ifo Schnelldienst 24/2009

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24 2009
ifo Schnelldienst
62. Jg., 51.–53. KW, 22. Dezember 2009
Zur Diskussion gestellt
Ulrich van Suntum und Cordelius Ilgmann, Wolfgang Hönig,
Stephan Götzl
Q Wie sollten die angeschlagenen Banken rekapitalisiert
werden?
Daten und Prognosen
Kai Carstensen, Wolfgang Nierhaus, Oliver Hülsewig,
Klaus Abberger, Teresa Buchen, Christian Breuer,
Steffen Elstner, Steffen Henzel, Nikolay Hristov,
Michael Kleemann, Johannes Mayr, Wolfgang Meister,
Georg Paula, Anna Stangl, Klaus Wohlrabe
und Timo Wollmershäuser
Q ifo Konjunkturprognose 2010:
Deutsche Wirtschaft ohne Dynamik
Arno Städtler und Joachim Gürtler
Q Einbrechende Investitionen und der
Gesetzgeber bremsen das Leasing
Annette Weichselberger
Q Westdeutsche Industrie:
2010 geringer Investitionsanstieg
Im Blickpunkt
Janina Ketterer und Jana Lippelt
Q Globaler Stand der Erneuerbaren Energien
Institut für
Wirtschaftsforschung
an der Universität München
ifo Schnelldienst
ISSN 0018-974 X
Herausgeber: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.,
Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München,
Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: [email protected].
Redaktion: Dr. Marga Jennewein.
Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, Dr. Christa Hainz, Annette Marquardt, Dr. Chang Woon Nam,
Dr. Gernot Nerb, Dr. Wolfgang Ochel.
Vertrieb: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
Erscheinungsweise: zweimal monatlich.
Bezugspreis jährlich:
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Einzelpersonen EUR 96,–
Studenten EUR 48,–
Preis des Einzelheftes: EUR 10,–
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Layout: Pro Design.
Satz: ifo Institut für Wirtschaftsforschung.
Druck: Majer & Finckh, Stockdorf.
Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise):
nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars.
ifo Schnelldienst 24/2009
Zur Diskussion gestellt
Wie sollten die angeschlagenen Banken rekapitalisiert werden?
3
Die Finanzkrise hat gezeigt, dass das Eigenkapital vieler Banken zu gering war. Ulrich van Suntum und Cordelius Ilgmann, Universität Münster, weisen darauf hin,
dass zwar die bilanziellen Eigenkapitalquoten der Banken sowohl im Euroraum als
auch in den USA mittlerweile sogar höher sind als vor der Finanzkrise. Aber dennoch könne von Entwarnung keine Rede sein, denn die vor der Finanzkrise üblichen
Eigenkapitalquoten hätten sich als deutlich zu gering erwiesen, um systemische Zusammenbrüche zu verhindern. Das deutsche Bad-Bank-Modell habe seinen Fehler
vor allem in der Freiwilligkeit der Teilnahme, und ein Interesse der Banken an dem
Modell sei bisher kaum vorhanden. Stattdessen sollte man bei der Bad-Bank-Lösung an dem in Deutschland bereits früher verwendeten Instrument der Ausgleichsforderungen anknüpfen. Nach Ansicht von Wolfgang Hönig, ehemals Commerzbank AG, Frankfurt, sollte zum einen die Qualität der Ratingagenturen verbessert werden. Zum anderen sollte der Staat die systemrelevanten deutschen Banken
durch Stresstests daraufhin untersuchen, ob sie sanierungsbedürftig und -fähig
sind. Die hierbei identifizierten B-Banken seien von Amts wegen zu sanieren. Dies
dürfe nicht der Initiative der Bankorgane überlassen werden. Auch Stephan Götzl,
Genossenschaftsverband Bayern, möchte die staatlichen Hilfsmaßnahmen für angeschlagene Banken verpflichtend machen. Zusätzlich sollte man in Zukunft die
Rahmenbedingungen so setzen, dass Banken nicht mehr zu »systemisch« – also zu
groß, komplex, undurchschaubar oder international – sein können, um pleite zu gehen: Eine Bank müsse auch aus dem Markt ausscheiden können.
Daten und Prognosen
ifo Konjunkturprognose 2010: Deutsche Wirtschaft ohne Dynamik
Kai Carstensen, Wolfgang Nierhaus, Oliver Hülsewig, Klaus Abberger,
Teresa Buchen, Christian Breuer, Steffen Elstner, Steffen Henzel,
Nikolay Hristov, Michael Kleemann, Johannes Mayr, Wolfgang Meister,
Georg Paula, Anna Stangl, Klaus Wohlrabe und Timo Wollmershäuser
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Am 15. Dezember 2009 stellte das ifo Institut im Rahmen seines vorweihnachtlichen Pressegesprächs seine Prognose für die Jahre 2010 und 2011 vor. Zwar
steigen seit dem Frühjahr 2009 Produktion und Handel wieder, weltweit angeregt durch milliardenschwere Konjunkturprogramme, eine massiv expansiv wirkende Geldpolitik und den vergleichsweise niedrigen Ölpreis. Hinzu kommt der
Umschwung im globalen Lagerzyklus. Aber das Wachstumstempo wird niedrig
bleiben. Ein Kernproblem ist die Schwächung der internationalen Finanzmärkte,
deren Funktionsfähigkeit in wichtigen Segmenten nach wie vor eingeschränkt
ist. Zudem musste das Bankensystem gewaltige Eigenkapitalverluste hinnehmen. In wichtigen Industrieländern kommt eine Krise am Immobilienmarkt hinzu,
die dort den Abschreibungsbedarf bei Banken erhöht. Die Kreditbedingungen
bleiben damit weltweit restriktiv, was die Finanzierung von Investitionen und neuen Arbeitsplätzen massiv beeinträchtigt. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt im Jahr 2010 um 3,1% und im Jahr 2011 um 2,6% steigen, nachdem es im Jahr 2009 um 1,1% zurückgegangen ist. Der Anstieg der Preise wird
sich weltweit etwas beschleunigen. In Deutschland hat sich die gesamtwirtschaftliche Produktion im Frühjahr stabilisiert. Im zweiten Quartal expandierte
das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt um 0,4%, im dritten Quartal sogar um 0,7%. Aufgrund des außerordentlich kräftigen Einbruchs
im vorausgegangenen Winterhalbjahr um fast 6% blieb die gesamtwirtschaftliche Produktion, und hier insbesondere die Erzeugung in den exportabhängigen
Branchen, aber auf niedrigem Niveau. Der gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad – zieht man die ifo Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe als
Proxy heran – liegt derzeit um etwa 10 Prozentpunkte unter dem langjährigen
Durchschnitt. Insgesamt dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion saisonund kalenderbereinigt im Jahresendquartal 2009 weiter zugenommen haben,
wenngleich in einem etwas langsameren Tempo (0,5%) als im Vorquartal. Im Gesamtjahr 2009 sinkt das reale Bruttoinlandsprodukt um 4,9%. Im Jahresdurch-
schnitt 2010 wird das reale Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um 1,7% zunehmen; im Jahresdurchschnitt 2011 um 1,2%.
Einbrechende Investitionen und der Gesetzgeber bremsen
das Leasing – 23% weniger Neugeschäft 2009
Arno Städtler und Joachim Gürtler
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Die Rezession hat ungebremst auf die Leasingbranche durchgeschlagen, wie
der neueste ifo Investitionstest bei den deutschen Leasinggesellschaften zeigt.
Im Jahr 2008 ging das gesamte Leasing-Neugeschäft um 1,1% zurück, und der
Anteil des Leasings an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen ohne Wohnungsbau reduzierte sich von 17,0 auf 16,1%. Von Januar bis September 2009
stürzte das Neugeschäft beim Leasing beweglicher Wirtschaftsgüter (nominal)
um rund 30% ab. Im Jahresdurchschnitt wird sich die Geschäftseinbuße beim
Leasing auf fast 23% belaufen, dabei dürfte das Mobilien-Leasing um knapp
23% schrumpfen und das Immobilien-Leasing um 22%. Nach der Herbstprognose der Institute für die gesamtwirtschaftlichen Investitionen, die für 2009 einen
Rückgang von nominal gut 13% unterstellt, bedeutet dies für die Leasingquote
2009 einen Rückgang von 16,1 auf 14,4%. Der laufende Investitionszyklus hat
zwar im Jahr 2009 seinen Tiefpunkt durchschritten, die Aussichten auf ein baldiges Anziehen der Investitionsausgaben sind jedoch gering. Die rezessive Entwicklung der Investitionen könnte sogar noch länger andauern. Der ifo/BDL-Investitionsindikator zeigt auch über weite Teile des Jahres 2010 noch rückläufige
Ausgaben für Ausrüstungsgüter an.
Westdeutsche Industrie: 2010 geringer Investitionsanstieg
Annette Weichselberger
78
Die schlechte konjunkturelle Lage, insbesondere die schwache Nachfrage und
die stark gesunkene Kapazitätsauslastung, hat die Investitionsbereitschaft der
westdeutschen Industrieunternehmen in diesem Jahr deutlich gedämpft. Nach
den Ergebnissen des ifo Investitionstests dürften die Bruttoanlageinvestitionen
2009 von rund 36,5 Mrd. € um gut 22% unter dem Niveau von 2008 liegen. Für
2010 ist nur mit einer leichten Verbesserung des Investitionsklimas zu rechnen.
So zeichnet sich nach dem derzeitigen Planungsstand der Unternehmen ein
geringer Anstieg der Investitionen um knapp 2% ab. Differenziert man die
Investitionspläne nach Größenklassen, so zeigt sich, dass in erster Linie die
großen Unternehmen ihre Investitionen 2010 wieder aufstocken wollen, während die kleinen Unternehmen weitere Kürzungen geplant haben. Angesichts
der derzeit niedrigen Kapazitätsauslastung überrascht es nicht, dass die Erweiterung als Investitionsmotiv spürbar an Bedeutung verloren hat und an die zweite Stelle gerückt ist. Das Hauptmotiv der Investitionstätigkeit sind nun die
Ersatzbeschaffungen.
Im Blickpunkt
Kurz zum Klima: Globaler Stand der Erneuerbaren Energien
Janina Ketterer und Jana Lipppelt
83
Zur Verminderung der weltweiten CO2-Emissionen stehen verschiedene kohlenstofffreie Technologien, wie Kernenergie, Carbon Capture and Sequestration
(CCS), Kernfusion und die Erneuerbaren Energien, zur Verfügung. In welchem Verhältnis diese Technologien eingesetzt werden sollen und können, um eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen, ist Gegenstand der aktuellen Forschung und des politischen Diskurses. Dieser Beitrag erfasst skizzenhaft den Status quo der Erneuerbaren Energieerzeugung.
Wie sollten die angeschlagenen Banken rekapitalisiert
werden?
3
Die Finanzkrise hat gezeigt, dass das Eigenkapital vieler Banken zu gering war. Wie kann die Politik erreichen, dass die Banken ihre Eigenkapitalausstattung verbessern?
Das Bad-Bank-Modell
verbindlich machen
Die Kapitalknappheit der Banken ist
auch eineinhalb Jahre nach Ausbruch
der internationalen Finanzkrise noch immer ein zentrales Problem. Zwar sind
die bilanziellen Eigenkapitalquoten der
Banken sowohl im Euroraum als auch
in den USA mittlerweile sogar höher als
vor der Finanzkrise. In Deutschland stiegen sie von durchschnittlich 4,1% Mitte 2007 auf aktuell 4,3%. Allerdings
spielten hierbei staatliche Stützungsmaßnahmen eine große Rolle. Ohne diese Hilfen läge die Quote im Mittel nur bei
ca. 3,8%. (vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose 2009, 10) Auch die
Kernkapitalquote der 14 großen, international tätigen deutschen Banken ist
um 2,4 Prozentpunkte auf jetzt 10,0%
gestiegen (vgl. Bundesbank 2009,
40 f.). Dennoch kann von Entwarnung
keine Rede sein, denn die vor der Finanzkrise üblichen Eigenkapitalquoten
haben sich als deutlich zu gering erwiesen, um systemische Zusammenbrüche
zu verhindern. Zu Recht verlangen deshalb Fremdkapitalgeber und Regulierungsbehörden in Zukunft deutlich höhere Eigenkapitalquoten (vgl. European
Central Bank 2009, 91 ff.). Gleichzeit
dürfte die risikogewichtete Eigenkapitalquote durch eine Herabstufung der
Bonität von Vermögensklassen und rezessionsbedingt ausfallende Kredite zunächst weiter sinken (vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose 2009,
52 ff.). So beziffert die Bundesbank das
Risiko aus Abschreibungen auf Buchkredite und Kreditverbriefungen auf
60 bis 90 Mrd. €. Davon entfallen zwar
nur noch 10 bis 15 Mrd. als Wertberichtungen auf Verbriefungen, da diese bereits weitgehend abgeschrieben wurden
(vgl. Bundesbank 2009, 60 ff.). Andererseits ist genau dies das Problem,
denn durch diese Abschreibungen wurde die Eigenkapitalbasis der Banken
weiter geschwächt.
Dies hatte eigentlich durch eine BadBank-Lösung vermieden werden sollen,
die in der Schwedischen Bankenkrise bereits erfolgreich angewandt worden war
(vgl. Andersson und Viotti 1999). Erste
Modelle dazu, wie sie beispielsweise vom
Bundesverband deutscher Banken und
zu Jahresbeginn 2009 auch noch vom damaligen Finanzminister Steinbrück vertreten wurden, hätten zu einer einseitigen Risikoübernahme durch den Steuerzahler
geführt (vgl. van Suntum und Ilgmann
2009, 229–232). Das nach intensiver politischer Diskussion inzwischen verabschiedete Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz vom 17. Juli 2009
kann dies zwar weitgehend vermeiden.
Es krankt aber trotz eines im Prinzip richtigen Ansatzes an einer Reihe von Webfehlern. Vor allem ist es – mit Ausnahme
der West-LB – bisher von keiner einzigen
Bank angenommen worden. Damit hat es
seinen eigentlichen Zweck, nämlich die
Gefahr einer Kreditklemme zu verringern,
bisher nicht erfüllt.
Das Bad-Bank-Gesetz der
Bundesregierung und seine Fehler
Ulrich van Suntum*
Cordelius Ilgmann**
Das Gesetz vom 17. Juli 2009 beruht auf
zwei Säulen: Zum einen auf dem Zweckgesellschaftsmodell als Bad-Bank-Regelung für privatwirtschaftliche Banken, zum
anderen auf dem Konsolidierungsmodell,
das vor allem für die Landesbanken gedacht ist.
• Nach dem Zweckgesellschaftsmodell
können private Banken ihre toxischen
Papiere an Zweckgesellschaften (dezentrale Bad Banks) zum Buchwert
übertragen. Im Gegenzug stellen sie
* Prof. Dr. Ulrich van Suntum ist Direktor des Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen am Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung an der
Universität Münster.
** Cordelius Ilgmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen am Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Münster.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
4
Zur Diskussion gestellt
von den Zweckgesellschaften emittierte Schuldtitel in Höhe von 90% des Buchwertes der toxischen Papiere in
ihre Bilanzen. Abgesehen von diesem – allein aus EUrechtlichen Gründen eingebauten – Bewertungsabschlag
von 10% müssen diese Titel nicht weiter abgeschrieben
werden, weil die Zweckgesellschaften nach HGB bilanzieren können. Die Titel werden zudem vom SoFFin garantiert, d.h. nach 20 Jahren können die Schuldtitel von
den Banken zum Nennwert abgelöst werden. Für diese
Garantie erhebt der SoFFin im Gegenzug eine Gebühr.
Zudem müssen die Banken eine jährliche Ausgleichszahlung an den SoFFin leisten, die in der Summe dem Unterschied zwischen dem Nennwert der toxischen Papiere und ihrem tatsächlichen Wert (dem so genannten Fundamentalwert) entspricht. Da letzterer derzeit nur geschätzt werden kann, bleibt zunächst ein Risiko für den
SoFFin. Dieses müssen letztlich aber ebenfalls die Banken bzw. ihre Aktionäre tragen, nämlich über eine Nachhaftungspflicht. Denn haben die toxischen Papiere nach
20 Jahren ihren Fundamentalwert nicht vollständig erbracht, so dürfen so lange keine Dividenden ausgeschüttet werden, bis die Differenz aus den Gewinnen der Bank
beglichen worden ist.
• Das Konsolidierungsmodell für die Landesbanken geht insofern weiter, als über strukturierte Papiere hinaus auch
andere Risikopositionen und nicht mehr benötigte Geschäftsbereiche ausgelagert werden können. Diese werden von den Eigentümern auf einzelne Abwicklungsanstalten übertragen, die hier als Bad Bank dienen und unter Aufsicht der Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA)
als »Anstalt in der Anstalt«, d.h. organisatorisch und wirtschaftlich selbständig agieren. Auch hier übernimmt der
SoFFin Garantien zur Refinanzierung der übernommenen strukturierten Wertpapiere in der oben beschriebenen
Art und Weise. Die Anstalten können auch eigenständig
auf Landesebene eingerichtet werden, in welchem Fall
sie keine Garantien des SoFFin erhalten. Wie beim Zweckgesellschaftsmodell bleibt die wirtschaftliche Haftung über
eine Verlustausgleichspflicht bei den ursprünglichen Eigentümern, einzig bei Sparkassen steht der Bund im Rahmen der Gewährträgerhaftung per 30. Juni 2008 ein.1
Die Kompliziertheit dieser Konstruktion resultiert zum einen
aus EU- und bilanzrechtlichen Problemen, zum anderen auch
daraus, dass das Gesetz in großer Eile erstellt wurde. Insbesondere wurden im Laufe der Zeit – unter dem Druck der
öffentlichen Diskussion – im Zweckgesellschaftsmodell immer mehr Sicherungen gegen eine Beanspruchung des
Steuerzahlers eingebaut. In seiner Endfassung läuft das Gesetz nun in der Tat darauf hinaus, dass die Banken bzw. ihre (Alt-)Aktionäre letztlich für sämtliche Verluste – mit Ausnahme der Gewährträgerhaftung – selbst aufkommen müs-
sen. Nur im Insolvenzfall bleibt ein Teil davon beim Steuerzahler hängen, da dann die Ausgleichs- und Nachhaftungszahlungen nicht mehr greifen.
Das Gesetz hat dennoch gravierende Fehler, vor allem hinsichtlich der Ausgestaltung der SoFFin-Garantien. Zum einen ist unklar, inwieweit die zeitliche asynchrone Struktur der
Ein- und Auszahlungen entsprechende Zinszahlungen auslöst. So reicht keineswegs die bloße Abdeckung eines zu
niedrig angesetzten Fundamentalwertes aus, sondern es
müssten auch die Kosten der Vorfinanzierung durch den
SoFFin im Garantiefall berücksichtigt werden.
Der zweite Nachteil des Gesetzes liegt darin, dass den Banken mit 20 Jahren relativ wenig Zeit für die Abtragung ihrer Bilanzverluste bleibt. Die Garantiegebühren und Ausgleichszahlungen belasten zudem in dieser Zeit Liquidität
und Eigenkapital und stehen daher dem Ziel einer raschen
Wiederbelebung der Kreditvergabe an die Unternehmen
entgegen.
Der dritte und entscheidende Fehler des Gesetzes ist das
Prinzip der freiwilligen Teilnahme. Bisher haben die Banken
kaum Interesse an dem Modell gezeigt. Ein Grund dafür dürfte der Reputationsverlust sein, den sie bei Inanspruchnahme des Modells offenbar befürchten. Zudem ist zumindest
unklar, ob die Gehälter der Vorstandsmitglieder bei Teilnahme an dem Modell automatisch der 500 000-Euro-Grenze
unterliegen, welche die Regierung in der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung vom 20. Oktober für die Inanspruchnahme staatlicher Hilfsleistungen zur Bedingung gemacht hat. Wenn dies zuträfe, wäre das Desinteresse der
Banken an dem Modell leicht zu erklären.
Wie es besser ginge: Vorbild Ausgleichsforderungen
Schon früh wurde in der Diskussion vorgeschlagen, bei der
Bad-Bank-Lösung an dem in Deutschland bereits früher verwendeten Instrument der Ausgleichsforderungen anzuknüpfen.2 Diese wurden erstmals 1948 eingesetzt, um die durch
die Währungsreform bedingten Bilanzverluste des Finanzsektors auszugleichen. Zu diesem Zweck erhielten die Banken niedrig verzinsliche Schuldtitel der öffentlichen Hand
im Gesamtvolumen von rund 22 Mrd. DM, deren Bilanzierung zum Nennwert gesetzlich festgeschrieben wurde. Obwohl die Unterverzinsung eine Belastung für Rentabilität und
Liquidität des Finanzsektors war, wurde dadurch die Finanzierung des Nachkriegsbooms kaum beeinträchtigt. Soweit die Ausgleichsforderungen auf den Bund lauteten, wur-
2
1
Sollten dem Bund finanzielle Lasten aus dem Modell entstehen, tragen der
Bund und das betreffende Land diese im Verhältnis 65:35.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
So die Vorschläge im Januar 2009 von dem haushaltspolitischen Sprecher
der Unionsfraktion im Bundestag, Steffen Kampeter, und zeitgleich von
Ulrich van Suntum (Schäfers und Frühauf 2009 und van Suntum 2009).
Zur Diskussion gestellt
den sie ab den 1970er Jahren sukzessive zurückgekauft und
waren 1995 vollständig getilgt Die Ausgleichsforderungen
gegenüber der Deutschen Bundesbank stehen dagegen teilweise heute noch in den Bilanzen und werden erst 2034 vollständig getilgt sein (vgl. Bundesbank 1995).
Auch nach der deutsch-deutschen Währungsunion machte man wieder von diesem Instrument Gebrauch. Diesmal
wurden die Ausgleichsforderungen im Gesamtvolumen von
89 Mrd. DM mit einer marktgängigen Verzinsung zum Dreimonatszins Fibor und mit einer Tilgung von 2,5% pro Jahr
ab 1995 versehen. Auf diese Weise konnten auch die Bilanzverluste der früheren DDR-Banken praktisch reibungslos beseitigt werden (vgl. Bundesbank 1996).
Dem neuerlichen Einsatz dieses bewährten Instruments
in der aktuellen Finanzkrise stand das Argument gegenüber, dass diesmal die Banken selbst verantwortlich für ihre Bilanzverluste sind und daher nicht auf Kosten des Steuerzahlers entlastet werden sollten. Es hätte jedoch durchaus eine Möglichkeit gegeben, diesem Einwand Rechnung
zu tragen, und dies sogar mit einem weit einfacheren als
dem letztlich Gesetz gewordenen Modell (vgl. van Suntum
und Ilgmann 2009, 237–240; Baetge 2009; ähnlich Polleit
2009). Im ersten Schritt werden dabei wieder die toxischen
Aktiva gegen unverzinsliche (oder zumindest unterverzinsliche) Schuldtitel der Zweckgesellschaften (Bad Banks) getauscht. Letztere werden zum Nennwert der toxischen Papiere in die Bilanz eingestellt und vom SoFFin garantiert.
Es gibt aber zwei entscheidende Unterschiede zum aktuellen Gesetz:
• Zum einen bleibt der Rückabwicklungstermin der BadBank-Anleihen zunächst offen. Die im Austausch erhaltenen Papiere werden von den Zweckgesellschaften bestmöglich verwertet und die Erlöse am Kapitalmarkt so lange reinvestiert, bis der ursprüngliche Nennwert wieder erreicht ist. Es wird zwischen dem SoFFin und der abgebenden Bank vereinbart, dass erst dann die Rückabwicklung zum garantierten Nennwert erfolgt.
• Zum zweiten ist es unbedingt erforderlich, alle systemrelevanten Finanzinstitute mit erheblichem Abschreibungsbedarf zur Beteiligung an diesem Vorgehen zu zwingen. Darauf ist bereits in der Anhörung des Haushaltsauschusses zum Bad-Bank-Gesetz von mehreren Sachverständigen hingewiesen worden (vgl. Deutscher Bundestag 2009, 11 und 21; ähnlich Sachverständigenrat
2009, 130). Die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems ist
ein öffentliches Gut, entsprechende Eingriffe in die Bankenfreiheit sind daher ebenso notwendig wie die »Vorschrift zum Bau einer gemeinsamen Brandmauer«, wie
bereits Adam Smith (1978, 267) erkannt hatte.
Ähnlich wie bei den Ausgleichsforderungen kann die Rückabwicklung des Bilanztausches je nach »Toxizität« der Pa-
piere unter Umständen mehrere Jahrzehnte dauern. Im
Grenzfall völlig wertloser Aktiva bleiben die Bad-BankSchuldtitel so lange in der Bilanz der betreffenden Bank,
bis es deren Ertragslage erlaubt, sie regulär auf null abzuschreiben. Sollte eine unbestimmte Rückabwicklungsdauer bilanzrechtlich nicht möglich sein, könnte man auch eine
sehr lange (z.B. 80-jährige) fixe Dauer mit der Möglichkeit
vorzeitiger Abwicklung vereinbaren, was ökonomisch auf
das Gleiche hinausläuft. Dieses Modell ist prinzipiell auf alle Aktiva anwendbar, bei denen es aufgrund temporärer Unterbewertungen zu einer Reduktion des bilanziellen Eigenkapitals kommt.
Im Unterschied zur Nachkriegszeit unterliegt Deutschland
inzwischen internationalen Bilanzrichtlinien, die möglicherweise mit dem damaligen Instrument der Ausgleichsforderungen nicht ohne weiteres vereinbar wären. So stellt sich
insbesondere die Frage, ob niedrig verzinsliche oder unverzinsliche Staatspapiere nicht mit entsprechenden Bewertungsabschlägen nach dem Fair-value-Prinzip anstelle einer Einstellung zum Nennwert versehen werden müssten,
womit das Instrument seine Bilanzentlastungsfunktion nicht
erfüllen könnte. Angesichts der außergewöhnlichen Notlage sollten entsprechende Sonderregelungen, insbesondere für die Einstellung der Bad-Bank-Anteile zum Nennwert
in die Bankbilanzen, allerdings möglich sein. Auch in der
Vergangenheit sind die Bilanzrichtlinien bei Bedarf schon
mehrfach durch Sonderregelungen variiert worden (vgl. Baetge 2009). Im Übrigen ist auch keineswegs gesichert, dass
die derzeit geltende gesetzliche Regelung den internationalen Bilanzrichtlinien genügt (vgl. Sachverständigenrat
2009, 127).
Den Steuerzahler kostet das Bad-Bank-Modell nach dem
Vorbild der Ausgleichsforderungen nichts, und zwar im Unterschied zum aktuellen Gesetz auch nicht im Insolvenzfall
der abgebenden Bank. Der Teufelskreis aus Abschreibungen und Notverkäufen wird gleichwohl wirkungsvoll unterbrochen, da die staatlich garantierten Anleihen der Zweckgesellschaften kein Eigenkapital binden. Gleichzeitig entfällt die Notwendigkeit einer Vorabbewertung der toxischen
Aktiva (»Fundamentalwert«), denn die Bewertung findet über
den variierenden Rückzahlungszeitpunkt quasi erst im Nachhinein statt: Je schlechter die Papiere vermarktet werden
können, desto länger muss die Bank auf die Einlösung der
Bad-Bank-Papiere warten. Mit dem auf diese Weise entstehenden Zinsverlust trägt sie die Kosten für ihr Fehlverhalten letztlich selbst, allerdings verteilt über viele Jahre oder
Jahrzehnte. Der Trick ist damit der gleiche wie im aktuellen
Gesetz, aber wesentlich einfacher und schonender für die
Staatsfinanzen. Angesichts der immer noch gegebenen Brisanz des Problems sollte der Gesetzgeber eine entsprechende Novellierung des Bad-Bank-Gesetzes ins Auge fassen und dabei insbesondere auch das Prinzip der Freiwilligkeit aufgeben.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
5
6
Zur Diskussion gestellt
Literatur
Andersson, M. und S. Viotti (1999), »Managing and Preventing Financial Crises – Lessons from the Swedish Experience«, Sveriges Riksbank Quarterly
Review 1, 71–89.
Baetge, J. (2009), »Banken retten – mit dem richtigen Regelwerk«, INSMÖkonomenblog vom 10. April 2009.
Deutsche Bundesbank (1995), »Ausgleichsforderungen aus der Währungsreform von 1948 und Fonds zum Ankauf von Ausgleichsforderungen«, Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, November, 55–69.
Deutsche Bundesbank (1996), »Funktion und Bedeutung der Ausgleichsforderungen für die ostdeutschen Banken und Unternehmen«, Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, März, 35–53.
Deutsche Bundesbank (2009), »Finanzstabilitätsbericht«, November 2009,
http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/finanzstabilitaetsberichte/finanzstabilitaetsbericht2009.pdf, (26. November 2009).
Deutscher Bundestag (2009), »Öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung«, Protokoll Nr. 16/103 der 103. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Juni 2009.
European Central Bank (2009), »Financial Stability Review« (June),
http://www.ecb.int/pub/pdf/other/financialstabilityreview200906en.pdf,
(1. Dezember 2009).
Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz (Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung vom 17. Juli 2009),
http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Gesetze__Verordnungen/039__Finanzmarktstabil__anl,property=publicationFile.pdf, (25.November 2009).
Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (Verordnung zur Durchführung
des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes vom 20. Oktober 2008),
http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Gesetze__Verordnungen/Finanzmarktstabilisierungsfonds__Verordnung__anla,property=publicationFile.pdf, (25. November 2009).
Polleit, T. (2009), »Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Finanzmarkstabilisierung«, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse/a08/anhoerungen/zweckgesellschaften/stellungnahmen.pdf,
(27. November 2009).
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2009), Zögerliche Belebung – steigende Staatsschulden, Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2009, Essen.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2009), Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen, Jahresgutachten 2009/10,
Wiesbaden
Schäfers, M. und M. Frühauf (2009), »Regierung will Banken-Paket nachbessern«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Januar.
Smith, A. (1978), Der Wohlstand der Nationen, Ausgabe nach der 5. Auflage London 1789, München.
van Suntum, U. (2009), »Zinslose Staatspapiere für die schlechten Banken«,
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Januar.
van Suntum, U. und C. Ilgmann (2009), »Das Bilanzproblem der Banken –
Ein Lösungsvorschlag«, ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft
und Gesellschaft, 60,223–246.
Wolfgang Hönig*
Deutsche Bankenaufsicht im Verzug
Die deutsche Bankenaufsicht (Gesetzgebung und Verwaltung) wird aufgefordert, zur Überwindung der Bankenkrise
auf zwei Gebieten zu handeln, wo sie bisher keine oder nicht
die richtigen Maßnahmen ergriffen hat:
Erstens muss der Staat dafür sorgen, dass Falschbeurteilungen durch die US-Ratingagenturen künftig nicht noch einmal zu Milliardenschäden in den Bilanzen deutscher Banken führen können. Zweitens hat der Staat mit effizienten
Instrumenten sanierungsbedürftige und -fähige Banken zu
sanieren, sofern das im öffentlichen Interesse nötig ist. Beides sind Forderungen an die nationale Aufsicht, da zur Umsetzung der hier konkret geforderten Maßnahmen eine internationale Abstimmung, die natürlich Zeit kostet und deren Erfolgsaussichten ungewiss sind, nicht nötig ist.
