hexenjagd - Theater für Niedersachsen

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HEXENJAGD
Schauspiel von Arthur Miller
Premiere: 27. Mai 2017 | 19:00 Uhr | Großes Haus
Wiederaufnahme: 16. September 2017 | 19:30 Uhr | Großes Haus
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden 30 Minuten, inklusive einer Pause
„Realismus interessiert mich nicht. Das kann das Kino besser.“
Ein Interview mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Julia Hattstein
Wenn Bettina Rehm am TfN inszeniert, ist fast jedes Mal Julia Hattstein als Ausstatterin
an ihrer Seite. Auch für die neueste Arbeit, Arthur Millers HEXENJAGD, hat sie das
Bühnenbild und die Kostüme entworfen (siehe Szenenfotos). Dramaturg Gerd Muszynski
spricht mit Julia Hattstein über ihre Arbeit mit Bettina Rehm im Allgemeinen und am
Theater für Niedersachsen im Besonderen.
Julia, seit wann arbeitest du mit Bettina Rehm zusammen und wie viele Stücke habt ihr
inzwischen miteinander auf die Bühne gebracht?
Sehr viele. Ich habe neulich mal durchgezählt, wir haben Silberhochzeit: „Hexenjagd“ ist
unsere fünfundzwanzigste gemeinsame Arbeit. Außer am TfN in Hildesheim waren wir
zusammen in Hannover, in Dresden, an drei verschiedenen Theatern in Berlin und am
Staatstheater Cottbus tätig. Meistens war ich für die Gesamtausstattung, also für die
Bühne und die Kostüme, zuständig.
Wie beginnt ihr die gemeinsame Arbeit an einem Bühnenbild?
Das ist unterschiedlich. Meistens treffen wir uns zum Brainstorming, mal schauen wir uns
gemeinsam Bilder an. Bettina weiß oft genau, was sie mit einem Stück erzählen will, aber
erfreulicherweise hat sie noch keine Raumvorstellung und gibt deshalb auch keine
detaillierten Vorgaben. Unsere Zusammenarbeit beginnt also mit viel gedanklichem
Austausch im Vorfeld.
Bettina erzählte mir, dass du schon eine relativ genaue Bühnenbildidee für unser Stück
hattest, dann eine „Hexenjagd“-Vorstellung an einem anderen Theater gesehen hast mit
einer Ausstattung, die deinen Überlegungen sehr nahe kam. Kurz entschlossen hast du
noch einmal angefangen ganz neu zu denken. Kann man das so einfach?
Ich habe meist sofort ein Bild zu dem Stück, das ich lese, vor Augen, fange aber nicht
sofort mit der Umsetzung an und so gährt der Stoff in meinem Kopf. Meist ändert sich
dann die erste Idee. Bei „Hexenjagd“ hatte ich Metall, eine große Leere und viele Kreuze
im Kopf. Dann sah ich ein Bühnenbild, das ich mir so ähnlich vorgestellt hatte, in einem
Theater, das im Vergleich zu den Abstecherbühnen des TfN riesig ist. Ich fand es sehr
beeindruckend, aber dann dachte ich, für Hildesheim muss ich eine entgegengesetzte
Lösung finden: eine Enge mit einer Decke, die den Menschen auf den Kopf fällt, dazu
ein großes Kreuz, das den Raum bestimmt, und noch ein Kreuz, das den Eingang in diese
Welt markiert.
„Hexenjagd“ ist vielleicht im deutschsprachigen Raum das Stück der Spielzeit. Es wird an
sehr vielen Theater von München bis Wien, von Bielefeld bis Bremen gespielt. Was
interessiert dich persönlich an Arthur Millers Stück am meisten?
