Trauma J.S.Kusic Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Hasenbergstraße 60 70714 Stuttgart Trauma Definition: 1. „...ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.“ (Fischer und Riedesser 1998) 2. „… ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, das oder die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (z. B. Naturkatastrophe oder menschlich verursachtes schweres Unheil – man-made disaster – Kampfeinsatz, schwerer Unfall, Beobachtung des gewaltsamen Todes Anderer oder Opfersein von Folter, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderen Verbrechen).“ (ICD-10: Handbuch) 3. „(1) die Person erfuhr, beobachtete oder war konfrontiert mit einem oder mehreren Ereignissen, die tatsächlichen oder drohenden Tod, tatsächliche oder drohende ernsthafte Körperverletzung oder eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit von einem selbst oder Anderen einschloss. (2) die Reaktion der Person schloss starke Angst, Hilflosigkeit oder Grauen ein. (DSM-IV) Was können traumatisierende Ereignisse sein? • • • • • • • • ... Naturkatastrophen, Krieg, Folter Tod der Eltern in der Kindheit Lebensbedrohliche Erkrankungen in der Kindheit Ausgeprägte emotionale oder körperliche Vernachlässigung in der Kindheit Mobbing Emotionaler Missbrauch Körperliche Züchtigungen Traumatisierendes Geburtserleben 05.02.2015 Seite 3 Trauma Ob eine Situation traumatisch wird, hängt nicht nur von Umständen ab, sondern sehr stark vom inneren Erleben dieses Ereignisses. Das Risiko einer Traumafolgestörung und die dazu gehörende Schwere der Störung hängen von folgenden Faktoren ab: 1. Risikofaktoren: - frühere Traumatisierungen - junges Alter bei der Traumatisierung 2. Ereignisfaktoren: - Typ-1-Trauma: kurzes, einmaliges Ereignis - Typ-2-Trauma: länger andauerndes wiederholendes Ereignis - Ein von Menschen verursachtes Trauma wiegt schwerer als z.B. eine Nat.katastr. 3. Persönl. Faktoren: - Für die Folgewirkung ist vor allem die innere (subjektive!!!) Wahrnehmung wichtig. - Dissoziation während des Traumas nimmt das Trauma-Ausmaß zu. 4. Initiale Reaktion: Typische Hauptsymptome nach Traumatisierung wiederkehrende Ängste im Zusammenhang mit dem erlebten Ereignis Numbing = emotionale Taubheit gedankliche Vorwegnahme des Schlimmsten (Katastrophisierung) - „Dauerpessimist“ durch Trigger ausgelöste heftige emotionale Reaktionen (Panikattacken, Zwangserkrankung, selbstverletzendes Verhalten (SVV), wiederkehrende Alpträume...) Flashbacks Avoidance (vermeiden-wollen von Gedanken und Gefühlen, die an das Trauma erinnern könnten) Hyperarousal (leichte Erschreckbarkeit, gestiegene Aggressivität, Konzentrationsschwierigkeiten) innerlich: sehr labil, schreckhaft, unruhig, getrieben; äußerlich: Verhalten wird stark kontrolliert (Angst vor Kontrollverlust) Schlüsselreize können Erinnerungen an die traumatische Situation auslösen. Trauma Primäre psychische Störungen nach Traumata: 1. Akute Belastungsreaktion (ICD-10: F43.0): Symptome treten unmittelbar nach dem belastenden Ereignis auf (<1Std.); bei Kindern treten regressive Phänomene auf 2. Anpassungsstörung (ICD-10: F34.2x): Symptome treten < 1 Monats auf. Symptomatik dauert max. 6 Monate 3. Posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1): Symptome halten länger als 1 Monat an (Beginn einer Chronifizierung); halten sie länger als 8 Monate an, so ist davon auszugehen, dass keine Remission mehr statt findet. Trauma Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) Trias (3 Cluster): 1. Wiedererleben (Intrusion) 2. Vermeidung 3. autonome (vegetative) Übererregung 05.02.2015 Seite 8 Trauma Sekundäre psychische Störungen: Eine Traumatisierung erhöht das Risiko für die Entwicklung fast aller psychischen Erkrankungen. Dazu gehören: Phobien, Angststörungen, Medikamenten- und Drogenmissbrauch, Suizidalität, Selbstverletzendes Verhalten Trauma Indirekte Risikofaktoren (keine sek. psychische Störung): Zwangsstörung Ess-Störung Emotional-instabile PS (Borderline-Typ und Impulsiver-Typ) Traumatherapie 1 1. Verhaltenstherapie: Hier wird versucht, die schmerzhaften und intrusiven Verhaltens- und Denkmuster zu verändern. Hier finden z.B. Entspannungstechniken und Expositionstechniken ihre Anwendung 2. Psychodynamische Psychotherapie: Hier wird versucht – neben der Vermittlung von Bewältigungsstrategien, Entspannungstechniken und Aktivierung von Ressourcen – die persönlichen Werte eines Menschen zu ergründen und festzustellen, wie Verhalten und Erleben während des traumatisierenden Erlebnisses diesen beeinträchtigt hat. 05.02.2015 Seite 11 Traumatherapie 2 3. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing Entdeckerin: Francine Shapiro; Wirkmechanismus: Intensive Stimulation beider Hirnhälften durch Augenbewegungen, Töne oder kurze Berührungen. Blockierte Erinnerungen sollen dem Verarbeitungsprozess zugeführt werden. 4. Medikamente Je nach Symptomatik kommen folgende Arzneimittel in Frage: Neuroleptika, Anxiolytika, Antidepressiva 05.02.2015 Seite 12 Traumatherapie 3 5. TF- CBT (Trauma Focussed Cognitive Bahavioral Therapy) -Psychoedukation -Elterntraining -Entspannungsverfahren -Affektmodulation -kognitive Umstrukturierung -Auseinandersetzung mit dem Trauma im Narrativ -gemeinsame Eltern-Kind-Sitzungen zur Förderung der Kommunikation 6. Sonstiges: Gestalttherapie, Narrative Therapie.... 05.02.2015 Prof. Dr. Vorname Nachname Themennennung Seite 13 Prinzipien einer Psychotherapie innerhalb einer Traumatherapie 1. Stabilisierungsphase - Gute, Sicherheit vermittelnde therapeutische Beziehung aufbauen. Mehr Kontrolle über die Symptomatik entwickeln Z.B. Imaginationsübungen bei Flashbacks, Alpträumen Sach-Informationen über die Ursache der Erkrankung mit dem Pat. besprechen. Normalität der Reaktionen - Es findet noch keine Bearbeitung des Traumas statt - Einbetten von Entspannungstechniken (Progressive Muskelrelaxation, AT, rezeptive Musiktherapie...) 05.02.2015 Seite 14 2. Traumaberarbeitungsphase - Die Phase der Stabilisierung und die Phase der Traumabearbeitung können sich immer wieder abwechseln - Strukturiertes, dosiertes und kontrolliertes Wiedererleben zentraler Aspekte des Traumas (durch Wiedererleben kommt es zur Integration dieser Erfahrungen in die Gesamtpersönlichkeit) - Veränderung der Bewertung der Situation - Perspektivenwechsel: Statt passives Opfer – aktiv handelnder Überlebender 05.02.2015 Seite 15 3. Integrationsphase - Integration des Geschehenen - Trauerarbeit - Pat. sollen sich stark fühlen 05.02.2015 Prof. Dr. Vorname Nachname Themennennung Seite 16 Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern: Früherkennung und Prävention als (ärztliche) Aufgabe -1Das Gesetz sieht ein dreistufiges Verfahren bei Feststellung gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vor: Gespräch mit Kind od. Jugendlichem und den Personensorgeberechtigten: Hinwirkung auf Inanspruchnahme von Hilfen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Bei Unsicherheiten bzgl. der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung: Anspruch auf Beratung durch eine Fachkraft des Jugendamtes – Erlaubnis zur pseudonymisierten Datenübermittlung Kann die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung nicht durch ein Gespräch nach 1. abgewendet werden, besteht für den Arzt/die Ärztin die Befugnis zur Einschaltung des Jugendamtes unter Mitteilung der erforderlichen Daten. Hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt würde. 05.02.2015 Seite 17 Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern: Früherkennung und Prävention als (ärztliche) Aufgabe -2- Eine Meldepflicht für Ärzte wird durch das Gesetz nicht begründet. Bei Vorliegen eines rechtfertigenden Notstandes gemäß § 34 StGB ist der Arzt/die Ärztin befugt, sich mit den dargestellten Schritten an die zuständigen Behörden zu wenden, ohne damit die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 StGB zu verletzen. 05.02.2015 Prof. Dr. Vorname Nachname Themennennung Seite 18 Trauma Vielen Dank fürs Zuhören! Anregungen, Diskussion, Fragen, Kritik...