Multifunktionelle Membrantransportproteine

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10 Jahre BIOspektrum
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Multifunktionelle Membrantransportproteine
Volkmar Braun
Mikrobiologie / Membranphysiologie, Universität Tübingen
Zehn Jahre BIOspektrum sind ein Anlass,
auf meinen damaligen Beitrag über die
E. coli-Außenmembran die Neuigkeiten von
heute folgen zu lassen. Auf merkwürdige
Weise bin ich mit der äußeren Membran
Gram-negativer Bakterien verheiratet. Was
immer wir anpacken, endet in der äußeren
Membran. So ist das Lipoprotein ein
äußeres Membranprotein, obwohl
ursprünglich ein Protein des Mureins. Die
Untersuchung des Eisentransports durch
die äußere Membran schien lohnenswerter
als der Eisentransport durch die Cytoplasmamembran, da der Mechanismus sich als
neu erwies. Die Transkriptionsinitiation der
Eisencitrat-Transportgene beginnt in der
äußeren Membran. Die Sekretion und
gleichzeitige Aktivierung des Hämolysins
(Cytolysins) von Serratia marcescens
erfolgt durch ein Protein der äußeren
Membran. Die Wirtsspezifität von Phagen
und Colicinen wird durch Rezeptoren in der
äußeren Membran bestimmt. Diesen
Themen haben wir uns in den vergangenen
zehn Jahren hauptsächlich gewidmet.
Abb. 1: Viele Doktorhüte wurden im Laufe der Jahre in Tübingen mit Außenmembran-Proteinen
verziert: Hier der Pas-des-Deux des TonB-Proteins und die „gated pore“ des FecA-Transporters.
(Foto: privat)
Verführerische Kristallstrukturen
Das herausragende Ereignis im Energiegekoppelten Transport durch die äußere
Membran war die Bestimmung der Kristallstrukturen von vier Transportproteinen,
FhuA, FepA, FecA und BtuB zwischen 1998
und 2003. In der neuartigen Grundstruktur
sind sich die Proteine sehr ähnlich: Sie bestehen aus 22 antiparallelen β-Faltblättern,
die ein „β-barrel“ (Fass) bilden, dessen Kanal von der periplasmatischen Seite durch
eine globuläre Struktur verschlossen ist, die
als Korken bezeichnet wird. Diese Strukturen provozieren Mutationen mit vermeintlich vorhersehbaren Funktionsänderungen.
Die Deletion des FhuA-Korkens ergab ein
β-barrel, das zunächst als transport- und rezeptoraktiv angesehen wurde, bis wir feststellten, dass das β-barrel (160 Aminosäuren)
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von einem 357 Aminosäuren großen FhuAFragment komplementiert wird, das von der
fhuA-Deletionsmutante noch synthetisiert
wurde. Selbst ein vollständiges FhuA mit intaktem Korken, aber mutiertem, inaktiven
β-barrel komplementiert die Korken-Deletionsmutante[1]. Vermutlich wird im Periplasma der Korken aus FhuA herausgeschnitten und in das korkenlose β-barrel eingebaut. Beim Zusammenbau von FhuA faltet sich zunächst das β-barrel, und der Korken wird im Periplasma oder während der
Inkorporation des β-barrels in die äußere
Membran eingebaut. Mutagenesen von
FhuA und FecA ergaben, dass die Strukturen robust sind und vorhergesagte Substratbindestellen so verändert werden können,
dass die Substrate nicht mehr binden, die
Transportraten aber kaum beeinflussen.
FecA wird nach Entfernung der an der Ober-
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fläche liegenden Schleifen 7 und 8 transportinaktiv, FhuA dagegen nicht. Demnach
ist die bei Bindung des Eisencitrats an FecA
in den Kristallstrukturen beobachtete Bewegung der Schleifen 7 und 8 funktionell
bedeutsam, und die in FhuA nicht beobachtete Bewegung ist kein Kristallartefakt[2, 3]. In FecA verschließen die Schleifen
7 und 8 den Zugang zur Substratbindestelle
und verhindern die Freisetzung des Substrats in das Medium; in FhuA nicht. Ähnliche Kristallstrukturen haben also nicht notwendigerweise identische Funktionsweisen
zur Folge. FecA funktioniert als „substrategated pore“, FhuA offensichtlich nicht.
