CME 194 Rubrikherausgeber: H. Riechelmann, Innsbruck CME-Fortbildung Traumatische Optikusneuropathie Traumatic Optic Neuropathy Schlüsselwörter ▶ Sehnerv ● ▶ Optikusavulsion ● ▶ Optikusatrophie ● ▶ Dekompression ● ▶ Optikuskanal ● ▶ Schädel-Hirn-Trauma ● ▶ Gesichtstrauma ● Key words ▶ optic nerve ● ▶ trauma ● ▶ optic nerve avulsion ● ▶ optic atrophy ● ▶ decompression ● ▶ optic nerve canal ● ▶ cranial trauma ● ▶ facial trauma ● Zusammenfassung & Ein traumatischer Sehnervenschaden stellt eine schwere Komplikation eines Kopf- bzw. Gesichtstraumas dar. Die Diagnose erfolgt mittels Analyse des Pupillenverhaltens nach Lichtreiz. Eine Untersuchung des Augenhintergrundes und die Computertomografie der Orbita geben Aufschluss über den Schadensort und ob eine Fraktur des Optikuskanals vorliegt. Therapieoptionen sind operative Dekompression und hoch dosierte Steroide. Bei keinem Therapieansatz gibt es hinreichende Belege, dass der Spontanverlauf günstig beeinflusst werden kann. Spontane Besserung ist durchaus möglich. Aufgrund von Einzelerfahrungen werden direkte Kompressionen des Sehnerven durch Knochenfragmente oder Blutungen in die Optikusscheide in aller Regel operativ behandelt. In den meisten Kliniken werden in allen anderen Fällen hoch dosierte Steroide gegeben, ohne dass es aber einen Wirkungsnachweis gibt. Abstract & Traumatic optic neuropathy is a severe complication of a head or face trauma. Diagnosis is established by analyzing pupillary responses to light. Fundus examination and orbital CT scan help to localize the site of the lesion and may show a fracture involving the optic canal. Surgical decompression or megadose steroids are therapeutic options. No therapeutic approach has proven with sufficient evidence to be effective. Spontaneous improvement is definitely possible. Based on experiences in single cases direct compression of the optic nerve by bone fragments or optic nerve sheath haemorrhage are as a rule treated surgically. In all other cases usually high dose steroids are given without proven effectiveness. Bibliografie DOI 10.1055/s-0029-1192010 Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0935-8943 Korrespondenzadresse Prof. Helmut Wilhelm Department für Augenheilkunde Universität Tübingen, Augenklinik Schleichstraße. 12–16 72076 Tübingen helmut.wilhelm@ med.uni-tuebingen.de Department für Augenheilkunde Universität Tübingen Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. H. Wilhelm CME-Fortbildung CME 195 Bedeutung & Die einseitige und insbesondere die beidseitige Schädigung der vorderen Sehbahn, Sehnerven und Chiasma, ist eine gefürchtete Komplikation eines Traumas. Bei geschlossenen Kopftraumen wird in bis zu 5 % der Fälle eine Sehnervenschädigung beschrieben, bei offenen Traumata und insbesondere Optikuskanalfrakturen mag diese Zahl noch höher sein. Anatomische und pathogenetische Grundlagen & ▶ Abb. 1): Man unterscheidet 4 Abschnitte des Sehnervs, die unterschiedlich vulnerabel sind (● ▶ der intraokulare Anteil, also die Sehnervenpapille, wo sich die Axone der retinalen Ganglienzellen durch die rigiden Sklerakanäle der Lamina cribrosa zwängen müssen ▶ der orbitale Abschnitt, wo der Sehnerv mobil im intraokularen Fettgewebe gelagert ist und einem Trauma ausweichen kann ▶ der kanalikuläre Anteil, wo der Sehnerv fest im engen Optikuskanal fixiert ist, den er sich zudem mit der A. ophthalmica teilen muss ▶ der intrakraniale prächiasmale Anteil mit dem Übergang ins Chiasma, wo insbesondere eine scharfkantige Duraduplikatur über der inneren Öffnung des Optikuskanals den Sehnerv gefährdet Verletzungen der Sehnervenpapille führen zu fundoskopisch sichtbaren Veränderungen ▶ Abb. 2). Die schlimmste Form ist die Avulsion, also der Abriss des Sehnervs vom Bulbus, (● wobei aber die Kontinuität seiner Umhüllung nur dann unterbrochen wird, wenn ein direktes Trauma vorliegt. Eine schwere direkte Verletzung ähnelt dem Bild eines Zentralvenenverschlusses, zusätzlich erwartet man Aderhautrupturen, möglicherweise Glaskörperblutungen. Die Zentralarterie der Netzhaut tritt 10 mm hinter dem Bulbus in den Sehnerv ein. Ihr Verschluss führt zu irreversiblen Schäden der inneren Netzhautschichten. Die Papille selbst wird nicht von der Zentralarterie, sondern von den hinteren Ziliararterien versorgt, die dort den Zinn-Hallerschen-Gefäßkranz bilden. Ihr Verschluss führt zum Sehnerveninfarkt, was sich in einer Papillenschwellung äußert. Im orbitalen Anteil bedarf es in aller Regel eines direkten Traumas, um den Sehnerv zu schädigen. Ein in die Orbita eingedrungener Fremdkörper kann den Sehnerv komprimieren oder verletzen bis zur Durchtrennung, die okuläre Blutversorgung schädigen oder zu einer Blutung in die Sehnervenscheide führen. Auch eine orbitale Blutung oder ein Emphysem können durch raumfordernde Wirkung zur Sehnervenkompression führen. Ein nicht seltener Grund eines direkten orbitalen Sehnerventraumas ist iatrogen, nämlich die retrobulbäre Injektion. Da diese Form der Lokalanästhesie heute weit weniger eingesetzt wird, ist diese Komplikation sehr selten geworden. Eine Parabulbäre Injektion oder eine Tropfanästhesie sind bei vielen Routineoperationen heute die Regel. Im Optikuskanal ist der Sehnerv äußerst vulnerabel. Periost und Dura mater des Sehnervs sind im Kanal gewissermaßen eins und fixieren ihn starr. Erschütterungen und Druckschwankungen durch ein Gesichts-, Stirn oder Schläfentrauma werden an die knöchernen Wände des Optikuskanals weitergegeben. Bei einem stumpfen Schädeltrauma tritt im Bereich des Optikuskanals die