Prof. Dr. Thomas Straubhaar Universität Hamburg Wintersemester 2010/2011 Vorlesung 21-60.373 Außenwirtschaftspolitik donnerstags, 8:30 bis 10 Uhr Audimax 1 1 Modul 3: Theorie des internationalen Handels (II) 4. November 2010 2 Einführung • Es gibt zwei wesentliche Gründe, weshalb Nationen Außenhandel betreiben: Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ressourcen oder ihrer Technologie. Sie möchten Größenvorteile und zunehmende Skalenerträge nutzen. 3 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft • Das Standardmodell des Handels basiert im wesentlichen auf vier Beziehungen: der Beziehung zwischen Transformationskurve und relativer Angebotskurve der Beziehung zwischen relativen Preisen und relativer Nachfrage der Bestimmung des Weltgleichgewichts durch relatives Weltangebot und relative Weltnachfrage den Auswirkungen der Terms of Trade auf die Wohlfahrt einer Nation 4 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft • Produktionsmöglichkeiten und relatives Angebot Annahmen des Modells: – Jedes Land produziert zwei Güter, Lebensmittel (F) und Textilien (C). – Die Transformationskurve (TT) jedes Landes hat einen gleichmäßigen Verlauf. Der Punkt der Transformationskurve, in dem eine Volkswirtschaft tatsächlich produziert, hängt vom relativen Preis der Textilien in Lebensmitteln, PC/PF, ab. Isowertlinien – Linien, auf denen der Marktwert des Outputs konstant ist. 5 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft Abbildung 5.1: Relative Preise bestimmen die Produktionsmengen Lebensmittelproduktion, QF Isowertlinien Q TT Textilproduktion, QC 6 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft Abbildung 5.2: Die Auswirkung eines Anstiegs des relativen Textilpreises auf das relative Angebot Lebensmittelproduktion, QF Q1 Q2 TT VV1(PC/PF)1 VV2(PC/PF)2 Textilproduktion, QC 7 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft • Relative Preise und Nachfrage Der Wert des Konsums einer Volkswirtschaft ist gleich dem Wert der Produktion: PCQC + PFQF = PCDC + PFDF = V Welchen Punkt auf der Isowertlinie die Volkswirtschaft wählt, hängt von den Präferenzen ihrer Verbraucher ab. Diese können grafisch durch Indifferenzkurven dargestellt werden. 8 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft Indifferenzkurven – Jede zeigt verschiedene Mengenkombinationen von Textilien (C) und Lebensmitteln (F), deren Konsum ein Individuum jeweils gleichermaßen zufrieden stellt. – Sie zeichnen sich durch drei Eigenschaften aus: – Sie haben einen fallenden Verlauf. – Je weiter oben und außen eine Indifferenzkurve liegt, desto höher das Wohlfahrtsniveau, dem sie entspricht. – Jede Indifferenzkurve wird nach rechts hin flacher. 9 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft Abbildung 5.3: Produktion, Konsum und Handel im Standardmodell Lebensmittelproduktion, QF Indifferenzkurven D Lebensmittelimporte Q TT Textilexport Textilproduktion, QC 10 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft Wenn der relative Textilpreis, PC/PF , ansteigt, dann wandert der Konsumpunkt von D1 nach D2. – Die Verschiebung von D1 nach D2 widerspiegelt zwei Effekte: – den Einkommenseffekt – den Substitutionseffekt – Der Einkommenseffekt kann so stark ausfallen, dass bei einem Anstieg von PC/PF der Konsum beider Güter zunimmt, während zugleich der Textilkonsum im Verhältnis zum Lebensmittelkonsum sinkt. 11 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft Lebensmittelproduktion, QF Abbildung 5.4: Auswirkungen eines Anstiegs des relativen Textilpreises D2 D1 Q1 Q2 VV1(PC/PF)1 TT VV2(PC/PF)2 Textilproduktion, QC 12 Anhang: Darstellung des internationalen Gleichgewichts mit Tauschkurven Abbildung 5A.1: Der von Inland gewünschte Handel bei einem gegebenen relativen Preis Importe von Inland, DF - QF Angestrebter Lebensmittelimport T PC/PF O Angestrebter Textilexport Exporte von Inland, QC - DC 13 Anhang: Darstellung des internationalen Gleichgewichts mit Tauschkurven Abbildung 5A.2: Die Tauschkurve von Inland Importe des Inlandes, DF - QF C T2 T1 O Exporte des Inlandes, QC - DC 14 Anhang: Darstellung des internationalen Gleichgewichts mit Tauschkurven Abbildung 5A.3: Die Tauschkurve von Ausland Exporte des Auslandes, Q*F – D*F F O Importe des Auslandes, D*C – Q*C 15 Anhang: Darstellung des internationalen Gleichgewichts mit Tauschkurven Abbildung 5A.4: Die Tauschkurven im Gleichgewichtszustand