Ösophagektomie als chirurgisches Therapieprinzip beim

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Leitthema
Chirurg 2005 · 76:1033–1043
DOI 10.1007/s00104-005-1096-9
Online publiziert: 15. Oktober 2005
© Springer Medizin Verlag 2005
J. R. Siewert · M. Feith · H. J. Stein
Chirurgische Klinik und Poliklinik, Technische Universität München
Ösophagektomie als
chirurgisches Therapieprinzip
beim Plattenepithelkarzinom
des Ösophagus
Eine Medline-Recherche zeigt das
abnehmende Interesse am Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre bezogen auf die Anzahl der Publikationen gegenüber einem zunehmenden Interesse am Barrett-Karzinom
(. Abb. 1). Zumindest für die westliche Hemisphäre zeigt diese Literaturzusammenstellung auch, dass immer
noch (besonders in den USA) eine getrennte Betrachtung vom Plattenepithelkarzinom und Adenokarzinom
der Speiseröhre nicht überall erfolgt,
wenngleich sich die Erkenntnis durchsetzt, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Probleme handelt [16].
Im Folgenden soll sich die Darstellung auf das Plattenepithelkarzinom
der Speiseröhre konzentrieren, aller-
dings muss dabei auch immer das Barrett-Karzinom als Vergleichsgruppe
betrachtet werden, um die Unterschiede einmal mehr aufzuzeigen.
Glücklicherweise ist der fatalistische Zugang zur chirurgischen Therapie des
Plattenepithelkarzinoms der Speiseröhre
– „es hat ohnehin alles keinen Sinn, weil
die Prognose so schlecht ist“ – aufgegeben
worden zugunsten einer differenzierteren
Betrachtungsweise, die stadienorientiert
den verschiedenen Therapieoptionen einen mehr und mehr gesicherten Platz zuweist. Es wird zu zeigen sein, dass diese
zunehmende Individualisierung der Therapie auch zu einer Verbesserung der Prognose führt [24, 25].
Abb. 1 8 Anzahl der in Medline/PubMed gelisteten jährlichen
Publikationen unter den Suchbegriffen „squamous cell carcinoma
and esophagus“ und „adenocarcinoma and esophagus“ über den
Verlauf der letzten 15 Jahre
Bevor die verschiedenen therapeutischen Optionen diskutiert werden sollen,
muss auf die Besonderheiten des Plattenepithelkarzinoms der Speiseröhre im Vergleich zum Adenokarzinom eingegangen
werden, um die rationale Basis der aktuellen Therapieentscheidungen verstehen zu
können.
Besonderheiten des Plattenepithelkarzinoms der Speiseröhre
Lokalisation
Im Gegensatz zum Adenokarzinom des
Ösophagus, welches, bis auf wenige Ausnahmen, auf dem Boden eines Barrett-Ösophagus entsteht und deshalb praktisch nur
im distalen Ösophagus lokalisiert ist, tre-
Abb. 2 8 Bevorzugte Lokalisation der Adenokarzinome und
Plattenepithelkarzinome des Ösophagus in Relation zur Trachealbifurkation (Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik,
Klinikum rechts der Isar der TU München 1982–2005)
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Leitthema
Abb. 4 9 Verteilungsmuster der Lymphknotenmetastasen bei Patienten mit Plattenepithelfrühkarzinom des
Ösophagus in Relation
zur Primärtumorlokalisation (nach [24, 25])
Abb. 3 8 Anatomisches Schnittpräparat,
welches die engen Lagebeziehungen
zwischen Ösophagus und Trachealhinterwand im oberen Mediastinum darstellt
(mit freundlicher Genehmigung von
Frau Prof. D. Liebermann-Meffert)
Abb. 5 9 Häufigkeit von
Lymphknotenmetastasen beim pT1a- und
pT1b-Plattenepithelkarzinom des Ösophagus im
Vergleich zum pT1a- und
pT1b-Adenokarzinom
(nach [24, 25])
ten Plattenepithelkarzinome entlang des
gesamten Ösophagus auf (. Abb. 2). Dies
macht unterschiedliche chirurgisch-therapeutische Konsequenzen notwendig.
> Oral gelegene Plattenepithel-
karzinome nehmen früh Verbindung zum tracheobronchialen
System auf
Die im distalen Drittel der Speiseröhre gelegenen Plattenepithelkarzinome, welche
definitiv keinen anatomischen Bezug zum
tracheobronchialen System haben und lokal auf die Speiseröhrenwand begrenzt
sind (T1-, T2-, frühe T3-Kategorien), können, ähnlich wie die hier lokalisierten Barrett-Karzinome [17], einer primären Operation mit hoher Aussicht auf eine R0-Resektion unterzogen werden. Dagegen müssen die häufig weiter oral gelegenen Plattenepithelkarzinome, die in aller Regel bereits sehr früh Bezug zum tracheobronchialen System aufnehmen, differenzierter
betrachtet werden. Hierbei kommt auch
der embryonalen Entwicklung der Speiseröhre eine Bedeutung zu [10].
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Der Chirurg 11 · 2005
Während die distalen, der Nabelschleife
entstammenden Anteile der Speiseröhre zunächst nach aboral zum Truncus coeliacus
hin lymphogen metastasieren, hat die orale Hälfte der Speiseröhre eine mit dem Tracheobronchialsystem gemeinsame Embryogenese in Form des so genannten Schlundrohrs. Hier persistieren häufig Bindegewebsbrücken zwischen Speiseröhre und
Tracheobronchialsystem. Besonders stark
ist regelmäßig eine bindegewebige Brücke
zwischen mittlerem Ösophagus und linkem Hauptbronchus ausgebildet (s. auch
Ösophagusatresie). Dies bildet die Grundlage für ein rasches Tumorwachstum zur
Trachealbifurkation und linkem Hauptbronchus [10, 11]. Die bleibend enge Nachbarschaft zwischen oraler Speiseröhre und
Trachea lässt hier keinen Spielraum für größere chirurgische Radikalität (. Abb. 3).