stärkste Verformung des knöchernen Schädels ein, wie interferometrische Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 ▶ ● Der Sehnerv ist unterschiedlich vulnerabel. ▶ ● Verletzungen nahe am Bulbus führen zu ophthalmoskopisch sichtbaren Veränderungen. ▶ ● In der Orbita ist der Sehnerv relativ gut geschützt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 1 Sehnerv beim Austritt aus dem Bulbus (1), intraorbital (2), im Optikuskanal (3) und prächiasmal (4). Im Optikuskanal ist die Dura des Sehnervs fest mit dem Periost verwachsen. CME-Fortbildung Inspektion Pupillen rund, isokor Vergleich der dir. Lichtreaktion rechts-links Eine Pupille entrundet, unsichtbar oder Anisokorie Vergleich der dir. mit der konsens. Lichtreaktion der am besten reagierenden Pupille LICHT Abb. 2 Pupillendiagnostik beim unfallverletzten Patienten. Zunächst muss geklärt werden, ob beide Pupillen unbehindert reagieren können (keine nennenswerte Anisokorie, keine Deformierung). Ist dies der Fall, vergleicht man die direkten Lichtreaktionen (oberer Teil der Abbildung). Es besteht ein relativer afferenter Pupillendefekt des linken Auges des Patienten. Wenn die Beweglichkeit einer Pupille eingeschränkt ist, vergleicht man an der besser reagierenden Pupille die direkte mit der konsensuellen Lichtreaktion (unterer Teil ). Hier ist die Pupille des linken Auges deformiert, aber am Verhalten der Pupille des rechten Auges erkennt man, dass ein relativer afferenter Pupillendefekt links vorliegt, demnach mehr als nur die Iris verletzt sein muss. LICHT LICHT LICHT ▶ ● Durch Fixierung am Knochen ist der Sehnerv im Optikuskanal am meisten gefährdet. ▶ ● Intrakraniell ist auch das Chiasma gefährdet. Studien zeigten. Der Sehnerv kann nicht ausweichen, wird komprimiert oder über die scharfe Durafalte an seinem intrakranialen Austritt geschert. Auch ein direktes Trauma durch ein Knochenfragment bei einer Kanalfraktur kann vorkommen. Eine dünne knöcherne Wand grenzt den Optikuskanal nach medial zu den hinteren Siebbeinzellen und der Keilbeinhöhle ab. Diese dünne Knochenlamelle kann sogar fehlen, sodass der Sehnerv auch von dieser Seite bedroht ist. Neben Frakturen und Hämatomen der Nebenhöhle infolge eines Traumas spielen dabei auch iatrogene Schäden eine bedeutende Rolle [1]. Der intrakranielle Anteil der Sehnerven wird seltener von Verletzungen betroffen, abgesehen von der Abscherung an der Duraduplikatur, die man aber noch dem Kanal zurechnen könnte. Dennoch kommt es gelegentlich zu Kontusionstraumen auch des Chiasmas, was dann leider zu beidseitigen Schäden führt. Diagnostik & Nach einem schweren Schädelhirntrauma stehen oft vitale Probleme im Vordergrund, sodass es nicht ungewöhnlich ist, dass eine traumatische Optikusneuropathie übersehen wird. Wenn der Patient bei Bewusstsein ist und seine Sehverschlechterung bemerkt, so ist in der Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. CME 196 Regel die zeitliche Zuordnung zum Trauma eindeutig. Schwieriger wird es, wenn der Patient berichtet, dass nach einem Intervall normaler Sehfähigkeit plötzlich ein Auge schlecht geworden sei. Bei einem direkten Trauma ist es gut vorstellbar, dass die initiale Verschlechterung noch fortschreitet. Auch kann es sein, dass noch Tage nach dem Unfall eine vaskuläre Komplikation, etwa durch eine Fettembolie, eintritt. Dass aber eine Sehverschlechterung durch ein direktes oder indirektes Trauma erst mit längerem freiem Intervall zum Unfall eintritt, ist schwer nachzuvollziehen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es nur wenige Möglichkeiten gibt, das Sehvermögen aktiv zu bessern, so ist es dennoch unabdingbar wichtig, dass eine traumatische Optikusneuropathie früh erkannt wird. Es ist für die gesamte Rehabilitation und Verarbeitung der Unfallfolgen sehr ungünstig, wenn der Patient das Gefühl oder sogar die Gewissheit hat, dass bei ihm ein so bedeutender Befund wie die Erblindung eines Auges übersehen oder nicht beachtet wurde. Es ist auch zu bedenken, dass gerade ein Sehverlust in der Begutachtung der Unfallfolgen eine große Rolle spielt und häufig Anlass für eine Klage des Patienten gegen die behandelnden Ärzte ist. Das Hauptproblem für den erstbehandelnden Notfallmediziner oder Chirurgen ist, dass man selbst schwerste Sehnervenschäden äußerlich nicht erkennt. Auch der akut hinzugezogene Augenarzt kann mittels Ophthalmoskopie nur in Einzelfällen eine Sehnervenverletzung erkennen. Im CT oder Kernspintomogramm werden aufgrund der o. g. Schadensmechanismen nur in wenigen Fällen Hinweise auf ein Optikustrauma zu finden sein, manchmal allerdings lässt sich insbesondere im Dünnschicht-CT eine Optikuskanalfraktur erkennen. Höchstes Gewicht hat deshalb der funktionelle Schadensnachweis. Subjektive Verfahren sind naturgemäß von der Kooperationsfähigkeit des Patienten abhängig. Auch wird selten eine so differenzierte Anamnese möglich sein, dass sich eine Sehverschlechterung aufgrund einer Hornhauterosion von einer solchen durch eine Optikusläsion unterscheiden ließe. Es ist zu fordern, dass sich die Diagnose einer traumatischen Optikusneuropathie grundsätzlich auf einen objektiven Nachweis stützt. Zentrale Maßnahme ist dabei die Prüfung der Pupillenfunktion. In der Notfallsituation sind die Untersuchungsbedingungen alles andere als günstig, deshalb ist ein überlegtes und sorgfältiges Vorgehen erforderlich. Der Untersucher sollte folgendermaßen verfahren: 1. Ein Helfer öffnet beide Lider. 2. Der Untersucher inspiziert die Augen äußerlich und achtet besonders auf Anisokorie und Entrundungen der Pupillen. Sind die Pupillen isokor und rund, erfolgt Schritt 3. 