�������������� ������� Alexandre Tharaud II/2008 Frédéric CHOPIN (1810-1849) EMP F 24 Préludes op. 28, Prélude cis-moll op. 45, Petit Prélude As-Dur LEN OH Frederic MOMPOU (1893-1987) VON Música callada Nr. 15, Prélude Nr. 9, El lago Alexandre Tharaud, Klavier HMC 901982 (T01) Ein diskreter Nachbar Alexandre Tharaud wohnt im 12. Arrondissement von Paris. Seine Wohnung ist stilvoll eingerichtet: Bücher, Bilder, Kunstgegenstände und CDs fallen ins Auge, des weiteren Sammlerstücke von berühmten Vorbildern (auf der Toilette blickt Chopins Totenmaske den überraschten Besucher an). Doch wer- den seine Mitbewohner im Haus ihn als ruhigen Nachbarn schätzen, denn eines fehlt in der Wohnung des Pianisten – das Klavier. „Ich habe mich von meinem Klavier getrennt, weil mich mein Instrument überwältigt hat. Ich ziehe es vor, bei anderen Leuten zu arbeiten. Ich habe einen großen Schlüsselbund mit Schlüsseln zu den Wohnungen meiner Freunde. Ich rufe vorher an, um sicherzugehen, daß sie nicht da sin, und nehme nur die Partituren mit, an denen ich gerade arbeite. So bin ich konzentriert und werde nicht abgelenkt.“ Alexandre Tharaud legt aus Alexandre Tharaud Fotos: Marco Borggreve 2 harmonia mundi magazin einer Art von Selbsterhaltungstrieb im Alltag Distanz zwischen sich und sein Instrument; er zieht es vor, mit dem Klavier eine glückliche Fernbeziehung zu führen, wie manche Liebespaare es tun, bei denen jeder die eigene Wohnung behält. Möglicherweise fördert der Abstand zwischen ihm und seinem Instrument auch die Reflexion über die Musik, denn bei aller staunenswerten Virtuosität zeichnet ihn doch eine ungewöhnliche Nachdenklichkeit aus. Die ist freilich auch vonnöten, wenn man wie Alexandre Tharaud mit dem Klavier ein Reper toire vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik pflegt, und das in Zeiten, da man sich gegen die Alleinbesitzansprüche der Cembalisten verteidigen muß, wenn man Bach oder Rameau und Couperin auf dem modernen Flügel vorträgt. Tharaud indessen rechtfertigt sich nicht, er spielt Chopin und Ravel oder Rameau, Couperin und Bach mit einem so untrüglichen Stilgefühl, daß Publikum und Kritik sich angesichts jeder neuen CD in Begeisterungsstürmen ergehen. Vier Tage dauern die Aufnahmesitzungen seiner CDs in der Regel, und am letzten Abend lädt Tharaud die Freunde ein, die ihm ihre Wohnungsschlüssel überlassen haben. Dann können sie hören und erfahren, daß sie in ihren Wohnungen keinem Unwürdigen Arbeitsasyl gewähren. Vier Fragen an Alexandre Tharaud zu seiner neuen Chopin-Einspielung Von welchen Überlegungen sind Sie bei der Zusammenstellung des Programms dieser Einspielung mit den Préludes von Chopin ausgegangen? Der Zyklus der Préludes ist durchdrungen von Gewalt und Tod. Ich liebe es, ihn in einem Zug zu spielen, mit gleichbleibender Anspannung, einem gewissen Angstgefühl – das unterschwellig immer da ist, auch in den heitersten Préludes. Nach dem letzten Prélude ist eine Pause unerläßlich. Es ist nicht leicht, dann fortzufahren. Ich hatte mir eine Fortsetzung nach Art eines Dialogs vorgestellt: den Préludes As-dur und op. 45 und den drei nachgelassenen Etüden – die den Eindruck machen, als hätte Chopin sie ebensogut als Préludes bezeichnen können – habe ich spiegelbildlich eine Entsprechung jüngeren Datums und intimeren Charakters gegenübergestellt, Stücke von Federico Mompou. Chopin und Mompou – beide haben ihr Schaffen nahezu ausschließlich dem Klavier gewidmet... In ihrer Wesensart, ihrer künstlerischen Entwicklung, der Ausschließlichkeit, mit der sie sich dem Klavier gewidmet haben, ihrem Klangsinn und ihrer seelenvollen Melodik sind sie sich ähnlich. Diese beiden Komponisten haben vieles gemeinsam. Als Pendant zum op. 28 habe ich drei Stücke des katalanischen Komponisten ausgesucht. Música callada XV (Schweigende Musik) ist eine ganz konkret auf das vierte Prélude gemünzte Hommage, die von diesem die Form und den atemlosen Rhythmus übernimmt und den unausweichlichen Absturz nachahmt. Frédéric CHOPIN Sämtliche Walzer EMP F mit Alexandre Tharaud bereits erschienen: LEN OH VON HMC 901927 (T01) ung estens Beweg nau n ge t er ci h an „Tharaud bal entfaltet den außergewö s, s in au p g o n h la C K n und htum vo ic re gs n u m zwischen lichen Stim einzelne Stück icht und es d je aß d ew Walzern, so ganz, emotionalem G le eginnt.“ salonhafter E iefe zart zu changieren b T gedanklicher M U R O F FONO Mompou hat selbst auch einen Zyklus von Préludes geschrieben, von denen meiner Ansicht nach das neunte das gefühlvollste und stimmungsvollste ist. In seiner Harmonik erinnert es ganz erstaunlich an einen anderen Komponisten, der Chopin ebenfalls als seinen geistigen Vater ansah, an Alexander Scriabin. Schließlich wollte ich diese Einspielung in besinnlicher Stimmung enden lassen, und zwar mit dem wundervollen, elegischen Prélude El lago (Der See). Ich habe dieses Stück bei meinen Konzerten nach den vierundzwanzig Préludes von Chopin häufig als Zugabe gespielt, als eine Antwort auf ihre Gewaltsamkeit. Die Stille im Publikum war jedesmal beeindruckend. Diese CD steht in einer Reihe mit den Walzern, die Sie jüngst eingespielt haben. Welche Bedeutung hat Chopin für Sie? Er ist zunächst einmal der Komponist, den ich am häufigsten gespielt habe, derjenige, der mich immer wieder aufs neue tief bewegt. Diese Préludes begleiten mich seit meinen Studienjahren am Konservatorium. Sie erinnern mich insbesondere an meinen langen Aufenthalt in Kanada, wo ich mich, gerade dem Jugendalter entwachsen, in völlige Abgeschiedenheit zurückgezogen habe, um mich ausschließlich mit diesen Stükken zu beschäftigen. Seither haben sie in mehreren wichtigen Phasen meines Lebens eine zentrale Rolle gespielt. Auf welchem Klavier haben Sie sie eingespielt? Auf einem acht Jahre alten Steinway D. Er erinnert mich manchmal an Einspielungen aus den fünfziger Jahren. Es ist kein ganz neues Instrument, ich liebe Klaviere, die eine Geschichte