KLIMAWANDEL EINE HERAUSFORDERUNG AN DIE KIRCHEN IN EUROPA ECEN Arbeitsgruppe zum Klimawandel Dossier 2001 Klimawandel - eine Herausförderung an die Kirchen in Europa INHALTSVERZEICHNIS Vorwort TEIL I Das Ergebnis auf dem Spiel Genereller Überblick TEIL II Antwort der internationalen Gemeinschaft auf das Ergebnis - zunehmendes wissenschaftliches Beweismaterial IPCC und das Rahmenübereinkommen über den Klimawandel Mühsame Verhandlungen Von Rio de Janeiro nach Kyoto Die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls: Die globale Gemeinschaft auf dem Scheideweg TEIL III Die Antwort der Kirchen auf die Bedrohung durch den Klimawandel Der Ökumenische Rat der Kirchen / Die Europäischen Ökumenischen Versammlungen Die Römisch-Katholische Kirche TEIL IV Die Herausforderung für Europa Klimawandel in europäischer Perspektive - West und Ost Klimaschutz, eine Aufgabe für die Kirchen in Westeuropa Klimawandel und die Kirchen in Zentraleuropa Klimawandel und die Kirchen in Osteuropa Globale Erwärmung - eine afrikanische Perspektive TEIL V Theologische Überlegungen Die Kirchen und die Umwelt: entfremdet und verbündet Klimawandel - eine Orthodoxe Sicht Klimawandel - eine evangelische Sicht Klimawandel - eine Römisch-Katholische Sicht Jesus und die Meteorologen: eine Meditation über Lukas 12, 54 - 56 Quellenangaben Über die Autoren Vorwort Warum diese Veröffentlichung? Warum wendet sich das Europäische Christliche Umweltnetz (ECEN) mit dieser Brochüre an die Kirchen? Der Grund ist einfach: weil der drohende Klimawandel eine neue und dringliche Herausforderung der Kirchen, insbesondere der Kirchen in Europa, darstellt. Der Widerspruch wird immer unerträglicher. Die Warnungen von wissenschaftlicher Seite werden immer eindeutiger. Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), das repräsentative beratende wissenschaftliche Gremium der Vereinten Nationen, hat kürzlich seinen dritten offiziellen Bericht (Third Assessment Report – TAR) veröffentlicht. Er entwirft ein weit düstereres Bild der Zukunft als frühere Berichte. Wenn bis jetzt davon die Rede war, dass die durchschnittliche Temperatur der Erdatmosphäre bis zum Jahre 2100 bis zu drei Grad steigen könnte, wird jetzt von einer Zunahme bis zu 5.8 Graden ausgegangen. Die Folgen für das Klima der Erde werden dementsprechend schwerwiegender sein. Noch immer können sich aber die Industrienationen nicht zu wirklichen Massnahmen entschliessen. Viele setzten Hoffnungen auf die UN Klimakonferenz in Den Haag (November 2000). Die Erwartung war, dass wenigstens ein erster Schritt auf dem Wege zu gemeinsam vollzogenen Reduktionen gemacht hat werden könne. Die Konferenz kam aber zu keiner Einigung. Seither haben die Vereinigten Staaten, das Land mit den höchsten CO2-Emissionen, dem Kyoto-Protokoll eine klare Absage erteilt. Obwohl Präsident George W. Bush während seiner Wahlkampagne den Eindruck hatte entstehen lassen, dass er die Ratifikation des Protokolls befürworte, hat er jetzt unmissverständlich seinen Widerstand angekündigt. Das Protokoll laufe den ‚wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Staaten zuwider’. Es ist darum zur Zeit unsicher, ob das Protokoll überhaupt ratifiziert werden kann. Vieles wird von den europäischen Ländern abhängen. Die Sackgasse, in die die Verhandlungen geraten sind, ist in den Medien ausgiebig kommentiert worden. Was die grosse Mehrzahl der Kommentatoren in der Regel übersieht, ist aber der Umstand, dass selbst eine Einigung keinen wirklichen Fortschritt gebracht hätte. Warum? Weil das KyotoProtokoll, dessen Umsetzung in Den Haag zur Diskussion stand, nicht mehr als einen bescheidenen ersten Schritt darstellt. Von wissenschaftlicher Seite wird eine Reduktion der CO2-Ausstösse von 60% bis zum Jahre 2050 gefordert. Das Kyoto-Protokoll spricht von einer durchschnittlichen Reduktion von 5.2% in den Industrienationen bis zum Jahre 2010. Das meiste bleibt also noch zu tun, und jedermann weiss, dass der erste Schritt weit weniger Schwierigkeiten bereitet als alle folgenden. Der Widerspruch ist mit Händen zu greifen. Wenn es nicht in naher Zukunft zu einer Neuorientierung kommt, müssen wir mit einer immer grösseren Destabilisierung der heutigen klimatischen Bedingungen rechnen. Die Kirchen haben sich bisher eher abwartend verhalten. Einige Kirchen haben Erklärungen abgegeben und an Manifestationen und Petitionen teilgenommen. Da und dort sind in kirchlichen Kreisen Initiativen zur Reduktion des Energiekonsums in Gang gebracht worden. Vor allem der Ökumenische Rat der Kirchen hat eine weit verzweigte Aktivität entfaltet. Ist dies alles aber angesichts der Eskalation der Gefahr noch adäquat? Bisher war die Rede davon, dass ‚Vorsicht’ (precaution) zum Handeln verpflichte. Jetzt wird immer deutlicher, dass die Gefahr nicht eine Möglichkeit, sondern eine hohe Wahrscheinlichkeit ist. Das Leben (oder doch die Lebensqualität) von Millionen Menschen ist gefährdet. Die Kirchen können sich dieser Herausforderung nicht entziehen. Die Industrienationen – es ist wichtig, sich dies in Erinnerung zu rufen – tragen eine besondere Verantwortung. Denn es ist ja nicht einfach ‚die Menschheit’, die die Atmosphäre belastet. Es sind die Industrienationen, die den Ausstoss in erster Linie verursachen, die Vereinigten Staaten an der Spitze, aber auch die europäischen Nationen sowohl im Westen als im Osten des Kontinents. Die Absage der Vereinigten Staaten stellt für sie ein Dilemma dar. Sollen sie dem Beispiel Washingtons folgen? Oder sollen sie sich im Gegenteil an ihre bisherigen Absichtserklärungen halten und die Ratifizierung des Protokolls im Alleingang vollziehen? Jedes Land befindet sich in einer andern Situation. Vor allem die Länder in Westeuropa stehen vor anderen Herausforderungen als diejenigen in Osteuropa. Letztlich stehen sie aber mit derselben Frage konfrontiert – wie es nämlich zu einem gemeinsamen Vorgehen aller Nationen kommen kann. Die Kirchen haben besonderen Anlass, ihre Stimme zu erheben. Die Industrienationen sind aufs Ganze gesehen traditionell ‚christliche’ Länder. Die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft steht darum in hohem Masse auf dem Spiel. Werden wir uns im Namen des Selbstinteresses über Verantwortung und Solidarität hinwegsetzen? Oder werden sich die christlichen Wurzeln als genügend stark erweisen, um einen konstruktiven Aufbruch zu ermöglichen? *** TEIL I Das Ergebnis auf dem Spiel Genereller Überblick Lukas Vischer Seit 1860, dem Beginn des Industriezeitalters, hat die durchschnittliche Temperatur der Erdatmosphäre um 0.4 bis 0.8 Grad zugenommen. Alles spricht dafür, dass sie in Zukunft noch rascher ansteigen wird. Die Ursache der Erwärmung sind die Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre – in erster Linie Kohlendioxid (CO2), ausserdem Methan (CH4), Fluorkohlenwasserstoff (FCKW), Stickstoffoxydul (N2O) und troposphärisches Ozon (O3). Diese Gase bilden in der Atmosphäre eine Schicht, die zwar die Sonnenstrahlung auf die Erde gelangen lässt, einen Teil der Hitze, die von der Erde reflektiert wird, aber nicht mehr ins All entweichen lässt. Wie in einem ‚Treibhaus’ wird die Erdatmosphäre erwärmt. Ironischerweise ist der Treibhauseffekt im Grunde ein Segen. Er schafft auf dem Planeten die Bedingungen dafür, dass Leben bestehen und blühen kann. Ohne Treibhauseffekt bestünden unerträgliche Temperaturen. Das Problem besteht darin, dass die rasche Zunahme der Treibhausgase die gegenwärtig herrschenden Temperaturen aus dem Gleichgewicht wirft. Die Folgen Diese Erwärmung hat die Destabilisierung des heutigen klimatischen Systems zur Folge. Die Veränderungen im Einzelnen lassen sich nur schwer voraussagen. Ueber die allgemeine Entwicklung herrscht aber kaum ein Zweifel. Wetterextreme wie Stürme, Regenfälle und lange Zeiten ohne Niederschläge werden immer häufiger werden. Es muss vermehrt mit Ueberschwemmungen und Dürrezeiten gerechnet werden. Gletscher werden zurückgehen, und was schwerwiegender ist, durch die Auflösung des Permafrostes wird die Stabilität Berghänge verringert werden. Der Meeresspiegel wird, an manchen Orten bedrohlich, ansteigen. Die Erwärmung schafft neue Lebensbedingungen für Fauna und Flora, und auch die Menschen werden zu immer neuen Anpassungen gezwungen werden. Die Destabilisierung des klimatischen Systems ist zwangsläufig auch mit einer Destabilisierung der menschlichen Lebensbedingungen verbunden. Was ist daran neu? Hat sich aber das Klima nicht zu allen Zeiten verändert? Haben wir es nicht mit einer der vielen Variationen zu tun, die im Laufe der Zeit stattgefunden haben? Das Klima ist in der Tat kein unveränderliches System. Es gab wärmere und weniger warme Jahrhunderte. Es geht aber bei der heutigen Erwärmung um mehr als eine Variation. Sie findet rascher statt als je zuvor, und vor allem sie hat ihre Ursache oder doch Mit-Ursache in menschlicher Aktitivität. Seit dem Beginn des industriellen Zeitalters werden immer mehr Treibhausgase freigesetzt – durch das Verbrennen von fossilen Stoffen wie Öl, Kohle usw. gelangen immer grössere Mengen von CO2 in die Atmosphäre, durch den Reisbau und die moderne Viehzucht steigt Methan in die Höhe usw. Durch diese menschliche Intervention wird der Prozess der Erwärmung in noch nie dagewesenem Masse beschleunigt. Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte lag in vierzehn Jahren die Durchschnittstemperatur über allen bisher gemessenen Durchschnittstemperaturen. Prozesse, die sich früher über Jahrhunderte oder Jahrtausende ausdehnten, finden heute in wenigen Jahrzehnten statt – und dies in einer weit dichter bevölkerten Welt als je zuvor. Bisher blieb der IPCC äusserst zurückhaltend. Um sich nicht ‚unwissenschaftliche Dramatisierung’ vorwerfen lassen zu müssen, wies er in seinen Berichten darauf hin, dass in manchen Bereichen vieles nach wie ungewiss sei. Er machte aber zugleich auch klar, dass Ungewissheit nicht als Vorwand dienen dürfe, politische Aktion hinauszuschieben. Das Prinzip der Vorsicht verpflichte zum Handeln. Im neuesten Bericht ist diese Zurückhaltung weitgehend verschwunden. Jetzt wird ohne Einschränkungen erklärt, dass die Erwärmung der letzten fünfzig Jahre weitgehend auf menschliche Aktivität zurückgehe. Was muss geschehen? Die Antwort ist klar: der Aussstoss von Treibhausgasen muss drastisch gesenkt werden. Sofort muss allerdings hinzugefügt werden, dass sich die Erwärmung der Atmosphäre auch durch entschlossene Reduktionen nicht in vollem Ausmass rückgängig machen lässt. Das Ziel kann nicht sein, den Klimawandel zu vermeiden. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, ihn in erträglichen Grenzen zu halten, indem der durch menschliche Aktivität verursachte Beitrag auf ein Minimum verringert wird. Das langfristige Reduktionsziel kann auf verschiedene Weise beschrieben werden: - Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre darf das Niveau von 1990, d..h. 350 ppm (= part per million, d.h. 350 Moleküle von Treibhausgasen auf eine Million Moleküle trockener Luft), nicht übersteigen. Um sich klar zu machen, was damit gefordert ist, muss man sich klar machen, dass der gegenwärtige Trend eine ständige Zunahme der Emissionen mit sich bringt und, falls keine Massnahmen ergriffen werden, zu einer Konzentrration von 750 ppm führen wird. Es ist unwahrscheinlich, dass das Niveau von 1990 aufrechterhalten werden kann. Es ist aber denkbar, dass sich durch entsprechende Massnahmen ein Niveau unter ppm 450-500 verwirklichen lässt. Oder: - um die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im Gleichgewicht zu erhalten, dürfen die CO2 Ausstösse pro Jahr und pro Person auf diesem Planeten nicht mehr als 1.8 Tonnen betragen. Die Ausstösse in den Vereinigten Staaten liegen bei durchschnittlich etwa 20 Tonnen pro Jahr und pro Person, in der Europäischen Union ist es weit weniger, aber noch immer beträchtlich über dem zulässigen Niveau (vgl. Tafel 1). Wichtig ist die Unterscheidung zwischen CO2-Aussstössen und CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre. Wenn der Ausstoss um einen bestimmten Prozentsatz verringert wird, heisst das noch nicht, dass auch die Konzentration um denselben Prozentsatz zurückgeht. Das Wasser in einer Badewanne kann als Vergleich dienen. Um den Wasserspiegel in einer Badewanne um 10% zu senken, genügt es nicht, den Hahnen um 10% zuzudrehen. Solange mehr Wasser in die Wanne fliesst, als sie verlässt, wird der Spiegel weiterhin steigen. Um das Ziel wirklich zu erreichen, muss der Hahnen weiter zugedreht werden. Auf dem Hintergrund dieser Überlegung ist das Reduktionsziel von 60% bis zum Jahre 2050 zu verstehen. Industrieländer und Entwicklungsländer Der Klimawandel ist für die Industrienationen so beunruhigend, weil er sie mit der Forderung nach Gerechtigkeit konfrontiert. Zwei Überlegungen sind hier wichtig: - Die Industrienationen haben den ‚Löwenanteil’ der gefährlichen Emissionen zu verantworten. Ungefähr 75% der Aussstösse gehen auf ihr Konto. Und wenn die Emissionen in der Vergangenheit seit dem Beginn des Industriezeitalters mitberechnet werden, liegt ihr Anteil sogar noch erheblich höher. - Die Folgen des Klimawandels sind zwar in allen Teilen der Welt zu spüren; sie treffen aber in besondern hohem Masse die Länder des Südens – die Küstengebiete der Aequatorzone, die niedrigliegenden Inselstaaten, die Wüstengebiete usw. Der Lebensstil der Industrienationen wirkt sich darum im Süden als eine neue Form der Ausbeutung aus. Die Folgen der Ausstösse der Industrienationen müssen von den Ländern getragen werden, die selbst nur wenig zum Problem beitragen. Die Lage der Entwicklungsländer verschärft sich darüberhinaus noch dadurch, dass sie nicht über die Mittel verfügen, sich gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen. Es ist darum vor allem Sache der Industrienationen, das Reduktionsziel zu erreichen. Sie haben in gewissem Sinne eine ‚CO2-Schuld’ zu begleichen. Bevor von den Ländern des Südens irgendwelche Massnahmen gefordert werden, müssen sie den Beweis erbringen, dass sie gewillt sind, ihre Ausstösse zu reduzieren. Eine umfassende Lösung kann selbst-verständlich nur verwirklicht werden, wenn auch die Länder des Südens eine verantwortliche Politik betreiben. Der Prozess muss aber in erster Linie von den Industrienationen in Gang gesetzt werden. Welche ‚menschliche Aktivitäten’ sind verantwortlich? Eine weite Palette von Aktivitäten ist hier zu nennen. Im Grunde gibt es fast keinen Bereich der heutigen Gesellschaft, der nicht mit zur Belastung der Atmosphäre beiträgt. Die wichtigsten Bereiche sind: - Industrielle Produktion Der Energiekonsum von Komputern Produktion von elektrischer Energie Motorisierte Mobilität, d.h. der Transport von Personen und Gütern auf der Strasse und in der Luft Küche, Heizung und Klimaanlagen in Wohnungen Öffentliche Beleuchtung Militär und Armee – sowohl in Friedenszeiten als im offenen Konflikt Ausbeutung der Regenwälder und der Meere Der Anteil der einzelnen Bereiche an der Summe der Ausstösse ist von Land zu Land unterschiedlich. Vieles hängt von den Voraussetzungen ab. Ein wichtiger Faktor ist die Art und Weise der Energieproduktion, d.h. in welchem Masse ein Land für die Deckung seiner Energiebedürfnisse auf Kohle oder Öl angewiesen ist. So unterschiedlich die Proportionen sein mögen, ist die motorisierte Mobilität überall eine wesentliche Quelle von CO2-Ausstössen. Die Atmosphäre wird nicht nur durch Ausstösse belastet, sondern auch dadurch, dass ‚Senken’ vermindert werden, d.h. dass die Kapazität des Planeten, CO2 zu absorbieren, verringert wird. Das geschieht in erster Linie durch das Abholzen von Wäldern und die Versiegelung des Bodens. Wie können die Aussstösse von Treibhausgasen verringert werden? Fünf Perspektiven können hier genannt werden: Umstellung auf alternative Energieträger, technologische Effizienz, Erhöhung der Absorptionskapazität, politische Massnahmen und Veränderungen im heutigen Lebensstil. Saubere Energie Jede mögliche Anstrengung muss unternommen werden, um alternative Energiequellen zu erschliessen. An erster Stelle sei die Sonnenenergie genannt. Das Potential der Sonnenenergie ist lange Zeit vernachlässigt worden. Zusammen mit dem Potential anderer alternativer Energiequellen wie Wind und Bodenwärme verdient es konsequente Förderung. Da die Nutzung von alternativen Energiequellen – jedenfalls heute – mit erheblichen Kosten verbunden ist, müssen dafür öffentliche Mittel bereitgestellt werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit die Atomenergie als ‚saubere Energie’ angesehen werden kann. Sie wird oft als der Ausweg aus dem Dilemma des Treibhauseffektes angepriesen. Solange die Risiken dieser Energiequellen, vor allem das Risiko des Atommülls, nicht gelöst ist, kann aber dieser Weg nicht beschritten werden. Effizienzrevolution Energie wird nach wie vor in grossen Quantitäten vergeudet. In vielen Bereichen kann dasselbe Ziel mit weit weniger Energieaufwand erreicht werden. Maschinen können effizienter konzipiert werden. Komputer können so eingesetzt werden, dass Mobilität ein Stück weit verringert wird. Autos können gebaut, die auf 100km nur wenige Liter Benzin benötigen. Der Transport kann von der Strasse auf die Schiene verlegt werden. Wohnungen können so isoliert werden, dass der Heizungsaufwand geringer wird, und vieles ähnliches mehr. Wenn diese Revolution konsequent durchgeführt wird, kann der Energiekonsum wesentlich verringert werden; viele sagen um die Hälfte, manche um drei Viertel, einige sogar um neun Zehntel. Senken schaffen Zu den Aufgaben gehört es weiter, den Wald als Senke von CO2-Ausstössen zu erhalten und so weit als möglich auszudehnen. Es ist allerdings nur in begrenztem Masse möglich, den Effekt solcher Massnahmen zu berechnen. Neue Wälder stellen auf alle Fälle nur eine vorübergehende Reduktion dar: der Effekt dauert, solange der Wald existiert. Die Zunahme der Waldbrände kann den durch neue Pflanzungen erreichte Gewinn leicht zunichtemachen. Politische Massnahmen Damit Massnahmen zur Reduktion der CO2-Belastung der Atmosphäre ergriffen werden, muss das Umfeld dafür geschaffen werden. Ob es sich um die Umstellung auf alternative Energiequellen, technologische Effizienz oder die Schaffung von Senken handelt, braucht es dafür Anstösse von aussen. Der blosse Appel an den Verantwortungssinn der Menschen reicht nicht aus. Es braucht eine Gesetzgebung, die die Verwirklichung der Reduktion zu einem wirtschaftlich begehrenswerten Ziel macht. Die Erhöhung des Energiepreises kann einerseits zu einer Verringerung des Energieverbrauchs führen, andererseits die Förderung der Solarenergie und die technologische Effizienz im allgemeinen zum wirtschaftlichen Vorteil machen. Indem der Verkehr auf der Strasse und in der Luft genötigt wird, für die Schäden, die er in Wirklichkeit anrichtet, aufzukommen, kann eine Verlagerung des Verkehrs und Transports auf weniger gefährliche Transportmittel gefördert werden. Ein veränderter Lebensstil. So wichtig alle diese Massnahmen sind, reichen sie doch für eine wirkliche Neuorientierung nicht aus. Durch technische Verbesserungen und politische Anreize allein wird das Ziel der Reduktion nicht erreicht werden können. Es braucht die Einsicht, dass gewisse Entwicklungen, die heute propagiert werden, nicht aufrechterhalten werden können. Es braucht die Bereitschaft, in gewissen Bereichen zurückzustecken. Das gilt zum Beispiel für die motorisierte Mobilität auf der Strasse und in der Luft. Um das zulässige Mass von Aussstössen nicht zu überschreiten, muss es zu einer ‚Kultur der begrenzten Mobilität’ kommen. Und ähnliches gilt in vielen andern Bereichen. Ein Lebensstil muss entwickelt werden, der sich an die Masse und Grenzen hält, die nach heutiger Erkenntnis unserer menschlichen Existenz auf dem Planeten Erde gesetzt sind. Diese letzte Ueberlegung ist wohl der entscheidende Grund dafür, dass die Verhandlungen über die Reduktion der Treibhausgase nur so langsam vorankommen. Im tiefsten Grunde des Herzens spüren wir, dass eine Korrektur unserer Lebensweise erforderlich ist, eine Korrektur, zu der wir heute nicht bereit sind und die wir darum so weit als irgendmöglich hinausschieben. Die Situation duldet keinen weiteren Aufschub Die Zeit zum Handeln ist überreif. Warten wir länger zu, werden Wetteranomalien von Jahr zu Jahr zunehmen. Warten wir länger zu, werden wir mitschuldig an der wachsenden Zahl der Opfer, die der Klimawandel fordert. Warten die europäischen Nationen weiter zu, verhindern sie, dass auch die Länder des Südens das ihre tun. Denn einzig, wenn sie – mit oder ohne Vereinigte Staaten – den ersten Schritt tun, kann möglicherweise die Tür zu einer umfassenden Lösung geöffnet werden. *** TEIL II Antwort der internationalen Gemeinschaft auf das Ergebnis - zunehmendes wissenschaftliches Beweismaterial IPCC und das Rahmenübereinkommen über den Klimawandel Mühsame Verhandlungen Von Rio de Janeiro nach Kyoto Die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls: Die globale Gemeinschaft auf dem Scheideweg Einleitung Die Verhandlungen über angemessene Maßnahmen, um den Klimawandel zu mildern, ziehen große Aufmerksamkeit auf sich. Die Medien berichten über jede Konferenz. Es gibt reichliches Gerede über Verantwortlichkeiten, Leistungen, Sackgassen und Fehler. Wie kommen diese Verhandlungen derzeit voran? Für den Uneingeweihten ist das Bild sehr verwirrend. Die Verhandlungen haben ihre eigene Fachsprache entwickelt. In diesem Abschnitt wollen wir daher einen kurzen Überblick über die Verhandlungen bringen. Der erste Artikel ruft den Hintergrund ins Gedächtnis zurück- die Bemühungen, die zur Annahme der Klimawechsel-Konvention auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 führten. Der zweite Artikel fasst die Ergebnisse seit Rio und den Inhalt des sogenannten KyotoProtokolls zusammen. Der dritte spricht die Chancen an, dass das Kyoto-Protokoll in der nächsten Zukunft ratifiziert oder nicht ratifiziert werden könnte. IPCC und das Rahmenübereinkommen über den Klimawandel Karin Lexén In den 1980er-Jahren, als das wissenschaftliche Beweismaterial für den Klimawandel anwuchs, begann die Internationale Gemeinschaft zu agieren. Der zwischenstaatliche Ausschuss über den Klimawandel (IPCC), eine wissenschaftliche Körperschaft mit einem Mandat, die Entwicklungen auf dem Gebiet des Klimawandels zu analysieren, wurde eingerichtet. Dieser Ausschuss publiziert regelmäßig „Bewertungsberichte“, die die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung zusammenfassen und die Folgerungen für die Zukunft des Planeten herauszufinden trachten. Der IPCC, eine einzigartige Körperschaft, ist aus Wissenschaftlern zusammengesetzt und dazu bestimmt, eine unabhängige wissenschaftliche Analyse des Klimawandels der Internationalen Gemeinschaft vorzulegen. Bei der zweiten Weltklimakonferenz (Genf 1990), wurde es klar, dass auch politisches Handeln verlangt war. In einer relativ kurzen Zeit kamen die Verhandlungen in Gang, um einen Entwurf für ein Rahmenübereinkommen über den Klimawandel (UNFCCC) auszuarbeiten. Das Übereinkommen, das fertig war, um auf der Konferenz über Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED) in Rio de Janeiro (1992) unterzeichnet zu werden, erreichte auch die Billigung durch eine beeindruckende Anzahl von Regierungsdelegationen. Seine Abmachungen wurden weniger als zwei Jahre später, am 21. März 1994, verbindlich, als der 50. Signatarstaat den Text ratifizierte. Das Rahmenübereinkommen über den Klimawandel Das Übereinkommen definierte die Aufgabe der Internationalen Gemeinschaft mit den folgenden Sätzen: „Das Endziel dieser Konvention und aller mit ihr zusammenhängenden rechtlichen Instrumente, die die Konferenz der Beteiligten annehmen kann, ist es, in Übereinstimmung mit den entsprechenden Vorkehrungen der Konvention, eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, das einen gefährlichen anthropogenen Eingriff in das Klimasystem verhindern sollte. Ein solches Niveau sollte in einem Zeitrahmen erreicht werden, der genügend groß ist, um es Ökosystemen zu erlauben, sich auf natürliche Weise an den Klimawandel anzupassen, um sicherzustellen, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht gefährdet ist und um es der ökonomischen Entwicklung zu ermöglichen, auf eine nachhaltige Weise voranzukommen“. (Artikel 2) Das Übereinkommen unterscheidet zwischen entwickelten und Entwicklungsländern. Während die entwickelten Länder - die sogenannten Annex I (Anhang-eins)-Länder - angehalten sind, ihre CO2Emissionen zu reduzieren, werden die Entwicklungsländer, zumindest gegenwärtig, von Reduktionen ausgenommen. Das Übereinkommen legt keine verbindlichen Ziele für die Reduktion in entwickelten Ländern vor, aber in Rio de Janeiro wurde ein Einvernehmen darüber erreicht, dass sie ihre Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahre 2000 auf das Niveau von 1990 reduzieren sollten. Der dritte Bewertungsbericht (TAR) des zwischenstaatlichen Ausschusses über den Klimawandel In 2001 veröffentlichte der IPCC seinen dritten Bewertungsbericht (TAR). Während frühere Berichte bei ihren Vorhersagen sehr vorsichtig waren, ist der dritte Bewertungsbericht deutlicher und lässt keinen Zweifel darüber, dass der Klimawandel stattfindet, und dies weitgehend durch den Beitrag menschlicher Aktivitäten. Einige der Befunde des dritten Bewertungsberichtes sind wie folgt: 1. a. Zeichen des Wandels Ein ansteigendes Maß von Beobachtungen gibt ein umfassendes Bild von einer sich erwärmenden Welt und andere Änderungen des Klimasystems. b. Die globalen durchschnittlichen Temperaturen der Erdoberfläche haben sich während des 20. Jahrhunderts um ungefähr 0,6 Grad Celsius erhöht. c. Es sieht ganz danach aus, dass die 1990er-Jahre weltweit die wärmste Dekade war und dass 1998 das wärmste Jahr seit 1861. d. Die Schnee- und Eisbedeckung hat abgenommen. e. Der globale durchschnittliche Meeresspiegel ist angestiegen und der ozeanische Wärmeinhalt hat zugenommen. f. Emissionen von Treibhausgasen und Aerosolen, beigetragen durch menschliche Aktivitäten, halten an, um die Atmosphäre in einer solchen Weise zu verändern, von der erwartet werden muss, dass sie das Klima beeinträchtigen wird. g. Die Konzentrationen der atmosphärischen Treibhausgase und ihre aufheizende Kraft erhöhten sich als ein Resultat menschlicher Tätigkeit weiter. h. Es gibt neues und stärkeres Beweismaterial dafür, dass die Erwärmung, die während der letzten fünfzig Jahre beobachtet wurde, hauptsächlich menschlicher Aktivität zuzuschreiben ist. (Arbeitsgruppe 2: „Klimawandel 2001 - Einwirkungen, Anpassung und Verletzbarkeit“). 