Allein diese topographisch-anatomische Voraussetzung macht eine besondere
therapeutische Strategie notwendig. Dies
gilt in noch strikterem Ausmaß für die zervikalen Plattenepithelkarzinome mit ihrer
unmittelbaren Nachbarschaft zu Larynx
und Hypopharynx.
Insofern stellen die Plattenepithelkarzinome der Speiseröhre immer allein aufgrund ihrer Lokalisation eine höhere chirurgische Herausforderung dar und gehen
mit höheren Risiken einher. Die Tumorlokalisation oberhalb der Trachealbifurkation ist auch in einer großen Fallserie aus
Hongkong als unabhängiger Risikofaktor
identifiziert worden [8]. Insbesondere ist
bei dieser Tumorlokalisation die Rate postoperativer pulmonaler Komplikation bis
zu 3,5-mal und die postoperative Letalität
bis zu 4,2-mal höher [1].
Wachstumsverhalten des
Plattenepithelkarzinoms
Plattenepithelkarzinome sind durch ein
diffuses und submuköses Tumor wachstum gekennzeichnet. Die unmittelbar in
der Submukosa verlaufenden longitudional ausgerichteten Lymphgefäße sind sehr
früh erreicht und bilden die Voraussetzung für eine frühe Lymphknotenmetastasierung [11], welche je nach Lokalisation
des Primärtumors nach aboral, oral oder
aboral und oral erfolgen kann (. Abb. 4).
Zusammenfassung · Abstract
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Ösophagektomie als chirurgisches Therapieprinzip
beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus
Zusammenfassung
Der früher vorherrschende fatalistische Zugang zur chirurgischen Therapie des Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus ist
in den letzten Jahren einer differenzierteren Betrachtungsweise gewichen. Entscheidend hierfür war die Etablierung individualisierter Therapieverfahren basierend auf
dem Tumorstadium, der Tumorlokalisation und dem Allgemeinzustand sowie der
Begleiterkrankungen des Patienten. Trotz
Fortschritten bei den nichtchirurgischen
Behandlungsalternativen bleibt die chirurgische Resektion das zentrale Therapieverfahren. Bei resektablen Tumoren (uT1- bis
3-Kategorien) unterhalb der Höhe der Trachealbifurkation und frühen weiter proximal lokalisierten Tumoren ist die primäre
subtotale En-bloc-Ösophagektomie mit
D2-Lymphadenektomie nach wie vor der
einzige kurative Therapieansatz mit hoher
Erfolgsaussicht. Bei lokal fortgeschrittenen
Tumoren mit Bezug zum Tracheobronchialsystem und gutem Ansprechen auf eine
neoadjuvante Radiochemotherapie stellt
die chirurgische Resektion ebenfalls noch
einen kurativen Therapieansatz dar. Durch
präoperatives „Konditionieren“ von Risikopatienten, Sicherheitschirurgie in Risikosituationen und Standardisierung des operativen Eingriffs sowie des perioperativen Managements konnte die früher substanzielle Mortalität in erfahrenen Zentren auf unter 3% gesenkt werden. In der eigenen Erfahrung mit nunmehr 900 Ösophagektomi-
en beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus hat sich die 5-Jahres-Überlebensrate durch dieses differenzierte Vorgehen in
den letzten beiden Dekaden von weniger
als etwa 20% auf über 50% verbessert. Die
Ösophagektomie ist damit heute am Zentrum eine sichere Operation und die einzige
der verfügbaren Therapiealternativen, welche für einen großen Prozentsatz der Patienten mit Plattenepithelkarzinom des Ösophagus eine Heilung von der Tumorerkrankung ermöglicht.
Schlüsselwörter
Ösophaguskarzinom ·
Plattenepithelkarzinom · Ösophagektomie
Esophagectomy as therapeutie principle for squamous cell
esophageal cancer
Abstract
The fatalistic approach towards surgical
therapy of esophageal squamous cell cancer has been replaced in recent years by
a more differentiated view. This was triggered by the establishment of individualized therapeutic modalities based on tumor stage, tumor location, general patient status, and comorbidity. Despite advances in nonsurgical therapy of squamous cell esophageal cancer, esophagectomy remains the central therapeutic modality. Primary subtotal en-bloc esophagectomy with lymphadenectomy is the only curative option with a high likelihood of
success for resectable tumors (uT1–3 cat-
egories) located below the level of the tracheal bifurcation and for early more proximal tumors. In patients with locally advanced tumors at or above the level of
the tracheal bifurcation, surgical resection
can still cure those who respond to neoadjuvant radiochemotherapy. Preoperative
“conditioning” of risk patients, surgical safety strategies in risk situations, and standardization of both the operative procedure
and the perioperative management have
resulted in a marked reduction of the previously substantial postoperative mortality
to below 3% in experienced centers. In our
own experience of 900 esophagectomies
for squamous cell esophageal cancer, the
5-year survival rate rose from about 20%
to more than 50% in the last two decades.
Esophagectomy thus has become a safe operation and remains the only therapeutic
option offering cure for a substantial proportion of patients with squamous cell cancer of the esophagus.
Keywords
Esophageal cancer ·
Squamous cell carcinoma ·
Esophagectomy
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Leitthema
Tabelle 1
Soziodemographische Charakteristika und vorbestehende Risikosituationen
bei Patienten mit Plattenepithel- und Adenokarzinom des Ösophagusa
Plattenepithelkarzinom
n=900
Adenokarzinom
n=594
54 Jahre
62 Jahre
Anteil Akademiker
21%
53%
p<0,001
Aktiver Alkoholabusus
70%
42%
p<0,001
Nikotinabusus
69%
52%
p<0,05
Malnutrition
24%
2%
p<0,001
Leberdysfunktion
45%
25%
p<0,05
Koronare Herzkrankheit
19%
35%
p<0,001
Mittleres Alter
a Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der TU München 1982
bis 2005.