Konsequenzen aus dem Versagen der
Ratingagenturen
Die globale Finanzmarktkrise resultiert aus dem weltweiten
Verkauf von dubiosen Immobilienfinanzierungen durch USBanken. Um diese Verkäufe zu ermöglichen, d.h. maßgeschneiderte Produkte für alle möglichen Investorenkategorien zu schaffen, wurden diese Hypothekenkredite gebündelt und über die Kreditbündel Wertpapiere ausgestellt (sog.
Mortgage Backed Securities, MBS). Zur weiteren Erhöhung
der Platzierbarkeit wurden die MBSs nochmals ein- oder
mehrfach hintereinander gebündelt und hierüber wieder
Wertpapiere ausgestellt (sog. Collateralised Debt Obligations, CDO). Von 1995 bis 2008 erhöhte sich das globale
Marktvolumen der CDOs von 0 auf 1,6 Billionen €. Deutsche
* Dr. Wolfgang Hönig war den größten Teil seines Berufslebens in Stabsfunktionen bei deutschen Großbanken tätig, zuletzt bis Ende 2001 als Generalbevollmächtigter und Leiter Strategie und Controlling bei der Commerzbank AG, Frankfurt.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt
Banken hatten 2008 schätzungsweise 300 Mrd. € in solche Papiere investiert (vgl. im Einzelnen Sinn 2009, 127 ff.).
Diese Entwicklung war nur möglich, weil die CDOs von den
global aktiven Ratingagenturen, vor allem den US-Agenturen Moody’s, Standard&Poor’s und Fitch, falsch, nämlich viel
zu gut, beurteilt wurden und die Investoren, darunter auch
die deutschen Banken, sich auf diese Ratings mangels eigener Beurteilungsmöglichkeit mehr oder minder blind verließen. Es war für die Banken verlockend, in Wertpapiere zu
investieren, denen die Agenturen höchste Qualität bescheinigten, die deshalb nach den bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften sehr wenig haftendes Eigenkapital beanspruchten und attraktive Zinsaufschläge hatten. Das Ziel einer möglichst hohen Eigenkapitalrendite konnte durch Investitionen
in derartige Wertpapiere scheinbar ideal erreicht werden.
Ohne das Vertrauen auf die falschen Ratings wären die Risiken aus den dubiosen US-Immobilienfinanzierungen bei
ihren Urhebern, den US-Banken, geblieben. Zwar hätte auch
deren Zusammenbruch ernste Auswirkungen über die USA
hinaus haben können, wie die Insolvenz von Lehman
Brothers zeigt. Eine Krise im jetzigen Ausmaß wäre uns aber
erspart geblieben. Historischer Beleg ist die Krise der Savings and Loan Associations in den USA in den Jahren 1986
bis 1995, die ebenfalls aus dubiosen Immobilienfinanzierungen herrührte, welche aber mangels Verbriefung und Verkauf in den Bilanzen der kreditausreichenden US-Institute
abgeschrieben werden mussten. Der Fall zeigt aber auch,
dass Banken, hier US-Banken, nicht dazu neigen, aus den
Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Die Bankenaufsicht
wird daher aufgefordert, Wiederholungen in der Zukunft einen Riegel vorzuschieben.
Hierzu bieten sich zwei Vorgehensweisen an:
Die Qualität der Ratingagenturen sollte verbessert werden, um Fehlbeurteilungen zu vermindern. Zu diesem Aspekt sei auf Sinn (2009, 306 f.) verwiesen. Diese Qualitätsverbesserungen können nur durch ein internationales
Vorgehen erreicht werden, bei dem die USA die entscheidende Rolle spielen müssen, da dort die wichtigen Agenturen ansässig sind. Der deutsche Staat kann da allein
wenig bewegen.
Durch entsprechende aufsichtsrechtliche Regeln sollte ferner die Bedeutung von Ratingagenturen auf ein Niveau gesenkt werden, dass Ratings nur eine von vielen Erkenntnisquellen für Investitionsentscheidungen von Banken sind, um
zu verhindern, dass Banken allein auf der Basis dieser Ratings investieren.
Dazu gibt es verschiedene Ansatzpunkte:
Erstens haben die externen Ratings als Basis der bankaufsichtlichen Risikogewichtung bei den CDOs versagt. Die Risikogewichtung entscheidet über die bankaufsichtliche Ei-
genkapitalbindung. Seit 2007 gelten neue international einheitliche Risikoermittlungsvorschriften (Basel II), für Deutschland umgesetzt durch die Solvabilitätsverordnung vom
14. Dezember 2006. Nach dem dort vorgesehenen sog.
Kreditrisikostandardansatz sind CDOs von höchst unterschiedlichem Risikogewicht je nach Einstufung durch die
Ratingagenturen (dargestellt am Ratingschema von Standard&Poor’s):
Einstufung in AAA bis AA- 20%, A+ bis A– 50%, BBB+ bis
BBB– 100%, BB+ bis B–- 350% sowie B+ und schlechter
sowie ohne Rating 1250% Risikogewicht.
Da aus heutiger Sicht die toxischen US-Papiere in die
schlechteste Kategorie gehören, wurde für diese Papiere
das Eigenkapitalerfordernis somit um einen Faktor bis zum
62,5-Fachen (!) zu niedrig eingeschätzt. An Ratingagenturen werden aber durch § 53 Solvabilitätsverordnung besondere Qualitätsanforderungen als Voraussetzung für ihre aufsichtsrechtliche Anerkennung gestellt. Neben verschiedenen hohen methodischen Anforderungen verlangt
die Verordnung: »Die Bonitätsbeurteilungen der Ratingagenturen müssen am Markt als glaubwürdig und verlässlich ansehen ... werden.«
Selbst wenn vor allem die US-Behörden bei den Ratingagenturen Qualitätsverbesserungen unverzüglich durchsetzen sollten, haben die Bonitätsbeurteilungen der Agenturen hinsichtlich der CDOs jedenfalls ihre Glaubwürdigkeit am Markt auf nicht absehbare Zeit verloren. Laut Jochen Sanio, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, gehören die Ratingagenturen »zu den
Hauptschuldigen der Krise«. Sie hätten die Bewertung
strukturierter Finanzprodukte »als Profitmaschine betrieben und dabei ihre Vertrauenswürdigkeit verspielt« (DER
SPIEGEL 47/2009, S. 74). Dann ist es aber nach § 53
Solvabilitätsverordnung geboten, die Zulassung der gegenwärtig für die Bewertung aller Marktsegmente anerkannten Agenturen Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch
hinsichtlich der strukturierten Finanzierungen (dazu zählen die CDOs) zu beenden. Die kanadische DBRS und die
nur für andere Forderungen anerkannten Agenturen Japan
Credit Rating Agency und Creditreform Rating AG spielen
nur eine relativ geringe Rolle.
Die deutsche Bankenaufsicht hat hier kein Ermessen, sondern muss die Anerkennung nach der geltenden Rechtslage einschränken und kann das auch ohne internationales
Einvernehmen, da die Anerkennung von Ratingagenturen
und damit auch deren Beendigung oder Einschränkung Aufgabe der nationalen Aufsichtsbehörden ist, wenn auch aus
Wettbewerbs- und Praktikabilitätsgründen bei der Anerkennung von Ratingagenturen ein informelles »Schattenanerkennungsverfahren« auf EU-Ebene etabliert ist. Dieses Konsultationsverfahren könnte unbeschadet der nationalen Ent62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
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Zur Diskussion gestellt
scheidungskompetenz auch bei der Einschränkung der Anerkennung genutzt werden. Strukturierte Finanzierungen
wären daher im Kreditrisikostandardansatz bis auf weiteres
als Risikopositionen ohne Rating zu behandeln, was gegenwärtig nur insoweit zu höheren Eigenkapitalanforderungen
führen würde, als diese Papiere nicht sowieso schon auf
die niedrigste Stufe abgewertet sind. Künftig wäre es aber
deutschen Banken nicht mehr möglich, strukturierte Finanzierungen unter Berufung auf sehr gute Ratings der USRatingagenturen mit entsprechend geringem haftenden Eigenkapital zu unterlegen.
Den Banken bleibt es zwar nach Basel II unbenommen, den
auf externen Ratings basierenden Kreditrisikostandardansatz durch ihnen zur Wahl stehende, unterschiedlich anspruchsvolle interne Ratingverfahren zur Abschätzung der
Ausfallrisiken zu ersetzen. Dass Banken zunehmend interne Ratingansätze verwenden, ist aufsichtlich sogar explizit
gewünscht. Allerdings wäre gesondert zu prüfen, ob diese
internen Ansätze hilfreicher sind als externe Ratings. In die
internen Modelle fließen zum einen historische Daten mit einem kurzen Horizont in die Vergangenheit ein, wohingegen sich Krisen dadurch definieren, dass sie von vergangenen Entwicklungen deutlich ungünstig abweichen. Zum
anderen werden in den internen Modellen risikomindernde
Diversifizierungen unterstellt, die sehr wohl bei Einzelrisiken, nicht aber bei systemischen Risiken einer Krise vorliegen. Es wäre daher zu überlegen, in einem »Basel III« wieder ausschließlich auf zwar grobe, aber manipulationsfreie
objektive Daten der Bankbuchhaltung nach dem Vorbild
des bis 2006 geltenden Grundsatz 1 abzustellen, also auf
subjektive Einschätzungen ganz zu verzichten. Erfreulicherweise wird inzwischen weithin eine erhebliche Verstärkung
der Eigenkapitalbasis der Banken gefordert. So bringt Sinn
(2009, 295 ff.) eine Verdoppelung der Mindestkernkapitalquote auf 8% ins Gespräch. Auf dieser komfortablen Basis könnte man sich eine solche Vergröberung erlauben.
Wenn die Risikoermittlung gedanklich »zu niedrig« ausfällt,
würde das durch die höhere Eigenkapitalquote abgefedert,
im umgekehrten Fall einer »zu hohen« Risikoermittlung würde die zusätzliche Eigenkapitalausstattung nicht schaden.
In jedem Fall wäre aber eine derartige Weiterentwicklung
von Basel II nur in einem langwierigen, international konzertierten Prozess möglich.
Zweitens sollten Kreditgewährungen, Wertpapierankäufe
und sonstige Risikoübernahmen künftig aufsichtsrechtlich
nur im Rahmen der Bankstrategie zulässig sein. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber keineswegs Praxis. Geschäftsleiter von Banken sehen es bisher als ihr Recht
an, ihnen attraktiv erscheinende Geschäftsmöglichkeiten
ungeachtet einer eventuell beschlossenen Strategie zu nutzen, insbesondere mangels ausreichendem strategiekonformem Kreditgeschäft in vermeintlich attraktive Ersatzdebitoren zu investieren. Die Strategie müsste von den Leiifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
tungsgremien der Bank konkret definiert und klar formuliert werden. Die Kredit- und Risikocontrollingfunktionen der
Banken wären so aufzustellen und zu qualifizieren, dass
sie strategiekonforme Risiken selbständig zuverlässig beurteilen können. Sie dürften bei ihrer Beurteilung nicht auf
externe Ratings angewiesen sein. Daraus folgt, dass Strategien, deren Risiken intern nicht ausreichend sicher beherrscht werden können, aufsichtsrechtlich nicht zulässig
wären. Die Bankenaufsicht hätte laufend zu überprüfen,
ob die Bankstrategie diesen Anforderungen genügt. Unter
einem solchen Regime hätte kaum eine deutsche Bank verbriefte US-Immobilienfinanzierungen ankaufen können. Das
frühere US-Trennbankensystem, dessen Wiedereinführung
erwogen wird, zielt in eine vergleichbare Richtung, d.h. auch
dadurch soll verhindert werden, dass einlagennehmende
und kreditausreichende Banken Risiken übernehmen, die
diesem Geschäft fremd sind und die sie nicht ausreichend
beherrschen. Das hier geforderte Vorgehen wäre aber flexibler. Es ist leichter, eine Verwaltungspraxis, d.h. hier die
aufsichtliche Überprüfung einer Bankstrategie, etwaigen
neuen Erkenntnissen anzupassen, als ein Gesetz zu ändern. Regelungsumgehungen würden durch diese Flexibilität erschwert. Vor allem könnten die individuellen Kapazitäten und Kompetenzen der einzelnen Banken berücksichtigt werden. Unterschiedlich befähigte Institute würden nicht
über einen einheitlichen bankaufsichtlichen Kamm geschoren. Eine derartige Regelung könnte der Gesetzgeber ebenfalls ohne internationale Abstimmung für deutsche Banken
einführen.
Die EU-Richtlinie 2006/48/EG vom 14. Juni 2006 über die
Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute
führt hierzu in Nr. 6 der Erwägungen aus: »Die Richtlinie
sollte die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht
beeinträchtigen, welche besondere zusätzliche Genehmigungen vorsehen, durch die es den Kreditinstituten ermöglicht wird, spezifische Tätigkeiten auszuüben oder bestimmte Arten von Geschäften zu tätigen.«
Das wäre auch der Schlüssel zur Lösung des Problems,
dass den Ratingagenturen zwar von vielen Seiten die Glaubwürdigkeit abgesprochen wird, sie aber wegen angeblicher
Unersetzlichkeit geschont werden. Die Ratingagenturen mögen schwer zu ersetzen sein, sie wären aber bei Umsetzung
dieser Forderung nicht mehr unentbehrlich. Investitionen in
undurchschaubare strukturierte Finanzierungen mit US-Provenienz könnten, wenn auch die anderen nationalen Bankaufsichtsbehörden dem deutschen Vorbild folgen, im Wesentlichen nur noch von US-Adressen getätigt werden, da
nur diese aus eigener Kompetenz deren Risiken zuverlässig beurteilen können. So würde auch ein heilsamer Druck
zum Abbau des US-Defizits ausgeübt.
Wozu fehlende Orientierung an einer risikobeherrschten Strategie führen kann, zeigt das Beispiel der Bayerischen Lan-
Zur Diskussion gestellt
desbank, die im Jahre 2007 die Hypo Group Alpe Adria
(HGAA) in Kärnten kaufte, die schwerpunktmäßig Balkanrisiken in den Büchern hat und bereits damals als marode
galt. Kaufpreis, Kapitalhilfen und ein am 14. Dezember 2009
vereinbarter letzter Zuschuss addieren sich zu verlorenen
3,75 Mrd. €. Jetzt geht die HGAA ohne Gegenleistung in
den Besitz des Staates Österreich über. Die Bayerische Landesbank ist bei der HGAA weiterhin mit einem Kredit von
mehr als 3 Mrd. € engagiert.
Drittens gibt es neben diesen beiden wichtigsten Feldern
noch andere, wo die Relevanz von externen Ratings beseitigt werden sollte. So ist es eine verbreitete Übung, Kreditkompetenzen in den Banken nach externen Ratings zu staffeln. Ein Kompetenzträger wird etwa ermächtigt, an eine
AAA- oder AA-Adresse erheblich mehr auszuleihen als an
schlechter oder nicht bewertete Kreditsuchende. Dadurch
werden vor allem nicht emittierende mittelständische Adressen, die mangels Bedarf über kein Rating verfügen, zu Unrecht diskriminiert. Das sollte künftig nicht mehr zulässig sein.
Auch hier könnte die deutsche Bankenaufsicht im Alleingang
tätig werden.
Sanierung systemrelevanter Banken
Sog. systemrelevante deutsche Banken, d.h. solche mit einer unverzichtbaren volkswirtschaftlichen Funktion, besonders bei der Kreditversorgung der deutschen Volkswirtschaft,
müssen in letzter Konsequenz vom Staat im öffentlichen
Interesse unter Einsatz von Steuermitteln saniert werden,
sobald die Erfüllung dieser Funktion gefährdet ist. In letzter
Konsequenz heißt das, dass zuvor das haftende Eigenkapital der Bankeigentümer und, soweit vorhanden, von den
Banken gemeinschaftlich aufgebrachte Mittel einzusetzen
sind. (So schlägt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einen von den
euroopäischen Banken zu dotierenden Finanzstabilisierungsfonds vor.) Besonders bei den Landesbanken kommt hinzu, dass die Eigentümer, Länder, Kommunen und Sparkassen, nachschießen, bevor der Bund durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) am Zuge ist. So hat der
Freistaat Bayern im Herbst 2008 10 Mrd. € Eigenkapitalhilfe an die Bayerische Landesbank geleistet als Voraussetzung für eine Garantie des SoFFin in Höhe von 15 Mrd. €.
Schließlich haben sich die Banken um neues Eigenkapital
von dritter Seite zu bemühen, bevor der Staat einspingt. Soweit diese Mittel aber nicht vorhanden oder aufgezehrt sind,
ist der Staat gefordert. Dies zu leugnen, wie das bei der
Kritik an den diesbezüglichen Vorschlägen von Josef Ackermann geschah (Süddeutscher Zeitung vom 20. November
2009), ist Vogel-Strauß-Politik.
Da in der gegenwärtigen Finanzmarktkrise bereits die Mehrzahl der Landesbanken (Bayerische Landesbank, Landes-
bank Baden-Württemberg, HSH-Nordbank und Westdeutsche Landesbank) und zwei sehr bedeutende private Banken (Commerzbank und Hypo Real Estate, HRE) staatliche Hilfe beanspruchen mussten, tritt der Sanierungsfall
in einem deutlich früheren Stadium ein als bei der Notlage einer einzelnen systemrelevanten Bank in einem ansonsten intakten Umfeld. Mit der Sanierung kann gegenwärtig nicht bis zur Gefahr einer Insolvenz gewartet, sondern es muss bereits im Vorfeld die Fähigkeit der Banken
zur angemessenen Kreditversorgung der Volkswirtschaft
aufrechterhalten werden. Diese Fähigkeit wird durch die
toxischen US-Papiere doppelt belastet, zum einen wegen
des Eigenkapitalverzehrs durch Abschreibungen, zum anderen wegen erhöhter aufsichtsrechtlicher Eigenkapitalbindung durch den Wegfall der zu günstigen Ratings dieser Wertpapiere (sog. Ratingmigration). Die Situation wird
durch die erwartete sog. zweite Welle aus Insolvenzen in
der Realwirtschaft noch verschärft werden. So gesehen,
dürften in Deutschland mehr Banken Sanierungsfälle sein
als gemeinhin angenommen wird.
In einem am 13. November 2009 vorgestellten Jahresgutachten empfiehlt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung daher, dass
der Staat die systemrelevanten deutschen Banken durch
Stresstests daraufhin untersucht, ob sie sanierungsbedürftig und -fähig sind. Hieraus ergeben sich drei Kategorien:
A-Banken mit einem tragfähigen Geschäftsmodell, die ihre Solvenz aus eigener Kraft darstellen können, B-Banken
mit einem vorhandenen oder durch Restrukturierung herstellbaren tragfähigen Geschäftsmodell, die staatliche Hilfe zur Aufrechterhaltung ihrer Solvenz benötigen, und CBanken ohne Zukunftschancen. Die staatliche Hilfe habe
sich auf die B-Banken zu konzentrieren, notfalls auch gegen den Willen der Eigentümer und der Bankorgane, CBanken seien in einer die Volkswirtschaft schonenden Weise abzuwickeln.
Dem ist voll zuzustimmen. In den USA mussten sich bereits
die 19 wichtigsten Banken, teilweise gegen großen Widerstand, einem derartigen Test unterziehen, dessen Ergebnisse veröffentlicht wurden, was sich im Nachhinein als klarer
Erfolg im Vertrauensbildungsprozess herausstellte. Der Staat
sollte diese Stresstests in Deutschland bei den systemrelevanten Banken durchführen und deren Ergebnisse veröffentlichen. Auch hier kann er ohne internationale Abstimmung handeln.
Die hierbei identifizierten B-Banken sind von Amts wegen
zu sanieren. Die Initiative darf nicht, wie das gegenwärtig geschieht, den Bankorganen überlassen bleiben. Denn hier
steht nicht das betriebswirtschaftliche Problem der Rettung von Bankunternehmen im Vordergrund, sondern die
volkswirtschaftliche Aufgabe, eine Verschärfung der Kreditklemme zu vermeiden und diese abzubauen. Sonst besteht
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Zur Diskussion gestellt
die Gefahr, dass sich C-Banken, die nichts zu verlieren haben, um staatliche Hilfe bemühen und diese bekommen,
dagegen B-Banken aus Sorge um ihren Ruf versuchen, ohne diese Hilfe auszukommen, und ihre Kreditaktivitäten zurückfahren, um ihre Eigenkapitalnot und ihre Refinanzierungsprobleme zu mildern.
So hat die größte deutsche Genossenschaftsbank, die Apotheker- und Ärztebank, die toxische Papiere mit einem Buchwert von über 5 Mrd. € besitzt und Hilfe aus dem genossenschaftlichen Bereich erhält, aber staatliche Hilfe vermeiden will, am 27. November 2009 verlautbart, dass sie »sämtliche Optionen zur Reduzierung der Eigenkapitalbindung
abarbeiten« will. Was das für die Kreditversorgung der deutschen Apotheker und Ärzte bedeuten kann, wo diese Bank
einen Marktanteil von mehr als 60% hat, liegt auf der Hand,
auch wenn die Bank betont, dass sie sich künftig auf ihr
Kundengeschäft konzentrieren will. Das Gegenbeispiel ist
die Aareal Bank, die im Februar 2009 vom SoFFin eine stille Einlage von 525 Mill. € und einen Garantierahmen für Refinanzierungsmittel von 4 Mrd. € erhielt, was die Bank in
ihrem Geschäftsbericht 2008 so kommentierte: »Wir haben
das Regierungsprogramm proaktiv in Anspruch genommen. Mit dieser Vereinbarung macht sich die Aareal Bank
im Zeichen der Finanz-und Wirtschaftskrise für alle Unwägbarkeiten wetterfest«. Die Aareal Bank hat seit Ausbruch
der Finanzmarktkrise im Sommer 2007 nur positive Quartalsergebnisse erzielt, ist daher offenbar nicht sanierungsbedürftig und hätte staatliche Hilfe nicht benötigt. Es besteht schließlich die Gefahr, dass C-Banken, die nicht sanierungsfähig sind, sich um staatliche Hilfe bemühen und
diese auch bekommen. Hierzu könnte die eine oder andere Landesbank zählen.
Der Staat hat den Banken durch das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz vom 17. Oktober 2008 drei Sanierungsinstrumente angeboten, die nicht ausreichend sind:
Erstens gibt der Staat gemäß §6 dieses Gesetzes Garantien für die Passivseite der Bankbilanz, um Banken zu ermöglichen, sich weiter zu Marktkonditionen zu refinanzieren. Das herausragende Beispiel ist die HRE, die bisher bei
einer Bilanzsumme von etwa 400 Mrd. € Garantien in Höhe von 102 Mrd. € erhalten hat. 50 Mrd. € wurden am Sonntag, 5. Oktober 2008, nachts in einer dramatischen Gemeinschaftsaktion von Bund und privaten Banken in buchstäblich letzter Minute zugesagt. Ohne diese Hilfe hätte die HRE
am folgenden Montag Insolvenz anmelden müssen, was
wahrscheinlich zum Zusammenbruch des Pfandbriefmarkts
und damit zu schweren Störungen der Immobilienfinanzierung und der Finanzierung öffentlicher Haushalte sowie zum
Zusammenbruch des Interbankenmarkts geführt hätte. 2009
folgte eine weitere Hilfe durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) in Höhe von 52 Mrd. €. Diese Garantien sind eine sinnvolle Sofortmaßnahme. Sie führen aber
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
nicht zur Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit aus eigener Kraft, wie das Beispiel HRE zeigt, die nach wie vor auf
staatliche Garantien für ihre Refinanzierung angewiesen ist,
obwohl sie inzwischen zusätzlich 6 Mrd. € Eigenkapital vom
SoFFin erhalten hat und zu 100% in Staatsbesitz ist. Langfristig kann eine B-Bank ihre Kreditwürdigkeit am Markt nur
durch die endgültige Befreiung von existenzbedrohenden
toxischen Elementen und die Wiederherstellung einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung erlangen.
Zweitens bietet der Staat daher auf der Grundlage von §8
des Gesetzes an, Banken von ihren existenzbedrohenden
Risiken, also den sog. toxischen Papieren, und, wenn die
sog. zweite Welle kommt, evtl. auch notleidenden Debitoren, zu befreien, sei es durch Ankauf oder durch Garantien. Das scheitert aber an unlösbaren Bewertungsproblemen. Die toxischen Papiere werden nicht mehr gehandelt,
es fehlen somit Marktpreise. Stattdessen müssten Barwerte durch Diskontierung der künftigen Zahlungsströme
ermittelt werden. Das ist wegen der Ungewissheit über diese Zahlungsströme nicht möglich. Vorläufige Wertfestsetzungen mit endgültiger Abrechnung nach Beendigung der
Abwicklungsphase wären nicht hilfreich. Die Banken würden dadurch nicht endgültig von den Risiken befreit. Das
Ziel der Aktion, die Wiedererlangung von Vertrauen am
Markt, wird so nicht erreicht. Das gilt auch für die am 17. Juli
2009 geschaffenen §§6a bis d des Gesetzes, die die Möglichkeit eröffnen, dass Banken toxische Papiere an Zweckgesellschaften zur Abwicklung veräußern. Hier müssten die
übertragenden Banken einen Teil des hierfür erhaltenen
am gegenwärtigen Buchwert orientierten Kaufpreises über
bis zu 20(!) Jahre verteilt wieder zurückzahlen und für den
Fall eines noch niedrigeren Abwicklungserlöses auch für
diesen Restverlust haften. Das gleiche Manko gilt für die
zum gleichen Zeitpunkt geschaffenen §§8a und b des Gesetzes. Hierdurch wurde die gesetzliche Grundlage für sog.
öffentlichrechtliche Abwicklungsanstalten (des Bundes oder
eines Bundeslandes) geschaffen, bei denen Banken Altlasten und nicht strategiegerechte Geschäftsteile abladen
können. Verluste aus der Abwicklung werden wieder in
Raten auf bis zu 20 Jahre verteilt der übertragenden Bank
aufgebürdet, ebenso ein dann noch verbleibender Restverlust. Anders ist es nur bei einem geschlossenen Eigentümerkreis, wenn sich alle Beteiligten einig sind, was vor allem bei Landesbanken praktisch werden kann, wo sich
Sparkassen, Kommunen und Bundesländer das Eigentum
teilen. Hier wird die Lösung in einer unbeschränkten also
über das eingezahlte Eigenkapital hinaus reichenden quotalen Haftung dieser Eigentümer für alle Verluste (mit Zahlungsstreckungen zugunsten der Sparkassen) gesehen. Die
Westdeutsche Landesbank, ihre Eigentümer und der Soffin haben sich am 24. November 2009 darauf geeinigt, die
Möglichkeiten einer öffentlichrechtlichen Abwicklungsanstalt zu nutzen, um auf diese nicht strategienotwendige Geschäftsbereiche im Umfang von etwa 85 Mrd. € zu über-
Zur Diskussion gestellt
tragen. Bei der HRE wird ebenfalls eine Ausgliederung problembehafteter und nicht strategiekonformer Geschäftsteile auf eine Abwicklungsanstalt geplant. Bei anderen Banken mit einer Vielzahl privater Eigentümer funktionieren diese Modelle nicht. Bisher hat noch keine andere Bank von
diesen Angeboten Gebrauch gemacht.
Drittens führt der Staat gemäß § 7 des Gesetzes den Banken neues Eigenkapital zu. Prominentestes Beispiel ist die
Commerzbank, wo der Staat sich unter Einsatz von
1,8 Mrd. € mit 25% am Aktienkapital beteiligt und ein Vielfaches dieser Investition, nämlich 16,4 Mrd. €, als stille Einlage eingezahlt hat. Hätte der Staat den gesamten Betrag
von 18,2 Mrd. € zum gleichen Zeichnungskurs in Commerzbank-Aktien angelegt, wäre er jetzt mit 77% am stimmberechtigten Aktienkapital beteiligt und hätte das Sagen.
Mit dem Aktienbesitz haftet der Staat gleichrangig mit den
Altaktionären. Mit der Stillen Einlage haftet er zwar nach
den Aktionären, sie verschafft ihm aber keinen Einfluss in
der Hauptversammlung der Bank. Verantwortungsgerechter wäre es jedoch, wenn die Alteigentümer der Banken
das Risiko aus einem Sanierungsfall mit ihrem gesamten
eingezahlten Eigenkapital vor dem Staat tragen. Ferner
sollte der Staat entsprechend seiner Eigenkapitalzufuhr
Einfluss erhalten. Die Eigenkapitalhilfe durch den Staat im
Sanierungsfall dient der Aufrechterhaltung der Funktion der
Banken, die Volkswirtschaft mit Kredit zu versorgen. Das
ist eine öffentliche Aufgabe. Der Staat muss diese Aufgabe in eigener Verantwortung wahrnehmen. Dieser Verantwortung kann er nur gerecht werden, wenn er den seiner
Eigenkapitalzufuhr entsprechenden Einfluss auf die Banken bekommt. Der Einwand, dass staatlich kontrollierte
Banken erfahrungsgemäß besonders unglücklich agieren, ist ernst zu nehmen. Das betrifft aber Banken im dauernden Staatsbesitz, also vor allem Landesbanken, wo
Funktionäre, die das Bankgeschäft nicht gelernt haben, in
den Verwaltungsräten oft viel Unheil angerichtet haben.
Hier dagegen muss der Staat seinen nur vorübergehenden Einfluss dazu nutzen, dass das schon vorhandene oder
durch Restrukturierung herzustellende tragfähige Konzept
der B-Banken konsequent umgesetzt und das Vertrauen
des Marktes in die Banken schnellstmöglich wieder hergestellt wird, damit er in die Lage versetzt wird, seine Beteiligungen zu privatisieren. Der Staat muss also daran arbeiten, sich bei den B-Banken überflüssig zu machen. Eine Einmischung in das Tagesgeschäft verbietet sich. Ferner ist zu bedenken, dass keineswegs nur bankunerfahrene Funktionäre bei Banken Unheil angerichtet haben,
sondern bei der gegenwärtigen Krise auch erfahrene Bankmanager weltweit Bankschieflagen verursacht haben.
Wegen dieser Defizite wird am Beispiel einer B-Aktienbank
ein anderer Sanierungsweg aufgezeigt, der auch bei einem
großen, heterogenen Aktionärskreis gangbar ist. Er stellt
sicher, dass die Altaktionäre vor dem Staat mit ihrem Ak-
tienkapital haften, dass die Bank von ihren existenzbedrohenden Risiken voll und endgültig befreit wird und dass
sie vom Staat zur Wiederherstellung ihrer Solvenz rekapitalisiert wird. Bei einer anderen Rechtsform der B-Bank
ist dieser Sanierungsweg analog anwendbar: Als Sofortmaßnahme erhält die Bank zur Aufrechterhaltung ihrer Refinanzierung bei Bedarf staatliche Garantien für die Passivseite der Bilanz gemäß § 6 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz.
