4. Workshop "Optik in der Rechentechnik", Jena, Tagungsband ORT ’99, ISSN 1437-8507,1999, pp. 42-47 Optische Schalter auf Flüssigkristallbasis W. Vogel, M. Berroth Institut für Elektrische und Optische Nachrichtentechnik Pfaffenwaldring 47, 70550 Stuttgart 1 Einleitung Die rein optischen Systeme gewinnen nicht nur in der Nachrichtentechnik immer mehr an Bedeutung, sondern auch als optische Busse in Multiprozessor-Systemen oder als RechnerSpeicher-Verbindungen. Dadurch steigt auch der Bedarf an optischen Schaltelementen. Neben mikromechanischen und halbleiterbasierten Lösungen sind Flüssigkristallmodule mit ihrer großen Anzahl an realisierbaren Einzelpixeln eine interessante Alternative. Neben dem Haupteinsatzgebiet, den Displays, werden sie auch als Amplituden- oder Phasenmodulatoren in der optischen Bildverarbeitung eingesetzt [1]. Dies geschieht jedoch hauptsächlich im sichtbaren Wellenlängenbereich. Im folgenden wird das Transmisionsverhalten von drei verschiedenen Zelltypen vorgestellt, die als Intensitätsschalter bei den Wellenlängen 1300 nm und 1550 nm verwendet werden. 2 Grundlagen Flüssigkristalle bestehen aus länglichen Molekülen, die elektrisch und optisch anisotrop sind. Die Moleküle der sogenannten nematischen Flüssigkristalle sind bei Raumtemperatur nicht an Kristallgitterplätze gebunden, besitzen jedoch im Volumen eine einheitliche Orientierung ihrer v Längsachse, die durch einen Vektor n (engl.: director) repräsentiert wird (Bild 1). Sie sind optisch biaxial. ε⊥, no ε||, ne v n nematischer Flüssigkristall Flüssigkristallmolekül Bild 1: Struktur nematischer Flüssigkristalle Durch Anlegen eines elektrischen Feldes wird aufgrund der dielektrischen Anisotropie ∆ε = ε|| - ε⊥ ein Dipolmoment induziert. Dadurch wird die Längsachse der Moleküle entweder parallel zu den Feldlinien (wenn ∆ε > 0 ist) oder senkrecht dazu (wenn ∆ε < 0 ist) verkippt, bis ein Zustand minimaler freier elektrostatischer Energie erreicht ist. Der Kippwinkel θ gegenüber der Ruhelage wird durch die angelegte Spannung U und die elastischen Rückstellkräfte bestimmt und kann durch folgenden Zusammenhang dargestellt werden [2]. U < Uc 0 − U −Uc θ = π U 0 U > Uc 2 − 2 arctan e (1) 4. Workshop "Optik in der Rechentechnik", Jena, Tagungsband ORT ’99, ISSN 1437-8507,1999, pp. 42-47 Dabei ist U der Effektivwert der angelegten Spannung, Uc die Spannung, bei der die Verkippung einsetzt und U0 eine Konstante. Eine damit befüllte Flüssigkristallzelle besteht, wie in Bild 2 dargestellt, im wesentlichen aus zwei parallelen Glasplatten als Träger, die in einem Abstand d fixiert werden. Dazwischen befinden sich transparente Elektroden zur Ansteuerung der Pixel. Eine Orientierungsschicht bestimmt die Ausrichtung der Moleküle im feldfreien Fall. Polarisator Glasplatte transparente Elektrode Orientierungsschicht Flüssigkristall Glasplatte Analysator Bild 2: prinzipieller Aufbau eines Schaltermoduls Im folgenden werden drei Grundtypen von Zellen vorgestellt, die sich untereinander durch die Orientierung der Moleküle im Zwischenraum der Gläser unterscheiden. 