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No. 1
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DEUTSCHE MEDTCffiISCHE WOCHENSCHflIFT.
III. Rückblicke auf ein Vierteljahrhundert
Ophthalmologie.
Von IL. Schmidt-lumpier.
Vor 25 Jahren war der grosse Meister und grösste Lehrer der
neueren Ophthalmologic Albrecht y. Graefe schon todt, und unter
dem alarmirenden Trominelwirbel des Sommers 1870 verhallte der
Schmerz üher seinen Verlust. Noch aber lebten zwei andere
Heroen unserer Wissenschaft, Donders und Ant, - auch sie
sind jetzt dahingeschieden und mit ihnen Viele, welche die durch
Helmholtz' geniale Erfindung des Augenspiegels (1851) eingeleitete Periode von Beginn an durchgemacht haben: ich erinnere nur an die Londoner Bowman und Critchett, die Pariser
Desmames und Sichel und an unsere Landsleute Ed. Jäger
und L. Böhm.
Selbstverständlich ist es, dass Männer, wie die eben genannten, in Verbindung mit ihren Schülern die Fundamente und
das Hauptmauerwerk des stolzen Gebäudes der modernen Augen-
DEUTSCHE MEDIC ENTSCHE WOCHENSCHRIFT.
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heilkunde bereits festgelegt und aufgeführt hatten, als die Zeitschrift'
klärung der Farbe der stäbchenlosen Macula nichts beitragen
welche nunmehr ihr 25jähriges Jubiläum feiert, zu erscheinen
negann. L)en Epigonen - und auch hier sind es besonders die
V. Graefe'schen und Arlt'schen Schüler, jetzt zum Theil schon
in der zweiten und dritten Generation
blieb der weitere Aus-
können und dürfte überhaupt nur wenig für das Zustandekommen
des im ophthalmoskopischen Bilde rothen Augenhintergrundes in
Betracht kommen. Ueber die eigentliche Form der Grube des
gelben Flecks gehen die Angaben der Untersucher, auch aus letzter
Zeit, noch ziemlich weit auseinander.
Die übrigen Häute des Auges sind ebenfalls genauer mikroskopisch durchforscht worden, wodurch uns mancherlei neue Erkenntnisse erwuchsen ; besonders hebe ich die Arbeiten über die
Chorioidea und Iris hervor.
Eine hervorragende Rolle, auch von praktischer Bedeutung,
spielt im physiologischen Gebiet die Theorie der Farbenempfindungen: die ältere Young-Helmholtz'sche, auf die verschiedene Einwirkung der Aetherwellen des rothen, grünen und violetten Lichtes
bau, der Fassadenschmuck
und hier und da eine
nothwendige Umgestaltung
übrig, ohne dass aber die
eigentlichen
Grundlagen
wesentliche Aenderungen
zu erfahren brauchten.
Bei der vielfachen Detailarbeit ist es schwierig,
einen befriedigenden Ueberblick des in dieser Zeit
Geschaffenen zu geben:
ich werde mich auf das
besonders Hervortretende
beschränken müssen.
Aus dem Gebiete der
Anatomie und Physiologie war von höchster
E. y. Helmholtz.
Bedeutung die Entdeckung
und Feststellung des Sehcentrums im Hinterhauptlappen, die Möglichkeit der
Anregung von Augenmus-
kelbewegungen von der Hirnrinde her, sowie das Studium der
Augenmuskelkerne. Auch ist es wichtig, dass beim Menschen
die Semidecussation der Optici im Chiasma jetzt als sicher bewiesen
erscheint.
Entschiedene Fortschritte haben wir ferner in der Erkenntiliss der Lagerung der einzelnen Nervenfasern im Opticus gemacht:
hervorragende Beachtung beanspruchen, auch wegen der häufigen
centralen Amhlyopieen (Intoxication samblyopieen), die Fasern,
welche die Macula versorgen. Wir finden sie in der Nähe des
Foramen opticum im Centrum des Sehnerven; doch verlassen sie
dasselbe bald, um am Bulbus den temporalen Rand einzunehmen.
