Unterlagen für Akademielehrgang

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Unterlagen für Akademielehrgang
für SchülerberaterInnen an Allgemein bildende Höhere Schulen
MODUL 3
BERATUNG BEI LERN- UND
VERHALTENSSCHWIERIGKEITEN
Teil II
EINFÜHRUNG
in die
VERHALTENSPSYCHOLOGIE
Zusammengestellt von Mag. Bernhard Higer und Dr. Hans Smoliner
INHALTSVERZEICHNIS
1. VERHALTENSPSYCHOLOGIE.............................................................................. 1
Grundüberlegungen ................................................................................................ 1
Modelle der Verhaltenspsychologie ........................................................................ 2
2. VERHALTENSAUFFÄLLIGKEITEN IN DER SCHULE........................................... 5
Erklärungsansätze .................................................................................................. 5
Definition des Begriffs Verhaltensstörung ............................................................... 6
Kriterien für Verhaltensstörungen ........................................................................... 7
Klassifikation von Verhaltensstörungen .................................................................. 7
Ursachen von Verhaltensstörungen ........................................................................ 8
Kreislauf von Verhaltensstörungen ......................................................................... 9
3. SPEZIFISCHE VERHALTENSSTÖRUNGEN ...................................................... 10
Hyperkinetische Störungen ................................................................................... 10
Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom ....................................................................... 11
Aufmerksamkeitsstörung und Konzentration......................................................... 12
4. VERHALTENSMODIFIKATION IN DER SCHULISCHEN BERATUNG ............... 13
Beratungskonzepte .............................................................................................. 13
Bildungsberatung im Schnittpunkt Sozialarbeit und Beratung............................... 14
Verhaltensmodifikation ......................................................................................... 16
Problemlöseprozess in der Beratung .................................................................... 18
Die systemtheoretische Betrachtungsweise in der schulischen Beratung ............ 22
Grundsätze systemischer Beratung ..................................................................... 30
Phasen der systemischen Problemdefinition ........................................................ 30
Konsequenzen für die Beratungstätigkeit.............................................................. 36
5. LITERATUR.......................................................................................................... 37
6. ANHANG .............................................................................................................. 38
Einführung in die Verhaltenspsychologie
1. VERHALTENSPSYCHOLOGIE
Grundüberlegungen
Lernen am Modell:
•
•
Empfindet eine Person das Verhalten einer anderen Person als positiv, so
imitiert sie dieses Verhalten.
Das Modell hat meist einen höheren sozialen Status.
Kognitives Lernen:
•
Um ein positives Verhalten zu zeigen, muss die Person die Situation
verstehen.
Lernen durch Einsicht:
•
Bewirkt eine Person ein Mal durch ein bestimmtes Verhalten eine negative
Konsequenz, so wird sie dieses Verhalten nicht noch einmal zeigen.
Konditionierung
Klassisches Konditionieren
Klassisches Konditionieren (Signallernen)bedeutet, dass eine natürliche Reaktion auf
einen Reiz an einen anderen Reiz gebunden ist
•
•
•
Löschung: Verbindung zwischen konditioniertem Reiz und konditionierter
Reaktion wird gelöscht, wenn eine Person eine erwartete Reaktion über eine
längere Zeit unterlässt.
Gegenkonditionierung: Gegenkonditionierung findet statt, indem auf einen
Reiz eine positive Reaktion stattfindet.
Endkonditionierung: Bedeutet der schrittweise Abbau auf eine erlernte
Reaktion.
Operantes Konditionieren
•
•
•
•
Positive Verstärkung: Hat ein Verhalten positive Konsequenzen, so wird
dieses Verhalten öfter gezeigt.
Negative Verstärkung: Hat ein verhalten negative Konsequenzen, so wird
dieses Verhalten seltener gezeigt.)
Löschung: jeder von uns hat gelernt, ein bestimmtes Verhalten als
„Instrument“ einzusetzen, um eine bestimmte Konsequenz zu erreichen. Hat
ein Verhalten gar keine Konsequenzen, so wird dieses Verhalten sinnlos und
nach einiger Zeit nicht mehr gezeigt.
Bestrafung: Bekommt eine Person für ihr Verhalten nur negative
Konsequenzen, so bezeichnet man dies als Bestrafung I. Bleibt eine positive
Konsequenz für ein Verhalten aus, so ist zu erwarten, dass dieses Verhalten
nicht mehr auftritt. (Bestrafung II).
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Zu beachten:
• Erwünschtes Verhalten verstärken
• Die Verstärkung des richtigen Verhaltens ist besser als zu warten, bis die
betreffende Person sich von selbst richtig verhält.
• Verstärker müssen immer individuell ausgesucht werden!!!
Modelle der Verhaltenspsychologie
Ivan Pawlow: Klassische Konditionierung
Als der Tierphysiologe Ivan Pawlow den Speichelfluss seines Hundes untersuchte,
machte er eine sonderbare Entdeckung: Dem Hund lief förmlich das „Wasser im
Mund“ zusammen als er Pawlows Assistenten hörte, der das Futter brachte. Ivan
fragte sich, wie denn das sein kann? Sein Hund intelligent? Pawlow war sehr
experimen(tierfreudig).
Experiment:
Wie der Speichelfluss mit dem Klingeln kam:
Pawlow klingelt mit einer Glocke, es gibt sofort danach Futter,
Speichel fließt,
es folgen mehrere Wiederholungen...
Pawlow klingelt mit einer Glocke, Speichel fließt, ohne dass
Futter geboten wird
Ergebnis:
Immer wenn die Glocke klingelt, läuft dem Hund das „Wasser im Mund“ zusammen.
Er wurde konditioniert. Dieses Prinzip finden wir heute z.B. in der Werbung wieder,
wenn der Kaffe freundlich riecht, das Auto erfolgreich fährt und die Cola spaßig
schmeckt. Mit dem klingeln des Markennamens sollen diese Reaktionen wieder
wachgerufen werden.
John B. Watson: Emotionale Konditionierung
Der kleine Albert war ca. 1 Jahr alt. Was hier so niedlich klingt, ist eigentlich eine
traurige Geschichte. Watson wollte das mit der Konditionierung nach dem Prinzip von
Pawlow gleich mal ausprobieren. Doch statt Futter und einen Klingelton gab es für
den kleinen Albert eine kleine Ratte und eine Eisenstange.
Experiment:
Albert spielte mit der Ratte als Watson mit einer
Eisenstange laut hinter Albert auf den Boden schlug.
Albert weinte und bekam Angst.
Ergebnis:
Es führte dazu, dass Albert Angst vor Ratten bekam
und seine Angst auch auf einige Stofftiere
generalisierte. Man hat Albert später versucht zu therapieren...
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Thorndike: Lernen durch Versuch & Irrtum
Thorndike hat sich gedacht, man soll das Tier einfach mal machen lassen. Vielleicht
lernt es ja von selbst.
Experiment:
Thorndike sperrte seine Katze in einen Käfig. Die Tür war
so präpariert, dass sie mit einem Tatzenschlag aufging.
Ergebnis:
Die Katze wollte raus und probierte einfach, überall mal
dagegen zu drücken. Dann sprang die Tür auf und die Katze hat daraus gelernt.
Hieraus entstand das "Learning by Doing“.
Skinner: Lernen durch Verstärkung
Skinner hat entdeckt, dass sowohl Tiere als auch Menschen sehr gut zwischen
Belohnung und Bestrafung unterscheiden können. Die abgeschätzten Konsequenzen
bestimmen das Verhalten.
Dabei unterscheidet er vier Arten das Verhalten von Jemanden
kontrollieren/manipulieren:
1. etwas Gutes bekommen (Positive Verstärkung)
2. etwas Negatives erspart bekommen (Negative Verstärkung)
3. etwas Schlechtes bekommen (Bestrafung durch aversive Reize)
4. etwas Gutes entzogen bekommen (Bestrafung durch Verstärkerentzug)
zu
Die Skinnerbox:
Ausprobiert hat er die Verhaltensmanipulation in der
Skinnerbox. Ziel war es, dass die Ratte lernt, einen Hebel zu
betätigen. Dabei gab es zwei Möglichkeiten: Entweder bekam
die Ratte solange Stromschläge, bis sie mit der Pfote einen
Hebel betätigt und der Stromfluss endete (Negative
Verstärkung). Oder es gab immer Futter, wenn die Ratte den
Hebel betätigt hat (Positive Verstärkung).
Shaping:
Skinner wollte eine Taube dazu bringen, dass sie sich einmal
im Kreis dreht. Also gab er ihr Futter, sobald sie sich in die
gewünschte Richtung begab. Dann blieben diese aus und die
Taube musste mehr leisten. Immer wenn sie sich etwas mehr
drehte als zuvor, gab es Futter. Nach mehreren Versuchen
lernte die Taube sich um 360° zu drehen, um Futter zu
bekommen.
Chaining:
Jetzt fragt man sich natürlich, wie man einen Zirkushund dressiert, ist ja viel
komplexer. Das Chaining besteht aus einer Vielzahl von Einzelkunststücken, die
sozusagen einzeln „geshaped“ und aneinandergekettet werden. Begonnen wird mit
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
dem letzten Kunststück. Somit baut sich die Kette Rückwerts auf. Das Tier muss alle
Kunststücke vorführen, damit es seinen Drops bekommt.
Exkurs zur Menschenwelt:
1. materielle Verstärker (Geld & Co. Bekommen)
2. soziale Verstärker (Lob und Anerkennung)
3. aktivitäts- und Handlungsverstärker (Tun, was Spaß macht)
Bandura: Lernen durch Beobachtung
Was Anfangs so aussah wie eine lustige Kinderparty, war in echt ein klug
durchplantes Experiment und zugleich die Geburtsstunde der "Gewalt in den Medien"
- Diskussion.
Experiment:
Ein paar Kinder sahen einen Film, in dem ein Erwachsener mit
einer Baseballkeule eine Plastikpuppe zusammenschlug. Kurz
darauf wurden die Kinder in ein anderes Zimmer eingeladen, in
dem diese Puppe und die Keule lagen. Eines der Kinder nahm
die Keule und schlug auf die Puppe ein.