Schon beim ersten Lesen war ich sehr gebannt von dem Stoff, ich empfinde das Stück
wie einen Krimi. Es ist modern und gut gebaut, man kann sich der Geschichte und den
Personen nicht entziehen. Wenn ich auf den Proben die Spieler in ihren Rollen sehe,
merke ich, wie emotional ich werde. Ich möchte am liebsten mit den Figuren
diskutieren, dass sie so nicht agieren dürfen. Mich interessiert das Kleine, was auf einmal
im Dunst der Angst, der Missgunst, des Neides groß wird und zur Katastrophe führt, im
Falle von „Hexenjagd“ alles unter dem Deckmantel der Religion, des Glaubens. Ich will
mit meiner Bühne und mit den Kostümen eine Welt schaffen, die die dörfliche Enge, die
Unfreiheit, das Beobachtetwerden, zeigt.
Welche Überlegungen gab es für die Kostüme in „Hexenjagd“? Sind sie streng historisch
oder bedienst du dich aus einer anderen Epoche?
Ich denke, das Stück ist heute aktueller denn je. Es ist aber das Bild einer streng
religiösen, unmodernen Gesellschaft, die von körperlicher Gewalt, Keuschheit, Strafe,
Angst, Verleumdung, Rache geprägt ist . Ich habe mich im Vorfeld mit
Gesellschaftsformen, die in einer Parallelwelt leben, beschäftigt, wie z.B. die Amish
people und habe mir dort Anregungen für die Kostüme geholt. Frauen tragen Röcke,
eher dunkel, die Mädchen Kleider, hell, frühlingshaft, die Männer des Dorfes Jacken und
Hosen in erdiger Farbe, die Richter sind vornehmer gekleidet, in schwarz, mit Gehrock.
Wir haben gewitzelt, dass der Schneider, der im Stück auftritt, nicht so viele verschiedene
Schnitte beherrscht und somit die Vielfalt der Dorfbevölkerung eingeschränkt ist.
Gibt es bei deinen Ausstattungen so etwas wie einen Julia-Hattstein-Stil?
Kann sein, dass es den gibt. Meine Räume sind meist karg und ich versuche mein
Augenmerk auf das Wesentliche zu richten. Deshalb mag ich auch den Begriff
Ausstattung nicht, das hört sich nach „Zuviel“ an. Für mich ist Theater eine Parabel,
Realismus interessiert mich nicht, das kann der Film besser.
Das Gespräch führte Gerd Muszynski
HEXENJAGD von A bis Z
Von A bis Z – Was es über Arthur Millers HEXENJAGD zu wissen gibt
A wie Abigail. Abigail Williams, 17 Jahre, Nichte von Pastor Parris, hatte ein Verhältnis
mit John Proctor. Weil er nicht zu ihr zurückkommen will, bezichtigt sie Proctors Frau
der Hexerei.
B wie Bühne. Die Bühne von Julia Hattstein ist ein schwefelgelber Raum, der nach
hinten niedriger wird und ein Gefühl der Eingeschlossenheit der Figuren vermittelt.
Einziges sich verschiebendes „Möbel“Teil ist ein großes Kreuz.
C wie Crusible Der Originaltitel des Dramas bedeutet im Deutschen „Schmelztiegel“.
Das Motiv des Schmelzens, der Auflösung, der Erhitzung und Entgrenzung zieht sich
durch den Text.
D wie Danforth. Danforth, Stellvertreter des Gouverneurs, leitet die Hexenprozesse in
Salem. Schwankt zwischendurch, bleibt aber hart bis zum Ende.
E wie Exorzist. Pastor Hale gilt als Spezialist im Kampf gegen schwarze Magie. Pastor
Parris bittet ihn nach Salem zu kommen und zu helfen.
F wie foltern. In den Gefängnissen werden die Beschuldigten Bürger von Salem
gefoltert, um ein…
G wie Geständnis. … Geständnis ihrer Schuld zu erzwingen. Viele halten der Folter nicht
stand und geben zu mit dem Teufel im Bunde zu sein.
