sie produzierten auch das erste Sauerkraut aus in Reiswein eingelegten Kohl. Wahrscheinlich ernährten sich die Arbeiter, die vor 2.000 Jahren die Chinesische Mauer erbauten, vorwiegend von Reis und Kohlgemüse. Die asiatischen Kohlgemüse unterscheiden sich von europäischen Varianten durch Aussehen, Wachstumseigenschaften und Geschmack. Im Laufe der Zeit fand ein „Austausch“ von Pflanzen statt. Den Anfang machte im 18. Jahrhundert der China- oder Pekingkohl. Seit einigen Jahren erobern Asia-Salate den europäischen Gemüsemarkt. Im Gegenzug hat sich China zu einem der Hauptproduktionsländer von Kopfkohl entwickelt. Inhaltsstoffe und Verwendung Doch zurück zu den asiatischen Typen: Die Vielfalt bei den asiatischen Kohlpflanzen ist ähnlich groß wie in Europa. So wie ihre europäischen Verwandten weisen die asiatischen Kohlgemüse einen niedrigen Brennwert und gleichzeitig einen hohen Mineralstoff- und Vitamingehalt auf. Für manche ist ein scharfer Geschmack charakteristisch. Im Unterschied zu uns Europäern bereiten die Menschen in Asien Kohlgemüse in fast allen Wuchsstadien zu – von Keimsprossen bis zur blühenden Pflanze. Für jedes „Alter“ eines Kohlgemüses findet sich ein passendes Rezept. Die Zubereitung hat mit der europäischen Küche meist ebenfalls wenig zu tun. In Asien stehen Wok-Gerichte weit oben auf der Beliebtheitsskala. Das Gemüse wird nur kurz erhitzt. Es bleibt kernig und wichtige Inhaltsstoffe bleiben erhalten. Gewürzt wird in Asien mit Koriander, Fenchel, Ingwer, Sesam, Kardamon oder einer Currymischung. Diese Gewürze steigern die Verträglichkeit von Kohl und wirken Blähungen entgegen. Pak Choi – Chinesischer Senfkohl Der chinesische Name „Pak Choi“ bedeutet „Weißes Gemüse“. Dieser Name kommt von den breiten, weißen Stängeln, die an Mangold erinnern. Pak Choi bildet keinen festen Kopf, sondern eine lockere Blattrosette aus saftig-grünen Blättern. Eine Sonderform ist der „Tatsoi“, dessen dunkelgrüne Blätter und Stängel in einer Rosette flach auf dem Boden aufliegen. Die deutsche Bezeichnung „Chinesischer Senfkohl“ ist eher irreführend, denn Pak Choi und Tatsoi bestechen durch einen deutlich milderen Geschmack als die meisten ihrer Verwandten. Pak Choi stammt wahrscheinlich aus Zentralchina. Er wird dort mindestens seit dem 15. Jahrhundert angebaut. Heute ist Pak Choi in allen ostasiatischen Ländern – allen voran China, Japan und Korea – von wirtschaftlicher Bedeutung. In den Ursprungsländern schätzt man Pak Choi vor allem im jungen Stadium. Entweder wird die ganze Pflanze blanchiert oder in geschnittener Form verschiedensten WokGerichten zugefügt. Empfehlenswert ist Pak Choi auch als Salatbeigabe. Die Stängel größerer Pflanzen können wie Spargel zubereitet werden. Pak Choi ist eine schnellwüchsige Langtagpflanze. Mehr als 12 Stunden Tageslicht und hohe Temperaturen fördern das Schossen. In unseren Breiten wird Pak Choi deshalb erst im Spätsommer angebaut. Pe Tsai – Chinakohl Der Chinakohl entstand wahrscheinlich aus einer Kreuzung von Pak Choi und Speiserübe. Chinakohl bildet einen festen Kopf aus hellgrünen, gekrausten Blättern mit dicken weißen Blattrippen. So wie Pak Choi ist auch der Chinakohl eine Langtagpflanze. Obwohl der Chinakohl jünger als der Pak Choi ist, gelangte er früher als dieser nach Europa. Schon im 18. Jahrhundert brachten Missionare die ersten Samen mit in die 35 A