Dies steht in eindeutigem Gegensatz zum
Barrett-Karzinom, das deutlich später lymphogen metastasiert (. Abb. 5) [24, 25].
Histologische Untersuchungen deuten
darauf hin, dass beim Barrett-Karzinom
die submukösen Lymphgefäße – möglicherweise als Folge der meist lange bestehenden Refluxösophagitis – häufig verlötet sind und so eine frühe lymphogene Metastasierung verhindert wird. Die Plattenepithelkarzinome dagegen wachsen diffus,
rasch die muskuläre Wand spiralig (entsprechend der Muskelarchitektur) durchdringend und lumeneinengend. BarrettKarzinome dagegen entwickeln sich endophytisch polypös. Dementsprechend ist
eine Lymphangiosis carcinomatosa beim
Plattenepithelkarzinom auch häufiger vorzufinden als beim Adenokarzinom und
stellt beim Plattenepithelkarzinom, im Gegensatz zum Adenokarzinom, auch einen
unabhängigen Prognosefaktor dar [5, 26].
Deshalb bedarf die Resektion bei Plattenepithelkarzinomen größerer Sicherheitsabstände. Die subtotale Ösophagektomie
ist beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus der Regeleingriff.
Patienten und
Begleiterkrankungen
Auch soziodemographische Charakteristika und das Spektrum der Begleiterkrankungen unterscheiden sich deutlich zwischen Patienten mit Plattenepithelkarzinom und Patienten mit Adenokarzinom
des Ösophagus. Zwar sind bei beiden Tumortypen Männer deutlich häufiger be-
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troffen als Frauen, jedoch sind Patienten
mit einem Plattenepithelkarzinom durchschnittlich 8 Jahre jünger als Patienten mit
einem Adenokarzinom und gehören häufig einer niedrigeren sozialen Schicht an.
An Begleiterkrankungen liegt beim Patienten mit Adenokarzinom häufig eine koronare Herzerkrankung vor, die Patienten
sind häufig übergewichtig. Im Gegensatz
dazu besteht bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom zum Diagnosezeitpunkt in
der Regel neben einer obstruktiven Lungenfunktionsstörung bei regelmäßig vorliegendem chronischem Nikotinabusus
auch eine Malnutrition und Leberfunktionsstörung bis hin zur Zirrhose (. Tabelle 1).
E Zusammenfassend kann man sagen,
dass Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom praktisch immer Patienten mit deutlich erhöhtem chirurgischen Risiko im Vergleich zu Patienten
mit Adenokarzinom sind.
Entspre chend der eigenen Er fahrung
kann man davon ausgehen, dass die überwiegende Anzahl der Patienten mit einem
Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre alkoholabhängig sind oder waren. Diese Unterstellung hat zu gelten, egal welche Angaben Patienten oder Angehörige zu diesem
Thema machen. Ggf. ist deshalb ein somatischer Entzug präoperativ empfehlenswert. Diesbezügliche postoperative Überraschungen sollte man sich ersparen, da
ein postoperatives Entzugsdelir eine hohe Letalität hat.
Die häufig begleitende Leberzirrhose
auf dem Boden der genannten Noxe sollte präoperativ ggf. durch ultraschallgezielte Leberbiopsie gesichert werden. Nach allgemeiner Erfahrung stellt die Leberzirrhose zumindest in den Stadien Child B und
C eine eindeutige Kontraindikation zur
Ösophagektomie dar.
Bei der ohnehin im Rahmen des präoperativen Staging durchgeführten CTUntersuchung, ist auf die Existenz einer
begleitenden chronischen Pankreatitis zu
achten, die die Rekonstruktion nach Ösophagektomie deutlich erschweren kann.
Die gleiche Aussage gilt hinsichtlich der
mesenterialen Durchblutung. Die erhaltene Durchblutung des Truncus coeliacus
sollte im CT überprüft werden. Probleme
einer echten Malnutrition sind in Europa
außerordentlich selten, dennoch sollte die
Zeit der präoperativen Diagnostik für eine adäquate Alimentation ggf. für den Ausgleich von Defiziten genutzt werden.
Präoperative Diagnostik
In der präoperativen Diagnostik sind aus
chirurgischer Sicht zwei Fragen von entscheidender Bedeutung [21]:
F Die erste Frage gilt der R0-Resezierbarkeit des Tumors. Diese wird in erster Linie durch die topographisch-anatomische Nachbarschaft umgebender
Organe geprägt. Die beste Information zur Beantwortung dieser Frage ergibt sich aus dem thorakalen und abdominellen CT in so genannter „Multi-slice-Technik“, die in verschiedenen
Ebenen die Umgebungsbeziehungen
des Speisröhrenkarzinoms zuverlässig darstellen kann. Nach wie vor nützlich ist auch der endoluminale Ultraschall, der aber an Bedeutung durch
die verbesserte CT-Bildgebung verloren hat.
F Die zweite für die chirurgischen Überlegungen entscheidende Frage gilt den
Fernmetastasen. Hier hat sich mehr
und mehr die Positronenemissionstomographie (PET) durchgesetzt. Mit ihrer Hilfe gelingt es rasch und zuverlässig Fernmetastasen aufzuzeigen. Weniger bewährt hat sich das PET-Imaging für den Nachweis einer regionalen Lymphknotenmetastasierung. Ins-
gesamt gewinnt man durch die PETUntersuchung in etwa 20 der Patienten neue, die Therapie entscheidend
beeinflussende Hinweise auf Fernmetastasen [21].
