ein Pulsar-schwergewicht bestätigt einstein

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Der massereiche Pulsar PSR J0348+0432,
der nach Art eines kosmischen Leuchtturms
stark gebündelte Radiostrahlung in zwei
entgegengesetzte Richtungen aussendet,
bildet mit einem Weißen Zwerg ein
Doppelsternsystem. Die starke Krümmung
der Raumzeit durch den kompakten Pulsar
ist in dieser Illustration schematisch als
Science / John Antoniadis (MPIfR)
grünes Koordinatensystem dargestellt.
Animation des Doppelsystems
aus Pulsar und Weißem Zwerg
www.eso.org/public/germany/
videos/eso1319a/
Ein Pulsar-Schwergewicht bestätigt Einstein
Es ist ein ungewöhnliches Doppelsternsystem: Ein massereicher Pulsar und ein Weißer
Zwerg umkreisen einander in nur 2,5 Stunden. Das System sendet Gravitationswellen
aus – und ist dadurch ein Modellfall für einen Test der allgemeinen Relativitätstheorie
unter extremen Bedingungen.
S
chon in den 1930er Jahren spekulierten
Mittlerweile sind rund 2000 Radio­
Alle bisher entdeckten Pulsare in Dop­
Astrophysiker über kompakte Sterne,
pulsare bekannt. Etwa ein Zehntel von
pelsystemen haben aber eine entschei­
die fast nur aus Neutronen bestehen und
ihnen sind keine Einzelobjekte, sondern
dende Limitierung: Sie haben entweder
etwa die Masse der Sonne in einer Kugel
befinden sich mit einem anderen Stern
eine relativ kleine Masse von etwa 1,4 Son­
von nur 20 Kilometer Durchmesser verei­
in einem Doppelsystem. Solche Doppel­
nenmassen, oder sie sind Mitglied von
nen. Dass es solche Neutronensterne gibt,
sternpulsare haben inzwischen einen
Doppelsternsystemen, die für Präzisions­
zeigte sich 1967, als die Radioastronomen
ausgezeichneten Ruf, was Präzisionstests
tests der ART ungeeignet sind. Die Frage,
Jocelyn Bell und Antony Hewish ein erstes
zur allgemeinen Relativitätstheorie (ART)
ob auch die massereichsten bekannten
Exemplar in Form eines Radiopulsars ent­
anbelangt. Berühmt wurde der Hulse-Tay­
Neutronensterne – mit ihrer extremen
deckten (wofür Antony Hewish 1974 den
lor-Pulsar, mit dessen Hilfe der erste, wenn
Materiekonzentration in einem besonders
Physik-Nobelpreis erhielt).
auch indirekte Nachweis von Gravitati­
tiefen Gravitationspotenzial – sich gemäß
Radiopulsare sind rotierende Neutro­
onswellen gelang. (Die Entdecker Russell
der ART verhalten, konnte daher bisher
nensterne, die entlang ihrer Magnetpole
Hulse und Joseph Taylor erhielten dafür
nicht beantwortet werden.
gebündelte
1993 den Physik-Nobelpreis.)
Radiostrahlung
aussenden
Unter Einsatz einer ganzen Reihe an
und so im Raum orientiert sind, dass der
Im Jahr 2003 wurde dann ein Doppel­
optischen und Radioteleskopen ist es nun
Strahlungskegel in regelmäßigen Abstän­
sternsystem aus zwei aktiven Radiopul­
einer internationalen Kollaboration un­
den die Erde trifft. Manche dieser »kos­
saren entdeckt. Mit diesem Doppelpulsar
ter Leitung des Max-Planck-Instituts für
mischen Leuchttürme« rotieren sehr sta­
konnte die Gültigkeit der ART mit einer
Radioastronomie in Bonn gelungen, diese
bil – die auf der Erde empfangenen Pulse
Genauigkeit von besser als 0,05 Prozent ve­
Lücke zu schließen. Diese Arbeit erschien
liefern Zeitsignale, deren Ganggenauigkeit
rifiziert werden. Das Interessante daran ist,
am 26. April im Fachjournal »Science«.