ob
Dass der Opticus neben centripetalen Nervenfasern
unter diesen noch besondere Fasern für Auslösung des Pupillar-
reflexes auf Licht vorhanden sind, bedarf weiterer Untersuchungen
- auch centrifugale führt, scheint ziemlich sicher. Allerdings
hat man über ihre Wirksamkeit nur Vermuthungen; neuerlich sind
lutea bedeutsame Thatsache erwähnt, dass das Gelb der durchsichtigen Macula lutea auf dem Roth des Augenhintergrundes nur
sie mit den Bewegungen
der Netzhautzapfen, die
nicht allein bei Belichtung
des betreffenden Auges,
begründet, hat einen starken Gegner in der Annahme der chemischen Zersetzung einer griln-rothen und gelb-blauen Sehsubstanz
gefunden. Jedenfalls dürfte für die klinische Trennung der
Farbenblinden die Eintheilung in Rothgrün- und Geibblaublinde
die bequemere sein. Eine Reihe neuer, besonders unter Benutzung
der Verwechselungsfarben angegebener Methoden hat die Diagnose
erleichtert. Es ist das für die jetzt eingeflihrte durchgehende
Untersuchung des Eisenbahn- und Marinepersonals von erheblicher
Wichtigkeit. Leider haben sich thatsächlich die Unglücksfälle auf
den Eisenbahnen hierdurch kaum vermindert, wie denn überhaupt
selten ein Fall vorgekommen sein dürfte, bei welchem wirklich der
Daltonismus den Unfall
verschuldete. Eher Ist anzunehmen, dass die jetzt
ebenfalls beim Eisenbahnpersonal eingeführte Seh-
schärfenuntersuchung und besonders ihre Wiederholung ! - einen wahr-
nehmbaren Einfluss auf
Herabsetzung von Zusammenstössen ausüben wird,
da man oft hierbei constatiren kann, mit wie
herabgesetztem Sehvermögen Eisenbahnbeamte
ihreni verantwortlichen
Dienst vorstehen.
Die Zahl der vollständigFarbenblinden hat sich
bei der eingehenderen
Aufmerksamkeit, die man
Ferd. y. Ant.
dieser Frage gewidmet
hat, als nicht gering herausgestellt. Im allgemeinen scheinen die bezüglichen Untersuchun-
gen nicht für die Theorie, dass speziell die Zapfen der Netzhaut
die Farbenempfindung vermitteln, zu sprechen.
sondern auch bei der des
Auch die Helm holtz' sche Accommodationstheorie, nach
anderen oder der Körper- welcher durch Erschlaffung der Zonula Zinnii eine spontane
fläche eintreten, in Ver- stärkere Krümmung der Krystalllinse eintritt, hat neuerdings
bindung gebracht worden. scharfen Widerspruch gefunden. Man hat im Gegentheil eine
Die Netzhaut wurde auf die Linsenperipherie wirkende spannende Zugkraft angenomfortdauernd eingehenden men, welche das Centrum stärker kri.immen, die Peripherie aber
mikroskopischen
Unter- abflachen und nach ruc1värts ziehen soll. Jedoch erscheint letztere
suchungen unterworfen.
Ich erinnere nur beispiels-
Anschauung unhaltbar, wenn man bedenkt, dass, wie neuere Untersuchungen gelehrt, bei stärkster Nahe-Accommodation die Linse sich
weise an die Auffindung
sogar in ihrer Totalität etwas senkt: nur stärkste Zonulaerschlaffung lässt dies erklären.
Ein exacteres Studium hat die Ernährung und der Flüssigkeitswechsel des Auges erfahren. Als gesicherte Thatsache kann
angenommen werden, dass vorzugsweise der Abfluss der Flüssigkeit im Winkel der vorderen Kammer (Filtrationswinkel, Fon t a n a 'scher Raum) stattfindet, wenngleich eine mässige Menge
sich auch durch den Opticus entleert. Als Hauptsecretionsorgan,
wenigstens bezüglich der Ernährung des Glaskörpers und der
durch Protoplasmafortsätze mit einander verbundenen ,,Zwillingsganglienzellen", welche zur
Association von Reizen
innerhalb der Netzhaut
von
F. C. Donders.
dienen könnten. Auch sei
die für die Erklärung des
ophthalmoskopischen Bildes der Macula als Deckfarbe wirkt und so die braunere Nuancirung
hervorruft. Ehe man frische Augen mit der Netzhaut in situ unter-
sucht hatte, konnte man sich letztere nicht deuten, da an älteren
Linse, gelten die Ciliarfortsätze. Dieselben sollen auch das Kammerwasser liefern; jedoch sind die Untersuchungen darüber noch nicht
abgeschlossen, da auch die Vorderfliiche der Iris mit ihren Gefässen an der Absonderung desselben betheiligt erscheint. Dass
Leichenaugen die Macula auf der grauen, undurchsichtigen Netzhaut
die Nerven in gewissem Maasse einen Einfluss auf die Menge des
eine citronengelbe Farbe hat. Die wichtige Entdeckung des Sehpurpurs, bei seinem alleinigen Sitz in den Stäbchen, hat zur Er-
Augeninhalts haben, ist durch eine Reihe experimenteller Versuche sichergestellt. Besonders beweiskräftig ist das neuerdings
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4. Januar.
