Ein neues Verfahren zur spektrometrischen Analyse

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Ein neues Verfahren
zur spektrometrischen Analyse von Metallkomplex-Lösungen
A New Method for Spectrometric Analysis of Complex Metal Solutions
JÜRGEN
POLSTER
Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Tübingen
(Z. Naturforsch. 31b, 1621-1625 [1976]: eingegangen am 15. September 1976)
Spectrophotometry Titrations, Absorbance Diagrams, Complex, Stability Constants,
Absorbance Coefficients
A new simple method is given to analyse potentiometrically titrated and spectrophotometrically measured complex-solutions of the system AH ^ A -j- H3Ü+ and n • A + M ^ M A n .
The absorbance coefficients of the metal complex MA n and the stability constants can be
determined for each titration step by construction of the "extinction triangle" in the
(two-dimensional) absorbance (E) diagram. It is not necessary to know the absolute pH
value of the solution. The titration of 2-nitroso-l-naphthol-4-sulfonic acid/zinc sulfate in
water is shown as an example.
1. Einleitung
Für die spektrometrische Analyse von Metallkomplex-Gleichgewichten sind zahlreiche Verfahren
entwickelt worden 1-6 . Viele von ihnen sind entweder kompliziert oder nicht allgemein anwendbar,
da im wesentlichen die beiden folgenden einschränkenden Bedingungen vorausgesetzt werden:
a) bestimmte Komponenten der MetallkomplexLösung dürfen bei den untersuchten Wellenlängen nicht absorbieren,
b) die Extinktionskoeffizienten von einzelnen
Metallkomplexen müssen durch großen Metallionen- oder Ligandenüberschuß direkt bestimmbar sein.
Besonders die letzte Forderung ist problematisch,
da sie nur bei großen Stabilitätskonstanten erfüllbar
ist.
Werden Extinktions(E)-Diagramme7 der verschiedensten Wellenlängenkombinationen konstruiert, so entfallen diese Einschränkungen. In dieser
Arbeit wird eine leicht und allgemein anwendbare
Methode zur Analyse einfacher Systeme vorgestellt.
Die Metallkomplex-Lösungen werden durch Säureoder Basenzugabe titriert (pH-Titration) und nach
Sonderdruckanforderungen an Dr. J . P O L S T E R , Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der
Universität, Auf der Morgenstelle, D-7400 Tübingen.
jedem Titrationsschritt optisch vermessen. Die
Einwaagekonzentrationen des Liganden (ao) und
Metallions (mo) bleiben also während der Titration
konstant.
2. Konzentrations-Diagramme
Zunächst soll das folgende Titrationssystem betrachtet werden:
K
AH ^ A + H
ßi
A + M ^ MA
w
(Vorzeichen von Ladungen weiden nicht berücksichtigt.)
Wie üblich wird hier angenommen, daß nur der
unprotonierte Protolyt A mit dem freien Metallion
M den 1:1-Metallkomplex MA bildet. K ist die
Protolyse-Gleichgewichtskonstante (K = a • h/ah)
und ßi die gesuchte Stabilitätskonstante (ßi —
ma/(a • m)). Die kleinen Buchstaben geben die
Konzentrationen der betreffenden Komponenten an.
Die in den E-Diagrammen gefundenen Zusammenhänge werden leichter überblickt, wenn zuerst
die charakteristischen Konzentrations-Diagramme
betrachtet werden. Für die Konstruktion der Abb. 1
wurden die bei den verschiedenen pH-Werten vorliegenden Konzentrationen ah und ma der Stoffe AH
und MA berechnet und gegeneinander abgetragen.
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1622
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3. E-Diagramme
Abb. 1. Simuliertes Diagramm ah gegen ma der Gl. (I).
Abhängigkeit der Konzentrationskurven von der Stabilitätskonstante (log ßi — 4,0 und 5,0).
Findet keine Komplexbildung statt
— 0), so
wird nur der einstufige Protolyt AH titriert. Die
Konzentrations werte ah liegen dann auf der Geraden
AH A (ma = 0, vgl. z.B. Punkt P x beim Wert
pH = 6,7 in der Abb. 1). Bilden sich Metallkomplexe,
so werden in Abhängigkeit von ßi unterschiedliche
Kurven erhalten. In der Abb. 1 sind die Fälle
log ßi = 4,0 und 5,0 wiedergegeben.