2. a. Einwirkung auf physikalische und biologische Systeme Der gegenwärtige regionale Klimawandel - besonders die Temperatur nimmt zu - hat bereits viele physikalische und biologische Systeme getroffen. b. Es gibt vorläufige Indikationen darüber, dass einige menschliche Systeme durch die jüngsten Zunahmen an Überflutungen und Dürreperioden getroffen wurden. c. Natürliche Systeme sind in Hinblick auf den Klimawandel verwundbar und einige werden irreversibel geschädigt werden. d. Viele menschliche Systeme reagieren auf den Klimawandel empfindlich und manche sind verletzlich. e. Vorhersehbare Wechsel bei den klimatischen Extremen könnten große Konsequenzen haben. f. Das Potential für großmaßstäbliche und möglicherweise irreversible Einwirkungen zeigen Risken auf, die bisher noch nicht zuverlässig quantifiziert wurden. g. Anpassung ist in allen Maßstäben eine notwendige Strategie, um die Anstrengungen, den Klimawandel zu mildern, zu ergänzen. h. Jene mit den geringsten Ressourcen haben die geringste Kapazität, sich anzupassen und sind am verletzlichsten. (Arbeitsgruppe 3: „Klimawandel 2001 - Milderung“). 3. a. c. d. Potential an Maßnahmen Verschiedene Entwicklungswege können sehr unterschiedliche Mengen an TreibhausgasEmissionen hervorbringen. Geringere Emissionen erfordern unterschiedliche Entwicklungsmodelle für Energiequellen. Seit dem zweiten Bewertungsbericht (SAR) aus dem Jahr 1995 wurde ein signifikanter technischer Fortschritt im Hinblick auf die Reduktion der TreibhausgasEmissionen gemacht; dieser entwickelte sich rascher als vorausgesehen. Wälder, landwirtschaftliche Flächen und andere ländliche Öko-Systeme bieten ein signifikantes Potential für die Kohlenstoffabsenkung. Obwohl nicht notwendigerweise e. anhaltend, könnte die Bindung und die Absonderung des Kohlenstoffes eine Zeit für andere Optionen bieten, die weiter entwickelt und zur Ausführung gebracht werden könnten. Da es keinen einzigen Weg für künftige niedrige Emissionen gibt, müssen die Länder und Regionen ihren eigenen Weg wählen. *** Von Rio de Janeiro nach Kyoto Lynne Clark Die Konferenzen (COPs) Als die Klimakonvention ratifiziert war, begannen die Beteiligten über Möglichkeiten weiterer Schritte nachzudenken. Die erste Konferenz (COP 1) fand im März 1995 in Berlin statt. Der Unzulänglichkeit der Konvention, die in Rio angenommen worden war, gewahr, drängten viele Länder, darunter auch jene in der Europäischen Union (EU), auf strengere Festlegungen. Sie schlugen vor, dass die Beteiligten ein Protokoll zur Konvention mit klaren Zielvorgaben für die Reduktion annehmen sollten.1 Die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) brachte einen Protokollentwurf vor, in dem sie, ausgehend vom Niveau von 1990, bis zum Jahr 2005 eine 20 % Reduktion von Kohlendioxyd (CO2)-Emissionen in den industrialisierten Ländern forderte. Obwohl die AOSIS hinsichtlich ihrer Bevölkerungszahlen unbedeutend ist, hat sie ein moralisches Gewicht, weil sie die am meisten verwundbaren Nationen auf dem Planeten repräsentiert. Aber ihre wie auch andere Vorschläge hatten nur eine geringe Chance. COP 1 war nicht imstande, irgendein Protokoll anzunehmen; sie akzeptierte nur einen Zeitplan für die Ausarbeitung eines Protokolls, das vor dem Ende des Jahres 1997 abgeschlossen werden sollte. Verbindliche Reduktionsziele sollten für die Industrienationen festgelegt werden, dies mit einem gemeinsamen Verständnis darüber, dass Entwicklungsländern keine Ziele auferlegt werden sollten. Zwischen COP 1 und COP 3 in Kyoto (Japan, Dezember 1997), als die Länder der Tatsache gegenüber standen, dass rechtlich-verbindliche Ziele auf dem Weg waren, begann in der Tat ein ernster Kampf. Der Klimawandel, ein langzeitiges globales Umweltproblem, ist eine äußerst heikle Angelegenheit für Politiker, die in den kurzen Fristen ihrer Wiederwahl denken. Wer getraut sich, eine Gesetzgebung zu machen, die die Abhängigkeit von der motorisierten Mobilität oder von kohlebefeuerten Kraftanlagen in Frage stellt? Die Auto-, Kohlen- und Ölindustrien gebrauchten alle ihre Kraft, um gegen die Annahme von verbindlichen Zielen zu kämpfen. Länder brachten eine verwirrende Anzahl von Vorschlägen ein. Die meisten von ihnen waren lärmende Versuche, um effektive Reduktionsziele zu umgehen. Die Vereinten Staaten von Amerika (USA) schlugen eine Emissionsstabilisation bis zum Jahre 2012 auf dem Niveau von 1990 vor, während es die EU schaffte, ihre Glaubwürdigkeit in Umweltfragen durch den Ruf nach einer 15 % Reduktion bis 2010 zu erhalten. Auf der Basis von zahllosen Vorschlägen wurde ein 89 Seiten starkes Dokument zusammengestellt, das als Basis bei der COP 3 in Kyoto diente. Das Kyoto-Protokoll Nach einer erschöpfenden nächtlichen Sitzung, die erst am Morgen des 11. Dezember 1997 endete, stimmten die verhandelnden Parteien dem sogenannten Kyoto-Protokoll zu, in welchem Ziele für eine Reduktion von Treibhausgasen festgelegt wurden. Diese Ziele, die sich nur an die Industrienationen (einschließlich Osteuropas) wandten, variieren von Land zu Land (siehe Tabelle 1). Das durchschnittliche Ziel ist auf dem Niveau von 1990 eine 5,2 % Reduktion der Treibhausgase bis 2012 für die ganze Gruppe der industrialisierten Länder. Das ist selbstverständlich viel weniger als die 15 %, die von der EU vorgeschlagen wurden, und noch weiter entfernt von der 60 bis 80 % Reduktion, 1 Das Protokoll ist ein internationales Übereinkommen, das für sich selbst steht, aber an einen existierenden Vertrag gebunden ist. von der uns die Wissenschaftler sagen, dass sie gefordert sei, um den Prozess der globalen Erwärmung zu mildern. Aber die Schwäche dieses Zieles ist nur ein Teil der Geschichte. Viele Themen blieben ohne Antwort, um erst nach Kyoto gelöst zu werden. Das Protokoll eröffnete auch Möglichkeiten für Industrienationen, ihre Verpflichtung auf „flexiblen Wegen“ zu erfüllen. Ohne diese „Mechanismen“ hätten viele Länder dem Kyoto-Protokoll nicht zugestimmt. COP 6 in Den Haag im November 2000 sollte Regeln über einzelne dieser Prätexte bringen, speziell über: 1. die Senken, 2. den Emissionshandel, 3. saubere Durchführungsmechanismen und 4. die gemeinsame Ausführung. Dazu sollte auch eine Übereinkunft über die Regeln der Erfüllung und die Finanzierung beim Senken und Anpassen in den Entwicklungsländern erreicht werden. Gleichwohl konnte in Den Haag keine Übereinkunft erzielt werden. Entscheidungen mussten bis zur COP 6, Teil II, im Juli 2001 zurückgestellt werden. Ungelöste Fragen, über die verhandelt werden muss Senken Alle Pflanzen nehmen, während sie wachsen, Kohlendioxyd (CO2) aus der Atmosphäre auf. Sie sind „Senken“, weil sie Kohlendioxyd absorbieren. Das KyotoProtokoll versuchte, dies in Rechnung zu stellen, indem sie Ländern erlaubte, von ihren Emissionen die Menge des Kohlenstoffes, die von der Atmosphäre zwischen 2008 und 2012 durch Wälder, die seit 1990 gepflanzt worden waren, entzogen werden, abzuziehen. In ähnlicher Weise mussten Länder zu ihren Emissionen allen Kohlenstoff der Wälder, die zwischen 2008 und 2012 gefällt werden, dazuaddieren. Die riesigen Probleme, die mit dieser Rechnung verbunden sind, sind augenscheinlich. Senken sind äußerst schwierig zu berechnen. Schätzungen sind unsicher und ihre Feststellung teuer. Zum Unterschied davon sind Emissionen von fossilen Brennstoffen leicht zu kalkulieren. Aber viel wichtiger ist die Tatsache, dass Wälder, die einmal angelegt wurden, nicht für immer fortleben. Was passiert, wenn ein Land den Kohlenstoff der Wälder kalkuliert, um sein Ziel zu erreichen, und der Wald brennt nieder? Nicht zufrieden mit dem Kohlenstoff der Baumpflanzungen, wollen gewisse Länder, nämlich im speziellen die USA, Kanada, Australien und Japan, eine Genehmigung, eine Gutschrift zu fordern, nicht nur für das Bäumepflanzen, sondern lediglich deshalb, weil sie Wälder auf ihrem Territorium haben. Diese Wälder, behaupten sie, sind bewirtschaftet und schützen vor CO2. Die Kohlendioxydmengen, die hier auf dem Spiele stehen, sind enorm und könnten leicht die Reduktionsziele großer Länder, wie z. B. die USA, annullieren. Selbstverständlich würde, wenn ein Wald niederbrennt (wie dies kürzlich in den USA geschah) dies als natürliche, nicht als (vom Menschen) verursachte Emissionen betrachtet werden und würde solcherart das Ziel nicht berühren. Es ist noch schwieriger, in Berechnungen das Kohlendioxyd mit einzubeziehen, das durch den Boden absorbiert worden ist. Große Mengen von Kohlendioxyd werden in den Böden gemäßigter Regionen, wo niedere Temperaturen die Vermoderung verlangsamen, zurückgehalten. Ein Wechsel landwirtschaftlicher Techniken zu solchen, die mehr Kohlenstoff im Boden halten, können als eine Senke gelten. Monsanto – eine multinationale landwirtschaftlich- pharmazeutische Gesellschaft mit dem Sitz in den USA – hat eine Sojabohne produziert, die als „Roundup Ready“ bekannt ist; diese wurde genetisch modifiziert, damit sie dem Monsanto-Herbizid „Roundup“ widerstehen kann. Der Landwirt tötet alle Unkräuter, indem er die Sojabohne mit dem Herbizid besprüht; die Pflanze überlebt und der Landwirt muss sich die Unkräuter nicht durch andere Methoden, wie durch das Umpflügen, vom Halse schaffen. Monsanto behauptet, weil der Landwirt es nicht nötig hat, den Boden zu stören, um die Unkräuter los zu werden, dass der Bodenkohlenstoff erhalten bleibt. Wenn eine derartige Bewahrung des Bodenkohlenstoffes unter dem Kyoto-Protokoll angenommen wird, könnte Monsanto verlangen, dass das Pflanzen ihrer „Roundup Ready“-Sojabohne eine Emissionsreduktion ergeben würde, die der Landwirt später verkaufen könnte. Ein einfaches Argument nutzend, bestanden die USA darauf, die Kohlenstoffspeicherung im Boden als einen Teil der Senkenberechnung einzuschließen. Emissionshandel Der Emissionshandel kann als das Erkaufen als einer Erfüllung des Zieles verstanden werden. Wenn ein Land seine Emissionen reduziert, kann es einiges von seinen Reduktionen einem anderen Land, das Schwierigkeiten das Ziel zu erreichen hat, verkaufen. Im Idealfall würde das ein kosteneffektiver Weg sein, um zu einem gewissen Preis soviel wie möglich Emissionen zu reduzieren. Während dies in der Sprache der Investition die geringst möglichen Kosten bedeuten würde, gibt es in der Realität viele Hindernisse. Die Ziele, die den einzelnen Ländern zugeteilt wurden, sollten den einzelnen Ländern ihre Kapazität, Reduktionen zu erreichen, aufzeigen. Die Zuweisung nahm auch den Entwicklungsstand und die ökonomischen Möglichkeiten in Betracht. Gleichwohl wurden einige Ziele künstlich sehr niedrig gehalten. Russland z. B., wo die Emissionen im Jahr 2012 die gleichen sein sollten wie jene im Jahre 1990 (und wahrscheinlich in der nahen Zukunft auf das Niveau von 1990 ansteigen werden), hat ein Ziel von 10 %. 1998 waren die russischen Emissionen 37 % unter dem Niveau von 1990 und in gleicher Höhe wie die Emissionen von Frankreich und Deutschland zusammen. Russland könnte daher „Emissionsrechte“ an andere Länder, wie solche wie die USA, verkaufen, was bedeuten würde, dass weder die USA noch Russland ihre Emissionen zu reduzieren hätten. Der Effekt würde in diesem Fall insgesamt ein Ansteigen der Treibhausgasemissionen bedeuten, ein Umstand, der als „heiße“ Luft zu bezeichnen ist. Ein anderes wichtiges Problem mit dem Argument der Kosteneffizienz ist, dass die Reduktion, wo immer sie am billigsten ist, eigene Aktionen nicht inspirieren würde und daher auch die technische Innovation nicht stimulieren würde. Die technische Innovation ist häufig teurer als in bereits in anderen Ländern existierende Techniken zu investieren. Sauberer Entwicklungsmechanismus (Clean Development Mechanism - CDM) Im Kyoto-Protokoll wurden keine Reduktionsziele für die Entwicklungsländer festgelegt. Entsprechend der Klimakonvention müssen die entwickelten Länder die Führerschaft übernehmen, um die Emissionen zu reduzieren. Den am schwächsten entwickelten Ländern muss es hingegen nach wie vor erlaubt sein, ihre Emissionen zu erhöhen, um ihre eigenen Ökonomie aufzubauen. Auf der anderen Seite ist es lebensnotwendig, dass diese Länder in den Stand gesetzt werden, schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in saubere und nachhaltige Energiesysteme zu investieren. Der CDM kann auf folgende Weise erklärt werden: Wenn ein industrialisiertes Land, z. B. Frankreich, einem anderen, wie z. B. Botswana, hilft, um sich in einer „sauberen“ Art und Weise zu entwickeln, und das mit weniger Treibhausgasemissionen als auf andere Weise, so kann die ersparte Emissionsmenge vom Ziel Frankreichs abgezogen werden. Während der CDM helfen kann, künftige Emissionsprobleme in den Entwicklungsländern zu umgehen, gibt es ernste Probleme. Von entwickelten Ländern wird erwartet, dass sie ein mittleres Reduktionsziel von 5,2 % erreichen. Gleichwohl, wenn ein entwickeltes Land (das derzeit verpflichtet ist zu reduzieren) in ein Entwicklungsland unter dem CDM investiert, wird das 5,2 %-Ziel jenes Landes effektiv gesenkt. Wir sind hier wieder mit dem gleichen Problem konfrontiert: Der CDM ist ein System einen aus seinen eigenen Aufgaben freizukaufen. Was noch störender ist, ist, dass das Kyoto-Protokoll die nukleare Energie noch nicht als „reine“ Technik ausgeschlossen hat. Obwohl die Regeln strenger wurden, können noch immer Länder, die für die Kernenergie sind so wie Frankreich, helfen, Kernkraftwerke in China, Brasilien oder in einigen anderen Entwicklungsländern zu bauen und Emissionsreduktionen für sich selbst beanspruchen. Es gibt auch ein Schlupfloch innerhalb eines Schlupfloches: Senken im CDM. Länder, wie die USA, Japan und Australien schlagen vor, Wälder in den Entwicklungsländern aufzukaufen, um sich vor der eigenen Entwaldung zu schützen und dann die Kohlenstoffmenge, die in den Bäumen gebunden ist, von ihrem eigenen Ziel abzuziehen. Das mag ein Waldgebiet in einer kurzen Zeitspanne schützen, aber auf lange Zeit hin tut es nichts dazu, um den Klimawandel zu verhindern. Schließlich wird auch der Klimawandel gerade den Wald angreifen, der geschützt wird. Eine alternative Form der Senken im CDM ist es, natürliche Wälder durch Pflanzungen zu verdrängen. Da die Entwicklungsländer nicht verpflichtet sind, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, scheinen Emissionen, die auf die Entwaldung zurückgehen, in keiner Berechnung auf. Daher kann ein entwickeltes Land ein entwaldetes Gebiet erstehen, es mit rasch wachsenden Bäumen, wie Eukalyptus, bepflanzen und dann die Menge des Kohlenstoffes, die in den Eukalyptusbäumen gespeichert ist, von seinem Ziel absetzen. In diesem Fall verliert die Atmosphäre zweifach: 1. durch die Kohlenstoffemissionen, die vom gefällten Wald herstammen und 2. durch das CO2 aus der Industrie, aus der Energie und aus dem Transport, welches das entwickelte Land nun legitimer Weise emittiert. Legitimerweise deshalb, weil es Bäume im entfernten Land gepflanzt hat. Das Arrangement ignoriert auch völlig das Problem des Biodiversitätsverlustes und den Wandel in der Wasserversorgung, den die neue Pflanzung hervorbringt. Gemeinsame Ausführung (Joint Implementation - JI) Die Joint Implementation wurde als Möglichkeit bereits in der Klimakonvention (Rio 1992) genannt. Zu dieser Zeit wurde es als unzulässiges Schlupfloch betrachtet, aber die Vorschläge, die seit Kyoto gemacht werden, lassen die Probleme der Joint Implementation im Vergleich gering erscheinen. Was ist die gemeinsame Ausführung? Ein JI-Projekt wird zwischen zwei industrialisierten Ländern ausgeführt; sagen wir, die Niederlande unternehmen ein Projekt, um energieeffiziente Boiler in einem Hausprojekt in der Slowakei zu installieren. Alle Emissionen, die erspart blieben, würden vom niederländischen Ziel abgezogen werden. Obwohl dieses Beispiel vernünftig klingt, gibt es auch hier Probleme. Manche Länder vermuten, dass auch der Bau von Kernenergieanlagen in die Liste der JI-Projekte eingeschlossen werden soll. Es gibt auch den Vorschlag, die Bildung von Senken in dieses Schema einzubeziehen. Kurz gesagt, die Nachteile des CDM spielen auch hier eine Rolle. Internationale Bunker Wenn Flugzeuge und Schiffe Treibstoffe verwenden, um nationale Grenzen zu überschreiten, für welches Land werden die daraus entstehenden Emissionen gezählt? Das Problem wurde noch nicht gelöst und daher sind die Emissionen der internationalen Luftfahrt oder Schifffahrt nicht in die Ziele eingeschlossen. Diese Lücke ist sehr ernst, weil die Luftfahrt nun rasch ein sehr wichtiger Mitwirkender bei der Verschmutzung der Atmosphäre wird. Der CO2-Ausstoss der Luftfahrt nimmt pro Jahr um 3 % zu und beträgt heute schon 2,4 % aller Emissionen aus fossilen Energieträgern. Im Jahr 1999 veröffentlichte das IPCC einen detaillierten Bericht über den Einfluss der Luftfahrt auf den Treibhauseffekt. Früher oder später wird man mit dieser Veröffentlichung konfrontiert werden. Auch die Emissionen, die auf militärische Aktivitäten zurückgehen, wurden bei der Festlegung der Ziele ignoriert. *** Die Ratifikation des Kyoto-Protokolls: Die globale Gemeinschaft auf dem Scheideweg Karin Lexén Marijke van Duin Nach dem Versagen der Sechsten Konferenz der Signatarstaaten, Teil I, in Den Haag im November 2000 näherte sich die Weltgemeinschaft dem letzten Scheideweg im Hinblick auf das Kyoto-Protokoll. Gab es noch immer eine Hoffnung, ein Rahmenwerk für gesetzlich verbindliche weltweite Verpflichtungen zu schaffen, die auf den Kampf gegen den Klimawandel abzielten? Trotz all seiner Schwächen bleibt das Kyoto-Protokoll unleugbar das Resultat harter mehrjähriger Verhandlungen. Seit Kyoto haben die Staaten mit der Absicht weiter verhandelt, auf der COP 6 ein endgültiges Übereinkommen zu erreichen. Aber in Den Haag waren die Differenzen noch immer zu groß, besonders zwischen der Europäischen Union und der sogenannten „Umbrella Group“ (Dachgruppe), bestehend aus den USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland. Der Präsident der COP 6, der niederländische Umweltminister Jan Pronk, musste zu dem Schluss kommen, dass kein Konsens hinsichtlich der wesentlichen Teile des Protokolls erreicht werden konnte und dass es daher unmöglich war, die Aufgabe von COP 6 in Den Haag abzuschließen. Er kündigte an, dass COP 6 unterbrochen und später noch einmal einberufen werden würde. Während der Monate nach COP 6, Teil I, beschäftigten sich verschiedene Gruppen von Ländern in angestrengten bilateralen Verhandlungen, Lösungen für die ungelösten Themen zu finden, wie: 1. Wie sollten Senken berechnet werden? Welche Aktivitäten gelten als Emissionsreduktion und wie sollten sie berechnet werden? Die Dachgruppe und die EU diskutierten, ob eine Grenze festgelegt werden solle für die Reduktionen, die durch Emissionshandel und die flexiblen Mechanismen CDM und JI erreicht werden. Während die EU dafür eintrat, dass mindestens 50 % des Reduktionszieles durch eigene Aktionen erreicht werden sollte, verlangten andere Annex-I-Länder, dass keinerlei Begrenzungen gesetzt werden sollten. Eine Definition von „eigenen Aktionen“ war also erforderlich. Darüber hinaus bestanden nach wie vor Unklarheiten über die Regeln des Emissionshandels. Ein anderes Thema, das weiterer Klärung bedurfte, war die Einhaltepflicht: Welche Regeln sollten für den Fall angewandt werden, dass ein Staat sein im Kyoto-Protokoll festgelegtes Reduktionsziel nicht erreicht? Schließlich fordern die Entwicklungsländer die Finanzierung von Projekten im Zusammenhang mit dem Klimawandel, insbesondere die Ermöglichung effizienterer technologischer Einrichtungen. Bonner Abkommen Im März 2001 erklärte Präsident George W. Bush, dass die Vereinigten Staaten nicht bereit seien, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren; als Grund gab er an, dass die von den Vereinigten Staaten geforderten Reduktionen den wirtschaftlichen Interessen des Landes zuwiderliefen. Diese unverblümte Ablehnung beschwor eine neue und gefährlichere Situation herauf. Um ein verbindlicher Text zu werden, muss das Kyoto-Protokoll von mindestens 55 Länder ratifiziert werden, die zusammengenommen für mindestens 55% aller CO2-Emissionen der Annex-Staaten im Jahre 1990 verantwortlich sind. Da die USA für ungefähr 25% verantwortlich sind, muss das Protokoll, um seine Durchführung möglich zu machen, faktisch von allen übrigen industrialisierten Ländern ratifiziert werden. Die Europäische Union hat sich immer darauf festgelegt, eine Ratifikation des Protokolls vor dem UN-Weltgipfel über nachhaltige Entwicklung zu erreichen, der im September 2002 in Johannesburg stattfinden soll (auch als „Rio + 10“ bezeichnet: 10 Jahre nach der UNCED in Rio de Janeiro). Daher war die in Bonn im Juli 2001 wieder aufgenommene COP 6, Teil II, von größter Bedeutung. In einer letzten Anstrengung das Kyoto-Protokoll zu retten gab es keine andere Wahl als ein Übereinkommen über die Haupthindernisse zu erreichen. Daher war auch die EU, die zwar daran festhielt, dass die auf die Umwelt bezogene Vollständigkeit des Protokolls unberührt bleiben sollte, zu Konzessionen bereit. Da andere große Industrienationen, vor allem Japan, eine Hauptrolle in den Verhandlungen in Bonn spielten, wurden substantielle Zugeständnisse an diese Länder gemacht. Schließlich wurde nach langen und harten Verhandlungen am 23. Juli 2001 ein Übereinkommen erreicht. Dieses Bonner Abkommen, ein politisches Übereinkommen, das zwischen den Umweltministern der Länder erreicht wurde, zielt darauf ab, die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls zu erleichtern. Die Konzessionen, besonders im Hinblick auf die Anwendungen von Senken, haben aber die Effektivität des Kyoto-Protokolls beträchtlich geschwächt. Für Japan z. B. wurden die Netto-CO2Emissionsreduktionen (nach Kalkulationen des WWF) von 6% in den Jahren 2010 bis 2012 auf nur 1% gesenkt. Darüber hinaus konnte über viele Kernthemen, so wie die