Horst Klaus Berg: Ästhetisches Lernen – ein Montessori-Konzept sucht seinen Weg Vortrag in der Dozentenkonferenz Süd 1. Ein Stiefkind? Wer der Montessori-Pädagogik nach Informationen, theoretischen Reflexionen und Anleitungen zur Arbeit mit Kunst bzw. bildnerischem Gestalten und /oder Musik sucht, muss gründlich nachschauen. Denn die bekannten Gesamtdarstellungen der Montessori-Pädagogik geben hierüber nur wenig Auskunft. Und auch die offiziellen Materialbücher bleiben – bis auf die Glocken und die Klangstäbe - schweigsam. Schließlich stößt man zum Thema Kunst auf einige Broschüren und Beiträge, am wichtigsten die von Paul Drücke (v.a. 1992; 2004). Günstiger ist die Situation im Blick auf die Musikerziehung. Seit vielen Jahren sind die praktischen Arbeiten von Hans Wilms Standard in der Literatur und der Ausbildung. Die historischen und theoretischen Aspekte der Musikerziehung bei Montessori sind in den letzten Jahren durch zwei Dissertationen von Claudia Meyer und Hildegard Hosterbach gründlich bearbeitet worden. Dieser im Ganzen doch recht magere Befund hängt zunächst einmal ganz einfach damit zusammen, dass Montessori selbst in ihren Werken sich zu Kunst und Musik bzw. deren didaktischen Implikationen nur vergleichsweise spärlich äußert. Nach Meinung einiger Autoren spiegelt sich hier ihr gelegentlich skeptisches, manchmal ambivalentes Verhältnis zur Thematik wider. Darüber wird später noch genauer zu handeln sein. Ich habe mir vorgenommen, zunächst einmal Montessoris Äußerungen zu sichten, kritisch zu reflektieren und ein Stück weit auf den Weg zu uns zu bringen. Ich will auch offene Fragen zur Weiterarbeit formulieren und – wenn es gut geht – ein wenig mehr Lust auf Musik und Kunst in der MontessoriAusbildung und –Praxis anregen. Wie immer bei der Interpretation von Montessori-Texten ist zunächst nach der anthropologischen Basis zu fragen. 2 2. Der menschliche Geist überschreitet - die anthropologische Basis Grenzen Ausgangspunkt ist ihre anthropologische These, dass der menschliche Geist die Grenzen des empirisch Sichtbaren und Greifbaren überschreitet. Sie benennt zwei Wirkungskräfte, die den Geist dazu beflügeln: Die Einbildungskraft und die Abstraktion. 2.1. Die „Einbildungskraft“ (Imagination) Die Schlüsselaussagen zu dieser These Montessoris findet sich in ihrem Spätwerk „Das kreative Kind“: „Kann sich der Verstand des, Kindes auf das beschränken, was sieht? Nein. Der Verstand des Kindes reicht über die konkreten Grenzen hinaus: Es kann sich viele Dinge vorstellen. Diese Möglichkeit, Dinge zu sehen, die sich nicht vor seinen Augen befinden, offenbart eine höhere Geistesform; der menschliche Verstand wäre sehr beschränkt, würde er sich auf das begrenzen, was er sieht. Der Mensch sieht nicht nur mit dem Auge, und die Kultur besteht nicht nur aus dem, was man sieht.“ (3, 157) Alle Fähigkeiten, die ein Kind besitzt, und alle Bewegungen des Geistes, die wir bei ihm beobachten, sind auf ein einziges Ziel ausgerichtet: Den Selbstaufbau der Person. Also ist zu fragen: Welchen Beitrag leistet die Einbildungskraft? Montessori entwickelt die Antwort zunächst im Blick auf das Welt-Lernen, die Kosmische Erziehung. Sie stellt dies im Blick auf die Entwicklungsstufe zwischen 6 und 12 Jahren dar, die sie als „eine Art sensibler Periode der Vorstellungskraft“ bezeichnet (4, 125). Das Kind ist fasziniert von der Möglichkeit, in immer weitere Räume der Erkenntnis vorzudringen und damit seinen Geist zu kräftigen und zu klären. Folgerichtig schreibt Montessori: „Daher ist es unser Ziel, das Kind nicht nur zum bloßen Verstehen zu führen, und noch weniger zum Auswendiglernen zu zwingen, sondern seine Phantasie anzustoßen, so daß es sich zutiefst begeistert. Wir wollen leidenschaftliche...“ (4,47) keine selbstzufriedenen Schüler, sondern 3 Ein anderes Feld, in dem die Einbildungskraft den Aufbau der Person stimuliert und vorantreibt, ist die künstlerische Gestaltung. Dazu später mehr. 2.2. Die Abstraktionsfähigkeit Ihre Ideen über die Grenzüberschreitungen des menschlichen Geistes führt Montessori mit diesem Gedankengang weiter: „Der menschliche Geist hat von Natur aus nicht nur die Fähigkeit, sich Dinge vorzustellen, die er nicht vor sich sieht, sondern auch die Fähigkeit, Synthesen zu machen, das heißt aus den unzähligen Dingen der Umgebung ein Alphabet herauszuziehen. Diese Fähigkeit ist die natürliche Veranlagung des Geistes zur Abstraktion... Besäße der Mensch nicht die Einbildungs- und Abstraktionsfähigkeit, wäre er nicht intelligent, oder seine Intelligenz würde die der höheren Tiere ähneln: sie wäre statisch und begrenzt auf die Bedürfnisse seines speziellen Verhaltens und daher ohne Entwicklungsmöglichkeit.