Im Diagramm ah gegen ma gelten nun die folgenden zwei wichtigen Beziehungen:
1. Wird ßi in seinem Definitionsbereich beliebig verändert, so liegen bei konstantem pH-Wert alle
Konzentrationswerte ah und ma auf einer Geraden (z.B. Pi P in Abb. 1). Die Geradensteigung
ist dabei vom Wert ßi unabhängig.
Die E-Diagramme sind affin verzerrte, charakteristische Konzentrations-Diagramme7. Da bei dieser
linearen Verzerrung Geraden wieder in Geraden
abgebildet werden, Schnittpunkte von Geraden und
Strecken Verhältnisse erhalten bleiben, können die
im Abschnitt 2. gefundenen Eigenschaften auch
direkt auf das E-Diagramm übertragen werden.
Dazu werden die in der Abb. 2 berechneten
Kurven betrachtet. Tritt keine Komplexbildung auf
(ßi — 0), so wird nur der Stoff AH in Abhängigkeit
vom pH-Wert titriert. Die Titration würde im Fall,
wenn der Extinktionskoeffizient des (freien) Metallions null ist (£AM = 0) [A = Wellenlänge], entlang der
Geraden AH A im E-Diagramm verlaufen (in Abb. 2
sind nur die Punkte AH und A eingezeichnet). Ist
£ A M * 0 und ßi = 0, so wird die Gerade AH A um
den Betrag (d • em • m 0 ) [d = Schichtdicke] in die
Richtung Ei(pH) und um (d • £2M • mo) in die Richtung E2(pH) parallel verschoben (s. Abb. 2, Gerade
(AH + M) (A + M); die Indizes 1 und 2 beziehen sich
auf unterschiedliche Wellenlängen A).
Bilden sich Metallkomplexe, so beginnt die
E-Kurve in der Abb. 2 im Punkt (AH + M),
wenn die Titration in Richtung von kleinen nach
großen pH-Werten durchgeführt wird. Simuliert
man für verschiedene Werte von ßi aber konstanten
Größen e^ (i = AH, A, M, MA) die E-Kurven und
verbindet alle Extinktionen bei gleichen pH-Zuständen miteinander, so liegen alle Punkte - im
Einklang mit den Ergebnissen des Abschnittes 2. AH =iA * H pK = 7,0
2. Die nach 1. bei verschiedenen pH-Werten konstruierten Geraden schneiden sich in einem ausgezeichneten Punkt (P in Abb. 1) auf der maAchse beim Wert ma = ao.
Für andere unabhängige Konzentrationskombinationen findet man ähnliche Beziehungen. So liegt
der Schnittpunkt des Geradenbüschels im Diagramm
ah gegen m auf der m-Achse beim Wert m = (mo-ao)
und im Diagramm ah gegen a im Koordinatenursprung (a = ah = 0). Alle diese Diagramme können
durch affine Transformation ineinander überführt
werden. Bei allen sind die Steigungen der Geraden
vom Wert ßi unabhängig.
Abb. 2. Berechnetes E-Diagramm der Gl. (1). Abhängigkeit der E-Kurven von der Stabilitätskonstante
(log ßi — 3,5; 4,5; 5,5; a 0 = m0 = 10~4 M). Eingesetzte
Extinktionskoeffizienten ( / = 1,2):
£AAH = 2000 und 6000; a A = 5000 und 1000;
£AM = 1000 und 2500; UMA = 1000 und 500.
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1623 J. Polster • Spektrometrische Analyse von Metallkomplex-Lösungen
vorausgesetzt, daß das Metallion im alkalischen Bereich nicht als Hydroxid ausfällt. In der Praxis wird
aber oft ein Niederschlag beobachtet. Deswegen ist
E 4 ( P ) = d • [EXMA • ao + £AM ( m 0 — A 0 ) ]
(2) eine direkte Bestimmung von «MA durch vollständige Überführung des Liganden in den MetallkomE A (P) kann also experimentell bestimmt werden,
plex mit Hilfe eines großen Metallionenüberschusses
wenn die zum gleichen pH-Wert (der absolute pHproblematisch, wenn die Stabilitätskonstante nicht
Wert muß also nicht unbedingt bekannt sein) gegroß ist. Mit der hier vorgestellten Methode kann
hörenden Geraden PI P 2 der Abb. 2 zum Schnitt jedoch dieses Problem gelöst werden.