Einhaltpflicht, nur ein undeutliches Abkommen erreicht werden. Viel mehr Arbeit über diese Themen wird noch bei den nachfolgenden Konferenzen (COPs) geleistet werden müssen. Ein sehr positiver Aspekt des Bonner Abkommens ist, dass die Nutzung der Kernenergie für CDM-Projekte nicht erlaubt ist. Zieht man die Bilanz, so ist es klar, dass auf der einen Seite das Bonner Abkommen einen Sieg für die internationale Gemeinschaft darstellt. Sie hatte den Mut, an dem Kyoto-Protokoll auch ohne die Vereinigten Staaten festzuhalten. Auf der anderen Seite hat das Bonner Abkommen unleugbar die Wirksamkeit des Protokolls geschwächt. Das Ergebnis bedeutet de facto, dass die Industrienationen keine echte Massnahmen zum Schutz der Umwelt ergreifen. Wenn das Protokoll auch überlebt hat, muss es von den Industrienationen in den kommenden Monaten ratifiziert werden, und es könnte leicht geschehen, dass noch andere Annex-I-Länder sich von dem Protokoll zurückziehen und damit den ganzen Prozess noch einmal gefährden. Mit anderen Worten: Die Schlacht ist noch weit davon entfernt, endgültig geschlagen zu sein. Was ist die Rolle von Europa in all dem und was können die Kirchen tun? Europa, besonders die Europäische Union, hat eine entscheidende Führungsrolle während der COP 6 gehabt. Die europäischen Kirchen sollten ihre Regierungen dazu drängen, ihre Verantwortung wahrzunehmen, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren und in ihrer Führungsrolle weiterzufahren. Zur gleichen Zeit sollten die Kirchen wachsam bleiben und unentwegt darauf hinweisen, dass das Kyoto-Protokoll, besonders nach dem Bonner Abkommen, nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem wirksamen Schutz von Gottes Schöpfung ist. *** TEIL III Die Antwort der Kirchen auf die Bedrohung durch den Klimawandel Der Ökumenische Rat der Kirchen - die Europäischen Ökumenischen Versammlungen Die Römisch-Katholische Kirche Einleitung Die Gesellschaft insgesamt war lange Zeit nur wenig überzeugt von der Bedrohung durch den Klimawandel. Die Warnungen der Wissenschaftler fanden keine Beachtung und eine Haltung von Gleichgültigkeit beherrschte weite Kreise. Obgleich inzwischen die meisten Menschen Kenntnis von den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen haben, bleibt das Thema vor allem dann ein Tabu, wenn Folgerungen für den Lebensstil in den Industrienationen zu ziehen sind. Die Kirchen bilden dabei keine Ausnahme. Sie fühlen sich nicht selbstverständlich zum Handeln aufgerufen. Frühzeitig haben einzelne Stimmen aus den Kirchen auf das Problem aufmerksam gemacht. In den 70er Jahren z.B. tauchte die ökologische Krise auf der Tagesordnung des Ökumenischen Rates der Kirchen auf und zunehmend wurden Anzeichen von Verschlechterung der Umwelt auch auf der Ebene der Ortsgemeinden angezeigt, insbesondere in der industrialisierten Welt. In den 80er Jahren wurde der Ernst des Themas Klimawandel von einer wachsenden Zahl von Christen wahrgenommen und mehrere protestantische Kirchen lenkten mit veröffentlichten Verlautbarungen die Aufmerksamkeit ihrer Gläubigen auf die neue Herausforderung. Auch die Römisch-Katholische Kirche veröffentlichte einige Erklärungen zur globalen ökologischen Krise, in der sich ein Hinweis auf den Klimawandel findet. Eine Gruppe engagierter Wissenschaftler brachte das Thema mit Nachdruck in die Erste Europäische Ökumenische Versammlung in Basel 1989 ein und in den frühen 90er Jahren setzte der Ökumenische Rat der Kirchen sein Programm zum Klimawandel in Gang. Seitdem ist der ÖRK beteiligt in einem weiten Feld von Aktivitäten, die alle darauf zielen, das Bewusstsein aller Christen und der Gesellschaft insgesamt zu wecken. Unzweifelhaft hat jede auf lokaler Ebene durchgeführte Aktion größere Bedeutung als öffentliche Erklärungen. Während der letzten zehn Jahre haben sich immer mehr christliche Gemeinden beteiligt an Umweltschutzprogrammen und sind Anwälte eines neuen, verantwortlicheren und energiebewussteren Lebensstiles geworden. Allerdings gibt es große Unterschiede von Land zu Land und speziell zwischen West- und Osteuropa. Aber zur gleichen Zeit steigt das Bewusstsein, dass die europäischen Kirchen mehr Einsatz im Kampf für eine nachhaltige Zukunft aufbringen müssten. Der Ökumenische Rat der Kirchen und die Europäischen Ökumenischen Versammlungen Jaap van der Sar Auf der Suche nach einer nachhaltigen Gesellschaft in den 70er Jahren Seit den frühen 70er Jahren steht die Verantwortung für die Umwelt auf der Tagesordnung der Ökumenischen Bewegung. Erstmalig hat 1974 in Bukarest eine Konferenz des Ökumenischen Rates der Kirchen über „Kirche und Gesellschaft“ von einer nachhaltigen Gesellschaft (sustainable society) als einem zu verfolgenden Ziel gesprochen. Die Erklärung lautet : „Das Ziel muss eine starke, nachhaltige Gesellschaft sein, in der sich jedes Individuum sicher fühlen kann, das seine Lebensqualität pflegt und verbessert. Wir können bereits einige unerläßliche Charakteristica dieser stabilen Gesellschaft skizzieren. Erstens kann soziale Stabiblität nicht erreicht werden ohne eine gerechte Verteilung knapper Versorgungsgüter und ohne eine gleichberechtigte Mitwirkung an sozialen Entscheidungen. Zweitens wird eine starke, globale Gesellschaft nur dann nachhaltig sein, wenn der Nahrungsmittelbedarf jeder Zeit unter der globalen Versorgungskapazität liegt und wenn die Schadstoffemissionen die Absorbtionskraft des Ökosystems unterschreiten. Drittens wird die neue soziale Gemeinschaft nur so lange dauerhaft sein, als die Verbrauchsrate nicht-erneuerbarer Ressourcen nicht das Wachstum jener Energiequellen überschreitet, die durch technische Neuerungen nutzbar gemacht werden können. Schließlich erfordert eine nachhaltige Gesellschaft ein Niveau menschlicher Aktivität, das nicht nachteilig beeinflusst wird von andauernden, großen und häufigen naturbedingten Veränderungen des globalen Klimas. 2 Hier geht es nicht nur um die Bewahrung der Schöpfung und der Umwelt, sondern ebenso um die Stellung des Menschen in der Natur und der Welt. Die Erklärung betont, dass Schutz der Umwelt und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand gehen müssen. Viele Umweltschützer der 80er Jahre stimmten mit dieser Auslegung des Wortes „nachhaltig“ nicht überein. Für die Kirchen jedoch war es eine Selbstverständlichkeit, dass Sorge für die physische Schöpfung nur dann erfolgreich betrieben werden kann, wenn Menschen nicht unter Druck stehen durch eine Verminderung fundamentaler Werte wie Nahrung und Obdach. Konsequenterweise muss Gerechtigkeit Teil dieser Zielsetzung sein. Die Erkenntnisse der Bukarester Konferenz wurden aufgenommen von der Fünften Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Nairobi (1975), die an die Kirchen appellierte, sich für „eine gerechte, nachhaltige und partizipatorische Gesellschaft“ einzusetzen. Der Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung In den 80er Jahren kam diese Verpflichtung einen Schritt weiter. Auf seiner Sechsten Vollversammlung in Vancouver (1983) empfahl der Ökumenische Rat der Kirchen seinen Mitgliedskirchen, sich in einem „konziliaren Prozess gegenseitiger Verpflichtung für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“ zu engagieren. Der Vorschlag brauchte einige Zeit, um endgültige Gestalt anzunehmen. Aber während der ganzen Dekade gab die Formulierung den Kirchen Anleitung, sowohl auf der globalen als auch auf europäischer Ebene. Im Bemühen um eine breitere Basis für diese Bewegung berief der Ökumenische Rat der Kirchen 1990 eine Weltversammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ein. In dem Abschlußbericht hat die Versammlung wiederum großen Nachdruck gelegt auf die Untrennbarkeit der Belange von Gerechtigkeit und für den Schutz des göttlichen Geschenks der Schöpfung. „Wir versprechen (feierlich), uns (für folgende Anliegen) einzusetzen. Wir wollen, dass unsere Kirchen dies ebenfalls tun. 2 Für die gemeinsame Suche nach Möglichkeiten, wie wir in Harmonie mit der Schöpfung Gottes leben können. Zu diesem Zwecke wollen wir Konferenz der Abt. Kirche und Gesellschaft des Ökumenischen Rates der Kirchen, Bukarest, 1974, aus dem Englischen übersetzt, S.12 1.1 unser biblisches Verständnis der Schöpfung vertiefen, alte Traditionen wiederaufleben lassen (...) und neue theologische Ansätze zum Schöpfungsverständnis und zur Stellung des Menschen in der Ordnung der Schöpfung entfalten (...); 1.2 in unseren kirchlichen Gemeinschaften einer Spiritualität Raum geben, die den sakramentalen Charakter der Schöpfung anerkennt und das Konsumverhalten in Frage stellt; 1.3 Bildungsprogramme entwickeln, die die Achtung vor der Ganzheit der Schöpfung vermitteln, und in unseren Kirchen ein solches gemeinschaftliches Leben entfalten und so mit den Ressourcen umgehen, dass daran deutlich wird, dass wir uns der eigenen Würde von Gottes Schöpfung bewusst sind; 1.4 weltweit und auf Ortsebene mit Umweltschützern, Wissenschaftlern, sozial engagierten Gruppen, jungen Menschen, Politikern, Wirtschaftlern und Menschen aus anderen Lebensbereichen und Religionen zusammenarbeiten, die sich für gerechte gesellschaftliche Verhältnisse einsetzen und mithelfen, das ökologische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten (...); 1.5 Gottes Schöpfungsgabe durch das Miteinanderteilen des Reichtums der Erde schützen und feiern, damit alle Menschen leben können. (...). 2. Für gemeinsame weltweite, lokale und persönliche Bemühungen um den Schutz und die Erhaltung der Erdatmosphäre. In diesem Zusammenhang wollen wir 2.1 dafür sorgen, dass wir selbst und unsere Kirchen über ausreichende Informationen über die derzeitige Krise verfügen, die durch die Störung des chemischen Gleichgewichts und durch Klimaveränderungen ausgelöst wird; 2.2 die Warnungen der Wissenschaftler und die Erfahrungen der Urvölker sowie auch derer, die von Klimaveränderungen vermutlich als erste betroffen sein werden, ernst nehmen; 2.3 durch ökumenische Zusammenarbeit Konzepte und Programme ausarbeiten, die Christen in aller Welt veranlassen, sich an Aktionen zur Stabilisierung der Atmosphäre zu beteiligen; 2.4 uns an Netzwerken mit anderen Kirchen, Umweltorganisationen, Basisbewegungen wissenschaftlichen Verbänden und anderen Gruppen beteiligen, die sich um die Bewusstseinsbildung bemühen und die Ursachen der Zerstörung der Atmosphäre aktiv bekämpfen; 2.5 die Bemühungen internationaler Organisationen, wie z.B. des UN-Umweltprogramms (UNEP) und der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) unterstützen, den Nationen der Welt Abkommen zur Ratifizierung zu unterbreiten, die die Erdatmosphäre für die kommenden Generationen schützen. 3. Für einen weltweiten Widerstand gegen die Ursachen der Schädigung der Erdatmosphäre und für die Bekämpfung ihrer Folgen (...) 3.7 (durch) die Gründung eines internationalen Solidaritätsfonds zur Erhaltung der Erdatmosphäre (...), der aus der Besteuerung von Kohlendioxyd-Emissionen, die über dem internationalen Durchschnitt liegen, finanziert wird und dazu verwandt werden könnte, Entwicklungsländern Technologien zugänglich zu machen, die weniger umweltschädlich sind, sowie Projekte durchzuführen, die der Entwaldung entgegenwirken und die Wiederaufforstung unterstützen; 4. Wir rufen die Kirchen auf, die unerlässliche Umkehr aus einem Denken zu fördern, das unbegrenzten Energieverbrauch und unbegrenztes wirtschaftliches Wachstum stützt (...). 3 5. Wir verpflichten uns persönlich, die Verwirklichung dieser Ziele zu fördern und zu erleichtern (...).“ 3 Ökumenischer Rat der Kirchen (Hrsg): „Die Zeit ist da, Schlussdokumente und andere Texte“ der Weltversammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, Seoul 1990, Genf 1990 – zitiert nach der endgültigen, überarbeiteten Fassung des Schlussdokuments, übersetzt vom Sprachendienst des ÖRK, S 35-38. Wachsendes Bewusstsein einer bedrohlichen Klimaänderung In den 80er und frühen 90er Jahren begann ein Bewusstsein des Klimaproblems in den christlichen Kreisen zu wachsen. Einige kirchliche Aktionsgruppen, vornehmlich protestantische, initiierten Kampagnen, um das Gewissen der Öffentlichkeit zu wecken. Etliche Kirchen gaben Erklärungen ab (Vereinigte Kirche von Kanada, Presbyterianische Kirche der Vereinigten Staaten, Kirche von Schweden, EKD, Schweizer Protestantische Föderation, Holländische Kirchen) und der Papst widmete einen Abschnitt seines Briefes anlässlich des Weltfriedenstages (1990) der Bedrohung durch den Klimawandel. Ein konsequentes Zeugnis kam vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel, zunächst durch Dimitrios I und später durch Bartholomäus I. Gelegentlich der Ersten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel (1989) waren sich die Vereinigte Kirchen von Kanada und die Schweizer Protestantische Föderation einig, gemeinsam eine Konferenz von Kirchen in industrialisierten Ländern einzuberufen, um miteinander ihre Verantwortung zu bedenken. Diese Übereinkunft nahm Gestalt an während der Weltversammlung in Seoul, und im Januar 1991 wurde eine Konferenz nach Gwatt, Schweiz, einberufen, in die protestantische und Orthodoxe Kirchen und auch einige Römisch-katholische Bischofskonferenzen einbezogen waren. Der Bericht der Konsultation legt das Gewicht auf die besondere Verantwortung der industrialisierten Länder. Die Nutzung fossiler Brennstoffe wird als eigentliche Grundlage des westlichen Lebensstiles angesehen. Ohne diese Energiequellen wären die gegenwärtigen Verhaltensmuster des Konsums und der Mobilität nicht möglich. Die in der Erde in Millionen von Jahren entstandenen Energiereserven weisen nach einer verhältnismäßig kurzen Zeit Anzeichen der Ausschöpfung auf. Da sie nicht wieder aufgefüllt werden können, muss Gewicht auf erneuerbare Energien gelegt werden. Um das zu erreichen sind neue Technologien erforderlich – und auch bei Entwicklung neuer Technologien ist ungewiss, ob das gegenwärtige Niveau des Energieverbrauches beibehalten werden kann. Kirchen tendieren dazu, die Zwiespältigkeit von Technologie zu betonen. Allgemein jedoch wird sie als neutral betrachtet; die entscheidende Frage ist, wofür sie von Menschen in Anspruch genommen wird. Obwohl Gerechtigkeit einen Technologietransfer von den industrialisierten Nationen zu den Entwicklungsländern erfordert, zeigen die Erfahrungen, dass dies nicht geschieht. Im Allgemeinen profitieren Arme nicht von neuen Technologien, weil solche Übermittlung die Erlöse der Reichen und Mächtigen schmälern würde. Die Arbeit des Ökumenischen Rates der Kirchen Der Ökumenische Rat der Kirchen hat die Vorschläge der Weltversammlung in Seoul (1990) und der europäisch/amerikanischen Konferenz in Gwatt dadurch aufgenommen, dass er sich für Aktivitäten in Sachen Klimawandel einzusetzen begann. Er entsandte Beobachter zu mehreren Tagungen der Vereinten Nationen, die an dem Entwurf eines Rahmenabkommens für den Klimawandel (UNFCCC) arbeiten, und 1992 gelegentlich des Weltgipfels (Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung, UNCED) eine spezielle Kirchenkonferenz organisierten, um die Überzeugungen von Christen bekannt zu machen und gleichzeitig die Aufmerksamkeit der Kirchen auf die Bedeutung der UN-Konferenz (UNCED) zu lenken. Dabei waren alle Teile der Welt vertreten. In den Jahren nach der Rio-Konferenz hat der ÖRK seine Aktivitäten fortgesetzt. Auf der einen Seite beobachtete er regelmäßig und kritisch die Verhandlungen über die Klimakonvention; an allen Konferenzen über die einzelnen Abschnitte (COPs) war eine Projektgruppe von Kirchenleuten beteiligt. Andererseits widmete der ÖRK viel Zeit und Energie für Überlegungen, welche Folgerungen sich aus dem Klimawandel für das Zeugnis der Kirchen ergeben. Drei Konsultationen sind abgehalten worden mit Vertretern von allen Kontinenten, unterschiedlicher Denominationen und verschiedenen Einstellungen zu Natur und Umwelt. Die erste, bald nach Rio, ergab ein Studienhandbuch für die Kirchen, das unter dem Titel „Beschleunigter Klimawandel : Zeichen der Gefahr, Test für den Glauben“ im Jahre 1994 in Genf erschien. 1997 gab der ÖRK in Kyoto eine kurze Erklärung heraus, jetzt zitiert als „Gerechtigkeitserklärung“ (Justice Statement), in der unterstrichen wird, dass Klimawandel zu neuen Formen der Ungerechtigkeit führt. Der Lebensstil in den industrialisierten Ländern verursacht ungeheueres Leiden der Armen. Gerechtigkeit erfordert Verantwortung zu übernehmen, und alle Anstrengungen sind solange vergeblich, wie die entwickelten Staaten versäumen, gemäß ihrer Verantwortung zu leben. Keine gemeinsame Politik wird so erreicht werden, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Die Erklärung ist sehr klar und stellt eine repräsentative Zusammenfassung der Überzeugungen dar, die in der ökumenischen Bewegung gewachsen sind. Das Eintreten für die Bewahrung der Schöpfung muss verbunden werden mit dem Eintreten für soziale Gerechtigkeit. Gerechtigkeit muss der Ansatzpunkt sein, wenn wir bestimmen, was Nachhaltigkeit ist. Die Gerechtigkeitserklärung macht geltend: „Gerechtigkeit bedeutet, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Gefördert durch das derzeitige Wirtschaftsmodell waren und sind die Reichen der Welt verantwortlich für eine übergroße Mehrzahl an Emissionen, die den von Menschen verursachten Klimawandel auslösen, aber sie sind nicht willens, ernsthaft ihre Verantwortung einzugestehen und in neue Handlungsweisen zu übertragen. Es ist schon ironisch, wenn Länder, die ihre einheimischen Rechtsprinzipien rühmen, sich als Herren des Rechts fühlen, wenn es um ihre internationalen Verpflichtungen bezüglich des Klimawandels geht. Gerechtigkeit bedeutet, zur Rechenschaft gezogen werden für gegebenes Versprechen. Die Reichen der Welt haben ihr Versprechen von Rio gebrochen, bis zum Jahr 2000 die Emissionen auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren und sie zeigen bis jetzt keine Einsicht in ihr Versäumnis. Gerechtigkeit bedeutet, Verantwortung für das Leiden zu übernehmen, das an anderen verursacht wird (...). Gerechtigkeit bedeutet, zur Rechenschaft gezogen werden für Missbrauchen der Macht (...). Gerechtigkeit bedeutet, die Ressourcen der Erde gerecht zu teilen. Millionen von Menschen mangelt es an den Erfordernissen für einen annehmbaren Lebensstandard. Es ist der Gipfel an Überheblichkeit, wenn vorgeschlagen wird, den Armen restriktive Verpflichtungen aufzuerlegen, um Verfehlungen der Reichen auszugleichen. Der Überverbrauch der Reichen kann ebenso wenig Maßstab für die Lebensqualität aller sein wie der Mangel der Armen. Gerechtigkeit verlangt Wahrheit (...). Gerechtigkeit erfordert Rechtschaffenheit (...). Gottes Gerechtigkeit ist streng, aber nicht grausam. Wir alle hier in Kyoto sind als Brüder und Schwestern gleich vor Gott in der Gemeinschaft der Schöpfung – einer Schöpfung, die wir alle heil und blühend erhalten wollen für zukünftige Generationen. Mit den Feststellungen über das Gutsein der Schöpfung (Gen 1,25) fordert Gott uns freundlich auf, alle Formen des Lebens zu achten.“ 4 Die Aktivitäten des ÖRK beschränkten sich nicht auf die internationale Ebene. Er hat ebenso regionale Bemühungen angeregt durch Hilfe bei der Durchführung von Konferenzen in Asien, Afrika und Europa und durch Unterstützung von Aktivitäten zur Förderung eines vertieften Bewusstseins für die Erfordernisse der Nachhaltigkeit. Dabei hat sich herausgestellt, dass der entscheidende Beitrag der Kirchen in der Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung liegt, die jetzt ihre Fragen stellen und auf persönlicher und kommunaler Ebene Aktionen vorschlagen. Nur wenn diese unterste Ebene zu Veränderungen bereit ist, kann nationale und internationale Politik für die vorgesehene Verminderung der Treibhausgase sorgen. 4 Ökumenischer Rat der Kirchen, Justice Statement, Genf 1997 – aus dem Englischen übersetzt. Aus dieser Perspektive entschloss sich der ÖRK 1995, eine Kampagne für eine „Petition zum Klimawandel“ in Gang zu setzen. Die Kirchen in den industrialisierten Ländern wurden zur gleichzeitigen Beteiligung eingeladen. Die Unterzeichner der Petition forderten nicht nur strengere Maßstäbe auf internationaler Ebene; sie erklärten zugleich ihre Bereitschaft, die daraus entstehenden Konsequenzen für ihr eigenes Leben zu tragen. Die Petition wurde der UNO in Bonn im März 1997 übergeben. Der ÖRK geht über diese Aktivitäten hinaus auch Problemstellungen nach, die mit dem Klimawandel verbunden sind. Da der motorisierte Verkehr die Ursache für den Ausstoß enormer Mengen an Treibhausgasen ist, wurde 1996 ein Studienprojekt unter dem Titel „Nachhaltige weltweite Mobilität“ begonnen. Damit sollte versucht werden, alternative Lösungen zu finden für die augenblicklichen Trends im Verkehrs- und Transportwesen. Die Studie läuft noch. Angesichts der Tatsache, dass nach Kyoto die Verhandlungen sich zunehmend auf Nebenschauplätze wie Emissionshandel, Mechanismus Saubere Entwicklung (Clean Development Mechanism = CDM) konzentrierten, führte der ÖRK im Jahr 2000 in Saskatoon, Kanada, eine Konsultation durch, um die Verantwortungslosigkeit der Industrienationen zu analysieren und anzuprangern. Die Erklärung der Konsultation stellt fest: Handelsmechanismen wie mit den Flexibilitätsmechanismen (CDM) vorgeschlagen werden, würden die Prinzipien der Gleichbehandlung und der Gerechtigkeit schwer in Mitleidenschaft ziehen. (...) Die Festschreibung des Systems, das auf geschichtlich gewachsenen Emissionsmustern basiert, zementiert das Gefälle der Gleichberechtigung zwischen Arm und Reich im Hinblick auf die Nutzung von Ressourcen und ökologischem Raum im Gemeingut Atmosphäre.5 Das Modell der Atmosphäre als globales Gemeingut (Globel Atmospheric Commons Modell) würde auf der gerechten Zuteilung von Emissionsrechten nach dem Prinzip des (...) Pro KopfKonvergenzgrenzwertes (d.h. auf Dauer gesehen nachhaltig) aufbauen. (...) Bei diesem alternativen Modell müssten Länder, die das globale Gemeingut Atmosphäre über das Konvergenzniveau hinaus belasten, eine Strafe in einen Fonds für die Weltatmosphäre einzahlen. (...) Der Fonds würde verarmten Ländern und Transformationsländern helfen, ihre Wirtschaft von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen und auf erneuerbare Energiequellen wie Sonnenund Windenergie, Biomasse und kleine Wasserkraftwerke umzustellen. (...)“ 6 Der ÖRK setzt seine Arbeit in diesen Aufgabenfeldern fort. Seine Bemühungen werden unterstützt von einer steigenden Zahl seiner Mitgliedskirchen, die sich zunehmend der Bedrohung durch den Klimawandel bewusst werden. Die Europäischen Ökumenischen Versammlungen in Basel und Graz Die europäischen Kirchen sind seit einer beachtlichen Zeit in Umweltschutzaktivitäten engagiert. Die Erste Europäische Ökumenische Versammlung in Basel (1989) hat diese Verpflichtung klar ausgedrückt. Sie konzentrierte sich nicht nur auf die politische Situation in Europa, die zu dieser Zeit voller Unsicherheiten war, sondern versuchte den größeren Herausforderungen zu begegnen, die mit dem Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ins Blickfeld gekommen waren. Die Delegierten verpflichteten sich zu einer Fortsetzung ihres Einsatzes in diesen Problemfeldern. Die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung (Graz 1997) war noch deutlicher in dieser Hinsicht: 5 6 Ökumenischer Rat der Kirchen, Die Erdatmosphäre – verantwortliches Handeln und gerechtes Miteinanderteilen für ein globales Gemeingut – eine Stellungnahme des ÖRK zu Klimawandel und Gerechtigkeit, Genf 2000; Abschnitt 3.5, S.12f; übersetzt vom Sprachendienst des ÖRK s. Anmerkung 5, hier Abschnitt 4.5, S. 16. „Wir sind (zufällig) die erste Generation in der langen Geschichte der Menschheit, denen es vergönnt ist, diese Erde von außen zu sehen. Wir nehmen sie als den <blauen Planeten> wahr, umgeben von dünnen Luft- und Gasschichten, wie verloren in der ungeheuren Weite des Universums. Umso größer ist unser Erstaunen darüber, dass diese Erde solch eine unermessliche Vielfalt von Lebewesen beherbergt. Wir beginnen zu lernen, dass dieser Planet klein, endlich, und verletzlich ist, während wir gewohnt waren, ihn für <eine grenzenlose Welt> zu halten. Darum nahmen wir uns auch die Freiheit, die Güter der Erde ohne Rücksicht auf ihren Eigenwert und ohne Beachtung ihrer Begrenztheit auszubeuten. Jetzt wird uns bewusst, dass wir dabei sind, die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu überschreiten und damit den Haushalt aller Kreaturen, der auch unser eigenes Heim ist, zu verwüsten. Versöhnung mit der Natur heißt darum unter anderem für uns, die Integrität der klimatischen Bedingungen und der ökologischen Systeme zu bewahren und das Recht aller Lebewesen auf die Unverletzlichkeit ihrer genetischen Eigenart zu achten.