Verwandte aus Fernost Heimat. Der Anbau begann jedoch nur zögerlich, denn die Menschen wussten mit einer Langtagpflanze nicht umzugehen. Neue Züchtungen und der feine Geschmack ebneten der fremden Pflanze schließlich doch den Weg in Garten und Küche. Besonders beliebt ist Chinakohl heute als Wintersalat. In Asien herrscht die Verwendung als Kochgemüse vor. Asia-Salate Seit einigen Jahren erobern Asia-Salate den europäischen Markt. Hinter diesem Begriff verbergen sich verschiedene Blattgemüsearten, von denen die meisten aus der Familie der Kreuzblütler stammen. Alle haben ihren Ursprung in der Vielfalt der fernöstlichen Küche. Einige Arten stammen aus Japan. Deshalb werden Asia-Salate auch als „Japanese Greens“ bezeichnet. Ihr Aussehen variiert stark. „Mizuna“, mit stark gezahnten, hellgrünen Blättern gehört ebenso zu den Asia-Salaten wie der rotblättrige Blattsenf „Red Giant“. Besonders ansprechend für Hausgarten und Salatschüssel sind Mischungen verschiedener Asia-Salate. Der Tradition der Kohlgewächse folgend, weisen Asia-Salate einen hohen gesundheitlichen Wert auf. Der Geschmack der einzelnen Sorten reicht von rucolaähnlich scharf bis leicht kohlartig mild. Asia-Salate können vielseitig verwendet werden und haben in der fernöstlichen Küche eine lange Tradition – als Zugabe zu Schnittsalaten, gedünstet als Gemüse oder als Beigabe zu Fischgerichten. Alle Asia-Salate weisen kurze Wachstumszeiten auf und sind äußerst kältetolerant. Ihre Nährstoffansprüche sind gering. Meist werden Asia-Salate bei einer Wuchshöhe von etwa 10 Zentimetern geschnitten. Verschont man beim Schneiden die Herzblätter, sind mehrere Ernten möglich. Inhaltsstoffe und Wirkung 37 A Kohl gegen Krebs Vorbeugen und Heilen „Kimmt die Ruibe ins Haus, muss der Dokta hinaus“, so ein Tiroler Sprichwort. Seit Jahrhunderten nehmen Kraut und Rüben einen wichtigen Platz in der Volksmedizin ein. Äußerlich angewendet dienen Kohlblätter und Rübenscheiben der Wundheilung und entziehen dem Körper Giftstoffe. Das Trinken von Weißkohlsaft soll den Darm reinigen und Magengeschwüre verhindern. Schon im antiken Griechenland schätzten die Menschen Kohl dank seiner verdauungsfördernden Wirkung als Heilmittel. Hippokrates, der Vater der Heilkunde, empfahl Grünkohlbrühe gegen Husten und Heiserkeit. Der Philosoph Aristoteles schwor zudem auf Kohl, um Kopfschmerzen nach zu viel Weingenuss zu vertreiben. Im Mittelalter nutzten Hildegard von Bingen und andere Heilkundige Kohl als Heilmittel gegen allerlei Beschwerden. Heute weiß man, dass Kohlgemüse nicht nur heilend wirkt, sondern in der Krankheitsvorbeugung einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Medizinische Untersuchungen zeigen, dass Kohlgemüse krebshemmend wirkt. Es schützt vor Lungen-, Dickdarm- und Magenkrebs. Diese Wirkung beruht auf speziellen Inhaltsstoffen, den Glukosinolaten. Sie schützen die Pflanze vor Fraßfeinden und bei Verletzungen vor Bakterien- oder Pilzbefall. Besonders reich an diesen Stoffen sind Rosenkohl und Brokkoli. Mit Hilfe der Glukosinolate entgiftet Kohlgemüse krebserregende Stoffe, die über die Nahrung in den Körper gelangen. Die bekannteste Gruppe solcher Stoffe sind Nitrosamine. Das sind Eiweißverbindungen, die beim Braten und Grillen von Fleisch entstehen. Forschungen belegen zudem, dass Glukosinolate und andere Inhaltsstoffe von Kohlgemüse freie Sauerstoffradikale