Günstig ist die Durchführung von CT
und PET in einem Untersuchungsgang,
dem so genannten PET-CT, welches die
Zeit der präoperativen Diagnostik deutlich verkürzt.
> Aus dem Nachweis regionaler
Lymphknotenmetastasen
ergeben sich keine therapeutischen Konsequenzen
Der Nachweis von regionalen Lymphknotenmetastasen dagegen ist in der eigenen
Erfahrung relativ unwichtig, weil sich therapeutische Konsequenzen selten ergeben.
Eine Ausnahme bilden solche Lymphknotenmetastasen, die außerhalb des regionalen Lymphabstromgebietes als Fernmetastasen zu interpretieren sind. Ansonsten
sieht man bei allen Patienten mit Speiseröhrenkarzinom vergrößerte mediastinale Lymphknoten, die nicht – wie im Abdomen – mit großer Wahrscheinlichkeit
auch als metastatisch befallen anzusehen
sind.
Wesentlich für die Therapieentscheidung ist zudem die Risikoanalyse des Patienten, die sich auf die Erfassung der für
den postoperativen Verlauf wesentlichen
Organfunktionen beschränkt [2, 3]. Hier
ist kardiale und pulmonale Funktion an
erster Stelle zu nennen. Wichtig ist aber
auch die Kooperationsbereitschaft des Patienten.
Grundlagen der
Therapieentscheidung
Patienten, bei denen Fernmetastasen im
präoperativen Staging nachgewiesen werden konnten, scheiden in aller Regel für
eine chirurgische Therapie aus. Eine Indikation für palliative Ösophagektomien ist
nur im extremen Ausnahmefall zu vertreten. Eine palliative definitive Radiochemotherapie oder alleinige Radiotherapie, ggf.
ergänzt durch einen endoskopisch platzierten endoluminalen Stent, sind hier die Verfahren der Wahl [27].
Prägend für die Entscheidung, ob eine operative Therapie durchgeführt werden sollte, ist die Risikoanalyse. Wir haben über Jahre einen für die Ösophagektomie spezifischen Risikoscore entwickelt
und erprobt [2, 3] (. Abb. 6). Aus dieser
Erfahrung heraus sind Patienten mit einem so genannten MRI-Score von über
21 nur mit größtem Risiko einer Ösophagektomie zu unterziehen, es sei denn, einzelne Organfunktionen sind therapeutisch präoperativ zu bessern, so dass der
Score dann unter 21 sinkt. Dies ist z. B. im
Zusammenhang mit einem floriden Alkoholismus zu diskutieren, der nach somatischem Entzug möglicherweise besser einzuordnen ist.
Der nächste wichtige Gesichtspunkt ist
das Primärtumorstaging. Frühkarzinome
und auf die Wand beschränkte Karzinome
(T1 und T2) werden einer primären Resektion zugeführt. Lokal fortgeschrittene Tumoren (T3, T4) werden zumindest, wenn
sie im mittleren oder oralen Drittel der
Speiseröhre gelegen sind, in neoadjuvanten Therapieprotokollen behandelt. Diese
neoadjuvante Radiochemotherapie (s. Beitrag von F. Lordick in diesem Heft) für lokal fortgeschrittene Tumoren sind mehr
und mehr zur Routine in Zentren geworden, obwohl eine belegte Effektivität dieser neoadjuvanten Therapie in Phase-IIIStudien bislang noch offen ist [13].
Eine Besonderheit stellt das zervikale
Ösophaguskarzinom dar, das in jedem
Fall einer neoadjuvanten Therapie unterzogen wird und dann in Anbetracht des
Bestrebens der Erhaltung der Sprachfunktion, d. h. ohne Laryngektomie, limitiert
reseziert wird.
Neoadjuvante Therapie aus
chirurgischer Sicht
Alle lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinome, in jedem Fall die mit Bezug zum
Tracheobronchialsystem, behandeln wir in
neoadjuvanten Therapieprotokollen, welche über die Jahre mehrfach modifiziert
wurden. Inzwischen gilt bereits das so genannte „Ö6-Protokoll“, das sich über Jahre aus den älteren Protokollen entwickelt
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Abb. 6 9 Eingriffsspezifischer MRI-Risikoscore für
eine Ösophagektomie
hat [6, 19, 20]. Immer benötigt man unter den beschriebenen Indikationen eine
Strahlentherapie, da eine lokale Tumorreduktion – allein schon aus topographischanatomischen Gründen – angestrebt werden muss. Dabei ist die Strahlendosis kontinuierlich auf jetzt 45 Gy erhöht worden.
Das Strahlenfeld beschränkt sich auf den
Primärtumor, eine Bestrahlung der Lymphabflusswege erfolgt nicht, da eine D2Lymphadenektomie bei der Ösophagektomie Standard ist [14]. Die begleitende Chemotherapie hat sich ebenfalls weiter entwickelt, zz. besteht sie aus kontinuierlicher 5FU-Infusion, Cisplatin und ggf. Taxotere,
die jeweils streng zeitlich mit der Bestrahlung über eine Pumpe koordiniert wird.
Obwohl sich dieses Protokoll nur in Phase-II-Studien bewährt hat, ist es derzeit allgemein anerkannt.
Einige in Zusammenhang mit der neoadjuvanten Therapie lange diskutierten
Fragen sind inzwischen beantwortet:
F Der zeitliche Abstand zwischen Ende
der neoadjuvanten Therapie und der
Operation sollte 3–4 Wochen betragen.