Sodann wird von der Bank (alt) der toxische Teil als Abwicklungsgesellschaft nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes abgespalten. Abspaltungen sind bei
Banken nichts Ungewöhnliches. So ist die HRE aus einer
Abspaltung von der HypoVereinsBank entstanden, die
Westdeutsche Landesbank wird bei ihrem oben erwähnten Projekt ebenfalls den Weg der Abspaltung wählen. Die
Abspaltung kann zu Buchwerten, d.h. ohne Bewertung
erfolgen, da die Altaktionäre an der Bank (neu) und der
Abwicklungsgesellschaft im gleichen Verhältnis wie an der
Bank (alt) beteiligt sind, wenn auch in völlig unterschiedlicher absoluter Höhe. Die Eigenkapitalausstattung wird
nämlich im Abspaltungsplan so geregelt, dass praktisch
das gesamte Eigenkapital als Risikopuffer der Abwicklungsgesellschaft zugeordnet wird. Die der Abwicklungsgesellschaft im Abspaltungsplan ferner zugeordneten
Gläubiger der Bank (alt), die neben dem Eigenkapital die
Refinanzierung der Abwicklungsgesellschaft darstellen,
erhalten eine Garantie des Staates. Damit wird vermieden,
dass sie, was ansonsten ihr Recht wäre, auf das Vermögen der Bank (neu) zugreifen (sog. Nachhaftung). Auf diese Weise wird sicher gestellt, dass die Altaktionäre in der
Abwicklungsgesellschaft mit praktisch ihrem gesamten
Aktienkapital vor dem Staat haften. Das Abwicklungsergebnis führt im schlechtesten Fall zum vollen Verlust des
Eigenkapitals der Abwicklungsgesellschaft zuzüglich einer Belastung des Staates aus der Garantie. Bei einem
besseren Abwicklungsergebnis werden die Gläubiger befriedigt, der Staat wird dann nicht belastet, und es entsteht zusätzlich ein Abwicklungserlös für die Altaktionäre. Wenn es im besten Fall bei der Abwicklung per saldo
zu Wertaufholungen kommt, profitieren davon die Altaktionäre, die auch die zuvor erfolgten Abschreibungen
getragen hatten.
Die Bank (neu) wird im Abspaltungsplan nur mit dem aktienrechtlichen Mindestkapital ausgestattet und anschließend im erforderlichen Umfang, d.h. zur Sicherung ihrer
Fähigkeit zur Kreditversorgung der Volkswirtschaft, durch
den Staat rekapitalisiert. Auch die Westdeutsche Landesbank wird nach Abspaltung ihrer nicht strategiekonformen Geschäftsteile für die verbleibende »Kernbank« vom
Soffin eine stille Einlage von 3 Mrd. € erhalten, die später
in Stammaktien getauscht werden kann, was im wesentlichen dem hier für eine B-Aktienbank geforderten Vorge62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
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Zur Diskussion gestellt
hen entspricht. Die Rekapitalisierung durch den Soffin setzt
also die völlige und endgültige Befreiung der Bank (neu)
von existenzbedrohenden toxischen Elementen voraus.
Durch die endgültige Befreiung von den toxischen Elementen und die Rekapitalisierung wird die Bank (neu) wieder
am Markt kreditwürdig. Sie bedarf dann keiner Staatsgarantien zur Refinanzierung mehr. Der Staat muss seine
Aktien nach erfolgreichem Abschluss der Sanierung verkaufen, da sodann der Grund für den Staatsbesitz weggefallen ist.
Die praktisch vollständige Zuordnung des Eigenkapitals
der Altaktionäre zur Abwicklungsgesellschaft ist in Anbetracht des Risikopotentials in der Regel angemessen. Sollte der Stresstest ergeben, dass ausnahmsweise ein geringeres Risikopolster auch bei konservativer Beurteilung
ausreicht, kann im Abspaltungsplan ein entsprechend geringerer Teil des Eigenkapitals der Abwicklungsgesellschaft zugeordnet werden, so dass die Altaktionäre substanziell an der Bank (neu) beteiligt bleiben. Nach Rekapitalisierung wird der Staat aber praktisch immer mit qualifizierter Mehrheit an der Bank (neu) beteiligt sein und damit das Sagen haben. Das zeigt das Beispiel Commerzbank, wo, wie oben gezeigt, der Staat 77% des Aktienkapitals besäße, obwohl mangels Abspaltung einer Abwicklungsgesellschaft das gesamte Eigenkapital der Altaktionäre in der Bank verblieben ist. Durch diese Flexibilität kann der Vorwurf entkräftet werden, die Altaktionäre seien mehr als zwingend erforderlich aus der Bank verdrängt worden.
Da diese Sanierungsmaßnahmen volkswirtschaftlichen d.h.
öffentlichen Interessen und nicht den privatwirtschaftlichen
Interessen der Altaktionäre dienen, sind sie durch den Staat
auch dann durchzusetzen, wenn die Altaktionäre die erforderlichen Hauptversammlungsbeschlüsse nicht fassen
sollten. Der deutsche Gesetzgeber kann aus europarechtlichen Gründen die Hauptversammlungsbeschlüsse nicht
durch der Sanierung dienende Verwaltungsakte ersetzen.
Der Staat kann aber notfalls die Aktien der Altaktionäre
enteignen, um sodann selbst die erforderlichen Beschlüsse fassen zu können. Als Gesetzesgrundlage hierfür kann
das allein auf die HRE abgestellte und inzwischen zeitlich
ausgelaufene Rettungsübernahmegesetz vom 7. April
2009 reaktiviert werden, indem seine Anwendbarkeit auf
alle B-Banken erweitert und seine Befristung aufgehoben
wird. Im obigen Beispiel tritt dann der Staat an die Stelle
der Altaktionäre. Diese erhalten die Enteignungsentschädigung und haben weder das Risiko noch die Chance eines ungünstigen bzw. günstigen Abwicklungsergebnisses
einerseits, im geschilderten Ausnahmefall einer ungünstigen bzw. günstigen Entwicklung der Bank (neu) andererseits. Diese Sanierungsmassnahmen kann die deutsche
Bankenaufsicht ebenfalls ohne internationale Abstimmung
ergreifen.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Fazit
Die deutsche Bankenaufsicht wird aufgefordert, folgende
Maßnahmen zügig zu ergreifen:
• Beendigung der Anerkennung der US- Ratingagenturen Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch für strukturierte Finanzierungen
• Eingrenzung von Bankaktivitäten auf bankintern beherrschbare Risiken
• Beendigung der Diskriminierung von Kreditnehmern ohne Rating
• Ermittlung der systemrelevanten sanierungsbedürftigen
und -fähigen Banken, der sog. B-Banken, durch Stresstests und Veröffentlichung der Testergebnisse
• Sanierung der B-Banken von Amts wegen gemäß dem
geschilderten Verfahren.
Literatur
Sinn, H.-W. (2009), Kasino-Kapitalismus, Econ-Verlag, Berlin.
Zur Diskussion gestellt
den, dann dürften vor allem große, international tätige Banken, Hypothekenbanken und öffentlich-rechtliche Banken
davon betroffen sein. Der dadurch verursachte Kapitalbedarf bei diesen Banken dürfte deshalb enorm sein.
Stephan Götzl*
Heute Krise von morgen verhindern
Die Finanzkrise hat auf drastische Weise gezeigt, dass das
Eigenkapital vieler Banken, insbesondere der großen, international tätigen, zu gering war. Infolge der Krise ist der Eigenkapitalbedarf der Banken zusätzlich angestiegen, weil
die immensen Abschreibungen auf Wertpapiere und Kredite das Eigenkapital reduzieren. Darüber hinaus erhöhte sich
die vom Markt geforderte Eigenkapitalausstattung. Die rückläufigen Eigenkapitalquoten der letzten Jahre haben sich als
zu gering erwiesen.
Kapitalerhöhungen oder Deleveraging?
Von Abschreibungen betroffene Banken haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die geforderten Eigenkapitalquoten zu erfüllen:
1. über konventionelle Kapitalerhöhungen und
2. durch so genanntes Deleveraging.
Kapitalerhöhungen haben bislang in zu geringem Ausmaß
stattgefunden: Bis zum Sommer 2009 waren es nach Schätzungen des IWF für den Euroraum nur 220 Mrd. € (vgl. Internationaler Währungsfonds 2009). Insgesamt werden aber
Abschreibungen in Höhe von 814 Mrd. € veranschlagt, wovon bis Sommer 2009 nur 350 Mrd. € realisiert wurden. Es
befinden sich also noch immer stille Lasten von weit über
400 Mrd. € in den Büchern von Banken des Euroraums.
Für deutsche Banken ermittelt die Bundesbank in ihrem
aktuellen Finanzstabilitätsbericht einen weiteren, noch ausstehenden Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 60 bis
90 Mrd. € (vgl. Deutsche Bank 2009). Nimmt man die bisherigen Abschreibungen als Indikator für die künftig drohen* Dr. h.c. Stephan Götzl ist Präsident und Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbands Bayern e.V.
Angesichts der geringen Kapitalerhöhungen wählen die
angeschlagenen Banken momentan den Weg des Deleveraging. Über eine Rückführung der Geschäftsaktivitäten werden eigene Schulden zurückbezahlt. Die Bilanzsumme schrumpft und die Eigenkapitalquote steigt. Was
aus bankindividueller Sicht rational sein mag, kann negative Folgen für die Volkswirtschaft haben. Unter einem andauernden Einschränken der Geschäfte gerät die Kreditversorgung der Wirtschaft in Mitleidenschaft, eine Kreditklemme kann bei deutlichem Anspringen der Investitionstätigkeit entstehen.
Die Politik muss deshalb erreichen, dass die Banken ihre
Eigenkapitalausstattung durch neues Eigenkapital verbessern. Dies sollte eigentlich bei einer ausreichenden Nachfrage nach Bankdienstleistungen – bei einer Kreditklemme
gibt es definitionsgemäß eine Übernachfrage nach Krediten – von alleine über den Markt passieren und in »Normalzeiten« tut es das auch. Aber offensichtlich gibt es hier momentan Marktversagen, das staatliches Eingreifen erfordert. Konkret ist das so genannte »Debt-overhang-Problem« das größte Hindernis für neue Eigenkapitalgeber (vgl.
Myers 1977). Durch den Wertverfall vieler Aktiva ist das
Risiko der Fremd- und Eigenkapitalgeber gestiegen und
der Wert ihrer Ansprüche gesunken. Eine Zuführung von
neuem Eigenkapital erhöht den Gesamtwert der Aktiva um
den gleichen Betrag. Weil aber durch die dann höhere Haftungsmasse der Bank das Risiko für die Gläubiger und Altaktionäre sinkt, steigt der Marktwert ihrer Ansprüche, was
zu Lasten der neuen Aktionäre geht. Vereinfacht ausgedrückt erhält ein Neu-Aktionär auf einen Euro, den er an
frischem Eigenkapital zuschießt, Ansprüche mit einem geringeren Wert als einen Euro. Dies dürfte ein wichtiger Grund
dafür sein, dass private Rekapitalisierungen nur sehr zögerlich stattfinden. Außerdem befürchten die jeweiligen
Banken negative Effekte auf ihr Geschäft und ihre Refinanzierungsmöglichkeiten auf den Bondmärkten durch eine
Stigmatisierung als »Problembank«, sollte eine beabsichtigte Kapitalerhöhung fehlschlagen.
Die Regierungen in vielen Ländern haben dieses Problem
im Grundsatz erkannt und mit diversen Stützungsprogrammen reagiert. In Deutschland wurde der »Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung« (SoFFin) ins Leben gerufen. Auffällig ist, dass die freiwilligen Maßnahmen bislang wenig Erfolg hatten und nur in den Fällen genutzt wurden, in denen
die Schließung der Bank unvermeidlich gewesen wäre. Als
Beispiele seien nur die Hypo Real Estate und die WestLB
genannt. Damit stellt sich die Frage, warum angeschlagene Banken die staatlichen Stützungsangebote freiwillig nicht
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
13
14
Zur Diskussion gestellt
nutzen wollen, obwohl es eigentlich wirtschaftlich notwendig wäre?
Instrumente des SoFFin
Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich die
Instrumente ansehen, über die der SoFFin verfügt. Dazu
zählen:
– Garantiegewährung für neu begebene Schuldtitel: Finanzinstitute können sich neue Verbindlichkeiten durch eine
staatliche Garantie absichern lassen. Mit 128 Mrd. € ist
dies bisher das meistgenutzte Instrument. Allerdings dient
es in erster Linie der Liquiditätssicherung der jeweiligen
Bank. Ernsthafte Solvenzprobleme lassen sich damit nicht
lösen.
– Rekapitalisierungen: Bei mangelnder Eigenkapitalausstattung kann sich der Fonds über eine Kapitaleinlage
an einem Finanzinstitut beteiligen. Momentan ist er bei
drei Instituten mit 22 Mrd. € Eigenmitteln engagiert. Den
größten Teil davon macht die Commerzbank mit
18,2 Mrd. € aus, wovon 16,4 Mrd. als Stille Einlagen
gewährt wurden.
– Risikoübernahme: Der SoFFin kann auch Kredite und
Wertpapiere von den Instituten gegen Schuldtitel des
Bundes tauschen. Aktuell nutzt nur die WestLB dieses
Instrument für Wertpapiere über 5,9 Mrd. €.
– Im Sommer kamen zwei neue Angebote zur Bilanzbereinigung, so genannte Bad-Bank-Modelle, zum Instrumentenset hinzu: Über das Zweckgesellschaftsmodell
soll die Auslagerung schlechter Wertpapiere aus den Banken in Zweckgesellschaften forciert werden. Mit dem Abwicklungsanstaltenmodell sollen sogar ganze Geschäftsbereiche ausgelagert werden können. Beide Modelle wurden bisher fast nicht genutzt: Das Zweckgesellschaftsmodell gar nicht, das Abwicklungsanstalten-Modell in
einem Fall, von der WestLB.
Damit verfügt der Fonds über einen umfangreichen Instrumentenkasten, um die unterschiedlichen Probleme bei öffentlich-rechtlichen und privaten Banken anzugehen. Allerdings wird er bisher eher spärlich in Anspruch genommen.
Grund ist, dass den Banken und deren Managern Auflagen
gemacht werden. Dabei fällt auf, dass das Instrument mit
den geringsten Auflagen – die Garantiegewährung, bei der
nur eine »solide Geschäftspolitik« verfolgt werden muss –
auch am meisten genutzt wird. Bei den anderen Maßnahmen sind strengere Bedingungen zu erfüllen. So wird die
Vergütung des Managements auf maximal 500 000 € begrenzt, Auflagen für die weitere Geschäftstätigkeit und ein
staatliches Mitspracherecht drohen. Bei den Bad-Bank-Modellen wird durch weitgehende Nachzahlungs- und Nachhaftungspflichten der auslagernden Bank befürchtet, dass
wegen mangelnder Ausschüttungsmöglichkeiten neue Inifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
vestoren an Rekapitalisierungen oder andere Banken an Fusionen nicht interessiert sind. Die an sich gut gemeinte Schonung des Steuerzahlers verhindert, dass diese Angebote
auch genutzt werden und die Banken nach einer Bilanzbereinigung Kapital aufnehmen. Zusätzlich ist die steuerliche
Ausgestaltung bei einer Inanspruchnahme dieser Modelle
nachteilig, verglichen mit bankinternen Restrukturierungsverfahren (vgl. Altvater 2009).
Hinzu kommt, dass die jeweiligen Banken – analog zu einer gescheiterten Kapitalerhöhung – eine Stigmatisierung
befürchten, wenn sie den Schritt zum SoFFin wagen. Bei
den Landesbanken ist ein weiteres Hindernis, dass die
Bundesregierung über den SoFFin Einfluss bekäme, was
den Interessen der Landesregierungen entgegen läuft. Stützungsmaßnahmen für Landesbanken liefen deswegen bisher, mit Ausnahme der WestLB, direkt über die Landeshaushalte.
Alles in allem wird klar, dass die gegenwärtigen Bedingungen des SoFFin für Banken wenig attraktiv sind und
die Nachteile nicht aufwiegen. Aus ihrer Sicht ist es deshalb die bessere Strategie, Deleveraging zu betreiben und
zu versuchen, die stillen Lasten auszusitzen. Dies wurde
ihnen zudem mit der Lockerung der Bilanzierungsregeln
erleichtert. Eine Bank kann pleite sein, aber trotzdem weiter funktionieren, wenn die Regierung eine explizite Bestandsgarantie gegeben hat, wodurch die Liquidität gesichert ist. Für eine vermeintliche Verbesserung der Solvenz helfen die aufgeweichten Bilanzierungsregeln, Deleveraging und womöglich ein »Gambling for Resurrection«,
also ein »Zocken« zum Wiederauferstehen.
Aktives Eingreifen erforderlich
Wie kommt man nun aus dieser Situation heraus? Wie kann
man verhindern, dass durch eine Insolvenzverschleppung
weitere Kosten entstehen und der Volkswirtschaft die »japanische Krankheit« droht – also eine eingeschränkte Kreditvergabe bei gebremstem Wirtschaftswachstum und einer hohen Staatsverschuldung?
Eine Möglichkeit wäre, die Konditionen des SoFFin für die
Banken reizvoller zu machen. Der Nachteil ist allerdings offenkundig: Die Steuerzahler müssten höher ins Risiko. Aus
Gerechtigkeits- und Anreizgesichtspunkten ist dies abzulehnen. Die zweite Möglichkeit ist, dass man die Hilfsmaßnahmen nicht auf freiwilliger Basis anbietet, sondern für
angeschlagene Banken verpflichtend macht. Entsprechende Maßnahmen der US-Regierung werden als erfolgreich
angesehen, die Banken zu stabilisieren und Vertrauen zu
schaffen. Dabei mussten sich Großbanken umfangreichen
Stresstests unterziehen und bei einer mangelnden Eigenkapitalausstattung innerhalb eines halben Jahres die Ei-
Zur Diskussion gestellt
genkapitallücke schließen, notfalls auch mit staatlichen Mitteln, wenn keine privaten Kapitalgeber gefunden werden
konnten (vgl. Board of Governors of the Federal Reserve
System 2009).
An vergleichbare Maßnahmen wäre auch für die angeschlagenen deutschen Banken zu denken. Dazu sind in einem
ersten Schritt eine tiefgehende Geschäfts- und Bilanzanalyse der problematischen Banken (Due Diligence), verbunden mit Stresstests, nötig. Ohne eine vollständige Analyse
kann der tatsächliche Eigenkapitalbedarf nicht bestimmt
werden.
Die Prüfungen sollten in erster Linie die Aufsichtsbehörden
durchführen. Reichen bei diesen angesichts der komplexen und arbeitsintensiven Aufgaben die Kapazitäten nicht
aus, dann könnten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit
dieser Tätigkeit beliehen werden. Die Gesellschaften sollten sich um entsprechende Mandate bewerben können, wobei natürlich ihre bisherige »Performance« bei der Identifizierung von Risiken mit in Betracht gezogen werden muss. Gesellschaften, bei denen die Krise Leistungsdefizite aufdeckte, sollten entsprechend nicht mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut werden.
Anhand der Prüfungsergebnisse ist dann zu entscheiden,
ob die Bank in einen guten und einen schlechten Teil aufgespalten werden muss. Dann sollte die bereinigte Bank sich
um eine Kapitalerhöhung bemühen, die notfalls durch den
Staat erfolgen sollte. Bei staatlichem Eingreifen muss allerdings zwischen dem grundgesetzlich geschützten Eigentumsrecht und volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten äußerst sorgfältig abgewogen werden. Der Schutz des privaten Eigentums ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung. Deswegen darf ein Eingriff ins private Eigentum nur aus begründetem öffentlichem Interesse
an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Finanzsystems
als Ultima Ratio zur Abwendung gesamtwirtschaftlicher Krisen erfolgen. Die Auswahl der Maßnahmen hat in einer umfassenden Güterabwägung zu erfolgen. Es ist immer das
mildeste Mittel zu wählen.
Entscheidend für eine zielführende Stützung der angeschlagenen Banken ist, dass nicht nur einfach Eigenkapital zugeschossen wird, sondern dass auch die Geschäftsmodelle überprüft und die Bücher durchforstet werden. Nur so
erhält man funktionierende Banken, die ihre Aufgaben wieder erledigen können.
Nächste Krisen vermeiden
Genauso wichtig wie der aktuelle Umgang mit den angeschlagenen Banken ist aber auch, dass die richtigen Lehren aus der Krise gezogen werden und das gesamte Fi-
nanzsystem nachhaltiger und stabiler aufgestellt wird. Die
große und entscheidende Herausforderung wird sein, die
Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Banken nicht mehr
zu »systemisch« – also zu groß, komplex, undurchschaubar oder international – sein können, um pleite zu gehen
(too systemic to fail). Eine solche implizite, wenn auch unfreiwillige, Bail-out-Garantie der Regierung fördert Moral hazard und verzerrt den Wettbewerb, weil nicht-systemische
Banken aufgrund des größeren Risikos tendenziell höhere
Refinanzierungskosten akzeptieren müssen. Wenn es künftig ausschließlich Banken gibt, die der Staat auch fallen lassen kann, dann werden systemische Krisen weniger wahrscheinlich und die Chancen steigen, dass sich die Frage einer krisenbedingten Rekapitalisierung von Banken nicht
mehr stellt.
Dazu sind mehrere Maßnahmen zu ergreifen. Zum einen
muss über höhere Kapitalanforderungen oder Abgaben das
Systemgefährdungspotential verteuert und die externen
Kosten der »Systemrelevanz« internalisiert werden. Dadurch
sinken die Anreize, systemisch zu werden. Systemrelevanzund größenabhängige Abgaben, die einen Stabilisierungsfonds speisen, wie sie der Sachverständigenrat vorgeschlagen hat, wären eine Möglichkeit (vgl. Sachverständigenrat
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
2009). Für die Kreditgenossenschaften existiert mit der genossenschaftlichen Institutssicherung ein vergleichbarer, kapitalgedeckter Fonds mit risikoabhängigen Beiträgen, der
allein von den Mitgliedsbanken finanziert wird. Eine staatliche Unterstützung, wie sie jüngst für einen allgemeinen Bankenfonds gefordert wurde, ist dagegen nicht zielführend und
wäre aus Anreizgründen äußerst kontraproduktiv.
Zum anderen muss es künftig wirksame Möglichkeiten geben, systemische Banken zu beaufsichtigen und falls nötig geordnet abzuwickeln. Die Eingriffsrechte des KWG haben sich als unzureichend erwiesen. Eine effektive Bankenaufsicht braucht mehr Kompetenzen und muss bei diesen
Banken früher tätig werden dürfen. Die momentanen
Schwellenwerte, die Maßnahmen der Aufsicht ermöglichen,
sind untauglich. Laut BaFin-Chef Sanio waren den Aufsehern bei der Hypo Real Estate die Probleme lange bekannt,
man konnte aber nicht handeln, weil die aufsichtlichen Anforderungen stets erfüllt wurden (vgl. Deutscher Bundestag 2009). Ein neues Regime für den Umgang mit angeschlagenen Banken ist deshalb nötig. Darin muss zwingend
auch das Geschäftsmodell der Bank auf Zukunftsfähigkeit
geprüft werden. Staatliche Stützungsmaßnahmen darf es
nur bei einer positiven Fortführungsprognose geben. Ansonsten muss eine Bank auch aus dem Markt ausscheiden
können. Dadurch werden unnötige Kosten für den Steuerzahler vermieden. Darüber hinaus werden der Bestandsschutz und die damit einhergehenden Anreizverzerrungen
aufgehoben. Die Gefahr einer Insolvenz wird wieder zugelassen, so dass die Refinanzierungsbedingungen riskante
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
15
16
Zur Diskussion gestellt
Geschäftsstrategien widerspiegeln. Unverantwortliches und
nicht nachhaltiges Handeln wird wieder über Marktmechanismen sanktioniert. Das ist dringend notwendig, denn momentan sind diese Mechanismen zur Risikoüberwachung
und -begrenzung ausgesetzt, was enorme Gefahren für den
Steuerzahler mit sich bringt.
Literatur
Altvater, Chr. (2009), »Steuerliche Sonderregelungen für sog. Bad Banks«,
Der Betrieb 62, 1779–1783.
Board of Governors of the Federal Reserve System (2009), »The Supervisory
Capital Assessment Program: Overview of Results«, 7. Mai 2009,
http://www.federalreserve.gov/newsevents/press/bcreg/bcreg20090507a1.pdf.
Deutsche Bundesbank (2009), Finanzstabilitätsbericht 2009, November, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main.
Deutscher Bundestag (2009), »Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes«, 2009,
BT-DRS 16/14000.
Internationaler Währungsfonds (2009), »Global Financial Stability Report«, Oktober 2009, http://www.imf.org/external/pubs/ft/gfsr/2009/02/index.htm.
Myers, S (1977), »The Determinants of Corporate Borrowing«, Journal of
Financial Economics 5, 146–175.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2009), Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen, Jahresgutachten 2009/10,
http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/gutacht/ga-content.php?
gaid=55.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
ifo Konjunkturprognose 2010:
Deutsche Wirtschaft ohne Dynamik
17
Kai Carstensen, Wolfgang Nierhaus, Oliver Hülsewig, Klaus Abberger, Teresa Buchen,
Christian Breuer, Steffen Elstner, Steffen Henzel, Nikolay Hristov, Michael Kleemann, Johannes Mayr,
Wolfgang Meister, Georg Paula, Anna Stangl, Klaus Wohlrabe und Timo Wollmershäuser
Die Weltwirtschaft hat die schwerste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg überwunden. Seit dem
Frühjahr 2009 steigen Produktion und Handel wieder, weltweit angeregt durch milliardenschwere
Konjunkturprogramme, eine massiv expansiv wirkende Geldpolitik und den vergleichsweise niedrigen Ölpreis. Hinzu kommt der Umschwung im globalen Lagerzyklus. Das Wachstumstempo wird indes niedrig bleiben. Ein Kernproblem bleibt die Schwächung der internationalen Finanzmärkte, deren Funktionsfähigkeit in wichtigen Segmenten nach wie vor eingeschränkt ist. Zudem musste das
Bankensystem gewaltige Eigenkapitalverluste hinnehmen, die sich aus dem hohen Wertberichtigungsbedarf bei strukturierten Wertpapieren ergeben hat. In wichtigen Industrieländern kommt eine Krise am Immobilienmarkt hinzu, die dort den Abschreibungsbedarf bei Banken erhöht. Die Kreditbedingungen bleiben damit weltweit restriktiv, was die Finanzierung von Investitionen und neuen Arbeitsplätzen massiv beeinträchtigt. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt im
Jahr 2010 um 3,1% und im Jahr 2011 um 2,6% steigen, nachdem es im Jahr 2009 um 1,1% zurückgegangen ist. Der Anstieg der Preise wird sich weltweit etwas beschleunigen. Die Zahl der Arbeitslosen wird aufgrund der Schwäche der Konjunktur weiter zunehmen.
In Deutschland hat sich die gesamtwirtschaftliche Produktion im Frühjahr stabilisiert. Im zweiten
Quartal expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt um 0,4%, im
dritten Quartal sogar um 0,7%. Aufgrund des außerordentlich kräftigen Einbruchs im vorausgegangenen Winterhalbjahr um fast 6% blieb die gesamtwirtschaftliche Produktion und hier insbesondere die Erzeugung in den exportabhängigen Branchen aber alles in allem auf niedrigem Niveau. Der gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad – zieht man die ifo Kapazitätsauslastung im
verarbeitenden Gewerbe als Proxy heran – liegt derzeit um etwa 10 Prozentpunkte unter dem
langjährigen Durchschnitt. Insgesamt dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion saison- und
kalenderbereinigt im Jahresendquartal 2009 weiter zugenommen haben, wenngleich in einem etwas langsameren Tempo (0,5%) als im Vorquartal. Für das zweite Halbjahr 2009 ergibt sich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2009 saison- und kalenderbereinigt eine Zunahme der Wirtschaftsleistung in Höhe von 1,2%; im Vorjahresvergleich, der durch den starken Rückgang im Winterhalbjahr geprägt ist, ergibt sich jedoch ein Rückgang von 3,0%. Im Gesamtjahr sinkt das reale Bruttoinlandsprodukt um 4,9%. Im Jahresdurchschnitt 2010 wird das reale Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um 1,7% zunehmen; im Jahresdurchschnitt 2011 um 1,2%.
1. Überblick
Die Weltwirtschaft hat die schwerste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg überwunden. Seit dem Frühjahr 2009 steigen
Produktion und Handel wieder, weltweit
angeregt durch milliardenschwere Konjunkturprogramme, eine massiv expansiv wirkende Geldpolitik und den vergleichsweise niedrigen Ölpreis. Hinzu
kommt der Umschwung im globalen Lagerzyklus. Das im Rahmen des ifo World
Economic Survey erhobene Weltwirtschaftsklima ist im vierten Quartal zum
dritten Mal in Folge gestiegen (vgl.
Abb. 1.1). Der Anstieg des Indikators re-
sultiert sowohl aus den günstigeren Erwartungen für die nächsten sechs Monate als auch aus weniger negativen Einschätzungen der derzeitigen wirtschaftlichen Lage. Gleichwohl wird die aktuelle
Situation gegenwärtig immer noch
schlechter beurteilt als nach dem Anschlag auf das World Trade Center im Jahr
2001 (vgl. Abb. 1.2).
Das Wirtschaftsklima hat sich dabei in allen großen Wirtschaftsregionen verbessert. Besonders ausgeprägt war der Anstieg des Wirtschaftsklimaindikators in
Asien. Hier überschritt er sogar seinen
langfristigen Durchschnitt. Auch in West62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
18
Daten und Prognosen
Abb. 1.1
europa und Nordamerika stieg der Klimaindikator im vierten Quartal 2009 merklich an. Die aktuelle Wirtschaftslage
wird zwar in allen großen Regionen noch als ausgesprochen
ungünstig bewertet, besonders im Euroraum, in Nordamerika, in Mittel- und Osteuropa und in Russland. Die Wirtschaftserwartungen fallen nun aber nahezu überall optimistisch aus. Dies deutet darauf hin, dass sich die Erholung
der Weltwirtschaft fortsetzen wird.
Das Wachstumstempo wird indes niedrig bleiben. Ein Kernproblem bleibt die Schwächung der internationalen Finanzmärkte, deren Funktionsfähigkeit in wichtigen Segmenten
nach wie vor eingeschränkt ist. Zudem musste das Bankensystem gewaltige Eigenkapitalverluste hinnehmen, die sich
aus dem hohen Wertberichtigungsbedarf bei strukturierten
Wertpapieren ergeben haben. In wichtigen Industrieländern
kommt eine Krise am Immobilienmarkt hinzu, die dort den
Abschreibungsbedarf bei Banken erhöht. Die Kreditbedingungen bleiben damit weltweit restriktiv, was die Finanzierung von Investitionen und neuen Arbeitsplätzen massiv beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass die bisher aufgelegten kreditfinanzierten Konjunkturprogramme im Prognosezeitraum
Abb. 1.2
auslaufen und der Konsolidierungsbedarf der öffentlichen
Haushalte immer dringlicher wird. Schließlich werden die Notenbanken die geldpolitischen Zügel straffen. Dies alles wird
sich dämpfend auf die Entwicklung von Angebot und Nachfrage auswirken.