DEUTSCHE MEDICISCHE WOCHENSCIfflIFT.
beim Menschen constatirto auf fällige Sinken des Augendruckes nach
der Exstirpation des Ganglion cervicale supremum des Sympathicus.
l)ie diagnostischen Meth oden haben mehrfache Erweiterung Ufl(1 eme ausgedehntere Anwendung gefunden. Vor allem
ist die Umgestaltung der Brillenbezeichnung zu nennen: statt der
Messung der Brennweite nach Zoll- wurde die nach Metermaass
eingeführt und die Meterlinse (Brennweite = 1,0 m = 40 Zoll)
mit einer Brechkraft von 1,0 Dioptrie der Eintheilung zu Grunde
gelegt. Weiter ausgebildet wurden die Perimetrie, für welche
eine Anzahl neuer Apparate angegeben sind, ferner die Untersuchung des Lichtsinnes, wo neben dem Förster'schen Apparat
No. 1
Wie die Tuberkulose als Constitutionsanomalie das Sehorgan in
Mitleidenschaft zieht, so sehenwir dasselbe von einer grösseren Reihe
anderer Erkrankungen: der bezügliche Zusammenhang war schon
vor unserer Berichtsperiode grösstentheils bekannt, ist aher während
derselben eingehender studirt worden. So haben besonders die
Affectionen der der Orbita benachbarten Nebenhöhlen neuerdings
die Aufmerksamkeit intensiver erregt. Weitere Forschungen haben
uns vorzugsweise über den Einfluss des Diabetes (verhältnissmässig häufigeres Auftreten centraler Skotome etc.), der Syphilis,
der Alkohol- und sonstigen Intoxikationen, und vor allem der Erkran-
kungen des Centralnervensystems neue Aufschlüsse gegeben. Es
noch zur Bestimmung der Unterschiedsschwelle die Tafeln schwarzer ist hierdurch der Zusammenhang der Ophthalmologic mit der allBuchstaben auf mehr oder weniger intensiv grauem Grunde be- gemeinen I\Iedicin noch mehr gefestigt worden.
nutzt werden, - vor allem die Refractionsbestimmungen. Bei
Zahlreiche und eingehende Arbeiten sind auch zur Erklärung
letzteren hat die objective ophthalmoskopische Feststellung eine des Zustandekommens verschiedener Krankhei tszustitnde gemacht
erhebliche Erleichterung durch neuere Methoden gefunden ; es war worden, ohne dass ein voller Abschluss erreicht worden wäre: es
dies um so erwünschter, da bei den immer häufiger auftretenden ist überhaupt für die Ophthalmologic sehr charakteristisch, dass
Simulationsversuchen, wie sie sich als Folge der neueren Un- sie mehr, als es in anderen Zweigen der Medicin geschieht, den
fall- etc. Gesetzgebung zeigen, ein einfaches Verlassen auf sub- Entstehungsgründen der Affectionen auch nach der physikalischen
jective Angaben nicht rathsam erscheint. Die alte ophthalmo- Seite hin auf die Spur zu kommen sucht. So ist die Frage, wie
skopische Refractionsbestimmung im aufrechten Bilde bot fûr viele die Tensionszunahme bei Glaukom entsteht, vielfach ventilirt worein schwer zu Uberwindendes Hinderniss, da sie die volle eigene den: dass häufig der Verschluss des Kammerwinkels durch VerAccornmodationserschlaffung erforderte. Dieser Uebelstand wurde klebung der Iris mit der Hornhautperipherie, der das Abtiiessen
durch die Refractionsbestimmung im umgekehrten Bilde gehoben, der Augenfltissigkeit hindert, eine Rolle dabei spielt, erscheint
die gleichzeitig die Möglichkeit gab, die Refraction direkt auf der sicher; keinenfalls aber dürfte für alle Glaukomfälle hierin die
Macula lutca zu bestimmen. Vielen noch leichter erscheint die primäre Ursache zu suchen sein.
spiiter erdachte Schattenprobe (Skiaskopie), die allerdings nicht
Auch die mechanische Deutung des Zustandekommens der
mit derselben Sicherheit uns die Stelle des Augengrundes zeigt, Stauungspapille bei Steigerung des Hirndruckes (besonders bei
für welche wir die Bestimmung machen. Die Feststellung vor- Hirntumoren) ist erneuten Untersuchungen unterzogen worden.