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F Die Radiochemotherapie führt zu einer gesicherten Immunsuppression
[7], die dem Patienten postoperativ einem erhöhten Risiko aussetzt. Entwickelt der Patient postoperativ eine der
typischen möglichen Komplikationen
(s. unten) ist er durch die Entwicklung
einer Sepsis mit oft letalem Ausgang
gefährdet. Wir sind deshalb bei dieser Hochrisikogruppe zu einer zweizeitigen Rekonstruktion übergegangen
[21]. Nach transthorakaler Ösophagektomie und mediastinaler Lymphadenektomie erfolgt die Rekonstruktion frühestens nach einer Woche, ggf.
wenn es der Allgemeinzustand des Patienten erforderlich macht, auch später. Auf diese Weise konnte die postoperative Letalität auch nach Radiochemotherapie auf deutlich unter 3
gesenkt werden.
Chirurgie des thorakalen
Plattenepithelkarzinoms
der Speiseröhre
Aufgrund des Wachstumsverhaltens benötigt das Plattenepithelkarzinom der Spei-
seröhre immer eine subtotale Ösophagektomie. Bei den eher seltenen distal gelegenen Plattenepithelkarzinomen kann die
Ösophagektomie mit einer hohen intrathorakal gelegenen Anastomose beendet
werden. Bei den Plattenepithelkarzinomen der übrigen Lokalisationen wird eine zervikale Anastomose notwendig. Der
Radikalitätsunterschied zwischen hoher
intrathorakaler und zervikaler Anastomose ist eher gering. Die zervikale Anastomose bietet aber die Möglichkeit im Halsbereich im Ultraschall auffällige Lymphknoten mit zu entfernen.
Ösophagektomie
Die Diskussion, von welcher Seite her die
Ösophagektomie mit Vorteil auszuführen ist, ist mittler weile auch im internationalen Schrifttum zum Erliegen gekommen. Es besteht kein Zweifel mehr, dass
die rechtsseitige posterolaterale Thorakotomie der am besten geeignete Zugang ist.
Ein präoperativ gelegter Periduralkatheter
und eine seitengetrennte Intubation sind
Voraussetzung.
> Die rechtsseitige posterolate-
rale Thorakotomie ist der am
besten geeignete Zugang
Die unter der Operation nicht mehr beatmete rechte Lunge wird mit einem feuchten Tuch zur Seite gehalten und der Zugang zum hinteren Mediastinum wird
frei. Die Pleura mediastinalis wird distanziert von der eigentlichen Speiseröhre bzw.
dem Tumor medial direkt auf dem Herzbeutel und dann nach oral sich fortsetzend in die Trachealbifurkation inzidiert.
Die laterale Inzision kann medial oder lateral der Vena azygos erfolgen. Die grundsätzliche Mitresektion der Vena azygos ist
nicht notwendig, sie ist aufgrund sorgfältiger pathologisch-anatomischer Evaluation höchstens einmal im Bereich des Primärtumors infiltriert.
Die den Ösophagus überkreuzenden
Anteile der Vena azygos werden an der
Einmündung in die Vena cava superior
nach Umstechung durchtrennt. Die Vena
azygos ist hier Bestandteil der Pleura mediastinalis und bleibt am Präparat. Es empfiehlt sich möglichst frühzeitig die Speiseröhre mit dem anhängenden mediastinalen Gewebe zwerchfellnah zu umfahren
und dann auch zu durchtrennen, damit
die Präparation retroösophageal unter
Sicht auf die Adventitia der Aorta geführt
werden kann. Im Bereich des distalen Drittels gibt es im Gegensatz zu vielen anatomischen Darstellungen keine direkten aortalen Äste zur Speiseröhre, so dass die Präparation hier zügig durchgeführt werden
kann. Wichtig ist die zwerchfellnahe Umstechung des Ductus thoracicus. Erst in
Höhe bzw. knapp unterhalb der Trachealbifurkation gibt es wieder ein oder zwei direkte aortale Äste zur Speiseröhre, die mit
Clips oder Ligatur versorgt werden.
Die praktisch immer vergrößer ten
Lymphknoten in der Trachealbifurkation
werden „en bloc“ mit dem eigentlichen
Präparat exstirpiert. Hier trifft man auf
den Nervus vagus, den man, wenn es aus
onkologischer Situation zulässig ist, aboral der Trachealbifurkation durchtrennen
sollte. Die Präparation wird dann auf der
Pars membranacea der Trachea nach oral
fortgesetzt. In gleicher Weise erfolgt die
Präparation auf der Wirbelsäule oberhalb
des Aortenbogens.
Die Anastomosierung im Thorax sollte
immer deutlich oberhalb der Vena azygos,
d. h. so hoch wie möglich in der Pleurakuppel erfolgen. Es empfiehlt sich, wenn eine
intrathorakale Anastomose geplant ist, einen Lappen der Pleura mediastinalis zu erhalten. Je nach Operationsplanung wird
der Ösophagus hoch intrathorakal mit einem Stapler-Gerät verschlossen oder aber
mit der Wellenzange gefasst und für die
Anastomose vorbereitet [19, 20].
Ein schwieriger Schritt der Ösophagektomie ist die Darstellung der Lymphabflusswege auf der linken Seite der Trachea, weil hier der linke Nervus recurrens
verläuft. Dennoch gehört die Lymphadenektomie in diesem Bereich zur D2-Lymphadenektomie und sollte mit großer Vorsicht ausgeführt werden. Wenn es im Rahmen der Ösophagektomie zu einer Rekurrensläsion kommt, ist dies meist hier, d. h.
links der Fall. Der rechte Rekurrens dagegen ist in aller Regel ungefährdet.
Das Ösophagektomiepräparat umfasst
somit nicht nur die Speiseröhre, sondern
die Pleura mediastinalis und das umgebende Lymph- und Fettgewebe inklusive der
mediastinalen Lymphknoten. Das Präparat wird en bloc gewonnen und so dem Pathologen zur Untersuchung übergeben.