H wie Hertel. Thomas Hertel hat mit den Schauspieler*innen mehrere Tage die
Bühnenmusik erarbeitet und aufgenommen.
I wie Identifikationsfigur. Eine Figur, mit der der Zuschauer sich identifizieren kann,
gibt es in „Hexenjagd“ nicht. Zu starr und versteinert sind die Bewohner der kleinen
Stadt, ebenso die Richter und die Geistlichen ( Einzig Pastor Hale macht eine
Entwicklung durch). Auch die vier jungen Mädchen hat Miller eher negativ gezeichnet:
berechnend, listig, verschlagen.
J wie Jugend. Die Mädchen Abigail (17), Mercy (18) und Mary (17) stehen bei Miller in
ihrer Jugend im starken Gegensatz zu den starr, wie versteinert wirkenden Erwachsenen.
Doch auch sie werden später kein besseres Leben haben. Das Alter der historischen
Abigail wird mit 11 angegeben. Miller machte die Stückfigur sechs Jahre älter, um den
dramatischen Konflikt zwischen ihr und Proctor besser rausarbeiten zu können.
K wie Kommunistenverfolgung. Miller schrieb das Stück zur Zeit der
Kommunistenverfolgung Anfang der 1950er Jahre in den USA, verarbeitete das Thema
in „Hexenjagd“, wobei er ihm eine allgemeingültige, zeitlose Form gab.
L wie Lüge. Die Mädchen beschuldigen aus Angst vor Strafe bisher unbescholtene
Bürger der Hexerei. In kürzester Zeit herrscht ein Klima der Lüge. Jeder kann jeden
verdächtigen, Beweise werden nicht gefordert.
M wie Miller. Arthur Miller (1915-2005) ist neben Tennessee Williams der berühmteste
amerikanische Dramatiker. Ein weiteres vielgespieltes Stück ist „Der Tod eines
Handlungsreisenden“.
N wie nackt. Pastor Parris entdeckt eine Gruppe junger Mädchen, die nachts im Wald
wild ausgelassen tanzen und merkwürdige okkulte Rituale zelebrieren. Einige Mädchen
sind nackt. Diese Entdeckung ist der Auslöser der dramatischen Handlung.
O wie Ohnmacht. Nach der nächtlichen Entdeckung fällt Parris` Tochter Betty in eine
lang anhaltende Ohnmacht.
P wie Proctor. In dem personenreichen Stück gibt es eine ganze Handvoll von
Hauptrollen. Aber nur der Bauer John Proctor und Pastor Hale treten in allen vier Akten
auf.
Q wie Quelle. Miller kannte aus Vorlesungen über amerikanische Geschichte die
historischen Fakten der Hexenprozesse in Salem. Den letzten Anstoß zu seinem Drama
gab die Lektüre von Marion Starkeys Buch „The Devil in Massachusetts“.
R wie Rehm. Für Bettina ist „Hexenjagd“ das zweite Stück von Arthur Miller in
Hildesheim. Vor neun Jahren führte sie bereits bei „Alle meine Söhne“ Regie.
S wie Salem. Salem ist ein kleiner Ort im ländlichen Massachusetts, bekannt geworden
durch die berüchtigten Hexenprozesse im Jahre 1692, die viele Menschenleben kostete
und als eine der erschütterndsten Episoden in der Geschichte des kolonialen Amerika
einging.
T wie Trump. US-Präsident Donald Trump fühlt sich wegen der Ernennung eines
Sonderermittlers zur Russland-Affäre ungerecht behandelt. Er twitterte, es handle sich
dabei um „die größte Hexenjagd auf einen Politiker in der amerikanischen Geschichte“.