In den USA ist die gesamtwirtschaftliche Produktion im dritten Quartal 2009 mit einer laufenden Jahresrate von 2,8%
gestiegen; zuvor war sie ein Jahr lang fortlaufend gesunken. Maßgeblich für den Anstieg war die Expansion des privaten Konsums (+ 2,7%), befördert durch das »Cash for
Clunkers«-Programm zur Anschaffung von verbrauchsärmeren Pkw. Zudem sind die Lagerbestände deutlich aufgestockt worden. Die Kapazitätsauslastung liegt derzeit mit
71% aber immer noch um rund 10 Prozentpunkte unter
dem langjährigen Durchschnitt. Der Stellenabbau hat sich,
wenngleich verlangsamt, weiter fortgesetzt; seit Dezember 2007 ist die Zahl der Beschäftigten saisonbereinigt um
7,3 Mill. gesunken.
In Japan hat sich die leichte Erholung fortgesetzt; im dritten Quartal expandierte die gesamtwirtschaftliche Produktion mit einer laufenden Jahresrate von 1,3%, zuvor hatte
sie um 2,7% zugenommen. Die Exporte und der private Konsum stiegen deutlich. In China hat sich die wirtschaftliche
Expansion, getrieben von der Entwicklung im tertiären Sektor, beschleunigt. Das reale Bruttoinlandsprodukt hat im
Durchschnitt der ersten drei Quartale um 7,7% gegenüber
dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum zugenommen; im ersten Halbjahr hatte das Wachstumstempo im Durchschnitt
bei 7,1% gelegen.
Auch in den Volkswirtschaften der Europäischen Währungsunion (EWU) hat der Erholungsprozess begonnen. Im
dritten Quartal 2009 stieg die gesamtwirtschaftliche Produktion mit einer laufenden Jahresrate von 1,5%, davor war
sie über fünf Quartale hinweg zum Teil außerordentlich kräftig gesunken. Maßgeblich für die Erholung war der spürbare Anstieg der Industrieproduktion. Vom Einzelhandel
dürften dagegen keine Impulse ausgegangen sein; die Zahl
der Pkw-Neuzulassungen ist nach dem Auslaufen von Abwrackprogrammen gesunken. Das Preisniveau in der EWU
schwankte um den Vorjahreswert. Die Inflationsrate (HVPI)
betrug im Juli – 0,6%, und stieg bis November aber wieder auf 0,6%. Die Kerninflationsrate (Veränderung des HVPI
ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel) lag im Oktober bei 1,0%. Die Arbeitslosenquote ist im Sommerhalbjahr weiter kräftig gestiegen, im Oktober betrug sie saisonbereinigt 9,8%, sie ist damit um 2,5 Prozentpunkte höher
als vor einem Jahr. Für die EWU ist das der höchste Wert
seit Januar 1999.
Auch in Deutschland ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP)
seit dem Frühjahr wieder gestiegen. Im dritten Quartal expandierte die gesamtwirtschaftliche Produktion saison- und
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Daten und Prognosen
kalenderbereinigt um 0,7% (laufende Jahresrate: 2,9%), nach
0,4% im zweiten Quartal. Aufgrund des außerordentlich kräftigen Einbruchs im vorangegangenen Winterhalbjahr blieb
die gesamtwirtschaftliche Produktion und hier insbesondere die Erzeugung in den exportabhängigen Branchen aber
auf niedrigem Niveau; gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum beläuft sich das Minus beim Bruttoinlandsprodukt auf 4,7%.
Positive Raten wurden im dritten Quartal allein für die Investitionen (einschließlich der Lagerinvestitionen) registriert.
Bei außerordentlich niedriger Kapazitätsauslastung stabilisierten sich die Ausrüstungsinvestitionen auf niedrigem Niveau, die Investitionen in Bauten stiegen um 1,5%. Am Zuwachs waren alle Bausparten beteiligt. Die Bestände an
Rohstoffen, Zwischenprodukten und Fertigwaren wurden,
nach vorangegangener Lagerräumung, sehr kräftig wieder
aufgestockt (Wachstumsbeitrag zum BIP: 1,5 Prozentpunkte). Ein marginaler Zuwachs konnte zudem für die Konsumausgaben des Staates verbucht werden. Der Konsum der
privaten Haushalte, der im ersten Halbjahr erheblich fiskalisch angeregt worden war, nahm dagegen um 0,9% ab.
Nach dem Auslaufen der staatlichen Abwrackprämie wurden vor allem weniger Pkw gekauft. Der Ausweitung der inländischen Verwendung stand ein sinkender Außenbeitrag
gegenüber: Zwar nahmen die Exporte im Gefolge der Erholung der Weltkonjunktur mit 3,4% merklich zu, noch stärker zogen aber im Gefolge des Lageraufbaus die Importe
an, nämlich um 5,0%.
Auf dem konjunkturell nachlaufenden Arbeitsmarkt hat sich
der massive Wirtschaftseinbruch bisher zwar bemerkbar gemacht, die Auswirkungen sind aber im Vergleich zum überaus starken Produktionsausfall bemerkenswert moderat geblieben: Die Zahl der Erwerbstätigen (nach dem Inlandskonzept1) hat sich in den ersten drei Quartalen 2009 saisonbereinigt lediglich um 114 000 verringert. Dabei war die Zahl
der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der Selbständigen und der Personen in Arbeitsgelegenheiten rückläufig,
die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten hat dagegen sogar zugenommen. Beschäftigungsverluste gab
es vor allem im verarbeitenden Gewerbe und in der Arbeitnehmerüberlassung. Maßgeblich dafür, dass die Krise bisher auf dem Arbeitsmarkt kaum angekommen ist, waren die
starke Ausweitung der Kurzarbeit und der Abbau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten. Außerdem hat innerhalb der
Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die
Teilzeitbeschäftigung zugenommen, während die Vollzeitbeschäftigung gesunken ist. Die Arbeitslosigkeit hat in der ers1
Die Erwerbstätigkeit nach dem Inlandskonzept hat im Vergleich zum alternativen Inländerkonzept eine engere Anbindung an die Konjunktur und
zur Arbeitskräftenachfrage. Im Inlandskonzept gehören Einpendler, die in
Deutschland arbeiten, ihren Wohnsitz aber im Ausland haben, zu den Erwerbstätigen, während Auspendler, die im Inland wohnen, aber im Ausland arbeiten, nicht mitgezählt werden. Beim Inländerkonzept ist es genau umgekehrt.
ten Jahreshälfte merklich zugenommen, sie stieg saisonbereinigt um durchschnittlich 41 000 Personen pro Monat.
Seit Juli sind die Arbeitslosenzahlen jedoch wieder leicht gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr waren zuletzt 227 000
oder 8% mehr Arbeitslose registriert.
Die Lebenshaltungskosten sind in diesem Jahr aufgrund der
günstigen Entwicklung der Energie- und Nahrungsmittelpreise weitgehend stabil geblieben. Im November waren die
Verbraucherpreise lediglich um 0,4% höher als vor Jahresfrist; im Juli und September wurde das Vorjahresniveau kurzfristig sogar unterschritten. Eine ähnlich ausgeprägte Disinflationsperiode hat es zuletzt in den Jahren 1986/87 in Westdeutschland gegeben.
Ausblick
Die Erholung der Weltwirtschaft dürfte sich im Prognosezeitraum vorerst fortsetzen. Die Absatzaussichten der Unternehmen haben sich, nicht zuletzt aufgrund der massiven Stützungsmaßnahmen seitens der Wirtschaftspolitik,
verbessert. Die Produktion hat sich nach ihrem scharfen
Einbruch belebt, und auch die Normalisierung des internationalen Handels schreitet voran, was durch die mittlerweile günstigeren Möglichkeiten der Handelsfinanzierung,
die während der Krise massiv eingeschränkt wurde, gefördert wird.
Allerdings wird die Belebung der Wirtschaft vor allem in den
Industrieländern nur vorübergehend stärker ausfallen. Das
ifo Wirtschaftsklima für die einzelnen Regionen zeigt zwar
an, dass sich die konjunkturellen Aussichten weltweit verbessert haben (vgl. Abb. 1.3 und 1.4), befindet sich aber vor
allem für die USA, die EU-15 und Japan noch unter seinem
langfristigen Durchschnitt. Die Belastung der Konjunktur ist
nach wie vor immens. So dürfte die Kreditvergabe der Banken restriktiv bleiben. Eine Verschärfung der Kreditklemme
ist aufgrund des zu erwartenden Anstiegs der Nachfrage
nach Fremdmitteln absehbar. Auch die Unterauslastung der
Kapazitäten dürfte weiterhin anhalten, was die Nachfrage
nach Erweiterungsinvestitionen spürbar dämpfen dürfte. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Lage auf den Arbeitsmärkten nicht nur angespannt bleibt, sondern sich weiter
verschärft.
Schließlich dürften die Impulse seitens der Wirtschaftspolitik, die bislang erheblich dazu beigetragen haben, dass sich
die Konjunktur nicht nur stabilisiert sondern auch allmählich belebt, im Verlauf des Prognosezeitraums schwächer
werden. Vor allem der Stimulus durch die Fiskalpolitik dürfte zunehmend nachlassen, da sich die Haushaltsposition
in vielen Ländern bereits dramatisch verschlechtert hat. So
erreichte das öffentliche Defizit in den USA ein Rekordniveau
und auch in zahlreichen Ländern des Euroraums werden
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
19
20
Daten und Prognosen
Abb. 1.3
tur des privaten Konsums, die mit einer weiteren Zunahme
der Sparquote verbunden ist –, dürfte spürbar bremsend
wirken. Auch die Belastungen durch die Krise im Finanzsystem sind nach wie vor ernorm. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion daher vorübergehend sogar erneut leicht rückläufig sein. Trotz
dieses konjunkturellen Rückschlages wird die amerikanische
Wirtschaft im Prognosezeitraum jedoch nicht erneut in eine
Rezession abgleiten. Die Schwäche der US-amerikanischen
Wirtschaft wird die Konjunktur weltweit belasten.
In Japan wird die Expansion der Wirtschaft im Prognosezeitraum zunächst schwach bleiben, ehe sie sich langsam belebt. Die private Binnennachfrage dürfte infolge der
Unterauslastung der Kapazitäten und der schlechteren Lage auf dem Arbeitsmarkt nur mäßig expandieren. Der Außenhandel dürfte jedoch von der Belebung der Konjunktur in den Schwellenländern Asiens profitieren. Im Euroraum wird die wirtschaftliche Expansion vorerst kräftig bleiben. Vor allem die Impulse der Fiskalpolitik in Deutschland und Frankreich dürften stimulierend wirken. Die private Binnennachfrage dürfte sich hingegen nur allmählich
stabilisieren. Nach dem Auslaufen der KonjunkturprogramAbb. 1.4
mittlerweile Strategien zur Rückführung der Neuverschuldung entworfen. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass die
Konjunktur nach und nach an Schwung verliert.
In den USA wird der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts zu
Beginn des Jahres 2010 noch vergleichsweise kräftig sein,
sich jedoch anschließend deutlich abflachen. Der Abbau der
strukturellen Ungleichgewichte – insbesondere die Korrekifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Daten und Prognosen
Tab. 1.1
Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in der Welt
Gewicht
(BIP)
in %
Bruttoinlandsprodukt
Verbraucherpreise
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in %
2009
2010
2011
2009
2010
2011
Arbeitslosenquote in %
2009
2010
2011
Industrieländer
EU-27
34,0
– 4,1
1,0
0,9
0,7
1,2
1,5
9,0
9,9
10,6
Schweiz
0,9
– 2,0
1,1
1,0
– 0,5
0,5
0,9
3,8
4,4
4,7
Norwegen
0,8
– 1,4
2,0
1,8
2,4
1,7
2,0
3,5
3,7
3,9
West- und Mitteleuropa
35,8
– 4,0
1,0
0,9
0,7
1,2
1,5
8,8
9,7
10,4
USA
26,7
– 2,5
1,9
0,3
– 0,4
1,6
1,0
9,2
9,5
10,0
Japan
9,1
– 5,3
1,0
0,9
– 1,3
– 0,4
0,1
5,3
5,8
5,6
Kanada
2,8
– 2,4
2,2
1,0
0,3
1,6
1,8
8,3
8,7
9,0
Industrieländer insg.
74,4
– 3,6
1,4
0,7
0,0
1,2
1,2
8,4
9,1
9,5
Schwellenländer
Russland
3,1
– 8,0
1,5
1,5
China und Hongkong
8,4
7,8
8,5
8,4
Indien
2,2
6,9
7,5
7,5
a)
Ostasien ohne China
5,0
– 1,5
3,5
3,0
b)
Lateinamerika
6,9
– 2,2
3,1
2,8
Schwellenländer insg.
25,6
1,3
5,1
4,9
c)
Insgesamt
100,0
– 2,3
2,3
1,8
Nachrichtlich:
d)
Weltwirtschaft
– 1,1
3,1
2,6
Welthandel, real
– 11,0
5,0
4,0
a)
Gewichteter Durchschnitt aus: Südkorea, Indonesien, Taiwan, Thailand, Malaysia, Singapur, Philippinen. Gewichtet mit dem
b)
Bruttoinlandsprodukt von 2008 in US-Dollar. – Gewichteter Durchschnitt aus: Brasilien, Mexiko, Argentinien, Venezuela,
c)
Kolumbien, Chile. Gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2008 in US-Dollar. – Summe der aufgeführten Länder. Ged)
wichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2008 in US-Dollar. – Weltwirtschaft nach Abgrenzung des IWF. Gewichtet mit
Kaufkraftparitäten des Jahres 2008.
Quelle: OECD; IWF; Berechnungen des ifo Instituts; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
me ist damit zu rechnen, dass sich die wirtschaftliche Dynamik abflachen wird.
Die wirtschaftliche Expansion in den Schwellenländern wird
im Prognosezeitraum vergleichsweise kräftig sein. In China
wird die Konjunktur maßgeblich von dem Impuls der milliardenschweren staatlichen Stützungsmaßnahmen getragen,
der die private Nachfrage stimulieren dürfte. Allerdings wird
die Ausfuhrwirtschaft, die eine entscheidende Stütze des vorangegangenen Aufschwungs darstellte, nach wie vor durch
die globale wirtschaftliche Schwäche belastet. In Indien wird
die wirtschaftliche Entwicklung solide bleiben. Vor allem die
Binnennachfrage dürfte kräftig expandieren. Auch in den übrigen Ländern Ostasiens wird sich die Konjunktur beleben,
da insbesondere die anhaltend lebhafte Entwicklung der chinesischen Wirtschaft den Außenhandel begünstigt. In Lateinamerika wird die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen
Länder uneinheitlich verlaufen. So dürfte sie in Brasilien kräftig bleiben, während sie in Mexiko wohl weiterhin gedämpft
ausfallen wird. Ein Teil der Länder der Region profitiert auch
von dem jüngsten Anstieg der Rohstoffpreise.
Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt im Jahr
2010 um 3,1% und im Jahr 2011 um 2,6% steigen, nachdem es im Jahr 2009 um 1,1% zurückgegangen ist (vgl.
Abb. 1.1 und Tab. 1.1). Diese Prognose bezieht sich auf die
vom internationalen Währungsfonds (IMF) berücksichtigten
Länder, deren Zuwachsraten mit Hilfe der Kaufkraftparitäten des Jahres 2008 gewichtet wurden. Der Anstieg der Preise wird sich weltweit etwas beschleunigen. Die Zahl der Arbeitslosen wird aufgrund der Schwäche der Konjunktur weiter zunehmen.
Die Prognose stützt sich auf die technische Annahme, dass
der Preis für Rohöl der Sorte Brent im Prognosezeitraum um
72 US-Dollar je Barrel schwankt und dass sich der Wechselkurs des Euro bei etwa 1,47 US-Dollar stabilisiert. Der
Welthandel wird – gemessen an den seitens der OECD veröffentlichten Daten – im Jahr 2010 um 5% und im Jahr 2011
um 4% steigen, nachdem er im Jahr 2009 empfindlich um
etwa 11% zurückgegangen ist.
Risiken
In der Basisprognose erholt sich die Wirtschaft der Industrieländer nur schleppend. Zahlreiche Konjunkturindikatoren haben sich zuletzt jedoch erheblich verbessert,
was insbesondere mit der außergewöhnlich expansiven
Wirtschaftspolitik verbunden ist. Die Belebung der Konjunktur könnte deutlich stärker ausfallen, wenn die Multiplikatoren der fiskalischen Impulse größer sind als an62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
21
22
Daten und Prognosen
genommen. Dann würde sich die private Binnennachfrage nicht nur stabilisieren sondern auch nachhaltig kräftig erhöhen.
2. Zur Lage der Wirtschaft in
ausgewählten Ländern und Regionen
Vereinigte Staaten
Es besteht aber auch das Risiko, dass die Weltwirtschaft
noch einmal in die Rezession abgleitet, wenn die Neukreditvergabe seitens der Banken noch stärker und länger eingeschränkt werden sollte als erwartet. Dies würde vor allem dann eintreten, wenn es zu einer fortgesetzten Erosion
der Eigenkapitalausstattung infolge weiterer massiver Wertberichtigungen und rezessionsbedingter Abschreibungen
kommen sollte. Nach Berechnungen des IMF sind die Risiken für die internationale Finanzmarktstabilität infolge des
ausstehenden Abschreibungsbedarfs nach wie vor sehr
hoch. Die anhaltende Verunsicherung der Finanzmärkte zeigte sich jüngst auch an der Reaktion der Börsen auf die Finanznöte Dubais und Griechenlands. Eine Intensivierung der
Krise im Bankensektor infolge weiterer Schocks könnte die
Finanzmärkte in einen Abwärtsstrudel ziehen. Letztlich würde die Konjunktur durch eine nochmalige Verschärfung der
Finanzkrise empfindlich getroffen werden.
Ein weiteres Risiko für die Entwicklung der Weltwirtschaft besteht in der Herausforderung für die Träger der Wirtschaftspolitik, ihren expansiven Kurs angemessen zurückzufahren.
Der Ausstieg aus der expansiven Wirtschaftspolitik sollte idealerweise dann erfolgen, wenn sich die Wirtschaft – insbesondere die private Binnennachfrage – stabilisiert hat und sich
ohne weitere wirtschaftspolitische Impulse schrittweise belebt. Dagegen wäre mit einem Einbruch zu rechnen, wenn
sich die Regierungen dazu entschließen, ihre Stützungsmaßnahmen zu früh einzudämmen. Dies gilt für die Geldpolitik
ebenso wie für die Fiskalpolitik, die versucht sein könnte,
die massive Ausweitung der Haushaltsdefizite im Rahmen
von Konsolidierungsmaßnahmen zu schnell einzuschränken.
Allerdings birgt auch ein zu spätes Eindämmen der Stützungsmaßnahmen ein erhebliches Risiko, da dies mit einem
Vertrauensverlust in die Nachhaltigkeit der Geld- und Finanzpolitik verbunden sein könnte. Sollten die Zentralbanken ihren expansiven geldpolitischen Kurs über längere Zeit hinweg aufrechterhalten, so könnte dies zu einer Anhebung
der Inflationserwartungen führen. Auch die Gefahr einer erneuten Blasenbildung auf den Finanzmärkten wäre infolge
einer anhaltenden Liquiditätsschwemme groß. Schon jetzt
ist nicht auszuschließen, dass die Kurserholung an den Finanzmärkten nicht nachhaltig ist. Für die Fiskalpolitik könnte infolge der hohen öffentlichen Defizite ein Glaubwürdigkeitsproblem entstehen, wodurch der Spielraum für zukünftige fiskalpolitische Maßnahmen nachhaltig begrenzt sein
könnte. Sollte es den politischen Entscheidungsträgern zudem nicht gelingen, ihre Konsolidierungsbemühungen glaubhaft zu vermitteln, könnte es zu einem Vertrauensverlust kommen. Dies würde zu einem Anstieg der Kapitalmarktzinsen
führen, welcher wiederum die Zinsbelastung der öffentlichen
Haushalte massiv vergrößern würde.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
In den USA ist die tiefste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg im dritten Quartal 2009 zu Ende gegangen. Mit einem Zuwachs von annualisiert 2,8% war die gesamtwirtschaftliche Dynamik dabei so hoch wie seit zwei Jahren
nicht mehr. Verantwortlich für die positive Entwicklung war
insbesondere ein kräftiger Anstieg der privaten Konsumausgaben, die um 2,9% expandierten und mit mehr als
zwei Prozentpunkten den größten Wachstumsbeitrag der
Nachfragekomponenten lieferten (vgl. Abb. 2.1). Der Anstieg des privaten Konsums im dritten Quartal ist insbesondere auf die stark gestiegenen staatlichen Transferzahlungen im Zuge der Konjunkturprogramme zurückzuführen, welche die belastenden Faktoren von Seiten des Arbeitsmarktes bisher kompensiert haben. Insbesondere die
in den Sommermonaten gewährte Abwrackprämie (»Cash
for Clunkers«) hat zu einer vorübergehend hohen Ausgabendynamik geführt. Die zusätzlichen Pkw-Verkäufe erklären dabei rund die Hälfte des gesamten Zuwachses des
Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal. Mit dem Auslaufen der Förderung Ende August brach der monatliche
Automobilabsatz, der temporär um rund drei Millionen Fahrzeuge und damit auf Vorkrisenniveau angestiegen war, wieder ein. Im Prognosezeitraum ist von einer anhaltenden
Schwäche der Automobilindustrie auszugehen, die neben der ausbleibenden Nachfrage nach den Vorzieheffekten weiter unter Strukturproblemen leidet.
Ein zusätzlicher Impuls ging von den Lagerinvestitionen aus,
die den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal alleine um knapp einen Prozentpunkt erhöhten. Die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen, die rund die Hälfte des gesamten Investitionsvolumens ausmachen, expandierten demgegenüber nur schwach. Verantwortlich hierfür
ist insbesondere die nach wie vor außergewöhnlich geringe Kapazitätsauslastung in der Industrie. Sie ist zwar seit
ihrem Tiefststand im Juni leicht angestiegen, liegt mit rund
71% im November jedoch weiter auf historisch niedrigem
Niveau (vgl. Abb. 2.2).
Nach 14 Quartalen mit zum Teil hohen negativen Raten trug
der private Wohnungsbau im abgelaufenen Quartal erstmals
wieder positiv zum Wachstum bei und stieg mit rund 20%
sogar kräftig. Auf Grund seines über die Krisenjahre deutlich gesunkenen Anteils war der Wachstumsbeitrag mit rund
einem halben Prozentpunkt jedoch gering. Demgegenüber
steckt der Wirtschaftsbau weiter in der Krise. Die Investitionstätigkeit in diesem Bereich sank mit rund 15% erneut
deutlich. Da die Importe im dritten Quartal stark zulegten,
trug der Außenhandel trotz Exportzuwächsen negativ zur
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts bei.
Daten und Prognosen
Abb. 2.1
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
23
24
Daten und Prognosen
Abb. 2.2
Auf den Arbeitsmarkt wirkt sich die konjunkturelle Erholung
bisher kaum aus. So sinkt die Zahl der Beschäftigten bis
zuletzt – wenn auch in geringerem Tempo – und die Arbeitslosigkeit liegt mit 10% im November weiterhin nahe des
höchsten Standes seit 1983.
Nach einer acht Monate anhaltenden Phase der Deflation
hat das Preisniveau im November erstmals wieder gegenüber dem Vorjahreswert zugelegt. Die Inflationsentwicklung
wurde vor allem durch die Erholung der Energie- und Rohstoffpreise bestimmt, die gemessen an ihren Tiefstständen vor einem Jahr wieder deutlich zulegten. Allerdings
bleibt die Kernrate des Konsumdeflators – das bevorzugte Inflationsmaß der US-Notenbank (Fed) – im Oktober mit
1,4% weiterhin auf niedrigem Niveau. Vor dem Hintergrund
der schwachen Kapazitätsauslastung ist deshalb in naher
Zukunft nur mit einem geringen Anstieg des Preisniveaus
zu rechnen.
Am Immobilienmarkt endete ein fast drei Jahre anhaltender
Preisverfall. Ausgehend von ihrem Hoch im April 2006 waren die Immobilienpreise bis zum Mai 2009 um über 30%
gefallen. Seit Juni steigen die Preise wieder moderat. Zurückzuführen ist diese Entwicklung nicht zuletzt auf die massiven Subventionen und Steuererleichterungen der US-Regierung. Allein im Fiskaljahr 2009 summierte sich die finanzpolitische Unterstützung des Immobilienmarktes, etwa für
den First-Time Home Buyer Credit, auf rund 300 Mrd. USDollar. Ob die Preisstabilisierung nachhaltig ist, kann erst
nach dem Auslaufen der staatlichen Hilfen bewertet werden.
Eine Fortsetzung des Preisverfalls am Immobilienmarkt würde zu weiteren Abschreibungen auf hypothekenbesicherte
Wertpapiere führen und damit die Stabilität des Bankensystems erneut stark gefährden.
Der Interbankenmarkt zeigt zunehmend Zeichen der Entspannung. So ist der Risikoaufschlag für unbesichertes Dreimonatsgeld gegenüber staatlichen Schatzwechseln gleicher
Laufzeit in den vergangenen zwölf Monaten deutlich zurückifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
gegangen und erreichte im September mit 0,2 Prozentpunkten wieder sein Vorkrisenniveau. Als Reaktion auf diese Entwicklung führt die US-Notenbank ihre Liquiditätshilfen kontinuierlich zurück. Dennoch wächst ihr Bilanzvolumen infolge der Aufstockung der massiven Interventionsprogramme
zur Senkung der langfristigen Kreditzinsen, insbesondere
am Hypothekenmarkt, weiter an. Während ein Aufkaufprogramm für US-Staatsanleihen (300 Mrd. US-Dollar) bereits
im Oktober abgeschlossen wurde, soll der Ankauf von
Schuldpapieren der staatlichen Hypothekenfinanzierer (aktuell 155 von geplanten 175 Mrd. US-Dollar) sowie von hypothekenbesicherten Wertpapieren (aktuell 860 von geplanten 1 250 Mrd. US-Dollar) noch bis ins erste Quartal 2010
fortgesetzt werden. Aus diesem Grund ist von einer weiteren Ausweitung der Zentralbankbilanz auszugehen.
Unterstützt durch die umfangreichen Maßnahmen der Fed
sind die Hypothekenzinsen seit Ende 2008 deutlich gefallen. Entsprechend registrieren die Banken bereits seit dem
zweiten Quartal 2009 wieder eine deutlich stärkere Nachfrage nach Hypothekenkrediten. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und steigender Kreditausfallraten bleibt die Kreditvergabe jedoch weiterhin restriktiv. Denn trotz der Entspannung am Interbankenmarkt ist der Höhepunkt der konjunkturell bedingten Kreditausfälle wohl noch nicht erreicht.
Hierdurch erwachsen zusätzliche Belastungen für die krisenbedingt geschwächte Eigenkapitalbasis des Bankensystems. So hat der Anteil der Hypothekenkredite, die sich in
Zahlungsverzug oder bereits in Zwangsvollstreckung befinden, im letzten Quartal eine neue Rekordmarke von 14,4%
erreicht (vgl. Abb. 2.3).
Im Zuge dieser Entwicklung sind viele Banken nicht mehr
dazu bereit, weitere Hypothekenkredite in die eigene Bilanz aufzunehmen. Aus diesem Grund werden zur Zeit 95%
der im Rahmen der Kreditneuvergabe entstehenden Forderungen durch die staatlich gestützten Hypothekenfinanzierer Fannie Mae, Freddie Mac und Ginnie Mae erworAbb. 2.3
Daten und Prognosen
ben und verbrieft. Als Käufer dieser Papiere tritt bisher vor
allem die US-Notenbank auf. Deshalb könnte das Auslaufen der geldpolitischen Hilfsprogramme zum Ende des ersten Quartals 2010 den Hypothekenmarkt spürbar belasten. Neben steigenden Hypothekenzinsen und einer zunehmenden Kreditrationierung ist dann auch ein erneuter
Rückgang der Immobilienpreise nicht auszuschließen. Aus
diesem Grund betreibt die US-Notenbank weiterhin eine
faktische Nullzinspolitik. Ziel ihres expansiven Kurses ist
die Stützung der Konjunktur und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit, der schwachen Preisdynamik und der weiterhin als stabil zu bewertenden Inflationserwartungen wird sie den Zielbereich für den Leitzins voraussichtlich auch im ersten Halbjahr 2010 unverändert bei 0 bis 0,25% belassen.
Der amerikanische Staatshaushalt verzeichnete 2009 ein
Rekorddefizit. Zum Ende des Fiskaljahres im September betrug das US-Budgetdefizit 1,4 Billionen US-Dollar oder 9,9%
des nominalen Bruttoinlandsprodukts (gegenüber 3,2% in
2008) und erreichte damit den höchsten Wert seit 1945. Der
Anstieg ist gleichermaßen auf einen Einnahmerückgang wie
einen Ausgabenanstieg zurückzuführen. Auf der Ausgabenseite fielen vor allem Sonderaufwendungen zur Bankenrettung (TARP) sowie Finanzhilfen für die staatlichen Hypothekenfinanzierer ins Gewicht, während das im Februar verabschiedete Konjunkturpaket (ARRA) neben der Ausgabenseite auch die konjunkturell geschwächte Einnahmeseite belastet. Den größten Einfluss auf das Defizit wird der fiskalpolitische Stimulus allerdings erst im Fiskaljahr 2010 entfalten, wenn etwa 400 der veranschlagten 787 Mrd. US-Dollar haushaltswirksam werden. Hinzu kommen steigende Sozialausgaben, insbesondere in den Bereichen Arbeit und Gesundheit, so dass trotz der sinkenden Aufwendungen zur
Stabilisierung des Finanzsystems auch im Fiskaljahr 2010
kaum mit einem spürbaren Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits zu rechnen ist. Die Schuldenquote wird deshalb im Prognosezeitraum 90% überschreiten und den finanzpolitischen Handlungsspielraum der US-Regierung zunehmend begrenzen.
Abb. 2.4
ge lassen eine dynamische Erholung der amerikanischen
Wirtschaft als unwahrscheinlich erscheinen.
Die stark gestiegene Arbeitslosigkeit stellt zunehmend eine
Belastung für die Einkommenssituation der Haushalte dar.
Der Anstieg der Nominallöhne hat sich bereits merklich verlangsamt, und die Reallöhne werden mit dem Auslaufen des
Basiseffekts bei den Energiepreisen zunehmend unter Druck
geraten. Aufgrund stark fallender Zins- und Dividendeneinnahmen sind die real verfügbaren Einkommen – die wichtigste Determinante des privaten Konsums – im dritten Quartal bereits rückläufig.