Lebensmittelimporte des Inlandes, DF– QF Lebensmittelexporte des Auslandes, Q*F – D*F C E F Y O X Textilexporte des Inlandes, QC – DC Textilimporte des Auslandes, D*C – Q*C 16 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft • Die Wohlfahrtswirkungen veränderter Terms of Trade Terms of Trade (reales Tauschverhältnis) – der Quotient aus dem Preis des Exportguts und dem Preis des Importguts einer Volkswirtschaft. – Ein Anstieg der Terms of Trade erhöht die Wohlfahrt eines Landes, ein Rückgang seines realen Tauschverhältnisses verringert sie. 17 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft • Wirtschaftswachstum: eine Verschiebung der Kurve des relativen Angebots Ist Wirtschaftswachstum in anderen Ländern gut oder schlecht für unsere Nation? – Es kann unserer Nation nützen, weil es unsere Exportmärkte vergrößert. – Es kann zusätzliche Konkurrenz für unsere Exportfirmen mit sich bringen. Ist Wachstum von größerem oder von geringerem Wert, wenn ein Land in eine eng verflochtene Weltwirtschaft eingebunden ist? – Es müsste von größerem Wert sein, wenn ein Land einen Teil seiner gesteigerten Produktion auf dem Weltmarkt absetzen kann. – Es ist von geringerem Wert, wenn die Vorteile des Wachstums nur dem Ausland zugute kommen. 18 Standardmodell einer Handel treibenden Volkswirtschaft • Internationale Wachstumseffekte Exportlastiges Wachstum in der übrigen Welt verbessert unsere Terms of Trade, importlastiges Wachstum im Ausland verschlechtert unsere Terms of Trade. Exportlastiges Wachstum in unserem eigenen Land verschlechtert unsere Terms of Trade und mindert dadurch die direkten Handelsgewinne, während importlastiges Wachstum unsere Terms of Trade verbessert. 19 Kapitel 1 Einführung Kapitel 6 Skalenerträge, unvollständiger Wettbewerb und internationaler Handel 20 Skalenerträge und internationaler Handel: ein Überblick • Außenhandelsmodelle, die auf dem komparativen Vorteil basieren (z. B. das Ricardo-Modell), gehen von konstanten Skalenerträgen und vollständigem Wettbewerb aus: Eine Erhöhung des Faktoreinsatzes steigert die Produktionsmenge im selben Verhältnis. • In der Praxis weisen viele Branchen aber zunehmende Skalenerträge auf. Ihre Produktion ist umso effizienter, in je größerem Maßstab sie durchgeführt wird. 21 Skalenerträge und internationaler Handel: ein Überblick • Zunehmende Skalenerträge bedeuten: Die proportionale Zunahme der Produktionsmenge übersteigt die proportionale Erhöhung der eingesetzten Faktoren. Die Durchschnittskosten (Stückkosten) sinken mit zunehmender Marktgröße. 22 Skaleneffekte und Marktstruktur • Man unterscheidet zwei Arten von Skaleneffekten: Externe Skaleneffekte – Die Kosten pro Einheit hängen von der Größe der Branche, nicht aber unbedingt von der Größe des Unternehmens ab. – Die Branche besteht typischerweise aus zahlreichen kleinen Unternehmen und ist von vollständigem Wettbewerb gekennzeichnet. Interne Skaleneffekte – Die Kosten pro Einheit hängen von der Größe des Unternehmens, nicht aber unbedingt von der Größe der Branche ab. – Die Marktstruktur ist von unvollständigem Wettbewerb gekennzeichnet. Große Unternehmen genießen gegenüber kleineren Unternehmen einen Kostenvorteil. Beide Arten von Skaleneffekten sind wichtige Ursachen für Außenhandel. 23 Monopolistischer Wettbewerb und Außenhandel • Anhand des Modells des monopolistischen Wettbewerbs lassen sich folgende Wirkungen des Außenhandels nachweisen: ein durch Skaleneffekte bedingter niedrigerer Durchschnittspreis eine durch Produktdifferenzierung bedingte größere verfügbare Produktvielfalt Importe und Exporte innerhalb jeder Branche (intrasektoraler Handel) 24 Die Theorie externer Skaleneffekte • Skalenerträge, die nicht auf Unternehmens-, sondern auf Branchenebene anfallen, bezeichnet man als externe Skaleneffekte. • Es gibt drei Hauptgründe, weshalb ein Unternehmenscluster effizienter sein kann als ein isoliertes Einzelunternehmen: spezialisierte Anbieter Arbeitskraft-Pooling Wissensexternalitäten 25 Die Theorie externer Skaleneffekte • Spezialisierte Anbieter In vielen Branchen erfordert die Produktion von Gütern und Dienstleistungen sowie die Entwicklung neuer Produkte den Einsatz hoch spezialisierter Geräte oder unterstützender Dienstleistungen. Der von einem einzelnen Unternehmen gebotene Markt ist zu klein, um deren Anbietern das Überleben zu sichern. – Ein geografisch konzentriertes Branchencluster führt viele Unternehmen zusammen, die gemeinsam einen so großen Markt bilden, dass ein breites Spektrum spezialisierter Anbieter davon existieren kann. – Dieses Phänomen ist in Bezug auf die Halbleiterindustrie in Silicon Valley ausführlich dokumentiert worden . 