Ösophagus-Karzinom: Adenokarzinom versus Plattenepithelkarzinom: Vorgehen bei lokal fortgeschrittenen Tumoren – aus chirurgischer Sicht Prof. Dr. med. Stefan P. Mönig, Prof. Dr. med. Arnulf H. Hölscher Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie der Universität zu Köln Standardisierte chirurgische Behandlungskonzepte beim Ösophaguskarzinom gleichen sich auch international zunehmend an (Boone 2009). In der größten bisher publizierten retrospektiven Analyse aus 13 internationalen Zentren für Ösophaguschirurgie (Worldwide Esophageal Cancer Collaboration, WECC) wurden insgesamt 4627 Patienten mit einem Ösophaguskarzinom ausgewertet, die ausschließlich chirurgisch therapiert wurden und keinem multimodalen Therapiekonzept zugeführt wurden (Rice 2009). Die chirurgische Therapie des Ösophaguskarzinoms erreicht in diesen Zentren bei niedrigen Letalitätsraten von 2% hohe R0-Resektionsraten von 87% sowie 1-, 5- und 10-Jahres-Überlebensraten von 78, 42 und 31%. Adenokarzinome (60% der Patienten) zeigten in dieser Serie eine bessere Prognose als Plattenepithelkarzinome. Die Analyse der Überlebensdaten ergibt, dass die Prognose ab einem T2-Stadium mit 5-Jahres-Überlebensraten unter 50% deutlich schlechter wird. Zur Verbesserung der Prognose der lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinome wird daher eine neoadjuvante Therapie diskutiert und auch eingesetzt. Nach Publikation verschiedener Metaanalysen zur neoadjuvanten Therapie beim Ösophaguskarzinom gilt mittlerweile der Nutzen einer kombinierten Radiochemotherapie (CRTx) mit nachfolgender Tumorresektion als gesichert (Gebski 2004, Jin 2010). Obwohl weltweit nur 1/3 der Kliniken mit Ösophaguschirurgie eine neoadjuvante Therapie regelhaft durchführen, wird die Therapie zunehmend als Standardtherapie bei lokal fortgeschrittenen Karzinomen angesehen, wobei international Plattenepithelkarzinome eher einer neoadjuvanten CRTx und Adenokarzinome einer neoadjuvanten CTx zugeführt werden (Boone 2009). Zwei aktuell auf dem ASCO präsentierte randomisierte Studien analysieren die Ergebnisse der neoadjuvanten CRTx beim Ösophaguskarzinom (Gaast 2010, Mariette 2010). Während die niederländische Arbeitsgruppe um Gaast einen Prognosevorteil der neoadjuvanten Therapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren (T2-3N0-1M0) gegenüber der chirurgischen Therapie allein aufzeigen konnte, blieb die Arbeit der französischen Gruppe um Mariette für Patienten mit einem Stadium I und II diesen Nachweis schuldig. 1 Die prognostische Bedeutung des histopathologischen Response nach neoadjuvanter CRTx konnte in einer Studie unserer Arbeitsgruppe nachgewiesen werden (Bollschweiler 2009). 192 Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Karzinom (uT3/4) erhielten eine neoadjuvante CRTx (CDP, 5-FU, 36Gy) mit anschließender transthorakaler Ösophagektomie. Patienten mit Adenokarzinomen zeigten mit 29% signifikant weniger „major responder“ verglichen mit 51% „major respondern“ beim Plattenepithelkarzinom. Die Überlebensanalyse der Responder ergab jedoch für die Adenokarzinome eine signifikant bessere 2-Jahres- Überlebensrate von 85% im Vergleich zu den Plattenepithelkarzinomen mit 54%. Die Überlebensrate der „minor responder“ lag beim Adenokarzinom auf dem Niveau der Kontrollgruppe (n=105) nach chirurgischer Therapie ohne CRTx. Für das Plattenepithelkarzinom lagen die Überlebensraten der „minor Responder“ demgegenüber unter den Ergebnissen der chirurgischen Therapie allein. Eine aktuelle Arbeit zur definitiven CRTx (ohne Chirurgie) im Vergleich mit einer neoadjuvanten CRTx wurde auf dem ASCO von der französischen Arbeitsgruppe um Messager und Mariette vorgestellt (Messager 2010). In