handenen Astigmatismus geschieht mit ihr sehr schnell. Für exacte Die Annahme, dass eine Lymphfüllung des subvaginalen Raumes
Messungen ist an Stelle des Helmholtz'schen, schwierig zu des Sehnerven, welche durch Erhöhung des intracraniellen Druckes
handhabenden Ophthalrnorneters das ungemein einfache J a y al - entsteht, ihren hemmenden Einfluss auf den Rdckfluss des Blutes
S chi ötz ' sehe Astigmometer getreten, welches gestattet in wenigen aus der Vena centralis retinae ausübe und so zu einem primären
Minuten den Hornhautradius in den verschiedenen Meridianen zu Papillenödem Anlass gebe (sogenannte Transporttheorie), ist von
bestimmen. Die hiermit angestellten Messungen haben einen neuem vorzugsweise gegen die Theorie vertheidigt worden, welche
genauen Einblick in die verschiedenen Formen des Hornhaut- der Hirnlyrnphe noch besondere phlogogen e Eigenschaften glaubte
astigmatismus gebracht und gleichzeitig den Einfluss unserer zuschreiben zu müssen.
Operationen (Starextraction, Iridektomie etc.) auf Entstehung oder
Zur Erklärung des Zustandekommens der Netzhautablösungen
Veränderung desselben kennen gelehrt.
wurde die Glaskörpei'retractionstheorie aufgestellt: nach ihr ist
Ueberaus zahlreiche Refractionsbestimmungen, wie sie be- das Corpus vitreum primär erkrankt; kleine (mikroskopische)
sonders in Schulen gemacht wurden, haben uns fiber das Zu- Fädchen in demselben, die mit der Netzhaut verwachsen sind,
sta.ndekommen und Fortschreiten der Kurzsichtigkeit aufgekffirt, retrahiren sich und bewirken so einen Netzhautriss, in den sich
so dass man in der That von einer durch tibermässige Nahearbeit eine präretinale, vom Glaskörper abgesonderte Flüssigkeit stürzt
bedingten Schulmyopie sprechen kann. Diese Erkenntniss hat und die Netzhaut abhebt. Vielfache Beobachtungen jedoch, wo
Anlass zu erfolgreichen Maassnah men betreffs ihrer Verhinderung einerseits die Netzhautrisse überhaupt fehlten, andererseits die
geführt (hygienische Schulbauten, geeignete Subsellien, Vermei- Flüssigkeit hinter der Netzhaut sich von derjenigen vor ihr
dung von Ueberbürdung etc.). Wenn auch im allgemeinen die chemisch deutlich unterschied, und auch klinische Erwägungen
einfache Schulmyopie selten eine besondere Höhe erreicht oder haben diese Anschauung, wenigstens für die überwiegende lehreine direkte Gefahr dem Auge bringt, so kann dies doch in Aus- zahl der nichttraumatischen Netzhautablösungen, als unhaltbar
nahmefällen, besonders unter dem Einfluss der Erblichkeit, zweifel- erwiesen; man ist wieder mehr darauf zurückgekommen, dass es
los eintreten. Dass eine angeborene Flachheit der Orbita (Cha- sich um Exsudate oder Transsudate der Chorioidea handle, welche
mäkonchie), wie behauptet, Hauptveranlassung der sich ent- die Solutio retinae bewirken.
Aehnlich ist es der Theorie ergangen, welche das Auftreten
wickelnden Kurzsichtigkeit sei, hat sich in vielfachen Nachuntersuchungen nicht bestätigt. Auf ein anderes wichtiges Re- der sympathischen Ophthalmie durch eine ivligration von Bacterien
sultat dieser Massenbestimmungen sei noch hingewiesen: die ge- aus dem verletzten durch die Sehnervenscheiden in das secunfundene Höhe der Sehschärfe ist viel mehr, als man vor 25 Jahren där erkrankte Auge erklären wollte. Wenn auch die Möglichkeit
dachte, von der Beleuchtung abhängig; bei hellem Tageslicht und einer derartigen Entstehungsweise nicht ausgeschlossen ist, so
im Freien sind Sehschärfen, welche das als Norm angenommene haben sich doch die bisher dafür beigebrachten mikroskopischen und
experimentellen Untersuchungen als durchaus hinfällig erwiesen.
1 bei weitern übertreffen, recht häufig zu constatiren.