“ 7 Die Versammlung hat außerdem vorgeschlagen, dass die Kirchen ein Europäisches Netzwerk für Umweltfragen einrichten. Als ein Ergebnis dieser Empfehlung wurde das Europäische Christliche Umweltschutznetzwerk (ECEN) gegründet, das den europäischen Kirchen helfen möchte, ihre Verantwortlichkeiten gegenüber dem Schöpfer und der Schöpfung zu erfüllen, und zwar Verantwortlichkeiten, die auch die Ortsgemeinden in die Pflicht nehmen. Manche Aufgaben sind als gemeinsames Handeln mit dem ÖRK konzipiert, z.B. die Fortsetzung der Arbeit an dem Projekt „Nachhaltige Mobilität“. *** 7 Basistext A 30, in : Versöhnung – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens. Dokumente der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz, herausgegeben vom Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), Verlag Styria Graz 1998, Seite 49f. Die Römisch-Katholische Kirche Karl Golser In der vorangehenden Zusammenstellung der Antworten der Kirchen zum Klimawandel (The Churches’ response to Climate Change) ist ja schon auch die Römisch-Katholische Kirche erwähnt worden, die den konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung mitgetragen hat und die mit ihren Delegierten an der Ausarbeitung der Dokumente der Ersten und Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung von Basel (1989) und Graz (1997) beteiligt war. Ebenso wurde die Botschaft des Papstes Johannes Pauls II. zum Weltfriedenstag 1990 “Friede mit Gott – Friede mit der ganzen Schöpfung“ erwähnt. Die ökologische Thematik ist ein Problemfeld, auf dem von Anfang an je nach den Umständen die ökumenische Zusammenarbeit keinen Schwierigkeiten begegnet ist. So wurden gerade in deutschsprachigen Ländern von den christlichen Kirchen gemeinsam erarbeitete Erklärungen veröffentlicht, so zum Beispiel in Vorbereitung auf die Europäische Ökumenische Versammlung von Basel die sogenannte Erklärung von Stuttgart „Gottes Gaben – Unsere Aufgabe“ der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (1988) oder die gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) herausgegebenen Texte „Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung“ (1985) und wiederum „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ (1997). Speziell zum Klimawandel wurde im Jahre 1990 eine von K. Lehmann und M. Kruse unterzeichnete gemeinsame Erklärung zu dem Bericht der Enquète-Kommission deutschen Bundestages zum Schutz der Erdatmosphäre veröffentlicht. Wachsende Aufmerksamkeit Spezifisch für die Römisch-Katholische Kirche ist sicherlich eine starke Betonung des kirchlichen Lehramtes auf den verschiedenen Stufen, vom Papst und den zentralen päpstlichen Gremien angefangen bis zu den Bischofskonferenzen der Länder und den Hirtenbriefen einzelner Bischöfe. Wir finden hier eine wachsende Berücksichtigung der Verantwortung für die Umwelt. In den fünfziger und sechziger Jahren sind es noch Stellungnahmen zu Einzelfragen wie zum Fortschritt, der Technik, auch zur Kernenergie. Eine explizite Wahrnehmung der ökologischen Krise ist schon 1971 feststellbar, ein Jahr vor Erscheinen des Berichts über die Grenzen des Wachstums des Clubs of Rome, und zwar im Dokument der römischen Bischofssynode „De iustitia in mundo“ und im Apostolischen Schreiben Papst Pauls VI „Octogesima adveniens“. Dort heißt es z.B. in Nr. 21: „Plötzlich wird der Mensch sich heute bewusst, infolge seiner unbedachten Ausbeutung der Natur laufe er Gefahr, diese zu zerstören und selbst zum Opfer ihrer auf ihn selbst zurückschlagenden Schändung zu werden“. Ausführlicher und schon differenziert ist Paul VI. auf Umweltfragen in seiner Botschaft an die Internationale Umweltschutzkonferenz von Stockholm 1972 eingegangen. Zwanzig Jahre später, anlässlich der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) von Rio de Janeiro im Jahre 1992, wird vom Hl. Stuhl ein eigenes Aide-Mémoire „Integrität der Schöpfung und Achtung vor dem Leben“ veröffentlicht, in dem die verschiedenen Aktionen des Vatikans zur Umweltfrage dokumentiert werden. Beachtenswert ist auch die Rede des Kardinalstaatssekretärs Angelo Sodano auf der UNCED-Konferenz von Rio de Janiero. Welche Bedeutung der Vatikan diesem Ereignis beigemessen hat, bezeugen auch die in 13 fortlaufenden Nummern der Tageszeitung L’Osservatore Romano dazu erschienenen Beiträge und Studien. Der Vatikan hat durch seine diplomatischen Vertretungen bei der UNO und deren Unterorganisationen, aber auch bei den europäischen Gremien und den Einzelstaaten viele Möglichkeiten der Einflussnahme wahrgenommen und eine Reihe von Stellungnahmen abgegeben, die im einzelnen gar nicht alle dokumentiert werden können. Päpstliche Ansprachen Vor allem war es der Päpstliche Rat „Iustitia et Pax“, der diese Problematik laufend verfolgt hat und der zum Beispiel auch die Texte für die jährlichen Botschaften zum Weltfriedenstag redigiert. Ebenso müsste die Päpstliche Akademie der Wissenschaften erwähnt werden, die mehrmals Umweltthemen in ihren Jahresversammlungen behandelt hat, z.B. 1990 die tropischen Ökosysteme oder 1999 die nachhaltige Entwicklung. Bei diesen Tagungen gibt es für gewöhnlich eine Audienz mit einer Ansprache des Papstes. So sagte der Papst z.B. am 12.3.1999 den Mitgliedern der Akademie: „Damit der Planet morgen bewohnbar sei und alle ihren Platz darauf haben, fordere ich die öffentlichen Obrigkeiten und alle Menschen guten Willens auf, ihr tägliches Verhalten und ihre Entscheidungen, die getroffen werden müssen, zu hinterfragen. Sie dürfen nicht von endlosem und ungezügeltem Trachten nach materiellen Gütern bestimmt sein ohne Rücksicht auf den Rahmen, in dem wir leben und der so sein muss, dass er die Grundbedürfnisse der jetzigen und zukünftigen Generationen befriedigen kann. Diese Achtsamkeit bildet einen wesentlichen Aspekt der Solidarität zwischen den Generationen.“ In seinen verschiedenen Ansprachen, sei es auf den Pastoralreisen, aber auch bei Generalaudienzen oder vor Kongressteilnehmern sowie vor diplomatischen Vertretern hat der Papst immer wieder die ökologische Problematik berührt, sei es in spiritueller Rücksicht, sei es als Appell für eine „ökologische Umkehr“ (Generalaudienz vom 17.01.2001). In den großen Dokumenten, vor allem in den Enzykliken, ist die Verantwortung für die Schöpfung ein konstantes Thema, angefangen von der ersten Enzyklika „Redemptor Hominis“ vom 4.3.1979 (Nr. 8 und Nr.15) bis zu den großen Sozialenzykliken „Sollicitudo rei socialis“ (1987, Nr.34), „Centesimus Annus“ (1991, Nr.38), die den Begriff „Humanökologie“ prägt, und „Evangelium vitae“ (1995, vgl. Nr.10, 27, 34, 42). In dem in Mexico City im Januar 1999 vorgestellten apostolischen Schreiben „Ecclesia in America“ wird in der Nr. 56 unter den „himmelschreienden Sünden“ auch die unverantwortliche Zerstörung der Natur und eigens die unkontrollierte Emission von Treibhausgasen sowie das dramatische Problem der Waldbrände mit der systematischen Zerstörung des Regenwaldes erwähnt (Nr.25). Bischofskonferenzen Was die Lehramt der Römisch-Katholischen Kirche auf der Ebene der Bischofskonferenzen und einzelner Diözesen betrifft, so ist eine Überblick relativ schwierig. Es gibt einige bibliographische Zusammenstellungen, darunter auch eine vom Päpstlichen Rat Iustitia et Pax erstellte, oder eine Bibliographie, welche die Italienische Bischofskonferenz in ihrer Homepage veröffentlicht hat (http://www.chiesacattolica.it/cci/cei/uffici/unpsl/index.html). Erwähnen möchte ich vor allem das bisher umfassendste Dokument, das die Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz im Oktober 1998 mit dem Titel „Handeln für die Zukunft der Schöpfung“ herausgegeben hat, das bei der Beschreibung der Symptome der Umweltkrise als erstes die „Störungen des globalen Klimasystems“ (Nr.15,17) sachkundig und differenziert behandelt. Das Problem bei der Wahrnehmung der Schöpfungsverantwortung, speziell auch für das Klima, besteht nicht so sehr in dem Mangel an theoretischen Stellungnahmen. Solche sind in Menge vorhanden, auch wenn sie vielleicht zu wenig in übersichtlicher Form der Weltkirche vorgestellt sind. Dafür sollte das für Herbst 2001 erwartete vom Päpstlichen Rat Iustitia et Pax herausgegebene Kompendium Christlicher Soziallehre Abhilfe schaffen, das im Kontext der Menschenrechte und des Friedens auch die Schöpfungsverantwortung behandeln soll. Das Problem besteht vielmehr in der konkreten Umsetzung auf der Basis der christlichen Gemeinden und auch in deren Synergie mit dem politischen Engagement für den von Rio de Janeiro angestoßenen Agenda 21-Prozess. Einige ermutigende Beispiele gibt es sicherlich. Es ist aber noch viel Bewusstseinsbildung und Erziehungsarbeit zu leisten. In diesem Kontext sind auch die vom Sekretariat der Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) veranstalteten Konsultationen für Umweltbeauftragte bei den Europäischen Bischofskonferenzen zu sehen, die nun schon zum dritten Mal stattgefunden haben (1999 in Celje-Slowenien, 2000 in Bad HonnefDeutschland und 2001 in Badin-Slowakei), deren Ergebnisse und Schlussfolgerungen ja den einzelnen Bischofskonferenzen zugeleitet werden und so auch verschiedene ermutigende Initiativen zur Folge hatten, die dann als Anregung in den Konsultationen selbst weitervermittelt werden (vgl. die entsprechende Dokumentation in der Homepage der CCEE: www.kath.ch/ccee/deutsch/arbeitsfelder/umwelt.htm, oder in anderen Sprachen, z.B. www.kath.ch/ccee/english/fields/environment.htm). *** TEIL IV Die Herausforderung für Europa Klimawandel in europäischer Perspektive – West und Ost Klimaschutz, eine Aufgabe für die Kirchen in Westeuropa Eine Stimme aus Deutschland Klimawandel und die Kirchen in Zentraleuropa Eine Stimme aus Tschechien Klimawandel und die Kirchen in Osteuropa Eine Stimme aus Russland Eine Stimme aus Armenien Globale Erwärmung – eine afrikanische Perspektive Eine Stimme aus Kenia Einleitung Dieser Teil handelt von Europa – West und Ost. Den europäischen Nationen fällt eine besondere Verantwortung zu. Wie wir gesehen haben, hängt von ihrem Verhalten vieles im derzeitigen Stillstand der Verhandlungen über den Klimawandel ab. Die Verantwortung ist im Westen und im Osten Europas nicht genau die gleiche, letztlich geht es aber um dieselbe Herausforderung – wie kann Europa konstruktiv zu einer gemeinsamen Aktion aller Nationen beitragen? Und welches Zeugnis haben die Kirchen in dieser Hinsicht abzulegen? Der erste Artikel gibt eine kurze Übersicht über die Probleme des Klimawandels, wie sie sich heute in beiden Teilen des Kontinentes stellen. Dieser Darstellung folgen drei Zeugnisse – eines aus Deutschland, eines aus Tschechien und eines aus Armenien. Am Schluss lassen wir – mit Absicht eine Stimme aus Afrika zu Worte kommen. Es ist unserer Ansicht nach wichtig, dass Europäer anfangen, ihre eigene Rolle durch die Augen der Länder im Süden zu sehen und zu verstehen. Klimawandel in europäischer Perspektive - West und Ost Lynne Clark Europa und die internationale Szene Die letzten zehn Jahre waren in der europäischen Klimapolitik eine spannende Zeit. Die Europäische Union drängte international darauf, dass Fortschritte erzielt wurden. Sie befand sich dabei meistens in Opposition zu den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und Japan. Diese nicht-europäischen Industrienationen wenden ein, dass die Europäische Union über Reduktionsziele leicht reden habe, da ja zwei der größten ihrer Mitgliedstaaten, Großbritannien und Deutschland, ihre Emissionen bereits gesenkt haben, nicht als Resultat einer verordneten Politik, sondern als das Ergebnis eines historischen ‚Zufalls’. Großbritannien ging in den 1980er Jahren für die Stromerzeugung in massivem Umfang von der Kohle zu Gas über – mehr aus politischen als aus Umweltgründen. Und in Deutschland brachen im Zuge der Wiedervereinigung grosse Teile der Industrie zusammen; die CO2 Emissionen gingen darum erheblich zurück. Dazu setzte die EU zum Ärger der nichteuropäischen Industrienationen ein internes Verteilungsübereinkommen fest, durch das das Reduktionsziel der gesamten EU von minus 8% neu verteilt wurde, sodass jene Länder, die als Entwicklungsländer betrachtet werden, nämlich Portugal, Irland, Spanien und Griechenland, ihre Emissionen nach wie vor steigern dürfen (siehe Tabelle 1). Die Politik der EU lässt sich aber im internationalen Zusammenhang durchaus verteidigen: 1. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, Australien und Kanada sind die ProKopf-CO2-Emissionen in Europa viel niedriger (in den USA 20,5 t CO2 pro Person und Jahr, in Schweden zB. 6,1 t). Japan hat Pro-Kopf-Emissionen, die mit europäischen Niveaus vergleichbar sind. 2. Großbritannien und Deutschland haben sich zu nationalen Reduktionszielen verpflichtet, die über ihrem EU-Anteil liegen. Großbritannien will bis 2010 die CO2-Ausstösse um 20%, Deutschland bis 2005 um 25% senken. 3. Dieser Lastenausgleich ist nicht eine Manipulation mit Zahlen, um das Ziel leichter erreichbar zu machen. Er entspringt der verantwortlichen Überlegung, in gewissen Teilen der Europäischen Union eine weitere wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. 4. Drei der vier Länder, deren Emissionen weiter steigen dürfen – Portugal, Griechenland und Irland – steuerten im Jahre 1990 nur 4,6 % der gesamten europäischen CO2-Emissionen bei, (ihr Anteil an der Bevölkerung betrug 6,6%). Spanien profitiert von dem Lastenausgleich vermutlich am meisten. Eine neue Einschätzung mag sich früher oder später aufdrängen. Wie dem auch sei, die Pro-Kopf-Emissionen sind für eine Industrienation mit 6,5 t auch hier noch immer verhältnismäßig tief. Die Europäische Union Verkehr Betrachtet man die Forderung nach Reduktionszielen näher, zeigt sich sofort, dass der Verkehrssektor das grösste Problem darstellt. In vielen Ländern werden über ein Drittel der Emissionen fossiler Brennstoffe durch den Verkehr verursacht. Solange unser Lebensstil weiterhin durch das Automobil geprägt wird, ist nicht damit zu rechnen, dass sich daran etwas ändert. Gewiss können Automobile konstruiert werden, die weniger Treibstoff konsumieren. Auch das wird aber nicht viel helfen – sie werden dann einfach noch häufiger gebraucht. Auch höhere Steuern auf Diesel und Benzin werden uns nicht abschrecken; sie bringen das zusätzliche Problem mit sich, dass Regierungen von Steuereinkünften abhängig werden. Die Investition in einen sicheren, sauberen und effizienten öffentlichen Verkehr, in rad- und fußgängerfreundliche Städte und in Frachtenzüge sind Vorschläge, die immer wieder gemacht werden. Sie würden auch Vorteile für die Gesundheit bringen. Die Unfähigkeit der westlichen Demokratien, der Autolobby die Stirn zu bieten, ist aber offensichtlich. Und gleichzeitig verlocken uns die Fluglinien zu kurzen Billigflügen (60% aller Flüge, die von Schiphol ausgehen, betreffen Entfernungen von weniger als 800 km). Fliegen ist die Transportform, die pro Kilometer die grösste Verschmutzung verursacht. Und doch wird das Fliegen subventioniert. Denn einer der Gründe, warum Fliegen billiger als eine Zugreise sein kann, ist der Umstand, dass auf Flugbenzin keine Steuer und, in den meisten Ländern, auf Flugscheine keine Mehrwertsteuer erhoben wird. Darüber hinaus werden die CO2-Emissionen von internationalen Flügen nicht bei der Berechnung der nationalen Emissionen nicht angerechnet. Energie Die Lage im Energiesektor – hauptsächlich Gas und Elektrizität – ist ein wenig besser als im Verkehrssektor. Von grösster Dringlichkeit im Energiesektor sind eine konsequente Gesetzgebung, Investition in Energieeffizienz und die Entwicklung erneuerbarer Energien, während auf der anderen Seite staatliche Subventionen für die Ausbeutung von Kohle und Atomkraft zurückgestuft werden sollten. Noch unentschieden ist die Definition von erneuerbarer Energie. Umweltschützer treten dafür ein, dass nur Windenergie, Solarzellen (Photovoltaikzellen), Sonnenthermalenergie, Kleinkraftwasserwerke, geothermische Energie und möglicherweise ein guter Umgang mit Biomasse (Elektrizität aus der Verbrennung von Bäumen und Pflanzen) eingeschlossen werden sollten. Einige Länder wollen auch die Abfallverbrennung und selbst Torf als erneuerbare Energie angesehen wissen. Im Bereich der Gesetzgebung sind bisher nur kleine Schritte gemacht worden. Es gibt Pläne, in den EU-Ländern die erneuerbare Energie bis 2010 um 12% erhöht werden soll, was einer Verdoppelung des gegenwärtigen Niveaus gleichkäme. Eine Regelung für EU-weite Standards hinsichtlich der Energieeffizienz in neuen Bauwerken ist auf dem Weg. Einige Erfolge sind auf nationalem Niveau erzielt worden. Dänemark gewinnt heute 13% seiner Elektrizität aus erneuerbaren Quellen, die Ausbeutung von Windenergie steigt in Deutschland und in Spanien rasch an, und Blockheizkraftwerke werden als ein sehr nützlicher Beitrag zur Energieeffizienz anerkannt. Blockheizkraftwerke (cogeneration) ist das sehr sensible System, durch das Dampf und heiße Gase, Beiprodukte der Elektrizitätserzeugung, wieder verwendet werden. Zum Beispiel: Eine alte kohlebefeuerte Kraftanlage ist zu rund 30 % effizient; eine neue gasgefeuerte Kraftstation mit einer Blockheizkraftwerkseinheit kann zu 80 % effizient sein. In Finnland, Dänemark und in den Niederlanden werden mehr als 25 % der Energie durch Cogeneration gewonnen. Gleichwohl, solcher vorsichtiger Optimismus muss durch die Feststellung gedämpft werden, dass unser Energiebedarf durch Gesellschaften gedeckt wird, deren Profite an die Menge von Elektrizität und Gas gebunden sind, die sie verkaufen. Je weniger energieeffizient unsere Häuser sind, desto grösser ist ihr Profit. Wenn das in der Weise geändert werden könnte, dass sie stattdessen eine vereinbarte Menge an Wärme und Licht mit jeglichen Ersparnissen aus dem Wirkungsgrad zu ihrem Profit liefern, würden wir mit Angeboten von energiesparenden Glühbirnen und Hausisolationen überschwemmt werden. Unglücklicherweise sind wir noch weit von dieser Situation entfernt. Sie könnte sich mit der Liberalisierung des Energiemarktes der EU, die für 2005 geplant ist, noch weiter verschlechtern. Osteuropa Energie In einer umweltfreundlichen Welt hätte der Zusammenbruch der Wirtschaft in Zentral- und Osteuropa die perfekte Gelegenheit zu einer umfassenden Sanierung sein können. Vor 1990 basierte die Industrie auf ineffizienten, schmutzigen, kohlenbefeuerten Kraftwerken und überholten unsicheren Atomanlagen. Die Restrukturierung hätte eine Investition in die Blockheizkraftwerke (cogeneration), Energieeffizienz und erneuerbare Energie bedeutet. Andere industrialisierte Länder hätten solche Investitionen machen können und die eingesparten CO2-Emissionen unter der gemeinsamen Durchführung des Kyoto-Protokolls für sich in Anspruch nehmen zu können. Gleichwohl, die Anzahl der vorgeschlagenen JI-Projekte sind klein der Zahl nach und klein im Umfang. Einer der Hauptgründe dafür ist der Emissionshandel. Wie aus Tabelle 1 entnommen werden kann, haben alle Ökonomien Osteuropas Emissionsentwicklungen, die weit unter dem Ziel liegen, das für sie im Kyoto-Protokoll festgelegt worden sind. Diese fehlenden Emissionen können verkauft werden, und viele andere Länder bauen darauf, dass Emissionsreduktionen auf diese Weise billiger zu erhalten sind als durch Investition in saubere technische Anlagen in Osteuropa. Kernkraft Noch ein weiteres Ost-West-Energiethema muss hier erwähnt werden. Die Kernenergie hat in den meisten westlichen Ländern ihren Weg gemacht. Seit 1980 sind, bis auf Frankreich, in keinem westeuropäischen Land neue Anlagen gebaut worden. Gleichwohl sieht die Nuklearenergie-Industrie neue Möglichkeiten in Osteuropa. Das erste rumänische Kernkraftwerk wurde 1996 durch ein kanadisch-italienisches Konsortium gebaut – wobei Italien selbst auf Kernkraft verzichtet hat und Kanada plant, einige seiner eigenen Reaktoren zu schließen. Es ist unglaublich und nicht in Ordnung, dass die Kernkraft bis jetzt noch nicht von den JI-Projekten ausgeschlossen wurde, nur weil ein Kernkraftwerk weniger CO2 als ein Kohlekraftwerk produziert. Die perverse Logik eines Systems, das ein Umweltproblem durch ein anderes austauscht, sollte ganz einfach nicht toleriert werden; andernfalls würde es z.B. Kanada und Italien möglich sein, ihre Emissionen zu erhöhen, wogegen Rumänien mit den Problemen der Nuklearabfälle kämpft. Verkehr Der (öffentliche) Verkehr war in den meisten osteuropäischen Ländern, obwohl vielleicht nicht rasch und besonders komfortabel, zumindest billig und gut genutzt. Der Autobesitz war gering und die meisten Städte mit ihren hoch emporragenden Wohnungen waren eher zusammengedrängt. Heute wird das Auto unglücklicherweise generell als ein Symbol der Unabhängigkeit und des Erfolges angesehen; Osteuropa lernt nicht von den Fehlern des Westens. In Polen stieg die Zahl der Autobesitzer von 1990 bis 1998 von 9 Millionen auf 12,7 Millionen. Budapest baut gerade eine äußere Ringstraße, die zu einer rapiden Vorstadtbildung und Abhängigkeit vom Auto führt. Die Europäische Investmentbank schüttet Geld in neue Straßen, während sie es gleichzeitig vernachlässigt in die existierenden öffentlichen Transportsysteme zu investieren. Bei dieser Prioritätensetzung kann es nicht überraschen, dass obwohl die CO2-Emissionen im Ganzen drastisch abnahmen, Emissionen des Verkehrssektors zwischen 1990 und 1998 in Tschechien, Estland, Ungarn und Polen zugenommen haben. Erweiterung der EU Die oben genannten Länder mit zunehmenden Emissionen aus dem Transport, zusätzlich Rumänien, Bulgarien, Slowakei, Litauen, Lettland, Slowenien und Estland sollen bei der Erweiterung in die EU aufgenommen werden. Das ist eine Gelegenheit, gemeinsame Umweltstandards für die ganze Gemeinschaft festzusetzen, die helfen könnten diese sich entwickelnden Ökonomien von den Fehlern, die der Westen schon gemacht hat, wegzusteuern. Um die Lage für die nächsten Generationen zu verbessern, sind ein öffentliches Bewusstsein der Probleme und Lösungen, wie auch eine öffentliche Teilhabe an Entscheidungsprozessen vonnöten. Jetzt ist die Zeit gekommen, auf lokaler, nationaler und regionaler Ebene zu arbeiten, um unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren, was helfen wird, den Klimawandel zu bekämpfen und Umweltbedingungen in ganz Europa zu verbessern. *** Tabelle 1 (UNFCCC Dok. FCCC/SBI/2000/11; A3, A4, A5 - International Energy Agency Key World Energy Statistics 2000 Edition) Fortschrittsbericht Anhang-1-Länder 1990 Westeuropa Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Griechenland Irland Italien Luxenburg Niederlande Portugal Spanien Schweden Großbritannien EU Westeuropa außerh. EU Island Norwegen Schweiz Osteuropa Bulgarien Tschechien Estland Ungarn Lettland Litauen Polen Rumänien Russland Slowakei Slowenien Ukraine Summe Andere Anhang-1-Länder Australien Kanada Japan Neuseeland USA 1998 CO2CO2Emissionen Kyoto-Ziel Emissionen aus der (für EUaus der Brennstoffv Länder Brennstoffv erbrennun Lastverteilun erbrennun g gsziel g (Mill.t.) (Mill.t.)1998 Änderung in Prozenten CO2 aus der Brennstoffv CO2 pro erbrennun Kopf 1998 g 90-98 (t) (IEA) -13 -7.5 -21 0 0 -21 25 13 -6.5 -28 -6 27 15 4 -12.5 -8 46.7 104.2 51.5 53.9 357.7 986.8 77.3 29.6 398.3 12.1 159.0 39.0 205.7 51.3 557.7 3130.9 51.4 114.5 58.1 57.4 386.4 861.2 92.0 37.7 430.3 9.5 176.8 49.1 245.7 52.7 522.9 3145.6 10.1 9.9 12.9 6.5 8.0 -12.7 19.0 27.5 8.0 10 1 -8 1.7 26.4 39.7 31.6 41.1 20.0 3.7 -8 -8 -8 -6 -8 -8 -6 -8 0 -8 -8 0 95.5 160.1 37.2 80.1 24.2 37.3 463.0 185.6 2298.9 56.7 13.3 672.1 4123.9 51.4 124.5 18.9 54.6 8.1 14.0 326.9 121.3 1456.0 39.0 -46.2 -22.2 -49.2 -31.8 -66.7 -62.5 -29.4 -34.6 -36.7 -31.2 298.5 2513.1 -55.6 -39.1 8 -6 -6 0 -7 265.3 415.7 1053.0 22.4 4840.5 324.2 476.4 1152.1 25.5 5383.5 22.2 14.6 9.4 11.1 25.7 19.5 2.7 -6.2 0.5 