3. Der Raum wird soweit möglich abgedunkelt. 4. Der Untersucher vergleicht die direkte Lichtreaktion beider Pupillen. Jede Sehnervenschädigung wird zu einer verminderten Pupillenlichtreaktion führen. Gleiches würde auch für eine großflächige Netzhautschädigung und eine Glaskörperblutung gelten, nicht aber für eine Beeinträchtigung der brechenden Medien, also etwa eine Hornhautverletzung. Bei einem pathologischen Befund kann der Untersucher eindeutig feststellen, dass ein Schaden vorliegt. Die anschließende Inspektion des Augenhintergrundes wird Weiteres klären. Bei der Pupillenuntersuchung geht es nicht um den Nachweis einer subtilen Störung. Wenn der Sehnerv verletzt ist, wird man einen deutlichen sogenannten relativen afferenten Pupillendefekt feststellen: Die Pupille der betroffenen Seite verengt sich langsamer und weniger ausgiebig. Ein Problem kann die Verletzung eines Auges oder Lides darstellen. Eine Schädigung der brechenden Medien, von dichten Glaskörperblutungen einmal abgesehen, verursacht zwar keinen relativen afferenten Pupillendefekt, es kann aber sein, dass die Pupille nicht richtig zu erkennen oder dass auch die Iris verletzt ist. Dann wären die Pupillen anisokor oder entrundet (siehe oben). In dieser Situation hilft der Vergleich der direkten und konsensuellen Pupillenreaktion des freien Auges, bei dem die Pupille reagiert. Ist dessen direkte Reaktion deutlich besser als die konsensuelle, liegt eine Schädigung auf der anderen Seite vor, ist die konsensuelle Reaktion besser als die direkte, ist das beobachtete Auge geschädigt. Diese Untersuchungssituation ist deutlich ungünstiger, denn man kann nicht mehr im Dunkeln den Lichtreflex auslösen, sondern braucht genug Licht, um die konsensuelle Reaktion beobachten zu können. Ein zugeschwollenes Auge kann ein weiteres, unerwartetes Problem verursachen: Es ist dunkel adaptiert und lichtempfindlicher, deshalb reagiert die Pupille besser als beim hell adaptierten Auge. Sogar ein recht deutlicher relativer afferenter Pupillendefekt kann dadurch ausgeglichen werden. Wenn dieses befürchtet wird, muss man das freie Auge etwa 10–15 min abdecken, um Chancengleichheit herzustellen. Ein unlösbares Problem hingegen stellt eine beidseitige gleichartige Sehnervenverletzung dar, denn hier wird man keine unterschiedliche Pupillenreaktion finden. Auch bei einer beidWilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 CME ▶ ● Eine traumatische Optikusneuropathie kann leicht übersehen werden. ▶ ● Meistens sind keine äußerlich erkennbaren Zeichen auch bei sehr schweren Schäden vorhanden. ▶ ● Die Prüfung der Pupillenfunktion als objektives Verfahren ist die entscheidende diagnostische Maßnahme. ▶ ● Einseitige Sehnervenschädigungen führen zu einer im Seitenvergleich reduzierten Pupillenreaktion. ▶ ● Beide Pupillen intakt: Seitenvergleich der direkten Pupillenreaktionen. ▶ ● Einseitiger Schaden der Iris oder Innervationsstörung: Vergleich der direkten mit der konsensuellen Reaktion am besser reagierenden Auge. ▶ ● Ein zugeschwollenes Auge kann durch Dunkeladaptation eine bessere Pupillenreaktion vortäuschen. ▶ ● Ein beidseitig symmetrischer Schaden ist nicht an der Pupille zu erkennen. 197 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. CME-Fortbildung ▶ ● Die Blitz-VEP ist sinnvoll bei beidseitig nicht untersuchbaren Pupillen. ▶ ● Eine Ophthalmoskopie kann feststellen bei: Avulsion, Glaskörperblutung, Zentralarterienverschluss, Papillenödem. ▶ ● Subjektive Funktionsprüfung: Improvisieren; beachten, ob Brille oder Kontaktlinse erforderlich ist. ▶ ● Das Dünnschicht-CT sollte durchgeführt werden, um Folgendes abzuklären: eine Fraktur im Optikuskanal, ein Knochenfragment oder eine Blutung in der Optikusscheide. CME-Fortbildung seitigen Irisverletzung ist die Pupillenprüfung natürlich kaum sinnvoll. Die Prüfung der visuell evozierten Potenziale (VEP) ist eine Alternative. Die Muster-VEP-Ableitung kann allerdings nicht empfohlen werden, da sie anfällig für optische Probleme und von der Fixation abhängig ist. Das Blitz-VEP hingegen ist bei gestörter Pupillenfunktion und bei gestörten optischen Medien aussagekräftig, aber in aller Regel auch nur im Seitenvergleich. Es liefert im Grunde die gleichen Informationen wie die Prüfung der Pupillenfunktion. Eine beidseits reduzierte Amplitude ist mit Vorsicht zu interpretieren. Es kann eine beidseitige Sehnervenverletzung oder ein Ableitungsfehler die Ursache sein. Nicht überall und immer ist im Notfallbereich Personal verfügbar, das mit dem Gerät kompetent umgehen kann. Störungen aufgrund unzureichender elektrischer Abschirmung sind zudem möglich. Der Pupillendiagnostik kommt deshalb ohne Zweifel die wichtigste Bedeutung zu. Anschließend erfolgt – im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten – die Ophthalmoskopie. Die Untersuchungsbedingungen sind auch für den Augenarzt in aller Regel ungünstig, es sei denn der Raum lässt sich einigermaßen abdunkeln. Aber auch dann stellen enge Pupillen und Verletzungen der vorderen Augenabschnitte ein Problem dar. Bei einer Sehnervenavulsion, einer Glaskörperblutung, einem Zentralarterienverschluss oder einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie (Papillenödem) wäre der Schadensmechanismus klar und die Konsequenz eine andere als bei einer Sehnervenschädigung mit normalem Fundus. Dies ist der übliche Befund, wenn der Schadensort bulbusfern liegt, also etwa im Optikuskanal. Eine Optikusatrophie wird erst nach einigen Wochen