Grundlagen zu Traumata bei jungen Menschen Karin Kirschmann Diplom Kunsttherapeutin (FH) Weiterbildung in Traumatherapie Was ist ein Trauma? • Trauma heißt „Verletzung“ Ausdruck für körperliche Verletzung oder seelischen Schock, bzw. starke seelische Erschütterung • Ein Trauma auf der seelischen Ebene könnte man als „Wirkung von äußerst schmerzhaften Erlebnissen, die wegen ihrer Intensität und/oder Plötzlichkeit nicht verarbeitet werden können“ bezeichnen (Verena Kast). • Ein traumatisches Erlebnis wird immer von Gefühlen intensiver Angst, Bedrohung, Überforderung, ausgeliefert und verlassen sein einher und bedeutet absoluten Kontrollverlust über das Geschehen. Was bei Extremsituationen im Körper passiert: • Kampf – wenn eine realistische Chance besteht, sich zu behaupten • Flucht – wenn eine realistische Chance besteht, zu entkommen • Stresshormonausschüttung, erhöhter Blutdruck und Puls, erhöhte Durchblutung der Muskeln – der Körper wird auf Kampf oder Flucht vorbereitet - instinktives Handeln, das dem Lebenserhalt dient • Erstarrung (Totstellreflex) – wenn Kampf oder Flucht nicht mehr möglich sind • Dient dazu, weniger schmerzempfindlich zu sein – führt bei chronischem Stress und häufig wiederkehrenden traumatischen Erfahrungen häufig zu Abspaltung und Dissoziation. Was passiert im Gehirn? • Bei chronischem traumatischem Stress sind die Stresshormone ständig erhöht (erhöhter Cortisolspiegel ist nachgewiesen) • Ungünstige Auswirkung auf die Nervenzellen, insbesondere auf die des Hippocampus, wo Gelerntes abgespeichert wird (traumatisierte Kinder haben im Schnitt 8 IQ – Punkte weniger als andere Kinder) • Traumatische Erfahrungen werden als Gefühlszustände, Bilder, körperliche Reaktionen in der Amygdala (Mandelkern) abgespeichert, nicht aber als konkret zusammenhängende Ereignisse • Die abgespeicherten Gefühlszustände können auch Jahre nach dem Ereignis durch „Triggerreize“ (z.B. Bilder, Gefühle, Gerüche, Geräusche) aktiviert werden und führen zu einem traumatischen Wiedererleben (Flashback) führen Traumatyp I • Einmalig auftretendes Trauma, wie z.B. • • • • Unfall oder schwere Krankheit Trennung Naturkatastrophe Verlust einer nahe stehenden Person • Hinweis: Erlebnisse, die Erwachsenen eher harmlos erscheinen, wie z.B. kurzzeitiges verloren gehen im Kaufhaus oder eine Furcht einflößende Begegnung mit einem Hund kann von Kindern traumatisch erlebt werden! Traumatyp II • Wiederholte oder andauernde Traumatisierungen • wie z.B. • • • • Sexueller Missbrauch Vernachlässigung Häusliche Gewalt Kriegserlebnisse • Hinweis: Besonders schwerwiegend sind Traumatisierungen durch Personen („man-made“), insbesondere durch nahe stehende Bezugspersonen, da sie mit einen extremen Vertrauensverlust in die Erwachsenenwelt schlechthin bedeuten Umgang mit traumatischen Erfahrungen • Erwachsene mit sicherer Bindungsstruktur haben bessere Möglichkeiten, ein Trauma zu verarbeiten als Kinder, die aufgrund fehlender Lebenserfahrung über dementsprechend geringere Bewältigungsstrategien verfügen • Je früher im Leben das Trauma statt findet und je länger die traumatischen Erlebnisse andauern, je schwerer die Auswirkungen • Kinder sind verletzlicher als Erwachsene, haben gleichzeitig aber auch