haben. Dieser ist von Hand zu Hand gegangen und hat im Laufe der Zeit einen unvergleichlichen Klang und Anschlag – ich würde sagen „Patina“ – angenommen. harmonia mundi magazin 3 EMP F LEN OH VON W. A. MOZART (1756-1791) Lieder und Klavierstücke Werner Güra, Tenor & Christoph Berner, Fortepiano HMC 901979 (T01) Werner Güra Foto: Monika Rittershaus An der Quelle des Kunstlieds Von den ersten Kompositionen des Wunderkindes Wolferl bis in sein letztes Lebensjahr spannen sich die Lieder Mozarts. Sie sind vielleicht seine privatesten Werke und spiegeln doch auch eine Entwicklung wider, die auf das Kunstlied des 19. Jahrhunderts hinausläuft, die Königsgattung romantischer Kammermusik. Von Kind auf dürfte Wolfgang von Liedgesang umgeben gewesen sein, populäre Lieder und humorvolle Kanons begleiteten zweifellos den Alltag im Hause Mozart, das ein zwar arbeitsam geschäftiger, aber sicher kein freudloser Ort gewesen ist. Im Herbst 1768 entstand das erste Lied des damals Zwölfjährigen, es trägt den Titel An die Freude und die KöchelVerzeichnisnummer 53. Der von Johan Peter Uz gedichtete Text beginnt Christoph Berner mit den Worten „Freude, Königin der Weisen“ und hat natürlich mit Schillers 1785 entstandener Ode nicht das geringste zu tun. Die Entstehungszeiten von Mozarts etwa 30 Lieder verteilen sich unregelmäßig über die Perioden seines Schaffens, beinahe ein Drittel ist 1787 entstanden. Aus innerem Antrieb Lieder zu schreiben, ist Mozart offensichtlich nicht in den Sinn gekommen, alle Lieder scheinen für jeweils bestimmte Anlässe entstanden zu sein. Die erste Gesamtausgabe von 1799 faßt sie unter der Rubrik „Gelegenheits- und Gefälligkeitsstücke“ zusammen. „Wie oft schrieb Mozart zum Abschiede eines Freundes oder einer Freundin ein Liedchen in ihr Stammbuch!“, weiß der frühe Biograph und Gatte von Mozarts Witwe Constanze, Georg Nikolaus Nissen. An Auftragsarbeit wie die Menge der für den kaiserlichen Hof komponierten Tanzmusik ist bei den Liedern nicht zu denken. Etliche wurden für die Frei- maurer geschrieben, und 13 Lieder sind bereits zu Mozarts Lebzeiten im Druck erschienen, darunter Das Veilchen, Abendempfindung an Laura und Sehnsucht nach dem Frühlinge, sie gaben offenbar den passenden Stoff für die Hausmusik des gehobenen Bürgertums und des Adels ab. Vielfältig sind die Formen von Mozarts Liedern: Die meisten sind Strophenlieder, einige wenige auch durchkomponiert, leicht Singbares steht neben kleinen dramatischen Szenen. Zu letzteren gehört seine wohl einzige Vertonung eines Textes von Goethe, Das Veilchen. Die Komposition ist auf den 8. Juni 1785 datiert, die musikalische Gestaltung der Komposition wechselt mit dem Fortgang des Textes, von der pastoralen Zustandsbeschreibung des Anfangs über die Trauer des Veilchens, nicht die „schönste Blume“ zu sein, bis hin zur Grobheit, die im achtlosen Zertreten der Blume liegt – von Mozart quasi rezitativisch vertont. Franz SCHUBERT Schwanengesang EMP F mit Werner Güra und Christoph Berner bereits erschienen: LEN OH VON HMC 901931 (T01) der ahme von berücken der „Eine Referenzaufn it m , te tralischer Dich Intimität und thea Ruf als erstklassiger Werner Güra seinem macht.“ re Liedersänger alle Eh DFUNK N RU ER HESSISCH 4 harmonia mundi magazin Vor Fälschungen wird gewarnt! Mit dieser Anzeige kündigte der Verleger John Walsh in der London Daily Post die offizielle Veröffentlichung von Händels Orgelkonzerten op. 4 in seinem Musikverlag an, und knappe zwei Wochen später annoncierte Händel in der gleichen Zeitung: „Diese sechs Konzerte wurden von Herrn Walsh nach einer von mir selbst verfertigten und korrigierten Vorlage gedruckt, und nur ihn habe ich dazu ermächtigt.“ Das Problem „Raubkopie“ ist nicht erst zu Zeiten von MP3-Playern entstanden, schon lange vor der Existenz eines rechtlich verbürgten Urheberrechts hatten sich Komponisten mit unautorisierten Veröffentlichungen ihrer Musik herumzuschlagen. Daß es sich hierbei meistens ausgerechnet um ihre größten Erfolgsstücke handelte, liegt auf der Hand – natürlich suchten sich die Raubdrucker Publikumsschlager aus, die schnelles Geld versprachen. Die Komponisten mußten sich mit der offiziellen Drucklegung ihrer Werke sputen, um sich nicht um den finanziellen Erfolg betrogen zu sehen. Unzuverlässige Drucker scheinen überdies ein verbreitetes Phänomen gewesen zu sein, lernte doch Kollege Telemann in Hamburg extra das Stechen von Druckplatten, um fehlerhaften Veröffentlichungen seiner Kompositionen entgegenzuwirken, und Händel überprüfte die Ausgabe dieser Orgelkonzerte ja auch, bevor er sie durch das Qualitätssiegel der Echtheit autorisierte. Nach dem Ende seiner anderthalb Jahrzehnte andauernden Glücks- G. F. HÄNDEL (1685-1759) Orgelkonzerte op. 4 Academy of Ancient Music, Orgel und Leitung: Richard Egarr HMU 807446 (U01) strähne als Opernkomponist hatte sich Händel ab den 1730er Jahren seiner eigenen Erfindung des English Oratorio zugewandt, und wieder gab ihm der Erfolg beim Publikum recht. Auch als Organist konnte er Triumphe feiern wie einst in Italien, wo er sich als junger Mann mit Domenico Scarlatti einen sensationellen Virtuosenwettstreit geliefert hatte. Johann Mattheson, als Musikschriftsteller seinerzeit eine Autorität wie Marcel Reich-Ranicki für den heutigen Literaturbetrieb, lobte Hän- dels Orgelspiel mit den Worten: „Insbesondere geht wohl Händeln so leicht keiner im Orgelspielen über; es müßte Bach in Leipzig sein.“ Mattheson, der Bach um 14 und Händel um fünf Jahre überlebte, dürfte genauso bedauert haben wie viele heutige Musikfreunde, daß eine Begegnung zwischen Bach und Händel nie zustande gekommen ist: Unzweifelhaft hätte auch er diese Zusammenkunft als ein Gipfeltreffen zweier gekrönter Häupter im Reich der Musik empfunden. Foto: Richard Haughton „In Anbetracht dessen, daß eine nicht autorisierte und fehlerhafte Ausgabe der sechs Konzerte des Herrn Händel für das Cembalo oder die Orgel in Umlauf ist, die ohne das Wissen oder Einverständnis des Autors erschienen ist, geben wir hiermit bekannt, daß derzeit eine Ausgabe … nach dem Originalmanuskript des Herrn Händel und von ihm selbst korrigiert im Druck ist, die in wenigen Tagen erscheinen wird.