“ (3, 164) Ich fasse Montessoris Ideen in einer kleinen Grafik zusammen: Imagi nation Abstrak tion 3. Schöpferisches Potential und schöpferischer Prozess bei Maria Montessori Nach dem Blick auf die anthropologischen Basisaussagen zur Fähigkeit des menschlichen Geistes, Grenzen zu überschreiten, wenden wir uns jetzt der schon kurz angesprochenen künstlerischen Gestaltung zu. 4 Wie gesagt, sind die direkten Aussagen Montessoris zum Gestalten des Kindes spärlich. Dennoch lassen sich einige Grundgedanken bestimmen. Die Basisaussage: „Dante, Milton, Goethe, Raffael und Wagner sind große Geheimnisse, Wunder an Intelligenz, die nicht mit dem einfachen Beobachten und Überlegen in Verbindung gebracht werden können. Und doch hat jeder Mensch seinen Teil künstlerischer Einbildungskraft, seinen Trieb, das Schöne mit seinem Geist zu schaffen... Außer der Tätigkeit der Beobachtung der materiellen Wirklichkeit gibt es eine schöpferische Arbeit, die den Menschen von der Erde erhebt und ihn in eine höhere Welt trägt, in die jede Seele gemäß ihrer eigenen Grenzen gelangen kann.“ (2,227) Was ist diesem Text zu entnehmen? Jeder Mensch hat die Fähigkeit und das Bedürfnis, sich schöpferisch durch künstlerisches Gestalten auszudrücken; wenn man so will, kann man von einer Gestaltungs- oder Kreativ-Nebula im Denken Montessoris sprechen: Schöpferisches Gestalten gehört zur humanen Grundausstattung. Daraus hebt sie allerdings deutlich die Menschen heraus, deren Genialität sie zur Schaffung großer Kunstwerke befähigt. Diese Kreativ-Nebula differenziert sich in dem zitierten Text dreifach: • Kreatives Gestalten im Blick auf Sprache (dazu gehört auch Theaterspielen); • Kreatives Gestalten im Blick auf Bildende Kunst; • Kreatives Gestalten im Blick auf Musik. Aus anderen Äußerungen kann man noch einen vierten Aspekt hinzufügen: Rhythmus, Bewegung und Tanz gehören bei ihr zu den wichtigsten Ausdrucksformen; es kommt also hinzu: • Kreatives Gestalten im Blick auf Körpersprache (auch hier kommt der Aspekt des Theaterspielens noch einmal ins Spiel). 5 Dies fasse ich in einer Übersicht zusammen: Gestaltungsnebula Bildende Kunst Musik Sprache Körperspr ache Montessori hat sehr genaue Vorstellungen, wie künstlerische Gestaltungen zu Stande kommen: „Niemand kann jedoch sagen, dass der Mensch die künstlerischen Erzeugnisse aus dem Nichts erschaffe. Das, was Schöpfung heißt, ist in Wirklichkeit eine Komposition, eine Konstruktion aus dem einfachen Material des Geistes, das mit den Sinnen aus der Umgebung aufgenommen werden muss.“ (2, 227) An diesem Satz fallen zwei Gedanken auf: Einmal: Schöpferisches Tun ist eine Komposition aus dem durch die Sinneswahrnehmung gewonnen Material – hier zeigt sich ein fast konstruktivistischer Ansatz. Allerdings geht es hier um einen frei gestaltenden, souveränen Umgang: „Natürlich setzt der Künstler nicht, wenn er schafft, die einzelnen Teile wie in einem Mosaik zusammen: Im Schwung der Inspiration sieht er in sich die aus seinem Genie geborene neue Gestalt; aber sie wird von den angehäuften Einzelheiten genährt, so wie das Blut den neuen Menschen im Mutterleib nährt.“ (2, 233) Und: Schöpferisches Tun ist ohne Rückgriff auf die sinnliche Wahrnehmung nicht möglich; sonst wäre es nichts anderes als ein „zügelloses Schweifen der Phantasie in Bildern von Licht, Farben, Klängen...“. (2, 230) Erst „Maß und Gestalt verleihen der geistigen Schöpfung Kraft.“ (2, 232) Ganz allgemein hält sie fest: „Der Geist, der allein arbeitet, unabhängig von der Wirklichkeit, arbeitet im Leeren.“ (2,225) 6 4. Die Förderung des schöpferischen Potentials – Zur praktischen Lerngestaltung bei Montessori Wie unterstützt Montessori die Ausbildung der gestalterischen Fähigkeiten? 4.1. Zur musikalischen Erziehung 4.1.1. Musikalische Erziehung in den Entwicklungsstufen Die Ideen und Anweisungen Montessoris zur musikalischen Erziehung – Hans Wilms spricht vom „Erfahrungsbereich Musik“ (Wilms, 1992; 2004) sind recht gut dokumentiert (Hosterbach, 2005, 28 ff; Meyer, 2000, 217 ff) Im Blick auf das Kinderhaus ist an erster Stelle das unbewusste Aufnehmen von Musik zu nennen: Die vorbereitete Umgebung muss also so gestaltet werden, dass das Kind Gelegenheit hat, viel Musik zu hören. Allerdings behauptet sie: „Im Allgemeinen nehmen kleine Kinder eine künstlerische Musik nicht anders an, als es die Tiere tun. Die feine Zusammensetzung der Töne geht ihnen verloren“. (8, 194) Dazu später mehr! Grundsätzlich steht am Anfang der Musikerziehung die Sinneserziehung. Intensive Übungen zur Sensibilisierung und Festigung der Hörfähigkeit bilden „die notwendige Grundlage für die musikalische Erziehung.““ (1, 153) Diese Übungen zur Hörsensibilisierung werden begleitet von Stille-Übungen; denn nur so kann aufmerksames, konzentriertes Lauschen gefördert werden: „Eine Ausbildung des Gehörs hat ihren Ausgangspunkt in der ‚Stille’...“(1, 150 f) Die zweite basale Übung ist die Verfeinerung von Rhythmuserfahrungen, Montessori nennt vor allem die Gleichgewichtsübungen und fasst zusammen: „Auf diesen beiden Grundlagen – einer sensorischen und einer motorischen – fußt unser musikalischer Anfangsunterricht.