Ergebnis:
Bandura unterscheidet vier Prozesse:
Aufmerksamkeit: sehen, dass etwas passiert und es beobachten
Behalten: die beobachtete Handlung im Kopf durchspielen, und sich die
Konsequenzen ausmalen
Reproduktion: diese Handlung ausführen
Motivation: wenn wir damit Erfolg hatten, werden wir es wieder tun
Weitere Handlungen werden dadurch bestimmt, ob wir bestraft oder belohnt wurden.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
2. VERHALTENSAUFFÄLLIGKEITEN IN DER SCHULE
Die Begriffe „Verhaltensstörung“, „Erziehungsschwierigkeiten“ etc. entziehen sich
mitunter durch ihre Person- und Situationsgebundenheit einer eindeutigen Definition.
Sogenannte „Verhaltensgestörte“ werden häufig mit Ausdrücken, wie emotional
gestört, neurotisch, psychopathisch, erziehungsschwierig, sozial fehlangepasst,
verwahrlost, gemeinschaftsgefährdend, gemeinschaftsschädigend, persönlichkeitsgestört, verhaltensbehindert, verhaltensgestört, verhaltensauffällig, beschrieben
(siehe Hillenbrand, 1999).
Welcher dieser Begriffe nun entscheidend für die Bezeichnung als verhaltensgestört
ist, bestimmt der soziale, kulturelle und historische Kontext, in dem ein Kind lebt. Sie
setzt also ein soziales Bezugssystem voraus und ist wegen dessen Dynamik immer
nur vorläufig.
Erklärungsansätze
Personorientierte Erklärung:
Das auffällige Verhalten wird als Störung betrachtet, die die PERSON selbst bzw. die
Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung hemmt. Bestimmte (auffällige)
Charakteristika und Reaktionstendenzen bestehen schon vor Eintritt in eine Situation
und überdauern zeitlich.
Umwelt- und normorientierte Erklärung:
Das auffällige Verhalten wird als Störung betrachtet, die auf die UMWELT
behindernd wirkt.
Systemisch betrachtet:
Das auffällige Verhalten wird als Störung des Regelkreises Person-UmweltBeziehung (Störung des Funktionsgleichgewichts in der Interaktion der Person mit
ihrer Umwelt) betrachtet.
Eine Verhaltensstörung ist demnach ein „auffälliges“ Verhalten im Erleben und
Verhalten einer Person, das von bestimmten normativen Maßstäben und
Erwartungen deutlich abweicht. Aber diese Auffälligkeiten treten unter ganz
bestimmten (zeitlichen, räumlichen, situativen) Bedingungen auf. Diese Bedingungen
tragen zur Auslösung und Aufrechterhaltung des auffälligen Erlebens und Verhaltens
bei. Abweichendes Verhalten ist aus dieser Sicht auch „problemlösendes“ Verhalten.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Definition des Begriffs Verhaltensstörung
Heutzutage
sind
besonders
„verhaltensgestört“ im Gebrauch.
die
Termini
„erziehungsschwierig“
und
Nach Norbert Myschker (1993):
„Verhaltensstörung ist ein von zeit- und kulturspezifischen Erwartungen
abweichendes maladaptives Verhalten, das organogen und/oder milieureaktiv
bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades
die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der
Umwelt beeinträchtigt und ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht
oder nur unzureichend überwunden werden kann.“
Nach Havers (1978):
„Jede Erziehungsschwierigkeit kann auch Verhaltensstörung genannt werden, aber
nicht umgekehrt jede Verhaltensstörung Erziehungsschwierigkeit. Verhaltensstörung
ist also der Oberbegriff für Erziehungsschwierigkeit.“
Demnach konstatieren also drei Elemente den Begriff „Erziehungsschwierigkeit“:
Regelverstöße
Das Wissen des Lehrers um den Regelverstoß
Die Anwendung einer Verhaltensregel auf ein als störend und unangemessen
beurteiltes Verhalten.
Ein Vorteil des Begriffes „Erziehungsschwierigkeit“ liegt in der eindeutigen
pädagogischen Ausrichtung. Ein Nachteil ist jedoch, dass die Sonderpädagogik
immer auf einen Austausch mit Nachbarwissenschaften (z.B. Psychologie)
angewiesen ist.
Normative Kriterien:
Ein grundsätzliches Problem des Begriffs „Verhaltensstörung“ bleibt der
unvermeidliche Bezug auf Normen, wobei vier Vorstellungen von Normen relevant
sind:
• Statistische Normen
• Sozio-kulturelle Normen
• Persönliche-normative Wertvorstellungen einzelner Personen (z.B. Eltern,
Lehrer)
• Subjektive-normative Maßstäbe (Leidensdruck)
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Kriterien für Verhaltensstörungen
Nach Steinhausen sind die Kriterien für Verhaltensstörungen aus kinder- und
jugendpsychiatrischer Sicht:
• Angemessenheit
• Persistenz
• Lebensumstände
• Sozio-kulturelle Begebenheiten
• Das Ausmaß der Störung
• Die Art des Symptoms
• Der Schweregrad der Symptome
• Die Häufigkeit der Symptome
• Verhaltensänderungen
• Situationsspezifität
Ein wichtiges Kriterium nach Steinhausen (1996)
Beeinträchtigung, das gekennzeichnet wird durch:
• Leiden
• soziale Einengung
• Interferenz mit der Entwicklung
• Auswirkungen auf andere
ist
das
Ausmaß
der
Es müssen mehrere dieser Kriterien erfüllt sein, um von einer Verhaltensstörung
sprechen zu können.
Klassifikation von Verhaltensstörungen
nach schulischen Phänomenen (Havers 1978):
•
•
•
•
Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen
Verstöße gegen Interaktionsregeln
Verstöße gegen Normen von Schule und Klasse
Residuale Verhaltensabweichungen
nach empirischen Klassifikationen (Myschker, 1993):
•
•
•
•
Externalisierende Störungen
(Aggression, Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörung)
Internalisierende Störungen
(Angst, Minderwertigkeit, Trauer, Interesselosigkeit, somatische Störungen)
Sozial unreifes Verhalten
(Konzentrationsschwäche, altersunangemessenes Verhalten, nicht belastbar,
leistungsschwach)
Sozialisiert delinquentes Verhalten
(Gewalttätigkeit, Reizbarkeit, Verantwortungslosigkeit, leichte Erregbarkeit und
Frustration, Beziehungsstörungen, niedrige Hemmschwellen)
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
Ursachen von Verhaltensstörungen:
Durch Entwicklungsprozesse erworbene Verhaltensstörungen:
•
•
•
•
(Unbewusste) Entwicklung von Mechanismen zur Bewältigung Angst
erzeugender Konflikte bei mangelnder emotionaler Integration
Entwicklung von Emotions-Reflexen durch Klassische Konditionierung
Entwicklung von auffälligen Reaktionsgewohnheiten in Abhängigkeit von
Verstärkungsbedingungen
Aufbau eines unrealistischen Selbstkonzepts
Ausgewählte familiäre Ursachen:
•
•
•
•
•
Fehlendes Verständnis der Eltern
Überbehütung
Zuwendungs- und Abhängigkeitsbedürfnis bei emotionaler Vernachlässigung
und fehlender Beachtung
Aggressive Zurückweisung des Kindes
Vereitlung von Vorhaben und Beeinträchtigung des Selbstwertes des Kindes
Situationistische Erklärung:
Es gibt „krankmachende“ Situationen:
• Komplexität und Mehrdeutigkeit, Indifferenz und Unstrukturiertheit
• Hoher Grad der Neuigkeit, der Abweichung von bestehenden Erwartungen
• Hoher Grad der Bedürfnis- und Motivstimulation
• Hoher Grad der Vereitlung (Frustration) von Bedürfnissen und konkreten
Zielvorhaben und der Beeinträchtigung des Selbstwertes
• „Überforderung“ durch zu hohe oder unangemessene Anforderungen an die
zur Verfügung stehenden Problemlösetechniken
• „Unterforderung“ durch Monotonie, fehlende Anregungen und fehlende
Herausforderungen an die Eigenaktivität
Interaktionistische Erklärung:
•
•
•
Wechselwirkung zwischen bestimmten Eigenarten der Person und der
aktuellen Situation
Erwartungen der Person über die Wahrscheinlichkeit und den subjektiven
(emotionalen) Wert von Folgen, die sich aus einer Situation ergeben
Modelle: z.B. Stress-Konzept, Verhaltensstörungen als fehlgeschlagene
Bewältigung von Entwicklungsaufgaben; unzureichende Problemlösestrategie;
unangemessene Informationsverarbeitung; unzureichende
Handlungsregulation
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
Etikettierungstheorie
Eine Verhaltensweise wird dadurch “auffällig“, dass sie durch Eltern
(Elternmaßstäbe, z.B. emotionale Labilität, Kontaktangst, unrealistisches
Selbstkonzept, unangepasstes Sozialverhalten, instabiles Leistungsverhalten) oder
Lehrer (Lehrermaßstäbe, z.B. Arbeitsverhalten, psychische Stabilität, Begabung,
Dominanz, soziale Zurückgezogenheit) als gestört bewertet wird. Die subjektiven
Annahmen der Beurteiler spielen dabei eine wesentliche Rolle.
Kreislauf von Verhaltensstörungen
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
3. SPEZIFISCHE VERHALTENSSTÖRUNGEN
Hyperkinetische Störungen
Das Hauptmerkmal einer hyperkinetischen Störung ist ein durchgehendes Muster
von Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität und Hyperaktivität, das häufiger auftritt
und stärker ausgeprägt ist, als es bei Kindern auf vergleichbarer Entwicklungsstufe
typischerweise beobachtet wird (vgl. Döpfner, 1996).
Störungen der Aufmerksamkeit
•
•
•
•
•
Vorzeitiger Abbruch von Aufgaben
Tätigkeiten werden nicht beendet
Wechsel von einer Tätigkeit zur anderen
Flüchtigkeitsfehler bei Schularbeiten
Arbeiten sind häufig unordentlich
Meist sind die Störungen bei fremdbestimmten Tätigkeiten stärker ausgeprägt als bei
selbst gewählten.
Impulsivität:
•
•
•
•
•
•
•
Ungeduld; Schwierigkeit abzuwarten und Bedürfnisse aufzuschieben
Handeln ohne zu überlegen
Platzen mit der Antwort heraus
Sie unterbrechen andere übermäßig
Sie stören und nehmen anderen etwas weg
Fassen Dinge an, die sie nicht anfassen sollen
Beschäftigen sich mit potentiell gefährlichen Aktivitäten, ohne dass auf die
möglichen Konsequenzen geachtet wird
Hyperaktivität:
•
•
Desorientierte, mangelhaft regulierte und überschäumende motorische
Aktivität
Exzessive Ruhelosigkeit
Dieses anhaltende Muster exzessiver motorischer Aktivität erscheint durch die
soziale Umgebung (z.B. durch Aufforderungen) als nicht durchgreifend beeinflussbar.