“ Academy of Ancient Music mit der Academy of Ancient Music und Richard Egarr bereits erschienen: G. F. HÄNDEL Concerti grossi op. 3 HMU 807415 (U01) emy of ng klingt die Acad „Unter Egarrs Leitu ramentvoller als bei früpe lichen Ancient Music tem Unabhängig vom üb Egarr . en m heren Aufnah nt Tutti und Solo span Wechsel zwischen “ n. ge Bö ische aufregende dramat ER RUNDFUNK H C TS EU D NORD harmonia mundi magazin 5 EMP F Sergej RACHMANINOFF (1873-1943) VON LEN OH 14 Lieder Dimitri SCHOSTAKOWITSCH (1906-1975) Fünf Lieder op. 98, Spanische Lieder op. 100 Iris Oja, Mezzosopran & Roger Vignoles, Klavier HMU 907449 (T01) Das russische Lied zwischen Romantik und Moderne Zar Peter der Große hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts Rußland aus der Isolation herausgeführt und das Riesenreich nach Westen geöffnet; er hatte gewissermaßen die Fenster des russischen Hauses aufgerissen und die alten Traditionen mit dem Wind des modernen Europa weggefegt. Zum Zeichen seiner absolutistischen Revolution hatte er in den Sümpfen Nordrußlands seine neue Hauptstadt St. Petersburg, das Venedig des Nordens, gegründet. Vom Westen kam auch eine neue Musik, im Hoftheater wurden Opern von Galuppi, Paisiello oder Cimarosa aufgeführt, italienische und französische Komponisten besetzten die entscheidenden Positionen und bildeten russische Musiker heran. Am Ende des 18. Jahrunderts erwachte indessen die russische Seele in der Musik, man entdeckte die reichen Traditionen des russischen Volkslieds und so konnte sich allmählich eine nationale russische Musik herausbilden. Der Kampf gegen Napoleon am Anfang des 19. Jahrhunderts führte Rußland endgültig in den Kreis der europäischen Mächte und brachte auch den Kontakt mit den geistigen Strömungen des Kontinents mit sich. So erreichte die Romantik mit ihrer Emanzipation des Gefühls und einem bisher nie dagewesenen Kult um das Individuum Rußland; sie förderte an den Universitäten und innerhalb des sich auch im Zarenreich formie6 harmonia mundi magazin renden Bürgertums das Entstehen einer nach geistiger Unabhängigkeit strebenden intellektuell gebildeten Schicht und befruchtete den Prozeß eines Erwachens der russischen Nationalkultur. In dieser Atmosphäre entstand das russische romantische Lied, in dem Dichtung und Musik zu einer Kunst verschmelzen, die erstmalig das Sehnen und Fühlen der Menschen zum Inhalt hat. Sergej Rachmaninoff stand am Ende der Epoche der russischen romantischen Musik, von ihm, dem mit persönlichen Bekenntnissen zurückhaltenden Künstler, ist eine ungewöhnlich offene Stellungnahme überliefert: „In der Musik eines Komponisten sollte das Land seiner Herkunft zu spüren sein, seine Liebesgeschichten, seine Religion, die Bücher, die ihn beeindruckt haben, die Bilder, die er liebt. Sie sollte die Summe der Erfahrungen des Komponisten sein.“ Dieses Postulat setzt Rachmaninoff nirgendwo deutlicher um als in den 82 Liedern, die er zwischen 1890 und 1916 komponiert hat und die auch seine Stilentwicklung von den Moskauer Studienjahren bis an die Grenze des Fluchtjahrs 1917 widerspiegeln, als er aus dem von der Oktoberrevolution erschütterten Rußland in die Vereinigten Staaten floh. Schostakowitsch schrieb seine Musik angesichts einer feindlichen Kulturpolitik stets im Spagat zwischen eigenem Anspruch und den wachen Augen und Ohren der Zensur. Seine Lieder zeugen indessen nicht von dieser Spannung; sie entstanden ohne die erzwungene Doppelbödigkeit seiner großen sinfonischen und kammermusikalischen Kompositionen. bereits erschienen: RUSSISCHE ROMANTISCHE LIEDER Kompositionen von Peter Tschaikowsky, Michail Glinka, Alexander Dubuque u. a. Kaia Urb, Sopran & Heiki Mätlik, Gitarre HMU 907386 (T01) ngen sehnsuchtsvoll gesu „Hingebungs- und leitet und -besaitet von eg von Kaia Urb, zartb assischen Gitarre … kl r de an ag, Heiki Mätlik cht zu träumen verm ni D C er Wer bei dies cht zu helfen.“ dem ist ohnehin ni CHE O WIRTSCHAFTSW Die letzte Blüte der venezianischen Oper Nachdem Vivaldi 1714 mit seiner Oper Orlando finto pazzo das Opernpublikum seiner Heimatstadt im Sturm erobert hatte, begann eine glühende künstlerische Liebesaffäre zwischen dem Komponisten und den Theatern der Serenissima, die ein Vierteljahrhundert andauern sollte. Vorher war Vivaldi dem venezianischen Publikum in erster Linie als Violinlehrer und Komponist von Instrumentalmusik bekannt gewesen, all heutiger „Ein Glücksf tation“ re Vivaldi-Interp LT E W OPERN ufnahme“ „Exzellente A PIEGEL SS DER TAGE Berühmtheit hatte er auch als Virtuose auf der Violine und Viola d’amore erlangt. Doch schon seit seinen ersten Kompositionen im Jahr 1703 hatte Vivaldi einen sicheren Sinn für dramatische Wirkungen in der Musik gezeigt, seine Instrumentalmusik war voller expressiver Theatralik, eine Oper ohne Worte. Übertragen auf ein Bühnenwerk, war sein dramatisches Genie geradezu berufen, der dahinsiechenden venezianischen Oper neues “ „Ein Ereignis IT E Z DIE Wurf“ „Ein großer UNDFUNK SÜDWESTR Leben einzuhauchen. Mit Vivaldi geht die jahrhundertelange Geschichte des venezianischen Opernstils zuende. Nach ihm eroberten die Neapolitaner die Opernhäuser der Lagunenstadt und ersetzten ihr althergebrachtes künstlerisches Idiom durch den galanten Stil. Vivaldi hatte der venezianischen Oper eine letzte Blüte beschert. es Plädoyer „Ein glänzend für Vivaldi“ TER FRANKFUR ZEITUNG E IN E M ALLGE rühende „Eine funkensp Interpretation“ STEREO Antonio VIVALDI (1678-1741) Antonio VIVALDI (1678-1741) Antonio VIVALDI (1678-1741) Juditha triumphans – Höhepunkte Magdalena Kožená (Juditha) – Maria José Trullu (Holofernes) – Marina Comparato (Vagaus) u. a. – Academia Montis Regalis, Leitung: Alessandro