gebracht werden. Sind E A ( P ) , mo, ao und e^M beBei optischen Messungen werden primär die Konkannt, so kann mit Hilfe von Gl. (2) ^MA ermittelt
zentrationen und damit die „klassischen" Stabiliwerden. Ferner können mit dem Extinktions-Dreieck
tätskonstanten (ßi) bestimmt 8 . Diese Konstanten
(AH + M) (A + M) P (s.Abb. 2) nach bekannten
müssen keineswegs während der gesamten Titration
unverändert bleiben. Dies trifft nur für die „thermoVerfahren7 die Konzentrationen aller Komponenten
Stabilitätskonstanten (ßi) zu (siehe
des Titrationssystems und damit die gesuchte Größe dynamischen"
Gl. (I)) 8 :
ßi in jedem Titrationsschritt bestimmt werden.
fMA
ma
fMA
In der Literatur geht man häufig von der An=
(3)
nahme aus, daß durch großen Metallionen- oder
f MA = Aktivitätskoeffizient des Metallkomplexes
Ligandenüberschuß eine Komponente quantitativ
MA (entsprechend f A , fiu).
in eine bestimmte Komplexspezies überführt werÄndern sich nämlich in jedem Titrationsschritt
den kann 1 . Dieses kann aber nicht immer leicht er- die Aktivitätskoeffizienten und damit der Quotient
(fMA/fA • fM), so kann ßi nicht konstant sein, wenn ßi
reicht werden: in der Abb. 3 sind die E-Kurven in
unverändert
bleiben soll. - Selbst in dem Fall, daß
Abhängigkeit von der Einwaagekonzen tration mo
ßi sich in jedem pH-Titrationsschritt ändert, ist die
des Metallions (bei konstanten Werten EXI, ßi und ao)
hier vorgestellte Methode anwendbar.
wiedergegeben. Damit ein gemeinsamer SchnittDas hier vorgestellte Verfahren ist noch allgepunkt P erhalten wird (s. Gl. (2)), wurde der in der
meiner
anwendbar. So kann anstelle des GleichPraxis häufiger auftretende Fall £AM = 0 gewählt.
Man sieht, daß im alkalischen Bereich auch bei gewichtssystems der Gl. (1) das System
K
einem 50-fachen Metallionenüberschuß der Ligand
AH ^ A + H
nicht vollständig als Metallkomplex vorliegt (in der
auf entsprechenden Geraden, die sich im Punkt P
schneiden (s. Abb. 2). Für die Koordinaten von P
gilt die Beziehung:
n • A + M ^ MA„
AH^A + H pK:7.0
formal in ähnlicher Weise analysiert werden. Auch
A.M^MA log ß^ 3,0
hier gilt die Eigenschaft, daß alle Geraden sich im
E-Diagramm in einem Punkt (P) schneiden, wenn
man die Punkte gleichen pH-Zustandes auf den
beiden E-Kurven linear verbindet, die man in Abund Anwesenheit vom Metallion erhalten hat (vgl.
Gerade PiP 2 und Punkt P in Abb. 2). Für diesen
Schnittpunkt (P) gilt die Beziehung:
E.(pH)
0,8
0,6
0,i
E,(P)
0,2-
•EJpH)
0,8
0,6
1.0
OA
Abb. 3. Simuliertes E-Diagramm der Gl. (1)
(ao = IO"4 M; log ßi = 3,0). Abhängigkeit der E-Kurven
von der Metallioneneinwaage. Extinktionskoeffizienten
(A = 1,2):
TAAH = 3000 und 10000; EXA
= 8000 und 3000;
0,2
FAM
(4)
*
Abb. 3 ist für log/?i = 3,0 gewählt). Dabei wurde
=
0 und 0;
CA M A =
1000 und
500.
= d
EXUAN
ao
n
/
ao 1
\
n i
B «AM (MO
(5)
Das System (4) kann also analog wie das System (1)
analysiert werden.