Dieses Verhaltensmerkmal zeigt sich am deutlichsten in strukturierten und
organisierten Situationen, die ein hohes Maß an eigener Verhaltenskontrolle
erfordern.
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS)
(oder hyperkinetisches Syndrom)
Definition:
ADS ist zu definieren als eine auf Grund von minimaler zerebraler Dysfunktion
auftretende spezifische Verhaltens- bzw. Konzentrationsstörung, die von einer Reihe
typischer Begleitsymptome (z.B. starke motorische Unruhe, Affektlabilität, mangelnde
Frustrationstoleranz etc.) geprägt ist. (A. Ortner, R. Ortner, 1991)
Symptomatik:
•
•
•
•
•
•
•
Konzentrationsschwäche
Leichte Ablenkbarkeit
Geringe Ausdauer
Vergesslichkeit
Kurze Aufmerksamkeitsspanne
Starke Leistungsschwankungen
Unharmonischer Bewegungsablauf
•
•
•
•
•
•
Motorische Unruhe
Dauerndes Zappeln
Verkrampfte Schrift
Geringes Selbstbewusstsein
Stimmungsschwankungen
Geringe Frustrationstoleranz
Ursachen und Hintergründe:
Primärursachen
•
•
Gestörte Reizübertragung durch
Neurotransmitter im ZNS
Vererbung
Sekundärursachen
•
•
•
Erziehungsansätze
Schule
Lärmexponierte Umgebung
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Aufmerksamkeitsstörung und Konzentration
So paradox es klingt: Den Aufmerksamkeitsgestörten fehlt es nicht eigentlich an
Aufmerksamkeit. ADHSler wenden sich durchaus aufmerksam der Welt zu – aber
eben nur kurzfristig, solange ihnen der jeweilige Gegenstand neu und interessant
erscheint. Sie können den Scheinwerfer ihrer Aufmerksamkeit nicht dort halten, wo
sie ihn haben wollen, sondern er hüpft ihnen hin und her. Statt von innen werden sie
von außen gesteuert – von den Signalen aus ihrer Umgebung.
Es mangelt ihnen an jener selbstdirigierten Konzentration, die die Psychologen Detlef
Berg und Margarete Imhof von den Universitäten Bamberg und Frankfurt anhand
dreier Kriterien von wahlloser Aufmerksamkeit unterscheiden:
•
Intentionalität: Konzentration heißt, sich willentlich einem Gegenstand
zuwenden.
•
Integration: Das Wahrgenommene wird nicht automatisch, sondern bewusst
verarbeitet und in das vorhandene Wissensgebäude integriert.
•
Beanspruchung energetischer Ressourcen: Konzentration erfordert eine
starke Aktivierung in bestimmten Hirnregionen und wird auch subjektiv als
anstrengend erlebt.
Auf allen drei Feldern haben aufmerksamkeitsgestörte Menschen ihre Probleme. Sie
verteilen erstens ihre Aufmerksamkeit eher willkürlich als willentlich, und es fällt ihnen
zweitens schwer, das Wahrgenommene zu integrieren, denn es fehlt ihnen drittens
an jener psychischen Energie – auch Arousal genannt -, die erforderlich ist, um
intensiv bei der Sache zu bleiben. Typisch für ADHS sei „das oft schlagartige
psychische Ermüden“, schreibt Russel Barkley. Dies erklärt auch den paradoxen
Befund, dass ausgerechnet Aufputschmittel wie Ritalin hippelige ADHSler ruhiger
machen: Die Aktivierung schafft Konzentration.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
4. VERHALTENSMODIFIKATION IN DER
SCHULISCHEN BERATUNG
Beratungskonzepte
(nach Ruth Mitschka, 2002)
Der Expertenansatz
= das medizinische Modell = das lineare Modell = das personale Modell
Das Verhalten ist eine „Eigenschaft“ der Person. Dieses wird mit einem
wissenschaftlichen Etikett versehen, besonders die Verhaltens“störungen“. Wenn die
Ursachen der Symptome in einer Therapie aufgedeckt werden, folgen
Veränderungen.
Im linearen Modell ist Beratung pathologiezentriert (auf eine psychische Erkrankung
gerichtet) und Veränderung meint Gesundwerdung, Heilung, Normierung,
Anpassung. Das Interesse richtet sich auf die Vergangenheit, auf das Warum. Der
Berater ist der Experte für die Erklärungen und Deutungen. Dieses Modell liegt der
Tiefenpsychologie zugrunde.
Das interaktionistische Modell
= das interpersonale Modell = die Lerntheorien
Jedes Verhalten ist gelernt (ähnlich der Dressur bei Tieren): durch Gewöhnung und
durch positive oder negative Verstärkung, durch Versuch und Irrtum oder
Nachahmung eines Modells
Dieser Zugang findet sich im Behaviorismus. Das verhaltenstherapeutische
Vorgehen besteht darin, nach einem Plan das Verhalten nach und nach so zu
ändern, dass es allmählich dem erwünschten entspricht.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Das systemische Modell
Jede und jeder ist Teil von Systemen. Jedes Verhalten hat innerhalb des Systems
eine Funktion. Auch auffälliges Verhalten ist eine „gesunde“ Reaktion und bringt
Gewinn.
Veränderungen werden z.B. möglich, wenn derselbe Gewinn auf andere Weise
erzielt werden kann oder wenn neue „Landkarten“, also veränderte Sichtweisen,
benutzt werden. Dazu können alle im System etwas beitragen.
Bildungsberatung im Schnittpunkt
Sozialarbeit und Beratung
Arbeitsfeld Beratung
(nach Ruth Mitschka 2000)
Alltag = Tun
Elternhaus
Sozialarbeit
Schule
Psychotherapie
Spezialistentum = Reden
Beratung im weitesten Sinn ist Unterstützungsmanagement
Dieses geht davon aus, dass die Person, die Gruppe oder Organisation, er es zugute
kommt, zu viel oder zu wenig von etwas hat. Durch das Angebot soll ein Ausgleich
geschaffen werden. Erziehung, Therapie, Beratung, Schulung wirken in diesem
Sinne unterstützend. Sie haben folgende Merkmale gemeinsam:
• ein Angebot im Doppelpack (versorgen, unterstützen einerseits und bewerten
andererseits – Hilfe plus Kontrolle)
• das Aufeinander-Reagieren, die Interaktion (mindestens= zweier Personen
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Merkmale der Sozialarbeit:
Die Auftragslage ist diffus und bewegt sich zwischen Hilfe, Kontrolle und Therapie.
Die Klienten/inn/en haben häufig selber kein Interesse an einer „Beratung“ oder
„Betreuung“. Oft sind es andere, die meinen, dass der/die Betreffende Hilfe bräuchte.
Die Beratungsbeziehungen zu Klientinnen und das „Setting“ sind unklarer als in
therapeutischen Situationen.
Die „Indikation“ der Hilfe und Struktur der Beratung lässt sich oft erst im Verlauf der
Beziehung klären.
Die Hilfe vollzieht sich überwiegend im Übergang zwischen professioneller Beratung
und Alltagsbeziehung. Die Beziehung zum/zur Sozialarbeiterin fungiert als „Ersatz“
für verloren gegangene soziale Bindungen.
Erfolgskontrollen der Arbeit sind eher die Ausnahme.
Soziale Arbeit umfasst zunehmend mehr wirtschaftliche Tätigkeiten, etwa mit
„Sozialmanagement“ umschreibbar.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Verhaltensmodifikation
Entnommen aus:
www.stangl-taller.at / ARBEITSBLAETTER / LERNEN / Verhaltenstherapie.shtml
Grundannahmen
Eine bedeutende Rolle - auch in der europäischen Psychologie - spielt die aus den
Grundannahmen des Behaviorismus abgeleitete Verhaltenstherapie. Die Entstehung
der Verhaltenstherapie hing einerseits mit der Unzufriedenheit über die
vorherrschende Psychoanalyse und andererseits mit der Anwendung experimenteller
wissenschaftlicher Ergebnisse auf die Erklärung und Behandlung seelischer
Störungen zusammen.
Die Grundannahme der Verhaltenstherapie besagt: Neurotisches Verhalten und
andere Arten von Verhaltensstörungen sind meistens erworben. Die
Verhaltenstherapie geht also davon aus, dass jedes Verhalten nach gleichen
Prinzipien erlernt, aufrechterhalten und auch wieder verlernt werden kann. Dabei wird
unter Verhalten nicht nur die äußerlich sichtbare Aktivität des Menschen verstanden,
sondern auch die inneren Vorgänge wie Gefühle, Denken und körperliche Prozesse.
Die Auseinandersetzung mit der Umwelt erfordert zahlreiche Lern- und
Anpassungsleistungen. Wir fühlen uns wohl, wenn wir in der Lage sind, auf diese
psychischen und physischen Anforderungen flexibel und unter angemessener
Berücksichtigung unserer Bedürfnisse selbstverantwortlich zu reagieren. Reichen die
eigenen Fähigkeiten nicht aus, um zentrale Bedürfnisse wie die nach sozialer
Sicherheit, befriedigenden Beziehungen oder selbstbestimmter Lebensgestaltung zu
erfüllen oder stehen äußere Umstände dem entgegen, wird das Wohlbefinden
beeinträchtigt. Die Folgen können Verhaltensauffälligkeiten, seelische und
körperliche Erkrankungen sein.
Die Schlussfolgerung: Ist neurotisches Verhalten erworben, so sollte es von den
Lerngesetzen abhängig sein. Diese Lerngesetze beziehen sich nicht nur auf das
Erlernen neuer Verhaltensmuster, sondern auch auf die Reduzierung oder das
Eliminieren (Extinktion) von bestehenden Verhaltensmustern. Es gibt nicht nur gute,
sondern auch schlechte Gewohnheiten, auf die die Verhaltenstherapie durch
Aneignungs- und Beseitigungsverfahren abzielt. Der lerntheoretische Ansatz besagt:
Jede Verhaltensstörung ist erlernt und kann durch entsprechendes Gegenlernen
abgebaut werden. Dies wird unterstützt durch den Aufbau von gegenteiligen,
erwünschten Verhaltensweisen. Das Erlernen neuer Verhaltensweisen erfolgt
bevorzugt durch Verwendung positiver Verstärker (angenehme Konsequenzen, z.B.