3 DAP-Zelle Bei der Distorted Alignement Phase-Zelle, kurz DAP-Zelle, sind die Moleküle in einer homeotropen Anordnung, d.h. sie sind senkrecht zu den Elektroden orientiert. Sie besitzen eine negative dielektrische Anisotropie, daher richten sich die Moleküle bei ausreichend hohen Spannungen senkrecht zu den Feldlinien aus (siehe Bild 3). Fällt nun parallel zu den liegenden Molekülen polarisiertes Licht ein, erfährt die Welle einen vom Kippwinkel der Moleküle abhängigen Brechungsindex n(θ ) = ne ⋅ no n sin (θ ) + ne2 cos 2 (θ ) 2 o 2 (2) Senkrecht dazu polarisiertes Licht erfährt unabhängig davon immer den ordentlichen Brechungsindex no. Dadurch ergibt sich eine spannungsabhängige Phasenverschiebung ϕ(U) zwischen ordentlichem und ausserordentlichem Strahl, die auch als elektrisch kontrollierte Doppelbrechung ∆n(U) = n(U) - no (electrically controlled birefringence, ECB) bezeichnet wird. Die Phasenverschiebung ergibt sich dann zu 2 ⋅π ⋅ d ϕ (U ) = ∆n(U ) mit λ U=0 U >> Uc Bild 3: DAP-Zelle ∆n(U ) = n(θ (U )) − no (3) Wählt man eine lineare Eingangspolarisation, die gegen die Orientierungsrichtung der Moleküle um 45° gedreht ist, erhält man für die Transmission einer Zelle bei parallel zum Polarisator ausgerichtetem Analysator den in Gleichung 4 dargestellten Ausdruck. 4. Workshop "Optik in der Rechentechnik", Jena, Tagungsband ORT ’99, ISSN 1437-8507,1999, pp. 42-47 π ⋅ d T|| = cos 2 ϕ (U ) = cos 2 2 λ ne ⋅ no ⋅ − n o n 2 sin 2 (θ (U )) + n 2 cos 2 (θ (U )) e o (4) Bei einer Spannung von 0 V erscheint die Zelle isotrop, d.h ∆n ist gleich Null, damit erhält man maximale Transmission. Die Bedingung für minimale Transmission ist erreicht, wenn π ⋅d π ⋅ ∆n(U ) = k ⋅ 2 λ k = 1, 3, 5, ... mit (5) λ , um vom "Ein"- in den "Aus"-Zustand 2∆n schalten zu können. Im Infraroten ist ∆n für den hier verwendeten Flüssigkristall 0,06, damit ergibt sich ein dmin von 10,8 µm bei λ = 1,3 µm und ein dmin von 12,9 µm bei λ = 1,55 µm. In Bild 4 ist die nach Gleichung 4 berechnete und die gemessene Transmission einer DAP-Zelle mit d = 14 µm bei verschiedenen Wellenlängen dargestellt. Die Messung und Simulation im sichtbaren Bereich diente als Referenz, da für λ = 589 nm die genauen Werte der Brechungsindizes für die Flüssigkristalle aus Datenblättern entnommen werden können. Das führt zu einer Mindestdicke der Zelle von d min = 1,0 Messung bei 590 nm relative Transmission (T/Tmax) relative Transmission (T/Tmax) 1,0 Simulation 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 Messung bei 1300 nm 0,8 Messung bei 1550 nm Simulation 0,6 0,4 0,2 0,0 0 2 4 6 8 10 0 → Spannung in V 2 4 6 8 10 → Spannung in V Bild 4: Transmission einer DAP-Zelle im sichtbaren und nahen Infrarot-Bereich Die in Bild 4 gezeigten Zellen erreichten bei den Wellenlängen von 1,3 µm und 1,55 µm einen Kontrast C größer als 22 dB. T C = max (6) Der Kontrast der Zellen ist allgemein definiert als Tmin Bei einer idealen Zelle ist dieser unendlich, da Tmin zu Null wird, wenn die Bedingung aus Gleichung 5 gilt. Dies ist bei vorgegebener Zelldicke d nur für eine einzige Wellenlänge erfüllt. Akzeptiert man einen minimalen Kontrast Cmin, der nicht unterschritten werden soll, kann anhand des Phasenterms in Gleichung 4 die Empfindlichkeit des Kontrasts gegen Wellenlängenänderungen abgeschätzt werden: C min = Tmax = Tmin 1 π + ∆ϕ cos 2 2 (7) 4. Workshop "Optik in der Rechentechnik", Jena, Tagungsband ORT ’99, ISSN 1437-8507,1999, pp. 42-47 Mit der Näherung cos(π 2 + x ) ≈ x erhält man damit einen Ausdruck für die zulässige Phasenschwankung im Bereich der minimalen Transmission: ∆ϕ = 2 (8) C min Durch Ableiten des Phasenterms ϕ(U) nach der Wellenlänge ergibt sich so für die maximal zulässige Wellenlängenabweichung ∆λ ≈ 2λ (9) π C min Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Zelldicke d gleich dmin und somit ∆n(U = UTmin) gleich ∆n ist. UTmin ist die zum Erreichen der minimalen Transmission Tmin erforderliche Spannung. 