einer „Case-control-study“ wurden Patienten mit einem kompletten histopathologischen Response nach neadjuvanter CRTx mit Patienten, die einen morphologisch kompletten Response (Biopsie + Bildgebung) nach definitiver CRTx zeigten, verglichen. Dabei konnte sowohl eine signifikant bessere Prognose als auch eine geringere Rezidivrate nach neoadjuvanter CRTx gegenüber der definitiven CRTx nachgewiesen werden. Die prognostische Bedeutung der Lymphadenektomie wird in einer von Rizk in Annals of Surgery publizierten Arbeit mit 4627 Patienten nach Ösophagektomie unterstrichen (Rizk 2010). In dieser Arbeit der WECC korreliert das Ausmaß der Lymphadenektomie signifikant mit der Prognose der Patienten. Diese Studie bestätigt die Ergebnisse zur Lymphadenektomie aus 9 internationalen Ösophaguszentren, ebenfalls veröffentlicht in Annals of Surgery (Peyre 2008). Insgesamt ergibt sich aus chirurgischer Sicht für lokal fortgeschrittene Adenokarzinome und Plattenepithelkarzinome des Ösophagus mit der Ausnahme der proximalen Karzinome kein relevanter Unterschied in der chirurgischen Technik und dem Resektionsausmaß sowie der neoadjuvanten Therapie. Daher präferieren wir eine standardisierte Therapie für alle histologischen Subtypen des lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinoms mit neoadjuvanter CRTx (40Gy, 5-FU, Cisplatin) sowie anschließender chirurgischer Therapie. Diese umfasst eine minimalinvasive laparoskopische Magenvorbereitung, offene transthorakale 2 Ösophagektomie, 2-Feld-Lymphadenektomie und Rekonstruktion durch Magenhochzug. Literatur Bollschweiler, E., Metzger, R., Drebber, U. et al. Histological subtype of esophageal cancer might affect response to neoadjuvant radiochemotherapy and subsequent prognosis. Ann Oncol 2009; 20: 231-238 Boone, J., Livestro, D.P., Elias, S.G. et al. International survey on esophageal cancer: part I surgical techniques. Dis Esophagus 2009; 22: 195-202 Boone, J., Livestro, D.P., Elias, S.G. et al. International survey on esophageal cancer: part II staging and neoadjuvant therapy. Dis Esophagus 2009; 22: 203-210 Gaast, A.V., van Hagen, P., Hulshof, M. et al. Effect of preoperative concurrent chemoradiotherapy on survival of patients with resectable esophageal or esophagogastric junction cancer: results from a multicenter randomized phase III study. J Clin Oncol 2010; 28: 7s (suppl;abstr4004) Gebski, V., Burmeister, B., Smithers, B.M. et al. Survival benefits from neoadjuvant chemoradiotherapy or chemotherapy in oesophageal carcinoma: a meta-analysis. Lancet Oncology 2007; 8: 226-234 Jin, H-L., Zhu, H., Ling, T-S. et al. Neoadjuvant chemoradiotherapy for resectable esophageal carcinoma : a meta-analysis. World J Gastroenterol 2009 ; 15 ; 59835991 Mariette, C., Seitz, J.F., Maillard, E. et al. Surgery alone versus chemoradiotherapy followed by surgery for localized esophageal cancer : analysis of a randomized controlled phase III trial FFCC 9901. J Clin Oncol 2010; 28: 7s (suppl;abstr405) Messager, M., Millet, G., Briez, N. et al. Survival of complete responder patients treated for esophageal cancer with chemoradiotherapy followed by surgery as compared to chemradiotherapy alone: Case-control study. J Clin Oncol 2010; 28: 7s (suppl;abstr4089) Peyre C.G., Hagen, J.A. DeMeester, S.R. et al. The number of lymph nodes removed predicts survival in esophageal cancer: an international study on the impact of extent of surgical resection. Ann Surg 2008; 248: 549-556. Rice, T.W., Rusch, V.W., Apperson-Hansen, C. et al. Worldwide esophageal cancer collaboration. Dis Esophagus 2009; 22: 1-8 Rizk, N.P., Ishwaran, H., Rice, T.W. et al. Optimum lymphadenectomy for esophageal cancer. Ann Surg 2010; 251: 46-50 3