im Körper binden. Sauerstoffradikale entstehen in den Zellen. Sie sind Mitverursacher mancher Krankheiten (z.B. Parkinson, Herzinfarkt). Kohlgemüse zeichnet sich weiters durch einen niedrigen Brennwert (wenig Kalorien) und einen hohen Mineralstoff- und Vitamin-C-Gehalt aus. In Weißkohl ist beispielsweise doppelt so viel Vitamin C enthalten wie in der gleichen Menge Orangen. Verwendung 39 A Kohl in der Küche Lagerung und Zubereitung Kohlgemüse enthält zahlreiche wertvolle Inhaltsstoffe. Viele davon bleiben auch bei längerer Lagerung in dunkler, kühler Umgebung erhalten. Besonders gut lagerfähig sind Rüben, Rot- und Weißkraut (auch in Form von Sauerkraut), sowie Wirsing und Chinakohl. Sie sind deshalb typische Wintergemüse – ebenso Rosenkohl und Grünkohl. Sie können trotz Minusgraden im Garten bleiben und laufend beerntet werden. Bei Blumenkohl, Brokkoli, Pak Choi oder Palmkohl empfiehlt sich hingegen ein baldiger Verzehr. Sie vertragen weder frostige Herbstnächte im Garten, noch eine lange Lagerung im Kühlschrank oder Keller. Falsche Lagerung, Schneiden, langes Kochen etc. wirken sich bei allen Kohlgemüsen negativ auf Vitamin-, und Glukosinolatgehalt aus. Folgende Maßnahmen minimieren den Verlust dieser Stoffe: • Kohlgemüse kalt waschen • Kohlgemüse nur kurz dünsten • Kochwasser mitverwenden, weil Glukosinolate beim Kochen ins Wasser abgegeben werden • Kohlgemüse möglichst frisch verwenden Allgemein gilt: Gehen Geschmack und Geruch verloren, so bedeutet dies, dass auch die meisten wertvollen Inhaltsstoffe „verduften“. Kurz gekocht sind Kohlgemüse jedoch äußerst nahrhaft und schmackhaft. Die Rezepte im hinteren Teil der Broschüre überzeugen bestimmt auch hartnäckige Kohl-Muffel. Zubereitungstipp: Wer Kohl nicht gut verträgt, kann ihn durch die Zugabe von Kümmel, Fenchel oder Koriander bekömmlicher machen. Saures Kohlgemüse 41 A Gemüse mit Tradition Geschichte Egal ob zu Tirtln, Hauswurst oder Erdäpflblattln – Sauerkraut ist ein Bestandteil vieler traditioneller Gerichte. Noch vor wenigen Jahrzehnten gehörte Sauerkraut in den Wintermonaten zu den wichtigsten Vitaminlieferanten und kam entsprechend häufig auf den Tisch. Diese bedeutende Rolle verdankt das Sauerkraut mehreren Gegebenheiten: Obst und Gemüse waren für frühere Generationen eine Seltenheit. Im Winter waren sie besonders rar. Der eigene Garten war abgeerntet, zu kaufen gab es wenig und wenn, dann nur zu hohen Preisen. Die Menschen mussten Vorräte für den Winter anlegen. Gemüse ließ sich nur durch Dörren, Einlegen in Salz oder Essig oder durch Einsäuern über längere Zeit lagern. Unter diesen Umständen konnten sich Kopfkohl und Rüben gut gegen anderes Gemüse durchsetzen. Sie lassen sich in frischem Zustand relativ lange lagern und eignen sich zudem zum Einsäuern. Mineralstoffe, Vitamine und Ballaststoffe bleiben beim Vergären erhalten. Zusätzlich stärkt die Milchsäure die Darmflora und entgiftet den Körper. Sauerkraut punktet also nicht nur mit seiner Haltbarkeit, sondern auch mit einem hohen gesundheitlichen Wert. Wer das Sauerkraut „erfand“, kann die Wissenschaft nicht eindeutig feststellen. Wahrscheinlich begannen die Menschen in zwei weit entfernten Regionen der Erde unabhängig voneinander mit dem Einsäuern von Kohl: In Asien nutzen die Chinesen seit vielen Jahrhunderten die Milchsäuregärung zum Konservieren von Kohl. In Europa