sichtbar, wenn die zugehörigen Ganglienzellen der Netzhaut ▶ Abb. 4). zugrunde gegangen sind (● Es ist wichtig, auch vom ophthalmologischen Konsiliarius eine Dokumentation der Pupillenfunktion zu verlangen. Den Patienten lediglich in medikamentöser Mydriasis zu untersuchen, ist nicht angemessen. Sorgfältig sind auch auf orbitale Zeichen zu achten: Könnte eine Einblutung in die Orbita oder Optikusscheide Ursache einer Sehverschlechterung sein? Gezielte bildgebende Diagnostik wäre dann angezeigt. Wenn möglich sollte eine subjektive Einschätzung des Sehvermögens erfolgen. Dabei kann man mit weiteren Problemen konfrontiert werden, selbst wenn der Patient wach und ansprechbar ist. Es kann sein, dass er Brillenträger ist, und die Brille abhanden kam. Ein Blick in den Führerschein kann Klarheit verschaffen: Wenn in Spalte 12 auf der Rückseite die Ziffer 01 eingetragen ist, muss der Betroffene beim Autofahren eine Sehhilfe benutzen (01.01 – Brille, 01.02 – Kontaktlinse). Bei Patienten über 45 muss man mit Presbyopie rechnen, sodass die Prüfung der Sehschärfe in der Nähe nicht valide ist. Es ist deshalb sinnvoll, aus etwa 2 m Entfernung zu prüfen. Bei Brillenträgern, deren Brille fehlt, kann eine kleine Lochblende diese teilweise ersetzen. Man bohrt dazu mit einem Kugelschreiber ein etwa 1 mm großes Loch in einen lichtdichten Karton und lässt den Patienten durchschauen. Als Sehprobe eignet sich alles, wenn man nur entsprechend dokumentiert. Die eigene Sehschärfe kann man zum Kalibrieren benutzen. Man schreibt dann z. B.: „Subj. keine Sehverschlechterung, die Aufschrift des Krankenblatts (Telefonbuchs, Kalenders …) kann rechts in 2,5, links in 4 m gelesen werden“. So hat man auch ohne spezielles Instrumentarium eine ausreichende Dokumentation, die im Nachhinein sehr wertvoll werden könnte. Bei der bildgebenden Diagnostik ist das Dünnschicht-CT der Orbita von großer Bedeutung. Man achte darauf, den Optikuskanal nicht mit der deutlich größeren Fissura orbitalis superior ▶ Abb. 5). Knochensplitter oder Frakturen im zu verwechseln, die lateral davon zu finden ist (● ▶ Abb. 6). Gleiches gilt für den Kanal könnten Anlass zur chirurgischen Intervention sein (● Verdacht einer Blutung in die Optikusscheide oder in die Orbita. Bei einer raumfordernden Orbitablutung ist eine Kanthotomie der Lider angezeigt. Therapeutische Maßnahmen & ▶ ● Vor 1975 galt die Methode der chirurgischen Dekompression als nicht erfolgreich, danach etablierte sie sich zum Eingriff der Wahl bei traumatischer Optikusneuropathie. Vor 1975 stand außer Zweifel, dass es für eine traumatische Optikusschädigung keine sinnvolle Therapiemöglichkeit gibt. 1975 erschien in Japan eine spektakuläre Arbeit mit einer außerordentlich hohen Patientenzahl von 400, bei denen 2 Aspekte neu und geradezu sensationell erschienen [2]: Es wurden in 92 % dieser 400 Patienten Frakturen des Optikuskanals gefunden und bei nahezu allen Betroffenen gelang eine Besserung des Sehvermögens durch operative Dekompression des Sehnervenkanals, entweder transfrontal oder transethmoidal. Vor allem der wenig belastende transethmoidale Zugang wurde sehr populär und die operative Dekompression des Optikuskanals zum Eingriff der Wahl bei traumatischer Optikusneuropathie. Es gelang allerdings niemandem, die Erfolge dieser japanischen Arbeit auch nur annähernd zu reproduzieren. Auch zeigte der zunehmende Einsatz der Computertomografie, dass Kanalfrakturen allenfalls bei 50 % der Patienten mit traumatischer Sehnervenschädigung vorlagen. Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. CME 198 1982 schlug Anderson, gestützt auf positive Erfahrungen bei Rückenmarksverletzungen, die hoch dosierte Steroidtherapie als Alternative vor (3–5 mg Dexamethoson/kg Körpermasse oder 1–2 g Methylprednisolon i. v.) [3]. In der Folge und bis heute erschienen und erscheinen noch eine ganze Reihe von Arbeiten, die das eine oder andere Vorgehen oder die Kombinationen daraus favorisieren (zusammengefasst: [4]). Es gab und gibt eine Reihe von heuristisch geprägten Vorschlägen, deren Tendenz zu sein scheint: Es ist besser, irgendetwas zu tun als gar nichts [5]. Einzelfallberichte, Studien mit kleinen Patientenzahlen und solche ohne Kontrollgruppe, insbesondere zur operativen Dekompression, stiften Verwirrung, wenn sie suggerieren, das Verfahren der Studie wäre die einzig sinnvolle Therapie. Ein solches Fazit ist durch eine Studie ohne Kontrollgruppe nicht zu belegen, wenn es sich um eine Erkrankung handelt, die sich auch spontan bessern kann. Auch eine aktuelle sehr große Studie, in der chirurgische Dekompression plus hoch dosierte Steroide als signifikant bessere Behandlung empfohlen werden, kann einer strengen Prüfung nicht standhalten, da diese Studie weder randomisiert noch durch einen Studienarm ohne Therapie kontrolliert war [6]. Chirurgische Dekompression und Steroide erwiesen sich als gleichwertig. Die Bewertung all dieser Arbeiten muss eine Reihe von Schwierigkeiten berücksichtigen, denen die Autoren keineswegs immer in wünschenswertem Ausmaße Rechnung getragen haben: ▶ Die Feststellung, ob eine traumatische Optikusneuropathie vorliegt, ist keineswegs trivial und nicht immer sicher (siehe oben). ▶ In der Phase einer akuten Verletzung kann der Patient oft keine wirklich sicheren Angaben machen. Eine Visusbesserung von Lichtschein auf 1/20 kann auch durch die Verbesserung des Allgemeinzustandes erklärt werden. ▶ Es gibt durchaus erhebliche spontane Besserungen. ▶ Der initiale Erfolg ist nicht immer dauerhaft. Keine der erwähnten Arbeiten