FhuA ist ein multifunktionelles Protein, das
Ferrichrom, das strukturanaloge Antibiotikum Albomycin, und das völlig strukturfremde Rifamycinderivat CGP4832 transportiert, die Aufnahme von Colicin M und
Microcin J25 vermittelt und Phagen bindet.
Ein Großteil der an der Zelloberfläche exponierten Schleifen von FhuA dient Liganden als Bindestellen. Es gibt also kein aktives Zentrum für alle Liganden. In der Kristallstruktur bindet der Eisenchelator von Albomycin an die selbe Stelle wie Ferrichrom,
kommt aber in zwei Konformationen vor, die
sich aus der Drehung der Bindung zwischen
Eisenchelator und Antibiotikum ergeben[4].
Rifamycin CGP4832 nimmt den gleichen
Platz ein wie Ferrichrom und Albomycin,
wobei vornehmlich diejenigen Reste an der
Bindung beteiligt sind, mit denen sich
CGP4832 von Rifamycin unterscheidet[5].
Die Öffnung des Kanals, energetisiert
durch die Protonen-motorische Kraft der Cytoplasmamembran, mag bei FhuA und FecA
gleich sein. Für den Energietransfer von der
Cytoplasmamembran in die äußere Membran sind die Proteine TonB, ExbB und
ExbD notwendig, die in der Cytoplasmamembran miteinander interagieren und in
das Periplasma hineinragen. TonB bindet direkt an die TonB-Box-Sequenz von FhuA
und FecA, die bei beiden Proteinen auf der
Innenseite der äußeren Membran liegt. Die
Interaktion von TonB mit FhuA und FecA
löst Strukturänderungen in den Proteinen
aus, die vom Periplasma bis weit über die
Zelloberfläche hinaus reichen. Man sollte annehmen, dass hierzu sehr spezifische Strukturvoraussetzungen gegeben sind. Jedoch
können außer in der TonB-Box im angrenzenden Bereich Aminosäurenaustausche
und kleinere Deletionen vorgenommen werden ohne Inaktivierung von FhuA[2]. Für
den Mechanismus der Energietransduktion
von der Cytoplasmamembran in die äußere
Membran ist die Kenntnis der Struktur des
TonB, ExbB, ExbD-Proteinkomplexes von
Bedeutung. Kristallstrukturen und NMRStudien unterschiedlich großer isolierter periplasmatischer TonB-Fragmente zeigen
monomere und dimere Strukturen. Unsere
in vivo-Bestimmung des gesamten TonB
demonstriert ein dimeres Molekül[6].
Ein neuer Transmembransignalweg
Die Bindung von (Fe3+Citrat)2 an FecA löst
ein Signal aus, das im Cytoplasma die Transkription der Eisencitrat-Transportgene
fecABCDE initiiert. Mit dem im Periplasma
befindlichen N-Terminus, der um etwa 80
Aminosäuren länger ist als der N-Terminus
von FhuA, FecA und BtuB, die keine Transkriptionssignalempfangs- und Signalweiterleitungsfunktion ausüben, bindet FecA
an den im Periplasma befindlichen C-Terminus des FepR-Proteins, das in der Cytoplasmamembran verankert ist und mit seinem N-Terminus in das Cytoplasma reicht.
Letzterer interagiert mit dem FecI-Protein,
ein fec-Gen-spezifischer Sigma-Faktor, der
zur Klasse der ECF(extracytoplasmic function)-Sigmafaktoren gehört, die von σ70 abgeleitet sind. Ausgelöst durch Bindung von
Eisencitrat an FecA, wird das Signal durch
FecA über die äußere Membran in das Periplasma, von FecR aus dem Periplasma über
die Cytoplasmamembran in das Cytoplasma
auf FecI geleitet. Für das Studium des Signalwegs, der interagierenden Proteine und
deren Aktivitätsdomänen erwies sich ein
bakterielles „two-hybrid“-System als fruchtbar. Die Synthese der beiden Regulationsproteine FecI und FecR wird durch das FurProtein kontrolliert, das im Fe2+-beladenen
Zustand als Repressor wirkt. Unter Eisenmangelbedingungen löst sich unbeladenes
Fur von dem fecIR-Promotor, die fecIR-Gene werden transkribiert und die FecIR-Proteine werden synthetisiert. Doch das Eisencitrat-Transportsystem wird erst synthetisiert, wenn Eisencitrat im Medium vorhanden ist. Die Zelle erkennt den Eisenmangel
und synthetisiert erst das Transportsystem,
wenn das passende Substrat vorliegt[7].