“ (10, 72) Schließlich kommt im Kinderhaus-Bereich noch die melodische Schulung hinzu. - Als wichtigstes Material für diese Erfahrungs- und Lernaktionen sind die Glocken, die Hans Wilms gründlich erforscht und in ihrem Gebrauch fortentwickelt hat. 7 Die zweite Entwicklungsphase (6-12 Jahre) ist die Epoche des „Forschergeistes“. Folgerichtig geht es in dieser Phase verstärkt um das Erlernen musikalischer Begriffe und theoretischer Kenntnisse, vor allem im Blick auf das Lesen und Schreiben von Noten, aber auch auf Melodik, Rhythmus und Harmonie. Die Materialien und Methoden können hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden. Die dritte Phase ( 12-18) charakterisiert Montessori so: Sie ist „durch einen Zustand der Erwartung gekennzeichnet, durch die Bevorzugung von schöpferischen Arbeiten und durch das Bedürfnis, das Selbstvertrauen zu stärken.“ (4, 133) Montessori hat sich im Rahmen des Bildungsprogramms „Erdkinderplan“ als einen zentralen Studieninhalt genannt: „1. Den Weg zu den Möglichkeiten eines persönlichen Ausdrucks des Jugendlichen öffnen, d.h. durch Übungen und durch äußere Mittel die Entwicklung seiner inneren Personalität erleichtern“. (4,148) Sie nennt als Formen zur Förderung der Ausdrucksfähigkeit: Musik - Sprache Bildnerisches Arbeiten in verschiedenen Formen. Offenbar hat Montessori ein Lernen in der Art der heutigen Ausdruckspädagogik im Sinn, die die ganzheitliche Förderung der Persönlichkeit durch expressives Tun anstrebt. Heranwachsende, die auf diesem Weg des aufschluss-reichen Lernens den sicherem Umgang mit den eigenen Ausdrucksmittel erlernt haben, können in freier Gestaltung verarbeiten, was sie sehen und erleben und damit ihre Person aufbauen. 4.1.2. Übersicht über die Lerninhalte der musikalischen Erziehung Diese phasentypischen Aspekte sollen nun noch einmal unter musikimmanenten Gesichtspunkten beleuchtet werden. Es zeigt sich, dass es um 6 Hauptgebiete des musikalischen Lernens geht. Sie werden alle bei Montessoris Gedanken über musikalische Erziehung angesprochen, wenn auch nicht in dieser Form und Zusammenstellung: 8 1. Vorbereitende Übungen. 2. Musik hören. 3. Musik reproduzieren. 4. Musik produzieren. 5. Musik ganzheitlich erfahren und ausüben 6. Über Musik nachdenken und sprechen 4.2. Zur bildenden Kunst 4.2.1. Kunsterziehung in den Entwicklungsphasen Montessoris Ideen zur bildenden Kunst sind in ihren eigenen Werken nicht so reich dokumentiert wie die Ausführungen zur musikalischen Erziehung. Im Blick auf das Kinderhaus können wir v.a. auf die knappe Darstellung in „Entdeckung des Kindes“ zurückgreifen. Montessori beginnt mit einer zugespitzten Aussage: „Das sogenannte freie Zeichnen hat in meiner Methode keinen Eingang gefunden, ich vermeide unreife Versuche, die unnötig anstrengen, sowie die abscheulichen Zeichnungen, die in modernen fortschrittlichen Schulen so sehr geschätzt werden.“ (1, 310) Statt dessen stellt sie fest: „Wir lehren Zeichnen nicht durch Zeichnen, sondern indem wir die Möglichkeit zur Schulung der Ausdrucksmittel geben.“ Sie bevorzugt also eine „indirekte Methode“ (1, 310 f). Als Basis ist wieder an die Umgebung zu denken. Die Erzieher sollten die „großen Kunstwerke“ und „Kulturleistungen der Wissenschaft“ (2, 238) als vorbereitete Umgebung für die Entwicklung der schöpferischen Einbildungskraft auffassen und bereit stellen. Weiterhin geht es auch am Anfang der Kunsterziehung um eine intensive Wahrnehmungsschulung mit Hilfe der Sinnesmaterialien. Das bezieht sich ganz allgemein auf die Fähigkeit zur Beobachtung; denn sie sichert „das Material für die Einbildungskraft“ (2, 236) - Sie berichtet aber auch ausführlich über die Schulung des Farbsinns durch die Farbtäfelchen (1, 179 f) Schließlich ist als indirekte Schulung die Ausbildung der Hand zu nennen. 9 Hier verweist sie vor allem auf die Übungen zur Vorbereitung des Schreibens. Im Blick auf das methodische Erlernen gestalterischer Techniken bevorzugt Montessori bei der Schulung der zeichnerischen Fähigkeiten das „Schraffieren“, d.h. das methodische Ausfüllen vorgegebener Formen, das auch aus der Vorbereitung des Schreibens bekannt ist. Bei der Übung farblicher Gestaltung notiert sie: „So stellen wir Pinsel und Wasserfarben zur Verfügung, mit denen man Zeichnungen machen kann, ohne dass ihre Umrisse vorher gezogen wurden. Wir geben den Kindern auch Pastellstifte und zeigen, wie sie zu benutzen sind.