Zunehmend bremsend auf die Entwicklung der Konsumausgaben im Prognosezeitraum wird sich auch die fortgesetzte Entschuldung der Haushalte auswirken. So hat sich
die Sparquote von ihrem Tiefststand von unter 1% zur Jahresmitte 2008 auf rund 4,4% im November erhöht und bleibt
im Trend aufwärtsgerichtet (vgl. Abb. 2.6). Dies zeigt sich
auch an der rückläufigen Kreditvergabe an die Haushalte,
insbesondere im Bereich der Kreditkarten. So sanken die
Abb. 2.5
Wichtige konjunkturelle Frühindikatoren zeichnen aktuell ein
uneinheitliches Bild. Obgleich die monatlich erhobenen Daten zu den privaten Konsumausgaben eine relativ hohe Dynamik im laufenden Quartal anzeigen, deuten Umfragen zum
Verbrauchervertrauen weiterhin auf eine geringe Zuversicht
der Konsumenten hin. Verantwortlich hierfür ist insbesondere die anhaltend angespannte Situation am Arbeitsmarkt
(vgl. Abb. 2.4 und Abb. 2.5). Trotz der seit Jahresbeginn
merklich gestiegenen Absatz- und Ertragserwartungen der
Unternehmen entwickeln sich Produktion sowie Auftragseingänge aktuell wenig dynamisch. Sowohl das geringe Vertrauen der Verbraucher als auch die schwache Auftragsla62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
25
26
Daten und Prognosen
Abb. 2.6
Konsumentenkredite insgesamt im Oktober den neunten
Monat in Folge. Mit dem Auslaufen der staatlichen Unterstützung im Verlauf des Jahres 2010 werden die privaten
Konsumausgaben im weiteren Prognosezeitraum kaum
mehr expandieren.
Angetrieben von umfangreichen geld- und fiskalpolitischen
Stimuli sowie einer zyklusbedingt höheren Dynamik der Ausrüstungs- und Lagerinvestitionen wird die gesamtwirtschaftliche Produktion im Winterhalbjahr zunächst noch merklich
expandieren (vgl. Abb. 2.7). Mit dem Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen und des Lagerzyklus wird die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts als Folge der erheblichen Belastungen, die auf die privaten Konsumausgaben
wirken, jedoch zunehmend an Schwung verlieren. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte die gesamtwirtschaftliche
Produktion vorübergehend sogar erneut leicht rückläufig
sein. Trotz dieses konjunkturellen Rückschlages wird die
amerikanische Wirtschaft im Prognosezeitraum jedoch nicht
erneut in eine Rezession abgleiten. So wird das reale Bruttoinlandsprodukt nach einem Rückgang von 2,5% im Jahr
2009 im kommenden Jahr um 1,9% expandieren und 2011
insgesamt stagnieren (vgl. Tab. 2.1). Die Arbeitslosenquote
wird im Jahr 2010 auf 9,5% zurückgehen und im Durchschnitt des Jahres 2011 bei 10% liegen.
Abb. 2.7
Japan
Tab. 2.1
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in den USA
2008
2009
Veränderung gegenüber dem
Vorjahr in %
Reales Bruttoinlandsprodukt
0,4
– 2,5
Privater Konsum
– 0,2
– 0,6
Staatskonsum und -investitionen
3,1
2,1
Private Bruttoanlageinvestitionen
– 7,3 – 24,5
Inländische Verwendung
– 0,8
– 3,5
Exporte
5,4
– 10,6
Importe
– 3,2 – 14,7
a)
Außenbeitrag
1,2
1,0
Verbraucherpreise
3,8
– 0,4
In % des nominalen
Bruttoinlandsprodukts
b)
Budgetsaldo
– 3,1
– 9,9
Leistungsbilanzsaldo
– 4,7
– 3,1
In % der Erwerbspersonen
Arbeitslosenquote
5,8
9,2
a)
b)
Wachstumsbeitrag. – Gesamtstaatlich, Fiskaljahr.
2010
1,9
1,5
2,0
2,4
1,7
4,8
2,8
0,2
1,6
Die japanische Wirtschaft hat sich in den vergangenen beiden Quartalen von ihrem Absturz im Winterhalbjahr
2008/2009 etwas erholt. Das Bruttoinlandsprodukt stieg
im zweiten Quartal 2009 um 0,7% gegenüber dem Vorquartal und im dritten Quartal um 0,3%.
Wichtigste Treiber waren die positive Entwicklung des Außenhandels und des privaten Konsums. Begünstigt durch die starke
2011
Zunahme der Exporte stieg der Außenbeitrag im zweiten Quartal auf 2,9% des Bruttoinlandsprodukts und im dritten Quartal auf
0,3
3,4%. Der private Konsum legte im zweiten
– 0,3
1,0
Quartal um 1,2% und im dritten Quartal um
0,7
1,0% zu. Negativ wirkt sich dagegen wei0,1
terhin die Entwicklung der Investitionstätig3,0
keit aus, die im zweiten Quartal um 5,4%
0,8
und im dritten Quartal um 3,6% gesunken
0,2
1,0
ist (vgl. Abb. 2.8).
– 11,5
– 2,8
– 10,5
– 2,6
9,5
10,0
Quelle: U.S. Department of Commerce, Bureau of Economic Analysis; U.S.
Department of Labor; Bureau of Labor Statistics; Berechnungen des ifo
Instituts; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Die günstige Entwicklung in den letzten beiden Quartalen dürfte im vierten Quartal andauern. Darauf deuten wichtige Wirtschaftsdaten hin, die ihre Erholungstendenz der vergangenen Monate fortsetzen. Hier sind die
Ergebnisse der Tankan Unternehmensbefragung zu nennen, nach denen sich die Lage
Daten und Prognosen
Abb. 2.8
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
27
28
Daten und Prognosen
Abb. 2.9
te hier der Rückgang des privaten Konsums wiegen, da mit
zunehmender Dauer der Unterauslastung der Kapazitäten
ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine Reduzierung der Löhne zu erwarten ist. Daneben wird die aktuelle
Deflation noch weit in das Jahr 2011 hineinreichen und die
private Nachfrage dämpfen. Die momentane Stärke des Yen,
der Ende November ein 14-Jahreshoch gegenüber dem USDollar markierte, dürfte die exportabhängige japanische Wirtschaft zusätzlich belasten.
Dass diese Risiken ernst genommen werden, zeigen Regierung und Zentralbank, die – anders als in vielen anderen asiatischen Staaten – neue Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft getroffen haben. So hat die japanische Regierung Anfang Dezember auf die beschriebenen mittelfristigen Gefahren mit einem zusätzlichen Konjunkturprogramm im Volumen von 7,2 Billionen Yen (54 Milliarden Euro) reagiert, um
die Binnennachfrage zu stimulieren und den drohenden Einbruch des Konsums im nächsten Jahr zu verhindern. Die
Bank of Japan hat ihrerseits auf unmittelbare Zeit keine Abkehr von ihrer Niedrigzinspolitik anberaumt und vielmehr den
Banken des Landes noch einmal mehr als 10 Billionen Yen
(76 Milliarden Euro) an Mitteln zur weiteren Ankurbelung
der Kreditvergabe bereitgestellt.
und die Gewinnsituation japanischer Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe weiter verbessert haben. Dies geht
einher mit positiven Zuwachsraten der Industrieproduktion,
die inzwischen auf Monatsbasis zum siebten Mal in Folge
angestiegen ist. Dass diese Erholung nicht nur in der Industrie zu spüren ist, zeigt die Entwicklung der vielbeachteten Indizes für die Aktivität im Dienstleistungssektor und
in der Gesamtwirtschaft, die beide stark gestiegen sind. Ähnliche Signale senden außerdem Umfragen zum Verbrauchervertrauen aus. Ihre positive Entwicklung ist jedoch zu großen Teilen auf staatliche Stützungsmaßnahmen und Anreizprogramme zur Ankurbelung des privaten Konsums zurückzuführen.
Daher dürfte Japan im vierten Quartal 2009 im Zuge der
weltweiten wirtschaftlichen Erholung noch einmal einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorquartal aufweisen (vgl. Abb. 2.9). Trotzdem ist für das Gesamtjahr 2009 noch immer mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5,3% zu rechnen. Dies ist dem starken Absturz der Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr 2008/09 geschuldet. Im Jahr 2010 stehen den inländischen Problemen
positive Impulse von Seiten der Weltwirtschaft, insbesondere von China, entgegen. Die Wirtschaftsleistung dürfte
alles in allem um 1,0% über dem Durchschnitt dieses Jahres liegen (vgl. Tab. 2.2).
Für das Jahr 2011 ist ein Anstieg um 0,9%
zu erwarten.
Während der Ausblick für das letzte Quartal des Jahres also durchaus optimistisch ausfällt, gibt es einige Faktoren,
die vor allem für die mittlere Frist negative Auswirkungen
auf die Wirtschaft besitzen dürften. Besonders schwer dürf-
Tab. 2.2
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Japan
2008
Veränderung gegenüber dem
Vorjahr in %
Reales Bruttoinlandsprodukt
– 1,2
Privater Konsum
– 0,7
Staatskonsum und -investitionen
– 1,3
Private Bruttoanlageinvestitionen
– 1,4
Inländische Verwendung
– 1,0
a)
Außenbeitrag
0,2
Verbraucherpreise
1,4
In % des nominalen
Bruttoinlandsprodukts
b)
Budgetsaldo
– 2,7
Leistungsbilanzsaldo
3,2
In % der Erwerbspersonen
Arbeitslosenquote
4,0
a)
b)
Wachstumsbeitrag. – Gesamtstaatlich.
2009
2010
2011
– 5,3
– 1,0
2,2
– 18,5
– 3,7
– 2,1
– 1,3
1,0
– 0,8
0,2
1,1
– 0,3
1,5
– 0,4
0,9
0,1
– 0,9
4,2
0,5
0,4
0,1
– 8,0
2,0
– 9,0
2,5
– 5,0
3,5
5,3
5,8
5,6
Quelle: OECD; Cabinet Office; Berechnungen des ifo Instituts; 2009, 2010
und 2011: Prognose des ifo Instituts.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
China
Chinas Wirtschaft hat im Sommerhalbjahr
2009 beinahe zu alten Wachstumsraten zurückgefunden. Die Wirtschaftsleistung erhöhte sich im zweiten Quartal um 7,9% gegenüber dem Vorjahreszeitraum und im dritten Quartal um 8,9%. Das Bruttoinlandsprodukt lag somit in den ersten drei Quartalen des Jahres durchschnittlich um 7,7%
über dem Wert des vorangegangenen Jahres. Damit zeichnet sich ab, dass für das
Gesamtjahr 2009 das selbstgesteckte Ziel
eines Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts
Daten und Prognosen
von 8% deutlich übertroffen wird. Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auf den enormen Anstieg der Investitionstätigkeit, der durch das riesige Konjunkturprogramm der Regierung getrieben ist. Seit der zweiten Jahreshälfte trägt aber auch eine Belebung des Außenhandels
positiv zu der Erholung bei.
Nach der günstigen Entwicklung in den vergangenen beiden Quartalen bleiben die Aussichten auch für das vierte
Quartal positiv. So erhöhte sich die Industrieproduktion im
Oktober mit 16,1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch
einmal wesentlich stärker als im September, als die Zuwachsrate 13,9% betrug. Die guten Aussichten werden außerdem
durch die Ergebnisse verschiedener Umfragen zur aktuellen Geschäftslage im verarbeitenden Gewerbe untermauert, die sich im Oktober weiter verbessert haben. Aber auch
die Einzelhandelsumsätze stiegen im Oktober mit 16,2% gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch einmal stark an. Das
positive Bild wird abgerundet durch die Exporte, die im Oktober nur noch knapp 13,8% unter dem Wert des Vorjahresmonats lagen und sich damit deutlich von ihren Tiefstständen gegen Mitte des Jahres erholt haben.
Der optimistische Ausblick wird bisher nicht durch einen Anstieg des Preisniveaus getrübt. Nachdem die Inflationsrate
im Oktober bei – 0,5% gelegen hat, dürfte sie auch im Jahr
2010 nicht über 3% steigen. Zudem liegt die Arbeitslosigkeit nach offiziellen Angaben zumindest in den städtischen
Regionen bei nur 4,3%. Und auch von Wechselkursseite
sind keine negativen Impulse zu erwarten, da die Regierung trotz der Kritik aus dem Ausland an ihrer Politik des fixen Wechselkurses gegenüber dem US-Dollar festhält und
somit die exportorientierte Wirtschaft durch einen stark unterbewerteten Renminbi weiter subventioniert.
Die Aussichten für die Wirtschaftsentwicklung Chinas bleiben daher auch über den Jahreswechsel hinaus positiv. Dies
ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es der Regierung
gelungen ist, mit ihrem massiven Konjunkturprogramm die
wirtschaftliche Aktivität auch ohne Impulse von außen deutlich zu stärken. Auf mittlere Sicht ist damit zu rechnen, dass
die Effekte des Konjunkturprogramms, das Mitte des nächsten Jahres ausläuft, nicht vollständig durch Impulse der Weltwirtschaft kompensiert werden. Für das Jahr 2009 wird der
Anstieg des Bruttoinlandsprodukts 7,8% betragen. Im Jahr
2010 dürfte sich die Wirtschaftsleistung um 8,5% erhöhen,
im Jahr 2011 um 8,4%.
raums gelegen hatte, erhöhte sich der Anstieg im zweiten
Quartal dieses Jahres auf 6,1%, im dritten Quartal sogar
auf 7,9%.
Während der für die indische Wirtschaft sehr wichtige Agrarsektor aufgrund des verspätet einsetzenden Monsuns weniger als erwartet zu der Erholung beitragen konnte, wurde
dies durch die positive Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe und vor allem im Dienstleistungssektor mehr als ausgeglichen. So erhöhte sich die Industrieproduktion im dritten Quartal um 8,3% gegenüber dem Vorjahresquartal, der
Dienstleitungssektor wies sogar einen Anstieg von 9,3% auf.
Die wirtschaftliche Belebung dürfte sich in den letzten Monaten des Jahres fortsetzen. Darauf deuten die Geschäftsklimaindizes für die gesamte Wirtschaft sowie das verarbeitende Gewerbe hin, deren Aufwärtstendenz ungebrochen
ist. Aber auch der deutliche Anstieg der Groß- und Einzelhandelspreise sprechen für eine weiterhin dynamische Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivität.
Angesichts dieser positiven Aussichten denken Regierung
und Zentralbank über den Ausstieg aus ihren konjunkturfördernden Maßnahmen nach. So hat die Regierung zuletzt angekündigt, im nächsten Jahr etwas weniger als die
veranschlagten Mittel zur Stützung der Konjunktur zu verwenden. Neben der wirtschaftlichen Erholung dürfte zur Entscheidungsfindung vor allem auch das hohe Budgetdefizit
des indischen Staates beigetragen haben, das mit jeweils
geschätzten 7% des Bruttoinlandsprodukts im aktuellen und
kommenden Haushaltsjahr sehr groß ausfällt. Die indische
Zentralbank gab auf ihrer jüngsten Sitzung bekannt, die Zinsen – eine fortgesetzte Wirtschaftserholung vorausgesetzt
– bereits im ersten Quartal 2010 wieder anheben zu wollen, weit früher als die Zentralbanken vieler anderer asiatischer Länder. Für diese Entscheidung dürfte die akute Inflationsgefahr maßgeblich gewesen sein. Aufgrund geringer Niederschläge ist es im Oktober zu einem enormen Anstieg der Lebensmittelpreise gekommen. Daher dürfte die
Teuerungsrate im Jahr 2010, nach dem Wegfall von Basiseffekten aus dem vergangenen Jahr, den Wert von 5% übersteigen.
Alles in allem ist für Indien im Prognosezeitraum mit robusten Wachstumsraten zu rechnen. Besonders im letzten Quartal des Jahres 2009 wird die Produktion voraussichtlich sehr
kräftig anziehen. Für das Jahr 2009 ist ein Anstieg der Wirtschaftsleistung um 6,9% zu erwarten. In den Jahren 2010
und 2011 dürfte das Bruttoinlandsprodukt um je 7,5% zunehmen.
Indien
Indien erlebte im zweiten und dritten Quartal des Jahres einen starken Anstieg der wirtschaftlichen Dynamik. Nachdem in den beiden Winterquartalen die Wirtschaftsleistung
jeweils nur um 5,8% über dem Niveau des Vorjahreszeit-
Euroraum
Die Wirtschaft des Euroraums hat sich im Herbst 2009 erholt. Das reale Bruttoinlandsprodukt legte im dritten Quar62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
29
30
Daten und Prognosen
Abb. 2.10
tal um 0,4% zu, nachdem es im zweiten Quartal noch um
0,2% zurückgegangen war. Allerdings war der Konsum der
privaten Haushalte erneut rückläufig. Auch die Investitionen sanken, jedoch weniger stark als zuvor. Der Außenhandel lieferte hingegen einen leicht positiven Wachstumsbeitrag, da die Exporte etwas stärker als die Importe stiegen (vgl. Abb. 2.10).
Die wirtschaftliche Entwicklung in den großen Ländern des
Euroraums hat sich im dritten Quartal nahezu ausnahmslos verbessert. So stieg das reale Bruttoinlandsprodukt in
Deutschland und in Italien vergleichsweise kräftig, während es sich in Frankreich und den Niederlanden zumindest moderat erhöhte. Lediglich in Spanien hält die Rezession weiter an; die Kontraktion der spanischen Wirtschaft
schwächte sich jedoch spürbar ab. Die Erholung der Konifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
junktur spiegelte sich in der Entwicklung des ifo Wirtschaftsklimas wider. Der Indikator legte in den vergangenen beiden Quartalen nach seinem historischen Tiefstand merklich zu (vgl. Abb. 2.11).
Die Belebung der Wirtschaft im Euroraum dürfte sich in
den kommenden Quartalen zunächst fortsetzen. Zahlreiche Frühindikatoren sind mittlerweile aufwärtsgerichtet.
Dennoch ist es fraglich, ob die Expansion der Konjunktur
anhaltend kräftig ausfallen wird, da nennenswerte Faktoren weiterhin stark belastend wirken. So gestaltet sich die
Kreditvergabe der Banken nach wie vor restriktiv, nicht
zuletzt auch, weil mit weiteren rezessionsbedingten Abschreibungen gerechnet wird. Die Auslastung der Kapazitäten in der Industrie bleibt nach ihrem Einbruch auf ein
Rekordtief gering. Zudem hat sich die Lage am Arbeits-
Daten und Prognosen
Abb. 2.11
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
31
32
Daten und Prognosen
markt merklich verschärft. So hat sich die Zahl der Beschäftigten weiter verringert. Spiegelbildlich erhöhte sich
die Arbeitslosenquote kräftig. Sie stieg von 8,5% im Januar auf 9,7% im September.
Die Verbraucherpreise stiegen zunächst bis Mitte des Jahres 2009, ehe sie wieder fielen. Der Rückgang der Preise
wurde jüngst allerdings unterbrochen. Die Inflationsrate betrug im November – gemessen an der Veränderungsrate
des harmonisierten Verbraucherpreisindex – 0,6%. Für die
Abb. 2.12
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Zunahme der Inflationsrate war der Basiseffekt der zuletzt
gestiegenen Energiepreise maßgeblich. Die Kerninflationsrate ging hingegen kontinuierlich zurück, blieb jedoch deutlich positiv. Im Oktober betrug sie 1%, nach 1,8% im Januar. Die Inflationserwartungen blieben unverändert stabil
bei nahe 2%.
Die Europäische Zentralbank (EZB) ließ den Zinssatz für
Refinanzierungsgeschäfte seit Mai dieses Jahres unverändert bei 1% und hielt an der vollen Zuteilung fest. Die
Daten und Prognosen
durchschnittliche Laufzeit dieser Kredite an das Bankensystem nahm weiterhin zu, so dass der Anteil der einstigen »Haupt«-Refinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit
von einer Woche im November nur noch bei 8% lag. In
der Folge mussten für Übernachtkredite am Interbankengeldmarkt seit Juli nur noch durchschnittlich 0,4% und
damit deutlich weniger als für Offenmarktgeschäfte mit
der EZB bezahlt werden. Auch der Satz für unbesichertes Dreimonatsgeld am Interbankenmarkt (Euribor) nahm
im Jahresverlauf deutlich ab und lag zuletzt bei 0,7% (vgl.
Abb. 2.12) und damit nur noch um knapp 0,25 Prozentpunkte über dem Zinssatz für besichertes Dreimonatsgeld (Eurepo).
Die Zinssenkungen der EZB spiegelten sich auch in fallenden Kreditzinsen wider. Bis Oktober dieses Jahres wurde
der Rückgang der Refinanzierungskosten in Höhe von 325
Basispunkten bereits zu durchschnittlich 75% von den Banken an die Unternehmen weitergegeben. Vor allem die Weitergabe bei den unterjährigen Krediten lag mit 88% deutlich höher als bei den Krediten mit einer Laufzeit über fünf Jahren, wo bislang nur 61% weitergegeben wurden. Auch die
Renditen von Unternehmensanleihen haben sich verringert,
wobei insbesondere die Risikoaufschläge deutlich kleiner
geworden sind. Die Renditen von Unternehmensanleihen
mit höchster Bonität (AAA) sanken seit Jahresanfang um
0,3 Prozentpunkte, jene mit BBB-Rating um 2,2 Prozentpunkte. Zudem ist auch der Risikoaufschlag am Interbankenmarkt weiter zurückgegangen. Positiv auf die Finanzierungsbedingungen wirkte sich ebenfalls der im selben Zeitraum zu verzeichnende Anstieg der Aktienkurse aus. Der
Euro STOXX 50 hat sich seit Jahresanfang um 26% verbessert und liegt damit nur noch 31% unterhalb seines
Höchststandes kurz vor Ausbruch der Finanzmarktkrise im
Juni 2007.
Die Kreditentwicklung schwächte sich gleichwohl weiter ab.
Insgesamt ergab sich im Oktober bei den Buchkrediten an
den privaten Sektor ein Rückgang um 0,8% gegenüber dem
Vorjahresmonat. Die Buchkredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften sanken um 1,2% und die Buchkredite an
die privaten Haushalte lagen um 0,1% unter ihrem Vorjahreswert. Auch die Geldmenge M3 entwickelte sich verhalten und stieg im Jahresvergleich nur noch um 0,3% an.
Den wesentlichen Teil trug hierzu die Geldmenge M1 bei, die
mit einer Rate von 11,8% expandierte.
Beeinträchtigt wurden die monetären Rahmenbedingungen jedoch durch die Entwicklung des Wechselkurses.
Gegenüber seinem Jahrestiefstand vom Februar hat der
Euro gegenüber dem US-Dollar bis Dezember um etwa
20% aufgewertet und liegt mit knapp 1,50 USD/EUR auf
einem im historischen Vergleich hohen Niveau. Auch der
reale effektive Wechselkurs legte im selben Zeitraum um
knapp 4% zu.
Die Europäische Zentralbank wird den Leitzins im nächsten
Jahr auf seinem niedrigen Niveau belassen. Allerdings hat sie
bereits angekündigt, von ihrer Politik der unbegrenzten Zuteilung und der Vergabe vorwiegend längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte sukzessive abzurücken. Demnach ist davon auszugehen, dass die Geldmarktzinsen in 2010 wieder
leicht anziehen und sich dem Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte nähern. Angesichts der großen Produktionslücke und der sehr verhaltenen Inflationsentwicklung dürfte
die EZB die Leitzinsen jedoch nicht vor 2011 anheben.
Die Lage der öffentlichen Haushalte in den Mitgliedsländern des Euroraums hat sich im laufenden Jahr erheblich
verschlechtert. Während die Staatsausgaben infolge der Umsetzung der massiven Konjunkturpakete kräftig stiegen, gingen die Staatseinnahmen aufgrund der scharfen Rezession, der Steuervergünstigungen sowie der Zunahme der Arbeitslosenzahlen merklich zurück. Die Defizitquote dürfte im
Jahr 2009 insgesamt auf etwa 6,5% steigen, nachdem sie
im Jahr 2008 noch 2% betrug.
Die Situation der öffentlichen Haushalte dürfte sich auch in
den kommenden Jahren weiter verschärfen. Es ist damit zu
rechnen, dass in allen Ländern der Region die Regelung des
Stabilitäts- und Wachstumspakts verletzt werden wird, welche die Neuverschuldung auf 3% in Relation zum nominalen
Bruttoinlandsprodukt begrenzt. Als Konsequenz hat die Europäische Kommission neue Defizitverfahren gegen mehrere Länder, darunter auch Deutschland, Österreich und Italien
eröffnet, während Defizitverfahren gegen Frankreich, Spanien,
Irland, Griechenland und Malta bereits laufen. Ziel ist es, die
Budgetdefizite ab dem Jahr 2011 abzubauen und bis zum
Jahr 2013 die Neuverschuldung unter die kritische Hürde des
Stabilitäts- und Wachstumspakts zu drücken. Angesichts der
Schwäche der Konjunktur im Euroraum ist damit zu rechnen,
dass die Defizitquote insgesamt im kommenden Jahr bei etwa 7% und 2011 bei etwa 6,5% liegen wird.
Die Expansion der Wirtschaft im Euroraum wird sich im Prognosezeitraum nur vorübergehend etwas stärker beleben (vgl.
Abb. 2.13). Zwar haben sich die Ertragsaussichten der Unternehmen verbessert, dennoch werden die anhaltenden
Probleme im Bankensektor, die mit weiterhin verschärften
Kreditkonditionen verbunden sind, die Unterauslastung der
Kapazitäten sowie die hohe Arbeitslosigkeit nachhaltig belasten. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Stützung der
Binnennachfrage durch die massiven fiskalischen Impulse
sukzessive ausläuft.
Das Bruttoinlandsprodukt im Euroraum wird im Jahr 2009
um 3,9% sinken, ehe es im Jahr 2010 um 1,0% und im
Jahr 2011 um 0,9% steigen wird (vgl. Tab. 2.3). Der Konsum dürfte infolge der prekären Lage auf den Arbeitsmärkten nur mäßig expandieren. Die Investitionen dürften zunächst weiter sinken und anschließend nur moderat zule62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
33
34
Daten und Prognosen
Abb. 2.13
gen. Der Saldo im Außenhandel wird sich angesichts der
wirtschaftlichen Belebung in Asien zumindest leicht verbessern.
Der Anstieg der Preise wird sich insgesamt etwas beschleunigen, aber dennoch verhalten bleiben. Die Inflationsrate
dürfte im Jahr 2010 bei 0,9% und im Jahr 2011 bei 1,2%
liegen. Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich aufgrund ihres
Nachlaufs hinter der konjunkturellen Entwicklung weiter verschärfen. Die Arbeitslosenquote dürfte im kommenden Jahr
10,3% und im folgenden Jahr 11,1% betragen.
Frankreich
Die Wirtschaft in Frankreich expandierte im Herbst 2009 nur
verhalten. Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg im dritten
Tab. 2.3
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum
Quartal um 0,3%, nachdem es im zweiten Quartal bereits
um 0,3% zugenommen hatte. Der private Konsum stagnierte und die Anlageinvestitionen gingen – auch aufgrund der
ausgeprägten Schwäche der Bauinvestitionen – erneut zurück. Der Saldo im Außenhandel verbesserte sich hingegen leicht, da die Exporte im Vergleich zu den Importen kräftig zulegten.
Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal
wurde vor allem durch den Staatsverbrauch gefördert, der
sich erneut deutlich erhöhte. Für die wirtschaftliche Entwicklung dürfte die Zunahme des Staatsverbrauchs auch in den
kommenden Quartalen maßgeblich sein. Die konjunkturellen Aussichten bleiben jedoch gemischt. Zwar ist die Industrieproduktion im dritten Quartal gestiegen und auch das
ifo Wirtschaftsklima hat sich zuletzt aufgrund positiver Erwartungen erneut erhöht. Allerdings hat sich die Situation
am Arbeitsmarkt kontinuierlich verschärft. So stieg die Arbeitslosenquote im September auf 10%. Zudem verharrt die
Kapazitätsauslastung weiterhin auf einem relativ niedrigen
Niveau, nachdem sie zu Beginn des Jahres kräftig eingebrochen war. Der Rückgang der Preise hat sich im Oktober
fortgesetzt. Die Inflationsrate betrug zuletzt, gemessen am
harmonisierten Verbraucherpreisindex, – 0,2%. Die Kernrate der Inflation lag dagegen bei 1,1%.
Die Situation der öffentlichen Haushalte hat sich im laufenden Jahr infolge der massiven Ausgaben für Konjunkturprogramme, aber auch aufgrund konjunkturbedingter Mindereinnahmen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen
merklich verschärft. Zudem wirken die Kosten der Stützungsmaßnahmen für Banken belastend. Die Defizitquote dürfte
im laufenden Jahr auf über 8% steigen. Konkrete Maßnahmen zur Konsolidierung sind bislang nicht
vorgesehen. Stattdessen sind weitere Programme zur Milderung der wirtschaftlichen
Krise geplant, obwohl die Europäische Kommission bereits ein Defizitverfahren eingelei2011
tet hat. Die Haushaltsplanungen deuten nur
auf eine mäßige Rückführung der Neuver0,9
schuldung hin mit dem Ziel, die Vorgaben
0,4
des europäischen Stabilitätspakts frühestens
1,1
1,0
ab dem Jahr 2013 wieder einzuhalten. Die
0,7
Defizitquote dürfte daher auch im kommen3,6
den Jahr bei rund 8% liegen.
2008
2009
2010
Veränderung gegenüber dem
Vorjahr in %
Reales Bruttoinlandsprodukt
0,6
– 3,9
1,0
Privater Konsum
0,3
– 1,0
0,4
Öffentlicher Konsum
2,0
2,4
1,7
Bruttoanlageinvestitionen
– 0,4
– 10,0
– 1,5
Inländische Verwendung
0,6
– 2,3
0,3
a)
Exporte
1,2
– 14,0
4,2
a)
Importe
1,1
– 12,2
3,3
3,0
b)
Außenbeitrag
0,1
– 1,0
0,4
0,3
c)
Verbraucherpreise
3,3
0,2
0,9
1,2
In % des nominalen
Bruttoinlandsprodukts
d)
Budgetsaldo
– 2,0
– 6,5
– 7,0
– 6,5
Leistungsbilanzsaldo
– 0,8
– 1,2
– 0,9
– 0,7
In % der Erwerbspersonen
e)
Arbeitslosenquote
7,5
9,4
10,3
11,1
a)
b)
c)
Einschließlich Intrahandel. – Wachstumsbeitrag. – Harmonisierd)
e)
ter Verbraucherpreisindex. – Gesamtstaatlich. – Standardisiert.
Quelle: Eurostat; Europäische Zentralbank; Berechnungen des Instituts;
2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Die Wirtschaft in Frankreich wird sich im
Prognosezeitraum zunächst etwas kräftiger
beleben. Allerdings dürfte sich der Anstieg
des Bruttoinlandsprodukts im Verlauf des
kommenden Jahres infolge des Auslaufens
der massiven konjunkturellen Stützungsprogramme abflachen. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2010 um 1,6% und
im Jahr 2011 um 1,3% steigen (vgl. Tab. 2.4).