11.2 7.63 12.00 10.81 11.59 6.38 10.45 7.86 10.36 7.48 16.85 10.92 5.45 6.45 6.05 9.28 7.69 7.77 5.74 5.89 11.73 10.58 5.68 3.22 4.21 8.28 4.20 9.64 6.91 7.71 7.13 16.57 15.75 8.92 8.05 20.10 Klimaschutz, eine Aufgabe für die Kirchen in Westeuropa Eine Stimme aus Deutschland Ulrich Denkhaus Der verschwenderische Umgang mit Energie hat in den Industrieländern derartige Ausmaße angenommen, dass der Verbrauch jetzt drastisch eingeschränkt werden muss. Einige Kirchen haben sich verpflichtet, für eine beträchtliche Reduzierung des Energieverbrauchs einzutreten. Wir wenden uns an alle Kirchen und Christen in Europa, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dasselbe zu tun und die Entscheidungsträger in Politik, Technik und Industrie immer wieder dazu aufzufordern, wirkungsvollere Energiesparmaßnahmen einzuführen. So haben es schon vor zwölf Jahren die Delegierten der Ersten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel erklärt (Schlußdokument, Nr. 87b). Als Maß dafür haben sie in Anlehnung an den Brundtland-Bericht den Kirchen eine Reduzierung des Pro-Kopf-Verbrauchs von Energie um 50% nahegelegt. Ihnen war klar: Von uns allen ist ein radikal veränderter einfacher Lebensstil gefordert (Botschaft, Nr. 4). Beim Klimaschutz spielt der Umgang mit Energie eine ganz zentrale Rolle. Denn CO2 aus der Verbrennung fossiler Energieträger ist mit über 80% an den klimaschädigenden Treibhausgasemissionen beteiligt. Deshalb beschränkt sich der folgende Beitrag auch auf die energiebedingten CO2Emissionen. Was zu ihnen gesagt wird, gilt im Grundsatz auch für die anderen THG-Emissionen. CO2-Emissionen zu vermeiden bedeutet, weniger Energie zu verbrauchen und/oder Energie aus nichtfossilen Quellen zu gewinnen. Kernenergie kommt dafür freilich wegen ihrer großen, nicht sicher zu behrrschenden Gefahren und Umweltbelastungen nicht in Frage. Deshalb ist im Folgenden vor allem von den Möglichkeiten und Bedingungen des Energiesparens die Rede. Die Nutzung erneuerbarer Energien ist zukunftweisend, spielt wegen der noch hohen Kosten aber nur eine untergeordnete Rolle. Umgang mit Energie in kirchlichen Institutionen Die kirchlichen Institutionen verbrauchen sehr viel Energie, in Deutschland mindestens soviel wie eine 1/2-Millionen-Stadt. Der größte Teil der verbrauchten Energie ist Heizenergie. In Kirchengemeinden stammen etwa 25% der CO2-Emissionen vom Heizen. Darum kommt es vor allem darauf an, hier zu sparen. Das bedeutet: Gebäude besser wärmezudämmen und effizientere Heizungsanlagen einzubauen. Erfahrungsgemäß ist der wichtigste Punkt, obwohl er kein Geld kostet, sondern spart: energiesparend heizen und lüften. Bei den Kirchen in Deutschland und sicherlich auch in anderen Ländern gibt es dazu reichliches Informationsmaterial. Dasselbe gilt für den Umgang mit Elektroenergie. Heizen mit elektrischem Strom ist wegen der hohen Energieverluste bei der Stromerzeugung indiskutabel. Es geht dann um stromsparende Beleuchtung, elektronische Bürogeräte, aber auch Umwälzpumpen für Heizung und Warmwasser und elektrische Haushaltsgeräte. Wieder ist die erste und billigste Möglichkeit zum Energiesparen, bewusst mit diesen Anlagen und Geräten umzugehen, d.h. sie nur zum Gebrauch einschalten, auf stand-by-Betrieb möglichst verzichten, und Sparschaltungen (Energie-Management bei PC´s) nutzen. Der erste, weil billigste und doch wirksame Schritt ist, für die richtige Bedienung der Anlagen und Geräte zu sorgen, d.h. die Aufgaben im Einzelnen und die dafür Zuständigen zu identifizieren, sie zu schulen und ihnen die nötigen Richtlinien und Vollmachten zu geben. Alle weitergehenden Maßnahmen kosten zunächst Geld, auch wenn sie später Betriebskosten sparen. Darum muss klar entschieden werden,welche Priorität die Bewahrung der Schöpfung und das Lebensrecht der Menschen neben und nach uns in der kirchlichen Arbeit hat, und es bedarf fachkundiger Beratung, damit die Mittel so effektiv wie möglich eingesetzt werden. Auch sollten nach Möglichkeit Förderprogramme für diese Maßnahmen eingerichtet werden. Zunehmend vermindern Gemeinden ihren Energieverbrauch aus fossilen Energiequellen, indem sie Solaranlagen für Warmwasser und elektrischen Strom auf ihren Gebäuden installieren. In Deutschland werden diese Anlagen auch staatlich gefördert. Freilich ist der Gewinn an Wärme und Strom und damit ihre Klimaschutzwirkung im Vergleich zu ihren Kosten noch relativ gering. Aber diese Anlagen zeigen, wohin der Weg gehen muss, und sie zeigen zugleich, wie wertvoll Strom und Wärme sind, und erziehen so zum sparsamen Umgang damit. Umgang mit Energie bei den Mitgliedern der Kirchen Klimaschutz ist sehr demokratisch, d.h. die Bürger können selber durch ihre persönlichen Entscheidungen und ihr Verhalten die Treibhausgasemissionen in ihrem Lande erheblich steigern oder vermindern. Zur Zeit geschieht weithin das erstere, jedenfalls in Deutschland. Zwar sinkt der Energieverbrauch der Wirtschaft. Die Energiespartechnik wird immer weiter entwickelt. Aber der private Energieverbrauch steigt an, am meisten im besonders klimagefährdenden Luftverkehr. Nun gehört ein großer Teil der Bevölkerung, jedenfalls in einigen westeuropäischen Staaten, zu einer christlichen Kirche. Die Kirchen können viele Menschen erreichen und haben die Aufgabe, sie auf ihren Umgang mit Energie anzusprechen. Sie können Informationen anbieten. Sie können ihre Mitglieder an den Entscheidungen über den Umgang mit Energie in den kirchlichen Einrichtungen beteiligen und so diese Frage thematisieren. Sie können mit ihren Einrichtungen beispielhaft wirken. Sie können für die Vorzüge eines einfachen Lebensstils werben. Sie können vor allem die ethische Dimension des Umgangs mit Energie bewusst machen: dass Menschen neben und nach uns unter den Folgen unnötigen Energieverbrauchs leiden, dass die Schöpfung Gottes leidet und dass es hier genau wie im zwischenmenschlichen Verhalten um Sünde vor Gott und Schuld an Menschen geht. Diese Informationen und Appelle betreffen zuerst den direkten Verbrauch von Energie (Heizen, Betrieb von elektrischen Anlagen, Verkehr). Energie wird aber auch zur Herstellung von Nahrung, von Konsumgütern und Dienstleistungen gebraucht. Die dafür verbrauchte Energiemenge ist durchaus mit dem direkten Verbrauch vergleichbar. Auch hier bestimmen die Bürger mit ihrem Konsum ganz wesentlich, wieviel Klimaschäden von ihrem Land angerichtet werden. Auch hier können die Kirchen ihre Mitglieder auf einen umweltschonenderen Lebensstil ansprechen. Freilich haben solche Appelle - "einfacher ist mehr" - bisher wenig bewirkt. Deshalb ist es wichtig, dass die Kirchen sich auch um die politischen Rahmenbedingungen bemühen. Beteiligung an der Klimapolitik Die Kirchen sind ein Teil der Gesellschaft. Sie tragen in einer Demokratie politische Verantwortung und müssen sich am öffentlichen Gespräch, auch am Streit um richtige Politik beteiligen. Nun treffen die Folgen eines mangelhaften Klimaschutzes die Bevölkerung (Nord-) Westeuropas erst auf längere Sicht. Eine effektive Klimaschutzpolitik, die der Bevölkerung kurzfristig auch Belastungen und Beschränkungen zumutet, ist deshalb nur sehr schwer durchzusetzen. Hier ist es die Aufgabe der Kirchen, im Namen der jetzt schon vom Klimawandel betroffenen Menschen und im Namen der kommenden Generationen eine effektive Klimaschutzpolitik einzufordern, alle entsprechenden politischen Ansätze deutlich zu unterstützen, selber die damit verbundenen Belastungen zu akzeptieren und dem Widerstand dagegen ihrerseits zu widersprechen. Selbstverpflichtung Ein deutlicher Schritt der Kirchen, ihre eigene Verantwortung für den Klimaschutz wahrzunehmen, würde in einer öffentlich bekanntgemachten Selbstverpflichtung bestehen. Solche Selbstverpflichtungen sind bereits von anderen Teilen der Gesellschaft, z.B. von Wirtschaftsverbänden eingegangen worden. Kirchen sollten diesen Schritt auch tun. Dazu gehören folgende Punkte: a. Definition eines Minderungszieles und der Frist, in der es erreicht werden soll. Die Baseler Ökumenische Versammlung hat vor zwölf Jahren ein Ziel von - 50% des Energieverbrauchs benannt. In einigen Jahrzehnten muss dieses Ziel in der Tat erreicht werden. Der ÖKR fordert im Sinne der globalen Gerechtigkeit ein Reduktionsziel, das sicht nicht am gegenwärtigen Verbrauch orientiert, sondern allen Menschen einen im Prinzip gleichen Anteil an den CO2-Emissionen zu gesteht. Davon sind die Industriestaaten noch extrem weit entfernt, und selbst in den Kirchen wird es noch sehr viel Mühe kosten, für dieses Ziel zu werben. Auch innerhalb Westeuropas sind die Pro-Kopf-CO2-Emissionen sehr unterschiedlich in Deutschland z.B. fast doppelt so hoch wie in Schweden und etwa 70% höher als in Frankreich -, und ähnlich groß dürften die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kirchen Westeuropas sein. So wäre vorläufig vielleicht doch ein Ziel von z.B. - 25% bis 2010 realistischer. b. Erfassung der gegenwärtigen CO2-Emissionen. c. Erfolgskontrolle mit Zwischenberichten. d. Gegenseitige Beratung und Unterstützung. Die Möglichkeiten, CO2-Emissionen zu vermeiden, sind bekannt. Auch die strukturellen Probleme und Widerstände sind bekannt. Es kommt aber darauf an, diese Informationen zu verbreiten bzw. untereinander auszutauschen. Auch sollte man wenigstens prüfen, ob die reicheren Kirchen nicht die ärmeren bei dieser Aufgabe unterstützen, zumal sie selbst bei einem gerechten, an den pro-KopfEmissionen orientierten Ziel erheblich größere Reduktionen erreichen müssten. *** Klimawandel und die Kirchen in Zentraleuropa Eine Stimme aus Tschechien Roman Juriga Schauen wir auf Zentral- und Osteuropa, so müssen wir feststellen, dass bis jetzt nur sehr wenig über das Thema des Klimawandels gearbeitet worden ist. Der Grund dafür ist offensichtlich. Bis vor kurzem konnten unter den kommunistischen Régimen die Kirchen – wie auch die Umweltschützer – ihre Stimme nicht erheben. Während der kommunistischen Periode gab es nur wenige Beispiele von Umweltaktionen; in der Deutschen Demokratischen Republik, in Bulgarien, Georgien und in einigen anderen Orten. Regelmäßig wurden in diesen Fällen jene, die es wagten, Umweltthemen anzusprechen, durch die kommunistische Propaganda stark kritisiert und manchmal auch verfolgt. Verschiedene engagierte Umweltschützer, unter ihnen auch Christen, veröffentlichten in der sozialistischen Tschechoslowakei ein Dokument mit dem Titel „Der andere Bericht“, der offen die erbarmungslose Ausbeutung und Zerstörung der Natur durch das Regime und die Einflüsse auf das Leben der Leute in den am meisten verwüsteten Gebieten schilderte. Diese Streitbaren verloren ihre Arbeit und wurden auch auf andere Weise verfolgt. Die Umweltbewegung in der postkommunistischen Zeit Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus im Jahre 1989 kamen neue Hoffnungen auf. Für eine kurze Periode wurden Umweltthemen für weite Kreise in den postkommunistischen Länder sehr bedeutsam. Die Information über die Verschlechterung der Umwelt, verursacht durch die Übernutzung natürlicher Ressourcen, fossile Energieträger und Atomabfälle, Chemikalien und toxische Substanzen im Boden, Wasser und in der Nahrung wurden freigegeben und verfügbar. Umweltthemen begannen allgemein diskutiert zu werden; sie wurden auch durch Gesetzgeber und Politiker in den neuen Demokratien Zentral- und Osteuropas angesprochen. Viele ausgezeichnete Umweltgesetze wurden von den Regierungen verabschiedet. Dies hauptsächlich in den ersten zwei oder drei Jahren nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. Gleichwohl haben die jüngst entstandenen Demokratien und die neuen pragmatischen Führer, die in den folgenden Jahren oder sogar Monaten frühere Dissidenten im Prozess der Umgestaltung und Privatisierung verdrängten, bald entdeckt, dass eine gesunde Umweltpolitik und Verfahren teuer sind und auch beträchtliche soziale Kosten verursachen. „Transformierte“ neu- alte Eigentümer der Stahlwerke, Kohlenminen, Chemiefabriken, Kraftwerke, Fabriken und Investmentfonds identifizierten Umweltschützer bald als Störenfriede und als ihre Hauptfeinde. In manchen Ländern brachten sie es sogar zustande, in Zusammenarbeit mit korrupten politischen Führern, sie als Anarchisten, Grünterroristen und Kriminelle zu etikettieren. Anderswo wurden die Grünparteien als Linke und den Kommunisten nicht unähnlich beschrieben. Schließlich wurde die Umweltbewegung in die Position eines Außenseiters gedrängt und verdächtigt, die demokratische Gesellschaft zu unterminieren. Die Umweltbewegung in postkommunistischen Ländern hatte den Ruf, das freie Marktsystem durch den Vorschlag von Alternativen zum Konsumismus in Frage zu stellen. In Tschechien und in verschiedenen anderen Ländern wurden umstrittene Kernkraftwerke ohne die angemessene Einbeziehung der Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess in Betrieb gesetzt. Diese Entwicklungen wurden durch den praktischen Materialismus, der erfolgreich den ideologischen Materialismus, früher durch die Kommunisten gelehrt, ersetzte, begünstigt. Geringe Beachtung durch die Kirchen Es ist eine traurige Tatsache, dass diese Art des Rückzuges aus einer hoffnungsvollen Umweltpolitik in der unmittelbaren Nachwirkung des Kommunismus zu Beginn der 90er Jahre durch die Kirchen nicht angesprochen und vielleicht nicht einmal zur Kenntnis genommen wurde. Auf der anderen Seite muss gesagt werden, dass es viele dringliche Themen auf der Tagesordnung der Kirchen gab. Sie konzentrierten sich auf die Erneuerung ihrer seelsorgerlichen und diakonischen Arbeit, auf die Errichtung neuer Kirchen, kirchlicher Institutionen, Schulen, Verlagshäuser etc., die in den vergangenen 50 oder sogar 70 Jahren nicht normal funktioniert hatten oder überhaupt nicht existierten. In dieser Situation ist es kein Wunder, dass einige Themen von größter Bedeutung, die Sorge um die Umwelt in erster Linie, nicht angesprochen oder nur durch wenige Kirchenführer, kirchliche Gruppen oder Individuen in Angriff genommen wurden. Erst in den jüngsten Jahren begannen die Kirchen sich darüber klar zu werden, dass die Verantwortung für die Umwelt kein Fremdkörper für den christlichen Glauben ist, sondern eine unverzichtbare Dimension im Zeugnis sowohl der Kirche als Ganzer als des einzelnen Christen darstellt. Viele Christen in Zentral- und Osteuropa beginnen zu verstehen, dass die Sorge um die Umwelt, um nachhaltige Lebensstile und die Verteidigung von Gottes Schöpfung direkt zur christlichen Spiritualität und zum Zeugnis gehören. Es muss betont werden, dass in den jüngsten Jahren das Interesse an Umweltfragen unter den Christen in Zentral- und Osteuropa stetig angewachsen ist. Das Engagement von Christen im Westen war und bleibt eine Quelle der Inspiration. Aber es gibt auch das exemplarische Zeugnis des verstorbenen Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. und seines Nachfolgers Bartholomäus I., das eine Quelle von Inspiration liefert – nicht allein für die Orthodoxen. Die Kirchen im Dialog mit der Gesellschaft Das Thema der globalen Erwärmung und des Klimawandels stellt sich im Zusammenhang mit diesem sich entwickelnden Bewusstsein. Es bietet den Kirchen Zentral- und Osteuropas die ideale Gelegenheit, mit der Gesellschaft in einen Dialog zu treten und christliche Werte, wie Demut, Solidarität, Liebe, Selbstaufopferung, Barmherzigkeit, Vertrauen und Frieden als Alternativen zu Konsumismus, Individualismus und Gewalt ins Gespräch zu bringen. Nur christliche Werte können helfen das Leben auf der Erde zu bewahren. Es ist klar, dass eine verantwortliche Antwort auf die Herausforderung des Klimawandels und anderer Umweltthemen das Engagement der Kirchen, ihrer Leiter und aller Christen in politischen Debatten erfordert. Sie müssen sich im Kampf gegen unverantwortliche, aber starke Wirtschaft-Lobbies und gegen die Gesellschaften der EnergieMobilitäts- und Produktionssektoren engagieren. Eine ernsthafte theologische Reflexion ist gefordert. Die anstehenden globalen Probleme müssen ständig von neuem angesprochen werden. Dazu gehören unvermeidlich auch praktische Beispiele und Pilotprojekte; sie können im Rahmen der kirchlichen Institutionen zu inspirierenden Zeichen der Hoffnung für alle Leute in Zentral- und Osteuropa. Die Beschäftigung der Kirchen mit der Debatte über den Klimawandel und den damit zusammenhängenden Umweltthemen macht es notwendig, beträchtliche Ressourcen für Umweltaktivitäten freizustellen. Anstrengungen sind erforderlich, um die Qualität von Gebäuden zu verbessern, Programme des Energiesparens zu entwickeln und Pionierarbeiten bei der Nutzung alternativer Energiequellen leisten und an Beispielen vorzuführen. Die heutigen Formen der motorisierten Mobilität müssen in Frage gestellt werden (unglücklicherweise ist in den letzten zehn Jahren der private Autoverkehr privilegiert und der öffentliche Transport rechtlich beeinträchtigt worden). Werden die Kirchen die Herausforderung annehmen? Es ist natürlich noch bei weitem nicht ausgemacht, dass sich die Kirchen und ihre Vorsteher diesen schwierigen und unbequemen Herausforderungen stellen werden. Es kann sein, dass sie es ablehnen, mit den komplizierten Diskussionen über globale Umweltbedrohungen und den Klimawechsel in der vordersten Reihe beschäftigt zu werden. Wenn das geschehen sollte, könnte der dringend notwendige strukturelle Wandel in den zentral- und osteuropäischen Nationen und im Rest der Welt zu spät kommen. Die schweren Überflutungen und Dürren, welche Millionen nicht nur in Zentral- und Osteuropa, sondern Menschen auf dem ganzen Planeten getroffen haben, zeigen, dass der Einfluss des Klimawandels nicht nur Zukunft sondern bereits Gegenwart ist. Die „barmherzigen“ Lügen der Werbemanager für Monopole der fossilen Energie und korrupte Politiker können diese Tatsache nicht verheimlichen. Oft haben Kirchen und Christen in Zentral- und Osteuropa in der verwickelten Geschichte bewiesen, dass sie sich angesichts von Krisen aller Art für ihr Volk entschieden haben; sie haben ihre Bereitschaft gezeigt, sich für Christus und den Rest der Menschheit zu opfern. Es ist überraschend, dass sie ausgerechnet dann blühten und wuchsen, wenn sie dies taten. Wenn sie sich auf die Seite der weltlichen Mächte stellten, verloren sie oft ihre spirituelle Stärke und Glaubwürdigkeit. Wenn Kirchen und Christen in Zentral- und Osteuropa in der Lage sind, ihre prophetische Stimme in erster Linie zu den Umweltbedrohungen, zweitens zu den Änderungen, die bereits das Leben vieler Menschen beeinflussen, zu erheben und drittens zu den Risken, denen wir uns gegenwärtig gegenübersehen, dann bleibt noch immer eine Chance. *** Klimawandel und die Kirchen in Osteuropa Eine Stimme aus Russland Larisa Skuratovskaya Das Rahmenabkommen der Vereinten Nationen zum Klimawandel (FCCC) wurde am 9.Mai 1992 unterzeichnet und trat am 21.März 1994 in Kraft. Bis jetzt haben 186 Staaten dieses Abkommen ratifiziert, unter ihnen Russland und diejenigen Länder aus der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), die wirtschaftlich mehr oder weniger intakt sind. Das Abkommen bezweckt die Beteiligung an den Problemen des Klimawandels. Die erste Konferenz der Teilnehmer an diesem Abkommen fand 1995 in Berlin statt. Damit begann ein langer Verhandlungsprozess der Auseinandersetzung um Emissionen von Treibhausgasen. Jetzt gibt es ein neues System internationaler Rechts- und Wirtschaftsverbindlichkeiten, insbesondere seit dem Rückfall von 1997 bei der 3. Konferenz der Teilnehmerstaaten in Kyoto, als ein spezielles Protokoll dem Rahmenabkommen zugefügt wurde. Die industriell entwickelten Staaten stimmten ebenso wie die Staaten im wirtschaftlichen Übergangsstadium der Notwendigkeit zu, substantielle und bindende Verpflichtungen zur Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen einzugehen. 84 Staaten unterzeichneten dieses Kyoto-Protokoll, unter ihnen alle Industriestaaten und die meisten GUS-Staaten. Russland hat das Protokoll am 11.März 1999 unterzeichnet. Der Ratifizierungsprozess läuft noch. 29 Entwicklungsländer ratifizierten es, darunter Usbekistan, Georgien, Mexiko, Mongolei und Turkmenistan. Von den führenden westlichen Ländern hat bis jetzt nur Frankreich das Protokoll ratifiziert (wobei diese Ratifizierung erst voll in Kraft tritt, wenn andere Mitglieder der Europäischen Union ebenfalls ratifizieren). Die Situation in Russland Russland ist verantwortlich für 17 % der Emissionen von Treibhausgasen derjenigen Staaten, die im Anhang I der Konvention aufgeführt sind. Das Kyoto-Protokoll muss von den Staaten ratifiziert werden, deren Gesamtausstoß mindestens 55 % der Emissionen der im Anhang I genannten Teilnehmer beträgt. Die Haltung Russlands ist entscheidend für die Zukunft des Protokolls, vor allem seit die USA im März 2001 den ausgehandelten Vertrag ablehnten. Die Unterzeichnung des Protokolls durch Russland eröffnet eine neue Möglichkeit, dass das Protokoll ohne Ratifizierung durch die USA in Kraft treten kann, obgleich die praktische Teilnahme der USA sicherlich entscheidende Bedeutung hat für den Umgang mit dem Klimawandel. Dennoch, der Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen in Russland gehört zu den höchsten der Industriestaaten und ist um vieles höher als in irgendeinem der Entwicklungsländer. Die Regierung in Russland sieht die Ratifizierung des Protokolls als erforderlich an, jedoch nicht um jeden Preis. Russland hat zwar das Recht, die Emissionen auf dem Stand von 1990 zu halten, wird aber verpflichtet, sie nicht zu erhöhen. Im Augenblick liegen die Emissionen in Russland bei 70 % des Niveaus von 1990. Die meisten davon werden verursacht durch fossile Brennstoffe. Das KyotoProtokoll ist sehr vorteilhaft für Russland, aktuell sogar sehr vorteilhaft, weil es eine Möglichkeit zum Emissionshandel eröffnet, der das ganze Abkommen von Kyoto unterlaufen könnte. Aber die meisten russischen Politiker und Unternehmer wissen, dass dieses Geschäft auf die Dauer gefährlich und kontraproduktiv ist. Stattdessen müssten neue Mechanismen für Investitionen entwickelt werden. Die Rolle der Russisch-Orthodoxen Kirche Ich glaube, dass in Russland ebenso wie in anderen Ländern das Hauptproblem für eine Beteiligung an der Gegensteuerung zum Klimawandel nicht so sehr eine wirtschaftliche, sondern vielmehr eine spirituelle Dimension hat. Der Kommunismus hat das Gefühl für Verantwortung zerstört und durch den bloßen Instinkt der Selbsterhaltung um jeden Preis ersetzt, sogar auf Kosten des Untergangs von ethischen Werten und des Lebens der Nachbarn. Diese Überlebensphilosophie ist immer noch die größte spirituelle Gefahr in Russland. Allzu oft haben Politiker und einfache Leute kein Gefühl mehr für moralische Pflichten. In dieser Situation bekommt die Stimme der Russisch-Orthodoxen Kirche allerhöchste Bedeutung. Die Russisch-Orthodoxe Kirche besteht jetzt zumeist aus neuen Gläubigen, die sich ihr in den letzten zehn Jahren zugewandt haben, nachdem religiöse Freiheit Wirklichkeit wurde. Dies bedeutet, dass manche Leute ihren christlichen Glauben kombinieren mit Überbleibseln kommunistischer Philosophie: Fremdenfeindlichkeit, Aggression und Ressentiment. Als sehr bedeutsam muss bemerkt werden, dass im August 2000 die Bischofssynode der RussischOrthodoxen Kirche einer Reihe von Resolutionen zustimmte, die die dringendsten Fragen der heutigen Welt vom Standpunkt christlicher Verantwortung und Freiheit ansprachen. Die Synode verurteilte Korruption sowie zerstörendes und nachteiliges wirtschaftliches Verhalten, wie es für die heutige regierende Elite Russlands typisch ist. In einer Resolution, die insbesondere die Ökologie zum Inhalt hat, wird erklärt, dass „der Mensch das Ebenbild des himmlischen Hausherrn trägt und als solcher seine königliche Würde nicht ausüben darf durch Besitzansprüche über die ihn umgebende Welt oder durch Gewalt gegen sie, sondern durch ‚Pflege’ und ‚Bewahrung’ des großartigen Reichtums der Natur, für die er vor Gott verantwortlich ist. ... Die Russisch-Orthodoxe Kirche würdigt die Bemühungen zum Überwinden der ökologischen Krise und ruft die Menschen zu intensiver Zusammenarbeit in Aktionen auf, die auf die Bewahrung der Schöpfung Gottes zielen. ... Die geistig entwürdigte Persönlichkeit führt unweigerlich in die Herabwürdigung der Natur.