“ (1, 311) Als drittes Element benennt Montessori Kompositionsübungen durch Ausschneiden kolorierter Karten. Insgesamt orientiert Montessori sich am Prinzip der Analyse bzw. Isolierung der Schwierigkeit. Für die zweite Entwicklungsphase hat Montessori das intensivierte und vertiefte Erlernen der gestalterischen Mittel im Auge. Sie schreibt: „Wir können jedoch sagen, daß die ganze Methode, die zugleich Auge und Hand erzieht und das Kind darin übt, zu beobachten und Arbeiten mit intensiver Hingabe auszuführen, die mechanischen Mittel für das Zeichnen vorbereitet, wahrend der Geist, der frei bleibt, seinen Flug zu nehmen und zu schaffen, bereit ist zu produzieren... Inspiration ist eine individuelle Sache und wenn beim Kind diese bildenden Vorbereitungen da sind, so kann es allem Ausdruck geben... Die Vorbereitung der Sinne und der Hand für das Zeichnen ist nichts anderes als ein Alphabet.“ (9, 16f) An diesem Abschnitt sind zwei Punkte interessant: Die Methoden, die die Kinder bereits (teilweise) im Kinderhaus kennen gelernt haben, werden nun sicher und gezielt gehandhabt – ähnlich, wie Montessori es auch für das musikalische Lernen bestimmt. - Und: Montessori weist sehr entschieden darauf hin, dass diese „Alphabetisierung“ nicht nur eine Vorbereitungs-, 10 sondern auch eine Entlastungsfunktion für den Schaffensprozess wahrnimmt: Werden die Gestaltungsmittel sicher beherrscht, bleibt der Geist frei zum kreativen Fliegen. Für die dritte Phase können wir wieder auf den „Erdkinderplan“ zurückgreifen. Montessori will den Jugendlichen „den Weg zu den Möglichkeiten eines persönlichen Ausdrucks öffnen“. Neben der Beschäftigung mit Musik und Sprache nennt sie auch „Bildnerische Arbeiten“. Sie führt Zeichnen, Gestalten, Tonen usw. als Methoden an. - Ausdrücklich betont sie: „Es handelt sich nicht darum, diese Arbeiten als ein echtes künstlerisches Studium zu betrachten; sie sind lediglich dazu bestimmt, den persönlichen, künstlerischen Ausdruck der Empfindungen zu erleichtern, verbunden mit einer manuellen Tätigkeit, um die modernen Techniken zu erlernen.“ (4, 148f) 4.2.2. Übersicht über die Lerninhalte der bildnerischen Erziehung Auch hier bietet sich eine zusammenfassende Übersicht an: 1. Vorbereitende Übungen 2. Übungen zur direkten Vorbereitung des bildnerischen Gestaltens 3. Kunstwerke betrachten 4. Bildnerisch gestalten 5. Lernchancen Nach der Darstellung der mehr praktischen Aspekte der Musik- und Kunstziehung bei Montessori leibt ein gewisses Unbehagen zurück: War’s das schon? Eigentlich hätte man sich wohl anregendere und reichhaltigere Ideen versprochen, wie wir es aus dem Denken Montessori gewohnt sind. Was ist zu tun? Müssen wir Montessoris Vorschläge zu ästhetischen Bildung respektvoll bedauernd aus der Hand legen, weil sie nicht ergiebig genug sind? 11 Oder zeigen sich Wege – so wie es der Titel des Vortrags signalisiert? Einige Sätze, die ich bei Günther Schulz-Benesch fand, lassen aufhorchen: "Vielleicht ist es richtig zu sagen, daß Montessori die realistischen Übungen wegen ihres Zieles der Konzentration ausbaute, kultivierte und in ihren Schriften betonte, aber für die Pflege der musischen Tätigkeiten, der Phantasie und des Spiels... nicht ebensolche Mühe aufwandte, so daß hier gleichsam eine Lücke blieb, die im konkreten Raume angewandter Montessori-Pädagogik Montessorisystem jeweils potentiell ausgefüllt eine werden ausgezeichnete muss. Basis Dass das für eine tiefergehende musische Bildung ist, haben Helming und Oswald m.E. mit Recht gemeint (Schulz-Benesch, 1962, 67 f). Das berechtigt auch dazu, ja, fordert heraus, sich nicht mit Montessoris teilweise verstreuten und auch widersprüchlichen Äußerungen zufrieden zu geben, sondern ihre Grundideen zusammenzufügen und nach übergreifenden Gesichtspunkten zu forschen, die sie selbst oft nur punktuell mit ästhetischer Erziehung in Verbindung gebracht hat, die aber fruchtbar für vertieftes Verständnis sein könnten. Es geht darum, Montessoris Gedanken zur ästhetischen Erziehung im Kontext ihres anthropologischen Entwurfs zu reflektieren und zu vertiefen – wenn man so will: Die genannte „Lücke“ auszufüllen. Dabei sollten wir bedenken: letztlich geht es nicht darum, dass die Kinder und Jugendlichen Noten lesen lernen oder elementare Techniken künstlerischer Gestaltung beherrschen; es stellt sich die Frage nach dem größeren Zusammenhang der Erfahrungs- und Lernprozesse. Welche Entwicklungschancen zeigen sich also für die Kinder und Jugendlichen durch die Beschäftigung mit Musik und Kunst im Kontext der Montessori-Pädagogik? Ich habe fünf solcher Lernchancen zusammengestellt, von denen ich nur zwei erläutern will, die für mich die Basis ästhetischen Lernens auf der Sur der Montessori-Pädagogik sind: 12 6. Ästhetisches Lernen auf der Spur der MontessoriPädagogik 6.1. Kreatives Tun als expressiv verarbeitende Gestaltung von Gefühlen und Erfahrungen Dies leistet wohl den intensivsten Beitrag zum Aufbau der Person und sollte darum in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt werden. Bei Montessori selbst ist der Befund ein wenig undeutlich. Einerseits formuliert sie eigentlich nur im Blick auf die Entwicklungsphase 3 ausdrücklich die Bedeutung dieses Ansatzes. Das hat u.a. folgende Gründe: Sie nimmt an, dass aufgrund der Entwicklung der Person das Bedürfnis nach Expressivität