Belohnungen, Lob, etc.). Unerwünschte Verhaltensweisen werden durch negative
Verstärker (Reize, die unangenehme Folgen haben, z.B. Schmerz, Tadel, etc.)
eliminiert.
Viele der ursprünglichen Grundannahmen haben sich nicht halten lassen, das
Versprechen sehr kurzer effektiver Therapien konnte nur für wenige Störungen
eingehalten werden. Dennoch hat die Verhaltenstherapie die Psychotherapie
wesentlich weiterentwickelt und für viele Krankheitsbilder entscheidend geprägt. Sie
zeigt weniger Hemmungen Erkenntnisse anderer Wissenschaften zu integrieren, ist
weniger dogmatisch und damit flexibler in ihrer eigenen Entwicklung. Für manche
Störungen ist sie einer analytischen Behandlung überlegen.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Das gestörte Verhalten wird unter dem Gesichtspunkt einer aktuellen Funktionskette
gesehen, nach dem Muster: Auslösung - Verhalten - Konsequenzen des Verhaltens.
Der Patient muss zuerst unterscheiden lernen, welche der vielen täglichen
Ereignisse, negative Gefühle, Selbstabwertung und Fehlverhalten bewirken.
Das Grundmuster der Verhaltenstherapie ist das schrittweise Einüben eines so
genannten Zielverhaltens (das erwünschte Verhalten). Die einzelnen Schritte
bestehen im Allgemeinen zunächst aus einer konkreten Analyse des Verhaltens und
dann der Bestimmung der Lernabschnitte, der Durchführung eines
Kleinschrittlernens, einem Belastungstraining des neuen Verhaltens, einem
Selbstkontrollabschnitt und aus gelegentlichen Wiederholungsstunden nach
Therapieende, um das Gelernte wieder aufzufrischen.
Bei allen Veränderungstechniken, die auf mentalem Weg versuchen, menschliches
Verhalten und Denken zu verändern, ist zu berücksichtigen, dass diese
Veränderbarkeit ihre Grenzen hat. Das menschliche Gehirn ist - bei aller Skepsis
gegenüber der Computermetapher - einer nur einmal beschreibbaren Festplatte
vergleichbar, die eine riesige Speicherkapazität hat. Gespeicherte Daten können
jedoch nicht mehr gelöscht werden, was große Vorteile hat, aber auch Nachteile,
zumal sich im Laufe des Lebens zahlreiche destruktive Programme, quasi neuronale
Psycho-Viren, einnisten, die das Leben erschweren können. Die angeborenen und
erlernten Steuerprogramme sind mächtig und bestimmen die Denkweise, die
Emotionen und Verhaltensweisen, auch gegen den Willen und gegen unsere
Interessen.
Der Mensch ist daher weniger veränderbar als gemeinhin angenommen wird. Im
Erwachsenenalter sind bestimmte Persönlichkeitseigenschaften fest verankert und
kaum zu verändern. Auch Bedürfnisse und Neigungen sind sehr beständig.
Begabungen und Intelligenzfaktoren sind ebenso überaus stabil. Ideologische
Gesinnungen sind außerordentlich starr und widerstandsfähig.
Einstellungen zu bestimmten Dingen sind in Abhängigkeit von verschiedenen
Faktoren mehr oder weniger gut umzuwandeln. Werte und Überzeugungen sind
relativ stabile Einstellungen, die aber durchaus veränderbar sind. Bewertungen von
bestimmten Situationen und Gegebenheiten können mit der nötigen Einsicht und
Selbsterkenntnis sehr erfolgreich geändert werden. Wissen und Fertigkeiten können
beinahe das ganze Leben lang angeeignet werden.
Es ist sinnvoll, bei der Bestimmung und Realisierung von Zielen, bei der Lösung von
Problemen die Grenzen der Veränderbarkeit zu berücksichtigen. Man sollte daher
nicht versuchen, Eigenschaften zu verändern, die kaum oder nicht zu verändern sind
bzw. Eigenschaften zu entwickeln, die kaum oder nicht zu entwickeln sind. Es ist
günstiger, die grundlegenden Merkmale in das Leben mit einzubeziehen, anstatt
gegen die "Natur" anzukämpfen. Aus einem Introvertierten etwa, der eher
selbstbezogen und reserviert ist, wird wohl nie ein Extrovertierter, der kontaktfreudig
und gesellig ist, werden - und umgekehrt.
Verhaltenstherapeutische Gruppen, Soziale Kompetenz-, Selbstsicherheits- oder
Problemlösegruppen, können eine gute Möglichkeit sein, neue Verhaltensweisen
oder verloren gegangene Sicherheit spielerisch zu lernen und zu üben. Dies kann im
Einzelfall zu einer beträchtlichen Reduzierung von Belastungen wie soziale Isolation
oder Auseinandersetzungen mit der Familie/am Arbeitsplatz/in der Schule führen und
17
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
damit einen Schutz vor erneuter Überlastung, die schlimmstenfalls wieder einen
Rückfall auslösen kann, darstellen. In Rollenspielen, durch Hausaufgaben, durch
aktives Umstrukturieren altgewohnter Denkschemata wird versucht, positive
Veränderungen in Gang zu setzen.
Wie bei allen Therapieformen spielt die Wahl eines Verhaltenstherapeuten eine
entscheidende Rolle, wobei das Gefühl, zu diesem Menschen einen vertrauensvollen
Kontakt aufnehmen zu können, zentral ist.
Problemlöseprozess in der Beratung
Problem:
•
•
•
Unerwünschter Ist-Zustand
Gesuchter Soll-Zustand
Barriere, die die Transformation vom Ist-Zustand in den Soll-Zustand momentan
verhindert
Möglichkeiten der Entstehung:
•
•
•
Mangelnde Klarheit des Ist-Zustandes
Fehlen oder Nichterkennen der Transformationsmöglichkeiten
Mangelnde Klarheit des Soll-Zustandes
Prozessmodell mit 5 Phasen:
PROZESSMODELL MIT 5 PHASEN
PROBLEMSTELLUNG
PROBLEMANALYSE
ZIELANALYSE
MITTELANALYSE
ERPROBUNG UND BEWERTUNG VON
LÖSUNGSSCHRITTEN
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
1. Problemstellung
„Worum geht es überhaupt?“
Mehr oder weniger differenzierte Auswahl an Darstellungen eines Problems
z.B.:
Klient ist unzufrieden damit, dass...
Klient möchte erreichen, dass...
Achtung:
Einziges/Mehrere Probleme;
Keine voreilige Einengung
Annahmen über die Entstehung und Veränderbarkeit von Problemen
(Health-believe-Modell) erfragen
2. Problemanalyse
„Das Knäuel soll entwirrt werden!“
Auf den Ebenen von:
2.1 Ebene des Verhaltens in Situationen:
„Wie sieht das ganz konkret aus?“
Konkretes Verhalten in konkreten Situationen
2.2 Ebene der Regeln und Plänen:
„Jetzt vergrößert sich das Blickfeld!“
Welche Bedeutung haben Regeln und Pläne für die Problematik
Hilfreiche Fragen zum Erstellen einer Planstruktur:
• Welchen übergeordneten Zielen dient das Vh X?
• Lässt sich das konkrete Vh in verschiedenen Situationen auf einen
gemeinsamen Plan zurückführen?
• Welche Pläne stehen in Konflikt miteinander?
• Wie groß ist der Geltungsbereich eines Plans?
Probleme können entstehen durch mangelnde:
• Bewusstheit und Transparenz
• Rationalität
• Widerspruchsfreiheit
• Sinnvolle Ableitung
• Effizienz
• Verhaltenskompetenz
19
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
2.3 Ebene der Systemregeln:
„Welche Spielzüge sind vorgeschrieben?“
Vorschriften für das Zusammenleben innerhalb eines Systems
Bedingungen, die aus sozialen Systemen heraus resultieren
Beachte auch die Funktion, die die Symptomatik für den Bestand des Systems hat
Hilfreiche Fragen:
• Welche Regeln im System stabilisieren das Problem?
• Welchen Stellenwert hat das Problem für die einzelnen Mitglieder des
Systems?
• Welchen Schwellenwert gibt es für Veränderungen?
Probleme können entstehen durch mangelnde:
• Bewusstheit und Transparenz
• Rationalität
• Widerspruchsfreiheit
• Sinnvolle Ableitung
• Effizienz
• Verhaltenskompetenz
2.4 Genese:
„Ein Blick zurück“
Frage nach der Entstehung des Problems (Lerngeschichte Muster usw.)
Die Genese besteht aus:
• Biographische Daten
• Erstes Auftreten bzw. Beginn des Problems
• Weiterentwicklung
des
Problems(Verbesserung,
Verschlechterung,
Bewältigungsversuche, Bewertungen usw.)
3 Zielanalyse
„Auf den ersten Blick erscheint uns das Ziel oft klar...“
Differenzierung des angestrebten Soll-Zustandes und seiner Voraussetzungen
3.1 Veränderungsvoraussetzungen
„Was kann und will ein jeder einsetzen?“
Welche Vorteile bringt ein Problem?
Welche Lebensbereiche werden als zufrieden stellend erlebt und können daher als
Ressource genützt werden?
Welche Erwartungen bestehen hinsichtlich der Veränderungsmöglichkeiten, fähigkeiten und –resultate?
20
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
3.2 Zielbestimmung
„Was soll erreicht werden?“
Änderung des Verhaltens
Änderung der Ziele
Gegenseitige Annäherung von Ist- uns Soll-Zustandes
Ausstieg aus dem Problemrahmen und völlige Neuorientierung
Achtung:
• Ziele sollen vom Klienten initiierbar und aufrechterhaltbar sein
• Ziele sollen positiv formuliert werden
• Ziele sollen konkret und situationsspezifisch sein
4 Mittelanalyse
„Wege zum Ziel“
An welche Person wird der Veränderungsanspruch gerichtet
Ansatzpunkt der Veränderung:
• Ebene des Verhaltens in Situationen
• Ebene von Regeln und Plänen
• Ebene der Systemregeln
5 Erprobung und Bewertung der Lösungsschritte
„Probieren geht über studieren“
Umsetzung erleichtert sich durch genaue Festsetzung über:
Gelegenheit zur Ausführung (Ort, Zeit, Person)
Art der Ausführung (wie, wie lange, Umfang)
Erinnerungshilfen
Festhalten der Ergebnisse (Selbstbeobachtungsprotokolle)
21
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
Die systemtheoretische Betrachtungsweise in der
schulischen Beratung
Theoretische Grundlagen des systemischen Ansatzes in der
Beratungstätigkeit
1. Von einer individuumsorientierten zu einer systemorientierten
Betrachtungsweise
Seit kaum dreißig Jahren vollzieht sich im psychologisch-psychotherapeutischen
Praxisfeld ein Wandel zu Beratungs- und Therapieformen, denen gemeinsam ist,
dass sie individuelle Störungen unter dem Aspekt des an der Störung beteiligten
Systems (Familie, Schule etc.) betrachten.