4 Fréedericksz-Zelle Die Fréedericks-Zelle gehört ebenso wie die DAP-Zelle zu den Zellen mit elektrisch kontrollierbarer Doppelbrechung. Hier sind die Moleküle jedoch im Ruhezustand parallel zu den Elektrodenflächen orientiert (vgl. Bild 5). Damit erhält man im feldfreien Zustand die maximale Phasendrehung zwischen den beiden Polarisationsrichtungen. Mit entsprechend modifizierter Gleichung 2 bzw. 3 ergibt sich zwischen parallelen Polarisatoren folgende Transmission: ϕ (U ) 2π ⋅d T|| = cos 2 ⋅ ∆n(U ) = cos 2 λ (10) U=0 U >> Uc Bild 5: Fréedericksz-Zelle 1,0 1,0 0,8 0,8 relative Transmission (T/Tmax) relative Transmission (T/Tmax) Dabei muß d ⋅ ∆n größer gleich 1 sein, um von maximaler Transmission mit ϕ gleich 2π in den λ Zustand minimaler Transmission mit ϕ gleich π zu schalten. Somit erhält man für die Mindestdicke einer Fréedericksz-Zelle: d min = λ . Im Prinzip könnte auch von ϕ gleich π nach ϕ gleich Null ∆n geschaltet werden, was die erforderliche Dicke halbieren würde. 0,6 Messung 1300 nm 0,4 Simulation 0,2 0,6 Messung 1550 nm 0,4 Simulation 0,2 0,0 0,0 0 2 4 6 → Spannung in V 8 10 0 2 4 6 8 → Spannung in V Bild 6: Transmission einer Fréedericksz-Zelle bei Wellenlängen von 1,3 µm und 1,55 µm 10 4. Workshop "Optik in der Rechentechnik", Jena, Tagungsband ORT ’99, ISSN 1437-8507,1999, pp. 42-47 Da jedoch Effekte an den Grenzflächen bewirken, dass immer eine dünne doppelbrechende Schicht erhalten bleibt, kann der Idealfall von ϕ gleich 0 auch bei hohen Spannungen nicht erreicht werden. In Bild 6 ist dieser Effekt bei der Messung mit λ gleich 1300 nm sehr gut zu erkennen. Die Simulation stimmt nicht ganz so gut mit der Messung überein wie bei der DAP-Zelle, da die Randeffekte unberücksichtigt bleiben. Die Dicke beträgt bei der vermessenen Zelle 14 µm, was bei λ gleich 1,55 µm die erforderliche Mindestdicke unterschreitet. Daher wird die maximale Transmission bei kleinen Spannungen nicht mehr erreicht. Analog zur DAP-Zelle kannn auch hier die Wellenlängentoleranz ∆λ für einen geforderten minimalen Kontrast ermittelt werden. Man erhält ∆λ ≈ λ π C max (11) Im Vergleich ist die erlaubte Abweichung ∆λ von der optimalen Wellenlänge bei der Fréedericksz-Zelle nur halb so groß wie bei der DAP-Zelle. In den Messungen konnte ein maximaler Kontrast von 24 dB bei λ gleich 1,3 µm und 26 dB bei λ gleich 1,55 µm erreicht werden. 