De Marchi OPS 30-450 (M01) L’Olimpiade – Höhepunkte Sara Mingardo (Licida) – Roberta Invernizzi (Megacle) – Sonia Prina (Aristea) u. a. – Concerto Italiano, Leitung: Rinaldo Alessandrini OPS 30-451 (M01) La verità in cimento – Höhepunkte Sara Mingardo (Melindo) – Nathalie Stutzmann (Damira) – Philippe Jaroussky (Zelim) u. a. – Ensemble Matheus, Leitung: Jean-Christophe Spinosi OPS 30-452 (M01) auch als Gesamtaufnahme erhältlich: OPS 30-314 (M03) auch als Gesamtaufnahme erhältlich: OPS 30-316 (M03) auch als Gesamtaufnahme erhältlich: OPS 30-365 (M03) harmonia mundi magazin 7 Komponist und Interpret in vollendeter Harmonie Virtuosität, rhythmische Kraft und Gesanglichkeit kennzeichnen Éric Tanguys Musik für Violoncello – das war jedenfalls der Eindruck von Anne Gastinel, als sie sich Mitte der 1990er Jahre erstmals mit der Musik ihres komponierenden Landsmanns auseinandersetzte. Die beiden waren sich 1994 ganz zufällig begegnet: Tanguy wartete auf das Ergebnis eines Cellowettbewerbs am Pariser Konservatorium, bei dem Anne Gastinel Mitglied der Jury war. Und da Tanguy, damals Stipendiat an der Villa Medici in Rom, gerade ein Solostück für Cello, Trois Esquisses, geschrieben hatte, beschloß sie, das Werk zu studieren. Augenblicklich stand sie im Bann dieser Musik: Akribisch erdacht und doch von großer Einfachheit war sie wie für sie gemacht. Sie fühlte sich in totaler Übereinstimmung mit der Klangwelt und dem poetischen Éric TANGUY (*1968) Cellokonzert Nr. 1 & 2 Anne Gastinel, Violoncello – Orchestre National de France, Leitung: Alain Altinoglu AV 5078 (T01) Universum dieses Komponisten, der noch dazu so gut für ihr Instrument schrieb. Tanguy seinerseits war fasziniert von der souveränen Art, mit der die Musikerin sich seiner Musik näherte, ja ihm sogar Aspekte enthüllte, die ihm selbst bisher verborgen geblieben waren. Éric Tanguy hörte seine Werke, doch in Anne Gastinel hatte er mehr als eine Interpretin gefunden, vielmehr ein musikalisches Ebenbild, das sich auf seine eigene Entwicklung künftig spürbar auswir- ken würde. Anne Gastinel überwand schnell ihre anfängliche Scheu, den Erwartungen Tanguys nicht gerecht werden zu können, wenn sie seine Musik für ihn spielte. Mittlerweile empfinden beide Künstler eine einzigartige Verbundenheit, wie sie auch Schostakowitsch und Rostropowitsch zueigen war: Die Musikerin verleiht dem schöpferischen Klangtraum des Komponisten eine körperliche Realität, die sogar seine Vorstellung noch an Schönheit übertreffen kann. Wo ich bin, da ist die deutsche Kultur… hatte der von den Nazis ins Exil gezwungene Thomas Mann selbstbewußt festgestellt und sich damit an die Spitze der vielen Emigranten gestellt, die im Deutschland Adolf Hitlers nicht mehr leben konnten oder wollten. Bruno Walter – als Nachfolger Gustav Mahlers langjähriger Leiter der Wiener Oper, später Musikalischer Direktor der Münchner Oper und enger Freund Thomas Manns – war als Jude natürlich auch vom Bannstrahl der Nazis betroffen. Zunächst zog er sich nach Österreich zurück, nach dem Anschluß 1938 war auch dort seines Bleibens nicht mehr. Über die Zwischenstation Frankreich emi- Ludwig van BEETHOVEN (1770-1827) Sämtliche Sinfonien New York Philharmonic, Leitung: Bruno Walter UAR 019 (D06) grierte er 1939 mit 63 Jahren in die USA, wo er die befreundete Familie Mann wiedertraf. Wie für viele deutsche, insbesondere jüdische Emigranten wurden die Vereinigten Staa- mit Bruno Walter und New York Philharmonic bereits erschienen: eurs glühende D ung, te al W an m „Hört ie Ahn efällt einen d en. … tungen, so b m eh ßes zu vern wirklich Gro s-Deutungen vermitm Walters Brah ken von Wahrheit, tiefe n u F teln einen motion.“ nd höchste E u ät Humanit OM KLASSIK.C 8 harmonia mundi magazin Johannes BRAHMS Die vier Sinfonien UAR 004.3 (G03) ten für Bruno Walter eine neue Heimat – 1946 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Bruno Walters Einsatz für das Musikleben seines neuen Landes war von demselben Elan geprägt, der schon sein Wirken in Deutschland und Österreich ausgezeichnet hatte. Das New York Philharmonic wurde zunächst sein wichtigster Partner für Schallplatteneinspielungen; 1944 beging er mit dem Orchester sein Goldenes Berufsjubiläum und blieb ihm bis ins hohe Alter verbunden. George GERSHWIN (1898-1937) Rhapsody in Blue, Ein Amerikaner in Paris Maurice RAVEL (1875-1937) Konzert für die linke Hand D-Dur Pascal Rogé, Klavier – RSO Wien, Leitung: Bertrand de Billy OC 623 (Q01) Ein Amerikaner in Paris und ein Pariser in Amerika Ravel und Gershwin – die beiden hatten mehr gemein, als man auf den ersten Blick und beim ersten Anhören ihrer Musik ahnt. Der ältere Franzose begann als Impressionist und brachte als einer der Ersten Blues und Foxtrott in die europäische E-Musik – der jüngere Amerikaner wiederum gilt als der Erfinder des „symphonischen Jazz“ und übernahm aus Europa viel vom französischen Impressionismus. Beide erkannten das Genie und die Ausnahmestellung des jeweils anderen neidlos an. „Ich möchte Gershwin kennenlernen und spielen hören“, wünschte sich Ravel 1928 in New York zu seinem 53. Geburtstag. Gershwin kam und spielte fast sein ganzes Repertoire. Ravel seinerseits revanchierte sich an diesem Abend am Klavier nicht wie sonst mit seinem Boléro, sondern mit Gershwins Rhapsody in Blue. Und Gershwin bat den 23 Jahre älteren Ravel sofort, ob er ihn als Schüler annehmen und Harmonie und Instrumentation leh- Bertrand de Billy ren würde. Ravels Antwort: „Sie sind ein erstklassiger Gershwin, warum wollen Sie ein zweitklassiger Ravel werden?“ mit Pascal Rogé und dem RSO Wien unter Bertrand de Billy bereits erschienen: George GERSHWIN Concerto in F Maurice RAVEL Klavierkonzert G-Dur OC 601 (Q01) „Die pianistische Entdeckung des Jahrhunderts!