Tagung: „Geistliche Ermittler“. Religion im

Werbung
Tagung: „Geistliche Ermittler“. Religion im Detektivroman – jüdische, christliche und
islamische Perspektiven
Veranstaltet von der AG „Religion and Literature“, Arbeitsbereich Prof. Dr. Almut-Barbara Renger,
Institut für Religionswissenschaft, Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie
Universität Berlin und dem Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Potsdam.
Voraussichtlich im Juni 2012 (Freie Universität Berlin)
„The mystery is very much the modern morality play. You have an almost ritual killing and a
victim, you have a murder who in some sense represents the forces of evil, you have your detective
coming in – very likely to avenge the death – who represents justice, retribution.” (P.D. James)
Religion und Aufklärung – bis heute wirft dieses vermeintliche Gegensatzpaar immer wieder kritische
Fragen auf nach der menschlicher Natur, Moral und Verantwortlichkeit im Verhältnis zu einer
transzendenten Realität. Als ein Charakteristikum der Moderne haben diese Fragen auch Eingang in
die populäre Literatur, genauer in die Kriminalliteratur, gefunden: Der um Aufklärung eines
Verbrechens bemühte Ermittler fungiert hier nicht nur als Instanz der Vernunft und der logischen
Deduktion, deckt Geheimnisse auf und stellt ein gestörtes Gleichgewicht wieder her. Als Priester,
Mönch oder Rabbiner, der außerdem Verbrechen aufklärt, ist die Figur des „geistlichen Ermittlers“ mit
einer besonderen moralischen Autorität ausgestattet. Darüber hinaus eröffnet sie – als Stellvertreter
einer göttlichen Präsenz – die Möglichkeit einer theologischen und religiösen Reflexion über Fragen
der Schuld, Gerechtigkeit und des Bösen. Gleichzeitig ist das Vertrauen in die allmächtige
Aufklärungsfähigkeit des menschlichen Verstands ein wichtiger Baustein des Detektivromans, so dass
der Ermittler einerseits als allwissende, fast schon gottgleiche, andererseits aber zutiefst säkulare
Figur beschrieben werden kann.
Chestertons Father Brown, Hollands Reverend Claire Aldington oder Kemelmans Rabbi Small zeigen,
dass die literarische Gestaltung dieses Potentials in verschiedenen religiösen Traditionen und
Denominationen verbreitet ist. Neben dem religiösen Hintergrund des Ermittlers kommen dabei auch
dem Setting und Umfeld des Tatorts eine besondere Bedeutung zu: Oftmals sind es gerade als heilig
wahrgenommene Stätten, an denen das aufzuklärende Verbrechen geschieht, Orte wie Kirchen,
Synagogen, Tempel oder Moscheen, die gerade für Sicherheit und göttliche Präsenz stehen. Dieses
Spiel mit der Angst kann als Ausdruck einer tiefgreifenden Verunsicherung des Menschen verstanden
werden, der in der säkularisierten Moderne an religiösen Gewissheiten zweifelt, sich aber gleichzeitig
nach ihnen sehnt. Der „geistliche Ermittler“ scheint somit ein Symbol dieser erhofften göttlichen
Orientierung zu sein.
Der Detektivroman hat in der islamisch geprägten, insbesondere arabischsprachigen Literatur keine
vergleichbare Tradition, wobei eine Rezeption der europäischen Literatur bereits im frühen 20.
Jahrhundert beginnt. Auch hat Fedwa Malti-Douglas (1988) in der arabischen Literatur des
Mittelalters Narrative aufgezeigt, die – mit aller gebotenen Vorsicht – als Vorläufer der Detektive des
19. und 20. Jahrhunderts betrachtet werden können. Diesen Wurzeln möchte die Konferenz ebenso
nachgehen wie der Frage, ob sich „geistliche Ermittler“ in aktuellen arabisch-, türkisch- und
persischsprachigen Detektivromanen finden und unter welchen Voraussetzungen Religion überhaupt
in diesem Kontext verhandelt wird.