5 TN-Zelle Die Struktur einer TN-Zelle, die in Bild 5 dargestellt ist, kann als Stapel dünner, gegeneinander verdrehter doppelbrechender Schichten angesehen werden. Dabei dreht sich eine lineare Eingangspolarisation über die Dicke d ebenfalls mit. Kippen die Moleküle durch Anlegen einer Spannung senkrecht zu den Elektroden, geht diese Drehwirkung verloren [3]. Die Transmission zwischen gekreuzten Polarisatoren [4] berechnet sich nach Gleichung 12: π 2 π∆n(U )d + γ = 4 λ mit U >> Uc Bild 7: TN-Zelle 2 ⋅ sin 2 (γ ) (12) 2 Für hohe Spannungen geht ∆n(U) gegen 0, d.h. auch die minimale Transmission Tmin geht gegen 0. Die maximale Transmission Tmax ist im feldfreien Fall erreicht, sie hängt jedoch von γ ab. Da für γ immer gilt γ > π/2, ergibt sich die optimale Dicke, bei der Tmax gleich 1 ist, aus der Bedingung γ gleich π: (13) 0,0 -5,0 relative Transmission in dB π T⊥ = 1 − 2 ⋅γ U=0 Messung bei 1300 nm -10,0 Messung bei 1550 nm -15,0 -20,0 -25,0 -30,0 -35,0 d opt 3 λ = ⋅ 2 ∆n 0 (14) 2 4 6 8 → Spannung in V Bild 8: Transmission der TN-Zelle in dB 10 4. Workshop "Optik in der Rechentechnik", Jena, Tagungsband ORT ’99, ISSN 1437-8507,1999, pp. 42-47 Die TN-Zelle weist mit ∆λ ≈ 8λ 3π C max (15) die größte Wellenlängentoleranz für einen geforderten minimalen Kontrast auf [4]. Mit diesem Zelltyp konnte bei den Messungen auch der insgesamt beste Kontrast von über 30 dB bei beiden betrachteten Wellenlängen erreicht werden. 6 Zusammenfassung Das spannungsabhängige Transmissionsverhalten von Intensitätsschaltern auf Flüssigkristallbasis wurde simuliert und mit Messungen an Schaltermodulen verglichen. Darauf aufbauend wurde die Empfindlichkeit des Kontrastverhältnisses der drei Schaltertypen gegenüber Wellenlängenänderungen untersucht. Mit den TN-Zellen konnte ein Kontrast größer als 30 dB erreicht werden. Mit einem einzigen Zelldesign können TN-Schalter in einem etwa 1,5 bis 3 mal größeren Wellenlängenbereich eingesetzt werden als die beiden anderen Zelltypen. Voruntersuchungen zur Transmission der Zellen haben ergeben, daß die Einfügedämpfung der verwendeten Flüssigkristalltypen bei einer Wellenlänge von 1550 nm etwa 1 dB und bei einer Wellenlänge von 1300 nm kleiner als 1 dB ist. Die gesamte Anordnung der Schalter mit den verwendeten Polarisatoren weist im "Ein"-Zustand eine Einfügedämpfung von kleiner als 1,2 dB bei den genannten Wellenlängen auf. Die Anforderungen an die Genauigkeit der Schaltspannung sind bei der TN- und der DAP-Zelle am geringsten, da die Krümmung des Verlaufs der Transmission über der Spannung geringer als bei der Fréedericksz-Zelle ist. Die Dicken der TN- und der DAP-Zellen können vergleichsweise geringer gewählt werden, was Vorteile in der Schaltgeschwindigkeit bringt [5]. Besonderer Dank gilt dem Labor für Bildschirmtechnik der Universität Stuttgart für die Unterstützung, insbesondere den Herren M. Mücke und J. Ullman für die Fertigung der Module. Literatur: [1] Doo Jin Cho, S. T. Thurman, J. T. Donner, G. M. Morris Characteristics of a 128x128 Liquid-Crystal Spatial Light Modulator for Wave-Front Generation Optics Letters, Vol. 23, No. 12, 1998, pp. 969-971 [2] B. E. A. Saleh, M. C. Teich Fundamentals of Photonics Wiley, New York, 1991 [3] M. Schadt, W. Helfrich Voltage-Dependent Optical Activity of a Twisted Nematic Liquid Crystal Applied Physics Letters, Vol. 18, No. 4, 1971, pp. 127-128 [4] F. Pain, R. Coquillé, B. Vinouze, N. Wolffer, P. Gravey Comparison of Twisted and Parallel Nematic Liquid Crystal Polarisation Controllers. Application to a 4x4 Free Space Optical Switch at 1.5 µm Optics Communications, 139, 1997, pp 199-204 [5] G. Meier, E. Sackmann, J. G. Grabmaier Applications of Liquid Crystals Springer, Berlin, 1975