Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaftsleiter Geographie und Wirtschaftskunde an AHS http://gw.eduhi.at/bundesarge BEITRÄGE ZUR BILDUNGSPOLITIK aus der Sicht von Praktikern und Praktikerinnen Lösungsvorschläge für aktuelle bildungspolitische Herausforderungen Die Bundeskonferenz der Geographie- und Wirtschaftskundelehrer/innen an AHS, die Raiffeisenakademie sowie die Bildungsreferenten von Raiffeisen kooperieren seit mehr als 30 Jahren in Fragen der Bildung, Schule und Wirtschaft. Als Praktiker/innen in der Schule sowie in der Aus- und Weiterbildung stehen wir in der Verantwortung, einen Beitrag zur Bildungs- und Schuldiskussion zu leisten. Diese Beiträge zur Bildungspolitik entstanden aus einer Kooperation der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaftsleiter/innen Geographie und Wirtschaftskunde an AHS mit der Raiffeisenakademie. Aspekte einer Bildungs- und Schulreform 1. Herausforderung "Leben in der Schule" Individualisierung und Entsolidarisierung Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten (Unruhe, Konzentrationsmängel, Gewalt…) bei Schülern/Schülerinnen Schule muss schüler/innengerecht, lehrer/innengerecht und praxisgerecht sein Notwendige Veränderungen Arbeits- und Erholungsphasen eines Schultages neu planen, um den arbeitspsychologischen (Arbeitsstunden, Pausen…) Erkenntnissen Rechnung zu tragen. In 50-Minuten-Einheiten kann man keinen zeitgemäßen Unterricht machen. Zusätzliches Personal, um die durch die neuen gesellschaftlichen Bedingungen hervorgerufenen kommunikativen und sozialen Defizite der Schüler/innen aufzufangen und die Sozialkompetenz zu fördern. Einerseits Aufwertung der Tätigkeit des Klassenvorstandes / der Klassenvorständin, andererseits stärkere Trennung von Lehr-/Lernbetrieb und Sozialbetrieb: Ergänzung des Schulpersonals durch schulinterne professionelle Sozialberater/innen, Psychologen/Psychologinnen und Verhaltenstrainer/innen. Bauliche Maßnahmen an den Schulgebäuden mit dem Ziel, eine stimulierende Atmosphäre für Arbeit und Lernen zu schaffen (ausreichend Raum und besser ausgestattete Arbeitsplätze für Schüler/innen und Lehrer/innen, um individuell und in Kleingruppen arbeiten zu können…). 2. Herausforderung "Kernaufgaben der Schule" Rückbesinnung der Schule auf ihre zentralen Aufgaben: Schwerpunkt muss wieder stärker die Förderung und Vermittlung von grundlegenden sozialen und geistigen Fähigkeiten und Kompetenzen (Kulturtechniken) sein. Notwendige Veränderungen Schlanke Lehrpläne, welche ausschließlich zentrale Bildungsaufgaben und Lernziele festschreiben Vorrang des Erwerbes von Grundkompetenzen vor spektakulären, nur auf Außenwirkung abzielenden Aktivitäten und Projekten Ermöglichung von Muße, Zeit, Ruhe und Konzentration als wesentliche Voraussetzung aller Bildungsprozesse Schwächere Schüler/innen unterstützen und Talente fördern (leistungsorientierte Differenzierung) Bedarfsorientierte Werteinheitenzuteilung, um den Wettbewerb um Schüler/innen zu minimieren Bekenntnis zu Leistung, um später privat und beruflich bestehen zu können 3. Herausforderung "Ausbildung der Lehrer/innen" Die Ausbildung der Lehrer/innen muss den aktuellen Praxiserfordernissen angepasst werden. Notwendige Veränderungen Realitätsnahe Ausbildung ohne Vernachlässigung der Wissenschaftlichkeit Stärkere Mitverwendung erfahrener Praktiker in der Lehrer/innenausbildung an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen (neue Dienstmodelle) Intensive Vernetzung von Fachwissenschaft, Didaktik und Praxis (Angesichts der zusätzlichen Ausbildungseinheiten muss aber überlegt werden, wie die Lerninhalte an den Universitäten / Fachhochschulen gestrafft werden können, damit ein Lehramtsstudium, derzeit bestehend aus zwei Fächern und Pädagogik, nicht zu einem Mammutstudium von fünf Fächern zu explodieren droht.) Auswahlverfahren und Eignungsüberprüfung für den Lehrberuf (am Beginn der Ausbildung, begleitend während der Ausbildung, zum Zeitpunkt der Anstellung) Verpflichtende Betriebspraktika für Lehramtskandidaten / Lehramtskandidatinnen für Geographie und Wirtschaftskunde während ihrer