“ Nach der Synode unterzeichnete der russische Patriarch Alexej II einen speziellen Brief an den Präsidenten Russlands, in dem er aufforderte, das Forstwirtschaftsministerium nicht abzuschaffen. Diese Abschaffung ist von jenen vorgeschlagen worden, die mehr an Profit als an die damit verbundenen Gefahren einer fortschreitenden Entwaldung denken. Mentalität Die Allgemeine Bischofssynode hat ferner einer Resolution zur ökumenischen Bewegung zugestimmt, in der sie Anträge auf generelle Verurteilung des Ökumenismus zurückweist. Diese Anträge sind bezeichnend für die nachkommunistische Isolation und nicht nur typisch für die neuen Mitglieder der Russisch-Orthodoxen Kirche, sondern eben auch für jene russischen Bürger, die mit den ökonomischen Problemen nicht in einer kreativen Weise umgehen können. Aggressive Fremdenfeindlichkeit stellt in der Synode nur eine verschwindende Minderheit dar, so dass wir sagen können, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche weniger antiwestlich als viele andere Bereiche der russischen Gesellschaft ist. Bei der Mitarbeit an dem Problem des Klimawandels können ökonomische und gesetzgeberische Mechanismen sich nur dann voll entfalten, wenn die ethische und geistige Atmosphäre in der Gesellschaft gesund ist. So stellte die Synode fest : „Die Umgestaltung der Natur beginnt mit der Veränderung der Seele“. Die Position der Russisch-Orthodoxen Kirche ist darum höchst bedeutsam; weil sie die Kirche mit den meisten Gläubigen unter den Russen ist. Sie hat bis jetzt eine ausgeglichene und konstruktive Haltung angenommen. Dies ist auch der Grund, dass in Russland der Gegensatz von Nord und Süd keine Rolle spielt. Russisch-orthodoxe Theologen fördern eine christliche Theologie von der Schöpfung und ihrer Gestaltung durch die Zusammenarbeit von Mensch und Schöpfer. Auseinandersetzungen zwischen russisch-orthodoxen und römisch-katholischen oder protestantischen Theologen gibt es, aber sie sind von untergeordneter Bedeutung, wenn wir die Notwendigkeit spüren, christliche Verantwortung für die Schöpfung zu fördern. *** Klimawandel und die Kirchen in Osteuropa Eine Stimme aus Armenien Diana Harutyunyan Um die Probleme des Klimawandels im Gebiet der neuerdings unabhängigen Staaten der früheren Sowjetunion (GUS) zu verstehen und darüber Klarheit zu gewinnen, inwieweit das Thema im Bewusstsein verankert ist, wie öffentliche Organisationen und auch die Kirchen damit umgehen und wie Politiker für ihr Land eine zusammenhängende Strategie zu entwickeln suchen, ist es wichtig, die folgenden miteinander verbundenen Faktoren zu unterscheiden: - gegenwärtige Tendenzen in der Gesellschaft im Blick auf das Bewusstsein, das Engagement und die Begründung von Umweltproblemen; - die ökonomische und politische Situation des Landes; - die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft. In den frühen Tagen des Übergangsprozesses war der negative Einfluss der Zentralplanung auf die Umwelt so offensichtlich, dass Umweltbelange vorrangige politische Themen wurden. Dieser Trend nahm aber während der Jahre ökonomischer Schwierigkeit, die auf die Unabhängigkeit folgten, ab. Einzelne Inseln von Umweltaktivität wurden durch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aufrechterhalten, ihre Stimme verlor sich aber in den Sümpfen der Gleichgültigkeit in einer Gesellschaft, die um ihr Überleben kämpfte und sich akuten ökonomischen und sozialen Problemen gegenübersah. Das ökologische Interesse hat abgenommen Ein wirtschaftlicher Umbruch, der sich über zehn Jahre ausdehnt, bringt fast unvermeidlich tiefe Erschütterung der Lebensverhältnisse mit sich. In den GUS Staaten leben über 100 Millionen Menschen unter der offiziellen Armutsgrenze. In Armenien z. B. sind das 55 % der Bevölkerung. Diese Erschwernisse haben in den letzten Jahren jegliches öffentliches Interesse an Umweltproblemen und Umweltbewusstsein radikal reduziert. Zur gleichen Zeit wurde die ökonomische Krise von einer Verschlechterung der ökologischen Situation begleitet. Wegen der Verringerung der wirtschaftlichen Aktivität haben sich die Verschmutzung und die Emissionen von Treibhausgasen des industriellen Sektors verringert, aber dies wird auf der anderen Seite von einer Verschlechterung der natürlichen Ressourcen (z. B. die Erschöpfung der Wasserversorgung, Bodenerosion, Waldübernutzung), die Verschlechterung der Luftqualität und die Verschmutzung begleitet. Aus der Sicht des Klimawandels bedeutet dies eine drastische Reduktion von Senken – die Bodenerosion hat zu einer Kohlenstoffentbindung und zu einer Schwächung der Wälder geführt. Alle diese Entwicklungen haben langfristige Konsequenzen. Die ärmeren Länder und speziell die verarmten Menschen haben nur ein geringes wirtschaftliches Potential, um diesen natürlichen Verhängnissen entgegenzutreten, und sind gegenüber dem Einfluss von Klimaanomalien und sich verschlechternder Umweltkonditionen verletzlicher. Im letzten Jahr sah sich Armenien einer akuten Dürre mit sehr schwierigen Konsequenzen für die Landwirtschaft und die Getreideerträge gegenüber. Der größte Anteil der ländlichen Bevölkerung überlebte nur durch humanitäre Hilfe und Lieferung von Nahrungsmitteln. Das Beispiel zeigt, dass das Land auf die Konsequenzen des Klimawandels weder gefasst noch vorbereitet ist. Die akute Energiekrise und die Zunahme der Armut sind die hauptsächlichen Gründe für die Entwaldung der Republik; sie hat einen Drittel ihrer Biomasse der Wälder verloren hat. Die Kirchen Die Situation der Kirchen in Osteuropa unterscheidet sich zwar von andern Teilen der Welt, ist aber nicht singulär. Der Sturz des Kommunismus und die Gründung neuer unabhängiger Staaten haben den erforderlichen Raum geschaffen, in dem die Kirchen den ihnen zustehenden Platz im sozialen Leben des Staates und ihre besondere Rolle in der säkularen Gesellschaft zurückgewinnen können. Es verdient die Erwähnung, dass die Kirchenleiter eine Diskussion unter den Kirchen über ihr Zeugnis in der Gesellschaft als dringlich und weiterführend betrachten. Die Beziehung zwischen der Kirche und Gesellschaft war das Hauptthema in einem Dialog zwischen den Vertretern der Russisch-Orthodoxen Kirche und der Armenischen Apostolischen Kirche, der im Februar 2001 stattfand. Die Länder der GUS sehen sich heute ähnlichen Problemen gegenüber, gehen sie doch alle durch einen Umbruch, der sie zutiefst erschüttert. Die Probleme der Gesellschaft sind auch die Probleme der Kirchen, die sich in allem Perioden ihrer Geschichte der Nation und den Gemeinden verpflichtet wussten. Die Kirchen sind heute wie ein Spiegelbild der Nation; auch auf ihrer Tagesordnung werden die Umweltprobleme weit unten eingereiht. Ein Dialog zwischen den Kirchen in West- und Zentraleuropa könnte sich als überaus fruchtbar erweisen. Alles kommt in diesem Dialog darauf an, dass eine unmittelbare Antwort auf die heißen Themen der Gesellschaft gesucht wird, dass ökumenische Erziehung auf allen Niveaus gefördert wird, dass Gemeinden ermutigt werden, die christliche Tradition in allen ihren Dimensionen in ihrem täglichen Leben zu beachten und dadurch auch den Staat in seiner Strategie und Politik zu beeinflussen. Es ist für die Kirchen dringend nötig, ihren Wissensstand über die Theologie des Lebens und folglich auch über die Folgen des Klimawandels zu vertiefen. Die Kirchen sollten sich in der Öffentlichkeit mit Erklärungen über die Dringlichkeit eines umfassenden Umweltzeugnisses zu Worte melden. Sie können neue Einsichten verbreiten, diskutieren, fördern und im gegebenen Fall für sie einstehen. Das Teilen der Ressourcen, ökumenische Netzwerke und Konferenzen am Runden Tisch können dafür sehr nützliche Werkzeuge sein. Es ist die Aufgabe unserer Kirchen, ihren Gemeinden im harten Kampf um das Überleben nahe zu sein; sie werden auf diese Weise auch dem Andrang der Sekten und neuen religiösen Bewegungen am effizientesten widerstehen. Leute verlassen die institutionellen Kirchen, weil sie glauben, dass diese nicht imstande sind, angemessen auf die sich wandelnden Realitäten einzugehen. Eine ermutigende Erfahrung In den vergangenen Jahre konnte eine ermutigende Erfahrung gemacht werden. Die Kirche Armeniens hat einen Alarmruf ausgehen lassen über den verheerenden Stand der Entwaldung in der Republik. Aus Anlass der 1700-Jahr-Feier des Christentums in Armenien hat sich die Kirche mit dem ‚Armenischen Baumprojekt’ zusammengeschlossen und zu einem bemerkenswerten Projekt aufgerufen. Die Pläne schliessen die Wiederbelebung und Verschönerung von über zwanzig historisch bedeutsamen Kirchen in Armenien ein als sichtbaren Ausdruck unseres Glaubens und einer heilsamen Einstellung zur Natur. Das Ziel dieses Projektes ist es, 17.000 Bäume zu pflanzen und unsere Verbindung zu den heiligen Stätten und unserem spirituellen Erbe zu vertiefen. Ein zweites wertvolles Zeichen war die Einführung von Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern. Während der letzten Jahre wurden verschiedene Projekte mit lokalen Gemeinschaften und NGOs durchgeführt. Ein Teil dessen war die Einrichtung von Solartrocknern zum Trocknen lokaler Früchte. Solar-Wassererhitzer wurden in der Schule von Gumri, der zweitgrößten Stadt Armeniens, im Rahmen eines neuen Techniktransfers und eines durch die niederländische Regierung finanzierten Entwicklungsprojektes für erneuerbare Energiequellen installiert. Diese Projekte dürfen als ermutigende Schritte auf dem Wege zur Bewältigung der Umweltprobleme angesehen werden; sie ist ein kleines Zeichen im Bemühen um eine nachhaltige Zukunft und Gerechtigkeit in der ganzen Schöpfung Gottes. Überlegungen und Schritte dieser Art werden sicherlich die Kirchen dazu bringen, ihre Rolle in den Gesellschaften zu überprüfen und neu umschreiben. Sie können den einzelnen Christen helfen, die Bedeutung der reichen Glaubensschätze der Vergangenheit für eine verantwortliche Haushalterschaft heute wieder zu entdecken. *** Globale Erwärmung – eine afrikanische Perspektive Eine Stimme aus Kenia Jesse Mugambi Einleitung Afrika, das ungefähr 14% der Weltbevölkerung umfasst, steuert weniger als 1% zur industriellen Produktion der Welt und weniger als 2% zum Welthandel bei. Afrika trägt weniger als 3% zur Gesamtheit der CO2-Emissionen bei. Obwohl große Mengen an Industriemineralen in Afrika gewonnen werden, zieht die Bevölkerung des Kontinents keinen Vorteil aus diesen Ressourcen. Stattdessen wird die Bevölkerung Afrikas durch die Wirtschaftspolitik, die darauf angelegt ist, die OECD-Länder reicher zu machen, in wachsende Armut gebracht. Die Armut Afrikas eskaliert. Die Globalisierung verringert diese Unausgewogenheit nicht, sondern vergrößert sie. Die industrielle Verschmutzung in der Welt wird vornehmlich durch die OECD-Länder verursacht, die zerstörerischen Konsequenzen treffen aber vor allem die Bevölkerung Afrikas. Die globale Erwärmung ist eine der zerstörenden Konsequenzen einer unverantwortlichen Industrialisierung. Der jüngste dritte Bericht des zwischenstaatlichen Ausschusses über den Klimawandel (IPCC) bestätigt, dass die Industrialisierung ein direkter Grund der globalen Erwärmung war und ist und dass die am nachteiligsten betroffene Region Afrika ist. Die ausgedehnten Dürren in Ostafrika und die Überschwemmungen in Mosambik, Malawi und Sambia, welche Millionen von Leuten aus ihrer Heimat verdrängten und ihr Eigentum zerstörten, sind Beispiele dieser nachteiligen Konsequenzen. Was Afrika gegenwärtig braucht sind nicht „Almosen“ und „Entlastung“. Solche sind, obwohl sie wichtig sind, nur eine vorläufige Aktion. Wird Afrika auf die Dauer von Jahr zu Jahr von Almosen und Entlastung abhängen, während die Industrienationen Nationen weiter die Umwelt verschmutzen? Das Kyoto-Protokoll fordert von den Industrienationen, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Vonseiten dieser Nationen wird Widerstand geleistet gegen die Massnahmen, die sich doch aufdrängen. Wie viel Sorgen sie sich Sorgen um die Völker, die in anderen als ihren eigenen Regionen die Konsequenzen der von ihnen verursachten industriellen Verschmutzung erleiden? Ist es für jene, die schädigen, nicht nötig, den Schaden, den sie bereits verursacht haben, zu beheben? Internationale Konventionen über die Umwelt Umweltkonventionen, die innerhalb der Vereinten Nationen verhandelt wurden, die Rahmenkonvention über den Klimawechsel eingeschlossen, bezwecken, die internationale Staatengemeinschaft in Pflicht zu nehmen im Blick auf Blick auf einen verantwortlicheren Umgang mit der Umwelt. Verantwortung ist ein ethischer Begriff. Jene Nationen, die die industrielle Verschmutzung zur Hauptsache verursacht haben, müssen auch die Verantwortung für die Zerstörung, die daraus folgt, übernehmen. Ausgerechnet die größten Verschmutzer, zugleich die am weitesten industrialisierten und wohlhabendsten Nationen, sind aber kläglicherweise am wenigstens geneigt, für den Schaden, den sie verursacht haben und weiterhin verursachen, aufzukommen. Diese Einstellung führt in den verarmten Nationen des Südens unausweichlich zu der kritischen Frage, wie die von den mächtigen Nationen der Welt ausgeübte Führerschaft ethisch zu beurteilen sei. Auf der Sechsten Konferenz der Signatarstaaten in Den Haag im November 2000 brachen die Verhandlungen zusammen, weil einige der führenden Industrienationen es ablehnten, die Verantwortung für die Konsequenzen ihrer nationalen Umweltpolitik zu übernehmen. Ihnen kommt es mehr auf die augenblickliche Macht und den Profit an als auf globale Gerechtigkeit. Wie kann Frieden und Sicherheit in einer Welt garantiert werden, in der 20% der Weltbevölkerung 80% der Verschmutzung der Erde verursachen und 80% des Reichtums der Welt kontrollieren. Dieses Ungleichgewicht ist, vielleicht stärker als jeder andere Faktor, die größte Bedrohung für den Weltfrieden und die Sicherheit. Langfristig wird es keine bewohnbare Welt geben, wenn die unverantwortliche Industrialisierung sich weiter so fortsetzt, wie dies im 19. und 20. Jahrhunderts der Fall war. Die Rolle der Glaubensgemeinschaften Glaubensgemeinschaften stehen in der Versuchung, die herrschenden Systeme, in die sie Vertrauen haben, durch ihren ‚Segen’ zu legitimieren. Umgekehrt nutzen gewisse Regime diejenigen Glaubensgemeinschaften aus, die bereit sind, ihre Politik und Praxis zu segnen. Sie unterstützen im Gegenzug gerne Programme, die von ihnen genehmen Glaubensgemeinschaften getragen und durchgeführt werden. In Afrika war eine derartige Kollaboration zwischen Kirche und Staat seit den Tagen der Kolonialherrschaft üblich. Alle Glaubensgemeinschaften stehen vor der Herausforderung, wie „die kritische Distanz“ zwischen „ Kirche“ und „Staat“ beibehalten werden kann, besonders wenn von den Glaubensgemeinschaften die Anpassung an die Politik des an der Macht stehenden Regimes gefordert wird. Aufgrund ihres kulturellen und religiösen Erbes nehmen Afrikaner die natürliche Umwelt sehr ernst. Die afrikanische Gemeinschaft umfasst jeden und jedes Ding: Gott, Geister, Ahnen, die gegenwärtige Generation, die zukünftige Generationen, Pflanzen, Tiere, Insekten, unbelebte Dinge. Gott, die Menschheit und die Natur – alle gehören zu derselben ontologischen Realität. Diese Weltsicht wurde durch die missionarische Bewegung aus Europa und Nordamerika unterminiert. Das Christentum, das in Afrika eingeführt wurde, hat diese Hochachtung der Umwelt zerstört. Im Unterricht der Missionare haben afrikanische Christen lernen müssen, dass Gott den Menschen die Verantwortung übertragen habe, Gottes Schöpfung zu „unterwerfen“ und „auszubeuten“. Bezeichnenderweise ist die Umwelt in den Ländern des tropischen Afrika, in denen das Christentum zur herrschenden Religion wurde, am weitgehendsten in Mitleidenschaft gezogen. Statt sich um die Umwelt zu sorgen, haben die Christen zur Zerstörung ihrer Heimat durch Überausbeutung der natürlichen Ressourcen beigetragen. Das ist eine Angelegenheit, die nicht nur Reue, sondern auch eine korrigierende Handlungsweise fordert. Die Konsequenzen dieser Überausbeutung werden in Afrika mehr als anderswo sonst gefühlt. Das afrikanische Christentum muss vom Erbe der Mission, das die Menschheit gegenüber der Natur hervorhob, ablassen und zur afrikanischen und biblischen Lehre zurückkehren, dass Menschen als Gottes Geschöpfe verantwortliche Verwalter der Schöpfung sein müssen. Als Gott das Schöpfungswerk vollendete, sah Gott, dass es „sehr gut“ war. Was haben wir Gottes schöner Schöpfung angetan? Sie ist keineswegs mehr gut. Wenn wir beanspruchen „zivilisiert“ und „progressiv“ zu sein, müssen wir die Verantwortung dafür übernehmen, die göttliche Schönheit für Gottes Schöpfung wieder herzustellen. Eine solche Wiederherstellung wird auf lange Sicht Früchte tragen, weil die Natur fähig ist, die Wunden, die ihr durch die Menschen zugefügt wurden, zu heilen. Die meisten der OECD-Länder sind historisch mit dem Christentum verbunden, sogar, obwohl sie heute beanspruchen würden „säkular“ zu sein. Wenn „Fortschritt“ und „Zivilisation“ vom Christentum hergeleitet wurden, könnte das Christentum für die Zerstörung der Umwelt verantwortlich gemacht werden? Wenn Leute, die sich zu Christus bekennen, das Evangelium von Jesus um mehr Macht und Profit willen verzerrt haben, ist das Evangelium zum Skandal geworden. Vorschläge für die Handlungsweise in den OECD-Ländern Wenn wir den letzten IPCC-Bericht ernstnehmen und wenn der politische Wille vorhanden ist, den gegenwärtigen Kurs zu korrigieren besteht nach wie eine Chance, dass die Umwelt in den kommenden Jahrhunderten wiederhergestellt werden kann. Aber eine solche Wiederherstellung kann nur erreicht werden, wenn die nachstehenden Vorschläge ernstgenommen werden: 1. Die OECD-Länder müssen, einzeln und gemeinsam, ihren Lebensstil und ihre Industriepolitik so ändern, dass die nationalen Emissionen von Treibhausgasen auf ein erträgliches Niveau gesenkt werden können. 2. Die OECD-Länder müssen, einzeln und gemeinsam, darauf verzichten, ihre verschmutzenden Technologien in weniger industrialisierte Nationen abzuschieben. 3. Die OECD-Länder müssen sich, einzeln und gemeinsam, verpflichten, die Umweltschäden, die in zwei Jahrhunderten industrieller Verschmutzung entstanden sind, wieder gut zu machen. 4. Die OECD-Länder müssen, einzeln und gemeinsam, davon absehen, ihre nationalen Reduktionsziele durch den Kauf von ‚Emissionsrechten’ aufzuweichen. 5. Die OECD-Länder müssen, einzeln und gemeinsam, eine Führungsrolle in der internationalen Politik und Wirtschaft übernehmen und den weniger industrialisierten und weniger mächtigen Ländern Modelle liefern, die ihnen als Beispiele dienen können. 6. Damit Afrika einen höheren Lebensstandard erreichen kann, muss die Wirtschaftspolitik der OECD-Länder eine andere Richtung nehmen. Ihre Märkte müssen für Güter und Dienstleistungen aus Afrika geöffnet werden. Überholte Technologien dürfen nicht in Zukunft nicht mehr nach Afrika abgeschoben werden. Handel mit Afrika muss fair sein. 7. Ein kritisches Bewusstsein muss in der Bevölkerung der OECD-Länder wachsen. Jede nationale Politik, welche die Ausbeutung der Völker in weniger industrialisierten Ländern zur Folge hat, muss von der Bevölkerung selbst bekämpft werden. Vorschläge für eine Handlungsweise in Afrika Afrikas Beitrag zur industriellen Verschmutzung fällt heute nicht ins Gewicht. Denn leiden die Völker Afrikas unter den Folgen der industriellen Verschmutzung durch die OECD-Länder. Zur gleichen Zeit werden sie durch eine Wirtschaftspolitik, die sie durch wachsende Verschuldung in die Armut geführt haben, eingeschnürt. Wie können afrikanische Nationen dazu beitragen, dass der globalen Erwärmung Grenzen gesetzt werden? Gegenwärtig lebt die Mehrheit der Afrikaner in ländlichen und stadtnahen Ansiedlungen, wo sie keinen Zugang zu reinem Fließwasser, zuverlässigem Heizmaterial, Elektrizität, Telefon und medizinischer Versorgung haben. Unter diesen Umständen sind sie auf Gnade und Verderb auf die nationale und internationale Politik angewiesen. Was können afrikanische Einzelpersonen und Gemeinschaften tun? Der Kampf ums Überleben hat Vorrang vor allem anderen. Wer nicht weiss, was er am kommenden Tag essen wird, hat keine Zeit um über die globale Erwärmung nachzudenken. Eine kleine afrikanische Elite kann den Lebensstil der Peers im Nordatlantik genießen, die Mehrheit der Afrikaner lebt aber in Armut. Trotzdem müssen sich afrikanische Regierungen gewissen Herausforderungen stellen: 1. Die afrikanische Elite muss ihr Augenmerk in erster Linie auf die traurige Lage der afrikanischen Mehrheit zu richten haben, die in Armut lebt. f. Die Afrikaner, die in ländlichen Gebieten wohnen, werden mehr Aufforstung auf dem kulturfähigen und semiariden Land betreiben müssen. g. Die Feuchtgebiete, die Flusstäler und Seeufer eingeschlossen, müssen geschützt werden. h. Der Bodenschutz wird systematischer durchgeführt werden müssen, um die Qualität des bestellbaren Landes zu verbessern und die Verschlammung der Flüsse und Seen zu reduzieren. i. Speichertechniken für das Regenwasser werden nachdrücklicher verfolgt werden müssen. j. Techniken der erneuerbaren Energie werden effizienter gestaltet und für ländliche und stadtnahe Gemeinschaften erschwinglich gemacht werden müssen. k. Programme für Umwelterziehung und-wiederherstellung sind dringende Aufgaben. Auf lokaler Ebene müssen dabei die Glaubensgemeinschaften eingezogen werden. Schluss Es ist klar, dass es sowohl für die Völker in den OECD-Ländern als auch für jene in Afrika Herausforderungen gibt. Die Völker Europas, Nordamerikas und anderer hochindustrialisierter Länder müssen die Verantwortung dafür übernehmen, ihre nationale Politik und ihren Lebensstil zu ändern. Der australische Biologe Prof. Charles Birch hat es einprägsam formuliert: „Die reichen Nationen müssen einfacher leben, damit die armen Nationen einfach leben können.“ Der berühmte britische Wirtschaftswissenschaftler E. F. Schumacher hat andererseits mit Recht darauf hingewiesen, dass wir das Motto „groß ist schön“ durch „klein ist schön“ ersetzen sollten. Diese Worte der Weisheit, wenn sie ernst genommen und in die Praxis umgesetzt werden, werden einen Zugang zur Umwelt ergeben, der kreativer und heilsamer ist. Möge Gott uns helfen, vertrauensvolle Verwalter und nicht rücksichtslose Ausbeuter der Umwelt zu sein. *** TEIL V Theologische Überlegungen Die Kirchen und die Umwelt: entfremdet und verbündet Klimawandel - eine Orthodoxe Sicht Klimawandel - eine evangelische Sicht Klimawandel - eine Römisch-Katholische Sicht Jesus und die Meteorologen: eine Meditation über Lukas 12, 54-56 Einleitung In diesem fünften Teil legen wir einige theologische Überlegungen zum Thema des Klimawandels vor. Sie stammen von Autoren mit unterschiedlichem Hintergrund und befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten des Themas. Der erste Beitrag weist auf die Ambivalenz in der Haltung der Kirchen gegenüber der ökologischen Krise hin – auf der einen Seite die Tendenz, die Natur als Objekt und nicht als Ort göttlicher Präsenz zu betrachten, und auf der andern Seite die wachsende Bereitschaft, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen. Die folgenden drei Artikel repräsentieren die verschiedenen konfessionellen Traditionen – die Orthodoxie, den Protestantismus und die römischkatholische Kirche. Eine kurze Meditation über ‚Jesus und die Meteorologen’ (Lk.12-54-56) macht den Abschluss. Die Kirchen und die Umwelt: entfremdet und verbündet Jaap van der Sar Die Antwort der Kirchen auf die zunehmende Umweltzerstörung war nicht zu allen Zeiten dieselbe; sie ist auch von Ort zu Ort unterschiedlich. Die Kirchen und ihre Glieder sind sich nicht ohne weiteres einig über die Art und Weise, mit der Natur umzugehen. In diesem Artikel möchte ich auf einige Hauptunterschiede in der christlichen Haltung gegenüber der Natur und der Umwelt aufmerksam machen. Ich möchte auf Ansätze hinweisen, die ihre Wurzel in einem je andern Verständnis der Natur haben. Diese unterschiedlichen Ansätze haben zu einem unterschiedlichen Umgang mit der Natur geführt. Zwei Zugänge seien vor allem genannt. Weil die zunehmende Zerstörung der Umwelt auf beiden Seiten ernstgenommen und auf ähnliche Weise beschrieben wird, sind sie einander in jüngster Zeit allerdings nähergekommen. Aufs Ganze gesehen haben die Kirchen die Gefahr weder frühzeitig erkannt noch mit Nachdruck davor gewarnt. Der Vorwurf, dass die christliche Tradition für die oekologische Krise verantwortlich sei (Lynn White), ist nicht einfach aus der Luft gegriffen. Nicht viel anders als die meisten Zeitgenossen haben sich auch die Mitglieder der Kirchen der Natur und der Umwelt gegenüber als Entfremdete verhalten. Sie haben ganz einfach von ihr Gebrauch gemacht. Gleichzeitig sind sich aber die Kirchen in wachsendem Masse der engen Verbindung zwischen dem menschlichen Geschlecht und dem Ganzen der Schöpfung bewusst geworden. Die Kirchen sind weltweit mehr und mehr zu Verbündeten der Umwelt-organisationen geworden. Die Motivation mag weit auseinandergehen. Die gemeinsamen Elemente stehen aber heute in weit höherem Masse im Vordergrund. Von Gottes Schöpfung fasziniert Manche Christen sehen in der Natur das wunderbare Ergebnis von Gottes Schöpferakt. ‚Und Gott sah, dass es gut war.’ Im Schöpfungsbericht begegnet uns dieses Urteil zum ersten Mal am Ende des dritten Schöpfungstages. Danach wird es mehrere Male wiederholt. Die Schöpfung ist gut. Unsere Herzen sind erfüllt von der Grösse der Natur, und wir erinnern uns an die bewegenden Gedichte, die sich im Buch der Psalmen finden. Psalm 8 sagt uns, dass Gott die Erde in all ihrem Glanz erschaffen und die Menschen zu Statthaltern eingesetzt hat. Psalm 104 ist eine Liebeslied auf die Schöpfung und den Schöpfer. Die Psalmen sind keine wissenschaftliche Beschreibungen der Natur, die in Zeitschriften wie Science ihren Platz finden könnten. Sie sind Gedichte und beschreiben eine Realität, die nicht in Worte gefasst werden kann. Aus diesem Grunde finden wir in der Bibel diese stammelnden Versuche, etwas von der Gnade der Schöpfung zum Ausdruck zu bringen. Wir erkennen den Schatten, ja vielleicht sogar die Gegenwart Gottes in der Schöpfung. Obwohl die Schöpfung nicht göttlich ist – da ist zu vieles, das nicht nicht ‚vom Himmel kommt’, wie zB. Erdbeben, Hurrikane, Krankheiten usw. – spiegelt sich in ihr dennoch ein Stück Himmel. Der Glaube führt uns dazu, die Natur und die Umwelt als Zeichen der Gegenwart des Schöpfers zu erkennen. Dieser Zugang zur Schöpfung hat für viele unter uns seine Gültigkeit. Er bestimmt die Art und Weise, wie wir die Natur und die Umwelt betrachten. Er bringt vor allem eine bestimmte Interpretation der Rolle des Menschen in der Schöpfung mit sich. Die Erschaffung des Menschen ist der letzte Schöpfungsakt. Weniger als ein Tag ist erforderlich, um ihn ins Leben zu rufen. Auf der einen Seite wird der Mensch als die Krone der Schöpfung gesehen, der Schlagrahm auf der Torte. Auf der andern Seite wird deutlich, dass die Schöpfung schon vor der Erschaffung des Menschen gut ist. Das Ganze der Schöpfung wird als das Werk des Schöpfers bezeichnet. Damit die Schöpfung als gut gelten kann, ist der Mensch nicht erforderlich. Auch ohne uns bleibt der Himalaya ein gewaltiger Berg, auch ohne uns begrünt der Rhein weite Gebiete und auch ohne uns geben die Regenwälder Raum für Tausende von Arten in einer sich ständig wandelnden Interdependenz. Wie gross ist die Schöpfung! Wie gering und abhängig sind wir kleinen Menschen. Wir sind Teil der Schöpfung, und erst im Augenblick, in dem der Mensch in die Schöpfung tritt, und nicht bevor, kann es heissen, dass ‚alles sehr gut’ war. Die Faszination gegenüber der Schöpfung findet Ausdruck in vielen Akten der Sorge und der Liebe zur Schöpfung. Betrachten Menschen die Natur in dieser Perspektive, fühlen sie sich von der Zerstörung der Umwelt betroffen. Ihnen ist bewusst, dass mehr auf dem Spiel steht als der Ruin der Natur und der Umwelt. Umweltzerstörung ist eine Beleidigung des Schöpfers. Sie darf nicht zugelassen werden. Aus diesem Grunde haben wir die heilige Pflicht, den gegenwärtigen Entwicklungen zu widerstehen. Die eigentliche Motivation für diesen Widerstand besteht darin, die Zerstörung von Gottes Schöpfung aufzuhalten oder zu verhindern. Auftrag und Verantwortung Nun gibt aber unter Christen noch eine zweite Haltung gegenüber der Schöpfung. Sie ist wohl vor allem in protestantischen Kreisen und im allgemeinen im Westen vorherrschend. Sie beruht auf der Überzeugung, dass die Menschheit in der Tat den Auftrag erhalten hat, über die Erde zu herrschen. Die Menschen sind beinahe Göttern gleich. In dieser Perspektive stellt sich dann vor allem die Frage, wie ‚diese Könige und Königinnen’ ihren Auftrag in Tat und Wahrheit ausführen. Sind sie als Führer und Führerinnen des Volkes bereit Verantwortung zu übernehmen? Handeln sie in seinem Namen und Interesse? Oder überlassen sie allen ‚Abfall’ den ‚andern’, den Armen, der übrigen Kreatur, den künftigen Generationen? Auch bei diesem Zugang werden die Grösse und der Glanz der Schöpfung anerkannt. Gott hat in der Tat ein ‚sehr gutes’ Werk vollbracht. Das menschliche Geschlecht, als Krone der Schöpfung, hat einen besonderen Platz im Ganzen der Schöpfung erhalten – klar unterschieden von andern lebendigen und nicht lebendigen Geschöpfen. Das Gewicht liegt hier nicht so sehr auf der Abhängigkeit des Menschen vom Ganzen der Schöpfung als vielmehr auf der Ueberzeugung, dass der Mensch den Auftrag erhalten hat, für die Schöpfung Sorge zu tragen. Die Dimension der Verantwortung spielt bei diesem Zugang eine enscheidende Rolle. Der Hinweis auf die menschliche Verantwortung bedeutet zugleich, dass die Menschen die heutigen Komplikationen und Gefahren mitverursacht haben – und dass sie genau aus diesem Grund verpflichtet sind, ihre Haltung zu ändern. Weil sie den Auftrag erhalten haben, für die Erde Sorge zu tragen, müssen sie auch denGefahren standhalten, die sie heraufbeschworen haben. In dieser zweiten Perspektive sind die Menschen weit mehr auf sich selbst gestellt. Sie sind verantwortlich – als ob Gott nicht oder nicht mehr gegenwärtig wäre. Gottes einzige Hände sind unsere Hände. Die Fähigkeit, diese Verantwortung auszuüben, ist heute überbeansprucht durch die negativen Folgen, die der menschliche Umgang mit der Schöpfung mit sich bringt. Menschliche Vernunft ist zwar in der Lage, die Ursachen der Zerstörung zu beschreiben. Sie vermag aber die Entwicklungen nicht wirklich aufzuhalten oder zu verhindern. Mehr und mehr Menschen fühlen sich enttäuscht, überbelastet und verlieren den Mut. Sie sind wie Autos, die im Schnee festgefahren sind und nur über einen Hinterradantrieb verfügen. Zu vieles stürzt auf uns ein. Zu viel Staub ist in der Luft und auf der Strasse. Sobald Menschen enttäuscht und müde sind, sehen sie keinen Ausweg mehr. Woher wird uns die Kraft zuteil? Sich verantwortlich fühlen ist nicht dasselbe wie verantwortlich sein. Verantwortlich handeln heisst noch nicht das Richtige tun. Um das Richtige tun, sind Sachkenntnis und Effizienz erforderlich. Was kann jeder oder jede Einzelne tun? Wie können wir unsere Verantwortung gemeinsam erfüllen? Diese Fragen sind entscheidend wichtig. Oft aber übersteigen sie unsere Kräfte. Ein tiefer begründetes Verhältnis zur Natur ist darum nötig. Wir sind der Teil der Natur. Wir sind von ihr abhängig. Die Sicht des ersten Umgangs mit der Natur muss uns zu Hilfe kommen: die Haltung der Faszination. Die beiden Zugänge nähern sich heute einander an Ich beobachte, dass die beiden Haltungen gegenüber der Natur heute einander näherkommen. Die blosse Faszination gegenüber der Natur wird durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Natur zerstört und die Umwelt verschmutzt wird. Faszination reicht nicht aus. Die Natur steckt voll von Gefahren. Und gleichzeitig müssen wir uns klarmachen, dass unsere Faszination gegenüber der Natur niemanden davon abhält, die Natur zu missbrauchen. Zu viele Leute beuten die Natur und die Umwelt bedenkenlos für ihre eigenen Zwecke aus. Was bleibt aber dann übrig, um unsere Faszination weiterhin zu erregen? Der Vorderradantrieb der Faszination verbindet sich mehr und mehr mit dem Hinterradantrieb. Vermutlich besteht unsere Aufgabe darin, einen Vierradantrieb zu verwirklichen – obwohl gerade in diesem Bild auch etwas von der Zweideutigkeit unserer Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Ohne die Natur und die Umwelt zu gebrauchen, wäre Leben nicht möglich. Die ganze Frage besteht darum darin, wie zwischen diesen unterschiedlichen Zugängen ein Gleichgewicht hergestellt werden kann. Die Frage steht im Hintergrund mancher neuerer Bemühungen der Kirchen um die Erhaltung der Schöpfung und der Umwelt. *** Klimawandel – eine Orthodoxe Sicht Dimitri Oikonomou Nachdem in den Verhandlungen über das Kyoto-Protokoll auf der Konferenz der Signatarstaaten in Den Haag die Unvereinbarkeit der Positionen sichtbar geworden ist, ergibt sich für die Kirchen Europas die Aufgabe zu handeln, alle möglichen Ansatzpunkte wahrzunehmen und Schritte zur Reduktion der Emissionen in die Wege zu leiten. In enger Zusammenarbeit sollten christliche Kirchenleiter auf dem europäischen Kontinent - ja auf allen Kontinenten – Vorschläge ausarbeiten, wie engagierte Gemeindeglieder ihre Verantwortung zur Reduktion der Treibhausgase wahrnehmen und sich praktisch einsetzen können. Was hat aber der Klimawandel mit Religion überhaupt zu tun? Die Antwort ist einfach: Wer Gott ehrt, weiss sich auch berufen, seine Schöpfung zu bewahren und wiederherzustellen. Meeresspiegel, Boden, Pflanzen, Tiere – alles Leben, nicht weniger als alles Leben, wird durch den Klimawandel in Mitleidenschaft gezogen. Als Christen, die auf dem reichen europäischen Kontinent leben, haben wir die Verpflichtung, uns um das Wohlergehen der gesamten Menschheit zu sorgen und unsere Aufmersamkeit vor allem den verletzlichen Teilen zuzuwenden. Die Folgen des Klimawandels – die Verknappung der Wasser-und Nahrungsmittelreserven, zunehmende Hitzewellen, die Zunahme tropischer Krankheiten – treffen alle Teile der Menschheit, in besonderem Masse aber die Bevölkerung der Entwicklungsländer. Die Heilige Schrift drängt alle Menschen guten Willens dazu, Gerechtigkeit zu üben gegenüber allen Teilen der Welt und gegenüber dem Ganzen der Schöpfung. Nun sind es aber genau die ‚christlichen’ Industrienationen, die vier Fünftel der Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen haben. Die Mehrzahl derjenigen, die darunter zu leiden haben, leben in den Entwicklungsländern.Gewiss, Gott ist gnädig und barmherzig, er schenkt uns aber zugleich auch Gelegenheiten, seine Gnadengaben umzusetzen. Eine solche Gelegenheit ist für die Nationen der ersten Welt ohne Zweifel die Ratifizierung und Ausführung des Kyoto-Protokolls. Die Umwelt als Ort des Lebens rein zu erhalten, ist eine Verpflichtung der Liebe gegenüber unseren Mitmenschen, insbesondere denen die von der drohenden Zerstörung direkt betroffen sind; und es geht zugleich darum, die ererbten Werte in die Zukunft kommenden Generationen weiterzugeben. Im Lichte der uns durch das Gebot der Liebe auferlegten Verantwortung wird die Erhaltung der Umwelt zu einer zentralen Aufgabe. Sie hat nichts mit heidnischer Naturverehrung zu tun, sondern ergibt sich aus der tiefen Achtung vor dem Schöpfer und der Liebe zum Nächsten. Die Rolle der Kirche - Gottes Warnungen Was ist nun dabei die Rolle der Kirche? In erster Linie kann sie einen Beitrag leisten zu einem tieferen Verständnis der Rolle des Menschen in der Natur, sie kann zweitens eine intellektuelle Klärung der christlichen Anthropologie herbeiführen, sie kann drittens auf die enge und unauflösliche Verbindung zwischen Mensch und Natur hinweisen und schlisslich ein prophetisches Zeugnis ablegen. Und wie können die einzelnen Glieder dazu beitragen, dass eine gesunde Umwelt – in Übereinstimmung mit der kirchlichen Lehre – entsteht? Sie können dazu beitragen, indem sie den geistlichen Reichtum der Kirche im Blick auf die Erhaltung der Schöpfung zur Geltung zu bringen suchen. Sie können aber auch dadurch dazu beitragen, dass sie Kontexte schaffen, in denen dieser Reichtum Gestalt annehmen kann, etwa (i) durch Erziehungsprogramme, die das oekologische Bewusstsein fördern; (ii) durch die Schaffung von Gelegenheiten zu gesellschaftlichem Handeln, die die Menschen in je ihrem Bereich wahrnehmen können; (iii) durch Seminare und Diskussionsgruppen auf der Gemeindeebene. Der Missbrauch der technologischen Mittel, der zu den heutigen Wetteranomalien führt, stellt das Überleben in Frage – es geht um nicht weniger als eine Krise. Und wenn wir durch eine Zeit der Krise gehen oder uns dramatischer geschichtlicher Ereignisse erinnern, fragen wir uns oft: Wo ist Gott in all dem? Wir stehen heute vor den weitreichenden Konsequenzen, die menschliche Aktivität über den Planeten Erde bringt. Oft steigt dabei die Frage auf, welchen Platz Gott in diesem Bilde einnimmt. Eine Antwort, die allerdings weder durch den Lauf der Geschichte noch durch die Aussagen der Schrift zu erhärten ist, geht davon aus, dass alle diese Veränderungen, die wir verursacht haben und verursachen, Teil von Gottes Plan sind. Eine andere Antwort sieht die Zerstörung nicht als gottgewollt an, sondern geht davon aus, dass Gott im entscheidenden Augenblick eingreifen wird. Vater Alexander Men’, ein hervorragender Priester der russisch-orthodoxen Kirche, der 1990 ermordet wurde, gab eine andere Antwort. In seiner Auseinandersetzung mit dem Abgründen des Nationalsozialismus und des Stalinismus erklärt er: Nein, Gott schaute nicht zu. Wo war er denn? Wo er zu allen Zeiten ist. Gott schaut nicht zu. Er warnt. Er sagt uns, mit welchen Folgen wir zu rechnen haben, wenn wir uns auf diese oder jene Weise verhalten. Im Blick auf den Klimawandel lässt sich sagen, dass Gott uns in der Tat gewarnt hat. , An dem Tage, an dem ihr von der Frucht des Baumes esst, werdet ihr gewiss sterben' (Gen.2,17). Mit andern Worten, wenn ihr die Schöpfung zur Befriedigung eurer eigenen Interessen missbraucht, auf eine Weise, die nicht meiner Ordnung entspricht und die Beziehung zu mir nicht fördert, sondern im Gegenteil stört, wird – sagt Gott – das Ergebnis der Tod sein. Und jetzt sehen wir die Konsequenzen dieses Ungehorsams nicht allein in unserer eigenen Sterblichkeit, sondern im Sterben der Erde und der Geschöpfe, die sie bevölkern. Theozentrisch - Kosmozentrisch Was heisst das nun? Wenn wir mit der Schöpfung systematisch auf eine Weise umgehen, die Gottes Wille nicht entspricht, was ist dann die richtige Weise, mit ihr umzugehen? Wir erhalten darüber in der Heiligen Schrift keine expliziten Gebote. Um die Frage beantworten zu können, müssen wir darum noch weitere Fragen stellen: In welchem Verhältnis steht Gott zum Ganzen der materiellen Schöpfung? Worin besteht im Rahmen der Schöpfung die Stellung des Menschen? Welche Rolle spielt der Mensch in der Beziehung der Welt zu Gott? Und umgekehrt: welche Rolle spielt die Welt in der Beziehung des Menschen zu Gott? Der Mensch wurde als theozentrisches Wesen erschaffen; er wurde aber zu einem kosmozentrischen Wesen. Manche mögen darin die richtige Entwicklung sehen, genau das für den Menschen erforderlich ist. Warum sind dann aber die Kirchenväter anderer Meinung? Weil nach ihrem Verständnis die Welt – das Ganze der Schöpfung – nicht dazu bestimmt ist, ein in sich geschlossenes System zu bilden. Der Mensch ist nicht dazu bestimmt, das Zentrum der Schöpfung zu sein, sondern eher die Vermittlungsstelle zu erfüllen zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung – ein ‚natürliches Band’, wie Maximus der Confessor sagt, ‚das sie zusammenhält’. Der Mensch ist mit der natürlichen Kraft ausgestattet, zusammenzuführen, was voneinander geschieden war. Um dieser Funktion der Verbindung willen dient der Mensch als Brennpunkt. Er kann als Zentrum verstanden werden, aber als Zentrum, das einem Ziele dient, das jenseits seiner selbst liegt. Der Mensch ist berufen, alles in seiner eigenen Natur zu sammeln, sodass Gott alles in allem sein wird. Es kann kaum genug betont werden, dass das christliche Verständnis des Menschen und der Welt ohne diesen Bezug zu Gott keinerlei Sinn ergibt und in keiner Weise angewendet werden kann. Kosmozentrizität führt letztlich nicht zu einem tieferen Respekt vor dem Geschaffenen, sondern macht aus der Schöpfung einen Götzen; und das ist, um den Heiligen Symeon, den neuen Theologen, zu zitieren, die tiefste Verschmutzung der Schöpfung. Und wenn der Mensch sich selbst zum Zentrum der Schöpfung erklärt, ohne den Bezig zu Gott ernstzunehmen, macht er aus sich selbst einen Götzen – der tiefste Ausdruck unseres Gefallenseins, wie der Heilige Andreas von Kreta in seinem Grosse Kanon bemerkt. Zusammenwirken der Elemente The Wiederherstellung der Schöpfung zu ihrer eigentlichen Ordnung bedeutet auch die Wiederherstellung der menschlichen Autorität über die Elemente. Wir können mit den Elementen nicht in eine direkte Kommunikation treten, so wie wir es bis zu einem gewissen Grade mit den Tieren können. So ist es diese Autorität über die Elemente, die uns zeigt, dass es im Leben der Heiligen nicht um natürliche Qualitäten geht, die von andern Geschöpfen wahrgenommen werden können, sondern um eine Beziehung zu Gott, durch die die gesamte Ordnung der Schöpfung wiederhergestellt wird. Eine Geschichte des Wüstenheiligen Copres kann hier als Illustratioin dienen. Sie zeigt etwas vom Fortdauern des Garten Edens vor dem Sündenfall. Abba Copres belehrte einige frisch getaufte Bauern in seiner Nachbarschaft, dass selbst der Sand der Wüste ihnen Früchte bringen werde, wenn sie sich Gott im Glauben anvertrauten. So brachten sie denn jedes Jahr eine Schaufel Wüstensand zu ihm und baten ihn um seinen Segen. Ihre blühenden Felder wurden zu einem Gegenstand des Neides der Ägypter. Bei der Zusammenarbeit mit den Elementen geht es aber nicht nur um Landwirtschaft. Und es gibt Illustrationen dafür nicht nur im Ägypten des vierten Jahrhunderts. Lassen Sie mich ein Beispiel aus einem andern Kontinent geben. Es betrifft Olga Michael, Frau eines Priesters in Alaska. Sie starb erst vor wenigen Jahren und steht im Rufe, zahlreiche Wunder bewirkt zu haben. Um die Geschichte zu verstehen, müssen wir uns die Härte der Winter in Alaska vor Augen halten. In der Nacht, in der Mutter Olga starb, blies ein starker und anhaltender Südwind und brachte den Schnee und das Eis in den Flüssen zum Schmelzen. Dies ermöglichte es den Nachbarn, mit Booten über den Fluss zu setzen, was in normalen Wintern völlig ausgeschlossen ist. Der Tag der Beerdigung war frühlingshaft. Die Trauerzug wurde sogar von einem Schwarm von Vögeln begleitet, obwohl die Vögel zu dieser Jahreszeit normalerweise längst im Süden weilen. Die Vögel kreisten über dem Sarg und begleiteten ihn zum Grabesstätte. Wegen des ungewöhnlichen Tauwetters konnte der gefrorene Boden leicht aufgebrochen werden. In der folgenden Nacht gefror die Erde von neuem, Eis überzog den Fluss und der Winter kehrte zurück. Vater Michael Oleksa, der uns diese Begebenheit berichtet, sagt dazu: „Der Kosmos ist nach wie vor am Werk und nimmt Teil an dem Gottesdienst, den ‚Wirkliche Menschen’ Gott darbringen“. Ich denke, dass dieser Ausdruck ‚Wirkliche Menschen’ mit Absicht in einer doppelten Bedeutung gewählt wurde. Mutter Olga’s Stamm sind die Yu’pik, d.h. Wirkliche Menschen. Der Ausdruck weist aber zugleich darauf, dass wir zu Wirklichen Menschen werden, wenn wir zu der Gestalt des Menschensohnes heranwachsen. Die zwischenmenschlichen und sozialen Konsequenzen, die mit der Eucharistie verbunden sind, gehören auch in diesen Zusammenhang. Sie führen zur ‚Entschmutzung’ der Erde, wie sie durch Christus vollbracht worden ist. Sie sind so etwas wie die Verlängerung dieser ‚Entschmutzung’ in die Realität der Gesellschaft. Die Liturgie zeigt uns auf alle Fälle dieses eine, dass nämlich Gerechtigkeit gegenüber unseren Mitmenschen und die Sorge für die materielle Welt zusammengehören und nicht voneinander getrennt werden können. Ich denke zum Beispiel an den Zusammenhang zwischen dem Fasten, dem Almosen und der Anullierung ungerechter Abmachungen, von der in der ersten Fastenwoche die Rede ist. Wir sollten auch nicht vergessen, dass am Fest der Theophanie, das den grossen Segen über dem Wasser einschliesst und so nachdrücklich die Heiligung der materiellen Welt zum Inhalt hat, ein prophetischer Aufruf zur Gerechtigkeit zur Verlesung kommt: Waschet, reiniget euch! Tut hinweg eure bösen Taten, mir aus den Augen! Höret auf, Böses zu tun! Lernet Gutes tun! Trachtet nach Recht! Weiset in Schranken den Gewalttätigen ... (Jesaja 1, 16-20). *** Klimawandel – eine evangelische Sicht Raus aus dem Tunnel! Martin Robra Wer die ausschliessliche Konzentration auf Profit und Wirtschaftswachstum im gegenwärtigen Kontext der ökonomischen Globalisierung kritisiert, hört oft: „Dazu gibt es keine Alternative“. Diese Antwort erweckt den Eindruck, als würden sich alle in einem Tunnel bewegen: Ihr werdet nur das Licht am Ende des Tunnels erreichen, wenn ihr euch schneller und schneller in die gleiche Richtung bewegt, geschoben und gezogen von einer immer stärker beschleunigenden Lokomotive. Diese Tunnelvision ist an die Stelle des Fortschrittsmythos getreten, seit die Unübersichtlichkeit und das Gefühl der Unsicherheit in einer komplexen Wirklichkeit das einfache Vertrauen in Wissenschaft und Technik zerstört haben. Die Tunnelvision setzt das Vertrauen in die Kraft des sich stetig beschleunigenden Wirtschaftsprozesses voraus, das seine Entsprechung in einem anderen modernen Mythos findet, dem Mythos der Mobilität als Freiheit, die durch den wachsenden Gebrauch von Automobilen und Flugzeugen entscheidend zum Klimawandel beiträgt. Die Geschwindigkeit des ökonomischen Systems, jedoch, hat sich längst über jenen Zeitrahmen hinausentwickelt, der notwendig und angemessen ist für die soziale und politische Regulierung des Prozesses. Die beschleunigte Zeit des Wirtschaftssystems hat sich losgelöst von den verschiedenen Zeitzyklen der Schöpfung. Der Energieverbrauch geht weit über die Grenzen hinaus, die durch die Zufuhr von Energie durch die Sonnenstrahlung gesetzt sind. Kohlendioxidemissionen und die Anhäufung von Müll als Folge nicht nachhaltiger Produktions- und Lebensformen können nicht mehr absorbiert werden. Die Zahlen, die Berichte des Wissenschaftlergremiums zur Klimakonvention der Vereinten Nationen zugänglich machen, sprechen eine deutliche Sprache: Was bisher als Naturkatastrophe bezeichnet wurde, sind tatsächlich mehr und mehr von Menschen verursachte Schreckensszenarien. An den Auswirkungen des Klimawandels, der durch die vor allem von den reichen Ländern ausgehenden riesigen und wieder wachsenden Treibhausgasemissionen ausgelöst wird, leiden und sterben sogar Menschen. Falls die reichen Länder nicht ihre auf fossilen Energieverbrauch ausgerichtete Produktion und Lebensstile ändern, wird sich die Erderwärmung beschleunigen – mit all ihren zerstörerischen Konsequenzen. Angesichts dieser Wirklichkeit, ist die Weigerung des US-amerikanischen Präsidenten, die Verhandlungen zum Kyoto Protokoll weiterzuführen, kriminell. Frage erneut nach der Bedeutung von Bund, Rechtfertigung und Sünde Eine theologische Antwort auf diese Herausforderungen in protestantischer Perspektive erfordert eine tieferes Verständnis dreier, für die protestantischen Theologien zentralen Themen: des Bundes, der Rechtfertigung und der Sünde. Die traditionelle, auf die Beziehung zu Gott und den Mitmenschen ausgerichtete Interpretation, muss weiter gefasst werden und den Beziehungsaspekt der Schöpfung Gottes insgesamt mit einbeziehen. Der Nachdruck auf dem Zusammenhang zwischen sozialer und ökologischer Dimension der Gerechtigkeit hat vieles gemeinsam mit dem Weltbild und der Botschaft der Propheten und Psalmen der hebräischen Bibel. Nach Micha zum Beispiel, ruft Gott die Berge und Hügel als Zeugen seines Streites mit dem Volk (Micha 6, vgl. auch Micha 1). Eine schwere Dürre und Hungersnot sind für Jeremia eine klare Folge des Bundesbruchs und der Sünde des Volkes. Jeremia 14 lesen wir heute mit dem Wissen um Ursachen und Folgen des Klimawandels und struktureller Ungerechtigkeit als eine der wesentlichen Voraussetzungen für Hungersnöte mit anderen Augen. Nach dem Buch des Propheten Jesaja, ist die ganze