Der Geist der Volkskammer - Staats

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Der Geist der Volkskammer
(Die Welt v. 30.03. 2016
Gastkommentar)
Von Alexander Gauland
Nein, lieber Jacques Schuster, Staatsverächter sind wir nicht. Im Gegenteil: Wir geben dem
Staat seine demokratische Legitimation zurück, die von den Konsensparteien des "Es gibt
keine Alternative" seit Jahren ausgehöhlt wird. Sie haben recht, an Edmund Burke und seinen
berühmten Brief an die Wähler von Bristol aus dem Jahre 1774 zu erinnern, in dem Burke
sich dazu bekennt kein Vertreter von Bristol zu sein, sondern als Mitglied des Parlaments ein
Vertreter des ganzen Volkes. Aber er war eben auch Mitglied in einem Parlament, das
Regierung und Opposition kannte, und das trotz Wahlrechtsbeschränkung die politischen
Leidenschaften des Volkes abbildete, in dem Tories und Whigs grundverschiedene politische
und gesellschaftliche Ansichten repräsentierten. Damit war dieses unreformierte Parlament
demokratischer als der Bundestag, der in der gegenwärtigen Krise nur eine Richtung kennt:
refugees welcome. Schlimmer noch, der Bundestag hat über diese Politik nie abgestimmt,
obwohl bei Umfragen bis zur Hälfte der Menschen und mehr in Deutschland diese Politik
nicht wollen.
Edmund Burke konnte davon ausgehen, dass seine Haltung im Parlament etwas bewegte, die
AfD muss leider davon ausgehen, dass parlamentarische Arbeit nichts bewegt. Burke konnte
sich durch das Parlament an das Volk wenden, wir müssen über die Köpfe der gegnerischen
Parlamentarier hinweg direkt an das Volk appellieren, um Druck aufzubauen und
Veränderungen zu erreichen. Bei aller Gegensätzlichkeit von Tories und Whigs gab es im
unreformierten englischen Parlament des späten 18. wie frühen 19. Jahrhunderts auch
politische Gemeinsamkeiten, die crossover-Abstimmungen möglich machten.
Die AfD wird von allen ausgegrenzt. Ihre Anträge werden nicht diskutiert, sondern im
Brandenburger Landtag von einem Redner einer Partei für alle anderen verworfen. Besonders
pikant ist das, wenn sich die CDU dabei von der Linken vertreten lässt. Burke konnte
Parlamentsmitglieder anderer Parteien kraft seiner Rhetorik umstimmen. Die AfD-Vorschläge
werden auch dann abgelehnt, wenn sie Positionen anderer Fraktionen aufnehmen oder
unumstritten sind. Der Parlamentarismus, wie er zurzeit praktiziert wird, ist kein
Transmissionsriemen gesellschaftlicher Veränderungen mehr. Er zementiert allein die Macht
der Herrschenden. Schon deshalb müssen wir an das Volk appellieren. Das ist keine
Pflichtvergessenheit, sondern die innere Notwendigkeit eines ungleichen Kampfes. Längst
haben sich politische und mediale Eliten in diesem Land verselbständigt, wird in den
Parlamenten entschieden, was sie für richtig und alternativlos halten. Es mag kein Volk
außerhalb der Verfassung geben, aber es gibt ein Volk außerhalb der politischen
Entscheidungsmechanismen des delegitimierten Parlamentarismus, dessen Stimme wir sind.
In Brandenburg hat die AfD kürzlich die Zerstörung eines bedeutenden, ja nach Ansicht der
Archäologen einmaligen Bodendenkmals durch ein unsinniges Wasserrückhaltebecken zu
verhindern versucht. Das Thema hatte nichts mit Flüchtlingen und nichts mit irgendeiner
Ideologie zu tun. Die Menschen vor Ort waren und sind auf unserer Seite. Im Parlament
wurde das Anliegen durch alle anderen Parteien geschlossen verworfen. Nicht die Sache war
entscheidend, sondern allein der Antragsteller. Solange ein solches Verhalten Teil der
täglichen Ausgrenzungsstrategie der Altparteien ist, ist der Parlamentarismus disfunktional.
Für die AfD besteht die Notwendigkeit, einen außerparlamentarischen Resonanzboden für
ihre politischen Positionen zu suchen. Nicht wir sind die Halunken im Staatssold, sondern
diejenigen, die den demokratischen Meinungskampf verhindern wollen. Die AfD würde gern
zu Burke zurückkehren. Das setzt voraus, dass sich die Parteien vom Geist der Volkskammer
lösen.
Alexander Gauland ist stellvertretender Sprecher der AfD und Fraktionschef der AfD in
Brandenburg.
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