kann ihre Empfehlungen – sofern überhaupt welche gegeben werden – auf eine solide Basis stützen. Nur eine randomisierte Studie hätte das richtige Vorgehen klarstellen können. Eine solche Studie ist aber kaum durchführbar. Immer werden auch der Schweregrad der Verletzung, der Allgemeinzustand des Patienten und die Möglichkeiten der Klinik die Therapieentscheidung beeinflussen. Deshalb verwundert es nicht, dass die International Traumatic Optic Neuropathy Study (IONTS), in die große Hoffnungen gesetzt worden war, keine Klarheit bringen konnte. Diese Studie wurde ursprünglich als randomisierte Studie geplant, die chirurgische Dekompression sollte mit der Megadosis-Steroidtherapie verglichen werden. Sie wurde schließlich als nicht randomisierte Interventionsstudie mit 127 Teilnehmern zu Ende gebracht, als die Patientenrekrutierung nicht ausreichte [7]. Zwischen den 4 Vorgehensweisen, keine spezifische Therapie, Steroide, chirurgische Dekompression und Dekompression plus Steroide, fand sich kein signifikanter Unterschied. „Treatment on individual basis“ lautete schließlich die Empfehlung. Galt es bei der Planung der IONTS noch als unethisch, keine Steroide zu geben, so wurde dies durch eine tierexperimentelle Studie infrage gestellt: Steinsapir et al. fanden bei experimentellen N.-opticus-Läsionen an Ratten einen dosisabhängig ungünstigen Effekt der hoch dosierten Steroide [8]. Die Vorstellung war bis dahin, dass hohe Steroiddosen neuroprotektiv wirken, es ging nicht um einen antiödematösen Effekt, obgleich dies in einigen gebesserten Fällen durchaus eine Rolle spielen mag. Die Übertragbarkeit dieser Studie auf den Menschen ist allerdings fraglich. In den letzten Jahren wird die Steroidgabe zunehmend infrage gestellt und einige Autoren raten heute definitiv davon ab [9]. Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös, zu behaupten, dass es eine klare, evidenzbasierte Therapie der traumatischen Optikusneuropathie gäbe. Randomisierte Studien fehlten bislang völlig [10]. Eine schließlich 2007 publizierte randomisierte Doppelblindstudie mit insgesamt 31 Patienten fand in der Tat keinen Vorteil für die Steroidtherapie, aber auch keinen Nachteil [11]. So gilt unverändert, was Steinsapir et al. 2002 schrieben [12] und auch Fazit der IONTS war: „Until more definitive studies are performed, clinicians must make individualized decisions with their patients regarding how best to proceed after traumatic optic neuropathy“. Mit anderen Worten: Wir stehen wieder da, wo wir 1975 standen. Die Situation ist demnach denkbar kompliziert: Eine überzeugende Therapie existiert nicht, und der Patient ist von einem schweren, dauerhaften Schaden seines Sehvermögens bedroht. In dieser Situation ist es kaum durchzuhalten, streng nach Datenlage vorzugehen und auf jegliche Behandlung zu verzichten. Das Risiko wäre groß, dass der Patient Zeit seines Lebens darüber grübeln würde, ob man denn alles richtig gemacht und nichts versäumt habe. Deshalb raten wir zu der am wenigsten eingreifenden Therapie, nämlich einer kurzen hoch dosierten Gabe von Methylprednisolon, und nur in Ausnahmefällen kommt operatives Vorgehen bei uns in Betracht. Obgleich keineswegs durch Studien belegt, aber immerhin durch Einzelbeobachtungen gestützt, hat chirurgisches Vorgehen da seine Berechtigung, wo man ohne weiteren Schaden anzurichten, eine morphologisch erkennbare Kompression des Sehnervs lindern oder beseitigen kann. Jegliche Therapie, sowohl chirurgisch als auch mit Steroiden, ist nur in einem Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 CME ▶ ● 1982 analog zur Rückenmarksverletzung: hoch dosierte Steroide. Einzelfallberichte und kleine Fallserien schaffen Verwirrung statt Klarheit. ▶ ● Randomisierte Studie scheitert: „Entscheidung im Einzellfall“. ▶ ● Die Gabe von hoch dosierten Steroiden wird heutzutage infrage gestellt. ▶ ● Klare Ergebnisse fehlen. 199 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. CME-Fortbildung CME 200 CME-Fortbildung Abb. 4 Links ist die Papille dargestellt 2 Tage nach einem indirekten Trauma, das nahezu zur Erblindung des betroffenen Auges geführt hatte. Der Befund ist völlig regelrecht, die Färbung normal. Das rechte Bild wurde 3 Monate später aufgenommen. Nun ist die Papille blass und zeigt die typische Optikusatrophie. Dieser Verlauf beweist eindeutig den Zusammenhang zwischen Trauma und Optikusschaden. Wäre die Papille bereits unmittelbar nach dem Trauma blass erschienen, hätte man einen weiter zurückliegenden Vorschaden annehmen müssen. ▶ ● Eine Therapie kann sinnvoll sein, um dem Patienten das Gefühl zu geben, dass alles getan wurde, sein Sehvermögen zu retten. kurzen Zeitraum nach dem Trauma überhaupt sinnvoll. Als äußerste Obergrenze würden wir 3 ▶ Abb. 3) oder ein ZentTage nennen. Ist fundoskopisch ein mechanischer Schaden der Papille (● ralarterienverschluss erkennbar, erübrigt sich jegliche Therapie, sieht man von experimentellen Neuroprotektionsmaßnahmen ab. Wir halten folgendes Vorgehen für vertretbar: ▶ bei Orbitablutung: Kanthotomie, eventuell Revision ▶ bei Optikussscheidenblutung: eventuell Optikusscheidendekompression ▶ bei Kompression des N. opticus durch ein Knochenfragment: operative Entfernung und Kanaldekompression so schnell wie möglich ▶ wenn ohnehin aus anderen Gründen operiert werden muss: Kanaldekompression ▶ in allen anderen Fällen einer traumatischen Optikusneuropathie erwägen wir Megadosissteroide (dies gilt nicht für die aussichtslose Situation einer vollständigen Avulsion oder definitiven