Rekonstruktion
Die Rekonstruktion der ersten Wahl ist unverändert der Speiseröhrenersatz durch
einen schlanken Magenschlauch. Hier hat
eine über Jahre anhaltende Diskussion in
der einschlägigen Literatur über die Präparation dieses Magenschlauches stattgefunden [14]. Die Hitze der Diskussion lässt darauf schließen, dass es in allen Zentren immer wieder Probleme der Anastomoseninsuffizienz bzw. der Spitzennekrose des
Interponates gibt. Die wichtigen anatomischen Untersuchungen von LiebermannMeffert [12] zeigen, dass die Durchblutung des zu bildenden Magenschlauches
praktisch ausschließlich über die Arteria
gastroepiploica dextra gewährleistet werden muss. Die Arteria gastroepiploica sinistra wird bei dem Präparationsvorgang
immer durchtrennt. Die Arteria gastrica
dextra leistet einen nur geringen Beitrag
zur Magenschlauchdurchblutung, die Arteria gastrica sinistra wird ohnehin stammnah durchtrennt.
Abb. 7 8 Schlanker Magenschlauch zum
Ösophagusersatz (in vivo, links) und Ausgusspräparat der arteriellen Blutversorgung
eines Magenschlauches im anatomischen
Präparat (rechts; mit freundlicher Genehmigung von Frau Prof. D. Liebermann-Meffert)
> Die Durchblutung des
Magenschlauches wird über die
A. gastroepiploica dextra
gewährleistet
Betrachtet man die Angiographien des Magens, so sieht man, dass das Versorgungsgebiet von der Arteria gastroepiploica
dextra nur etwa 3–4 cm weit in den Magen reicht. Es kommt dann zu einer relativ gefäßarmen Zone bis die Gefäßversorgung der kleinen Kurvatur greift. Aus diesem Grunde haben wir uns schon seit langem entschlossen, dieser Gefäßanatomie
gerechtwerdend, einen relativ schmalen
Magenschlauch für die Rekonstruktion
zu verwenden (. Abb. 7). Dieser schmale Magenschlauch hat den Vorteil, dass
er nirgendwo komprimiert wird und darüber hinaus die Lymphadenektomie um
den Truncus coeliacus herum und entlang
der kleinen Kurvatur des Magens ausreichend erfolgen kann.
Oberbauchquerlaparotomie. Zu diesem
Zwecke wird eine Oberbauchquerlaparotomie ausgeführt. Das gesamte große Netz
wird in ganzer Ausdehnung vom Querkolon scharf gelöst. Mit Vorsicht werden die
Adhäsionen zum Milzhilus bzw. zur Milz
durchtrennt. Die Milz sollte, wenn immer
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Leitthema
Abb. 8 8 Unabhängiger Prognosefaktor „R-Kategorie“ nach Ösophagektomie beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus: 5-JahresÜberlebensrate nach R0-Resektion vs. R1/2-Resektion (Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar
der TU München 1982–2005)
möglich, erhalten werden. Dann werden
das gesamte große Netz und der Magen
nach oben geschlagen und der Zugang
zur Bursa omentalis weit eröffnet. Hier erfolgt als zweiter Schritt die suprapankreatische Lymphadenektomie beginnend an
der Arteria gastroduodenalis, sich dann
zur Mitte bzw. in den Milzhilus hinein
fortsetzend. Die Arteria gastrica sinistra
ebenso wie die dazugehörige Vene werden
stammnah ligiert und das gesamte Lymphabflussgebiet en bloc von der Arteria hepatica communis, dem Truncus coeliacus
und der Arteria lienalis abgehoben. Es verbleibt am Präparat.
Bildung des Magenschlauches. Der dritte abdominelle Schritt ist dann die Bildung des Magenschlauches. Hierfür wird
an der kleinen Kur vatur der Einstieg etwa in Höhe des Krähenfusses gewählt.
Dazu muss die kleine Kurvatur an dieser
Stelle freigelegt werden, d. h. das kleine
Netz muss unter Ligaturen durchtrennt
werden. Für die Bildung des Magenschlauches wird der GIA benutzt, wobei der Einstieg zunächst mit einem GIA 45 gewählt
wird, dann wird parallel zur großen Kurvatur mit GIA 80 der Magenschlauch gebildet.
Je nachdem, ob eine zervikale Anastomose oder eine intrathorakale Anastomose angestrebt wird, wird das Präparat an
der kleinen Kurvatur inklusive des Lymphabflusses nunmehr entfernt, wenn der
Ösophagus bereits von thorakal reseziert
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Der Chirurg 11 · 2005
Abb. 9 8 Unabhängiger Prognosefaktor „N-Kategorie“ nach Ösophagektomie beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus: 5Jahres-Überlebensrate bei N0-Katgeorie vs. N1-Kategorie (Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts
der Isar der TU München 1982–2005)
wurde. Bei intrathorakaler Anastomose beginnt die Operation mit dem abdominellen Teil [19, 20]. In diesem Fall wird der
Magenschlauch erneut mit dem Restmagen mit 2–3 Haltefäden verbunden, damit
er später leichter nach thorakal gezogen
werden kann.
Probleme und Komplikationen
Bei der Bildung des Magenschlauches
muss sorgfältig der venöse Abfluss entlang
der Vena gastroepiploica dextra beachtet
und geschont werden. Eine Verletzung in
diesem Bereich macht eine Mageninterposition später unmöglich.
E Das Hauptproblem postoperativ
bleibt unverändert die Insuffizienz
der Anastomose zwischen Speiseröhrenrest und Magenschlauch.