waren die antiken Griechen und Römer die ersten, die Blätterkohl einsäuerten. Wahrscheinlich brachten die Römer diese Technik in die von ihnen eroberten Gebiete. Kolumbus und andere Seefahrer führten fässerweise Sauerkraut auf ihren Schiffen mit, um sich vor Skorbut zu schützen. Denn die Menschen wussten aus Erfahrung, dass Sauerkraut wichtige Nährstoffe enthält und vor Mangelkrankheiten schützt – nicht nur auf langen Entdeckungsfahrten, sondern auch in langen Wintern. Inhaltsstoffe von WeiSSkohl und Sauerkraut (je 100 g) Inhaltsstoffe Kalorien Weißkohl roh Sauerkraut frisch 25 kcal 25 kcal Kohlenhydrate 4,6 g 4,0 g Protein 1,3 g 1,5 g Fett 0,2 g 0,3 g Cholesterin 0,0 g 0,0 g Ballaststoffe 2,5 g 2,0 g Kalzium 49 mg 48 mg Phosphor 29 mg 43 mg Natrium 13 mg 200 mg Vitamin C 47 mg 20 mg Vitamin B1 0,05 mg 0,03 mg Vitamin K 0,006 mg 1,5 mg Zettelkraut und Rübenkraut Nach gesundheitlichen und geschichtlichen Betrachtungen zum Einsäuern ist es höchste Zeit, den Begriff Sauerkraut näher zu definieren. Denn er umfasst zwei verschiedene Produkte: Sauerkraut (aus Weißkohl hergestellt) und Rübenkraut. Je nach Region spielt traditionell das eine oder das andere eine größere Rolle. 43 A Langes Kraut Sauerkraut Unter Sauerkraut versteht man üblicherweise milchsauer vergorenen Weißkohl. Es wird auch Kobiskraut, Zettelkraut oder Langes Kraut genannt. Prinzipiell kann jeder Weißkohl zu Sauerkraut verarbeitet werden. Es gibt jedoch Sorten, die sich besonders gut dafür eignen. Im Herbst werden die Köpfe geerntet, geschnitten und festgestampft. Früher verwendeten die Menschen einfache Krauthobel und Holzfässer. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts begann die industrielle Sauerkrautproduktion. So kaufte beispielsweise ein Meraner Kaufmann den Vinschger Bauern Krautköpfe für seine Sauerkrautfabrik ab. Für die industrielle Produktion von Sauerkraut wurden eigene Krautschneidemaschinen und Gärbehälter entwickelt. Der Prozess blieb der gleiche. Durch das Feststampfen und den Zusatz von Salz werden die Zellwände zerstört und Wasser und Luft entweichen aus dem Kraut. Jetzt beginnen die Bakterien mit ihrer Arbeit. In den ersten Tagen arbeiten sauerstoffliebende Bakterien. Sie verbrauchen den noch vorhandenen Sauerstoff und machen den Weg frei für die Milchsäurebakterien, die keinen Sauerstoff vertragen. Während der Tätigkeit der Milchsäurebakterien wird das Kraut sauer (der pH-Wert sinkt unter 4). In einer dritten Phase bauen Essigsäurebakterien Zucker ab und erzeugen den typischen Geschmack des Sauerkrauts. Wacholderbeeren, Kümmel und andere Zutaten verfeinern den Genuss noch weiter. Nach etwa einem Monat ist die Gärung abgeschlossen und das Sauerkraut kann verwendet werden. Gekühlt bleibt es über mehrere Monate haltbar. Industriell hergestelltes Sauerkraut wird meistens durch Erhitzen noch zusätzlich haltbar gemacht. Eben geht mit einem Teller Witwe Bolte in den Keller, Daß sie von dem Sauerkohle Eine Portion sich hole, Wofür sie besonders schwärmt, Wenn er wieder aufgewärmt. Aus: Max und Moritz – Eine Bubengeschichte in sieben Streichen. Wilhelm Busch (1865) 45 A Kurzes Kraut Rübenkraut Rübenkraut wird aus Speiserüben gemacht. Diese war bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts eine wichtige Nutzpflanze. Viele Bäuerinnen und Bauern bauten sie für den Eigenbedarf an. Die Rübe zeichnet