“ Franz SCHUBERT (1797-1828) Klaviersonate B-Dur D 960, Ländler D 790 Leon Fleisher, Klavier UAR 021 (P01) Fähigkeiten von jeher ein traumwandlerisch sicheres Stilgefühl und eine außerordentliche musikalische Reife auszeichneten. Auf dem Höhepunkt seiner internationalen Karriere widerfuhr dem Künstler 1965 die Katastrophe: Eine Nervenkrankheit lähmte seine rechte Hand. Fleisher ließ sich indessen nicht entmutigen, er konzentrierte sich auf seine Unterrichtstätigkeit, das EMP F Mit diesem Ausruf begrüßte Pierre Monteux, seinerzeit Chefdirigent des San Francisco Symphony Orchestra, den 14jährigen Leon Fleisher auf der Weltbühne der Musik, als er ihn 1942 einlud, unter seiner Leitung mit dem ersten Klavierkonzert von Brahms sein Debüt als Konzertpianist zu feiern. Der triumphale Erfolg wurde in der nächsten Spielzeit wiederholt, am 4. Dezember 1944 fand dann, ebenfalls unter Monteux, diesmal aber mit den New Yorker Philharmonikern, das Debüt in der Carnegie Hall statt, die eigentliche Pianistenweihe des nun 16 Jahre jungen Mannes. Artur Schnabel, unter dessen Fittichen Leon Fleisher seit seinem 9. Lebensjahr als Pianist herangewachsen war, hielt weiter seine Hand über das Ausnahmetalent, und so wuchs ein Klavierspieler heran, den neben staunenswerten virtuosen LEN OH VON Dirigieren und studierte das kleine aber exquisite Solorepertoire für die linke Hand und gab neue Kompositionen in Auftrag. 1998 schließlich geschah das Wunder – eine Kombination von Massagen und Injektionen revitalisierte seine rechte Hand; seither ist Fleisher auch mit einem ausgewählten Repertoire auf das Konzertpodium zurückgekehrt. harmonia mundi magazin 9 W. A. MOZART (1756-1791) Messe C-Dur „Così fan tutte“ KV 235e, Sinfonie C-Dur KV 551 „Jupiter-Sinfonie“ Siri Thornhill, Sopran – Ursula Eittinger, Alt – Hubert Nettinger, Tenor, Stefan Geyer, Baß – German Mozart Orchestra, Leitung: Franz Raml OC 916 (M01) Messe und Oper Hand in Hand Vincenzo Bellini lieferte dem opernsüchtigen 19. Jahrhundert reichlich Stoff zu enthusiastischer Begeisterung, begonnen hat er allerdings als Komponist geistlicher Musik. Und ausgerechnet Mozarts lange Zeit als frivol eingestufte Oper „Così fan tutte“ lieferte die Grundlage für eine Bearbeitung als Messe. 1801 wurde Vincenzo Bellini im sizilianischen Catania als Sohn und Enkel zweier Domkapellmeister geboren, und so war es nur natürlich, daß er im Bannkreis der Kirchenmusik aufwuchs. Früh zeigte der kleine Vin- cenzo musikalische Begabung: Von klein auf komponierte er weltliches, aber auch geistliches Repertoire. Unter der Anleitung seines Großvaters Vincenzo Tobia, Kapellmeister am Dom von Catania und in Neapel einst Schüler des weltberühmten Opernkomponisten Nicola Porpora, empfing Vincenzo junior die ersten Unterweisungen in seinem Metier. Die Manuskripte dieser beiden nur aus den Sätzen Kyrie und Gloria bestehenden Messen sind in Neapel aufbewahrt, wieder weiß die Legende, daß der junge Komponist sie am Königlichen Konservatorium zur Erlangung eines Studienplatzes in Komposition eingereicht haben soll. Ausgerechnet Così fan tutte, die Oper Mozarts, die prüden Sittenwächter des 19. Jahrhunderts als zu frivol erschien, wurde um 1800 von einem unbekannten Arrangeur zum Gegenstand einer Meßbearbeitung gemacht. Schon in vergangenen Jahrhunderten war es gängige Praxis, beliebte Melodien zur Grundlage geistlicher Kompositionen zu machen, und so kann der Umstand, diese Oper zur Vorlage Vincenzo BELLINI (1801-1835) Messen in G-Dur & D-Dur Cinzia Forte & Paoletta Marrocu, Sopran – Stefano Ferrari, Tenor – Lorenzo Regazzo, Baß – Chor und Orchester ‘Accademia I Filarmonici’, Leitung: Maurizio Ciampi NEI 224175 (I01) 10 harmonia mundi magazin eines – im übrigen durchaus geschickt ausgeführten – Arrangements zu machen, nur den Rückschluß erlauben, daß gerade diese der drei italienischen Opern, die Mozart gemeinsam mit dem Textdichter da Ponte schuf, in der Zeitenwende vom 18. zum 19. Jahrhundert populär gewesen ist. Der Bearbeiter wollte eine Missa solemnis in C-Dur schaffen, zu diesem Zweck verwendete er die Mozart-Oper als Steinbruch und fügte die ausgewählten Teile unter gelegentlichen leichten Veränderungen zu einem neuen Stück zusammen, das auf dieser CD in Ersteinspielung erklingt. Das Werk ist in Stimmen aus der Hand des letzten Abtes des Klosters Rot an der Rot, Nikolaus Betscher, überliefert. Das Manuskript befindet sich im Archiv des Klosters, das heute im Schwäbischen Landesmusikarchiv, Universität Tübingen, aufbewahrt wird. Edward ELGAR (1857-1934) Sämtliche Klavierlieder Vol. 1 Amanda Roocroft, Sopran – Konrad Jarnot, Bariton – Reinild Mees, Klavier CCS 27507 (T01) Durch die Liebe zum Lied erwacht Sir Edward Elgar, der hochverehrte Nestor der englischen Musik, brauchte eine lange Zeit, bis er sich als Komponist etablieren konnte. Die erste Zeit in seinem Metier war bestimmt davon, Musikverleger mit Bitten um die Annahme kleiner Stücke zu behelligen. Im Laufe der 1890er Jahre, als er sich mit seinen frühen Werken für Chor und Orchester allmählich einen Namen machen konnte, besserte sich die Lage schließlich; der endgültige Durchbruch gelang Elgar erst 1899 im Alter von 41 Jahren mit den Enigma Variationen. Anders als bei vielen seiner zeitgenössischen Kollegen stand das Lied nicht am Anfang von Elgars Kompositionstätigkeit, erst seine zahlreichen Liebesaffären ab etwa Mitte Zwanzig scheinen seine Fantasie in diesem Genre beflügelt zu haben. 1888, mit 30 Jahren, entstand das Lied The Wind at Dawn auf einen Text seiner zukünftigen Frau Caroline Alice Roberts, die seine Violinschülerin war und bereits mit Gedichten und kleinen Novellen hervorgetreten war. Besonders in seiner orchestrierten Fassung zeigt das Lied bereits eine bemerkenswerte Nähe zu den Sea Pictures op. 37, die elf Jahre später als Zyklus von fünf Orchesterliedern entstanden sind und einen immensen Erfolg ernteten. Die Solistin der Uraufführung der Klavierversion der Sea Pictures, Clara Butt, dürfte mit ihrer eindrucksvollen Größe von über 1,80 m und ihrer äußerst ausdrucksstarken Stimme dazu beigetragen haben, daß Queen Victoria sich den Zyklus am 30. Oktober von Clara Butt und Edward Elgar auf ihrem schottischen Schloß Balmoral vortragen ließ. Dirigenten als Komponisten „Es steckt in Ihnen die volle Gabe des Komponisten in der großen Bedeutung des Wortes.