Wird eine intrathorakale Anastomose ausgeführt, sind Anastomoseninsuffizienzen
selten. Dies hat seine Ursache darin, dass
der Magenschlauch bis in den Bereich
der Pleurakuppel ohne jede Spannung
und bei sehr guter Durchblutung hochgeführt werden kann. Die Anastomose
selbst kann mit dem Zirkularstapler oder
auch mit der Handnaht angelegt werden
[19, 20]. Die Anastomose kann zudem
mit einem Pleuralappen gedeckt werden,
so dass ein Höchstmaß an Sicherheit besteht. Sollte es postoperativ dennoch zu
einer Leckage kommen, kann diese leicht
endoskopisch mit einem Stent abgedeckt
werden [18].
Problematischer ist in unserer Erfahrung die zervikale Anastomose. Hier sind
Insuffizienzen häufiger. Aus unserer Erfahrung liegt dies an der möglichen Strangulation des oralen Endes des Magenschlauches bei der Durchführung durch
die meist sehr enge obere Thoraxapparatur. Hier hilft eine Spaltung des Sternums
bzw. eine Resektion des Sternoklavikulargelenkes links weiter, hat allerdings die
Probleme der möglichen Entwicklung einer Sternumosteomyelitis und einer postoperativen Beschwerdesymptomatik. In
der Regel sind Insuffizienzen der zervikalen Anastomose folgenlos, sie verlängern
aber den stationären Aufenthalt und erfordern vom Patient und Chirurgen große Geduld. Im Zweifelsfall sollte die Insuffizienz immer mit einem dicken T-Rohr
geschient werden, damit eine gute Drainage nach außen sichergestellt wird und
damit eine saubere Granulation erfolgen
kann [18].
Mangeldurchblutung. Kommt es postoperativ zu einem Abweichen von dem erwarteten, glatten Verlauf, ist zunächst immer
das Interponat zu überprüfen. Wir tun dies
auch sehr früh postoperativ durch eine
bettseitige Endoskopie, die zuverlässig Auskunft gibt über die Durchblutungsverhältnisse des Magenschlauches und der Anastomose. Im Zweifelsfall sollte die Anastomose mit endoskopischem Stent abgedeckt wer-
den. Dies geht bei den hoch intrathorakalen
Anastomosen in Anbetracht der anatomiegerechten Lage des zervikalen Ösophagus
problemlos, es ist sehr viel schwieriger und
häufig auch unmöglich bei zervikalen Anastomosen, hier greift dann die T-Drain-Einlage. Bei schweren Durchblutungsstörungen
des Mageninterponates muss dieses entfernt
werden. Eine zweite Rekonstruktion erfolgt
erst nach Abheilen der entzündlichen Komplikationen der Insuffizienz. Eine Speichelfistel und eine Ernährungsfistel hilft diesen
Zeitraum zu überbrücken [18].
Chylothorax. Eine andere mögliche Komplikation ist der Chylothorax, hier ist die
Prophylaxe der beste Weg, diese Komplikation zu verhindern, d. h. eine sorgfältige Umstechung des Ductus thoracicus epiphrenisch während der ersten Operation.
Frühextubation. Die Frühextubation ist
derzeit unumstritten [4], sie ist in Anbetracht des Periduralkatheters möglich.
Der Patient kann bereits unmittelbar postoperativ beschwerdefrei spontan atmen.
Durch die Frühextubation konnten die
postoperativen pulmonalen Komplikationen ganz wesentlich reduziert werden.
Spezielle Gesichtspunkte des
zervikalen Ösophaguskarzinoms
Definitionsgemäß spricht man von einem
zer vikalen Ösophaguskarzinom, wenn
es der Pars cervicalis des Ösophagus entspringt und – dies ist eine wichtige Ergänzung – auch von zervikal hier ggf. bei Splittung des oberen Sternums reseziert werden
kann. Diese Karzinome sind in besonderer
Weise durch den unmittelbaren anatomischen Kontakt zu Kehlkopf und Trachea gekennzeichnet. Häufig ist für das Erreichen
der lokalen Tumorfreiheit auch eine Laryngektomie erforderlich. Dies bedeutet für den
Patienten einen ganz erheblichen Eingriff in
seine Lebensqualität (permanentes Tracheostoma, Verlust der Sprache). Da dieser Eingriff deswegen in Europa Patienten nur ausnahmsweise zugemutet werden kann, haben wir vor Jahren ein Konzept der limitierten Chirurgie nach neoadjuvanter Radiochemotherapie entwickelt und erprobt.