sich durch eine Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten aus. Sie fand Verwendung als Nahrungs-, Heil- und Futterpflanze. Von besonderer Bedeutung war und ist in vielen Alpentälern das vergorene Rübenkraut. Die Bauern lagerten die Rüben nach der Ernte zunächst im Keller ein. Erst im November, nach Abschluss der Herbstarbeiten, begann das „Krauteinschneiden“. Mit speziellen Krautbankln (Krauthobel) oder Krautmessern und Krautbrettern wurden die Rüben bis auf Reiskorngröße kleingehackt. In manchen Ortschaften heißt das Rübenkraut deshalb „Kurzes Kraut“. Das frisch gehackte Rübenkraut wurde in ein Holzfass gefüllt und ohne den Zusatz weiterer Zutaten fest eingestampft. Nach fünf bis sechs Wochen war der Vergärungsprozess abgeschlossen und das Kraut konnte verwendet werden. Heute werden die Rüben meistens direkt nach der Ernte weiterverarbeitet. Nur selten sind die früher üblichen Gerätschaften im Einsatz. Der besondere Geschmack ist jedoch nach wie vor gefragt. Vor allem im Pustertal, in Osttirol und dem Nordtiroler Unterland ist das Rübenkraut nach wie vor eine gern gegessene Zuspeise zu Knödeln oder Zutat für traditionelle Gerichte. FÜR DEN VORRATSSCHRANK 47 A WEISSKOHL ODER SPEISERÜBEN Sauerkraut aus dem Glas Nicht jeder besitzt einen Gärtopf und nicht jeder isst kiloweise Sauerkraut. Wer trotzdem Lust auf eigenes Sauerkraut hat, kann kleine Mengen in Gläsern herstellen. Zutaten Gläser (Marmeladegläser, Gurkengläser …) 1 Krautkopf Salz, Wacholderbeeren, Kümmel Zubereitung Gläser sauber auswaschen. Kraut putzen und fein schneiden/hobeln. Salz und Gewürze dazugeben, gut durchmischen. Kraut fest in die Gläser einstampfen bis sich oben Wasser sammelt. Die Gläser bis etwa 1 Zentimeter unter dem Rand mit Kraut füllen. Wenn sich beim Einstampfen zu wenig Flüssigkeit bildet, mit Wasser bis zum Rand aufgießen. Gläser nur leicht verschließen (Deckel nicht ganz zuschrauben). Da Gärsaft austritt, die Gläser in eine Plastikschüssel oder auf ein Backblech stellen und einige Tage in einem beheizten Raum (ca. 20°C) stehen lassen. Nach 4-5 Tagen Gläser fest verschließen und an einen kühlen, dunklen Ort stellen. Nach ca. 3 Wochen – wenn das Kraut grob geschnitten ist, dauert die Gärung etwas länger – ist das Sauerkraut fertig. Im verschlossenen Glas bleibt es mehrere Monate haltbar (dunkel und kühl lagern). Tipp So wie Sauerkraut kann auch Rübenkraut in Gläsern hergestellt werden. Martha Falschlunger Biobäuerin, Tirol AUS DER KÜCHE VON JAKOB MARMSOLER 49 A BROKKOLI Roggen-Bandnudeln mit Brokkoli, Ziegenfrischkäse und Schnittlauch (für 4 Personen) Zutaten Nudelteig 160 g Roggenmehl 80 g Weizenmehl 1 Ei 60 ml Milch 10 g Butter, weich Zutaten Gemüse-Käse-Mischung 60 g Butter 1 Zwiebel, mit der Faser in Streifen geschnitten 100 g Lauch in Streifen geschnitten Salz Pfeffer gemahlen 100 ml Bouillon, Gemüsebrühe oder Nudelwasser 200 g Brokkoli-Röschen, gekocht 80 g Ziegenfrischkäse „aufgebröckelt“ 2 EL Schnittlauch, geschnitten Zubereitung Für den Nudelteig die beiden Mehltypen gut mischen und in der Mitte eine Mulde machen. Ei und Milch verquirlen und mit der Butter in die Mehlmulde geben. Zu einem glatten Teig verkneten und zugedeckt entspannen lassen. Den Nudelteig ausrollen und zu Bandnudeln schneiden. Die Zwiebelstreifen in Butter goldig dünsten, die Lauchstreifen beigeben, kurz mitdünsten und würzen. Die