Daten und Prognosen
Tab. 2.4
a)
Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in Europa
Gewicht
(BIP)
in %
Deutschland
Frankreich
Italien
Spanien
Niederlande
Belgien
Österreich
Griechenland
Finnland
Irland
Portugal
Slowakei
Slowenien
Luxemburg
Zypern
Malta
d),
Euroraum
Großbritannien
Polen
Schweden
Dänemark
Tschechien
Rumänien
Ungarn
Litauen
Bulgarien
Lettland
Estland
d)
EU-15
Beitrittsländer
d)
EU-27
20,0
15,6
12,6
8,7
4,8
2,8
2,3
1,9
1,5
1,5
1,3
0,5
0,3
0,3
0,1
0,0
74,1
14,6
2,9
2,6
1,8
1,2
1,1
0,8
0,3
0,3
0,2
0,1
92,2
7,8
100,0
b)
Bruttoinlandsprodukt
Verbraucherpreise
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in %
2009
2010
2011
2009
2010
2011
– 4,9
1,7
1,2
0,2
0,6
0,8
– 2,3
1,6
1,3
0,0
0,8
1,3
– 4,8
0,5
0,7
0,6
1,1
1,5
– 3,7
– 0,5
0,5
– 0,5
0,9
1,3
– 4,0
1,3
0,8
0,8
1,2
1,4
– 3,1
1,1
0,7
– 0,1
1,1
1,3
– 3,3
1,4
1,0
0,3
1,0
1,0
– 1,0
– 0,4
0,2
1,2
1,5
2,0
– 6,5
0,7
0,5
1,6
1,4
1,5
– 7,0
– 0,7
0,0
– 1,6
– 0,3
1,0
– 3,3
0,6
0,4
– 1,0
1,2
1,4
– 5,0
1,5
1,3
1,0
1,9
2,2
– 7,0
1,3
1,1
0,6
1,7
2,0
– 3,5
1,4
1,0
– 0,4
1,6
1,8
– 0,7
1,5
1,1
– 0,2
2,3
2,6
– 2,0
1,6
1,2
2,1
2,0
2,2
– 3,9
1,0
0,9
0,2
0,9
1,2
– 4,6
1,0
0,8
2,1
1,6
1,8
1,3
2,2
1,8
4,0
2,5
3,0
– 4,6
1,4
1,1
1,8
2,0
1,9
– 4,4
1,0
0,7
1,0
1,5
1,8
– 4,3
1,5
1,1
0,5
1,6
1,8
– 7,3
0,7
0,5
5,6
3,3
3,6
– 6,6
– 0,5
0,1
4,0
3,8
4,0
– 16,0
– 4,2
– 0,5
4,4
2,0
3,0
– 5,3
– 0,1
0,2
2,5
2,7
2,6
– 18,0
– 4,5
– 0,3
3,8
4,2
3,9
– 13,5
– 3,0
– 0,2
0,5
1,2
2,0
– 4,1
1,0
0,9
0,5
1,0
1,3
– 3,9
1,0
1,0
3,2
2,5
2,9
– 4,1
1,0
0,9
0,7
1,2
1,5
c)
Arbeitslosenquote
in %
2009
2010
2011
7,5
7,9
8,1
9,6
10,2
10,6
7,7
8,8
9,3
18,5
20,0
20,8
3,5
5,0
5,5
8,0
9,1
9,9
4,6
5,7
6,3
9,6
11,0
21,1
8,3
9,5
10,3
12,0
13,6
14,4
9,7
10,6
11,2
11,6
12,3
13,0
5,9
6,8
7,6
6,3
7,6
8,2
5,4
6,1
6,8
7,2
9,0
9,7
9,4
10,3
11,1
7,8
9,2
9,7
8,2
8,5
8,9
8,4
9,1
9,6
5,9
6,4
7,0
6,5
7,2
7,7
7,0
8,1
9,0
9,8
10,6
11,3
14,5
17,0
18,7
7,0
8,1
9,0
18,1
20,0
21,4
14,5
16,5
18,0
9,1
10,1
10,8
8,5
9,3
10,0
9,0
9,9
10,6
a)
Die Zuwachsraten sind untereinander nicht voll vergleichbar, da sie für einige Länder um Arbeitstageeffekte bereinigt sind,
b)
c)
d)
für andere – wie für Deutschland – nicht. – Harmonisierter Verbraucherpreisindex. – Standardisiert. – Summe der aufgeführten Länder. Bruttoinlandsprodukt und Verbraucherpreise gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2008 in US-Dollar,
Arbeitslosenquote gewichtet mit der Zahl der Erwerbspersonen von 2008.
Quelle: Eurostat; IWF; OECD; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo
Instituts.
Italien
Die italienische Wirtschaft hat sich im Herbst 2009 überraschend kräftig belebt. Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg
im dritten Quartal um 0,6% nachdem es im zweiten Quartal um 0,5% geschrumpft war. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Talfahrt gestoppt sein könnte, lieferte auch der
Index der Industrieproduktion. Dieser stieg im letzten Quartal um 4%, nachdem er in den Quartalen zuvor deutlich eingebrochen war.
Dennoch bleiben die Aussichten für die wirtschaftliche Entwicklung getrübt. Die niedrige Kapazitätsauslastung, die im
letzten Quartal ein historisches Tief von knapp 65% erreichte, die chronische Wettbewerbsschwäche Italiens sowie die
fiskalpolitische Zurückhaltung der Regierung werden sowohl
in diesem als auch im nächsten Jahr die Konjunktur belas-
ten. Zwar haben sich fast alle Stimmungs- und Erwartungsindikatoren zum zweiten Mal in Folge verbessert, sie bleiben
jedoch weiterhin deutlich unter ihrem langfristigen Durchschnittsniveau.
Aufgrund der bereits vor der Krise akkumulierten hohen
Staatsverschuldung von über 100% des Bruttoinlandsprodukts war der Spielraum der italienischen Regierung für
expansive Eingriffe stark eingeschränkt. Entsprechend wurde in 2009 auf ein breit angelegtes Konjunkturprogramm
verzichtet. Trotzdem werden für dieses Jahr eine Defizitquote von 5,3% und eine Schuldenquote von knapp 115%
erwartet. Mangels klarer Konsolidierungspläne der Regierung in Rom beschloss die Europäische Kommission am
11. November, ein Defizitverfahren gegen Italien einzuleiten. Demnach soll das Staatsdefizit bis spätestens 2012
auf unter 3% des Bruttoinlandsprodukts reduziert werden.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
35
36
Daten und Prognosen
Die dazu erforderlichen Ausgabenkürzungen werden in den
kommenden zwei Jahren die konjunkturelle Erholung
dämpfen. Rezessionsbedingt wird die Defizitquote 2010
auf einem Niveau von knapp über 5% verharren, bevor
sie im Zuge der Konsolidierung auf etwa 4% im Jahr 2011
sinken wird.
Die Wirtschaft in Italien wird auch in den kommenden Quartalen unter ihrer Wettbewerbsschwäche leiden und daher
nur in geringem Maße vom Anziehen der Weltnachfrage
profitieren. Zwar hat das verarbeitende Gewerbe in den letzten Jahren eine Reihe tiefgreifender Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt, die im internationalen Vergleich zu
einer relativen Verbesserung vor allem in Bezug auf die Produktqualität geführt haben. Im Rahmen dieser Umstrukturierung waren jedoch viele Unternehmen auf die Aufnahme von Krediten angewiesen und sehen sich zur Zeit einer
doppelten Belastung gegenüber: Einer deutlich restriktiveren Kreditvergabe seitens der Banken und zugleich der
Schwäche der inländischen als auch ausländischen Nachfrage. Wie schnell sich die italienische Wirtschaft erholen
wird, hängt entscheidend davon ab, wie erfolgreich die
Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe die gegenwärtige Lage meistern.
Trotz der leichten Aufhellung im dritten Quartal wird aufgrund
der sehr schwachen ersten Hälfte des Jahres und des starken Einbruchs der privaten Investitionen das Bruttoinlandsprodukt 2009 um 4,8% schrumpfen. Im Prognosezeitraum
dürfte sich die gesamtwirtschaftliche Produktion nur langsam erholen. So wird die italienische Wirtschaftsleistung im
kommenden Jahr um 0,5% zunehmen und 2011 um 0,7%
expandieren. Die stärksten positiven Impulse werden von
der privaten Konsumnachfrage ausgehen. Darüber hinaus
sind bis Ende Juni 2010 beträchtliche Steuervergünstigungen im Falle getätigter Anlageinvestitionen vorgesehen, was
in den letzten zwei Quartalen dieses sowie in der ersten Hälfte des nächsten Jahres den Rückgang der Investitionen reduzieren wird. In den kommenden zwei Jahren wird auch
die langsame Erholung der Weltkonjunktur die italienischen
Exporte kräftigen.
Spanien
Zum ersten Mal seit September 2008 hat sich im dritten
Quartal 2009 der Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität in
Spanien verlangsamt. So sank das reale Bruttoinlandsprodukt nur noch um 0,3%, nachdem es im vorangegangenen
Quartal noch um mehr als 1% zurückgegangen war. Zwar
lieferten die öffentlichen Ausgaben und der Außenhandel erneut die stärksten positiven Impulse; diese wurden diesmal
aber von den privaten Konsum- und Investitionsausgaben
unterstützt, deren Rückgang im letzten Vierteljahr deutlich
moderater ausfiel als in den Quartalen davor. Der private
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Konsum stagnierte nahezu. Die privaten Investitionen
schrumpften in den letzten drei Monaten ebenfalls langsamer als im Vorquartal, mit einer Rate von 2,3%. Zurückzuführen ist diese Entwicklungen auf die von der spanischen
Regierung beschlossenen Konjunkturpakete sowie auf positive Nachfragesignale aus dem Ausland. Auf eine generelle Aufhellung der Erwartungen lässt die mittlerweile deutlich zu erkennende Kehrtwende bei fast allen Frühindikatoren in Spanien schließen.
Spanien gehört zu den EU-Ländern, in denen sich die Wirtschaftskrise am schmerzhaftesten auswirkt. Dies ist auf den
im Herbst 2008 zusammengebrochenen Immobilienmarkt
sowie auf strukturelle Faktoren zurückzuführen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Landes dauerhaft belasten. Das Platzen der Immobilienblase induzierte vor allem zwei negative
Effekte für die spanische Wirtschaft. Einerseits sind Haushalte und Unternehmen einem negativen Vermögenseffekt
ausgesetzt, der die Konsum- und die Investitionsnachfrage
stark dämpft und gleichzeitig den Zugang zu Krediten einschränkt. Andererseits kam es in der vom Immobilienmarkt
stark abhängigen Baubranche zu einem massiven Stellenabbau, der die Arbeitslosenquote von rund 11% Mitte 2008
auf fast 19% im dritten Quartal 2009 ansteigen ließ. Eine hohe Arbeitslosenquote dämpft die privaten Konsumausgaben, da sie das Lohneinkommen vermindert. Zugleich steigt
aber auch das Risiko arbeitslos zu werden, was den Anreiz
verstärkt, Vorsichtsersparnisse zu tätigen. Die große Anzahl nicht verkaufter Häuser stellt für die Baubranche eine
erhebliche Belastung dar.
Verschärft wird die Krise in Spanien auch durch andauernde Strukturprobleme, die die Wettbewerbsfähigkeit des
Landes belasten und die Aussichten für die kommenden
Quartale eintrüben. Zum einen wuchs die totale Faktorproduktivität in den letzten Jahren mit der für den Euroraum
deutlich unterdurchschnittlichen Rate von rund 0,5%. Zum
anderen wird die Wettbewerbsposition vieler spanischer
Unternehmen durch eine Reihe schwerwiegender Rigiditäten auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert. So haben sich
die Reallöhne bereits im Jahr 2008 schneller als im Durchschnitt des Euroraums erhöht, da im Rahmen von Indexierungsklauseln die Nominallöhne an das damals kräftig
gestiegene Preisniveau angepasst worden waren. Darüber hinaus erwiesen sich die Nominallöhne als nicht flexibel genug, um sich im Zuge der Krise hinreichend stark
nach unten anzupassen. Vielmehr nahmen sie deutlich
schneller als das Preisniveau zu, so dass es in den letzten
drei Quartalen 2009 sogar zu einem beträchtlichen Auseinanderklaffen zwischen den Veränderungsraten der realen
Lohnkosten je Stunde und der Stundenproduktivität kam.
Diese Entwicklung stellt eine zusätzliche Belastung für die
Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Wirtschaft dar und
lässt weitere Entlassungen in den kommenden Quartalen
erwarten.
Daten und Prognosen
Aufgrund der angespannten Wirtschaftslage und der umfangreichen Konjunkturprogramme hat sich die Lage der öffentlichen Haushalte in Spanien dramatisch verschlechtert.
So wird für dieses Jahr eine Defizitquote von über 10% erwartet. Bedingt durch das von der Europäischen Kommission eingeleitete Defizitverfahren beschloss die spanische
Regierung, bereits im Jahr 2010 mit der Konsolidierung der
Staatsfinanzen zu beginnen. Im September 2009 legte sie
ein Paket von Steuererhöhungen in Höhe von 1,1% des Bruttoinlandsprodukts vor. Geplant sind die Streichung diverser
Steuervergünstigungen, die Anhebung der Mehrwertsteuer
um 2 Prozentpunkte auf 18% sowie eine Erhöhung der Steuer auf Kapitaleinkünfte. Trotz dieser restriktiven Maßnahmen
wird das öffentliche Defizit 2010 und 2011 aufgrund konjunkturbedingter Mehrausgaben und gleichzeitiger Steuermindereinnahmen auf dem hohen Niveau von rund 10% des
Bruttoinlandsprodukts verharren.
Alles in allem werden der Einbruch im Bausektor und die
daraus resultierende Arbeitslosigkeit, die relative Wettbewerbsschwäche und die geplante fiskalpolitische Zurückhaltung die spanische Konjunktur in den nächsten zwei Jahren stark belasten. Mit einer Fortsetzung der wirtschaftlichen
Schrumpfung ist daher zu rechnen. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird im Jahr 2010 um 0,5% sinken, nachdem es
im laufenden Jahr bereits um 3,7% zurückgegangen ist. Erst
2011, im Zuge der langsam einsetzenden Erholung von Weltkonjunktur und Binnennachfrage, wird sich die wirtschaftliche Aktivität um etwa 0,5% erhöhen.
Großbritannien
Während viele Volkswirtschaften des Euroraums den Tiefpunkt des Abschwungs hinter sich gelassen haben, dauert
die Rezession in Großbritannien noch an. So schrumpfte
das reale Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um 0,3%.
Dabei wurde der Abschwung durch die Entwicklung der Investitionen und des privaten Konsums gebremst. Die Investitionen gingen nur noch um 0,3% zurück, nachdem der
Rückgang im Vorquartal 5,2% betragen hatte. Der private
Konsum, der im zweiten Quartal um 0,7% gesunken war,
hat sich dank der Abwrackprämie stabilisiert. Allerdings hatte die Abwrackprämie einen negativen Effekt auf die Handelsbilanz. So führten die vermehrten Autokäufe zu einem
schnelleren Anstieg der Importe als der Exporte. Die Staatsausgaben sind im vergangenen Quartal verlangsamt um
0,2% gestiegen.
Die Frühindikatoren zeichnen ein verhalten positives Bild,
das auf eine langsame Erholung des Konsums und der Investitionstätigkeit hindeutet. Verbrauchervertrauen und Geschäftsklima haben sich in den letzten Monaten verbessert, befinden sich jedoch unterhalb des langfristigen Mittelwerts. Trotz gesunkener Auftragseingänge in der Indus-
trie sind die Produktionserwartungen im November allerdings sprunghaft gestiegen, so dass sie sich nur noch knapp
unterhalb des historischen Durchschnitts befinden.
Die Erwartung einer nur langsamen Stabilisierung der britischen Wirtschaft spiegelt sich auch in einer expansiven Geldpolitik wider, von der die Bank of England wohl vorerst nicht
abkehren wird. Diese ließ den Leitzins Anfang November auf
dem Rekordtief von 0,5% und weitete erneut das Ankaufprogramm für Staatsanleihen um 25 Mrd. auf 200 Mrd. Pfund
aus. Jedoch ist die Kreditvergabe der Banken nach wie vor
restriktiv, da der Prozess der Bilanzsanierung noch nicht abgeschlossen ist. Dies stellt eine große Hürde für die Belebung der Investitionstätigkeit dar.
Dämpfend auf die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung wirkt
die Fiskalpolitik. Der immense Anstieg der Defizitquote auf
voraussichtlich knapp 12% im laufenden Jahr zwingt die Regierung zu Sparmaßnahmen. So wird Anfang 2010 die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung von 17,5 auf 15% in
Kraft treten. Diese Maßnahme wird zwar den Konsum im
vierten Quartal durch Vorzieheffekte beleben, ab dem neuen Jahr jedoch dämpfen. Ein weiterer Belastungsfaktor des
privaten Konsums ist die hohe Arbeitslosenquote, die bis
August auf 7,8% angestiegen ist. Da die Arbeitsproduktivität stark gesunken ist, wird sich die Arbeitslosenquote vorerst weiter erhöhen. Es ist damit zu rechnen, dass sie im
Jahr 2010 9,2% und 2011 9,7% betragen wird. Dagegen
hat sich der Immobilienmarkt stabilisiert. Die Hauspreise, die
im dritten Quartal um 3,7% gestiegen sind, dürften den Konsum aufgrund besserer Kreditkonditionen und eines positiven Vermögenseffektes beleben.
Insgesamt wird sich die britische Wirtschaft nur schleppend erholen. Getragen von besseren Exportmöglichkeiten durch das schwache Pfund und die Belebung der Weltwirtschaft wird Großbritannien in eine Stabilisierungsphase
eintreten, in der das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2010 um
1,0% und 2011 um 0,8% wachsen wird. Die Inflationsrate
wird im gesamten Prognosezeitraum nahe dem Zielwert von
2% bleiben.
Osteuropäische Mitgliedsländer der EU
Zwar ist in den meisten osteuropäischen Mitgliedsländern
der EU eine schnelle wirtschaftliche Erholung noch nicht in
Sicht, aber auch in dieser Region sind Stabilisierungstendenzen zu beobachten. So ist die Industrieproduktion im
dritten Quartal 2009 nicht weiter gesunken, in einigen Ländern hat sie sogar leicht zugelegt. Bei den Investitionen ist
eine Verringerung der konjunkturellen Abwärtsdynamik auszumachen. Die Erwartungen der Unternehmen haben sich
seit Jahresanfang in nahezu allen Ländern wieder verbessert. Auch das Verbrauchervertrauen hat sich trotz der an62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
37
38
Daten und Prognosen
steigenden Arbeitslosigkeit leicht aufgehellt. Da in der gesamten Region die Importe stärker fielen als die Exporte, haben sich die Leistungsbilanzdefizite deutlich zurückgebildet.
Im Baltikum wird 2009 sogar erstmals seit Jahren ein Leistungsbilanzüberschuss verzeichnet. Die Inflation hat sich in
allen Ländern stark verringert, wobei sie in Rumänien und
Ungarn mit rund 5% noch relativ hoch ist. Währungen, die
Anfang des Jahres deutlich nachgegeben hatten, wie der
ungarische Forint, die tschechische Krone oder der polnische Zloty, machten in der zweiten Jahreshälfte den größten Teil der Verluste wieder wett, was die Schuldenlast der
Fremdwährungskredite wieder verringert hat. Einzig in Rumänien hat die Landeswährung erneut an Wert verloren,
da wegen der politischen Unsicherheit die Auszahlung der
dritten Kredittranche des Internationalen Währungsfonds in
Höhe von 1,5 Mrd. Euro zurückgehalten wurde. So wurden
im Oktober die Leitzinsen in Rumänien wieder angehoben.
In allen anderen Ländern wurden im Verlauf des dritten Quartals die Leitzinsen schrittweise gesenkt.
Diese positive Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Länder der Region in einer
sehr ungünstigen Ausgangslage sind und der konjunkturellen Erholung, je nach Land, unterschiedliche Abwärtstendenzen entgegenstehen. So konnte die Fiskalpolitik nur in
Polen und Tschechien in größerem Rahmen auf kontrazyklische Stützungsmaßnahmen, darunter Steuersenkungen
und Investitionsprogramme, zurückgreifen. In anderen Ländern lassen die hohen Staatsdefizite und die wachsende öffentliche Verschuldung nur wenig oder gar keinen Raum für
fiskalpolitische Konjunkturmaßnahmen. Deshalb ist davon
auszugehen, dass die Binnennachfrage und die Investitionen im Prognosezeitraum schwach bleiben werden. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich weiter eintrüben und
den privaten Konsum in den kommenden Jahren drücken.
So bleibt angesichts der konjunkturellen und strukturellen
Probleme auch der Abwertungsdruck auf die Währungen
hoch. Eine Anpassung würde die Wettbewerbsfähigkeit der
Exporte zwar verbessern, dem steht jedoch die hohe Auslandsverschuldung des Privatsektors und in einigen Ländern
auch des Staates gegenüber, vor allem in Ungarn, Bulgarien und Rumänien. Für die Stabilität der Finanzsysteme ist
es daher essentiell, dass die Landeswährungen nicht erneut
abwerten.
Die Folgen der Weltwirtschaftskrise werden die Region in
den kommenden Jahren schwerer belasten als den Rest der
Welt. Ein Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftssystems ist in Zentral- und Osteuropa mit Hilfe der internationalen Finanzinstitutionen zwar abgewendet worden, Anpassungen stehen aber noch bevor. Eine Rückkehr zu exzessiver Kreditvergabe und kreditgetriebenem Wachstum
erscheint in nächster Zeit unwahrscheinlich. Die Binnennachfrage wird im Prognosezeitraum angesichts der steigenden
Arbeitslosigkeit sowie der sinkenden Steuereinahmen und
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
des anhaltenden Konsolidierungsdrucks auf die öffentlichen
Haushalte weiterhin schwach bleiben. Insgesamt dürfte das
Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2010 und 2011 nur verhalten um jeweils 1% steigen. Die besten Aussichten in der
Region haben Polen und Tschechien, da hier die konjunkturelle Erholung nicht nur von der Nachfrage aus Westeuropa, sondern auch von einem anhaltenden, wenngleich
schwachen, Konsumanstieg gestützt wird.
3. Deutschland
In Deutschland hat sich die gesamtwirtschaftliche Produktion im Frühjahr stabilisiert. Im zweiten Quartal expandierte
das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt nach Census X-12-ARIMA um 0,4%, im dritten Quartal sogar um 0,7%. Aufgrund des außerordentlich kräftigen
Einbruchs im vorausgegangenen Winterhalbjahr um fast 6%
blieb die gesamtwirtschaftliche Produktion und hier insbesondere die Erzeugung in den exportabhängigen Branchen
aber alles in allem auf niedrigem Niveau. Der gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad – zieht man die ifo Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe als Proxy heran –
liegt derzeit um etwa 10 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt.
Maßgeblich für die konjunkturelle Besserung war zum einen die Aufhellung des weltwirtschaftlichen Umfelds. Die
deutsche Exportwirtschaft, die im vorangegangenen Winterhalbjahr aufgrund ihres Spezialisierungsmusters vom weltweiten Nachfrageeinbruch nach Investitions- und langlebigen Konsumgütern besonders betroffen war, konnte saisonund kalenderbereinigt im dritten Quartal 2009 ein Plus von
3,4% einfahren. In vielen Staaten wirkten expansive fiskalund geldpolitische Maßnahmen, zudem sind weltweit die
Lager wieder aufgestockt worden. Binnenwirtschaftlich haben zum anderen die Bruttoinvestitionen wieder angezogen,
stimuliert durch die Konjunkturpakete der Bundesregierung,
deren Hauptstoßrichtung der öffentliche Bau ist. Außerdem
wurden die Vorratsbestände massiv erhöht. Die realen privaten Konsumausgaben, die im ersten Halbjahr 2009 durch
zahlreiche expansive Maßnahmen fiskalisch angeregt worden waren, sind im dritten Quartal dagegen spürbar gesunken. Weniger gekauft wurden vor allem Pkw. Ausschlaggebend hierfür war die Leerung des Prämientopfes für die
Verschrottung älterer Autos, der die Nachfrage nach kleineren Modellen insbesondere von ausländischen Herstellern im ersten Halbjahr 2009 kräftig befördert hatte.
Das ganze Jahr hindurch wurden die verfügbaren Realeinkommen der inländischen Sektoren durch Terms-of-TradeGewinne per saldo gestützt. Der Kaufkraftgewinn durch die
Verbesserung der Terms-of-Trade beläuft sich kumulativ gerechnet auf 0,3% des Bruttoinlandsprodukts; im Vorjahres-
Daten und Prognosen
Abb. 3.1
vergleich, der durch den Ölpreisrückgang im vierten Quartal 2008 stark beeinflusst ist (vgl. Abb. 3.1), beträgt er sogar auf 1,2%.
Der bisher zu verzeichnende Arbeitsplatzverlust fiel im Vergleich zum Produktionseinbruch gering aus; die Zahl der Erwerbstätigen ist in den ersten drei Quartalen dieses Jahres
saisonbereinigt lediglich um 114 000 gesunken. Zu der günstigen Entwicklung trugen die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, der Abbau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten und
die Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei. Außerdem hat
die Teilzeitbeschäftigung zugenommen, während Vollzeitarbeitsplätze abgebaut worden sind. Die durchschnittliche
Arbeitszeit je Erwerbstätigen ist im Verlauf des Jahres 2009
saison- und kalenderbereinigt um 2,2% gesunken; bereits
2008 war sie in ähnlichem Ausmaß reduziert worden. Bei alledem sind die im Winterhalbjahr 2008/09 stark gestiegenen gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten wieder etwas
gesunken, gleichwohl waren sie im dritten Quartal 2009 auf
Stundenbasis um 51/4% höher als vor Jahresfrist. Im von der
Krise besonders betroffenen verarbeitenden Gewerbe lagen
sie zuletzt sogar um 14% über dem vergleichbaren Stand
des Vorjahres.
Alles in allem ist zu konstatieren, dass sich im Gefolge der
schweren Rezession das Niveau wichtiger Zeitreihen deutlich nach unten verschoben hat. So liegt das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt im dritten
Quartal 2009 lediglich auf dem Durchschnittsniveau des
ersten Halbjahres 2006. Derartige Brüche können aber die
Ergebnisse von Saisonbereinigungsverfahren am aktuellen Rand erheblich beeinflussen. So zeigt das in der amtlichen deutschen Statistik ebenfalls eingesetzte Berliner Verfahren BV4.1 für die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts vom zweiten zum dritten Vierteljahr 2009 im Vergleich zum Census X-12-ARIMA-Verfahren keinen Anstieg,
sondern einen deutlichen Rückgang, und zwar in Höhe von
0,7%.2 Auch die Trend-Konjunktur-Komponente sinkt in diesem Vierteljahr deutlich. Nach BV4.1 haben zudem die Ex-
und Importe im dritten Vierteljahr gegenüber dem Vorquartal nicht angezogen, vielmehr waren sie ebenfalls deutlich
rückläufig. Die in der amtlichen Statistik eingesetzten Saisonbereinigungsverfahren liefern offenbar für das Bruttoinlandsprodukt und für verschiedene Verwendungsaggregate zurzeit extrem unterschiedliche Konjunktursignale, was
die Analyse der aktuellen Lage beeinträchtigt. Außerdem
sind zukünftige Revisionen der bisher veröffentlichten saisonbereinigten Ergebnisse angesichts der stark erhöhten
Unsicherheit absehbar.
Die Quantifizierung der gesamtwirtschaftlichen Produktion
im laufenden und im nächsten Quartal erfolgt disaggregiert
auf der Basis monatlich verfügbarer Frühindikatoren der amtlichen Statistik sowie einer breiten Palette von monatlich
erhobenen Umfragedaten, wobei hier den Ergebnissen des
ifo Konjunkturtests eine besonders gewichtige Rolle zugemessen wird (IFOCAST-Ansatz).3
Der Auftragseingang in der Industrie ist im Oktober gegenüber September saisonbereinigt um 2,1% gesunken (vgl.
Abb. 3.2). Im konjunkturell aussagekräftigeren, weil durch
Sondereffekte weniger beeinflussten Zweimonatsvergleich
(Oktober/September gegenüber Juli/August) ist die Bestelltätigkeit dagegen um 1,2% gestiegen. Die Vorleistungs- und
Konsumgüterproduzenten verzeichneten Zuwächse in Höhe von 1,9 bzw. 5,3%. Der Auftragseingang bei den Herstellern von Investitionsgütern stagnierte hingegen nahezu
(– 0,1%). Bei letzteren stand einem deutlichen Anstieg der
Auslandsnachfrage ein kräftiger Rückgang der inländischen
Orders gegenüber (– 10,3%). Im Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes hat die Auslandsnachfrage im Zweimonatsvergleich um 5,2% zugelegt, während die Nachfrage aus dem Inland um 3,1% gesunken ist.
2
3
Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), Inlandsproduktsberechnung, Saisonbereinigte Vierteljahresergebnisse nach Census X-12-ARIMA und BV4.1,
3. Vierteljahr 2009, Fachserie 18 Reihe 1.3.
Vgl. Carstensen, K. et al. (2009), »IFOCAST: Methoden der ifo-Kurzfristprognose«, ifo Schnelldienst 62(23), 2009, 15–28.
Abb. 3.2
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
39
40
Daten und Prognosen
Abb. 3.3
Abb. 3.4
Parallel zur rückläufigen Bestelltätigkeit ist auch die Produktion im verarbeitenden Gewerbe im Oktober gesunken; saison- und kalenderbereinigt beläuft sich der Rückgang auf
1,6%. Im weniger schwankungsanfälligen Zweimonatsvergleich konnte die Erzeugung allerdings bis zuletzt weiter
zulegen, und zwar um 3,9%. Besonders kräftig wurde die
Produktion bei den Herstellern von Investitionsgütern (5,6%)
sowie von Vorleistungsgütern (3,2%) ausgeweitet. Bei den
Konsumgüterproduzenten wurde ein Plus von 2,0% registriert. Alles in allem lag die Industrieproduktion im Oktober
aufgrund des hohen Überhangs (3,1%) um 1,4% über dem
Durchschnittswert des dritten Quartals.
Auf einen Anstieg der Industrieproduktion im Durchschnitt
des vierten Quartals deuten auch die aktuellen Ergebnisse
des ifo Konjunkturtests hin. Das Geschäftsklima für das verarbeitende Gewerbe (einschließlich Ernährungsgewerbe) hat
sich im November sichtlich aufgehellt. Die aktuelle Geschäftssituation hat sich weiter merklich gebessert. Die Geschäftsperspektiven für die nächsten sechs Monate beurteilten die
befragten Industrieunternehmen erneut positiver (vgl. Kasten:
Zum Zusammenhang zwischen Geschäftslage und Erwartungen). Auch die Exportchancen werden etwas besser eingeschätzt. Die Personalplanungen sind etwas weniger stark
auf Beschäftigungsreduzierung ausgerichtet als bislang.