U wie US-Senator. Arthur Miller gerät wie viele andere Intellektuelle in den 1950er
Jahren ins Zielfeuer des hysterisch anti-kommunistischen Senators Joseph McCarthy
(1909-1957).Unter dessen Leitung überprüfen Ausschüsse für unamerikanische
Umtriebe“ die Gesinnung vieler Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
V wie Verfilmung. Es gibt zwei Verfilmungen von „Hexenjagd“: 1957 eine französische
Produktion mit Yves Montand und Simone Signoret unter dem Titel „Die Hexen von
Salem“. 1996 spielten Daniel Day-Lewis und Winona Ryder die Hauptrollen in der USamerikanischen Verfilmung des Dramas.
W wie Wiederaufnahme. Bis zu den Sommerferien gibt es am TfN drei Vorstellungen.
Die Wiederaufnahme ist am 16. September. Es sind danach acht weitere Vorstellungen
geplant.
Z wie zeitlos. Miller schrieb über Salem 1692 und meinte die Kommunistenhatz in den
1950ern. Schaut man heute in die Türkei, nach Polen, nach Korea, so muss man
feststellen, seine Geschichte kann zu allen Zeiten spielen, sie ist zeitlos.
Gerd Muszynski
Pressemitteilung
Eine Atmosphäre der Angst
Die letzte Premiere der TfN-Spielzeit 2016/17 ist am 27. Mai das Schauspiel
„Hexenjagd“. Das Stück von Arthur Miller kommt in einer Inszenierung von Bettina
Rehm und im Bühnen- und Kostümbild von Julia Hattstein auf die Große Bühne des
TfN.
Eine Gruppe junger Mädchen tanzt nachts im Wald. Die Beschwörung soll ihnen zu
ihrem Liebesglück verhelfen. Pastor Parris wird Zeuge des nächtlichen Spuks. Was als
harmlose Kinderei beginnt, versetzt die kleine, fromme Stadt Salem in Aufruhr: Von
dunklen Mächten ist die Rede und von Hexerei. Waren die Mädchen nicht nackt, und
haben sie nicht Blut getrunken? Salem wird zu einem Ort der Beschuldigungen und
Unterstellungen. Der Gouverneur hat sogar ein Gericht installiert, das Todesurteile
verhängen darf. Und der rechtschaffene Bauer John Proctor versteht die Welt nicht
mehr. Denn er ist sicher, dass Hexerei hier gar nicht in Betracht kommt: Eines der
tanzenden Mädchen, Abigail Williams, hat es ihm selbst gesagt. Vor Gericht in die Enge
getrieben, dreht Abigail den Spieß um und beschuldigt ihrerseits immer mehr
Bürgerinnen und Bürger, mit dem Teufel im Bunde zu stehen.
Am Beispiel der Hexenverfolgung in Salem 1692 wirft Miller die Frage auf, wie aus
irrationalen Ängsten ein Klima der Gewalt entstehen kann. „Die Welt ist wahnsinnig
geworden“, sagt Pastor John Hale in „Hexenjagd“ und das gilt heute wahrscheinlich
mehr denn je. Heute, wo „postfaktisch“ zum Wort des Jahres gewählt worden ist, wo
über „fake news“ geredet wird und wo in Ländern wie der Türkei Hunderttausende von
Systemkritikern ohne Prozess ihren Beruf verlieren und ins Gefängnis gesperrt werden.
Heute, über 60 Jahre nach seiner Uraufführung, ist „Hexenjagd“ wieder einmal das Stück
der Stunde. Am 27. Mai um 19 Uhr kommt das Schauspiel in einer Inszenierung von
Bettina Rehm und im Bühnen- und Kostümbild von Julia Hattstein auf die Große
Bühne. Für die Musik zeichnet Thomas Hertel verantwortlich.
Karten für die drei Vorstellung am 27. und 31. Mai sowie 20. Juni kosten zwischen 8,00
und 26,00 Euro und sind im TfN-ServiceCenter (Theaterstraße 6, 31141 Hildesheim),
unter Telefon 05121 1693 1693 und im Internet unter www.tfn-online.de erhältlich.
Medienpartner:
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