228 Neurobiologie Neurobiologie 1 Bau und Funktion von Nervenzellen 1.1 Nervenzellen Menschen und Tiere können mithilfe des Nervensystems Informationen aus der Umgebung und ihrem Körper aufnehmen und darauf reagieren. Dabei bilden Gehirn und Rückenmark das Zentralnervensystem, das über das periphere Nervensystem mit dem übrigen Körper kommuniziert. Das Nervensystem des Menschen besteht aus Milliarden miteinander vernetzter Nervenzellen, den Neuronen, und aus Gliazellen (griech. glia: Leim). Nervenzellen haben die Aufgabe, Informationen zu empfangen, in elektrische Signale, sogenannte Nervenimpulse, umzuwandeln und sie ihren Zielzellen, etwa Nervenzellen oder auch Muskelzellen, zu übermitteln. Gliazellen unterstützen in vielfältiger Weise die Arbeit der Nervenzellen. (Ì Information und Kommunikation) Nervenzellen sind in Größe und Form sehr unterschiedlich. Sie weisen aber den gleichen Grundbauplan auf: eine Gliederung in Zellkörper und Zellfortsätze. In der Regel kann man einen langen, über weite Strecken unverzweigten Fortsatz, Axon genannt, und fein verästelte dünne Fortsätze, die Dendriten (griech. dendron: Baum), unterscheiden. Die Dendriten nehmen Informationen auf und leiten sie in Form von Nervenimpulsen entlang ihrer Membran zum Zellkörper. Dieser enthält den Zellkern und die meisten Zellorganellen. Die von verschiedenen Dendriten eingehenden Informationen werden am Zellkörper verrechnet. In Abhängigkeit vom Ergebnis entstehen am Übergang vom Zellkörper zum Axon, dem Axonhügel, Nervenimpulse, die entlang des Axons weitergeleitet werden. 1 Nervenzelle. A Grundbauplan eines Neurons (Schema); B Zellkörper (REM-Aufnahme); C Axon mit Markscheide (Schema); D Querschnitt durch ein Axon mit Markscheide (TEM-Aufnahme) ýZ:g\g} e^gZX"X~X\ ;^d%ýXj Vgj O^gZjj jjÊdýj ^%X\ J e%^Ï \ý 5~~Ê^d^ h:g\g} >gj ""%X V^"^%XýZ^ 5~~"\Z%jZ~ 2 Transport von Vesikeln im Axon Das Axon verzweigt sich erst am Ende der Nervenzelle. Jedes Verzweigungsende mündet in einem Endknöpfchen, das den Kontakt zu einer Zielzelle herstellt. Über diese Endverzweigungen des Axons kann ein Neuron gleichzeitig mehreren Zellen Nervenimpulse übermitteln. (Ì Struktur und Funktion) Die Länge eines Axons kann beim Menschen bis zu einem Meter betragen. Viele Substanzen, die am Axonende benötigt werden, müssen aus dem Zellkörper herangeführt werden. Nur dort sind die für ihre Synthese notwendigen Zellorganellen vorhanden. Ebenso können verbrauchte Zellbestandteile aus den Axonendigungen nur im Zellkörper abgebaut werden. Für die Überwindung einer Strecke von einem Meter durch freie Diffusion würde ein Proteinmolekül mehrere Jahre benötigen. Mithilfe von Motorproteinen können Materialien dagegen relativ schnell zwischen Zellkörper und Axonendigungen transportiert werden. Nervenzellen weisen ein ausgeprägtes Cytoskelett auf. Insbesondere das Axon enthält viele regelmäßig angeordnete Mikrotubuli. Entlang dieser Mikrotubuli bewegen sich die Motorproteine mit einer Geschwindigkeit von 200 bis 400 Millimeter pro Tag. Sie verändern dazu unter ATP-Verbrauch ihre räumliche Struktur. Dabei haben die Motorproteine Vesikel gebunden, in denen sich das Transportgut befindet. In der Umgebung von Nervenzellen befinden sich stets Gliazellen. Ihre Anzahl übertrifft >gj k^j ^ _~gj^gý:Z 3 Oligodendrocyte im Gehirn die der Nervenzellen um ein Vielfaches. Im peripheren Nervensystem von Wirbeltieren bilden spezielle Gliazellen, die Schwann-Zellen eine für Wasser und Ionen undurchlässige Markscheide um viele Axone. Diese kommt bei Wirbellosen nicht vor. Die häufigste Form von Gliazellen im Gehirn sind sternförmige Astrocyten. Mit ihren langen Fortsätzen nehmen sie Kontakt zu Nervenzellen und Blutkapillaren auf. Sie versorgen die Nervenzellen mit Nährstoffen und regulieren die Konzentration bestimmter Ionen in der extrazellulären Flüssigkeit. Außerdem registrieren Astrocyten den Signalfluss in den Axonen und beeinflussen die Blutkapillaren so, dass aktive Gehirnregionen besser durchblutet werden. So schaffen sie ein für Nervenzellen optimales Milieu. Während der Entwicklung des Nervensystems wachsen die Schwann-Zellen um ein Axon herum, bis es schließlich von dicht gepackten Schichten lipidreicher Membranen umhüllt ist. Zwischen den Schwann-Zellen bleiben im Abstand von etwa ein bis zwei Millimetern schmale Bereiche, die Ranvier-Schnürringe, frei von einer Hülle. Im Zentralnervensystem bilden Oligodendrocyten, ein anderer Typ von Gliazellen, Markscheiden von Axonen. Vergleichen Sie den Bau der Pyramidenzelle mit dem schematisch dargestellten Grundbauplan einer Nervenzelle. Erklären Sie anhand des Vergleichs das Basiskonzept „Struktur und Funktion“. 5 4 Pyramidenzelle aus der Hirnrinde. A Axon; D Dendrit; Z Zellkörper 229