mit den besten irdischen Atomuhren
dass hier die Bewegung von Massen getes­
vergleichbar ist. Durch Vermessen der
tet wird, die extrem starke Gravitations­
Ein rekordverdächtiger Pulsar
Ankunftszeiten der Pulsarsignale mit der
felder haben. Die Raumzeit in der Umge­
Im Jahr 2007 ent­deckten US-Kollegen
Atomuhr an einem Radioteleskop können
bung eines Neutronensterns ist um viele
unter Führung von Ryan Lynch mit Hilfe
die Rotationseigenschaften von Pulsaren
Größenordnungen stärker gekrümmt als
des Radioteleskops in Green Bank einen
mit extremer Genauigkeit ermittelt wer­
in unserem Sonnensystem. Folglich lässt
Pulsar mit einer Rotationsperiode von
den. Es gibt Pulsare, bei denen die Rotati­
sich mit Pulsaren in Doppelsternsystemen
39 Millisekunden, der gemäß seiner Posi­
onsperiode bis auf wenige Attosekunden
präzise vermessen, ob Einsteins Relativi­
tion am Himmel die Bezeichnung PSR
genau gemessen ist. (Eine Attosekunde
entspricht 10 –18 Sekunden.)
tätstheorie auch die Dynamik einer sol­
J0348+0432 erhielt. Während die gemes­
chen Raumzeit korrekt beschreibt.
sene Rotationsperiode zunächst nichts
26
Juni 2013
Sterne und Weltraum
600
PSR J0348+0432
500
400
Norbert Wex (MPIfR) / SuW-Grafik
relative Bahngeschwindigkeit in Kilometer pro Sekunde
700
300
200
100
0
1,2
kleine Änderungen im Gravitationspoten­
sternsystemen haben entweder große
zial könnten bereits zu starken Abwei­
Massen und geringe Bahngeschwindig-
chungen von der ART führen, was in der
keiten oder kleine Massen und hohe
Tat von einigen alternativen Theorien vor­
Bahngeschwindigkeiten. Der neue Pulsar
hergesagt wird. Derartige Abweichungen
PSR J0348+0432 kombiniert erstmals eine
wirken sich unmittelbar auf die Erzeugung
hohe Masse mit einer hohen Bahnge-
von Gravitationswellen und damit auf die
schwindigkeit, was eine qualitativ neue
Rate aus, mit welcher der Orbit des Sys­
Überprüfung der allgemeinen Relativitäts-
tems auf Grund des Energieverlusts durch
theorie erlaubt. In Rot sind Pulsare mit
die Abstrahlung von Gravitationswellen
einem Neutronenstern als Begleiter
schrumpft.
eingezeichnet, in Blau Pulsare mit einem
Somit war anfangs nicht klar, ob die
Weißen Zwerg als Begleiter; Fehlerbalken
ART nach all den anderen Pulsartests auch
wurden der Übersichtlichkeit wegen
diesen bestehen würde. Die Übereinstim­
weggelassen.
mung der beobachteten Veränderung in
2,0
der Bahnperiode mit der Vorhersage der
Pulsarmasse in Sonnenmassen
ART bei PSR J0348+0432 ist somit nicht
1,4
1,6
1,8
Die bisher bekannten Pulsare in Doppel-
nur eine qualitativ neue Bestätigung für
Einsteins Gravitationstheorie, sondern
Außergewöhnliches
vermuten
ließ,
berechnen. Die daraus resultierende Ab­
bedeutet auch das Aus für all jene alterna­
zeigten anschließende Vermessungen der
nahme der Bahnperiode beträgt gemäß
tiven Theorien, die für derartige Systeme
Ankunftszeiten der Radiopulse, dass sich
der ART 8,2 Mikrosekunden pro Jahr. Ein
mit starker Raumzeitkrümmung andere
PSR J0348+0432 in nur 2,5 Stunden um
solcher Betrag sollte sich mit Hilfe der
Vorhersagen machen.
einen Begleiter bewegt (genauer: um den
hochpräzisen Vermessung der Ankunfts­
Und wie ist es um die Zukunft die­
gemeinsamen Schwerpunkt).
zeiten der Pulsarsignale feststellen lassen.