S
Auf klinischem Gebiete ist, wie vorauszusehen, die Zahl Da ferner mannigfache klinische Bedenken gegen diese Auffassung
der Krankheitsbilder nicht erheblich gewachsen. Einzelne be- bestehen, so scheint wieder die alte Ciliarnerventheorie mit einer
sondere Formen von Netzhauterkrankungen, die zum Theil mit den neueren pathologischen Anschauungen entsprechenden ModiVeränderungen der Gefässe in Verbindung stehen oder letztere fication zur Geltung zu kommen: durch einen Reflex auf die
allein treffen, sind genauer studirt: es hat sich dabei auch ge- trophischen und vasomotorischen Nerven, den die gereizten Ciliarzeigt, dass die früher in der Regel für ein bestimmtes ophthal- nerven des verletzten Auges, in dem sich immer eine Cyclitis
moskopisches Bild gestellte Diagnose der Embolie der Arteria nachweisen lässt, auf das zweite ausüben, wird eine krankhafte
centralis retinae nicht immer zutrifft, sondern dass es sich öfter Disposition desselben gegeben, welche den etwa im Körper vorum Thrombosen in Folge von arteriellen Erkrankungen handelt; handenen Entzündungserregern (Bacterien, Toxinen) den lokalen
auch venöse Affectionen mit Thrombosirungen sind nicht selten. Angriff erleichtert.
Zahlreiche pathologisch-anatomische Untersuchungen
Ebenso sind besonders einzelne Hornhautaffectionen abgetrennt
haben uns genauere Einblicke in die krankhaften Vorgänge
worden. Von Wichtigkeit erscheint der Befund, dass die Tuberkulose, welche nach früheren Beobachtungen fast nur in der Cho- geschaffen; bekanntlich war es gerade die Hornhaut, deren
rioidea ihren Sitz hatte, die verschiedensten Theile des Aug- pathologische Veränderungen für viele Fragen der Entzündungsapfels (vorzugsweise die Iris und Conjunctiva, weiter Cornea, Skiera, theorie von hoher Bedeutung wurden. Selbstverständlich ist die
Opticus) befallen und dass sie ferner rein lokal auftreten und auch neuzeitige Entwickelung der Bacteriologic auch dem ätiologischen
bleiben kann,
Verständniss der Augenerkrankungen zu gute gekommen, Be,-
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DEUTSCHE MEDICINTSCHE WOCHENSCHEIFT.
sonders die Conjunctival- und Cornealaffectionen haben davon
Nutzen gehabt. Der Nachweis des Gonococcus bei der acuten
Blennorrhoe, der Diphtheriebacillen bei der Diphtheritis conjunc
tivae, aber auch öfter bei der frilher als ziemlich unschuldig aufgefassten Blennorrhoea crouposa, des Tuberkelbacillus bei Tuberculosis conjunctivae, und verschiedener sonstiger gut charakterisirter Bacterien bei leichteren Conjunctivalerkrankungen hat hier
und da den Gedanken wach gerufen, an eine Eintheilung der
Conjunctiviten auf Grund der bacteriologischen Aetiologie zu
gehen. Soweit reichen jedoch unsere Kenntnisse noch nicht: ein-
mal finden wir öfter dieselben Krankheitsbilder trotz Verschiedenartigkeit der Bacterien (so gelegentlich eine typische Blennorrhoea
neonatorum ohne Gonococcen, Conjunctivitis crouposa ohne Diphtheriebacillen, aber mit Staphylococcus pyogenes etc.), andererseits
fehlt uns noch der Infectionstrager, so speciell beim Trachom.
Auch für die Cornealaffectionen Ist trotz Gleichheit der kunischen Erkrankung der Bacterienbefund nicht immer der gleiche:
so ist es sicher, dass recht oft bei Ulcus serpens der Pneumococcus
gefunden wird, aber in anderen Fällen vermissen wir ihn auch
wieder. Wenn man erwägt, dass diese Geschwiirsform in der
tiberwiegenden Mehrzahl der Fälle nach Verletzungen durch Infection mittels des Secrets von Thränensackblennorrhoeen dessen Giftigkeit Hornhautimpfungen an Kaninchen erwiesen
zu stande kommt, und sich dabei die grosse Zahl der in diesem
Secret enthaltenen Bacterien, ganz abgesehen von Toxinen, vor
9
Schalen etc. öfter benutzt. Die neuesten Versuche, Staroperirte
ganz ohne Verband zu lassen, werden diejenigen kaum mitmachen,
welche gesehen haben, dass Kranke selbst noch sechs Tage nach
der Extraction durch Hineinstossen ins Auge sich die Wunde gesprengt und starken Glaskörperverlust erlitten haben.