Kasten
Zum Zusammenhang zwischen Geschäftslage und Erwartungen
a)
Das ifo Geschäftsklima ist der Mittelwert aus den Komponenten »Geschäftslage« und »Geschäftserwartungen für die nächsten 6 Monate«. Der
Zusammenhang zwischen den beiden Komponenten kann in einem VierQuadranten-Schema dargestellt werden (»ifo Konjunkturuhr«). Auf der Abszisse der Konjunkturuhr werden die Meldungen der befragten Unternehmen
zur Geschäftslage (Salden aus den Meldungen »gut« bzw. »schlecht«) aufgetragen, auf der Ordinate die Geschäftserwartungen (Salden aus den Meldungen »günstiger« bzw. »ungünstiger«). Durch das Fadenkreuz der beiden
Nulllinien wird das Diagramm in vier Quadranten geteilt, die die vier Phasen
der Konjunktur markieren (vgl. Abb. 3.4).
Sind die Urteile der im ifo Konjunkturtest befragten Unternehmen zur Geschäftslage und zu den Geschäftserwartungen per saldo schlecht, d.h. im
Minus, so befindet sich die Konjunktur in der Rezession (Quadrant links
unten). Gelangen die Geschäftserwartungen ins Plus (bei noch schlechter
Geschäftslage), so gerät man in die Aufschwungsphase (Quadrant links
oben). Sind Geschäftslage und Geschäftserwartungen gut, d.h. im Plus, so
herrscht Boom (Quadrant rechts oben). Drehen die Geschäftserwartungen ins
Minus (bei noch guter Geschäftslage), so ist die Abschwungsphase erreicht
(Quadrant rechts unten). Idealtypisch bewegt sich die Konjunktur in diesem
Diagramm im Uhrzeigersinn im Kreis; die Erwartungen laufen dabei der Lage
voraus.
a)
Das ifo Geschäftsklima GK ergibt sich aus der Formel
1/2
GK = [(GL+200)(GE+200)] – 200, wobei GL den Saldo aus den positiven
und negativen Meldungen zur aktuellen Geschäftslage bezeichnet und GE
den Saldo aus den positiven und negativen Meldungen zu den Geschäftsaussichten in den nächsten sechs Monaten. Zur Vermeidung von negativen
Werten in der Wurzel werden die beiden Variablen GL und GE jeweils um die
Konstante 200 erhöht.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Im Bauhauptgewerbe hat sich die Wertschöpfung im Oktober abgeschwächt, saison- und kalenderbereinigt belief sich der
Rückgang gegenüber dem Vormonat auf
2,4%. Auch im Vergleich der Monate Oktober/September gegenüber Juli/August
wurde die Bautätigkeit eingeschränkt
(–1,7%). Nach den Ergebnissen des ifo
Konjunkturtests hat sich das Geschäftsklima in der Bauwirtschaft im November zudem eingetrübt. Die Unternehmen beurteilen ihre derzeitige Geschäftlage zwar ähnlich wie im Oktober, die weitere Geschäftsentwicklung schätzen sie aber merklich zurückhaltender ein.
Die aktuelle Entwicklung im Handel zeigt am
aktuellen Rand ebenfalls eine recht gedämpfte Entwicklung. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen sind im Großhandel
die realen Umsätze im Zweimonatsdurchschnitt Oktober/September gegenüber Juli/August saison- und kalenderbereinigt um
2,1% gesunken. Den Ergebnissen des ifo
Konjunkturtests zufolge wurde die Ge-
Daten und Prognosen
schäftslage im November als nahezu unverändert eingestuft. Hinsichtlich der Entwicklung in den kommenden sechs
Monaten sind die Großhändler jedoch etwas weniger kritisch. Im Einzelhandel (ohne Kfz und Tankstellen) sind die
realen Umsätze saison- und kalenderbereinigt im Zweimonatsvergleich um 0,5% gesunken. Der Durchschnittswert
des dritten Quartals wurde im Oktober um 0,2% marginal
unterschritten. Der Kfz-Handel ist nach dem Ausschöpfen
des Abwrackprämientopfes erwartungsgemäß recht deutlich ins Minus gerutscht, bereits im dritten Quartal wurden
die Umsätze des zweiten Quartals saison- und kalenderbereinigt um 4,3% unterschritten. Nach den Ergebnissen
des ifo Konjunkturtests bewerteten die Einzelhändler (einschließlich Kfz-Gewerbe) im November ihre Geschäftslage
jedoch wieder etwas günstiger als im Vormonat. Zudem wird
mit einer weniger unbefriedigenden Geschäftsentwicklung
in den nächsten sechs Monaten gerechnet. Das Konsumentenvertrauen, das im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise nahezu vollständig verlorengegangen war, hat sich im
Jahresverlauf zwar wieder etwas erholt, es ist aber gegenwärtig nur wenig höher als in den stark rezessiven Jahren
2002/03. Die Bereitschaft zu größeren Anschaffungen, die
sich seit Jahresbeginn wegen der Einführung einer staatlichen Abwrackprämie für ältere Pkw verbessert hatte, ist zuletzt gesunken, die Sparbereitschaft dagegen leicht gestiegen. Auch die Beurteilung der finanziellen Lage in den nächsten zwölf Monaten fiel im November nicht mehr so günstig
aus wie noch im Sommer (vgl. Abb. 3.5).
Insgesamt dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion saison- und kalenderbereinigt im Jahresendquartal 2009 weiter zugenommen haben, wenngleich in einem etwas langsamerem Tempo (0,5%) als im Vorquartal. Zum Anstieg der
gesamtwirtschaftlichen Produktion tragen die Industrie, die
Dienstleister und der Bau bei (vgl. Tab. 3.1). Für das zweite
Halbjahr 2009 ergibt sich im Vergleich zum ersten Halbjahr
2009 saison- und kalenderbereinigt eine Zunahme der Wirtschaftsleistung in Höhe von 1,2%; im Vorjahresvergleich, der
durch den starken Rückgang im Winterhalbjahr geprägt ist,
ergibt sich jedoch ein Rückgang von 3,0%. Für das Gesamtjahr beläuft sich die Abnahme des realen Bruttoinlandsprodukts auf 4,9%.
Im Prognosezeitraum bleiben die Konjunkturampeln in
Deutschland auf gelb, mit einer Grünphase ist nicht zu rechnen. Zwar werden die endogenen Auftriebskräfte allmählich wieder etwas stärker, es laufen aber die im Rahmen
der Konjunkturpakete bereitgestellten Mittel aus. Zudem sind
die Kredithürden für neue Investitionen und Arbeitsplätze
weiter hoch. Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft bleibt
damit labil, zu einem selbstragenden Aufschwung kommt
es nicht.
Die Exportdynamik wird im Prognosezeitraum moderat sein,
weil sich die Konjunktur in den wichtigsten Hauptabneh-
Abb. 3.5
merländern nicht durchgreifend bessert. Für die Importentwicklung ergibt sich alles in allem ein ähnliches Profil, der
Außenbeitrag wird von daher keinen nennenswerten Wachstumsbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt liefern. Die Ausrüstungsinvestitionen dürften bei weiterhin niedriger Kapazitätsauslastung nur wenig steigen, zumal sich die restriktiven Finanzierungsbedingungen nicht bessern. Lediglich gegen Jahresende 2010 kann mit einer etwas höheren Dynamik aufgrund von Vorzieheffekten infolge der Rückführung der degressiven Abschreibung gerechnet werden. Bei
den öffentlichen Bauinvestitionen werden die Konjunkturpakete zunächst noch weiter wirken, der bisher konjunkturrobuste Gewerbebau rutscht aber deutlich ins Minus.
Einkommen und privater Konsum erhalten am Jahresanfang 2010 kurzfristig Impulse aus dem »Wachstumsbeschleunigungsgesetz« (erneute Anhebung von Kindergeld
und -freibetrag) und den bisher schon beschlossenen steuerlichen Entlastungen (erhöhte Absetzbarkeit der Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Anhebung
des Grundfreibetrags im ESt-Tarif), danach wird aber die
Dynamik verhalten sein. Zudem dämpft der Nachfrageausfall, der aus den in das Jahr 2009 vorgezogenen PkwKäufen resultiert. Die Sparquote dürfte angesichts der flauen Wirtschaftsentwicklung hoch bleiben. Im Jahresdurchschnitt 2010 wird das reale Bruttoinlandsprodukt voraus62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
41
42
Daten und Prognosen
Tab. 3.1
Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung nach
a)
Wirtschaftsbereichen
Prognose für das 4. Quartal 2009 und für das 1. Quartal 2010
2009
2010
Q2
Q3
Q4
Q1
Ursprungswerte
Veränderung gegenüber dem
Vorjahresquartal in %
– 6,4
– 7,0
– 4,7
– 1,2
2,3
Q1
Bruttoinlandsprodukt
darunter:
Bruttowertschöpfung der
Wirtschaftsbereiche
darunter:
Verarbeitendes Gewerbe
Energie- und Wasserversorgung
Baugewerbe
Handel, Gastgewerbe ,
Verkehr und
Nachrichtenübermittlung
Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen
Öffentliche und private
Dienstleister
– 6,9
– 7,9
– 5,3
– 1,7
1,9
– 21,9
– 24,2
– 17,5
– 6,9
6,9
– 6,2
– 5,8
– 13,1
– 2,8
– 4,3
1,9
– 3,4
3,7
– 1,4
1,6
– 5,9
– 6,7
– 5,1
– 2,5
– 0,2
– 1,3
– 1,9
– 1,7
– 0,5
0,3
0,5
0,6
0,8
1,5
1,8
Saison- und arbeitstäglich
bereinigte Werte
Veränderung gegenüber dem
Vorjahresquartal in %
– 3,5
0,4
0,7
0,5
0,4
Bruttoinlandsprodukt
darunter:
Bruttowertschöpfung der
Wirtschaftsbereiche
– 3,7
0,2
0,6
0,5
0,5
darunter:
Verarbeitendes Gewerbe – 13,4
– 0,2
3,3
2,3
1,1
Energie- und Wasserversorgung
– 0,6
– 2,6
3,6
– 3,8
2,0
Baugewerbe
1,1
0,7
0,4
0,2 – 0,3
Handel, Gastgewerbe ,
Verkehr und Nachrichtenübermittlung
– 2,8
0,0
– 0,3
– 0,6
0,3
Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen
– 0,8
0,3
– 0,6
0,3
0,2
Öffentliche und private
Dienstleister
– 0,4
0,7
0,3
0,4
0,4
a)
In Preisen des Vorjahres
Quelle: Statistisches Bundesamt; 4. Quartal 2009 und 1. Quartal 2010:
Prognose des ifo Instituts.
sichtlich um 1,7% zunehmen; im Jahresdurchschnitt 2011
um 1,2% (vgl. Abb. 3.6 und Kasten: Jahresdurchschnittliches Wachstum und konjunktureller Verlauf).
Auf dem konjunkturell nachlaufenden Arbeitsmarkt wird
die Beschäftigung allmählich an das niedrige Produktionsniveau angepasst werden. Die Kurzarbeit wird abnehmen, dafür die Arbeitslosigkeit zunehmen. Im Durchschnitt
des nächsten Jahres wird die Zahl der erwerbstätigen
Inländer um 350 000 sinken, Die Zahl der Arbeitslosen
wird im Jahr 2010 durchschnittlich um rund 180 000 auf
3,6 Mill. steigen. Bei alledem werden die Verbraucherpreise wenig zulegen, dämpfend wirkt die große Proifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
duktionslücke. Das staatliche Budgetdefizit steigt im Jahr 2010 stark an, in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt
dürfte es sich auf 5,1% belaufen. Maßgeblich hierfür sind die schwache konjunkturelle Entwicklung und die Mehrausgaben,
die im Zusammenhang mit den Stützungsmaßnahmen der Bundesregierung entstehen (vgl. Tab. 3.2).
Die Prognoseunsicherheit lässt sich anhand
von Intervallen angeben, die die unbekannte Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit einschließen. Zur Berechnung der
konkreten Intervalle für das Jahr 2010 werden die Prognosefehler des ifo Instituts der
Jahre 1990 bis 2008 herangezogen. Gemessen an diesen Prognosefehlern beträgt
die Spanne für ein Prognoseintervall, das
die Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2010 mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa zwei Dritteln überdeckt, ± 0,8 Prozentpunkte. Bei der vorliegenden Punktschätzung für die Zuwachsrate des BIP von 1,7% reicht das Intervall von 0,9% bis 2,5% (vgl. Abb. 3.7).
Die Punktprognose von 1,7% stellt dabei
den mittleren Wert dar, der bei Würdigung
aller Fakten am ehesten erwartet werden
kann.
Exporte profitieren von China und
Südostasien
Nach dem dramatischen Einbruch im vergangenen Winterhalbjahr konnten die Exporte im dritten Quartal 2009 mit einer realen Zuwachsrate von 3,4% gegenüber
dem Vorquartal deutlich zulegen. Diese
positive Entwicklung ist auf einen kräftigen
Anstieg der Warenexporte um 4,9% zurückzuführen, während die Dienstleistungsexporte um 4,1% sanken. Bei
Betrachtung des Spezialhandels nach Warengruppen
ist der Zuwachs von über 12% in der Branche Kraftwagen und Kraftwagenteile hervorzuheben. Dieser resultiert
vor allem aus ausländischen Konjunkturpaketen in Form
von Abwrackprämien. Daneben konnte die Chemiebranche mit 3,3% ebenfalls eine Trendwende verbuchen. Die
insgesamt sehr positive Entwicklung der deutschen Exportwirtschaft ist jedoch nicht für alle Branchen zu beobachten, so zeigte der Maschinenbau, eine weitere
Schlüsselbranche der deutschen Ausfuhr, keine Zugewinne.
Daten und Prognosen
Abb. 3.6
Einer der Hauptgründe für den Anstieg der Exporte lag in
der einsetzenden konjunkturellen Erholung der Länder im
Euroraum im dritten Quartal (vgl. Abb. 3.8.); die Warenausfuhr stieg hier um 6,5% gegenüber dem Vorquartal. Diese
Rate wurde noch übertroffen von der Entwicklung der Lieferungen in andere EU-Länder, die um mehr als 9% zunahmen und somit die günstige konjunkturelle Entwicklung in
Polen und Tschechien widerspiegelten. Auch die Ausfuhren nach Großbritannien legten deutlich zu. Ein starkes Zugpferd für den deutschen Export bildeten mit einem Zuwachs
von 9,5% die Warenausfuhren nach China, das sich sehr
früh von der weltweiten Krise erholen konnte. Die Lieferungen nach Japan und Südostasien nahmen mit rund 8% bzw.
10% ebenfalls deutlich zu; zusammen fragten diese Länder
insgesamt 5% aller deutschen Exportgüter im letzen Quartal nach. Dagegen brach das Ausfuhrvolumen in die USA
mit über 13% dramatisch ein, was vor allem auf die schwache Investitionsnachfrage im privaten Sektor sowie die starke Abwertung des US-Dollars seit dem Frühjahr zurückzuführen ist. Letztere führte zu einer deutlichen Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit deutscher UnterKasten
Annahmen der Prognose
•
•
•
•
•
Der Welthandel steigt im Jahr 2010 um 5% und im Jahr
2011 um 4%, nach einem Rückgang in Höhe von 11% im
laufenden Jahr.
Der Ölpreis wird im Prognosezeitraum 72 US-Dollar pro
Barrel betragen.
Der Wechselkurs des Euro liegt im Durchschnitt der Jahre
2010/2011 bei 1,47 US-Dollar.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt die Leitzinsen
nicht vor 2011 an.
Die Finanzpolitik in Deutschland ist im Prognosezeitraum
expansiv ausgerichtet. Die im Wachstumsbeschleunigungsgesetz aufgeführten Maßnahmen werden umgesetzt. Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag avisiert sind,
bisher aber nicht näher konkretisiert wurden (z.B. die Einführung eines Stufentarifs bei der Einkommensteuer),
wurden in der Prognose nicht berücksichtigt. Dies gilt
auch für Maßnahmen, die aufgrund der Schuldenbremse
notwendig werden könnten.
nehmen. Bei den OPEC-Staaten war trotz eines zu Jahresbeginn gestiegenen Ölpreises ein deutlicher Nachfrageeinbruch zu verzeichnen.
Im näheren Prognosezeitraum wird die Ausfuhr erneut deutlich zunehmen. Vor allem die sich stark aufhellenden ifo
Exporterwartungen deuten darauf hin, dass die Exporte
im aktuellen wie auch im nächsten Quartal steigen werden. Bemerkenswert sind hierbei die optimistischeren Erwartungen im Chemiesektor und in der Automobilbranche. Darüber hinaus weisen die Auftragseingänge aus dem
Ausland im Trend auf eine positive Entwicklung hin. Der im
Oktober zu beobachtende Rückgang der Aufträge kann dabei nicht als Zeichen für ein starkes Nachlassen der Dynamik angesehen werden. Vielmehr handelt es sich um eine
Gegenbewegung bei den Auftragseingängen für Investitionsgüter, die im September um über 8% gegenüber dem
Vormonat gestiegen waren und nun um 6% zurückgingen.
Die Indikatoren für den Außenhandel lassen darauf schließen, dass die Zuwachsraten im gegenwärtigen und im kommenden Quartal mit 3,5% bzw. 2% sehr kräftig ausfallen
werden.
Im weiteren Verlauf wird die Warenausfuhr hauptsächlich
von China und den Schwellenländern Südostasiens gestützt. Vor allem der Maschinenbau4 und die Automobilbranche5 erschließen sich die aufstrebenden Märkte in dieser Region. Damit kann die wenig dynamische und zum
Teil sogar rückläufige Nachfrage der westlichen Industriestaaten mehr als kompensiert werden. Der Exportanstieg
wird jedoch flacher ausfallen als im aktuellen Winterhalbjahr, da sich die Konjunktur weltweit abschwächen wird.
Insbesondere die trüben Perspektiven in den USA und
der Eurozone werden dämpfend wirken. Insgesamt wird
die reale Ausfuhr im Krisenjahr 2009 um 14,3% abnehmen
(vgl. Abb. 3.9). Im kommenden Jahr wird mit einem Anstieg der Exporte um 8,4% gerechnet und im darauffolgenden Jahr mit einem moderaten Zuwachs von 4,5%. Das
Exportvolumen dürfte sich damit am Ende des Jahres 2011
in etwa wieder auf dem Vorkrisenniveau befinden. Allerdings werden sich die Exportanteile dann weiter deutlich
verschoben haben. So ist zu erwarten, dass die Warenlieferungen nach China und Südostasien von rund 5,5% des
Gesamtausfuhrvolumens im Jahr 2000 über 8% im Jahr
2009 auf über 10% am Ende des Prognosezeitraums steigen werden, während die Bedeutung der USA als Exportmarkt von 10% im Jahr 2000 über 7% im Jahr 2009 auf
etwa 6% im Jahr 2011 abnimmt.
4
5
So schreibt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA)
in der Studie »Deutschland kauft Maschinen, China sorgt für frische Luft«
(2009)‚ dass Deutschland schon im Zeitraum von 2004 bis 2008 wegen
seines Warensortiments in diesen stark wachsenden Regionen enorm profitieren konnte.
Beispielsweise legte der der chinesische Pkw-Markt um 36% seit Jahresanfang zu, vgl. Verband der Automobilindustrie (2009) »Chinesischer Markt
wächst dynamisch – Westeuropa auf Stabilisierungskurs«.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
43
44
Daten und Prognosen
Tab. 3.2
Eckdaten der Prognose für die Bundesrepublik Deutschland
a)
a)
a)
2007
2008 2009
2010
2011
Veränderung in % gegenüber dem
b)
Vorjahr
– 0,3
0,4
0,3
0,2
0,7
Private Konsumausgaben
Konsumausgaben des
1,7
2,1
2,5
1,3
1,1
Staates
Bruttoanlageinvestitionen
5,0
3,1
– 8,4
0,9
0,5
Ausrüstungen
11,0
3,3 – 20,0
1,0
1,5
Bauten
0,0
2,6
–0,4
0,5
– 0,7
Sonstige Anlagen
6,5
5,3
6,3
4,0
4,2
Inländische Verwendung
1,0
1,7
– 1,6
0,9
0,8
Exporte
7,5
2,9 – 14,3
8,4
4,5
Importe
4,8
4,3
– 8,3
6,9
3,9
Bruttoinlandsprodukt
2,5
1,3
– 4,9
1,7
1,2
c),
Erwerbstätige (1 000
Personen)
39 724 40 279 40 267 39 982 39 983
Arbeitslose (1 000 Personen)
3 776 3 268
3 426
3 607
3 617
d)
Arbeitslosenquote (in %)
8,7
7,5
7,9
8,3
8,3
e)
Verbraucherpreise
(Veränderung in % gegen2,3
2,6
0,3
0,6
0,8
über dem Vorjahr)
Finanzierungssaldo des
f)
Staates
in Mrd. Euro
4,7
1,0 – 73,3 – 124,7 – 138,0
in % des nominalen
Bruttoinlandsprodukts
0,2
0,0
– 3,0
– 5,1
– 5,5
Nachrichtlich:
Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum
(Veränderung in %
gegenüber dem Vorjahr)
2,7
0,6
– 3,9
1,0
0,9
Verbraucherpreisindex im
g)
Euroraum
(Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr)
2,1
3,3
0,2
0,9
1,2
a)
b)
c)
Prognose des ifo Instituts. – Preisbereinigte Angaben. – Inlandskond)
zept. – Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnorte)
f)
konzept). – Verbraucherpreisindex (2000 = 100). – In der Abgrenzung
g)
der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 95). – Harmonisierter
Verbraucherpreisindex (2005 = 100).
Quelle: Eurostat; Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit;
Prognose des ifo Instituts.
Kasten
Jahresdurchschnittliches Wachstum und konjunktureller Verlauf
Die Prognose der jahresdurchschnittlichen Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) basiert auf einer detaillierten Prognose des unterjährigen konjunkturellen Verlaufs, d.h. auf einer Prognose der saison- und
kalenderbereinigten Quartalsraten. Die einzelnen Quartalsraten gehen dabei
mit unterschiedlichem Gewicht in die Jahresdurchschnittsrate ein. Im November hat das Statistische Bundesamt (Destatis) für das dritte Quartal 2009 eine
laufende Quartalsrate von + 0,7% veröffentlicht, dies entspricht exakt der im
Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute abgegebenen Prognose
für diesen Zeitraum. Für das vierte Quartal 2009 wird hier von einem konjunkturellen Anstieg des BIP in Höhe von 0,5% ausgegangen (Herbstgutachten: + 0,2%). Zusammen mit der geringfügigen Aufwärtskorrektur der
Quartalsrate für das zweite Vierteljahr 2009 um 0,1 Prozentpunkt durch
Destatis führt dies zu einer marginal weniger ungünstigen Prognose für die
jahresdurchschnittlichen BIP-Rate von – 4,9% (Herbstgutachten: – 5,0%). Im
Jahresverlauf 2009 hat die gesamtwirtschaftliche Produktion saison- und
kalenderbereinigt um 1,9% abgenommen (Jahresverlauf 2008: –1,8%).
Durch die Anhebung der konjunkturellen Rate für das vierte Quartal 2009 fällt
nunmehr der statistische Überhang für das Jahr 2010 um 0,2 Prozentpunkte
größer aus. Unter Einbeziehung noch anderer Korrekturen am unterjährigen
BIP-Verlauf fällt nunmehr die BIP-Zunahme 2010 im Jahresdurchschnitt 2010
mit 1,7% um 0,5 Prozentpunkte höher aus als im Herbstgutachten. Tabelle 3.3 fasst die wichtigsten statistischen Kenngrößen der hier vorgelegten
Prognose für das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland zusammen.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Die Importe erfuhren ebenfalls nach drastischen Rückgängen zu Jahresbeginn im vergangenen Quartal mit 5% ein deutliches Plus.
Dieser überaus starke Anstieg liegt vor allem
an den starken Zuwächsen im Energiesektor (11%) und bei den Vorleistungsgütern
(8%). Vor allem im Chemie- und Metallbereich stiegen die Einfuhren an. Hierbei spielte die Aufstockung der Lagerbestände, die
zuvor erheblich reduziert worden waren, eine wichtige Rolle.
Für das gegenwärtige Quartal wird mit einer
ähnlich dynamischen Entwicklung gerechnet, da sich die Wareneinfuhr in der Abgrenzung des Spezialhandels aufgrund eines sehr
starken Zuwachses im September auf einem
wesentlich höheren Niveau befindet als im
Mittel des dritten Quartals. Insgesamt wird
für das Jahr 2009 noch ein Rückgang der
Importe von 8,3% erwartet. Für den weiteren Prognosezeitraum werden sich die stark
zunehmenden Exporte und die immer noch
sehr niedrigen Importpreise positiv auf die
Einfuhr auswirken. Dagegen sind vom privaten Konsum und von den Ausrüstungsinvestitionen keine stimulierenden Impulse zu erwarten. Insgesamt wird im Jahr 2010 durchschnittlich 6,9% mehr importiert als im Vorjahr (vgl. Abb. 3.10). Im Jahr 2011 wird die
Einfuhr um 3,9% zunehmen, da erwartet
wird, dass sowohl die Exporte als auch die
inländische Verwendung geringfügig steigen.
Der Außenbeitrag liefert damit im kommenden und darauffolgenden Jahr einen positiven Wachstumsbeitrag (vgl. Tab. 3.4.).
Die Einfuhrpreise sind im Vergleich zum Vorjahr drastisch gesunken. Ausschlaggebend
hierfür war der vor allem zu Jahresbeginn
zu beobachtende Preisverfall von Nahrungsmitteln, Rohstoffen, Halbwaren und Vorerzeugnissen, die in den letzten zwölf Monaten teilweise über 20% ihres Wertes verloren haben. Als Rahmenbedingungen für die
Prognose wird ein konstanter Wechselkurs
von 1,47 Dollar pro Euro sowie ein konstanter Ölpreis von 72 US Dollar je Barrel unterstellt. Im Prognosezeitraum dürften sich die
Importpreise aufgrund einer immer noch
deutlich geschwächten Weltkonjunktur kaum
erholen, obwohl die Rohstoffpreise seit Frühjahr dieses Jahres deutlich angezogen haben. Für das Jahr 2009 wird somit ein Rückgang der Importpreise von 5,6% erwartet.
Für das kommende Jahr werden die Einfuhr-
Daten und Prognosen
Tab. 3.3
Zur Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts
a)
a)
a)
a)
2007
2008
2009
2010
2011
b)
Statistischer Überhang
1,6
0,6
– 2,1
0,8
0,4
c)
Jahresverlaufsrate
1,6
– 1,8
– 1,9
1,1
1,5
Jahresdurchschnittliche
Veränderung,
kalenderbereinigt
2,6
1,0
– 4,8
1,6
1,3
d)
Kalendereffekt
– 0,1
0,3
– 0,1
0,1
– 0,1
Jahresdurchschnittliche
Veränderung
2,5
1,3
– 4,9
1,7
1,2
a)
b)
Schätzungen des ifo Instituts. – Saison- und kalenderbereinigtes reales Bruttoinlandsprodukts im 4. Quartal des Vorjahres in Relation zum
saison- und kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt des Vorjahres. –
c)
Jahresveränderungsrate im 4. Quartal, saison- und kalenderbereinigt. –
d)
In Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts.
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo
Instituts.
preise bei der hier unterstellten Konstanz der Rohstoffpreise und des Eurokurses sowie der sich langsam erholenden
Weltnachfrage wieder leicht ansteigen. Insgesamt werden
die Importpreise im Jahr 2010 um 0,2% steigen.
Auch die Ausfuhrpreise sind im Verlauf dieses Jahres deutlich gesunken. Der Preisrückgang war jedoch nicht so deutlich wie bei den Importpreisen, da trotz schlechterer Exportaussichten die Produzenten für Fertigwaren, welche fast
90% des deutschen Exportsortiments ausmachen, ihre Preise nicht so deutlich senkten wie es die Exporteure für Rohstoffe, Halbwaren und Nahrungsmittel tun mussten, um ihre Erzeugnisse auf den Weltmärkten absetzen zu können.
Abb. 3.7
Da die Weltnachfrage im nächsten Jahr im
Vergleich zu den Jahren 2007 und 2008 noch
sehr moderat sein dürfte, wird es keinen
Spielraum für Preiserhöhungen geben. Für
2009 wird mit einem Rückgang der Exportpreise um 3,0% gerechnet und für das kommende Jahr wird erwartet, dass die Ausfuhrpreise im Durchschnitt nahezu stagnieren.
Die Terms of Trade werden sich im Jahr 2009
deutlich verbessern und im Jahr 2010 geringfügig verschlechtern.
Ausrüstungsinvestitionen im
Zwischenhoch
Die Ausrüstungsinvestitionen sind im Sommer mit einer Rate von 0,8% gegenüber dem
Vorquartal gestiegen, nachdem sie zuvor drei Quartale in
Folge um insgesamt knapp 22% geschrumpft waren. Trotz
des Anstiegs im dritten Quartal bleiben sie damit unter dem
Niveau vom Herbst 2005. Im letzten Quartal 2009 dürften
die Unternehmen ihre Investitionsausgaben erneut etwas erhöht haben. Investitionen, die aufgrund des starken Produktionseinbruchs im ersten Halbjahr zurückgestellt wurden,
sind nach der Erholung der wirtschaftlichen Situation nun
in Angriff genommen worden. Dabei dürfte es sich vor allem um notwendig gewordene Ersatzinvestitionen gehandelt haben. Im Jahresdurchschnitt resultiert 2009 aber dennoch ein historisches Minus von rund 20%.
Die Belebung seit Jahresmitte 2009 dürfte ein Zwischenhoch bleiben. Der weitere Ausblick ist für die Ausrüstungsinvestitionen trübe. Die Auslastung der Gerätekapazitäten
ist weiterhin unterdurchschnittlich. Die im ifo Konjunkturtest
befragten Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes
schätzen ihre vorhandenen technischen Kapazitäten in Anbetracht der von ihnen erwarteten Nachfrage vorwiegend
als zu groß ein, so dass die Erweiterung der Kapazitäten
als Investitionsmotiv im kommenden Jahr keine wesentliche
Rolle spielt. Stattdessen werden Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen im Fokus der Unternehmen stehen. Auf
eine schwache Nachfrage nach Investitionsgütern weisen
ebenfalls die ifo Konjunkturtestergebnisse für die Leasingbranche hin, die sich als zuverlässiger Indikator für die Investitionsneigung bewährt haben.
Auch die Finanzierungssituation lassen ein verhaltenes Jahr
2010 erwarten. Die Ertragslage der Unternehmen hat in der
Rezession stark gelitten. Die Kreditvergabepolitik der Banken ist nach Auskunft der Unternehmen weiterhin restriktiv.