Schöpfung einbezogen in den Bund zwischen Gott und dem Volk Gottes. Die Schöpfung leidet oder jubelt zusammen mit ihnen (Jesaja 24, 4-6). Der Tag der Erlösung und Bundeserneuerung zwischen Gott und dem Volk wird nach Jesaja 49, 8-13 auch die Schöpfung einschliessen. Diese Überzeugung steht im Mittelpunkt der Vision vom Jubeljahr in Jesaja 61, die Jesus in der Synagoge von Nazareth nach Lukas 4 aufgreift und zu seiner eigenen Verkündigung macht. Paulus steht den Gedanken des Buches des Propheten Jesaja sehr nahe, wenn er offenbart, dass gerechtfertigt von ihrer Sünde durch Gott die Erlösung der Kinder Gottes schliesslich die Befreiung der Schöpfung mit einbezieht. Dieser Hinweis des Paulus in seinem Brief an die Römer (Römer 8, 18-25) ist auch hilfreich für die Interpretation der zweiten Schöpfungsgeschichte in Genesis 2-4. Sie fordert uns auf, nicht zu vergessen, dass wir Menschen von Erde genommen sind, von der Adamah, der Ackerkrume. Wir sind Erde und gehören zur Erdgemeinschaft. Wenn Adam und Eva Gottes erstes Gebot übertreten und von der Frucht des Baumes essen, entspricht dem Bruch der Beziehung mit Gott ein fundamentaler Wandel ihrer Beziehung zur Erde (Genesis 3, 18 ff.). Die bereits gestörte Beziehung zur Erde wird schliesslich verflucht, als Kain seinen Bruder Abel tötet und die Erde sein Blut trinken muss (Gen 4, 10-12). In Christus befreit von der Sünde sind Christen aufgerufen nicht nur ihre Beziehungen zu ihren Mitmenschen neu zu ordnen, sondern auch zur Erde und zu Gottes Schöpfung. Eine Frage der Nachfolge und des Bekenntnisses Dieser kurze Überblick lässt erkennen, dass die Themen des Bundes, der Rechtfertigung und Sünde nur angemessen bearbeitet werden, wenn die ganze Trias der Beziehungen zu Gott, Mitmenschen und Mitgeschöpfen einbezogen wird. Aufgerufen zur Befreiung der Anderen und der Schöpfung beizutragen, rücken die Problembereiche der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit ins Zentrum des christlichen Zeugnisses in der Welt. Die Beziehung zu Gott steht auf dem Spiel in der Qualität der Beziehungen zu Anderen und zur Schöpfung. Gilt diese Aussage, führt die augenblickliche Lage zu der schockierenden Einsicht, das die asymmetrischen und ungerechten ökonomischen Beziehungen systematisch und in grossem Massstab ein lebendiges und glaubwürdiges Zeugnis untergraben. Individuelle Nachfolge und das gemeinsame Bekenntnis der Kirche sind tiefgreifend in Frage gestellt durch die sozialen und ökologischen Folgen struktureller Ungerechtigkeit. Diese Einsicht bewegte die Vollversammlung des Reformierten Weltbundes 1997 in Debrecen dazu, zu einem processus confessionis hinsichtlich sozialer Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung aufzurufen. Vor diesem Hintergrund kann der Klimawandel von den Kirchen nicht ignoriert werden. Seit 1988 steht Arbeit zum Klimawandel auf der Tagesordnung des ÖRK im Kontext des Konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung. Gefordert ist Solidarität mit den Opfern des Klimawandels. Notwendig ist die erneute Verpflichtung zu einem einfachen Lebensstil und für Leben in Würde in gerechten und nachhaltigen Gemeinschaften. Dieses Ziel erfordert solche sozialen und institutionellen Arrangements, die den Kriterien der Gleichheit, Partizipation, wechselseitiger Rechenschaftspflicht, klarer Obergrenzen des Konsums und der Subsidiarität entsprechen. *** Klimawandel - eine Römisch-Katholische Sicht Umkehr zum Leben: Reflexionen zur Kompetenz der Kirchen im Klimaschutz Markus Vogt Christlicher Glaube versteht sich nicht als Privatsache des Einzelnen, sondern als Ermöglichung und Auftrag zu einer befreienden Zuwendung zu Gott auch in den Beziehungen zu unseren Mitmenschen und Mitgeschöpfen. Das schließt den Auftrag ein, eine entsprechende Mitverantwortung in der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens zu übernehmen. Christliche Zukunftshoffnung ist angesichts des ,Stöhnens der Schöpfung' (Röm 8) zum Handeln herausgefordert. Orientierung kann dabei das Leitbild der Nachhaltigkeit bieten, das verbindlicher Ausdruck christlicher Schöpfungsverantwortung ist. Klimaschutz muß demnach heute als ein unverzichtbarer Bestandteil des Bemühens um Gerechtigkeit zwischen den Völkern und Generationen betrachtet werden. Was ist die originäre Kompetenz, die die Kirchen in Fragen des Klimaschutzes einbringen können? Ausgangspunkt für kirchliches Handeln ist die religiöse und ethische Tiefendimension der ökologischen Krise. Hier kann der Glaube eine Hoffnung und eine Liebe vermitteln, die zur Verantwortung befähigt, aus der Trägheit des Herzens aufrüttelt und zum Handeln für die Zukunft der Schöpfung motiviert. Denn der christliche Glaube steht unter dem Anspruch, seine Wahrheit in der wirksamen Macht von Versöhnung und tätiger Liebe zu erweisen. Der sozial-politische Einsatz für Klimaschutz ergibt sich für viele Christinnen und Christen unmittelbar aus ihrem Glauben. Die gesellschaftliche Verantwortung der Kirche hat ihre Quelle in einer Spiritualität und Lebenshaltung der Hoffnung und der Gerechtigkeit, die auf die Bewahrung der Würde des Menschen und die Liebe zu allen Geschöpfen ausgerichtet ist. Sie weiß sich in besonderer Weise der Perspektive der Armen und der Schwachen verpflichtet. Das fordert nicht nur caritatives Engagement, sondern auch eine Bekämpfung der politisch-strukturellen Ursachen von Elend und Umweltzerstörung. Denn die kirchliche Sendung umfaßt nicht nur das Heil der einzelnen Person, sondern ebenso „den rechten Aufbau der Gesellschaft“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes 3). Die Kirchen und die Ethik der Nachhaltigkeit Bei vielen mehrt sich die Überzeugung, dass gerade den Kirchen eine Schlüsselrolle für die notwendige weltweite Verständigung über die ethischen Grundlagen einer zukunftsfähigen Gesellschaft zukommt. Denn – das hat die Erfahrung der beiden letzten Jahrzehnte gezeigt – technische Lösungen und politische Verhandlungen alleine genügen nicht. Sie müssen getragen sein von einem gesellschaftlichen Wertewandel hin zu neuen ökologischen Wohlstandsmodellen. Dabei geht es um Weichenstellungen für die Zukunft, bei denen die Kirchen herausgefordert sind, den Reichtum des Glaubens in den gesellschaftspolitischen Dialog einzubringen: die ethischen Grundoptionen christlicher Schöpfungsverantwortung, die den Eigenwert aller Geschöpfe anerkennt, die schöpferische Macht der Liebe und des Gebetes, die zur Solidarität mit den Ärmsten befähigen, sowie nicht zuletzt der unablässige Ruf zu Versöhnung, Umkehr und befreiender Rückbesinnung auf das, was vor Gott wirklich wesentlich ist für ein gelingendes Leben. Mit der Klimafrage erhält der biblische Ruf nach Umkehr eine sehr aktuelle gesamtgesellschaftliche Bedeutung. ,Umkehr tut not. Wir brauchen eine humane Ökologie', sagte Papst Johannes Paul II in einer Generalaudienz am 17. Januar 2001. Gemeint ist hiermit vor allem die Umkehr der reichen Nationen des Norden zu einem ökologisch tragfähigen Lebensstil. ,Die Gefahr schwerwiegender Schäden für die Erde und das Meer, für das Klima, für Flora und Fauna erfordert einen tiefgreifenden Wandel im Lebensstil der modernen Konsumgesellschaft, besonders in den reichen Ländern. [...] Die Gegenwart und Zukunft der Welt hängen von der Bewahrung der Schöpfung ab, da zwischen der menschlichen Person und der Natur eine dauernde Wechselwirkung besteht' (aus der Friedensbotschaft des Papstes zum Neujahrstag 1999). Gefordert ist die Fähigkeit zu globaler, auch künftige Generationen einbeziehender Solidarität. Die christlichen Kirchen sind aufgrund ihrer weltweiten Sendung auf der ganzen Erde präsent. Ihre innere Einheit verpflichtet sie zur Option für die Armen, in denen uns Jesus selbst begegnet (vgl. Mt 25). Daraus wachsen maßgebliche Impulse für den Klimaschutz. Denn von den Folgen der Klimaveränderung sind die Ärmsten dieser Erde am stärksten betroffen. Der Einsatz für globale Gerechtigkeit ist heute nicht mehr möglich, ohne systematisch Entwicklungs-, Umwelt- und Klimafragen zu verbinden. Deshalb hat das bischöflichen Hilfwerk Misereor 1996 gemeinsam mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ herausgeben. Allein im ersten Jahr fanden mehr als 1000 Veranstaltungen zu der umfangreichen und visionären Schrift statt. Die ethische Provokation ihres Ansatztes besteht darin, dass sie „Entwicklungshilfe“ durch radikale Strukturveränderungen in den reichen Industrienationen selbst fordert: Nur in der befreienden Rückkehr zu ökologisch und human angemessenen Maßen können wir globale Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit erreichen. Emissionshandel in Grenzen Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus diesen Überlegungen für kirchliche Optionen im Klimaschutz? Eine politische Schlüsselfrage ist die Bewertung der Vor- und Nachteile eines Lizenzmarktes für CO2, der den Handel mit Emissionen ermöglicht. Aufgrund der sehr grossen Effizienzvorteile bei Investitionen in technisch weniger weit entwickelten Ländern sollte er nicht kategorisch abgelehnt werden. Aus dem ethischen Leitbild der Nachhaltigkeit, dem auf der ordnungspolitischen Ebene eine Ökologisch Soziale Marktwirtschaft entspricht, ergibt sich eine Befürwortung marktorientierter Politik-Instrumente. Hier ökologisch tragfähige, gerechte, durchsetzbare, kontrollfähige und effiziente Lösungen auszuhandeln, ist eine ethische und politische Herausforderung ersten Ranges. Dabei ist durch folgende Regelungen sicher zu stellen, dass ein wirklicher Strukturwandel der Energieversorgung zustandekommt und der Klimaschutz nicht verkürzt wird auf einen Geldtransfer in Länder, die aufgrund ihrer ökonomischen Situation weit unter dem CO2-Limit bleiben werden, wie etwa Russland: 1. Wer seine Emissionsrechte überschreitet, kann dies nur zum Teil (z.B. maximal 50 %) durch den Einkauf von Zertifikaten ausgleichen; er muss zugleich Investitionen in erneuerbare Energieen und Energiespartechniken nachweisen. 2. Da die realen Anforderungen des Klimaschutzes weit über das Kyoto-Protokoll hinausgehen, müssen dynamische Regeln für eine kontinuierliche Verknappung der Emissionsrechte festgelegt werden. Indem das ,Drohpotential' der ärmeren Länder des Südens und des Osten aufgrund der Klimaveränderung gewaltig gewachsen ist, entsteht hier erstmals eine reale Verhandlungssituation zwischen den reichen Ländern des Nordens und den armen Ländern des Südens und Ostens. Der Zertifikatenhandel könnte ein Weg sein, um aus dieser Konstellation eine politische Dynamik von wechselseitigem Geben und Nehmen zu entwickeln. Eine schöpfungstheologisch orientierte Ethik trägt der Tatsache Rechnung, dass egoistisches und interessengeleitetes Handeln in der Natur des Menschen liegt. Sie bleibt deshalb nicht bei Appellen für das Ideal einer selbstlosen globalen Solidarität stehen, sondern sucht ,klug wie die Schlangen' (Mt 10,16) durch entsprechende Rahmenregelungen wirksame Handlungsanreize für die Verknüpfung individueller und kollektiver Ziele zu schaffen. Die Glaubwürdigkeit der Kirchen steht auf dem Spiel Es fehlt in den westlichen Wohlstandsgesellschaften nicht an allgemeinen moralischen Appellen und Anklagen, sondern an Glaubwürdigkeit. Das gilt auch für die Kirchen selbst. Nur wenn die Schöpfungsverantwortung vom Evangelium inspiriert ist und im Leben der Kirche und der Christinnen und Christen selbst einen angemessenen Stellenwert einnimmt, sind politische Initiativen zum Umweltschutz moralisch überzeugend. Durch kirchliche Energiesparprojekte, energiesparendes Bauen, kirchliche Rahmenverträge mit Erzeugern regenerativer Energien im liberalisierten europäischen Strommarkt und Initiativen zu nachhaltiger Mobilität kann die Glaubwürdigkeit der Kirchen in ihrer Option für Klimaschutz wesentlich erhöht werden. Der Schöpfungsglaube muss sich auch in solchen praktischen Initiativen bewähren. Im Herbst 2000 hat die Kommission für gesellschaftliche Fragen der Deutschen Bischofskonferenz ein Diskussionspapier „Schöpfungsverantwortung im liberalisierten Strommarkt“ verabschiedet, das derzeit auf unterschiedlichen Ebenen als Grundlage für Klimaschutz und Ressourcenschonung durch Energiesparen und die Förderung regenerativer Enegieen in den Diözesen und kirchlichen Einrichtungen diskutiert wird. Vor wenigen Wochen haben die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland gemeinsam das Projekt „kirchliches Umweltmanagement“ gestartet, dessen Ziel die Zertifizierung von 16 Modellprojekten nach der Europäischen Öko-Audit-Verordnung ist (z.B. EKD-Zentrale, Kloster Benediktbeuern einschließlich seiner beiden Hochschulen, Caritas- und Diakonieeinrichtungen). Konsequent umwelt- und klimaschonende Verwaltung in allen Bereichen soll als Zeugnis für den christlichen Schöpfungsglauben vorgelebt und langfristig auf breiter Basis eingeführt werden. Die zentrale Herausforderung des Klimaschutzes nach dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist, dass er alle Handlungsbereiche durchdringen muss. Schöpfungsverantwortung darf demnach auch in den Kirchen nicht länger ein Randphänomen bleiben, sondern muß aus der Mitte des christlichen Glaubens heraus kommen. Deshalb war die Empfehlung der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz, Schöpfungsverantwortung als wesentliche Dimension des kirchlichen Lebens zu entfalten, ein theologisch-ethischer Leitgedanke bei den seit 1999 jährlich stattfindenden Konsultationen der Umweltbeauftragten der Europäischen Bischofskonferenzen der Katholischen Kirche. Als wichtige Konkretion für die pastorale Verankerung des Schöpfungsglaubens wurde bei der letzten Konsultation der europäischen Umweltbeauftragten die Einführung eines Schöpfungstages in der Zeit zwischen 1. September und Mitte Oktober befürwortet. Stärkste Resonanz findet die Verbindung dieses Tages mit dem Erntedankfest am ersten Sonntag im Oktober. Christinnen und Christen können aus dem Glauben eine Kraft der Hoffnung, der Freude und des Friedens schöpfen, die zur Umkehr befähigt und auch im Klimaschutz wesentlich zur notwendigen europäischen und weltweiten Verständigung beiträgt. Das verantwortliche Handeln für die Zukunft der Schöpfung ist ein Zeugnis für die Gegenwart Gottes in der Welt. Umweltschutz ist praktizierter Schöpfungsglaube. *** Jesus und die Meteorologen Eine Meditation über Lukas 12, 54-56 Lukas Vischer Jesus sprach aber auch zu der Volksmenge: Wenn ihr im Westen eine Wolke aufsteigen seht, sagt ihr alsbald: Es kommt Regen, und es geschieht so. Und wenn ihr den Südwind wehen seht, sagt ihr: Es wird Gluthitze geben, und es geschieht. Ihr Heuchler, das Aussehen der Erde und des Himmels wisst ihr zu beurteilen; wie kommt es, dass ihr diese Zeit nicht beurteilt? Zwar gab es weder systematische Messungen noch Satellitenbilder. Dennoch hatten die Menschen bereits zu Jesu Zeit eine gewisse Fertigkeit entwickelt, das Wetter des nächsten Tages vorauszusagen. Wer die ‚Zeichen’ zu lesen verstand, war in der Lage, zu sagen, was der nächste Tag bescheren werde – Regen oder Hitze. Jesus anerkennt diese Fähigkeit. In seinen Augen kommt es aber auf etwas weit wichtigeres an: die Zeichen der Zeit zu lesen. Was hilft es, das Wetter von morgen voraussagen zu können, wenn wir nicht verstehen, welche Stunde es für uns Menschen geschlagen hat? Zeichen spielen im Leben der Menschen eine entscheidende Rolle. Immer wieder stehen wir vor der Frage, wie ‚Zeichen’, das heisst das, was uns widerfährt, zu interpretieren haben – eine Krankheit, ein Sieg oder eine Niederlage, eine Enttäuschung oder was immer. In allem, was uns widerfährt, ist im Grund eine Botschaft Gottes verborgen. Wie in einem Spiegel wird uns gezeigt, wer wir sind und wo wir stehen. Und eine heimliche Stimme sagt, welche Richtung wir einschlagen sollen. Zeichen wollen uns führen. Sie sind Gelegenheiten; werden sie nicht wahrgenommen, werden sie zu verpassten Gelegenheiten. Was für das Leben jedes einzelnen Menschen gilt, trifft nicht weniger für die Menschheit als Ganze zu. Gott spricht zu ihr durch Zeichen. Seit Jahren werden wir gewarnt, dass die heutigen klimatischen Bedingungen aus den Fugen geraten wird, wenn wir uns nicht dazu entschliessen, den Ausstoss von Treibhausgasen drastisch zu senken. Immer deutlicher wird es, dass wir einen selbstmörderischen Kurs steuern. Und doch gehen wir an diesem Zeichen vorüber. So wie zu Jesu Zeiten lassen wir uns das Wetter von morgen voraussagen, verschliessen aber die Augen vor der längerfristigen Gefahr. Ihr Heuchler! Warum ist es so schwierig, selbst so deutliche Zeichen zu lesen? Die Antwort lässt keinen Zweifel: weil Gottes Stimme der Dynamik des menschlichen Lebens zuwiderläuft. Gott lädt uns zu einem Leben der Liebe, der Bescheidung und der Solidarität ein. Seine Stimme ruft immer zur Umkehr. Wie sollten wir da die Augen nicht verschliessen? Im Grunde aber verschliessen wir damit die Augen vor dem Leben. Sollten wir uns darum nicht in einem zweiten Gang für Gottes Zeichen öffnen können? Quellenangaben Ökumenische Veröffentlichungen Der Ökumenische Rat der Kirchen hat folgende Studienpapiere und Erklärungen zu Fragen des Klimawandels veröffentlicht: - - Beschleunigter Klimawandel: Zeichen der Gefahr, Bewährung des Glaubens, Genf 1994 Climate Change and the Churches, Ecumenical Review, Genf 1995 Climate Change and the Quest for Sustainable Societies, Genf 1998 Kyoto Statement on Justice; Erklärung des ÖRK zuhanden des ministeriellen Schlussteils der Dritten Konferenz der Signatarstaaten der UN Rahmenkonvention über den Klimawandel in Kyoto, Japan, Dezember 1997 Climate Change and the Prospect for Sustainable Mobility, Genf 1998 Die Erdatmosphäre: verantwortliches Handeln und gerechtes Miteinanderteilen für ein globales Gemeingut, Saskatoon, Kanada, 2000; Bericht einer Konsultation des Ökumenischen Rates der Kirchen, der zusammen mit einem Überblick über Aktivitäten als Eingabe des ÖRK der Sechsten Konferenz der Signatarstaaten der UN Rahmenkonvention über den Klimawandel in Den Haag, Niederlande, während des ministeriellen Schlussteils unterbreitet wurde. Verwandte ökumenische Quellen: - - Lukas Vischer (Hrsg), Churches on Climate Change, A Collection of Statements and Resolutions on Global Warming and Climate Change, im Auftrag der Abteilung 'Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung’ des ÖRK, Bern 1992 David G.Halman (ÖRK), Climate Change – Ethics, Justice and Sustainable Community, in Christianity and Ecology, Harvard University School for the Study of World Religions, 1999 David G.Halman (ÖRK), Spiritual Values for Earth Community, Genf, 2000 Römisch-Katholische Veröffentlichungen - Global Climate Change: a Plea for Dialogue, Prudence, and the Common Good, a statement of the U.S. Catholic Bishops, Washington, Juni 2001 Weitere Veröffentlichungen Eine große Anzahl von Veröffentlichungen betrifft das Thema Klimawandel; dies ist nur eine kleine Auswahl: - - Das Rahmenabkommen der Vereinten Nationen zum Klimawandel ist erhältlich beim Sekretariat für Klimawandel bei den Vereinten Nationen (s.Internetadresse) Das Kyoto-Protokoll ist ebenfalls erhältlich beim Sekretariat für Klimawandel bei den Vereinten Nationen (s.Internetadresse) Der 3.Bericht zur Einschätzung des Klimawandels von der Zwischenstaatlichen Kommission sowie die Berichte der Arbeitsgruppen I, II und III sind erhältlich durch die Zwischenstaatliche Kommission zum Klimawandel (IPCC) (s.Internetadresse) John Houghton (Cambridge), Global Warming – The Complete Briefing, Cambridge University Press, 1997 Sebastian Oberthuer/ Hermann Ott, The Kyoto-Protocoll: International Climate Policy for the 21st Century, Springer Verlag Publishers, 1999 Ross Gelbspan (Reading/Mass.), The Heat is On - The Climate Crisis, the Cover-up and the Prescription, Perseus Books, 1998 Wichtige Internetadressen - Europäisches Christliches Umweltnetzwerk – www.ecen.org Konferenz Europäischer Kirchen - www.cec-kek.org Ökumenischer Rat der Kirchen – www.wcc-coe.org Rahmenabkommen zum Klimawandel der Vereinten Nationen – www.unfccc.de Zwischenstaatliche Kommission zum Klimawandel – www.ipcc.ch Europäisches Klimanetzwerk – www.climnet.org Vereinigung betroffener Wissenschaftler in den USA – www.ucsusa.org Zentrum für Wissenschaft und Umwelt, Indien – www.cseindia.org *** Über die Autoren (in alphabetischer Reihenfolge) Lynne Clark, Belgien (englischer Nationalität) Öffentlichkeitsreferent für das Klimanetzwerk in Europa, Koordinationsbüro der europäischen NichtRegierungsorganisationen, das in Sachen Klimawandel arbeitet, Brüssel, Belgien Ulrich Denkhaus, Deutschland Beauftragter für Energiefragen der Evangelischen Kirche im Rheinland (Deutschland); Theologe und Physiker Karl Golser, Italien Direktor des Instituts für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung an der PhilosophischTheologischen Akademie in Brixen, Italien; Mitglied der Arbeitsgruppen zu Umweltfragen des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und der italienischen Bischofskonferenz Diana Harutyunyan, Armenien Beteiligt an 'Armenien-Länderstudie zum Klimawandel'; UNDP/GEF Projektassistent; Biochemikerin; Mitglied der ökologischen und kulturellen NGO 'Khazer'; Vertreterin der Armenischen apostolischen Kirche in ECEN Roman Juriga, Tschechische Repubik Direktor der Orthodoxen Akademie Vilemow, Tschechische Republik; Organisator von Orthodoxen, theologischen Bildungs- und Umweltprojekten und -konferenzen; Mitglied des Leitungsgremiums von ECEN Karin Lexén, Schweden Programm Direktor in der Abteilung für Internationale Angelegenheiten der Kirche von Schweden; Chemikerin Jesse N. K. Mugambi, Kenia Professor für Philosophie und Religiöse Studien an der Universität Nairobi, Kenia; Mitglied der Arbeitsgruppe Klimawandel des Ökumenischen Rates der Kirchen Dimitri Oikonomou, Großbritannien Inhaber einer Gastprofessur für Byzantinische Studien an der Universität London, Großbritannien; Studiendirektor an der Orthodoxen Theologischen Akademie Volos, Griechenland; Mitglied des Stiftungsrates der 'Alliance of Religions and Conservation'; Mitglied des Leitungsgremiums von ECEN Martin Robra, Schweiz (deutscher Nationalität) Exekutivsekretär für Ethik und Ökologie sowie Mitglied der Arbeitsgruppe 'Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung' beim Ökumenischen Rat der Kirchen, Genf; Pfarrer der Evangelischen Kirche in Westfalen (Deutschland) Jaap van der Sar, Niederlande Stabsmitglied der Protestantischen Akademie 'Kirche und Welt' in Driebergen, Niederlande; studierte Wasseraufbereitung, Naturschutz und Philosophie; Langzeiterfahrungen im Arbeitsbereich 'Kirche und Gesellschaft' Larisa Skuratovskaya, Russland Wissenschaftliche Sekretärin am Institut für allgemeine Pathologie und Pathophysiologie der russischen Akademie der medizinischen Wissenschaften; Mitglied des Internationalen Rates der ´Ärzte gegen den Atomkrieg´; Präsident des Internationalen Frauenforums, Russland; Mitglied der Arbeitsgruppe Klimawandel des Ökumenischen Rates der Kirchen Lukas Vischer, Schweiz Professor (em.) für Ökumenische Theologie an der Universität in Bern, Schweiz; Mitglied des Leitungsgremiums von ECEN Markus Vogt, Deutschland Leiter der Clearingstelle Kirche und Umwelt, eines Gemeinschaftsprojektes der Kommission VI der Deutschen Bischofskonferenz und der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Salesianer Don Boscos, Benediktbeuern, Deutschland; Mitglied der Arbeitsgruppe zu Umweltfragen des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) *** Mit einem herzlichen Dank an Heinz Szobries, J.G. Haditsch und Lukas Vischer für ihre Hilfe bei der Übersetzung der Texte und David Hallman für seine Mitarbeit bei der Zusammenstellung von Daten Redaktion: Marijke van Duin, Amsterdam, Niederlande; Arbeitsbereich 'Klimawandel' des Europäischen Christlichen Umweltnetzwerkes Illustrationen: Joanna Horst Lay out: Peter Hofland, Marijke van Duin Kontaktadresse: Europäisches Christliches Umweltnetzwerk - ECEN Rüdiger Noll p.A. Konferenz Europäischer Kirchen Postfach 2100 150 Route de Ferney 1211 Genf 2 Schweiz Tel. + 41 22 791 6469 Fax + 41 22 791 6227 E-mail: [email protected] Dieses Dokument ist eine Veröffentlichung des Europäischen Christlichen Umweltnetzwerkes, Oktober 2001 ***