Die systemische Sichtweise integriert drei historische Entwicklungsstufen in der
Beratungsarbeit, die jeweils einer personalen, interpersonalen und systemischen
Beobachtungsebene des Beraters entsprechen.
1. Die individuumorientierte Beratungsarbeit legt das Schwergewicht auf die
Beschreibung des individuellen Problemverhaltens. Entsprechend dem so
genannten „medizinischen Modell“ werden mittels psychodiagnostischen
Verfahren die pathologischen Eigenschaften gesucht, die der individuellen Störung
zugrunde liegen. Dem linear-kausalen Denken verhaftet, wird nach einem inneren
(organischen Defekt, etc.) oder einem äußeren Verursacher (Fehlverhalten der
Eltern, Lehrer, Mitschüler, etc.) gesucht. (siehe auch psychoanalytische Ansätze).
2. Die interpersonale Betrachtungsebene sieht das Individuum in der Interaktion mit
anderen Personen. Es werden die Zweierbeziehungen untersucht. Die Analyse
der Dyaden, ihrer Kommunikationsmuster und Beziehungsstrukturen gibt
Aufschluß, wie sich das Problemverhalten wechselseitig bedingt. (z.B.
verhaltenstheoretisches Modell)
3. Die systemische Betrachtungsebene sieht nicht nur das Individuum und die
dyadischen Interaktionen in ihrem Bezugssystem (siehe Stockwerksmodell von C.
Henning/U. Knödler, 1985), sondern betont, dass das System mehr ist als die
Summe seiner Bestandteile. Der Problemschüler ist diesem Verständnis nach kein
isoliertes Individuum sondern in ein System von sozialen Beziehungen
eingebettet, die sein Verhalten mitbestimmen. Er wird von seinem sozialen
Netzwerk beeinflusst und beeinflusst durch sein Verhalten die anderen Mitglieder
seines jeweiligen Bezugsystems (Familie, Schulklasse). Sein Verhalten ist bedingt
durch den wechselseitigen Austausch zwischen ihm und den anderen Personen.
Dies gilt auch für auffälliges und abnormes Verhalten. (C. Henning/U. Knödler, 1985)
22
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
2. Systemtheoretische Betrachtung menschlicher Kommunikation
Die Systemtheorie sieht den Menschen in einem System von sozialen Beziehungen
integriert, die auf ihn wirken und die er beeinflusst (vgl. Schlippe, 1984).
Im Rahmen einer solchen Konzeption verändert sich auch die Auffassung vom
Individuum. Dieses wird als Persönlichkeitssystem verstanden, das mit seiner
Umwelt in einer Wechselbeziehung, in einer Beziehung der gegenseitigen
Beeinflussung steht. Das Denken vollzieht sich hier in Begriffen von Interaktion,
Rückkoppelung und Kreisförmigkeit aller Kommunikation.
2.1. Was ist ein System?
Im allgemeinsten Sinne ist ein System „ein Aggregat von Objekten und Beziehungen
zwischen Objekten und ihren Merkmalen“ (Hall & Fagan 1956). Unter Objekten sind
die Bestandteile des Systems, unter Merkmale die Eigenschaften der Objekte zu
verstehen. Die Beziehungen gewährleisten dabei den Zusammenhang des Systems.
M. Selvini-Palazzoli (1976) präzisiert diese Definition im psychologischen Sinn indem
sie Systeme „als jene „gewordene“ Gruppen bezeichnet, die sich nach einer
gewissen Zeitspanne, die für ihre Entfaltung und die Entwicklung gemeinsamer Ziele
ausreicht, als funktionale Einheit konstituiert haben und von eigenen und einmaligen
Regeln gelenkt werden.“
Mit anderen Worten, dieser Typ der natürlichen Gruppe, ist ein gewordenes Aggregat
von Subjekten, ein Organismus mit eigenen Merkmalen, die sich nicht auf die
Merkmale der für sich betrachteten Teile reduzieren lassen. Dieses System (bzw.
diese Gruppe) hat eigene Regeln, die nur in seinem Inneren Geltung besitzen und es
lebt von den Interaktionen seiner Teile (Beziehungen), die als zirkulär betrachtet
werden. Systeme die mit „gewordenen Gruppen“ identisch sind, lassen sich als
„offene Systeme“ definieren, die ständig Beziehungen (d.h. fortwährender Austausch
und Rückkopplungen von Informationen) zu anderen Systemen unterhalten (M. SelviniPalazzoli, 1976).
Reimann (1968) definiert ein System noch allgemeiner: „Ein System (kann) als ein
Ganzes bestimmt werden, das aus einzelnen Elementen, die untereinander in
Wechselwirkung stehen, zusammengefügt ist. Die Beschaffenheit der Element, deren
spezifische Koordination (Systemstruktur) machen die Eigenart des Systems aus.
Das System besitzt eine Grenze zur Außenwelt (Innen- und Außenaspekt), mit der es
im übrigen in ständiger Wechselbeziehung (Austausch) steht. Die Bewahrung des
Gleichgewichtes zwischen Innen und Außen (Äquilibrium; Homöostase) dient der
Selbsterhaltung des Systems.“
2.2. Offene und geschlossene Systeme
In der Systemtheorie wird zwischen offenen und geschlossenen Systemen
unterschieden.
a) Offene Systeme: „...organische Systeme sind offen, was bedeutet, dass sie mit
ihrer Umwelt Stoffe, Energie oder Informationen austauschen.“
b) Geschlossene Systeme: „Ein System ist geschlossen, wenn kein Export oder
Import von Energie in irgendeiner Form (z.B. Information) stattfindet.“ (Hall & Fagan
1956,23)
Soziale Systeme werden als offene Systeme betrachtet, sie haben keine festen
Grenzen. Es sind die beständig sich wiederholenden Aktivitätszyklen beim Austausch
23
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
und bei der Transformation von Information (Energie), wodurch die wesentliche
Funktion jedes sozialen Systems beschrieben werden kann und wodurch es möglich
erscheint, verschiedene Systeme voneinander abzugrenzen.
Bezogen auf die Schule, handelt es sich hier in hohem Maße um ein offenes System.
Die Lehrer sind nur eine bestimmte Zeit des Tages im Kollegium zusammen und
investieren „Energie“ in Form von Arbeit in der Schule. Die Schüler befinden sich
nachmittags und abends in der Regel in ihren Familien und gehen vielfältigen
Freizeitaktivitäten nach.
2.3. Abgrenzung von Systemen, Hierarchie von Systemen
In komplexen Systemen existieren Elemente bzw. Einzelkomponenten, die wiederum
abgrenzbare organisierte Ganzheiten darstellen, die ebenfalls die formalen
Eigenschaften eines offenen Systems aufweisen. Sie werden als „Subsysteme“
innerhalb des jeweiligen übergeordneten „Suprasystems“ bezeichnet. Ob ein System
als Subsystem, System oder Suprasystem bezeichnet wird, hängt einzig und allein
von der jeweiligen Problemstellung oder Perspektive ab. Das was unter einem
engeren Blickwinkel als Gesamtsystem (z.B. Schule) oder Suprasystem betrachtet
wird, erscheint in einem weiter gefassten Systemzusammenhang lediglich als
Subsystem (z.B. Schule - Gesellschaft).
Abb.: Subsysteme innerhalb des Gesamtsystems Schule (C. Henning/U. Knödler, 1985)
24
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
2.4. Eigenschaften offener Systeme
2.4.1 Energieaustausch
Keine soziale Struktur ist selbstgenügsam und unabhängig von der Umwelt. Offene
Systeme nehmen in irgendeiner Form aus der äußeren Umgebung Energie (z.B.
Information) auf.
Aus systemischer Sicht investieren Lehrer und Schüler in der Schule ihre Arbeitskraft
(„Energie“) mit dem Ziel, durch das Angebot (Lehrer) und die Aufnahme (Schüler)
von Informationen, Veränderungen in den kognitiven, emotionalen und
verhaltensbezogenen Strukturen der Schüler zu erzielen.
2.4.2 Ganzheit
Systeme sind Ganzheiten. Jeder Teil eines Systems ist mit den anderen Teilen so
verbunden, dass die Änderung eines Teiles im System eine Änderung in allen
anderen Teilen und damit im gesamten System nach sich zieht. Das heißt, ein
System bzw. eine Gruppe ist mehr als die Summe seiner Teile bzw. ihrer Subjekte.
2.4.3 Zielorientierung (Äquifinalität)
Lebende Systeme verhalten sich zielorientiert. Das Verfolgen eines Zweckes bzw.
die Orientierung auf ein Ziel ist kennzeichnend für menschliches Verhalten. Systeme
bestimmen ihr Verhalten und verändern ihren Zustand in Bezug auf ihre Umwelt stets
in Richtung auf ein Ziel. Als Ziel kann dabei jeder beliebige Zustand des Systems
(oder eines bzw. mehrerer Teile des Systems) unter Berücksichtigung der auf das
System von außen oder innen wirkender Ereignisse bezeichnet werden (z.B.
Erziehungsziele der Landesverfassung, Leistungsversagen eines Schülers).
2.4.4 Kreisförmigkeit der Interaktion und Rückkoppelung
Jedes System führt auf dem Weg zu seinem Ziel selbstregulierende Prozesse durch.
Die Interaktion in Systemen wird durch das Prinzip der Kreisförmigkeit bzw. der
Rückkoppelung bestimmt. Soziale Strukturen entstehen durch Ereignisse oder
Verhaltensformen, die durch Rückkoppelungsprozesse miteinander verbunden sind.