erst in der 3. Phase deutlich zu Tage tritt; und sie behauptet, dass die Fähigkeit, sich eigenständig kreativ auszudrücken, sich relativ spät entwickelt. Andererseits finden sich nicht wenige Belege in ihren Schriften dafür, dass sie schon bei jüngeren Kindern das Bedürfnis nach expressiver Gestaltung beobachtet und dies keineswegs behindern oder begrenzen will; dies konnte nachgewiesen werden. Daraus ziehe ich den Schluss, dass es durchaus im Sinne Montessoris ist, wenn wir schon von früh versuchen, Kinder hierzu anzuregen und sie zu fördern. Wenn man so will, argumentiere ich hier mit Montessoris Grundgedanken gegen einige von Montessoris Konkretionen. Allerdings befinde ich mich dabei in bester Gesellschaft. Denn sie selbst bemerkt lakonisch im Blick auf ihre Anfangszeiten, aus denen ja größtenteils ihre Hinweise zum Entwicklungsphasen ästhetischen stammen: Lernen "Indessen in war den ich ersten zu beiden dieser Zeit materialistisch genug, solche Reflexionen nicht anzustellen; ich war zu sehr Arzt und Psychologe, d.h. experimenteller und medizinischer Psychologe, also oberflächlich.“ (Spannungsfeld, 75) 13 6.2. Aufschlussreiches Lernen als verstehender Umgang mit Musik und bildender Kunst Kreatives Tun gerät leicht in die Gefahr, die Reflexion außer Acht zu lassen: „Kunst kann man nicht planen“, sagt man dann, oder „Musik soll man nicht zerreden“. Aber vor lauter Sorge, Kreativität oder schöpferische Spontaneität könnten durch zu viel kognitive Fracht nicht von der Stelle kommen, wird übersehen, dass kreatives Tun bedacht und besprochen werden muss – wenn es um Lernen geht. Montessori selbst jedenfalls war stets überzeugt, dass Lernen als bewusstes Verarbeiten von Wahrnehmungen, Erfahrungen und Entwicklungen aufzufassen sei. Sie hat dafür den Begriff „Schlüssel zur Welt“ geprägt. Was bedeutet dieser Ansatz des „aufschluss-reichen“ Lernens für die musikalische und bildnerische Erziehung? Selbstverständlich nicht, dass Malen, Singen und Musizieren nun nach konstruierten Plänen ausgeführt werden; wohl aber, dass das kreative Tun von Reflexionen begleitet bzw. im Nachhinein bedacht wird; ich wähle dafür den Ausdruck „kognitive Vergewisserung“. Dabei können wir uns auf Montessori selbst berufen. Sie betont: „Es ist unbedingt erforderlich, dass das Kind die Bilder, deren es habhaft geworden ist, in voller Klarheit bewahren kann, denn nur in solcher Klarheit vermag es Eindruck von Eindruck zu unterscheiden und seine Intelligenz auszuformen.“ (5, 73)... eine Forderung, die sich unschwer auf das musikalische Lernen übertragen läst. Sie lässt sich dreifach ausdifferenzieren: • Ästhetische Bildung. Hier geht es nicht einfach um die Aneignung musiktheoretischer oder kunsttheoretischer Begriffe und Kenntnisse, sondern um die Fähigkeit, „mit Verstand“ Kultur aufzunehmen, zu praktizieren und darüber zu kommunizieren. Wenn man so will, kann man von einer „Grammatik“ der Ästhetik“ sprechen (Hundertwasser) • Die kognitive Vergewisserung hat nicht nur eine sachbezogene, sondern auch eine personbezogene Seite: Die Kinder und Jugendlichen sind darauf angewiesen, die Instrumente der expressiven Gestaltung zu kennen, ihre Wirkung zu beurteilen und sie bewusst zum personalen 14 Wachstum einzusetzen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, mit anderen über solche Prozesse zu kommunizieren. • Einen dritten Aspekt hat Hildegard Holtstiege ins Gespräch gebracht. Sie geht davon aus, dass die beobachtende Intelligenz des Kindes angesichts der Überschwemmung durch Bilder der behutsamen Begleitung, Anleitung und Unterstützung bedarf. Sie zielt darauf, Kinder durch kreatives Arbeiten, aber auch durch die Grammatisierung der Bildkultur zu alphabetisieren. (Holtstiege, 2000). Auch dieser Vorschlag lässt sich nahtlos auf die Welt der Musik übertragen: Die Überschwemmung der Kinder mit seichter Unterhaltungsmusik ist ebenso auf eine „Alphabetisierung“ des Hörens angewiesen. So öffnet die kognitive Vergewisserung Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich eigenständig Kultur anzueignen, selbst-bewusst kreativ zu schaffen und sich selbstbestimmt mit Einflüssen aus der Umwelt auseinander zusetzen. 7. Auf dem Weg zur Praxis Wie kann dies praktisch eingelöst werden? 7.1. Schulung der Ausdrucksmittel durch Intensivierung der Wahrnehmung und durch die Einübung kreativitätsfördernder Techniken Hier kommt das ganze Inventar der Ausbildung methodischer Fähigkeiten ins Spiel, wie Montessori sie pflegte und wie sie heute in erweiterter und differenzierter Form in Didaktiken bildnerischen und musikalischen Lernens vertreten werden. 7.2. Schulung der Ausdrucksmittel durch verstehende Erschließung von bildnerischen und musikalischen Werken Vor allem kommt es auf die Ausbildung der kreativen Kompetenz an. Diese ist grundlegend an bildnerischen und musikalischen Werken zu schulen. Dafür reicht es aber nicht aus, sie in der Vorbereiteten Umgebung 15 anzubieten, etwa durch Aufhängung von Gemälden oder Präsentation von Musik, die die Kinder aufnehmen. Verarbeiten, des Verstehens muss hinzukommen. Eine solche verstehende Erschließung kann nicht früh genug einsetzen. 