Inzwischen ist diese TransmembranTranskriptionsregulation bei neun weiteren
Bakterienarten nachgewiesen worden; auch
der Hämtransport wird so reguliert. Die Genomsequenzen von weiteren Bakterienarten
sagen Homologien zu fecIR voraus, die sich
bei Bacteroides thetaiotamicron auf 30, bei Nitrosomonas europaea auf 20 Kopien belaufen.
Serratia-Hämolysin: neuartige Sekretion
und Aktivierung
Die Hämolysinaktivität wird durch zwei Gene determiniert: shlA kodiert das Hämolysin,
shlB ein äußeres Membranprotein. Beide
Proteine werden durch den Sec-Apparat Signalpeptid-abhängig durch die Cytoplasmamembran geschleust. Ohne ShlB verbleibt
ShlA inaktiv im Periplasma. Mit ShlB wird
hämolytisches und cytolytisches ShlA in das
Medium exportiert. Ein N-terminales ShlAFragment von etwa 242 Aminosäuren
(ShlA242) wird von ShlB exportiert und kann
inaktives ShlA mit einer Deletion der Reste 3-97 zu aktivem ShlA komplementieren,
ähnlich der α-Komplementation der β-Galactosidase. Da die Aktivität von ShlA242
von der Ausschleusung durch ShlB abhängt,
kann die Sekretion und die damit verbundene Aktivierung mit ShlA242 studiert werde, das sehr viel leichter experimentell handhabbar ist als das große, nur in 6 M Harnstoff
lösliche und aktive ShlA. Die Aktivierung
ändert nicht die Primärstruktur von ShlA,
aber die Raumstruktur[8]. Die Aktivierung
von ShlA oder ShlA242 erfolgt auch in vitro
durch ShlB, also ohne Export. ShlA ist nur
mit gebundenem Phospholipid, spezifisch
mit Phosphatidylethanolamin oder Phosphatidylserin aktiv, wobei nur wenige Phospholipidmoleküle an ShlA gebunden sind.
Die Phospholipide wirken offensichtlich als
Kofaktoren[9].
Hämolysine vom S. marcescens-Typ wurden inzwischen in anderen Gram-negativen
Bakterien gefunden, etwa in Yersinia pestis.
Denselben Sekretionsmechanismus verwendet auch eine bestimmte Klasse von Adhäsinen, von denen das filamentöse Hämagglutinin von Bordetella pertussis genauer
studiert wird. Die N-proximalen Sequenzen
der Hämolysine und Adhäsine sind homolog
und enthalten hoch konservierte Sequenzen,
deren Mutation ShlA inaktiviert.
Das Hämolysin (Cytolysin) trägt zur Pathogenität von S. marcescens bei. S. marcescens
dringt in Epithelzellen ein und lysiert diese
durch die ShlA-Aktivität. ShlA verursacht in
Epithelzellen und Fibroblaten den Verlust
von ATP und Kaliumionen, wobei die Bildung von Vakuolen beobachtet wird[10].
Colicine evolvierten durch den Austausch
von Funktionsdomänen
Colicine sind von E. coli synthetisierte Proteine, die andere E. coli-Stämme töten. Alle
Colicine sind aus drei Domänen aufgebaut,
die N-proximale Region für den Durchtritt
durch die äußere Membran, die zentrale Region für die Bindung an den hochspezifischen äußeren Membranrezeptor und die Cproximale Region für die toxische Wirkung.
Der Vergleich der von uns charakterisierten
Colicine B, D, MS4, K, 5, und 10 zeigte, dass
in der Evolution der Colicine Funktionsdomänen ausgetauscht wurden, ohne dass für
das präzise Ausschneiden der kodierenden
DNA-Regionen Sequenzmotive erkennbar
wären.