noch mehr Zugang zu ihren Ressourcen, was in der Therapie sehr hilfreich sein kann Mögliche Symptome bei Kindern nach einem Trauma • Schlafstörungen / Alpträume • Plötzlich auftretende Rückschritte in der Entwicklung (z.B. Rückfall in Kleinkindsprache, Einnässen) • Psychosomatische Beschwerden (z.B. Bauchschmerzen ohne medizinischen Befund) • Verändertes Sozialverhalten (z.B. Rückzug / Aggression oder überkontrollierendes Verhalten) • Ständig in Hab - acht - Stellung sein, hypersensible Wahrnehmung, Übererregbarkeit (Konzentrationsstörung, die leicht mit ADHS – Syndrom zu verwechseln ist), Schreckhaftigkeit • Innere Unruhe, häufig in Verbindung mit körperlicher Hyperaktivität • Stereotype Wiederholungen im Spiel • Schuld – und Schamgefühle • Posttraumatische Belastungsstörung (Flashbacks) Mögliche zusätzliche Symptome bei Jugendlichen (Langzeitfolgen) • • • • • • • • • • • Niedriges Selbstwertgefühl / negatives Selbstbild Konzentrationsschwierigkeiten Leistungsabfall in der Schule Essstörungen Missbrauch von Alkohol, Medikamenten, illegalen Drogen zur Selbstberuhigung Riskantes Sexualverhalten (Gefahr der HIV – Infizierung) Selbstverletzendes Verhalten Angststörungen und Depressionen Dissoziative Identitätsstörung (Gedächtnislücken) Persönlichkeitsstörungen (z.B. Borderlinestruktur mit emotionaler Instabilität, heftigen Wutausbrüchen, „Ausraster“,) Suizidalität Traumatherapie Es gibt verschiedene Verfahren der Psychotherapie: z.B. psychodynamische Therapien, kognitive Verhaltenstherapie, Mischformen u. Kombination verschiedener Therapien – oft in Verbindung mit begleitender psychiatrischer Behandlung (Medikamente). Bei Kindern und Jugendlichen gut geeignet: Traumazentrierte Spieltherapie, Psychodynamisch imaginative Traumatherapie (PITT)kommen zum Einsatz. Die Traumatherapie erfolgt in der Regel in drei Phasen: 1. Stabilisierungsphase 2. Explorationsphase 3. Integrationsphase Wichtige Voraussetzung: Sicherheit und die Gewissheit, dass keine neuen Traumatisierungen statt finden. • Stabilisierungsphase: Ressourcenaktivierung und Sicherheit stehen im Vordergund. Mit Hilfe von Imaginationstechniken wird z.B. ein innerer sicherer Ort geschaffen. Distanzierungstechniken (z.B. Tresortechnik) werden erlernt; ein Notfallplan wird erstellt (z.B. „was kann ich tun, wenn ich den Drang, mich selbst zu verletzen spüre?“) • Explorationsphase: Durcharbeiten traumatischer Erlebnisse (z.B. mit Hilfe der Bildschirmtechnik; mit Kindern meist im Spielprozess auf der Symbolebene). Zulassen von heftigen Gefühlen. • Integrationsphase: Das Erlebte wird in die eigene Lebensgeschichte eingeordnet. Sinnfragen werden geklärt. Zukunftsbezogene Neuorientierung. Abschied. Quellenangaben • Eckart, Jo Kinder und Trauma – Was Kinder brauchen, die einen Unfall, eine Katastrophe, Trennung, Missbrauch oder Mobbing erlebt haben Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen, 2005 • Dehner-Rau, Cornelia u. Reddemann, Luise Trauma – Folgen erkennen, überwinden und an ihnen wachsen TRIAS Verlag, Stuttgart, 2004 • Lackner, Regina Wie Pippa wieder lachen lernte – Fachliche Hilfen für traumatisierte Kinder Springer – Verlag, Wien, 2004 • Schwarz, Ingrid Konzeption Kindertherapie-Zentrum Stuttgart, 2009