Ausbildung unter wissenschaftlicher und fachdidaktischer Begleitung im Rahmen von Lehrveranstaltungen 4. Herausforderung "Fort- und Weiterbildung der Lehrer/innen" Die Fort- und Weiterbildung der Lehrer/innen muss den praktischen Erfordernissen angepasst werden. Notwendige Veränderungen Erhebung, Förderung und Stärkung des Bildungsbedarfs der Praktiker/innen auf regionaler Ebene Umsetzung des Bildungsbedarfs mit entsprechender Wertschätzung und Honorierung (Gehaltsschema, neue Laufbahnmodelle…) Professionalisierung der Lehrer/innen durch Weiterbildung auf Basis des neuesten wissenschaftsbasierten und praxisorientierten Standes Recht auf Weiterbildung und Pflicht zur Weiterbildung Errichtung von Fachdidaktikzentren für alle Schulfächer (Die Lehrer/innenbildung soll in diesen Zentren inhaltlich wesentlich auch von Erfahrungen der Praxis beeinflusst und von erfahrenen Praktikern/Praktikerinnen mitgestaltet werden.) Qualifiziertes Fortbildungsangebot für alle Schulstufen der AHS durch die von der Fachkollegenschaft gewählten Vertreter/innen aus der Praxis (Arbeitsgemeinschaften) Verpflichtende Praxis für Lehrer/innen in Betrieben Effiziente Vernetzung von Fachwissenschaft, Didaktik und Praxis 5. Herausforderung "Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung" Es gibt derzeit zu unterschiedliche Anforderungen und Leistungen für gleiche Berechtigungen. Leistungsunterschiede zwischen einzelnen Regionen, Schulstandorten und innerhalb gleicher Schulen (Ergebnisse der Zukunftskommission) müssen minimiert werden. Notwendige Veränderungen Besondere Beachtung der Führungskompetenz bei Leiter/innenbestellung Ausstattung der Schulleitungen mit umfassender Personalkompetenz Schaffung breiterer Führungsstrukturen Verpflichtender Nachweis von Fort- und Weiterbildungen für Lehrer/innen Leistungsorientiertes Gehaltsschema für Lehrer/innen Leistungsorientierte Differenzierung im Unterricht Verpflichtung zur Abfassung einer FBA oder einer ähnlich praktischen und wissenschaftsorientierten Arbeit Einheitliche Standards in allen Fächern (Mindeststandards in den Grundkompetenzen) Vergleichbare Abschlussprüfungen 6. Herausforderung "Wirtschaft – Schule – Geographie und Wirtschaftskunde“ Wirtschaft und Schule sind Partner. Es dürfen keine Abhängigkeiten der Schule von den Interessen der Wirtschaft entstehen. Wesentliche Bildungs- und Lehraufgabe des Faches Geographie und Wirtschaftskunde ist es, Natur – Raum – Gesellschaft – Wirtschaft – Umwelt – Politik als wesentliche Daseinsfaktoren zu verbinden. Ein zentrales Merkmal von Geographie und Wirtschaftskunde ist daher der integrative, vernetzende, fächerübergreifende Charakter. Im Mittelpunkt von Geographie und Wirtschaftskunde steht der handelnde Mensch als Gestalter einer nachhaltigen Wirtschaft, intakten Umwelt und einer menschenwürdigen Gesellschaft. Soziale, ökonomische und ökologische Themenbereiche werden aus lokaler, regionaler und globaler Sicht vernetzt. Ein wichtiges Ziel des Faches ist die Verknüpfung von Wirtschaftswissen mit Gesellschaft, Umwelt und Politik. Geographie und Wirtschaftskunde versteht sich daher inhaltlich nicht als eindimensionales Fach, sondern als eine Hilfe für Schüler/innen, ein umfassendes Bild von der Welt zu bekommen, um die Herausforderungen im täglichen Leben aktiv handelnd bewältigen zu können. Dieses Fach vermittelt somit unverzichtbare persönliche und allgemeine Schlüsselqualifikationen. Notwendige Veränderungen Enge Kooperation Schule – Wirtschaft, z. B. in Form gemeinsamer Projekte unter Einschluss der Lehrer Vermittlung von praxisnahen Einblicken in Wirtschaft, Arbeits- und Berufswelt im Unterricht durch Experten und Expertinnen der Wirtschaft (Diese Kooperation ist – im Gegensatz zu den bisherigen Gepflogenheiten – zu institutionalisieren.) Bereitstellung weiterer finanzieller Ressourcen für Zusatzangebote zum Wirtschaftskundeunterricht (Unternehmerführerschein, Junior-Projekt, Börsenspiel…) Wien, im September 2007 Dr. Karl Paulhart (Raiffeisenakademie) Prof. Mag. Alois Pötz (Bundeskonferenz der ARGE-Leiter/innen Geographie und Wirtschaftskunde an AHS)