„ Das Verhalten jedes einzelnen wirkt auf Verhaltensweisen der anderen Personen
ein und wird selbst wiederum auch von Handlungen aller anderen bedingt. Das
Individuum bzw. der Schüler ist also nicht aus sich allein heraus in seinen
Handlungen zu verstehen, sondern seine Reaktionen sind nur im Zusammenhang
mit Reaktionen der übrigen Handelnden (z.B. Eltern, Lehrer, Freunde, etc.) zu
begreifen.“ (Bastine & Jacoby 1977,129)
Es wird zwischen „positiven“ und „negativen“ Rückkoppelungen unterschieden.
Positive Rückkoppelung: Ist jener Prozess, bei dem Information dazu verwendet wird,
einen Systemzustand zu verändern. Das heißt, das System stellt sich auf ein
Problem ein und entwickelt Maßnahmen (Positive Rückkoppelung) zu seiner
Behebung (z.B. Verhaltensstörungen bei Schülern - Schülerberatung).
Negative Rückkoppelung: Ist jener Prozess, bei dem Information zur Verminderung
der Abweichung von einem bestimmten Sollwert verwendet wird. (z.B.
Zuspätkommen des Schülers wird durch Strafmaßnahmen unterbunden)
25
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
2.4.5 Homöostase - Veränderung
Jedes interaktive System zeichnet sich durch das gleichzeitige Vorhandensein zweier
Tendenzen aus, die für sein Überleben und seine Existenz von gleicher Wichtigkeit
sind:
a) Die Tendenz zur Beständigkeit = Homöostase
b) Die Tendenz zu Veränderung = Transformation
Watzlawick unterscheidet zwei Arten der Veränderung:
a) Veränderung, die sich im Inneren des Systems ergeben kann, das seinerseits
aber als System, das heißt in seiner globalen Organisation, unverändert bleibt
(Veränderung erster Ordnung)
b) Veränderung, die das ganze System insgesamt ergreift und transformiert
(Veränderung zweiter Ordnung)
Ein lebendes System verändert sich ständig und geht von einem Zustand zu einem
anderen über. Um überleben zu können müssen offene Systeme einem natürlichen
Zerfallsprozess entgegensteuern, dem nach der allgemeinen Systemtheorie jedes
System unterworfen ist. Um diesem Verfall (Zustand der Desorganisation)
entgegenzuwirken und den Übergang von einem Systemzustand in den anderen
gefahrlos vollziehen zu können, bedarf es eines systeminternen fließenden
Gleichgewichts, der „Homöostase“. Hierbei handelt es sich um einen Zustand des
Gleichgewichtes bzw. Beständigkeit, den jedes System anstrebt, den es jedoch nur
für kurze Zeit halten kann.
Soziale Systeme neigen zu einer quasi -stationären Homöostase. Entsprechen die
Anpassungsmaßnahmen (Tendenz der Veränderung) des Systems nicht der
Komplexität und der Qualität der zu bewältigenden Probleme, d.h. hat sich das
System auf ein zu niedriges „homöostatisches Plateau“ stabilisiert, dann kommt es
zu minderwertigen Lösungen, Fehlanpassungen des Systems oder zur Rigidisierung
verbunden
mit
(aktiver)
Informationsabwehr
(vgl.
Abwehrmechanismen,
Verleugnung, Widerstand, etc.).
2.4.6 Systemregeln
Der Begriff „Regeln“ bezeichnet die in einem System bestehende Struktur. Damit
sind jene Verhaltensformen gemeint, mit denen ein System den Fluss von
Gleichgewicht und Veränderung steuert und damit seine Homöostase aufrechterhält.
Regeln können sprachlich kodiert (explizit) oder nicht kodiert (implizit) sein. Weiters
können sie funktional (in Bezug auf das Anstreben bestimmter Ziele) oder
dysfunktional sein.
26
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
Systemregeln
kodiert
nicht kodiert
funktional
1.
2.
dysfunktional
3.
4.
Beispiele:
ad 1.: kodierte funktionale Regeln:
•
•
•
Sprich nicht, wenn der Lehrer mit einem anderen Schüler spricht! (Schüler-Schüler-Regel)
Sprich im Unterricht nicht ohne Erlaubnis, melde dich erst! (Schüler-Lehrer-Regel)
Bei der Stundenplangestaltung sind alle Lehrer gleich zu behandeln! (Lehrer-LehrerRegel)
ad 2.: nicht kodierte funktionale Regeln:
•
•
•
Bestimmte Sprachinhalte (z.B. Fluchen) sind verboten! (Lehrer-Schüler-Regel)
Über Kollegen wird an unserer Schule nicht geklatscht! (Lehrer-Lehrer-Regel)
Häufig ist es besser, über bestimmte Probleme nicht zu sprechen, weil die Probleme
dadurch größer werden! (Lehrer-Lehrer-Regel)
ad 3.: kodierte dysfunktionale Regeln:
•
•
•
Wer sich bei uns dumm anstellt, wird abgesägt! (Lehrer-Lehrer-Regel)
Pädagogische Konferenzen brauchen wir nicht, (Lehrer-Lehrer-Regel)
Wir wollen uns doch für das Wohl unserer Schüler einsetzen! (Lehrer-Schüler-Regel,
diese Regel ist dysfunktional, weil unpräzise)
ad 4.: nicht kodierte dysfunktionale Regeln:
•
•
•
Wer stärker ist, setzt sich durch! (Lehrer-Schüler-Regel)
Wenn der Direktor eine Konferenz leitet, werden wir ihm schon zeigen wer hier das Sagen
hat! (Lehrer-Schulleiter-Regel)
Über zwischenmenschliche Konflikte unter Lehrern sprechen wir nicht, denn wir haben
keine! - Und wer sich nicht an diese Regel hält, kriegt Ärger mit uns! (Lehrer-LehrerRegel)
Die kategoriale Zuordnung von Regeln kann nur im jeweiligen Handlungskontext und
in Bezug auf die darin enthaltenen Zielorientierungen erfolgen. Weiters sind die
Regeln häufig in hierarchischer Form gegliedert. Daher ist es wichtig zu fragen:
Welche Regeln steuern die Verhaltensformen innerhalb sozialer Systeme? Die nicht
kodierten Regeln sind den Systemmitgliedern in den meisten Fällen nicht bewusst.
Werden diese angesprochen tauchen meistens heftige Widersprüche auf, gelingt es
jedoch, sie in angemessener Weise bewusst zu machen, und stehen die
Systemmitglieder diesen spannungsvollen Prozess durch, ergeben sich häufig
überraschende und weit reichende Wirkungen.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Der Problemschüler im Schnittpunkt der Systeme
„Familie“ und „Schule“
Abb. (siehe Schlippe 1984, in C. Hennig/U. Knödler 1987, S 24)
Abb. Der Problemschüler in seinem sozialen Netzwerk (nach C. Hennig/U. Knödler 1987,25)
In der Beratung schulischer Probleme ist es analog zum familientherapeutischen
Vorgehen notwendig, zunächst das individuelle Problemverhalten zu betrachten, um
dann bei nicht ausreichendem Informationsgehalt, auf die nächst höhere
Beobachtungsebene zu gehen. Schließlich erhält das unerklärliche Problemverhalten
im erweiterten Kontext einen Sinn, der auf den verschiedenen Stockwerksstufen
ungleich mehr Interventionsmöglichkeiten zulässt.
28
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Stockwerksmodell
(nach C. Henning/U. Knödler 1985)
1. Stock (personale Ebene): Hier sehe ich das Kind als isoliertes Individuum und beschreibe
es mit Aussagen, wie "aggressiv", "dumm", "faul", "unkonzentriert" usw. Auf dieser Ebene
beschreibe ich also lediglich sein Verhalten, kann es mir aber nicht erklären "warum" das
Kind so ist.
2. Stock (interpersonale Ebene): Von hier aus sehe ich den Schüler in der Interaktion mit
anderen Personen. Hier wird die Zweierbeziehung untersucht, z.B. wie verhält sich das Kind
zum Vater, zur Mutter, zu Geschwistern, zur Großmutter, zum Lehrer usw. "Analysiere ich
diese Dyaden so erkenne ich, wie sich das Problemverhalten wechselseitig beeinflusst und
bedingt.
3. Stock (Systemebene): Hier sehe ich den Schüler in Beziehung zu all jenen Personen, mit
denen er seinen Alltag verbringt wie Eltern, Großeltern, Geschwister, Lehrer usw. Erst auf
dieser Ebene ist es dem Berater möglich, da er nun alle relevanten Bezugspersonen mit
einbeziehen kann, eine systemische Aussage über das Symptomverhalten des Kindes zu
machen und auch die Sinnhaftigkeit des Symptomverhaltens zu verstehen.
29
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Grundsätze systemischer Beratung
(nach Eve Lipchik)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Jeder Klient ist einzigartig.
Menschen streben nach Gefühlen der Sicherheit.
Klienten haben das Potential und die Kraft sich selber zu helfen.
Keine Situation ist nur negativ.
Berater können Klienten nicht ändern; Klienten können sich nur selber ändern.
Problem und Lösung müssen nicht zusammenhängen.
Man soll nicht Ursache und Wirkungen analysieren, sondern darüber
nachdenken, wie sich die Situation bessern könnte.
Wenn etwas gut funktioniert, mach mehr davon.
Wenn etwas nicht funktioniert, mach etwas anderes.
Da man die Vergangenheit nicht ändern kann, soll man sich auf die Zukunft
konzentrieren.
Änderungen finden im Leben ständig statt; ein kleiner Schritt kann zu großen
Veränderungen führen.
Veränderungen erfordern Geduld.
Phasen der systemischen Problemdefinition
(nach C. Henning/U. Knödler 1985 und Stampfer 2004)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Was ist jetzt das Problem ?
Reaktionsweisen der Betroffenen auf das Symptom.
Was wäre ohne das Symptom anders?
Was würde passieren, wenn die Symptomatik noch länger andauern würde?
Was wurde bisher gegen die Symptomatik unternommen.
Seit wann besteht das Symptom?
Erklärungsmuster der Betroffenen zur Symptomentstehung.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
31
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
Systemischer Ansatz in der schulischen Einzelfallberatung
(nach C. Henning/U. Knödler, 1985)
Die Regeln der Beziehung definieren, um einen Kontakt der Kooperation zu
schaffen, wie:
• seine eigene Beraterrolle genau definieren
• seine Kompetenzen klar erläutern
• die Zusammenarbeit als einziges Mittel für eine Problemlösung erbitten und
anbieten
• den Lehrer als gleichberechtigten Kooperationspartner mit in die Verantwortung
nehmen
Die positiven Bewertungen der bisherigen schulischen Bemühungen
• D.h. Einstellung und Verhaltensweisen, die zur Bewältigung des Problems
herangezogen wurden, werden vom Berater beachtet und anerkannt, um den
Lehrer bzw. Schulleiter in seinem Selbstwertgefühl zu bestärken und eine gute
Basis für die Zusammenarbeit zu schaffen.