Durchtrennung) Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Therapie nicht „evidenzbasiert“ ist. Es erscheint uns dennoch legitim, auch einen wenig aussichtsreichen Versuch zu unternehmen, wenn zu erwarten ist, dass der Patient einen schweren Schaden davontragen wird. Rückblickend wird es für ihn wichtig sein, das Gefühl zu haben, dass alles versucht wurde, sein Sehvermögen zu retten. Verlauf und Prognose & ▶ ● Spontane Besserungen sind häufig. Eine Normalisierung ist bei einer traumatischen Optikusneuropathie nicht zu erwarten, aber spontane Besserungen sind häufig, wenn auch die Werte in verschiedenen Studien sehr stark streuen (20–71 %). Es kommt zur Optikusatrophie, die im typischen Fall der Verletzung des Sehnerven im Kanal im akuten Stadium noch nicht erkennbar ist. Es dauert einige Wochen, bis die Sehnervenaxone aufsteigend (zur Ganglienzelle hin) degenerieren und die Atrophie an der ▶ Abb. 4). Dies zu dokumentieren ist wichtig, wenn später Zweifel am Papille sichtbar wird (● Zusammenhang zwischen Unfall und Sehnervenschädigung aufkommen. Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 3 Papille, direktes Trauma. Man erkennt links unten eine bereits vernarbte Ruptur, weiter peripher eine kleine Blutung und feine Fältchen, die auf die Papille zulaufen. Die Nervenfaserschicht wurde durch Zug am Sehnerven gewissermaßen zerrissen. CME-Fortbildung CME 201 Abb. 5 Die Pfeile auf diesen Dünnschicht-CTs markieren links die Fissura orbitalis superior, rechts den Optikuskanal. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 6 Dünnschicht-CT mit Frakturen nach Schädel- und Mittelgesichtstrauma, die den Optikuskanal mit einbeziehen. Folgende Zeichen sind prognostisch ungünstig [13]: (1) Blut in den hinteren Ethmoidalzellen, (2) Bewusstlosigkeit, (3) kein Ansprechen auf Steroide innerhalb von 48 h, (4) Alter über 40. Es scheint auch, dass eine schwere Optikusschädigung mit einem sehr ausgeprägten relativen afferenten Pupillendefekt eine ungünstige Prognose hat [14]. Bei einer direkten Sehnervenverletzung ist die Erholungschance noch deutlich schlechter als bei indirektem Trauma. Das Sehvermögen ändert sich im weiteren Verlauf nicht mehr, der Patient behält mindestens das Sehvermögen, mit dem er die Klinik verlässt [15]. Pragmatisch kann man nach 6 Monaten von einem Endzustand ausgehen und sollte durch augenärztliche Untersuchung (Visusprüfung, Perimetrie) eine „Bestandsaufnahme“ des Schadens und eine Beurteilung der beruflichen Möglichkeiten veranlassen. Innovative Ansätze: Neuroprotektion und Regeneration [16, 17] & Bei der Zerreißung von Axonen degeneriert das distale (perikaryonferne) Segment, während das proximale schwillt und sich retrahiert. In der Folge kommt es dann zur Apoptose der Nervenzelle. In den Apoptoseablauf einzugreifen, ist das Ziel diverser Anstrengungen. Andere Bemühungen sind darauf gerichtet, den Axonstumpf zur Regeneration zu bewegen. Bei der Apoptose aktiviert aus den verletzten Nervenzellen freigesetztes Glutamat über NMDARezeptoren einen exzessiven Kalziumeinstrom in die Zelle. Dadurch werden verschiedene Enzymkaskaden (Proteinasen, Lipasen und Nukleasen) in Gang gesetzt, welche die Zelle von innen angreifen. Freie Radikale entstehen, u. a. Stickstoffmonoxid und sogenannte Caspasen wer- Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 ▶ ● Apoptose der retinalen Ganglienzellen als Folge der Sehnervenschädigung ▶ ● Unter anderem haben sich Memantin und Brimonidin im Tierversuch als erfolgreich gezeigt. ▶ ● Die Regeneration des Sehnervs ist Gegenstand der Forschung. CME-Fortbildung den aktiviert, wodurch die Zelle endgültig abstirbt. Eine Reihe weiterer Prozesse schließt sich an, nach deren Ablauf die Zelle sich auflöst. Für NMDA-Blocker, wie Memantin, konnte im Tierexperiment tatsächlich ein Effekt gezeigt werden. Das gilt auch für Brimonidin, ein alpha-2-Adrenorezetorenblocker. Es dürfte über die Reduktion der Stickstoffmonoxidbildung wirken. Caspase-Inhibitoren wurden ebenfalls erfolgreich im Tiermodell eingesetzt. Andererseits können Neurotrophine das Überleben des Neurons günstig beeinflussen. Dies wurde für den Brain-derived-Growth-Factor und Glialderived-Growth-Factor gezeigt. Antikörper gegen Regenerationsinhibitoren haben wiederum im Tierexperiment eine Sehnervenregeneration ermöglicht. Nerventransplantate ermöglichten bei der Ratte eine einigermaßen korrekte Verdrahtung der regenerierten Nerven im Mittelhirn und ein gewisses Sehvermögen. Gentherapie und Stammzellentherapie wurden ebenfalls mit dem Erfolg einer höheren Überlebensrate von Ganglienzellen eingesetzt. Alle beschriebenen Versuche sind tierexperimentell. Keine Therapie hat sich bisher beim Menschen bewährt. Dennoch ist es vertretbar, z. B. Brimonidin-Augentropfen zu geben, da diese keine problematischen Nebenwirkungen haben und tatsächlich eine wirksame Menge bei der retinalen Ganglienzelle ankommt. Auch die Therapie mit Memantin kann erwogen werden. Man muss sich allerdings im Klaren darüber sein, dass bei den meisten Tierexperimenten das neuroprotektive Medikament vor dem Trauma gegeben wurde. Ein gravierender Sehverlust ist allerdings ein so schlimmes Ereignis, dass experimentelle Therapien sich rechtfertigen lassen, sofern die Risiken gering bleiben. Ausblick und Rehabilitation & ▶ ● Soziale Folgen erörtern und mildern. Wir halten es für wichtig, sehr früh Rehabilitationsmaßnahmen anzusprechen und Ängste zu zerstreuen. Viele Patienten glauben z. B., dass sie mit einem Auge nicht mehr Auto fahren dürfen. Einäugig zu sein, heißt ja keineswegs „halb