Die Produzenten sind durch Immunitätsproteine geschützt, die mit extrem hoher
Affinität an die Colicine binden. Die ImBIOspektrum · 1/05 · 11. Jahrgang
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munitätsproteine fangen die Colicine nahe
dem Ort der Wirkung ab: im Periplasma Colicin M (unterbindet die Carrierlipid-Regenerierung bei der Murein und Lipopolysaccharidsynthese) sowie das Murein-abbauende Pesticin, kurz vor der Öffnung der Pore
in der Cytoplasmamembran die Poren-bildenden Colicine B, 5, 10 und K und im Cytoplasma die Colicin D-RNAse[11].
Immer neue Siderophore
Salmonella dient seit langem als Testorganismus zum Studium des Siderophor-vermittelten Eisentransports. Salmochelin, ein
für Siderophore ungewöhnlich C-glucosyliertes Enterobactin, ist das häufigste Siderophor von Salmonella enterica und bestimmten uropathogenen E. coli-Stämmen.
Es wird mit Hilfe des IroN-Proteins durch
die äußere Membran transportiert. Das Biosynthesecluster kodiert für zwei Proteine,
von denen Homologe auch in den Biosyntheseclustern von Microcinen enthalten
sind[12].
Nach der Identifizierung, Kartierung, Klonierung und Sequenzierung des Eisen-FurRepressors wurde die Rolle des homologen
Zur-Proteins für den Zink-Transport über
das vorher charakterisierte ZnuABC-Transportsystem untersucht. Zur wirkt als Repressor, wenn es mit Zn2+ oder Co2+ beladen
ist. Zur enthält N-terminal eine DNA-Binderegion und C-proximal eine Zn2+-bindende und dimerisierende Domäne[13].
Die kommenden zehn Jahre
In den vergangenen zehn Jahren der Erforschung TonB-abhängiger, Energie-gekoppelter Transportprozesse durch die äußere
Membran Gram-negativer Bakterien wurden
mehr Fragen präzisiert als Antworten gefunden. So ist unklar, ob sich der Korken zur
Kanalöffnung innerhalb des β-barrel bewegt
oder ganz das β-barrel verlässt. Zunächst
schien die Energiebarriere für den vollständigen Austritt des Korkens zu hoch, da die
Kristallstrukturen mehr als 60 Wasserstoffbrückenbindungen und van der Waals-Kräfte zwischen Korken und β-barrel vorhersagten. Neuere Analysen sagen eine Wasserhülle um den Korken voraus, die den Übertritt des Korkens in die wässrige Phase des
Periplasmas energetisch erleichtern würde.
Unklar bleibt, ob Biopolymere wie die Phagen-DNA oder Colicin M durch den FhuAKanal oder auf anderem Wege durch die äußere Membran gelangen. Falls sie durch den
Kanal gehen, müsste der ganze Korken das
β-barrel verlassen. Die Bindung des Phagen
T5 an FhuA öffnet einen Kanal, durch den
Ferrichrom diffundiert. Die zentrale Frage
des Transports bleibt der Mechanismus,
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nach dem der TonB-ExbB-ExbD-Komplex
das elektrochemische Potenzial misst und
wie er darauf reagiert. Wie wird die Energie
auf die Transporter übertragen und was bewirkt sie dort? Noch komplexer erweist sich
die Aufnahme der Colicine, wobei die Rezeptoren/Transporter und die Colicine mit
TonB interagieren. Da es sich dabei um einen Energietransfer von einer Membran in
die angrenzende Membran handelt, sind in
vitro-Studien schwierig. Leichter lösbare
Probleme betreffen die Mechanismen der
Aktivierung von FecI durch FecR und von
ShlA durch ShlB. Hier sollten biochemische/biophysikalische Studien an isolierten
Proteinen weiterhelfen.
Danksagung
Die Publikationen des Lehrstuhls seit 1995
sind das Ergebnis von 26 abgeschlossenen
Doktorarbeiten. Diesen Mitarbeitern und
den Postdocs gebührt herzlicher Dank. Die
Arbeiten wurden finanziell gefördert von der
DFG, dem Forschungsschwerpunktsprogramm des Landes Baden-Württemberg, der
Landesstiftung Baden-Württemberg und
dem Fonds der Chemischen Industrie.
Literatur
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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Volkmar Braun
Eberhard Karls Universität Tübingen
Fakultät für Biologie, Mikrobiologie u.
Membranphysiologie
Auf der Morgenstelle 28
D-72076 Tübingen
Tel.: 07071-2972096
Fax: 07071-294634
[email protected]
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Hartmu
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Achim Krö
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