7.3. Beschäftigung mit „erzählenden“ Werken Für erste Wahrnehmungen und Beobachtungen bieten sich aus den Bereichen Bild und Musik solche Werke an, die etwas erzählen. Das wären in der Musik Lieder. Die Kinder entnehmen dem Liedtext, worum es geht, ob es sich um einen fröhlichen, einen traurigen Anlass usw. handelt. Durch Vergleichen werden sie auf die dafür verwendeten Ausdrucksmittel aufmerksam, z.B. lebhafter oder langsamer Rhythmus, eher hohe oder tiefe Melodieführung. Ebenso kann mit „erzählenden“ Bildern verfahren werden: Gegenständliche Gemälde, Fotos... 7.4. Beschäftigung mit „nicht erzählenden“ Werken Eine intensivere Wahrnehmung und gesteigerte Aufmerksamkeit ist bei der Erschließung „nicht erzählender Werke“ erforderlich, also bei Instrumentalmusik und abstrakter Kunst. Es ist aber durchaus möglich und sinnvoll, die Ausdrucksqualitäten von Musik und Kunst dieser Art mit jüngeren Kindern zu erkennen. So kann aus der Sicht entwicklungspsychologischer Forschung gezeigt werden, dass bereits „Drei- bis Vierjährige unterschiedliche musikalische Ausdrucksqualitäten wahrnehmen und unterscheiden können... Dabei gilt, je divergierender die dargestellten Gegensatzpaare sind, desto sicherer erfolgte die begriffliche (bzw. symbolische) Zuordnung.“ (Nach Hosterbach, 2005, 153) Dabei spielt die Versprachlichung ein wichtige Rolle (ebd). Ein Grundstock für die „Grammatik“ des Musikerlebens ist gelegt. Es bietet sich an, diese Erkenntnisgewinnung an Beispielen aus der klassischen (anspruchsvollen) Musik zu üben; ich denke beispielsweise an die sehr bekannte Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg. In gleicher Weise kann eine „Grammatik des Kunsterlebens“ begonnen werden. Ich zeigte Fünfjährigen sehr divergente abstrakte Gemälde aus der klassischen Moderne, u.a. von Clifford Still, Hans Hartung, Karel Appel, Yves 16 Klein. Ich stellte den Kindern die Aufgabe, die unterschiedlichen Ausdrucksqualitäten wahrzunehmen, die Ausdrucksmittel zu erkennen und ihre Eindrücke zu benennen. Die Kinder hatten mit dieser Aufgabe keine Probleme. Die Arbeit mit anspruchsvoller Kunst erwies sich bei dieser Arbeit als ausgesprochen günstig. Übrigens: Wenig ergiebig sind Lernprogramme, Karteien und Anleitungen zum Kunstunterricht, die nicht mehr bieten als simple Beobachtungs- und Zuordnungsaufgaben. 7.5. Schulung der Ausdrucksmittel durch bewusste Anwendung expressiver Methoden In einem weiteren Entwicklungsschritt geht es nun darum, im kreativen Tun die erkannten Ausdrucksmittel bewusst einzusetzen, um bestimmte Gefühlsqualitäten auszudrücken. Bei den Experimenten mit bildender Kunst können die Kinder wohl direkter an die betrachtete Malerei anknüpfen. Ich regte sie an, die Stimmungen, die sie wahrgenommen hatten, nun selbst mit den erkannten Ausdrucksmitteln zu gestalten. Ein Kind, das sich für ein Gefühl entschieden hatte, das es in einem bestimmten Gemälde gesehen hatte, konnte dies noch einmal kurz anschauen, bevor es seine Arbeit begann. Die anfängliche Befürchtung, dass sie die Bilder einfach kopieren würden, erwies sich als unbegründet. Sie waren durchaus in der Lage, die benannten Methoden zu eigenen Ideen weiter zu entwickeln. Im Blick auf Musik habe ich in diesem Stadium noch keine eigenen versuche durchgeführt. 7.6. Eigene Ausdrucksmöglichkeiten (er)finden Durch lustvolles Experimentieren und gründliches Üben sind die Kinder nun so weit, dass – wie Montessori sagen würde – Alphabet und Grammatik kreativen Gestaltens sich zu einer eigenen Sprache schöpferischen Tuns entwickelt haben. 17 Schon jüngere Kinder können mit ihren Ausdrucksmitteln „Klanggeschichten“ erfinden, d.h. kleine vorgegebene Gedichte oder Geschichten in Folgen von Klängen (und natürlich auch in Bewegung) umsetzen; das gelingt besonders gut bei Texten, die stark gegensätzliche Gefühle und Entwicklungen zum Ausdruck bringen. Mit Montessori ist zu unterstreichen, dass es nicht darum geht, auf den Spuren der großen Maler oder Komponisten Höchstleitungen zu erbringen; aber jeder hat die Möglichkeit und Fähigkeit, mit künstlerischen Mitteln Gefühle, Gedanken, Hoffnungen, Ängste bewusst gestaltend zu äußern, sie damit kreativ zu bearbeiten und darüber zu kommunizieren. 7.7. Vertiefung durch Sprechen über Musik und bildende Kunst Sprechen über Musik und bildende Kunst fördert das Interesse an Musik und Kunst, vertieft die Zugänge und gibt Sicherheit im Blick auf das Verständnis und den Gebrauch der Ausdrucksmittel. Ich arbeite gern so, dass Kinder zum Abschluss einer Freiarbeitsepoche ihre Arbeiten (in einer art direkter Leistungsvorlage) präsentieren und so vielfach Gelegenheit bieten zum Fragen, Erklären, Vergleichen, Diskutieren, voneinander Lernen. 