ses Systems bestellt? Die Emission von
Um der Natur des Begleiters auf die
Gravitationswellen lässt die Bahn weiter
Spur zu kommen, wurden optische Be­ob­
Test von Einsteins Theorie
achtungen zu Rate gezogen. In den Archi­
Bis Anfang 2013 wurden fast 10 000
Jahren der Weiße Zwerg dem Neutronen­
ven des Sloan-Digital-Sky-Surveys zeigte
Puls­­ankunfts­zeiten für PSR J0348+0432
stern so nahe kommt, dass er durch die
sich ein Weißer Zwerg von etwa 21. Grö­
gesammelt, vor allem mit dem 305-Meter-
Gezeitenkräfte zerrissen wird. An dieser
ßenklasse. Da das nicht der erste Pulsar
Radioteleskop auf Puerto Rico und dem
Stelle wird es spannend, wo genau die
mit einem gut sichtbaren Weißen Zwerg
100-Meter-Radioteleskop bei Effelsberg
Massen­obergrenze für Neutronensterne
als Begleiter war, war das weitere Vorgehen
in Deutschland. Für manche dieser An­
liegt. Denn wenn die vom Neutronenstern
klar vorgezeichnet: Spektroskopie mit
kunftszeiten wurde eine Genauigkeit von
aufgesammelten Überreste des Weißen
einem großen Teleskop, damit man aus
wenigen Mikrosekunden erreicht. Die
Zwergs ihn über diese Grenze treiben,
der Dopplerverschiebung in den Spektral­
Auswertung der Daten zeigte, dass die
dann wird er zu einem Schwarzen Loch
linien die Bewegung des Sterns ermitteln
Umlaufperiode stetig abnimmt und PSR
kollabieren.
und zusätzlich dessen Masse bestimmen
J0348+0432 seit seiner Entdeckung gegen­
konnte. Letztere ergibt sich aus der Ober­
über einer gleichförmigen Bewegung in
Michael Kramer ist Direktor am Max-
flächengravitation, die aus der Druckver­
seiner Bahn einen Vorsprung von mehr
Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR)
breiterung der Spektrallinien abgeleitet
als 20 Kilometern hat. Im Rahmen der
in Bonn. Sein Hauptarbeitsgebiet ist die
werden kann. Hat man diese beiden Infor­
Messgenauigkeit stimmt dieser Wert mit
radioastronomische Fundamentalphysik.
mationen, so kann man daraus die Masse
der Vorhersage der ART überein. In dem
des Pulsars berechnen.
schrumpfen, bis in etwa 400 Millionen
gleichen Zeitraum ist die Bahn des Pul­
Norbert Wex forscht in der Abteilung von
Ende Dezember 2011 führte John Anto­
sars um etwa 23 Zentimeter geschrumpft.
Michael Kramer am MPIfR über die relativis-
niadis, Doktorand am Max-Planck-Institut
Dieser Wert ist allerdings nicht direkt zu
tischen Effekte von Neutronensternen und
für Radioastronomie, die entsprechenden
beob­achten.
Schwarzen Löchern.
Beobachtungen mit einem der vier Haupt­
Warum ist diese Bestätigung der ART
teleskope des Very Large Telescope der ESO
so wichtig? Wie unterscheidet sie sich
in Chile durch. Bereits die erste Analyse
von den bisherigen Tests? Mit seinen zwei
der Daten vor Ort zeigte eine Sensation:
Sonnenmassen verursacht PSR J0348+0432
Der Pulsar hat eine Masse von 2,01 ± 0,04
eine deutlich stärkere Krümmung der
Sonnenmassen. Das ist der höchste je für
Raumzeit als der Hulse-Taylor-Pulsar oder
einen Neutronenstern verlässlich gemes­
der Doppelpulsar. Mathematisch ausge­
sene Wert.
drückt: PSR J0348+0432 hat ein doppelt so
Mit der Masse des Pulsars und derjeni­
tiefes Gravitationspotenzial.
gen des Weißen Zwergs (0,172 Sonnenmas­
Was ändert das? Bei den starken Gravi­
sen) lässt sich der Verlust an Energie durch
tationsfeldern eines Neutronensterns ver­
das Abstrahlen von Gravitationswellen
hält sich die Natur sehr nichtlinear, und
www.sterne-und-weltraum.de
Literaturhinweise
Antoniadis, J. et al.: A Massive Pulsar in
a Compact Relativistic Binary. In: Science
340, 1233232, 2013
Kramer, M.: Pulsare als kosmische
Uhren. Tests für die Allgemeine Relativitätstheorie. In: Sterne und Weltraum
10/2006, S. 30 – 37
Juni 2013
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