4. Meßbeispiel
Um das entwickelte Auswerteverfahren zu testen,
wurde der Fall n = 1 untersucht.
2-Nitroso-l-naphthol-4-sulfonsäure bildet mit
Schwermetallionen ein- und zweiwertige Komplexe
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EJpH)
0,8-
0.4-
0,2-
Abb. 4. Titrationsspektren des Systems 2-Nitroso-l-naphthol-4-sulfonsäure/ZnS04 (ao = 5 • 10~5 M, mo = 1 0 - 3 M;
20,0 °C; 0,05 M KCl). Die gestrichelten Spektren zeigen die des reinen Liganden im ganz sauren und alkalischen
Bereich an. Die Striche auf der Wellenlängenachse geben die 8 ausgewählten Wellenlängen für die Konstruktion
der E-Diagramme an. Die Lampenartefakte im sichtbaren Gebiet rühren von der D2/H2-Lampe her.
(MA, MA 2 ) 9 ' 10 . Für die spektrometrische Untersuchung erwies sich Zink (als Zinksulfat in Wasser
vorgelegt) als geeignet. Um die Bildung von MA2 zu
unterdrücken, wurde das Zinkion im 20-fachen
Überschuß gegenüber der Ligandenmenge zugegeben (mo = 20 ao).
Zum Aufsuchen der günstigsten Wellenlängenkombination wurden für die Konstruktion der EDiagramme zunächst die VIS-UV-Titrationsspektren in Ab- und Anwesenheit von Zinksulfat aufgenommen (s. Abb. 4). Dann wurde die pH-Titration
wiederholt und das System bei günstigen Wellenlängen vermessen. Mit Hilfe des im E-Diagramm
konstruierten Extinktions-Dreieckes AH P A (siehe
Abb. 5) wurden die Konzentrationen a, m und ma
in jedem Titrationsschritt ermittelt7 und mit diesen
wurde anschließend der Wert ßi bestimmt. Als
Mittelwert wurde gefunden:
log ßi = 3,72 ± (0,06)
O . MÄKITIE
und
H . SAARINEN
(20,0 °C; 0,05 M KCl)
geben folgenden Wert
an 9 :
log ßi = 3,06*
(25,0 °C; 0,1 M KCl).
5. Anhang
Die hier verwendete Nomenklatur sowie der Meßvorgang und die Geräte werden in der Lit. 7 näher
erklärt bzw. zitiert.
Da im Rahmen dieser methodischen Arbeit auf
eine Präzisionsmessung verzichtet wurde, wurde der
* In der Lit. 9 und 10 werden verschiedene Werte angegeben. Die Autoren teilten uns diesen als richtigen
Wert mit.
32 5(pH)
o.a
0,36
028-
0,20-
pH=7,H
pH =6,67,
pH=6,21
OH
ZnSO,
(PH)
'280
034
0.42
0,50
0,58
066
Abb. 5. Diagramm E32ö(pH) gegen E2go(pH) der
Titrationssysteme der Abb. 4 (CAM = 0). Auf der Geraden AH A liegen die mit pK = 6,38 (20,0 °C;
0,05 M KCl) berechneten Extinktionen des Titrationssystems ohne ZnSC>4. Die Gerade AP wurde gestrichelt,
da die Meßkurve, die durch die Punkte AH und P 2
läuft, diese nicht berührt (vorher Hydroxid-Niederschlag). Ausgewerteter pH-Bereich:
5,91 < pH < 7,44.
Zinkgehalt der Lösung nur durch Einwaage (auf 11)
eingestellt.
Substanzen: 2-Nitroso-l-naphthol-4-sulfonsäure
(Fluka, puriss.), Zinksulfat ZnS0 4 • 7 H 2 0 (Fluka,
puriss.), Kaliumchlorid (Merck, p.a.).
Als Titriermittel wurden NaOH und HCl in verschiedenen Normalitäten eingesetzt (Fixanal-Ampullen). Die pH-Eichung erfolgte mit StandardPufferlösungen von R I E D E L - D E H A E N .
Herrn Professor Dr. H. M A U S E R danke ich für
wertvolle Diskussionsbeiträge. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft sei für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit gedankt.
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J. Polster • Spektrometrische Analyse von Metallkomplex-Lösungen
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