“ Als Franz Liszt 1863 diese Worte an seinen Freund, den Dirigenten Hans von Bülow, richtete, war es schon nicht mehr selbstverständlich, daß ein Dirigent auch komponierte und andererseits ein Komponist seine Werke auch selbst aufführte. Seitdem der Kapellmeister nicht mehr wie zu Haydns Zeiten am Cembalo durch den Generalbaß das Ensemble zusammenhielt, war seine Rolle auf die eines Taktschlägers geschrumpft. Erst große Komponisten wie Weber und Wagner haben den Mythos des Dirigenten im heutigen Sinn geschaffen, Weber holte ihn auf seinen heute angestammten Platz vor dem Orchester, Wagner begründete mit ausladenden und befeuernden Bewegungen das interpretierende Dirigieren. Lieder großer Dirigenten Lieder von Hans von Bülow, Bruno Walter und Clemens Krauss Petra Lang, Mezzosopran – Michael Volle, Bariton – Adrian Baianu, Klavier OC 808 (M01) Die Generationsgenossen Mahler und Strauss waren in der Doppelrolle als dirigierender Komponist schon eine Seltenheit, in der folgenden Generation wurde das Komponieren für einen Dirigenten beruflich vollends zur Nebensache. Dabei blieb es für viele eine Herzensangelegenheit, so verstanden sich auch Otto Klemperer und Wilhelm Furtwängler im Kern ihres Wesens mehr als hervorbringende denn als reproduzierende Künstler. Die vorliegende CD vereint Kompositionen von drei Generationen zu einem musikgeschichtlichen Kaleidoskop. Während Hans von Bülow ganz in der deutschen romantischen Tradition des Liedes wurzelt, verarbeitet Walter Einflüsse seines Lehrmeisters und Freundes Mahler, Clemens Krauss wiederum zeigt in seinen 1920 erschienen Liedern Affinität zum Jugendstil. harmonia mundi magazin 11 Lyrische Miniaturdramen In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stand in Frankreich das kurze und bündige Air sérieux in Blüte. Das Publikum liebte die Abwechslung ebenso wie es dem Reiz der Neuheit verfallen war. Das galt für das Theater, den Tanz und die Musik. Die den Airs sérieux zugrundeliegende Dichtung wurde Galanterie genannt, „Delikatesse“, „Heiterkeit“, „Zartheit“ und „Ungezwungenheit“ waren die Eigenschaften, die man hier von den L’Esprit galant Airs von Antoine Boësset, Michel Lambert, Sebastien le Camus, Robert de Visée & Marc-Antoine Charpentier Johannette Zomer, Sopran & Fred Jacobs, Theorbe CCS 24307 (T01) eingeaufeinander lende t k fe er p as „D ie iteinander sp stellte und m nau die richtige ge Team findet en der Vermittlung ch is zw Balance ser g und virtuo n u m m ti der S Verzierung.“ O CRESCEND mit Johannette Zomer und Fred Jacobs bereits erschienen: SPLENDORE DI ROMA Lieder und Solostücke für Theorbe von Kapsberger, Mazzocchi, Rossi & Landi CCS 19903 (T01) Dichtern erwartete und die auch in Bezug auf die Musik angewandt wurden. Die Charakteristika der Airs sérieux wurden allerdings nicht allein auf den Text und die Musik dieser filigranen Kunstwerke angewandt, sie bildeten auch den Rahmen der Anforderungen an ihre Interpreten. In seinem 1668 entstanden Gesangslehrbuch hebt Bénigne de Bacilly die Bedeutung der Aussprache hervor, die sich von der Alltagssprache zu unterscheiden habe – keine Silbe darf vernachlässigt werden, die rechte Balance zwischen Ausdruck und Leichtigkeit macht den Style galant aus. Für den Gesang galt der römische Stil als maßgeblich, der mit seiner Expressivität jedem Wort seine gefühlsmäßige Bedeutung verlieh. Doch auch der Verstand und das natürliche Gefühl durften bei einem gelungenen Air nicht zu kurz kommen. Zur Begleitung seiner Airs empfiehlt Michel Lambert, der fruchtbarste Komponist dieser Stücke, die Theorbe (Baßlaute). Fred Jacobs verwendet für die vorliegende CD eine nach Abbildungen der Zeit angefertigte französische Theorbe, da von diesen für Lambert in Frage kommenden Instrumenten keines die Jahrhunderte überlebt hat. 77 Jahre auf dem Spielplan der Pariser Oper Jean-Jacques Rousseau war ein echtes Allround-Talent: Philosoph, Pädagoge, Romanautor und Komponist. Seit 1742 in Paris ansässig, wurde er der Autor der musikalischen Artikel in der Encyclopédie von Diderot und d’Alembert, die das gesamte Wissen ihrer Zeit vereinen sollte. 1752 errang sein Einakter Le Devin du Village bei der Uraufführung am Hoftheater von Fontainebleau spontan einen großen Erfolg, der sich an der Pariser Oper wiederholte. Der charmante Einakter wurde zum Modell für die Gattung der Opéra comique und blieb an der Pariser Oper bis 1829 im Repertoire. Der im republikanischen Genf geborene Rousseau, der geistige Wegbereiter der französischen Revolution, 12 harmonia mundi magazin Jean-Jacques ROUSSEAU (1712-1778) Le Devin du Village Eva Kirchner, Sopran – Dongkyu Choy, Tenor – Thomas Müller de Vries, Baß – Chor ‘Gottardo Tomat’ – Alpe Adria Ensemble, Leitung: René Clemencic NEI 231120 (I01) war alles andere als ein Royalist. Als er König Ludwig XV. als der Komponist der neuen Erfolgsoper vorgestellt werden sollte, entzog er sich der Ehrung. Dadurch entging ihm möglicherweise die Zuweisung einer Jahrespension durch den König, die den Intellektuellen für den Rest seines Lebens von seinen häufigen Geldsorgen befreit hätte. Salon und musikalische Arche Noah DERPREIS ZUM SONisie-Katalog o mit Ambr 008 2 Gabriel FAURÉ (1845-1924) EMP F Gabriel Fauré war ein häufiger Besucher einiger Pariser Salons, in denen der Schriftsteller Marcel Proust ebenfalls verkehrte. Tatsächlich gibt es zwischen beiden Künstlern deutliche Parallelen: Prousts langer, von vielen eingeschobenen Sätzen unterbrochener Satzbau, mit seinen durch Analogie verbundenen Zellen ist der Melodik von Fauré vergleichbar. Faurés Melodie entwickelt sich in einer gewundenen Linie ohne Wiederholungen; eine Abfolge von Zellen, die von einer zur anderen