Nudeln in Salzwasser kochen, mit den Zwiebel-Lauchstreifen mischen und in der Bouillon schwenken. Die Brokkoli-Röschen im Nudelwasser wärmen und zu den Nudeln geben. Die Nudeln in einer Servier-Pfanne oder einem Teller anrichten, Ziegenfrischkäse und Schnittlauch darüber geben. Fachlehrer Jakob Marmsoler, Emma Hellenstainer Landesberufsschule für das Gastund Nahrungsmittelgewerbe – Brixen AUS DER KÜCHE VON JAKOB MARMSOLER 51 A WIRSING Schwarzplentene Knödel auf Rahmwirsing mit frittierten Lauchstreifen (für 12 Knödel ) Zutaten Knödel 200 g Knödelbrot 200 g Schwarzplentenes Mehl (Buchweizenmehl) 100 g Topfen 2 Eier ca.1/4 l Milch 40 g Butter 200 g Lauch, klein geschnitten 1 Knoblauchzehe, klein geschnitten 100 g Sahne 1 EL Roggenmehl Petersilie und Schnittlauch, fein geschnitten Salz und evtl. Weißpfeffer Zutaten Rahmwirsing 500 g Wirsing, in Blättchen geschnitten 50 g Butter 100 g Zwiebel, fein geschnitten 1 Knoblauchzehe, fein geschnitten Salz Weißpfeffer, gemahlen 10 ml Fleischsuppe oder Wasser 10 ml Rahm 20 g Lauchstreifen in Butter oder Öl gebacken Zubereitung Für die Knödel geschnittenen Lauch und Knoblauch in Butter dünsten, die Sahne beigeben und aufkochen. Die restlichen Zutaten vermischen, den gedünsteten Lauch mit der Sahne gut unterrühren und alles zusammen weichen lassen. Das Roggenmehl unter die gut geweichte Masse rühren, zu Knödeln formen. Die Knödel ins kochende Salzwasser geben und ungefähr 15 Minuten kochen. Für den Rahmwirsing Zwiebel und Knoblauch in Butter andünsten, Wirsing beigeben, würzen und bei offenem Deckel dünsten bis die Flüssigkeit verdunstet. Fleischsuppe und Rahm beigeben und cremig kochen. Auf Tellern anrichten, Knödel dazu geben und mit den Lauchstreifen garnieren. Empfehlung Anstatt Weißbrot kann Roggenbrot verwendet werden. Zusätzlich können Speck und/oder Käse wie Gorgonzola, Graukäse oder ein würziger Almkäse beigegeben werden. Fachlehrer Jakob Marmsoler, Emma Hellenstainer Landesberufsschule für das Gastund Nahrungsmittelgewerbe – Brixen AUS DER KÜCHE VON CHRISTIAN HOFER A 53 WIRSING Fagottini von Wirsing mit Kastanienpolenta (für 6- 8 Personen) Zutaten Fagottini 500 ml Wasser 100 g Polentamehl, schnellkochend 30 g Kastanienmehl 1 Msp Zimt Salz und Pfeffer 2 EL Parmesan, gerieben 12 Wirsingblätter Etwas Olivenöl extra vergine Zutaten Fonduta 20 g Butter 1 EL Mehl 300 ml Milch 200 g Käse aus Rohmilch, gehackt 1 Eigelb Salz und Pfeffer 1 Msp Rosmarin und Muskatnuss Zubereitung Für die Fagottini 250 ml Wasser mit etwas Salz zum Kochen bringen. Die Polenta mit dem Kastanienmehl im Sturz unterrühren. Für 10 Minuten unter rühren köcheln lassen. Mit Salz, Pfeffer, Zimt und Parmesan abschmecken und etwas auskühlen lassen. Die Wirsingblätter in 250 ml kochendem Wasser blanchieren und in Eiswasser abkühlen. Auf einem Tuch trocknen. Die Kastanienpolenta auf die Wirsingblätter verteilen, zusammenrollen und formen. In eine geölte feuerfeste Form legen. Für die Fonduta die Butter schmelzen, das Mehl unterrühren und mit der Milch aufgießen. Wenn es anfängt zu binden, den Käse und das Eigelb untermischen und rühren bis eine homogene Masse entsteht. Mit Salz, Pfeffer, Rosmarin und Muskatnuss abschmecken und über die Fagottini gießen. Bei 180°C 15 bis 20 Minuten backen. Fachlehrer Christian Hofer Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern AUS DER KÜCHE VON