Leitthema
Abb. 10 8 Unabhängiger Prognosefaktor „T-Kategorie“ nach Ösophagektomie beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus: 5-Jahres-Überlebensrate bei T0/1-Katgeorie vs. T2-Kategorie vs. T3/4Kategorie (Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik,
Klinikum rechts der Isar der TU München 1982–2005)
> Häufig ist für das Erreichen
der Tumorfreiheit eine
Laryngektomie erforderlich
In diesem Konzept werden alle zervikalen
Ösophaguskarzinome mit Ausnahme der
echten Frühkarzinome (T1a, T1b) einer präoperativen Radiochemotherapie unterzogen (45 Gy, 5-FU kontinuierliche Infusion
+ Cisplatin). Die Ansprechrate bei den zervikalen Karzinomen ist relativ gut und liegt
über 60. Anschließend erfolgt eine limitierte zervikale Ösophagektomie von einem
linksseitigen zervikalen Zugang. Sie wird
von einer regionalen Lymphadenektomie begleitet, bei der es v. a. darum geht, die in der
präoperativen Diagnostik als vergrößert befundeten Lymphknoten zu entfernen. Die
Kehlkopffunktion kann dabei in aller Regel erhalten werden, eine linksseitige Rekurrensparese – bleibend oder vorübergehend
– ist mit etwa 25 relativ häufig. Die Kontinuität wird durch eine freie Dünndarminterposition wiederhergestellt. Dafür wird
ein beliebiges Segment des Dünndarms
von etwa 10–15 cm Länge mit möglichst guter und anatomisch gut darstellbarer Gefäßversorgung entnommen und nach zervikal
transplantiert. Die dafür notwendige mikrochirurgische Gefäßanastomosierung sollte
von trainierten Mikrochirurgen (bei uns
plastischen Chirurgen) durchgeführt werden. Ein kleines Segment des Dünndarms,
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Der Chirurg 11 · 2005
Abb. 11 8 Überlebensrate nach Ösophagektomie beim Plattenepithelkarzinom in Abhängigkeit vom Behandlungszeitpunkt: Resektion zwischen 1982 und 1995 vs. Resektion zwischen 1996 und
2005 (Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der TU München 1982–2005)
gestielt an derselben Gefäßarkade, wird als
so genannter Monitor nach außen vorverlagert, um so die Durchblutung des Interponates postoperativ regelmäßig kontrollieren zu können. Die Anastomosierung erfolgt aboral End-zu-End, oral je nach Situation: Kann der obere Ösophagussphinkter
erhalten werden, empfiehlt sich eine Endzu-End-Anastomosierung. Muss der obere
Ösophagussphinkter mit entfernt werden,
empfiehlt sich eine Seit-zu-Seit-Anastomose zwischen Hypopharynx und Interponat.
Die funktionellen Ergebnisse sind ganz
ausgezeichnet. Alle Patienten kommen zu
einer fast ungestörten Schluckfunktion.
Früh postoperativ stellt die Mangeldurchblutung des Interponates die schwerwiegendste Komplikation dar. Die Interponatsmangeldurchblutung kann über den Monitor ggf. auch durch früh postoperative Endoskopie gesichert werden. Im Falle der
Mangeldurchblutung ist die raschest mögliche Revision angezeigt. Dabei kann versucht werden, die Gefäßanastomosen zu revidieren. In der Regel ist aber die Interposition eines neuen Dünndarmsegmentes angezeigt. Die Rate derartiger Mangeldurchblutungen der eigenen Erfahrung liegt bei
18. In Einzelfällen kann das Konzept des
Dünndarminterponates trotz mehrmaliger
Revisionen nicht aufrechterhalten werden;
in diesen Fällen steigen wir dann auf eine
Koloninterposition in typischer Technik
zwischen Hypopharynx und Magen mit
linksseitigem Kolon um. Dieses Interponat wird retrosternal positioniert.
Die obere partielle Sternotomie gibt
eine sehr viel bessere Übersicht über das
Operationsfeld, ist allerdings auch von Arthrosen und Infekten begleitet.
Die 5-Jahres-Überlebensraten bei diesem kombinierten Vorgehen sind mit gut
40 überraschend gut.
Eigene Ergebnisse
An der eigenen Klinik wurde über einen
Zeitraum von 23 Jahren (Juli 1982 bis Juli 2005) bei nunmehr genau 900 Patienten mit Plattenepithelkarzinom des Ösophagus eine Ösophagektomie in kurativer Intention durchgeführt. Bei 492 dieser
Patienten (überwiegend Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren und Bezug
zum Tracheobronchialsystem) erfolgte
die Resektion nach neoadjuvanter Radiochemotherapie in einer Reihe von PhaseII-Studien; 408 Patienten (über wiegend
frühe Tumorstadien und Tumoren ohne
Bezug zum Tracheobronchialsystem) wurden ohne Vorbehandlung primär reseziert.
Die postoperative Mortalität im Gesamtpatientengut konnte von etwa 10 während
der ersten Phase durch den konsequenten
Einsatz der präoperativen Risikoanalyse,
präoperative Verbesserung eingeschränk-
ter Organfunktionen und Sicherheitschirurgie in Risikosituationen seit 1995 reproduzierbar auf unter 2 gesenkt werden.
Sowohl im Gesamtpatientengut wie
auch in den Untergruppen der primär resezierten Patienten und der Patienten mit
Resektion nach neoadjuvanter Radiochemotherapie stellen die R0-Resektion, der
Lymphknotenstatus und die pT-Kategorie
die wesentlichen unabhängigen Prognosefaktoren für ein Langzeitüberleben dar
(. Abb. 8, 9, 10).
Fazit für die Praxis
Die Fortschritte in der chirurgischen Behandlung des Plattenepithelkarzinoms im
Verlauf der letzten Dekaden werden bei
gesonderter Betrachtung der Überlebensraten der vor und seit 1995 resezierten Patienten evident (. Abb. 11). Während die
5-Jahres-Überlebensrate für alle zwischen
1982 und 1995 resezierte Patienten nur etwa 20% betrug, konnte sie nach 1995 auf
über 50% verbessert werden. Diese deutliche Prognoseverbesserung korreliert mit einem zunehmendem Einsatz neoadjuvanter
Therapieschemata bei lokal fortgeschrittenen Tumoren, Standardisierung des operativen Eingriffs und perioperativen Managements und der reduzierten postoperativen
Mortalität. Damit kann heute einem großen Prozentsatz der Patienten mit Plattenepithelkarzinom des Ösophagus durch die
Ösophagektomie tatsächlich eine Heilung
der Tumorerkrankung in Aussicht gestellt
werden [23, 24, 25].
Korrespondierender Autor
Prof. Dr. H. J. Stein
Chirurgische Klinik und Poliklinik,
Klinikum rechts der Isar,
Technische Universität München,
Ismaningerstraße 22, 81675 München
E-Mail: [email protected]
Interessenkonflikt: Der korrespondierende
Autor versichert, dass keine Verbindungen mit
einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
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Der Chirurg 11 · 2005
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