7.8. Kritische Auseinandersetzung mit Musik- und Bildüberflutung Hier ist noch einmal an die Ideen und Vorschläge von H. Holtstiege zu erinnern. 7.9. Die vorbereitete Umgebung Die vorbereitete Umgebung für ästhetisches Lernen hält alles bereit, was zur freien Arbeit in den skizzierten Arbeitsfeldern nötig ist. 18 7.9.1. Materialien zur Intensivierung der Wahrnehmung und durch die Einübung kreativitätsfördernder Techniken Hier sind die bekannten Montessori-Materialien aus dem Kinderhaus und die von Montessori bereit gestellten Materialien zum musikalischen und bildnerischen Lernen zu nennen. 7.9.2.. Materialien zur verstehenden Erschließung von musikalischen und bildnerischen Werken Hier sollte ein reicher Bestand an Musikbeispielen (Audiotheken) und Bildern (Piktotheken) aufgebaut werden. Dazu einige Anmerkungen: • Das Material sollte zunehmend auch aus nicht-europäischen Kulturen gewonnen werden. • Auch Popkultur ist einzubeziehen. • Die Materialien sollten so gestaltet sein, dass die Kinder und Jugendlichen so weit wie möglich selbständig arbeiten können. Die Beispiele müssten also so aufbereitet werden, dass die Ausdrucksqualitäten ohne Hilfe der Lehrperson erschlossen werden. Da in diesem Bereich sich eine eindeutige Bestimmung und Zuordnung verbietet, kann es keine „Lösungskarten“ zu den gestellten Aufgaben geben. Ich habe ein Instrument entwickelt, das den Lernenden keine fertigen „Antworten“ vermittelt, aber ihnen Richtungsangaben anbietet. Ich nenne das „Beispielkarte“ 7.9.3. Einbeziehung außerschulischer Angebote Fruchtbar dürfte auch die von Montessori vorgeschlagene Einbeziehung außerschulischer Angebote sein – das gilt selbstverständlich auch für den Kinderhaus-Bereich! Auch in unserer Zeit, in der Tonaufnahmen in schier unerschöpflicher Fülle zur Verfügung stehen, bietet das Erlebnis unmittelbaren Musikerlebens gute Chancen, die Kinder zu begeistern und im Gespräch mit Künstlern neue Einsichten zu vermitteln. Eine Zusammenarbeit mit Eltern oder Musikschulen bietet vielleicht gute Gelegenheiten. 19 Auch der Kontakt mit regionalen Malern oder Bildhauern sollte genutzt werden. Schließlich sollten auch da, wo es möglich ist, museumspädagogische Angebote vor Ort genutzt werden. 7.10. Abschließende Bemerkungen Ich habe versucht, aus meiner Sicht einige stimmige Aspekte ästhetischen Lernens auf der Spur der Montessori-Pädagogik zu skizzieren. Ich möchte noch einmal betonen, dass nicht an eine Abfolge von Lernschritten gedacht ist, die nacheinander abzuarbeiten wären – womöglich auf bestimmte Entwicklungsstufen verteilt. Die Entwicklung der Ausdrucksfähigkeit ist eigentlich nicht abschließbar – und auf der anderen Seite können die Kinder beinahe von Anfang an auf ihre ganz eigene Bild- und Tonsprache zurückgreifen, um sich expressiv mit ihren Erfahrungen auseinander zusetzen. Diese Entwicklung selbstbewussten Gestaltens und Lernens ist wohl eine der wichtigsten Impulse zum Selbstaufbau der Person. Und wir können daran mitarbeiten; Montessori: „Wir müssen dem Kind das bieten, was für sein inneres Leben notwendig ist, und ihm dann die Freiheit zum Schaffen lassen.“ (2, 255) 7.11. Zur Praxis in der Montessori-Ausbildung Wie kann die ästhetische Erziehung den nötigen Ort in den Diplomkursen finden? • Im Blick auf die inhaltliche Ausrichtung. Der eine vorgesehene TheorieVortrag und die Kinderhaus-Materialien müssen sicher ausgebaut werden; • im Blick auf die Organisation; • im Blick auf die Materialien: Können Beispielsammlungen von Materialien zur Musik und Bildenden Kunst für die Schulung der Ausdrucksmittel erstellt werden? 7.12. Zur Praxis in Montessori-Einrichtungen Für die musikalische Erziehung liegen Untersuchungen zur Praxis in Kinderhaus und Schule vor. Wünschenswert ist eine entsprechende breit 20 angelegte Untersuchung zum bildnerischen Lernen. (Einzelne Erhebungen liegen vor, z.B.: ; Drücke 1992;;2004; Kley-Auerswald, 2000) Im Blick auf eine Praxis, die die Impulse der Montessori-Pädagogik bewusst aufgreift, wäre zu bedenken: • Welche charakteristischen „Montessori-Merkmale“ könnte die ästhetische Erziehung in Kinderhaus und Schule aufweisen? • Welche Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Kinderhäuser und Montessori-Schulen als vorbereitete Umgebung für die Entwicklung der kindlichen Gestaltungskräfte zeigen sich? Es wäre wohl nützlich, wenn eine Arbeitsgruppe der Montessori-Vereinigung solche Fragen bearbeiten könnte. Das alles hört sich nach Arbeit an – möglicherweise viel Arbeit. Aber ist es nicht der Mühe wert, wenn Kinder und Jugendliche es lernen, ihr Leben zu gestalten und zu äußern – und daran wachsen? Dies soll abschließend eine Arbeit einer Neuntklässlerin aus der Hauptschule unterstreichen. Sie hatte sich im Rahmen eines Projekts vorgenommen, ein Symbolbild zu gestalten, das ihre Lebenssituation ausdrückt. 