Die Tagung möchte jedoch auch Detektivromane in den Blick nehmen, in denen – über die Figur des
Detektivs hinaus – „heilige Orte“ inszeniert werden, die moralische und metaphysische Assoziationen
evozieren. Diese religiösen Räume ermöglichen die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen
Glaubenspraktiken der verschiedenen Denominationen, und deren Implikationen für den
interreligiösen und -kulturellen Dialog. Doch auch prekäre Themen werden verhandelt; so stellt sich
beispielsweise ergänzend die Frage, inwieweit Ritualmorde, die in den letzten Jahren vermehrt Einzug
in die Kriminalliteratur gehalten haben, vor dem Hintergrund archaisch-religiöser Praktiken
interpretiert werden können.
Religiöse und ethische Probleme finden sich auch in den Randgebieten detektivischer
Aufklärungsarbeit – der Umgang und die ständige Nähe des Todes prägen die Protagonisten ebenso
wie die zermürbenden Fragen nach Schuld und Sühne, nach Recht und Gerechtigkeit. Und
Spurensicherung und Gerichtsmedizin, als zentrale Mittel moderner Ermittlungstechnik, können
keine Rücksicht auf Privatsphäre nehmen, sie dringen oftmals rücksichtslos in das Leben von
Verstorbenen und Hinterbliebenen ein und zeigen immer wieder die Grenzen und vielleicht sogar die
Unversöhnlichkeit von Menschenwürde und „Detektion“ auf.
Folgenden Fragestellungen sollen während der Tagung nachgegangen werden:








Welchen Zusammenhang oder welche Wechselwirkung gibt es zwischen dem Aufkommen
geistlicher Ermittler und Themen in der Kriminalliteratur und den jeweiligen
gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Kontexten?
Greift der „geistliche Ermittler“ auf spezifische Traditionen seiner religiösen Denomination bei
der Verbrechensaufklärung zurück? Welche Rolle spielen Verbrechen in den heiligen Büchern
der jeweiligen Religion und werden diese in den Romanen und Erzählungen reflektiert?
Wie werden bestimmte theologische Diskurse über menschliche und göttliche Gerechtigkeit
und die Natur des Bösen in der Kriminalliteratur reflektiert?
Gibt es bestimmte genuine Eigenschaften des Geistlichen, die sich mit denen des Detektivs
ergänzen oder ihnen widersprechen? Welche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede können
hier zwischen den verschiedenen Denominationen festgestellt werden?
Welchen Stellenwert haben interreligiöse Diskurse und kann in diesem Zusammenhang von
einer „aufklärerischen“ Funktion des Detektivromans gesprochen werden?
Spiegelt sich der Umgang mit den Geschlechterrollen in den verschiedenen religiösen
Traditionen auch in der literarischen Darstellung der Detektivfiguren? Welche Unterschiede
sind zwischen weiblichen und männlichen „geistlichen Ermittlern“ auszumachen?
Sind Ritualmorde als religiöse Ersatzhandlungen zu bewerten, und spiegelt sich gerade in
solchen Verbrechen die in der (Post)Moderne immer wieder beklagte Orientierungslosigkeit
des Individuums?
Wie werden moderne Ermittlungstechniken religiös und ethisch bewertet; gibt es überhaupt
einen Diskurs?
Im Mittelpunkt der Tagung soll die literarische Darstellung „geistlicher Ermittler“ stehen, filmische
Adaptionen können am Rande mit berücksichtigt werden.
Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.
Erwünscht sind Beiträge aus allen sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen. Bitte senden Sie
Ihre Vortragsvorschläge (max. 30 Minuten) als Abstract (max. 2.000 Zeichen), zusammen mit einem
Lebenslauf (1-2 Seiten) und einer Publikationsliste bis zum 15.9.2011 per E-Mail
an:[email protected]
Reise- und Übernachtungskosten werden – vorbehaltlich einer Mittelzusage – von den Veranstaltern
übernommen. Eine Publikation der Beiträge wird angestrebt.
Konzept und Organisation: Dr. Anna-Dorothea Ludewig und Anja Kreienbrink, M.A.
Herunterladen