führen, mit einer Logik, die ebenso zwingend wie unvorhersehbar ist. Prousts Sprache, reich an Adjektiven, subtil in ihren Aufzeichnungen und neue Einblicke vermittelnd, ist auch die von Fauré in seinen gewagten Harmoniefolgen, seinen schnellen und vergänglichen Modulationen, seine harmonischen Abwege, die genauso plötzlich und sicher die Tonalität wiederfinden wie Prousts eingeschobene Sätze in das Ende des Satzes einmünden. LEN OH Alle Werke für Violoncello und Klavier (inkl. Sonaten Nr. 1 d-moll op. 109 & Nr. 2 g-moll op. 117) Ophélie Gaillard, Violoncello & Bruno Fontaine, Klavier AMB 130 (I01) VON Faurés Cellosonaten sind wie viele andere Werkgruppen (zwei Geigensonaten, zwei Streichquartette, zwei Klavierquintette) paarweise entstanden. Besonders seit 1906 macht sich in Faurés Werk eine Dualität bemerkbar, mit der Ambivalenz zwischen Dur und Moll, der Wechselbeziehung zwischen Tonalität und Modalität und der Uneindeutigkeit gewisser harmonischer Funktionen. Sowohl strukturell wie auch empfindungsmäßig offenbaren die jeweiligen Werkpaare große Kontraste, und diese Pluralität ist nicht unbedeutend für den Eindruck der Allgegenwart, der beim Anhören dieser Werke entstehen kann, ein merkwürdiger und paradoxer Eindruck einer Musik, die gleichermaßen durchdringend wie unfaßbar, gleichermaßen präzis wie unberechenbar ist. Gegensätze ziehen sich an Trio Chausson · Foto: Jeanne Brost Zwei deutlich unterschiedliche Klaviertrios vereint diese CD. Die Gattung war kein beliebtes Genre in der französischen Kammermusik: Chausson revitalisierte mit seinem Opus 3, seinem ersten größeren Werk, ein in Frankreich fast ausgestorbenes Genre, und als Ravel sich 1914 an die Komposition seines Klaviertrios machte, hatte zuletzt Saint-Saëns 1892 sein zweites Trio geschrieben. Chausson, Schüler von Massenet und Franck, hatte gerade eine Absage sei- Ernest CHAUSSON (1855-1899) Klaviertrio G-Dur op. 3 Maurice RAVEL (1875-1937) Klaviertrio a-moll Trio Chausson MIR 049 (T01) ner Bewerbung um den Prix de Rome erhalten (dasselbe sollte Ravel später auch widerfahren), als er sich 1881 während eines Sommeraufenthaltes in der Schweiz an die Komposition seines Trios machte. Melancholie und Überschwang, die beiden emotionalen Pole in Chaussons Leben, bestimmen das Werk, das zu seinen Lebzeiten unveröffentlicht blieb, erst 1919 erschien es im Druck. Ravels Arbeit an seinem Trio stand ganz im Bann der formalen Aspekte, er räumte später einmal ein, die Struktur des Trios noch vor der Erfindung der Themen bis ins kleinste ausgearbeitet zu haben. Die Arbeit erwies sich als mühsam: „Ich komme mit dem Trio nicht vorwärts und es wird mir richtig zuwider.“ Das konnte keine Zuneigung zu dem fertigen Stück ergeben. „Ich ziehe das natürliche Gelingen meines Quartetts der konstruierten Meisterschaft meines Trios vor.“, sagte er den Musikern der Uraufführung. harmonia mundi magazin 13 Wiener Melange Schönberg und die Schrammelbrüder: Das sind Wien-, Wein- und WalzerTraditionen bis hin zur Zwölftönig- keit. Ohne Wien, diesen Völker- und Musik-Schmelztiegel der Donaumonarchie, wäre Arnold Schönberg, wie wir ihn kennen, nicht denkbar. Das beweisen mit dieser ebenso intelligen- SCHÖNBERG & DIE SCHRAMMELBRÜDER Musik von Arnold Schönberg, Johann Schrammel, Friedrich Cerha u. a. Klangforum Wien – Jenny Renate Wicke & Walter Raffeiner, Stimme COL 20276 (T01) ten wie vergnüglichen CD die in allen Stilen bewanderten Interpreten vom Klangforum Wien sowie die unverwechselbaren Stimmen von Jenny Renate Wicke und Walter Raffeiner. Im klugen Wechsel zwischen bodenständigem Schrammel-Repertoire, Schönbergs Serenade, Auszügen aus dem Pierrot lunaire bis hin zur Gegenwart in Gestalt von charmant-bissigen Chansons von Friedrich Cerha, werden da verblüffende Bezüge hörbar, Querverbindungen geknüpft und ein Konsens gestiftet, der nach süßer Heurigen-Traurigkeit klingt… Reflektierter Umgang mit musikalischem Material Welches sind die großen Motoren musikalischen Fortschritts? Neben dem seit Schönberg geltenden Wiederholungsverbot zeichnet sich die Differenzierung als Kandidat ab. Nun sind in den letzten Dezennien die musikalischen Gebiete weidlich ausgelotet worden … die Intervalle wurden feiner und feiner unterteilt, die Rhythmen wurden feiner und feiner aufgespalten … die Pianissimi wurden noch leiser, die Kontraste zum berstenden Schlag noch größer. … Im Spektrum dieser Positionen nimmt die Handschrift von Mathias Spah- linger eine besondere Stellung ein. Sein Zugriff auf die Vermittlung von Gegensätzen, die tendenziell von einer Verwandlung von allem in alles führt, zeigen dessen reflektierten Umgang mit dem musikalischen Material, ja mit dem Metier des Komponierens selbst. Mathias SPAHLINGER (*1944) Furioso, Gegen unendlich, fugitive beauté, Apo do Ensemble Modern, Leitung: Hans Zender – ensemble recherche – Arditti Streichquartett KAI 0012692 (T01) Der wesentliche Gegenstand ist unsichtbar Vier Toteninseln sind musikalische Übermalungsstudien der Vier Ernsten Gesänge von Johannes Brahms; ein Alterswerk, Gesänge des Trostes über die zunehmend in persönliche Gewißheit übergehende Einsicht irdischer Vergänglichkeit, wirken diese wie eine mit Bibeltexten abgesicherte Uferstelle, von der aus der Blick in einen dunklen Raum fällt, in den Raum des Diesseits: Nachdem die Vorstellungen eines Jenseits im Lauf Johannes KALITZKE (*1959) Vier Toteninseln, Six Covered Settings Thomas E. Bauer, Bariton – Thomas Larcher, Klavier – Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Leitung: Johannes Kalitzke – Stadler Quartett KAI 0012702 (T01) 14 harmonia mundi magazin unserer neuzeitlichen Geschichte mit ihren über Jahrhunderte fortschreitenden Säkularisierungstendenzen immer undeutlicher geworden sind, werden die Phänomene des Todes in unserer Gegenwart oft gänzlich verdrängt; eine Fassade von äußerlich lebensbejahender Zerstreuung verstellt die Sicht auf jeden Bereich außerhalb der