21 Sie wollte zeigen, wie ihre Liebe sich gegen Unruhe, Störungen und Verbote behaupten muss. Ich denke, hier sehen wir mit Montessori nicht ein “selbstzufriedenes, sondern ein leidenschaftliches Kind“. Wenn Kinder und Jugendliche so gelernt haben, ihre Gefühle, Sorgen und Konflikte expressiv zu verarbeiten, ist keine Mühe zu groß. Ästhetische Bildung – ein Montessori-Konzept sucht seinen Weg - Literatur (Auswahl) MONTESSORI Für die Werke Maria Montessoris benutze ich wie üblich einen Ziffernschlüssel. 1. Montessori, Maria, Die Entdeckung des Kindes Herausgegeben und eingeleitet von Paul Oswald und Günter Schulz-Benesch, Freiburg: Herder Verlag, 101991. 2. Montessori, Maria, Schule des Kindes (1916). Herausgegeben und eingeleitet von Paul Oswald und Günter Schulz-Benesch. Freiburg: Herder Verlag, 31989. 3. Montessori, Maria, Das kreative Kind (1949). Herausgegeben und eingeleitet von Paul Oswald und Günter Schulz-Benesch, Freiburg: Herder Verlag, 1991. 4. Montessori, Maria, "Kosmische Erziehung" (Kleine Schriften Maria Montessoris 1). Herausgegeben und eingeleitet von Paul Oswald und Günter SchulzBenesch, Freiburg: Herder Verlag, 1988. 5. Montessori, Maria, Kinder sind anders (1936), Klett-Cotta im Deutschen Taschenbuch Verlag, dtv 15036, München 1987 6. Montessori, Maria, Über die Bildung des Menschen. Freiburg: Herder Verlag. 1966 7. Montessori, Maria, Mein Handbuch. Grundsätze und Anwendung meiner neuen Methode der Selbsterziehung für Kinder. Stuttgart: Julius Hoffmann Verlag. 2. umgearbeitete Auflage mit 28. Abbildungen. 1928 8. Montessori*, Maria, Selbsttätige Erziehung im frühen Kindesalter. Stuttgart: Verlag von J.Hofmann. 21928 9. Montessori, Maria, Freies Zeichnen, Studien nach dem Leben. In: MontessoriWerkbrief 14/1967, S. 16-18 10. Montessori, Maria, Analyse. In: W. Böhm (Hg), Maria Montessori. Texte und Gegenwartsdiskussion. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhard. 1990. S. 68-77 SEKUNDÄRLITERATUR Barth, Walter, Kunstbetrachtung als Wahrnehmungsübung und Kontextunterricht. Hohengehren: Schneider Verlag. 2000 22 Barth, Walter, Der Schüler als (lernender) Autor im Kunstunterricht. Hohengehren: Schneider Verlag. 2000 Drücke, Paul, Kunst und Kunsterziehung in der Montessori-Pädagogik. MontessoriWerkbrief. 2. Beiheft). 2. Aufl. 1992 Drücke, Paul, Künstlerische Bildung In: Ludwig, Harald (Hg), Montessori-Schulen und ihre Didaktik. Hohengehren: Schneider Verlag. 2004. S. 157-175 Duncker, Ludwig, Mit anderen Augen sehen lernen. In: ders., Zeigen und Handeln. Studien zur Anthropologie der Schule. Langenau: Armin Vaas Verlag. 1996, 123137 (1996 e) Hammerer, Franz, Die musikalische und bildnerische Erziehung in der Praxis der Wiener Montessori-Schulen in der Zwischenkriegszeit In: Montessori, 2000, H. 4, S. 226-242 Hosterbach, Hildegard, Musikalisches Lernen in der Montessori-Pädagogik. Musikdidaktische Überlegungen unter besonderer Berücksichtigung der musikpädagogischen Arbeit im deutschsprachigen Raum (Impulse der Reformpädagogik 11) Münster: LIT-Verlag. 2005 Holtstiege, Hildegard, Die "beobachtende Intelligenz" des Kindes und das Problem des "visuellen Analphabetismus". In: Winkels, Theo (Hg), Montessori-Pädagogik konkret. Praxisorientierte Aspekte und schulische Konkretionen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 2000. 61-73 Kley-Auerswald, Maria, Musik und Kunst - Musik als elementare Sprache des Menschen entwickeln. In: Ludwig, Harald/Fischer, Christian/Fischer, Reinhard (Hg), Verstehendes Lernen in der Montessori-Pädagogik. Erziehung und Bildung angesichts der Herausforderungen der Pisa-Studie. Münster: LIT-Verlag. 2003. S. 161-164 Ludwig, Harald, Meditative Elemente in reformpädagogischen Bildungskonzepten Zu einer vernachlässigten Dimension im heutigen Schulleben - In: M Brenk/U.Kurth (Hg), Schule erleben. Festschrift für Wilhelm Wittenbruch. Frankfurt: Peter Lang. 2001. S. 277-291 Meyer, Claudia, Musikdidaktik bei Maria Montessori und Rudolf Steiner. Darstellung und Vergleich vor dem Hintergrund der anthropologisch-pädagogischen Konzeptionen. Berlin: Mensch&Buch Verlag. 2000 Rumpf, Horst, Schule als Kunst-Raum. Über zweierlei Künstlichkeit. In: JRP 13. Neukirchen: Neukirchener Verlag. 1997. 129-143 Schulz-Benesch, Günter, Der Streit um Montessori. Kritische Nachforschungen zum Werk einer katholischen Pädagogin von Weltruf. Mit einer internationalen Montessorigin von Weltruf. Mit einer internationalen Montessori-Bibliographie. Freiburg: Herder Verlag. 1962. Twellmann, Walter u.a., Expressive Pädagogik. Zur Grundlegung einer neuen Kultur- und Erziehungstheorie Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann. 1980 Wilms, Hans, Musikerziehung. In: Ludwig, Harald (Hg), Montessori-Schulen und ihre Didaktik. Hohengehren: Schneider Verlag. 2004. S. 176 Wilms, Hans, Das Montessori-Musikmaterial. Die Glocken. Teil I. Reutlingen: Ursula Riedel. 1997