Beachtung der Bedürfnisse der schulischen Arbeitswelt
• Neben der Anerkennung der subjektiven Wichtigkeit der vom Lehrer geleisteten
Arbeit, hat der Berater auch dem Bedürfnis des Lehrers nach Selbsttätigkeit und
Unabhängigkeit Rechnung zu tragen, d.h. ihn zu informieren und in
Entscheidungen, die mit der Schule in Zusammenhang stehen, einzubeziehen.
Ein überschaubarer Beobachtungs- und Interventionsbereich muss gegeben
sein
• Dazu meinen Hennig/Knödler: "Subsysteme eignen sich besser zur Kooperation
als größere Systeme. Je größer das System, das in die Beratung einbezogen
wird, desto mehr Faktoren müssen berücksichtigt werden." (1987, S 196)
Berücksichtigung der hierarchischen Ordnung im System Schule
• Damit die Beratung vom Lehrer nicht sabotiert wird, darf kein Verantwortlicher im
Kollegium - auch nicht der Schulleiter - übergangen werden.
Kommunikationsformen symmetrischer Art sollen vermieden werden
• D.h. symmetrische - rivalisierende Interaktionen mit Lehrern und Schulleitung
sollen unterlassen werden. Anstelle dessen soll der Berater auf eine
komplementäre Kommunikation zwischen sich und dem Kollegium wert legen,
indem er in seinem fachlichen Bereich die Verantwortung übernimmt und sie im
schulischen Bereich dem Lehrer bzw. dem Schulleiter überlässt.
Vermeidung von überdauernden Koalitionen des Beraters
• D.h. der Berater darf weder mit einem Teil des Kollegiums gegen einen anderen,
noch mit der Familie gegen den Lehrer bzw. umgekehrt ein dauerhaftes "Bündnis"
schließen.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
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Richtlinien für die schulische Beratungstätigkeit
Mögliche Ursachen:
•
•
•
•
•
Entwicklungskrisen
Verlust von Bezugspersonen
Veränderung sozialer Strukturen (Klassen- bzw. Schulwechsel, Nahtstellen:
Kindergarten → Volksschule, Volksschule → Sekundarstufe)
nichtadäquater Erziehungsstil (Familie, Schule) und/oder nichtadäquate
Unterrichtsmethoden
Über- bzw. Unterforderung (Familie, Schule)
Mögliche Maßnahmen
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
verstärkte Beachtung der Lehr- und Lernformen gemäß der entsprechenden
Lehrpläne
soziales Lernen
Förderung der persönlichen Sicherheit (Reduzierung konkurrenzfördernder
Arbeitsweisen, Gruppenarbeit, projektorientierter Unterricht usw.)
Gestaltung von Strukturen: Raum, Zeit, Rhythmus, Bewegung ...
Einbeziehung von Erziehungsberechtigten
keine Kumulation „schwieriger“ Schüler in einer Klasse
Anwendung des § 25 Abs. 6, 1. Satz SchOG (therapeutische und funktionelle
Übungen in Form von Kursen)
kollegiale
Beratung
und
Stützung,
Einbeziehung
von
Mediatoren
(Schulpsychologe, Beratungslehrer usw.)
begleitende Beratung und Behandlung
Schulpsychologie
Kinderpsychotherapie
Heilpädagogische Station usw.
Klassen- bzw. gegebenenfalls Lehrer- oder Schulwechsel
33
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
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Problemanalyse und schulische Interventionsstrategien
(Higer/Smoliner 2004)
PROBLEMANALYSE
Pädagogische
Interventionen
Administrative
Organisatorische
Interventionen
Beraterische
Interventionen
Therapeutische
Interventionen
Klassenvorstand
Klassenlehrer
Direktor
Klassenvorstand
LSI
Schülerberater
Vertrauenslehrer
Klassenvorstand
Schulpsychologie
Schulpsychologie
Psychotherapeuten
Methodik / Didaktik
Soziales Lernen
Päd. Konferenzen
Org. Maßnahmen
Verhandlungen
Beratungsgespräch
Mediation
Konfliktgespräch
Psych. Beratung
Supervision
Psychotherapie
34
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Leitfaden für schulische Beratung
(Higer/Smoliner 2004)
Schulproblem
tritt auf
Lehrer od. Eltern
informieren BB
Problemklärung
durch BB
Schulproblem als
Ausdruck eines
Familienproblems
Problem als Ausdruck
eines
Schulproblems
Ind. Problem
des Schülers
z.B. Lernprobleme etc.
Rollen- und Aufgabenklärung durch BB
Was kann ich selber lösen, was muss ich delegieren?
Elternberatung
Lehrerberatung,
Arbeiten mit
der Klasse
Schülerberatung
Helfersysteme:
Jugendamt, PPD,
Schulpsychologie
Helfersysteme:
Schulleiter, BSI,
Schulpsychologie
Helfersysteme:
Schulpsychologie,
Psychotherapeuten etc.
35
Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Konsequenzen für die Beratungstätigkeit
Das Vier-Felder-Modell der Klärungshilfe
Was tut der Schülerberater in all den schwierigen Gesprächen? Dem unbedachten
Zuschauer solcher Sitzungen begegnet eine verwirrende Vielfalt von
Verhaltensweisen und Interventionen des Beraters. Mal ist er mehr auf den einzelnen
konzentriert, ein anderes Mal mehr auf die Beziehungen, das System etc. Diese
Sichtweise legt eine Einteilung der Arbeitsschwerpunkte in vier Felder nahe:
Das Vier-Felder-Modell der Klärungshilfe
(nach Chr. Thomann, F. Schulz v. Thun, 1988).
Prozess
Struktur
Selbstklärung
Persönlichkeitsklärung
Kommunikationsklärung
Systemklärung
Individuum
System
Prozess: Darunter werden solche Vorgänge zusammengefasst, die sich punktuell ereignen,
sei es im „Hier und Jetzt“ oder in der Rückbetrachtung wichtiger Schlüsselszenen im
„Dort und Damals“.
Struktur: Damit sind die über Jahre hinweg "geronnenen" Prozesse gemeint, die sich als
Persönlichkeitscharakteristika und Interaktionsmuster verfestigt haben
ad 1.) Selbstklärung:
Betrifft den Prozess der einzelnen Klienten im "Hier und Jetzt" oder "Dort und Damals". Ziel ist es
den Kl. wieder in Kontakt mit sich selbst zu bringen, „Innere Stimmigkeit“ ist wichtig und oft treten
statt Worten starke Gefühle auf. Hilfe zur Selbstklärung ist Hilfe zur „Authentizität“. Und
Authentizität ist in nahen Beziehungen sowohl ein Ziel in sich selbst als auch eine Voraussetzung
für Beziehungsklärung.
ad 2.) Kommunikationsklärung:
Betrifft die Beziehung, das System in seinem dialogischen Hier und Jetzt. Hier stellt sich die
„Transportfrage“: Wie kann ich das, was ich für mich selbst mehr oder minder klar habe, auch
vermitteln? (z.B. Klient weiß genau, was in ihm vorgeht, hat aber Mühe, es "herauszubringen")
Ziel in diesem Quadranten ist die Förderung des Kontaktes und des zwischenmenschlichen
Dialoges
ad 3.) Persönlichkeitsklärung:
Betrifft die Aufhellung der Persönlichkeitsstruktur und individuellen Eigenschaften im
therapeutischen und beraterischen Kontext.(z.B. Was bin ich für einer, wie bin ich zu dem
geworden, etc.) Es geht um die Nachbearbeitung biographischer Schlüsselszenen. Ziel ist es den
Ausdruck der persönlichen Eigenarten des anderen über sich zu begreifen; es geht um regelhafte
wiederkehrende Muster einer gewordenen Persönlichkeit. Der Akzent liegt auf der Rollenklärung:
Wie definiere ich meine Rolle, was sehe ich als meine Aufgabe an, was nicht etc.?
ad 4.) Systemklärung:
Betrifft die Interaktionsstruktur, die sich mit der Zeit eingespielt und zur Regelhaftigkeit verfestigt
hat. (z.B. Teufelskreise). Ziel ist es hier eine solche regelhafte wiederkehrende
Interaktionsstruktur zu erahnen, herauszuarbeiten und sie in prägnanter Form zu präsentieren.
D.h. sich von alltäglichen Abläufen zu distanzieren und diese gleichsam vom „Feldherrnhügel“
aus zu betrachten.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
5. LITERATUR:
Bachmeier et. all.: Beraten will gelernt sein, Psychologie Verlags Union, 1989.
Dreisörner Th.: Handout zum Seminar: Interventionsmöglichkeiten bei ausgewählten Lernund Verhaltensstörungen im Kindes- und Jugendalter, 2004.
Döpfner/Schürmann/Fröhlich: THOP - Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem
und oppositionellem Problemverhalten. Beltz 1997.
Th. Fleischer: Zur Verbesserung der Sozialen Kompetenz von Lehrern und Schulleitern,
Schneider Verlag 1990.
Havers, N.: Erziehungsschwierigkeiten in der Schule. Klassifikation, Häufigkeit, Ursachen
und pädagogisch-therapeutische Maßnahmen. Weinheim 1978.
Holowenko H.: Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, 1999.
Henning C. / Knödel U.: Problemschüler – Problemfamilie. Beltz, Basel 1985.
Hillenbrand, C.: Einführung in die Verhaltensgestörtenpädagogik. München 1999.
Kuhlemann I.: Jungenarbeit an der Jungenschule?! Hausarbeit. Oldenburg 2001.
Linden, M. & Hautzinger, M. (Hrsg.). 2000: Verhaltenstherapiemanual. Techniken,
Einzelverfahren und Behandlungsanleitungen. Berlin: Springer.
Myschker, N.: Kinder und Jugendliche mit Verhaltensstörungen. Stuttgart 1993.
Mitschke, R.: „Sich auseinander setzen, miteinander reden“, Veritas 2000.