26 Die Theorie externer Skaleneffekte • Arbeitskraft-Pooling Ein Unternehmenscluster kann einen Pool hoch qualifizierter Arbeitskräfte herstellen. Dies ist von Vorteil für – die Produzenten – Die Wahrscheinlichkeit von Arbeitskräftemangel wird gesenkt. – die Arbeitnehmer – Das Risiko der Arbeitslosigkeit nimmt ab. 27 Die Theorie externer Skaleneffekte • Wissensexternalitäten Wissen ist in hoch innovativen Branchen ein wichtiger Produktionsfaktor. Das Spezialwissen, das über den Erfolg in innovativen Branchen entscheidet, entstammt – der Forschungs- und Entwicklungsarbeit – der Analyse der Bauart fremder Produkte – dem informellen Austausch von Informationen und Ideen 28 Die Theorie externer Skaleneffekte • Externe Skaleneffekte und wachsende Erträge Externe Skaleneffekte können auf der Ebene der nationalen Branche zu wachsenden Erträgen führen. Abfallende Angebotskurve – Je größer die Produktion der gesamten Branche, desto geringer der Preis, zu dem die einzelnen Unternehmen zu verkaufen bereit sind. 29 Externe Skalenerträge und Außenhandel • Externe Skaleneffekte und Handelsmuster Ein Land mit umfangreicher Produktion in einer bestimmten Branche hat normalerweise geringe Produktionskosten für das betreffende Gut. Länder, die in bestimmten Branchen von vornherein Großproduzenten sind, bleiben dies normalerweise selbst dann, wenn ein anderes Land über das Potenzial verfügt, diese Güter kostengünstiger herzustellen. – Abbildung 6.9 illustriert den Fortbestand eines durch historischen Zufall entstandenen Spezialisierungsmusters. 30 31 Externe Skalenerträge und Außenhandel • Außenhandel und Wohlfahrt bei externen Skaleneffekten Auf externen Skaleneffekten basierender Außenhandel ist in seinen Auswirkungen auf die nationale Wohlfahrt weniger eindeutig als derjenige Außenhandel, der durch komparative Vorteile oder Skaleneffekte auf Unternehmensebene verursacht wird. – Abbildung 6.10 zeigt ein Beispiel, bei dem sich ein Land mit Außenhandel schlechter stellt als ohne. 32 33 Externe Skalenerträge und Außenhandel • Dynamisch ansteigende Erträge Die Lernkurve – setzt die Kosten pro Einheit in Beziehung zur kumulativen Produktion. – Die Kostenwirkung der Produktionserfahrung verleiht ihr einen fallenden Verlauf. Dynamisch ansteigende Erträge – Die Kosten sinken im Laufe der Zeit mit der kumulativen Produktion, anstatt mit der laufenden Produktionsrate zu steigen. Dynamisch ansteigende Skalenerträge rechtfertigen protektionistische Maßnahmen. – Ein vorübergehender Schutz ermöglicht Unternehmen das Sammeln von Erfahrungen (Erziehungszollargument). 34 35 Zusammenfassung • Außenhandel kann durch zunehmende Skalenerträge verursacht werden, d. h. von dem tendenziellen Sinken der Kosten pro Einheit mit wachsender Produktionsmenge. • Skalenerträge können intern oder extern anfallen. • Skalenerträge zerstören den vollständigen Wettbewerb. • Bei Vorliegen von Skalenerträgen muss der Handel anhand von Modellen analysiert werden, die einen unvollständigen Wettbewerb voraussetzen. 36 Zusammenfassung • Unter Bedingungen des monopolistischen Wettbewerbs besteht eine Branche aus einer Reihe von Unternehmen, die differenzierte Produkte herstellen. • Der intrasektorale Handel beschert den Konsumenten eine größere Produktvielfalt und niedrigere Preise. • Im Allgemeinen können zwei Arten des Außenhandels unterschieden werden: der gegenseitige Austausch differenzierter Produkte innerhalb derselben Branche (intrasektoraler Handel) der Austausch der Produkte verschiedener Branchen (intersektoraler Handel) 37 Zusammenfassung • Dumping findet statt, wenn ein Unternehmen im Ausland einen geringeren Preis verlangt als im Inland. • Dumping kann nur stattfinden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: In der betreffenden Branche herrscht unvollständiger Wettbewerb. Die Märkte sind geografisch segmentiert. • Externe Skaleneffekte bedeuten, dass die geschichtliche Entwicklung und der Zufall entscheidend zur Herausbildung des Handelsmusters beitragen. • Wenn externe Skalenerträge eine wichtige Rolle spielen, können Länder Verluste aus Außenhandel erleiden. 38