blind“. Entsprechend wird der Grad der Behinderung bei einseitiger Erblindung mit 25 % festgesetzt. Auch solche Sorgen zu beheben, ist eine ärztliche Leistung. Frühzeitig sollte ein mit Rehabilitationsmaßnahmen erfahrener Augenarzt konsultiert werden, der dem Patienten eine Perspektive geben kann. Wie erwähnt, kann man nach 6 Monaten von einem Dauerzustand ausgehen. Danksagung & Herrn Karl Dechert wird für die Erstellung der Abb. 1 gedankt. Literatur 1 Brouzas D, Charakidas A, Androulakis M et al. Traumatic optic neuropathy after posterior ethmoidal artery ligation for epistaxis. Otolaryngol Head Neck Surg 2002; 126: 323–325 2 Fukado Y. Results in 400 cases of surgical decompression of the optic nerve. Mod Probl Ophthalmol 1975; 14: 474–481 3 Anderson RL, Panje WR, Gross CE. Optic nerve blindness following blunt forehead trauma. Ophthalmology 1982; 89: 445–455 4 Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie – der aktuelle Stand. Klin Monatsbl Augenheilkd 2004; 221: 702–705 5 Cook MW, Levin LA, Joseph MP et al. Traumatic optic neuropathy. A meta-analysis. Arch Otolaryngol Head Neck Surg 1996; 122: 389–392 6 Li H, Zhou B, Shi J et al. Treatment of traumatic optic neuropathy: our experience of endoscopic optic nerve decompression. J Laryngol Otol 2008; 122: 1325–1329 7 Levin LA, Beck RW, Joseph MP et al. The treatment of traumatic optic neuropathy: the International Optic Nerve Trauma Study. Ophthalmology 1999; 106: 1268–1277 8 Steinsapir KD, Goldberg RA, Sinha S et al. Methylprednisolone exacerbates axonal loss following optic nerve trauma in rats. Restor Neurol Neurosci 2000; 17: 157–163 9 Steinsapir KD. Treatment of traumatic optic neuropathy with high-dose corticosteroid. J Neuroophthalmol 2006; 26: 65–67 10 Yu-Wai-Man P, Griffiths PG. Steroids for traumatic optic neuropathy. Cochrane Database Syst Rev 2007, CD006032 11 Entezari M, Rajavi Z, Sedighi N et al. High-dose intravenous methylprednisolone in recent traumatic optic neuropathy; a randomized double-masked placebo-controlled clinical trial. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 2007; 245: 1267–1271 12 Steinsapir KD, Seiff SR, Goldberg RA. Traumatic optic neuropathy: where do we stand? Ophthal Plast Reconstr Surg 2002; 18: 232–234 13 Carta A, Ferrigno L, Salvo M et al. Visual prognosis after indirect traumatic optic neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2003; 74: 246–248 Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. CME 202 CME-Fortbildung CME 203 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 14 Alford MA, Nerad JA, Carter KD. Predictive value of the initial quantified relative afferent pupillary defect in 19 consecutive patients with traumatic optic neuropathy. Ophthal Plast Reconstr Surg 2001; 17: 323–327 15 Carta A, Ferrigno L, Leaci R et al. Long-term outcome after conservative treatment of indirect traumatic optic neuropathy. Eur J Ophthalmol 2006; 16: 847–850 16 Levin LA. Axonal loss and neuroprotection in optic neuropathies. Can J Ophthalmol 2007; 42: 403– 408 17 Heiduschka P, Fischer D, Thanos S. Neuroprotektion und Regeneration nach Durchtrennung des Sehnervs. Klin Monatsbl Augenheilkd 2004; 221: 684–701 Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 CME 204 CME-Fortbildung CME-Fragen Traumatische Optikusneuropathie A B C D E Welcher Abschnitt des N. opticus ist bei einem Trauma am häufigsten betroffen? der intraokulare Anteil (Papille) der intraorbitale Anteil der intrakanalikuläre Anteil der intrakraniale/prächiasmale Anteil alle Abschnitte sind etwa gleich häufig betroffen 7 ■ A B C 2 ■ A B C D E 3 ■ A B C D E 4 ■ A B C D E 5 ■ A B C D E 6 ■ A B C D E In welchem Fall wird der Augenarzt einen normalen Fundusbefund erheben? Avulsion des Sehnerven Sehnerveninfarkt Zentralarterienverschluss intrakanalikuläre Läsion am Unfalltag intrakanalikuläre Läsion 3 Monate nach dem Unfall Welche Antwort ist richtig? Patient mit stumpfem Kopftrauma. Sie leuchten in sein rechtes Auge: keine Pupillenreaktion, auch links nicht. Sie leuchten in des linke Auge: beide Pupillen reagieren. Ihre Diagnose? rechtes Auge blind linkes Auge blind rechts Pupillensphinkterläsion oder Okulomotoriusparese Sehfunktion nicht sicher beurteilbar, VEP notwendig zentrale Störung der Pupillomotorik anzunehmen Wann erwarten Sie keinen relativen afferenten Pupillendefekt? bei Sehnervenavulsion bei Zentralarterienverschluss bei Sehnervenschaden im Optikuskanal bei Glaskörperblutung bei großflächiger Hornhauterosion Welche Antwort ist richtig? Unfallpatient, rechts perforierende Hornhautverletzung, auch die Iris ist verletzt, sodass die Pupillenfunktion nicht zu beurteilen ist. Das linke Auge ist unverletzt. Sie leuchten in das linke Auge. Dessen Pupille reagiert nicht. Sie leuchten in das verletzte rechte Auge. Jetzt verengt sich die linke Pupille. Was folgern Sie? rechtes Auge blind linkes Auge blind beide Augen sehen keine klare Aussage möglich linkes Auge evtl. versehentlich weit getropft D E 8 ■ A B C D E 9 ■ A B C D E 10 ■ A B C D E Bei welcher der folgenden Maßnahmen besteht ein „evidenzbasierter“, durch Studien nachgewiesener Nutzen? hoch dosierte Steroidgabe innerhalb von 8 h nach dem Trauma endoskopische transethmoidale Dekompression des Optikuskanals innerhalb von 12 h nach einem Trauma Kombination von hoch dosierten Steroiden und Kanaldekompression innerhalb von 24 h nach einem Trauma Optikusscheidenfensterung bei Optikusscheidenhämatom bei keiner der genannten Zur hoch dosierten Steroidgabe bei traumatischer Optikusneuropathie trifft zu: Sie dient ausschließlich der schnellen Abschwellung. Sie ist im Tierexperiment erfolgreich. Sie sollte nur in Verbindung mit einer chirurgischen Dekompression erfolgen. Ihr Einsatz stützt sich auf Erfahrungen bei Wirbelsäulenverletzungen. Ihre Wirksamkeit ist durch mehrere Studien belegt. Welche Antwort ist richtig? Spontane Besserungen nach einer traumatischen Optikusneuropathie sind häufig. gibt es so gut wie nie. sind nur innerhalb von 24 h nach dem Trauma zu erwarten. sind besonders häufig bei älteren Patienten. gibt es nur, wenn keine Optikuskanalfraktur vorliegt. Welche Antwort ist richtig? Einseitige Erblindung nach traumatischer Optikusneuropathie bedingt dauernde Erwerbsunfähigkeit. führt zum Verlust des PKW-Führerscheins. wird mit einem Grad der Behinderung von 50 % bewertet. ist nach 3 Monaten an einer blassen Papille auf der betroffenen Seite zu erkennen. führt zu einem Ausfall der direkten und konsensuellen Pupillenreaktion des betroffenen Auges. Der Canalis opticus liegt in Bezug zur Fissura orbitalis superior oberhalb. unterhalb. lateral. medial. lateral unterhalb. Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 1 ■ CME 205 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. CME-Fortbildung Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 CME CME-Fortbildung Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 206 Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 CME-Fortbildung CME 207 CME-Fortbildung mit der Laryngo-Rhino-Otologie Die Fortbildungseinheit In den einheitlichen Bewertungskriterien der Bundesärztekammer ist festgelegt: „Die Grundeinheit der Fortbildungsaktivitäten ist der Fortbildungspunkt. Dieser entspricht in der Regel einer abgeschlossenen Fortbildungsstunde (45 Minuten)“. Für die erworbenen Fortbildungspunkte muss ein Nachweis erbracht werden. Hat man die erforderliche Anzahl von 250 Punkten gesammelt, kann man das Fortbildungszertifikat bei seiner Ärztekammer beantragen, welches man wiederum bei der KV (niedergelassene Ärzte) oder bei seinem Klinikträger (Klinikärzte) vorlegen muss. Anerkennung der CME-Beiträge Die Fortbildung in der LaryngoRhino-Otologie wurde von der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung für das Fortbildungszertifikat anerkannt, das heißt, die Vergabe der Punkte kann direkt durch die Thieme Verlagsgruppe erfolgen. Die Fortbildung in der Laryngo-Rhino-Otologiegehört zur Kategorie „strukturierte interaktive Fortbildung“. Entsprechend einer Absprache der Ärztekammern werden die von der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung anerkannten Fortbildungsveranstaltungen auch von den anderen zertifizierenden Ärztekammern anerkannt. Datenschutz Ihre Daten werden ausschließlich für die Bearbeitung dieser Fortbildungseinheit verwendet. Es erfolgt keine Speicherung der Ergebnisse über die für die Bearbeitung der Fortbildungseinheit notwendige Zeit hinaus. Die Daten werden nach Versand der Testate anonymisiert. Namens- und Adressangaben dienen nur dem Versand der Testate. Die Angaben zur Person dienen nur statistischen Zwecken und werden von den Adressangaben getrennt und anonymisiert verarbeitet. Teilnahme Jede Ärztin und jeder Arzt soll das Fortbildungszertifikat erlangen können. Deshalb ist die Teilnahme am CME-Programm der Laryngo-Rhino-Otologie nicht an ein Abonnement geknüpft! Die Teilnahme ist sowohl im Internet (http://cme.thieme.de) als auch postalisch möglich. Im Internet muss man sich registrieren, wobei die Teilnahme an Fortbildungen abonnierter Zeitschriften ohne Zusatzkosten möglich ist. Alle Teilnehmer, die auf dem Postweg teilnehmen, benötigen für die Teilnahme den CME-Beitrag, den CME-Fragebogen, den CME-Antwortbogen, Briefumschläge und Briefmarken. Auch hier fallen bei Angabe der Abonummer für die Teilnahme keine zusätzliche Kosten an. Teilnahmebedingungen Für eine Fortbildungseinheit erhalten Sie 3 Fortbildungspunkte im Rahmen des Fortbildungszertifikates. Hierfür § müssen 70% der Fragen richtig beantwortet sein. § müssen die Fragen der Einheiten A bis D des CME-Antwortbogens vollständig ausgefüllt sein. Unvollständig ausgefüllte Bögen können nicht berücksichtigt werden! § muss Ihre Abonnentennummer im entsprechenden Feld des CME-Antwortbogens angegeben oder eine CME-Wertmarke im dafür vorgesehenen Feld aufgeklebt sein. CME-Wertmarke für Nicht-Abonnenten Teilnehmer, die nicht Abonnenten der Laryngo-Rhino-Otologie sind, können für die Internet-Teilnahme dort direkt ein Guthaben einrichten, von dem pro Teilnahme ein Unkostenbeitrag abgebucht wird. Für die postalische Teilnahme können Nicht-Abonnenten Thieme-CMEWertmarken erwerben. Bitte richten Sie Bestellungen an: Georg Thieme Verlag KG Kundenservice Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart Tel.: 0711/8931-900 E-Mail: [email protected] Teilnahme auch online möglich unter http://cme.thieme.de Wilhelm H. Traumatische Optikusneuropathie … Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 194–207 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Zertifizierte Fortbildung Hinter der Abkürzung CME verbirgt sich „continuing medical education“, also kontinuierliche medizinische Fort- und Weiterbildung. Zur Dokumentation der kontinuierlichen Fortbildung der Ärzte wurde das Fortbildungszertifikat der Ärztekammern etabliert. Hauptzielgruppe für das Fortbildungszertifikat sind Ärzte mit abgeschlossener Facharztausbildung, die im 5-jährigen Turnus einen Fortbildungsnachweis erbringen müssen. Es ist jedoch auch für Ärzte im Praktikum bzw. in der Facharztweiterbildung gedacht.