Die von y. Graefe zur Heilung des Glaukoms angegebene Indektomle hat für die entzündlichen Formen ihre hohe Bedeutung
behalten, wenngleich sie auch hier nicht stets einen dauernden
Effect zu sichern vermag. Beim Glaucoma simplex hingegen ist
nur in seltensten Fällen eine Heilung durch sie zu erwarten, hier
dürfte eher die Skierotomie, nach der man wenigstens nicht wie
nach der Iridektomie öfter sofortige Verschlechterungen eintreten
sieht, zu versuchen sein. Von medicamentösen Mitteln haben sich
das Eserin und Pilocarpin eine hervorragende Stellung in der
Behandlung der glaukomatösen Prozesse erworben ; ihr Erfolg ist
zweifellos betreffs der Herabsetzung der entzündlichen Erscheinungen und der Verlangsamung des Fortschreitens, aber eine wirkliche Heilung durch diese Mittel ist nicht zu erwarten.
Die Schieloperationen haben durch die öfter angewandte Vornähung des Antagonisten oder der Tenon'schen Kapsel eine gewisse
Erweiterung erfahren. Vor allem aber ist der endgiltige Effect
dadurch gebessert, dass man in den geeigneten Fällen grösseres
Gewicht auf Hervorrufen eines binocularen Sehactes durch stereoskopische Uebungen legt.
Einen wesentlichen Nutzen für die Entfernung von Eisen-
Augen führt, so wird man es verständlich finden, dass nicht allein
und stets der Pneumococcus dabei als Infectionsträger wirkt.
Tlierapeutisch haben die, besonders durch die Bacteriologie
gefestigten antiseptischen und aseptischen Verfahrungsweisen
einen ausserordentlichen Gewinn auch der Augenheilkunde ge-
stückchen, die in das Auge eingedrungen sind, hat uns die Anwendung der kleinen und grossen Elektromagneten gebracht, mittels
bracht. Vielleicht nicht in der vollen Höhe, wie ihn die tibrige
die Ptosisoperationen (durch Verbindung eines Hautlappens des
Chirurgie daraus gezogen, da auch schon vor der antiseptischen
Zeit in den Augenkliniken die Eiterungen nicht so häufig waren,
wie in den chirurgischen ! Ein gutes Beispiel bot dafür der Zustand
deren uns die Erhaltung zahlreicher Augen gelingt, die früher verloren gingen.
Bezüglich der vielfachen Methoden der Lidoperationen seien nur
oberen Lides mit dem Musculus frontalis etc.) und die Verwendung
transpiantirter Haut- und Schleimhautlappen erwähnt.
An Stelle der Enucleatio bulbi ist in einen Reihe von Fällen
Ende der sechsziger Jahre in der alten Charité : hier lag die chi- die Exenteratio oder die Neurectomia optico-ciliaris getreten.
rurgische Abtheilung des Professors Jtingken auf demselben Flur
Die Behandlung hochgradiger Kurzsichtigkeit durch Entfernung
wie die Augenabtheilung y. Graefe 's. Wiihrend dort Eiterungen der durchsichtigen Linse ist eine bemerkenswerthe Errungenschaft
(,,pus bonum et laudabile" - neben auch schlechterem Eiter!) der Neuzeit. Wenn sie auch früher schon versucht, so ist sie
und Infectionsfieber nach Operationen so die Regel bildeten, dass doch erst in dem letzten Jahrzehnt methodisch geübt worden.
bisweilen Oberschenkelamputirte längere Zeit in der Anstalt ge- Unten richtiger Indicationsstellung giebt ihr symptomatischer
halten wurden, um den Studirenden zu zeigen, dass auch solche Effect vielen Kurzsichtigen ein erhöhtes Sehvermögen und geOperationen überstanden werden könnten, -- war auf der nahen steigerte Leistungsfähigkeit, ohne dass sie jedoch als ein den
Augenabtheilung der Heilungsverlauf nicht nur der Starextrac- ursprünglichen Krankheitspnozess h ebendes Verfahren betrachtet
tionen, sondern auch der plastischen Operationen in der Regel ein werden könnte.