eigenen Zeiterfahrung. Böcklins Toteninsel ist hierfür ein passendes Gleichnis: Was sich hinter den Gestaden der Insel verbirgt, hinter Stille und Finsternis, ist keine Frage des Glaubens mehr, vielmehr eine der Vorstellung der Phantasie geworden. Der wesentliche Gegenstand ist unsichtbar. Magische Klangwelten Die Idee eine Ensembles aus Klavieren und Schlaginstrumenten entstand zuerst in Strawinskys Die Hochzeit. Kurz darauf entwickelte Bartók, der oft den perkussiven Aspekt des Klaviers betont hat, diesen Gedanken in seinen Orchesterwerken weiter. In seiner Sonate für zwei Klaviere und Perkussion hat er einen neuen instrumentalen Archetyp geschaffen, der von nachfolgenden Komponisten, wie von denen in dieser Aufnahme präsenten, aufgegriffen worden ist. Doch sind es für diese Komponisten nicht so sehr die rhythmischen und dynamischen Elemente, die das Klavier mit den verschiedenen Schlaginstrumenten verbinden, wie es noch für Strawinsky und Bartók der Fall war, es ist vielmehr die ganze Reihe von Klangmöglichkeiten – das Set verschiedener Farben – durch die eine Idee einer Makrokosmos – Magical Worlds of Sound Werke von George Crumb (*1929), Stefano Gervasoni (*1962) und Georg Friedrich Haas (*1953) Makrokosmos Quartet: Ufuk & Bahar Dördüncü, Klavier – François Volpé & Sébastien Cordier, Percussion HAT CD 170 (T01) Verschmelzung der beiden Einheiten provoziert. Ein Charakteristikum der gewaltigen Vielfalt an Schlaginstrumenten, die im Laufe der letzten 100 Jahre aus aller Welt hinzugekommen sind, ist tatsächlich die außerordentliche Mannigfaltigkeit der jeweiligen Klangeigenschaften, bei denen die Schlag- und Resonanzarten – die Art, wie Klänge erklingen, klingen und wieder verklingen. Die Werke von Crumb, Gervasoni und Haas sind auf solchen Reihen von Klängen aufgebaut, die neue Arrangements und neue Artikulationsarten erfordern. Jedes Werk hat seine eigene Klangfarbenreihe, die das Grundmaterial der Komposition darstellt. … weitere interessante Neuheiten Emmanuel NUNES (*1941) La Main noire, Improvisation II – Portrait, Versus III Christophe Desjardins, Viola – Emmanuelle Ophèle, Flöte AECD 0756 (T01) Albert ALAIN (1880-1971) Orgelwerke Marie-Claire Alain, Orgel CALL 9750 (T01) Deutsche Lautenmusik des 18. Jh. Vol. 2 Kompositionen von Johann Michael Kühnel, Johann Friedrich Daube & Rudolph Straube Alberto Crugnola, Barocklaute SY 06221 (T01) harmonia mundi magazin 15 Getanzte Weltliteratur Der Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit von Marcel Proust gehört zu den Hauptwerken der Literatur des 20. Jahrhunderts. Roland Petit, Choreograph von Weltruf, hat sich der Aufgabe gestellt, das immense Werk als Ballett zu gestalten. Nur zu gut wußte der Schriftsteller selbst um seine Einzigartigkeit: In der Einsamkeit seines von Kampferdämpfen erfüllten Zimmers schrieb der asthmakranke Marcel Proust von 1908 bis zu seinem Tod 1922 seinen „Welt-Roman“. Selten fühlte er sich stark genug, seinen Zufluchtsort zu verlassen und fast noch seltener fühlte er das Bedürfnis dazu. Um das Universum seines Romans zu gestalten, brauchte er nur seine Erinnerungen und Zeitungsausschnitte. So brachte der Sohn aus vermögender Familie, der lange Zeit als schöngeistiger Müßiggänger gegolten hatte, im Siechtum doch noch den großen Wurf zustande und schuf seinen eigenen dichterischen Kosmos. Mit der chronologischen Erzählweise hatte Proust gebrochen und konzentrierte sich auf die Erinnerungen des Erzählers, eines empfindsamen jungen Mannes aus einer gutbürgerlichen Familie in Paris, der den Wunsch hegt, Schriftsteller zu werden. Marcel Proust versuchte, PROUST Ballett von Roland Petit zu Musik von Beethoven, Debussy, Fauré, Franck, Hahn, Saint-Saëns & Wagner Ballett und Orchester der Opéra National de Paris, Leitung: Koen Kessels BAC 032 (W01) die Wahrheit der Seele zu begreifen, das Leben in seiner Bewegung, wie es keiner anderen Ordnung unterworfen ist als dem Hin und Her der gefühlten Erinnerungen des Erzählers. Mit der Uraufführung des Balletts Proust ou Les intermittences du cœur 1972 durch sein zwei Jahre zuvor gegründetes Ballet de Marseille hat Roland Petit 1974 als Erster eine choreographische Fassung des Romans vorgelegt und ist damit der Verfilmung der Vorlage zuvorgekommen, wie sie Volker Schlöndorf mit Un amour de Swann 1984 erstmalig reali- mit dem Ballett der Opéra National de Paris bereits erschienen: und Laurent „Isabelle Guérin des Ballet de der Hilaire, Mitglie n l de Paris, glänze na io at N l‘Opéra en llen und führ in den Hauptro ptcharaktere mit die beiden Hau gsvermögen in un großem Einfühl r Gefühle und re ih das Labyrinth .“ en ft Leidenscha KLASSIK.COM Signes Ballett von Carolyn Carlson zu Musik von René Aubry BAC 018 (W01) 16 harmonia mundi magazin Le Parc Ballett von Angelin Preljocaj zu Musik von W. A. Mozart BAC 009 (W01) sierte. Bald stand das Ballett weltweit auf dem Programm, bevor es 1988 in Paris aufgeführt wurde. Es war nicht Petits Anliegen, eine werkgetreue Übertragung des Romans vorzulegen. „Was ich von Proust übernommen habe, ist eine Substanz, die mir viel bedeutet“, sagt er. Die Schriftstellerin Edmonde Charles-Roux hat an der Darstellung mitgearbeitet, indem sie das choreographische Potential der von Roland Petit ausgewählten Textstellen in Form brachte. Und was könnte verlockender sein als die Welt von Marcel Proust, die „an Szene so reich ist, in denen alles Bewegung im Raum ist“ und wo die Geste oft mehr zu sagen hat als das Wort. Möchten Sie unser harmonia mundi magazin gesamte „Getragen wird das ispielbe n de Konzept durch e techdi d un z haften Einsat r Tänzer, nische Perfektion de sng die sich der Bewegu hrieben sc r ve ns lso ar C sprache atik als St hl wo so d un haben wegung, Be auch unerbittliche tion ak str Präzision und Ab “ n. tze zwingend umse KLASSIK.COM regelmäßig lesen? Wir schicken es Ihnen gerne kostenlos zu. 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