CHRISTIAN HOFER 55 A PAK CHOI Luftige Reisnudeln mit Garnelen und Pak Choi (für 4 Personen) Zutaten 4 Frühlingszwiebeln 300 g Pak Choi 80 g Bambussprossen 12 Cocktailtomaten 2 EL Sesamöl 200 g Garnelenschwänze 1 EL frische Ingwerwurzel, geschält 50 ml Hühnerbrühe 2 EL Sojasauce 1 TL Speisestärke und Salz, frisch gemahlener Pfeffer 100 g Reisvermicelli 1 l Pflanzenöl zum Ausbacken Zubereitung Für die Gemüse-Garnelen-Mischung die Frühlingszwiebeln putzen und schräg in etwa 2 Zentimeter dicke Scheiben schneiden. Den Pak Choi putzen, waschen und in etwa 4 Zentimeter breite Streifen schneiden. Die Cocktailtomaten waschen und abtrocknen, vom Stielansatz befreien und halbieren. In einem Wok das Sesamöl erhitzen und die Garnelenschwänze darin etwa 2 Minuten rühren. Den gehackten Ingwer zugeben und kurz mitbraten. Die Frühlingszwiebeln, den Pak Choi, die Bambus-Sprossen und die Cocktailtomaten unterrühren und in 2 bis 4 Minuten knackig braten. Die Brühe mit der Sojasauce vermischen und unter das Gemüse rühren. Mit der Stärke abbinden und nach Bedarf mit Salz und Pfeffer abschmecken. In der Zwischenzeit die rohen Reisnudeln auseinanderzupfen. Das Öl in einem Wok erhitzen und die Nudeln so lange frittieren, bis sie sich aufgebläht haben. Die frittierten Nudeln auf den Tellern verteilen und mit der Gemüse-Garnelen-Mischung anrichten. Fachlehrer Christian Hofer Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern AUS DER KÜCHE VON JOHANN REISINGER 57 A ASIA-SALATE Miniburger mit feinen Asia-salaten (für 4 Personen) Zutaten Teig 200 g Einkornmehl (ersatzweise Dinkelmehl) 100 g Waldstaudenmehl (ersatzweise Roggenmehl) 150 ml Wasser 20 g Trockenhefe 60 g Butter Zucker, Salz Haselnüsse zum Bestreuen Zutaten Erdäpfellaibchen 300 g mehlige Erdäpfel 1 Eidotter 1 EL Mehl 1 EL Butter, Salz feine Asia-Salate nach Wahl (geputzt, gewaschen) Zubereitung Die Erdäpfel in der Schale kochen. Hefe mit Zucker in lauwarmem Wasser auflösen, einen Teil des Mehls einrühren, sodass ein dickflüssiger Teig entsteht. Restliches Mehl, Salz und geschmolzene Butter unter den Teig heben. Mit einem Geschirrtuch abdecken und gehen lassen. Die Haselnüsse in der Pfanne rösten und etwas hacken. Aus dem Brotteig kleine Laibchen formen, auf einem Backblech gehen lassen, mit Wasser bestreichen und mit Haselnüssen bestreuen. Bei 180° C etwa 20 Minuten backen. Die gekochten Erdäpfel schälen, passieren und mit weicher Butter, Mehl, Eidotter verrühren und salzen. Kleine Laibchen formen und in der Pfanne goldgelb braten. Die Brötchen mit Erdäpfellaibchen und Asia-Salaten füllen und rasch servieren. Johann Reisinger Koch & Geschmackspädagoge www.johann-reisinger.at Verwendete Literatur VAN WYK, B., Handbuch der Nahrungspflanzen. Ein illustrierter Leitfaden. – Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2005. NICKELS, H., Vom Weißkohl zum Sauerkraut – Wissenswertes aus der Wesselburener Krautwerkstatt, Husum 2006. WEISS, H. (Hrsg.), Das Kohl & Pinkel Buch, Bremen. 2008. KELLER, F., LÜTHI, J., RÖTHLISBERGER, K., 100 Gemüse, Zollighofen 1996. KNASMÜLLER, S., GLADIS, Th., PALME, W., Tagungsunterlagen Brokkoli, Pak Choi & Co. Fachschule Salern, 2008. VOGL-LUKASSER, B. et al., Erfahrungswissen über Lokalsorten traditioneller Kulturarten in Ost- und Nordtirol. Interreg IIIA Projektbericht, 2007. 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