glatter. Aber auch die verhältnissmässig seltenen Suppurationen
Weniger Erfolg haben die verschiedenen operativen Methoden
sind jetzt durch die Antisepsis auf ein Minimum reducirt worden! der Bekämpfung der Netzhautablösung gehabt. Irrationell und
Es hat dies unverkennbar seinen Einfluss auf die Methoden der im allgemeinen aufgegeben sind diejenigen , welche von der
Operationen, besonders der Starextraction, ausgeübt. Während man Theorie der Glaskörpenretraction ausgehend durch Entzündungsfrüher in den Schnittlagen innerhalb des Hornhautgewebes und vorgänge den Glaskörper umstimmen sollen, wie Einspritzufigen
in dem leichten Kiaffen der Wunde bei Hornhautlappen eine von Jodtinctur, Kaninchen-Glaskörper etc.; ebenso die versuchte
grössere Disposition zu Eiterungen sah und hierdurch veranlasst Durchschneidung miknoskopischer Glaskörperstnänge, deren Erfinder
im Sclerallimbus geführte, mehr lineare Schnitte vorzog, so ist jetzt selbst die erwähnte Theorie verlassen hat. Mehr Wirkung
man jetzt unbesorgt zum Corneallappenschnitt übergegangen, zu- kann man sich von den Punctionen der Sclena zur Entfernung
mal derselbe es gestattet, da er weniger peripher liegt, auf die der subretinalen Flüssigkeit versprechen.
Iridektomie zu verzichten. Es ist nicht mehr die Furcht vor der
Auch die vielversuchte Keratoplastik, um bei total getrübter
Eiterung, welche die Ausführung dieser Operationsmethode in allen Hornhaut den Lichtstrahlen Eingang zu schaffen, hat nur in den
Fällen hindert, als vielmehr das Bedenken, nachträglich noch seltenen Fällen einen dauernden Vortheil gebracht, wo die translästige Irisvorf alle zu bekommen, oder auch bei breiigem Star plantirte Hornhaut noch als Unterlage eine durchsichtige Hornohne Iridektomie keine so vollkommene Entleerung herbeiführen hautschicht mit Erhaltung der Membrana Descemetii fand. Meist
zu können. Dass aber trotz aller antiseptischen Maassnahmen, ist aber bei diesen Kranken auch in der Peripherie genug durchdie im Conjunctivalsack im übrigen nicht mit demselben vollen sichtige Substanz vorhanden, um die Anlegung einer optischen
Erfolge wie auf der Haut ausgeführt werden können, doch noch Iridektomie zu ermöglichen.
die Art und Grösse des Schnittes eine Rolle spielt, erkennen wir
In der Behandlung des Trachoms, dessen zunehmender Verbeim Vergleich zwischen einfachen Iridektomleen mit dem Lanzen- breitung jetzt auch von Staats wegen mit Recht eine erhöhte Bemesser und den Starextractionen: bei ersteren habe ich nie eine achtung geschenkt wird, haben die operativen Methoden gegenSuppuration gesehen, bei letzteren aber
wenn auch überaus über den früheren vorzugsweise medicamentösen eine grössere
selten - bisweilen doch!
Bedeutung erlangt. Man geht mehr auf direkte Zerstörung der
Wenn im allgemeinen schon früher die Ailgemeinnarkose bei Trachomkörner aus, wozu besonders die Galvanokaustik und das
Augenoperationen sparsamer als sonst in der Chirurgie Anwendung Ausquetschen benutzt werden. Für letzteres Verfahren hat sich
fand, so ist sie durch die Entdeckung der anästhesirenden Wirkung als sehr geeignet die Rolipincette bewährt. Selbst die Excision
des Cocamns (1884), dem sich später noch andere Mittel, wie grösserer Partieen von mit Trachomkörnern besetzter Schleimhaut
Holocamn und Eucafn, anschlossen, und durch Benutzung subcukann bei schwerer Erkrankung Vortheil bringen, wird sich aber
taner Injectionen oder Infiltrationen noch mehr in den Hintergrund in der Regel vermeiden lassen. Zur vollen Ausheilung bedarf es
gedrängt worden.
jedoch lang fortgesetzter medicamentöser Behandlung. Das BeAuch den Verband nach den Operationen hat man modificirt: streichen der Schleimhaut mit Jequirityinfusen hat die erwartete
te11e ds Drllokverbandes mit Biiden werdeü mtallne Gitter, Hei1un in tier Mehrzahl der Fdlle nicht gebracht und ist bei
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DEUTSCHE MEDICINJCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1
seiner öfter beobachteten Gefährlichkeit fast überall wieder verlassen worden.
Die Galvanokaustik hat bei einer Reihe von Hornhautprozessen
schöne Erfo'ge zu verzeichnen, vorzugsweise beini Ulcus serpens,
ohne dass man jedoch dabei immer auf die quere Durchsehneidung
des Geschwfirsgrundes verzichten könnte.