Ortner A. /Ortner R.: Verhaltens- und Lernschwierigkeiten. Beltz 1991
M. Selvini-Palazzoli et all.: Der entzauberte Magier, Klett-Cotta 1978.
M. Steiner: Der Betreuungslehrer im Spannungsfeld Lehrerkollegium-ProblemschülerProblemfamilie, Hausarbeit 1995
Steinhausen, H.-C.: Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Lehrbuch der
Kinder- und Jugendpsychiatrie. München 1996.
Ch. Thomann/ F. Schulz von Thun: Klärungshilfe, rororo 1988
Linkliste:
www.beratung-therapie.de/therapie/therapiemethoden
www.psychiatrie.de/therapie/verhalt.htm
www.stangl-taller.at / ARBEITSBLAETTER / LERNEN / Verhaltenstherapie.shtml
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
6. ANHANG
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
SCHÜLERHANDLUNGEN AUS LEHRERSICHT
unter dem Aspekt von Normabweichung
Bezeichnung der Handlung
0
1
2
3
4
Mittelwert
1. Im Unter. umherlaufen; d. Platz wechseln
2. Schwindeln bei Schularbeiten
3. Anweisungen des Lehrers ignorieren
4. Mitschüler auslachen, ärgern, verspotten
5. Unterschrift fälschen
6. Herausrufen, anderen ins Wort fallen
7. Schulschwänzen
8. Räume, Einrichtung, Lehrmittel beschmutzen
9. Rauchen in der Öffentlichkeit
10. Abschreiben der HÜ
11. Schwätzen im Unterricht
12. Raufen mit Mitschülern
13. Belügen des Lehrers
14. Im Unterricht essen, Briefe schreiben, lesen,
Make-up machen
15. Lärmen (schreien, lachen, klopfen, u.ä.)
16. Diebstahl
17. Lehrer verbal provozieren, sie beleidigen, ihnen
widersprechen
18. Wehrlose Mitschüler tätlich angreifen,
verprügeln
19. Seine Hü nicht machen
20. Lässig, provozierendes Verhalten
(Kaugummi kauen, mit dem Stuhl reiten, u.ä.)
21. Eigentum von Mitschülern beschädigen
22. Durch Stinkbomben, Kracher u.ä. stören
23. Ungepflegtes Äußeres
24. Konsum von Alkohol und Drogen
25. Unpünktlich und schlampig in Schuldingen
26. Küssen in der Öffentlichkeit
27. Beschädig/Zerstör. v. Einrichtung/Lehrmittel
28. Unfug (Sachen werfen, verstecken, nass
machen etc)
29. Oberängstlichkeit
30. Andere Schüler anstiften zu Unerlaubtem
© Mathes Reinhard
0=nicht abweichend, 1=leicht abweichend, 2=deutlich abweichend, 3=stark abweichend,
4=sehr stark abweichend
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Einführung in die Verhaltenspsychologie
Pädagogische Hinweise für Lehrer
(Zusammengestellt von Mag. Ingrid Egger-Agbonlahor, Schulpsychologische Beratungsstelle WienUmgebung in Anlehnung an einen Artikel der schulpsychologischen Beratungsstelle Velbert, D.)
In der Schule ist hilfreich, wenn viel mit Veranschaulichungen gearbeitet wird.
Systematik, strukturierter Unterrichtsaufbau und einübendes Wiederholen helfen.
Hiervon ausgehend kann der Lehrer dann behutsam zunehmend Freiräume zum
selbstbestimmenden Lernen schaffen.
• Ein fester Sitzplatz in der Klasse, an den sich das Kind gewöhnen kann und der
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ihm vertraut ist, ist wichtig. Ein eher ruhiges Kind neben einem hyperaktiven
bietet ein positives Modell. Auch ein Platz für sich allein ist hilfreich. Ein Platz an
einem Gruppentisch hingegen ist ungünstig, wie auch ein Platz am Fenster. Der
Sitzplatz sollte auch möglichst in der Klassenzimmerecke sein, in der der Lehrer
häufig präsent sein kann, damit er den Schüler im Blickfeld hat und ihn mit
kurzen und nonverbalen Korrekturen im Geschehen halten kann.
Ein Ansprechen des Schülers mit häufigem Blickkontakt oder direktes Berühren
erleichtert es ihm, seine Aufmerksamkeit auf den Lehrer zu richten.
Anweisungen müssen in klaren, einfachen Worten gegeben werden und nicht
durch immer wieder andersartige Erklärungsansätze, die verwirren.
Hinweise für Übergänge im Unterricht müssen klar und deutlich sein: „Lesen ist
jetzt zu Ende. Bitte das Buch vom Tisch. Wir brauchen jetzt nur das
Sprachheft.“
Auf dem Tisch des Schülers darf nichts liegen, was er für die momentane
Aufgabenerledigung nicht braucht bzw. was ihn ablenken könnte.
Eine Arbeitsphase kann erst erfolgen, wenn Ruhe in der Klasse herrscht.
Gestellte Aufgaben müssen kontrolliert werden (auch Hausaufgaben!).
Der hyperaktive Schüler braucht häufige Rückmeldungen (verbal oder
nonverbal) für das, was er tut.
Anstelle von Ermahnungen und Bloßstellungen vor der Klasse sollten häufiger
nonverbale Verhaltenskorrekturen erfolgen, wie wortloses Wegnehmen eines
Gegenstandes, mit dem der Schüler gerade abgelenkt ist, Drehen des Kopfes
in die „richtige Richtung“, Zeigen mit dem Finger auf einen Punkt im Heft, wo
der Schüler weiterarbeiten soll.
Während einer Arbeitsphase sollte der Schüler nicht die Erlaubnis bekommen,
sich vom Platz zu entfernen.
Mit der ganzen Klasse vereinbarte Signale und Zeichen helfen allen, sich daran
zu erinnern, was auf dieses Signal oder Zeichen hin erfolgen soll und was bei
Nichteinhaltung erfolgen wird.
Hausaufgaben dürfen nicht erst dann gestellt werden, wenn in der Klasse schon
allgemeine Aufbruchstimmung herrscht, denn gerade in solchen komplexen
Reizsituationen fällt es dem Hyperaktiven schwer, das für ihn Wichtige
herauszufiltern und zu behalten. Es kann auch hilfreich sein, dem Wunsch der
Eltern nachzukommen, nachzuschauen, ob der Schüler seine Hausaufgaben
auch notiert hat.
ADHS-Kinder sind im mündlichen Unterricht oft deutlich besser, als im
Schriftlichen. Uneingeschränktes Lob motiviert; Aussagen, wie „Wenn du im
Schriftlichen nur annähernd so gut wärst wie im Mündlichen“, demotivieren.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
• Wenn möglich, ist es immer sinnvoll, kleine Aufträge zu erteilen (etwas aus dem
Sekretariat holen, Tafel abwischen...).
• Im Sportunterricht sind Gruppenaktivitäten ungünstig: In der Menge schaukelt
sich der hyperaktive Schüler schnell auf und wird unbremsbar. „Helferjobs“, wie
Matten holen, sind günstig.
• Der hyperaktive Schüler braucht das Gefühl, emotional angenommen zu sein
ebenso wie eine liebevolle aber auch deutliche, konsequente, und
aufmerksamkeitslenkende Führung. Je klarer, einschätzbarer, sachlicher und
freundlicher (und wenn möglich, auch humorvoller) der Umgang mit dem
Schüler ist, desto sicherer fühlt er sich und desto eher wird der Lehrer zum
„Superreiz“ und der Schüler erfährt einen Motivationszuwachs. Bei allen
Maßnahmen soll das Selbstvertrauen und die Sicherheit der Kinder wieder
entdeckt und gestärkt werden. Durch positive Erfahrungen kann das Kind
lernen, Misserfolge zu verkraften und Konkurrenz zu akzeptieren. Wenn das
Selbstvertrauen wächst, kommen Fähigkeiten zu Tage, die bislang durch
Misserfolge überdeckt wurden.
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Akademielehrgang SB/AHS - Modul 3
Einführung in die Verhaltenspsychologie
Pädagogische Hinweise und Hilfen für Eltern und Schule
(aus Henryk Holowenko: Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, 1999)
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Eltern müssen den Stundenplan, von dem sie eine Kopie bekommen sollten,
kennen, ebenso wie sie über den täglichen Schulablauf Bescheid wissen
sollten und über die Erwartungen, die an ihr Kind gestellt werden. Auf diese
Weise können sie dem Kind beim Organisieren seiner Schularbeit in und
außerhalb der Schule helfen.
Die Kommunikation wird durch den Gebrauch eines Notizbuches, in das Eltern
und Schule wechselseitig Eintragungen vornehmen, erleichtert, wobei keine
Notizen vorgenommen werden sollten, die sich auf Sachverhalte beziehen, die
dem Kind ein negatives Selbstbild vermitteln.
Die Eltern ermutigen, es so einzurichten, dass sie dem Kind helfen, seine
Schultasche jeden Abend für den nächsten Morgen zu packen und auf
Vollständigkeit hin zu prüfen.
Die Kommunikation mit den Eltern muss wirksam sein. Effektive und positive
Strategien kann man teilen.
Die Verhaltenssteuerung von Seiten der Schule sollte auf festen Prinzipien
beruhen, die als kontinuierlich und konsequent empfunden werden.
Für kleinere Kinder muss die Übergabe bei Schulanfang und Schulschluss klar
geregelt sein.
Tägliche Nachfragen zum Verhalten des Kindes von Seiten der Eltern oder
Lehrer sind nicht besonders hilfreich. Solch ein Austausch könnte einmal in
der Woche oder sogar alle vierzehn Tage stattfinden. Dabei sollte man sich
auf Positives und erbrachte Leistungen konzentrieren.
Auf Schulausflügen oder bei Besichtigung ist zusätzliche Beaufsichtigung
möglicherweise angebracht.
Die Eltern eine Hausarbeit abzeichnen lassen, wenn für die Aufgaben eine im
Voraus festgelegte Zeit aufgewendet wurde.
Die Partnerschaft zwischen Lehrer und Eltern betonen. Jede Unterstützung ist
am wirksamsten, wenn sie gegenseitig erfolgt.
Die Eltern bei der Festlegung von Zielen für ihr Kind beteiligen.
Sicherstellen, dass zwischen allen, die mit dem Kind arbeiten, eine
Verbindung besteht, und dafür sorgen, dass die Ziele angemessen und
realistisch sind.
Die Ziele einer regelmäßigen Überprüfung unterziehen.
Erfolge feiern.
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