Bei einzelnen Affectionen (besonders hei Iritis) haben sich
wiederholte subconj unctivale Inj ectionen von zwei fellosem Nutzen
Wenn wir in obigem in Kürze die wissenschaftlichen Ergebnisse des verflossenen \Tierteljahrhunderts vorgeführt haben,
SO Sei auch noch ein Blick darauf vergönnt, wie sich in dieser
Zeit das Verhältniss der Augenheilkunde zur Oesammtniedicin gestaltet hat. Leider ist nicht alles erreicht worden, was man im
Beginn dieser Periode, wo in Preussen sämrntliche Universitäten
Ordinariate für Ophthalmologic erhalten hatten und eine cntsprechende Prüfung im Staatsexamen eingeführt war, glaubte erhoffen zu diirfen : die Augenheilkunde ist trotz alledem viel
zu viel Specialwissenschaft geblieben! Man hätte erwarten sollen,
dass in Fulge der erwähnten Einrichtungen und bei der Ausbildung, welche die Methodik des Unterrichts ailma hlich gewonnen
hat, der junge Arzt in eben dem Maasse Augenheilkunde liben
würde, wie er innere Medicin, Chirurgie oder Gynäkologie treibt,
--- denn er versteht von ihr beim Abschluss seiner Studiensernester
gerade so viel (oder so wenig), wie er von diesen Fächern versteht.
Dennoch sehen wir, wie meist bald das in der Ophthalmologic
(lelernte, anstatt durch praktische Bethätigung erweitert zu werden, sich allmählich immer mehr verflüchtigt; es ist so bequem,
besonders für den Kassenarzt, seine Patienten zu Augenspecialisten, deren Zahl sich weit liber das erforderliche Maass
vermehrt hat, zu schicken,
und handle es sich auch urn die
einfachsten Krankheiten oder Brillenbestirnmungen! Dabei kann
man nicht einmal sagen, dass dies Verfahren deni Kranken immer
zum Heile gereicht, denn unter den sogenannten Specialisten befindn sich nicht wenige, deren Kenntnisse nur recht mässige sind
und die keine Lust verspüren, mit ihrer Wissenschaft fortzuschreiten. ist ihnen aber einmal der Kranke zugewiesen, so wird
eine weitere Berathung ausserordentlich erschwert, da sie ja selbst
im Olanze der Autorität dem prakischen Arzte gegenüber strahlen.
Viel zu wenig wird es gewürdigt, dass der allgemeine Arzt,
welcher einigermaassen mit der Ophthalmologic, die besonders die
physikalische Auffassung schärft und dabei diagnostisch für die
allgemeine Krankheitsbeurtheilung von höchster Bedeutung ist,
in dauernder Verbindung bleibt, für sich selbst und für seine
Patienten den grössten Vortheil daraus zieht. Allerdings werden
für schwierigere Operationen (auch Ovariotomieen oder Magenresectionen pflegt der praktische Arzt nicht zu machen!) oder fär
verzwickte Fälle Specialärzte erforderlich sein, durch deren besondere Studien gleichzeitig die Wissenschaft Förderung erfährt;
aber sie sollten etwas sparsamer gesät sein als zur Zeit die Augenärzte und dann wirklich durch ihre allgemeinen und Fachkennt-
nisse, sowie durch ihre Erfahrung ein Anrecht auf Autorität
haben. Dann würde auch weniger, als es jetzt öfter zu beobachten
ist, die Behandlung des Kranken unter der Behandlung der speziellen
Krankheit zu kurz kommen!
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erwiesen : während man anfänglich unter Anwendung von Sublimatlösungen vorzugsweise an eine antiseptische Wirkung dachte,
hat man sich jetzt mehr und mehr der Ansicht zugeneigt, dass es
sich um eine durch den Reiz der injicirten Flüssigkeit veranlasste
Verknderung der Blut- und Lymphströmung handle, die ebenso
gut durch Kochsalzlösungen (3 O/ bis G O/() erreicht werden kann.
Als ein wesentlicher Schritt in der Prophylaxe der Blennorrhoea neonatorum, die früher so viele Erblindungen ( man darf
aber wohl sagen, in Folge fehlender oder ungeeigneter Behandlung! ) hervorgerufen hat, sei schliesslich noch die Einträufelung
einer 2 °/0igen Höllensteinlösung in das Auge der Neugeborenen
angeführt. Wenn man auch in anderer Weise (durch andere Antiseptica etc.) der infection vorbeugen kann, so hat gerade der durch
diese Methode gegebene Anstoss das Auftreten der Blennorrhoeen
in den öffentlichen Gebitranstalten fast verschwinden lassen.
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