Die vom ifo Institut veröffentlichte Kredithürde verharrt seit
Jahresbeginn 2009 auf einem hohen Niveau. Die schlechte
Eigenkapitalsituation der Banken dürfte im kommenden Jahr
zunächst weiter ungünstig bleiben. In den kommenden Monaten werden die Unternehmensinsolvenzen weiter zuneh62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
45
46
Daten und Prognosen
Abb. 3.8
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Daten und Prognosen
Abb. 3.9
Abb. 3.11
men, so dass die Banken vermehrt Kreditausfälle verkraften
müssen. Daher wird der Kreditzugang für Unternehmen ungünstig bleiben, zumal viele Unternehmen in der Rezession
einen Teil ihres Eigenkapitals aufgezehrt haben und daher
aus Sicht der Banken die Kreditrisiken gestiegen sind.
Abb. 3.10
In der zweiten Jahreshälfte 2010 werden Vorzieheffekte wegen des Auslaufens der temporär wirkenden degressiven
Abschreibung die Investitionstätigkeit beleben. Da aber Investitionsprojekte vorgezogen werden, fehlen diese wieder
in der ersten Jahreshälfte 2011. Insgesamt werden aber
die Investitionstendenzen Ende 2010 und im Jahr 2011 leicht
aufwärtsgerichtet sein. Bei rückläufigen Lohnstückkosten
und anziehender Nachfrage sollten die Gewinnerwartungen der Unternehmen positiver werden. Im Jahresdurchschnitt dürften daher die Ausrüstungsinvestitionen in 2010
um etwa 1% zunehmen (vgl. Abb. 3.11). In 2011 ist damit
zu rechnen, dass sie nochmals um rund
1,5% steigen.
Tab. 3.4
Wachstumsbeiträge zur Veränderung des Bruttoinlandsprodukts
(in Prozentpunkten)
2008
0,6
2009
0,6
a)
2010
0,3
a)
2011
0,6
a)
Konsumausgaben
Private
Konsumausgaben
0,2
0,2
0,1
0,4
Konsumausgaben des
0,4
0,5
0,3
0,2
Staates
Bruttoanlageinvestitionen
0,6
– 1,6
0,2
0,1
Ausrüstungen
0,3
– 1,6
0,1
0,1
Bauten
0,2
0,0
0,1
– 0,1
Sonstige Anlagen
0,1
0,1
0,0
0,0
Vorratsveränderungen
0,4
– 0,6
0,4
0,1
Inländische Verwendung
1,6
– 1,5
0,9
0,8
Außenbeitrag
– 0,3
– 3,3
0,9
0,4
Exporte
1,4
– 6,7
3,4
1,9
Importe
– 1,7
3,4
– 2,5
– 1,5
b)
Bruttoinlandsprodukt
1,3
– 4,9
1,7
1,2
a)
b)
Schätzungen des ifo Instituts. – Veränderung in % gegenüber dem
Vorjahr. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo
Instituts.
Wohnungsbau stützt
Bauinvestitionen
In den ersten drei Quartalen dieses Jahres
ist die Baunachfrage jeweils leicht gestiegen.
Im letzten Vierteljahr 2009 dürfte sich die positive Tendenz bei den Bauinvestitionen jedoch nicht fortsetzen. Die Auftragsbestände
im Wirtschaftsbau sind mittlerweile so stark
geschrumpft, dass es in diesem Bereich zu
einer Bremsung kommen dürfte, die auf die
Baunachfrage insgesamt durchschlägt. Aufgrund der Vorgaben des Vorjahres – die in
einen deutlichen technischen Unterhang
münden – wird bei den Bauinvestitionen trotz
des insgesamt positiven Jahresverlaufs im
Jahresdurchschnitt 2009 eine Abnahme um
etwa 0,4% resultieren.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
47
48
Daten und Prognosen
Abb. 3.12
richtet sein. Die Auftragseingänge haben sich zuletzt günstiger entwickelt. Die ifo Architektenumfrage deutet jedoch
auf eine sehr verhaltene Belebung hin. Im weiteren Verlauf
wirken die niedrigen Hypothekenzinsen stützend. Weiterhin regen die Modernisierung des Wohnungsbestandes und
die energetische Sanierung die Nachfrage an. In 2010 wird
der Wohnungsbau daher um etwa 1,3% steigen, gefolgt von
reichlich 1% in 2011.
Im Verlauf des kommenden Jahres werden die Bauinvestitionen wohl leicht sinken. Dabei werden sich die Expansion
im Wohnungsbau und im öffentlichen Bau, der durch die
Konjunkturpakete getragen wird, und die Schrumpfung im
Wirtschaftsbau fast die Waage halten. Insgesamt ergibt sich
aufgrund des statistischen Überhangs im Jahresdurchschnitt
dennoch ein Plus von 0,5% (vgl. Abb. 3.12). Im Jahr 2011
wird die öffentliche Hand mit dem Auslaufen der Konjunkturpakete die Bautätigkeit wieder deutlich zurückfahren. Da
auch der Wirtschaftbau noch weiter bremsen dürfte, stützt
dann allein der Wohnungsbau die Baunachfrage. Insgesamt
werden die Bauinvestitionen durchschnittlich um etwa 0,7%
sinken (vgl. Tab. 3.5).
Die Wohnungsbauinvestitionen haben sich im bisherigen
Jahresverlauf schwankend entwickelt. Das erste Vierteljahr
begann mit einem Plus bei der Wohnbaunachfrage. Im Frühjahr ist sie gegenüber dem Vorquartal leicht gesunken, während sie sich im dritten Quartal wieder ausweitete. Nach den
Daten zum Auftragseingang dürfte diese positive Tendenz
auch im letzten Quartal des Jahres anhalten. Im Jahresdurchschnitt werden die Wohnungsbauinvestitionen 2009
dennoch um etwa 0,4% sinken. Im nächsten Jahr dürfte
die Wohnungsbaunachfrage weiterhin leicht aufwärts ge-
Tab. 3.5
Reale Bruttoanlageinvestitionen
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
Bauten
Wohnbauten
Nichtwohnbauten
Gewerblicher Bau
Öffentlicher Bau
Ausrüstungen
Sonstige Anlagen
Bruttoanlageinvestitionen
2008
2,6
0,5
5,5
5,3
5,8
3,3
5,3
3,1
2009
– 0,4
– 0,4
– 0,4
– 2,8
5,5
– 20,0
6,3
– 8,4
2010
0,5
1,3
– 0,5
– 5,4
11,0
1,0
4,0
0,9
Im Wirtschaftsbau war die Entwicklung nach den vorliegenden Daten im bisherigen Jahresverlauf trotz des zurückliegenden gesamtwirtschaftlichen Produktionseinbruchs
positiv. Die Auftragseingänge liegen derzeit aber deutlich unter den Vorjahreswerten und der Auftragsbestand ist stark
abgeschmolzen. Sein Wert lag im dritten Quartal im gewerblichen Hochbau um mehr als 20% unter dem Vorjahreswert. In die gleiche Richtung weisen die Baugenehmigungen. Im Schlussquartal 2009 wird der Gewerbebau daher
einen kräftigen Dämpfer bekommen; im Jahresdurchschnitt
ist mit einem Minus von 2,8% zu rechnen. Im Verlauf des
kommenden Jahres dürften die Wirtschaftbauinvestitionen
weiter sinken, wenn auch mit abnehmendem Tempo. Im
Jahresdurchschnitt wird eine Abnahme um 5,4% erwartet.
Die Schrumpfung wird sich auch in das Jahr 2011 hinein
fortsetzen; im Jahresvergleich dürfte sich ein Minus von etwa 1% ergeben.
Der Staat hat seine Bauinvestitionen seit dem Frühjahr kräftig ausgeweitet. Auch im Herbst zeigten die Maßnahmen
aus den Konjunkturpaketen ihre Wirkung. Im Jahr 2009 steigen die öffentlichen Bauinvestitionen daher um etwa 5,5%.
Im kommenden Jahr dürften die öffentlichen Bauinvestitionen nochmals weiter an Fahrt gewinnen. Die Auftragseingänge im Straßenbau haben in den vergangenen Monaten
erheblich zugenommen und auch der öffentliche Hochbau
wird zulegen. Allerdings werden die rezessionsbedingten
Steuerausfälle insbesondere bei den Kommunen den Investitionsspielraum einengen. Im Jahr 2011 wird es bei den öffentlichen Bauinvestitionen zu einem kräftigen Rückschlag
kommen. Die Finanzlage der öffentlichen Hand bleibt ungünstig und die Konjunkturpakete laufen aus. Nach einer
starken Expansion von jahresdurchschnittlich etwa 11% in 2010 werden die öffentlichen Bauinvestitionen in 2010 um ca. 7%
abnehmen.
2011
– 0,7
1,1
– 3,0
– 1,0
– 7,0
1,5
4,2
0,5
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo
Instituts.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Privater Konsum weiter fiskalisch
gestützt
Der private Konsum hat im ersten Halbjahr
2009 saison- und kalenderbereinigt deutlich
zugelegt. Maßgeblich hierfür war, dass die
realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte trotz der schweren Wirtschaftskrise merklich gestiegen sind. Zwar
Daten und Prognosen
Tab. 3.6
a)
Quartalsdaten zur wirtschaftlichen Entwicklung
Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal
2007
I
II
2008
III
IV
I
II
Private
Konsumausgaben
–2,3
0,7
0,4 –0,3
0,4
–0,6
Öffentlicher Konsum
1,3 –0,5
0,2
0,4
1,0
0,7
Ausrüstungen
3,9
2,5
1,0
3,9
–0,6
–0,8
Bauten
–1,3 –4,5
0,6
0,8
5,9
–4,3
Sonstige Anlagen
–0,7
5,0
1,6
2,7
–2,5
2,8
c)
Vorratsinvestitionen
2,4 –0,9
0,4 –1,0
1,2
–0,5
Inländische
Verwendung
1,6 –0,8
1,0 –0,7
2,3
–1,3
c)
Außenbeitrag
–1,1
1,1
0,0
0,8
–0,5
0,7
Exporte
–2,0
2,0
1,8
1,6
1,7
0,2
Importe
0,6 –0,4
2,3
0,0
3,3
–1,5
Bruttoinlandsprodukt
0,3
0,3
0,8
0,1
1,6
–0,6
a)
Saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte, in Vorjahrespreisen. –
landsprodukts in Prozentpunkten (Lundberg-Komponenten).
2009
III
IV
I
II
III
0,3
0,1
1,5
–0,4
2,4
0,8
–0,4
0,6
–3,7
–1,0
2,0
0,2
0,9
1,2
–18,5
0,3
–0,3
–0,3
0,6
0,6
–0,5
1,3
2,3
–2,0
–0,9
0,1
0,8
1,5
2,6
1,5
1,2
–0,4
–1,4
–2,1
–0,1
–7,9
3,4
–4,2
–0,3
–2,4
b)
Schätzungen
–1,2
–2,5
–10,5
–5,6
–3,5
des ifo
b)
IV
–0,5
0,4
0,8
–0,2
0,3
0,4
–1,4
1,3
0,2
1,9 –0,5
0,3
–0,8
3,4
3,5
–5,4
5,0
3,0
0,4
0,7
0,5
c)
Instituts. – Beitrag zur
b)
I
0,5
0,3
–0,5
–0,5
0,4
0,0
b)
II
2010
b)
III
0,2
0,3
–0,7
–0,2
0,7
0,0
0,2
0,3
0,8
0,0
1,2
–0,2
b)
IV
0,2
0,3
1,6
0,1
1,2
–0,1
0,2
0,0
0,1
0,2
0,2
0,2
0,1
0,1
2,0
1,5
1,0
0,8
1,8
1,3
0,8
0,6
0,4
0,2
0,2
0,3
Veränderung des Bruttoin-
Quelle: Statistisches Bundesamt; ab 4. Quartal 2009: Schätzungen des ifo Instituts.
sind die Arbeitslöhne im Gefolge der starken Zunahme an
Kurzarbeit deutlich gesunken; der Lohnausfall wurde aber
durch Kurzarbeitergeld und tarifvertraglich vereinbarte Zuzahlungen der Arbeitgeber teilweise ausgeglichen. Zudem
wurden die Belastung mit Steuern und Sozialabgaben zurückgeführt und Transferzahlungen erhöht. Schließlich wurden die Verbraucherbudgets durch sinkende Energie- und
Nahrungsmittelpreise entlastet. Last but not least wurde
die Pkw-Nachfrage im ersten Halbjahr überaus kräftig durch
die Gewährung einer Abwrackprämie in Höhe von 2 500 Euro
für die Verschrottung eines mindestens neun Jahre alten Autos stimuliert.
Nach der Jahresmitte haben die Impulse aus der Abwrackprämie auf die privaten Fahrzeugkäufe aber deutlich nachgelassen; der reale private Konsum ist gegenüber dem zweiten Quartal saison- und kalenderbereinigt um 0,9% gesunken (vgl. Tab. 3.6). Gleichwohl waren die realen Ausgaben
für Verkehr und Nachrichtenübermittlung – dieser Warengruppe werden die Pkw-Käufe zugerechnet – um 5,0% höher als vor Jahresfrist. Rückläufig waren zuletzt die Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände, Nahrungsmittel
und für Bekleidung und Schuhe (vgl. Abb. 3.13).
Die Entwicklung der Masseneinkommen hätte im dritten
Vierteljahr durchaus Spielraum für eine weitere leichte
Ausweitung des Konsums gegeben, denn sie stiegen real
um 1/2%. Expansiv wirkte, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von 15,5% auf 14,9%
zurückgenommen wurde, was die Nettolöhne stützte. Zugleich sind die Altersrenten, der expansiven durchschnittlichen Bruttolohnentwicklung 2008 folgend, spürbar erhöht worden (um 2,41% im Westen, um 3,38% im Osten). Mit den Renten wurden auch die Regelsätze bei
Hartz IV, der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie bei Sozialhilfeleistungen angehoben.
Stark zurückgegangen sind hingegen nach der Jahresmitte die realen Betriebsüberschüsse sowie die realen
Selbständigen- und Vermögenseinkommen. Zudem ist
die zuvor gesunkene Sparquote wieder leicht gestiegen.
Den Frühindikatoren zufolge dürften die realen Konsumausgaben auch im Jahresendquartal gesunken sein. Im
Jahresdurchschnitt 2009 zeichnet sich damit für den realen Konsum dennoch ein leichter Zuwachs um 0,3% ab
(vgl. Abb. 3.14).
Im Jahr 2010 dürften die realen Konsumausgaben leicht
steigen. Zwar fallen die Tarifabschlüsse niedriger als bisher aus, zudem dürfte die Beschäftigung nunmehr an das
niedrige Produktionsniveau angepasst werden. Gleichzeitig nehmen aber die geleisteten Arbeitsstunden je Beschäftigten wieder zu. In der Summe werden die Bruttolöhne
und -gehälter nahezu stagnieren. Netto ergibt sich aber
eine spürbare Zunahme (1,3%), weil die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Regel steuerlich voll
abgesetzt werden können. Zudem wird der Grundfreibetrag angehoben und andere Parameter der Einkommensteuerfunktion angepasst. Schließlich wird im Rahmen des
»Wachstumsbeschleunigungsgesetzes« der Kinderfreibetrag, mit dem das Existenzminimum eines Kindes steuerlich freigestellt wird, von 6 024 Euro für jedes Kind auf
7 008 Euro erhöht. Die Sozialleistungen werden mit 2,9%
nochmals kräftig steigen. Maßgeblich hierfür ist, dass das
Kindergeld zu Jahresanfang angehoben wird. Für das erste und zweite Kind wird das Kindergeld von 164 auf
184 Euro erhöht, für das dritte Kind von 170 auf 190 Euro
und für jedes weitere von 195 auf 215 Euro. Zudem wirkt
die diesjährige hohe Rentenanpassung im ersten Halbjahr
2010 in der Wachstumsrate nach; außerdem unterbleibt
aufgrund der neuen Rentengarantie eine Kürzung der Altersrenten, die nach der bisherigen Rentenformel notwendig geworden wäre. Die entnommenen Gewinne und Ver62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
49
50
Daten und Prognosen
Abb. 3.13
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Daten und Prognosen
Abb. 3.14
mögenseinkommen dürften dagegen deutlich sinken. Insgesamt werden die verfügbaren Einkommen nominal um
0,9% steigen, real um 0,5%. Die Sparquote dürfte steigen; dies nicht zuletzt deshalb, weil die Abwrackprämie
zu einem Vorziehen von Pkw-Käufen ins Jahr 2009 geführt hat. Diese Nachfrage fehlt im kommenden Jahr. Insgesamt wird der reale private Konsum im Jahr 2010 mit
0,2% kaum steigen. Im Jahr 2011 dürfte er bei nicht mehr
rückläufiger Beschäftigung und leicht sinkender Sparquote um 0,7% zulegen.
Verbraucherpreise steigen weiter langsam
Das Verbraucherpreisniveau ist in diesem Jahr saisonbereinigt nur wenig gestiegen. Im Vorjahresvergleich ist die
Inflationsrate unter Schwankungen bis Herbst gesunken,
teilweise gab es sogar Minusraten wie zuletzt im Frühjahr
1987. Erst im November wurde mit 0,4% wieder eine positive Inflationsrate registriert. Im Durchschnitt des Jahres
2009 wird sich der Anstieg der Verbraucherpreise auf 0,3%
belaufen.
Zum günstigen Preisklima hat die Entwicklung der Heizölund Kraftstoffpreise beigetragen. Diese waren bis Jahresmitte 2008 sehr kräftig gestiegen, danach aber, im Gefolge
des krisenbedingten Umschwungs auf den Rohölmärkten,
noch kräftiger gesunken. Obwohl die Preise für Mineralölprodukte seit dem Frühjahr aufgrund der konjunkturellen Erholung wieder angezogen haben, unterschritten sie bis Oktober den Vorjahrestand sogar mit zweistelligen Raten. Erst
im November kehrte sich diese Entwicklung um; die Kraftstoffpreise lagen zuletzt im Schnitt um 5,6% über denen des
Vorjahres (Oktober: – 6,1%). Die an die Ölpreisentwicklung
mit deutlicher Verzögerung gekoppelten Gastarife wurden
im laufenden Jahr dagegen bis zuletzt gesenkt. Außerdem
haben sich im Vorjahresvergleich saisonabhängige Nahrungsmittel verbilligt.
Aber auch die Kerninflationsrate, aus der in Abgrenzung des
ifo Instituts der Einfluss der Preisentwicklung von Energieträgern, saisonabhängigen Nahrungsmitteln sowie von Gütern mit administrierten Preisen herausgerechnet wird6, ist
2009 gesunken. Sie betrug im November lediglich 0,9%,
ähnlich niedrige Werte wurden zuletzt im Sommer 2006 registriert. Hier machte sich die Verbilligung von Grundnahrungsmitteln (ohne saisonale Erzeugnisse) bemerkbar
(–1,2%). Außerdem hat sich der Preisauftrieb bei den übrigen Waren und Diensten, auf die knapp zwei Drittel aller Verbrauchsausgaben entfallen, zuletzt ebenfalls merklich verringert. Im November belief sich hier die Inflationsrate auf
1,1%, das ist noch etwas niedriger als im Jahresdurchschnitt
2008 (vgl. Tab. 3.7).
Im Prognosezeitraum wird die Verteuerung der Lebenshaltung alles in allem moderat bleiben, die Phase niedriger Inflationsraten geht weiter. Zwar erhöht die Deutsche Bahn
AG im Dezember 2009 die Preise für Fahrten im Nah- und
Fernverkehr um durchschnittlich 1,8%. Zudem wollen viele
Stromanbieter zum Jahreswechsel die Preise anheben aufgrund gestiegener Beschaffungskosten bzw. erhöhter Kosten im Rahmen des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG).
Den zwischenzeitlich wieder gestiegenen Ölpreisen folgend
werden auch die Gastarife vielenorts teurer. Anders als im
laufenden Jahr gibt es schließlich keine im Vorjahresvergleich
dämpfenden Basiseffekte mehr (vgl. Abb. 3.15). Insgesamt
dürfte aber angesichts der weiterhin sehr niedrigen Auslastung der Produktionskapazitäten und der insgesamt schwachen Wirtschaftsentwicklung der Druck auf die Verbraucherpreise zunächst kaum nachlassen. Für das Jahr 2010 ist mit
einem Anstieg des Verbraucherpreisindex in Höhe von 0,6%
zu rechnen, für das Jahr 2011 kann die jahresdurchschnittliche Inflationsrate auf 0,8% veranschlagt werden.
Löhne weiter unter Druck
Nach vergleichsweise hohen Tarifabschlüssen im letzten Jahr
sind bis zum dritten Quartal 2009 in Anbetracht der Wirtschaftskrise wieder geringere Abschlussraten vereinbart worden. Außerdem wurden im Vergleich zum Vorjahr deutlich
weniger Einmalzahlungen geleistet. Dennoch lagen die tariflichen Stundenlöhne im dritten Quartal etwa 2,1% über
dem Niveau des Vorjahres, nachdem sie in der ersten Jahreshälfte noch etwa 3% höher ausgefallen waren als im Vorjahr. Dabei ermöglichen es Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen, dass Arbeitgeber in Krisenzeiten Leistungen einschränken oder vereinbarte Erhöhungen verschieben. Bemerkenswert ist, dass die effektiven Stundenverdienste im
6
Die Preise von Energieträgern und von saisonabhängigen Lebensmitteln
sind überdurchschnittlich volatil und können die Ergebnisse der Preisstatistik auf kurze Sicht verzerren. Aufgrund der in Deutschland besonders
großen Bedeutung von Gütern mit administrierten Preisen schließt das ifo
Institut bei der Berechnung der Kerninflationsrate diese Gütergruppe zusätzlich aus.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
51
52
Daten und Prognosen
Tab. 3.7
a)
Entwicklung des Verbraucherpreisindex
b)
Wägungsschema
in Promille
718,08
2006
2007
2008
2009 Nov.
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
0,8
2,0
1,9
0,9
Kerninflation
davon:
Nahrungsmittel ohne Saisonwaren
73,08
0,8
3,5
7,3
– 1,2
darunter:
Brot, Getreideerzeugnisse
16,44
0,6
3,2
7,9
– 0,7
Molkereiprodukte, Eier
14,44
0,0
5,9
14,0
– 4,4
Speisefette und -öle
2,55
0,8
10,5
7,5
2,2
Andere Waren und Dienste
645,00
0,8
1,8
1,3
1,1
Übrige Lebenshaltung
281,92
3,6
3,1
4,4
– 0,8
davon:
Saisonabhängige Nahrungsmittel
16,91
6,8
5,8
3,1
– 6,8
Heizöl, Kraftstoffe und Gas
57,43
9,1
2,9
11,2
– 4,8
Heizöl
9,21
10,9
– 1,5
31,6
– 14,9
Kraftstoffe
35,37
5,5
4,1
6,8
5,6
Gas
12,85
17,6
2,7
8,9
– 18,7
Güter mit administrierten Preisen
207,58
1,9
3,0
2,5
0,8
darunter:
Strom
24,61
3,9
6,9
6,9
5,8
Umlagen für Fernwärme u. Ä.
12,36
15,2
3,3
8,1
– 8,6
Telefondienstleistungen
27,12
– 3,1
– 0,3
– 3,2
– 1,9
Gesundheitspflege
40,27
0,5
0,8
1,7
0,9
Beiträge zur Krankenversicherung
9,39
2,2
2,1
5,2
1,8
Kraftfahrzeugsteuer
6,50
1,1
3,6
– 1,1
0,0
Lebenshaltung insgesamt
1 000,00
1,6
2,3
2,6
0,4
c)
davon:
Kerninflation
–
0,5
1,4
1,4
0,6
Nahrungsmittel ohne Saisonwaren
–
0,1
0,3
0,5
– 0,1
Andere Waren und Dienste
–
0,5
1,2
0,8
0,7
Übrige Lebenshaltung
–
1,0
0,9
1,3
– 0,2
Saisonabhängige Nahrungsmittel
–
0,1
0,1
0,1
– 0,1
Heizöl, Kraftstoffe und Gas
–
0,5
0,2
0,7
– 0,3
Güter mit administrierten Preisen
–
0,4
0,6
0,5
0,2
a)
b)
c)
Verbraucherpreisindex, 2005 = 100. – In der Abgrenzung des ifo Instituts. – Inflationsbeiträge der Teilindizes zur Veränderung des Verbraucherpreisindex in Prozentpunkten. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.
zahlungen eingeschränkt wurden. Zum anderen dürften tariflich vereinbarte Zuzahlungen der Arbeitgeber zum Kurzarbeitergeld dazu geführt haben, dass die Lohnzahlungen
nicht proportional zur Zahl der geleisteten Stunden gesunken sind. Insgesamt hat sich die Lohndrift
damit spürbar erhöht. Da nach dem enorKasten
men Produktionsrückgang der ersten JahVerbraucherpreisniveau und Inflationsrate
reshälfte immer noch erhebliche ÜberkapaDie Veränderung des Verbraucherpreisniveaus wird üblicherweise mit Hilfe
zitäten bei den Unternehmen bestehen, lieder Inflationsrate gemessen. Hierbei wird das Preisniveau in einem Monat t
gen die Lohnstückkosten im dritten Quartal
zum Preisniveau des vergleichbaren Vorjahresmonats t – 12 in Beziehung
um reichlich 5% über Vorjahresniveau, nach
gesetzt. Die Entwicklung der Inflationsrate wird deshalb nicht nur von der
aktuellen Preisdynamik im laufenden Jahr beeinflusst, sondern immer auch
8,2% im ersten Halbjahr. Im Produzierenden
von den Preisbewegungen im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die AbbilGewerbe (ohne Bau) sind die Lohnstückkosdung 3.15 zeigt diesen Sachverhalt exemplarisch auf. Die Inflationsrate ergibt
ten sogar 13,3% höher als im Vorjahr, was
sich approximativ aus dem Vorjahresabstand der logarithmierten Verbraua)
cherpreisniveaus , wobei zur erhöhten Anschaulichkeit die Preisniveaus
den erheblichen Kostendruck verdeutlicht,
vorab saisonbereinigt wurden. Der Vorjahresvergleich wird hierdurch nicht bedem sich die dort tätigen Unternehmen auseinflusst. Die Abbildung zeigt, dass die seit Herbst 2008 zu verzeichnende
gesetzt sehen.
Disinflationsphase nicht nur auf dem recht geringen Anstieg des jeweils aktu-
dritten Quartal sogar 3,7% über dem Vorjahr lagen, nach
4,8% im ersten Halbjahr. Dies lag zum einen daran, dass zunächst in erheblichem Umfang Arbeitszeitkonten abgebaut
wurden und somit kürzer gearbeitet wurde, ohne dass Lohn-
ellen Verbraucherpreisniveaus beruht, sondern auch auf Basiseffekten, die
aus der Preisentwicklung aus dem jeweiligen Vorjahresmonat herrühren.
a)
Es gilt der Zusammenhang: Inflationsrate Pt/Pt-12*100-100 (ln (pt) –ln (pt-12))*100.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Für dieses Jahr ist eine Tariflohnsteigerung
um 2,3% zu veranschlagen, da Arbeitgeber
Daten und Prognosen
Abb. 3.15
weiterhin Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen nutzen, um
Kostensteigerungen abzufedern. Da die meisten Arbeitszeitkonten ausgeschöpft sein dürften und außerdem mit einem weiteren Rückgang der Kurzarbeit zu rechnen ist, wird
die Lohndrift im Verlauf des vierten Quartals etwa bei null
liegen, so dass im Jahresdurchschnitt ein Anstieg der effektiven Stundenlöhne von etwa 3,7% resultiert. Da kaum
Preissteigerungen stattfinden, erhöhen sich die realen Lohnkosten je Stunde um 2,6%, und die Lohnstückkosten liegen
auf Stundenbasis um 5,6% über dem Vorjahreswert.
Im kommenden Jahr lassen die bereits vorliegenden Tarifabschlüsse einen weiteren Rückgang der Lohnsteigerungs-
raten erwarten. Die Beschäftigten im Baugewerbe erhalten 2,3% mehr Lohn und im öffentlichen Dienst der Länder erfolgt eine Stufenerhöhung um 1,2%. Auch dürfte
die Abschlussrate im öffentlichen Dienst des Bundes und
der Gemeinden aufgrund der Haushaltslage der öffentlichen Finanzen moderat ausfallen. Insgesamt ergibt sich
für die tariflichen Stundenlöhne im Jahr 2010 eine Zunahme um 1,7%. Bei anhaltender Unterauslastung der Kapazitäten ist mit einem fortgesetzten Abbau übertariflicher
Leistungen zu rechnen. Zudem geht der Umfang der Zuzahlungen der Arbeitgeber zum Kurzarbeitergeld weiter zurück, und es kommt zu einer Anpassung der bezahlten an
die geleistete Arbeitszeit, da Arbeitszeitkonten ausgeschöpft sind. Zwar können prinzipiell auch Arbeitszeitschulden aufgebaut werden. Es ist aber fraglich, ob viele Arbeitgeber dieses Instrument nutzen und damit Lohnzahlungen
im Voraus leisten. Insgesamt kommt es zu einer negativen Lohndrift und die effektiven Stundenlöhne steigen moderat um 0,5%. Die realen Lohnkosten je Stunde dürften
nahezu stagnieren. Die Lohnstückkosten auf Stundenbasis gerechnet werden deutlich sinken (– 2,0%), weil die
Stundenproduktivität nach dem diesjährigen Einbruch wieder deutlich steigt.
Die durchschnittliche Arbeitszeit der Beschäftigten, die nicht
von Kurzarbeit betroffen sind, dürfte im Verlauf des kommenden Jahres weiter leicht zurückgehen. Dabei folgt die
durchschnittliche Arbeitszeit ihrem langfristig rückläufigen
Trend, weil keine Überstunden angesammelt werden dürften und die Quote der Teilzeitbeschäftigten weiter zunimmt.
Tab. 3.8
Einfluss der Kurzarbeit auf die Entwicklung der Löhne
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
Geleistet Std.(Arbeitnehmer)
durchschnittliche Arbeitszeit
Arbeitnehmer (Vollzeit)
gesamt
ohne KA
KA
gesamt
ohne KA
KA
gesamt
ohne KA
KA
2007
1,9
1,9
–9
0,2
0,2
– 11,0
1,7
1,8
– 10,3
2008
1,5
1,4
90
– 0,1
– 0,1
27,7
1,6
1,5
91,2
2009
– 3,9
– 5,8
1 227
– 3,9
– 3,0
18,1
0,0
– 2,0
1 285,2
2010
– 0,3
– 1,5
– 83
0,5
– 0,3
– 12,6
– 0,9
0,9
– 82,8
2011
0,0
0,3
– 76
0,0
– 0,2
– 23,4
0,0
0,2
– 76,1
Bruttolöhne und -gehälter
Verdienst je Arbeitnehmer
Verdienst je Stunde
gesamt
ohne KA
KA
gesamt
ohne KA
KA
gesamt
ohne KA
KA
2007
3,3
3,4
–9
1,6
1,6
– 10,8
1,4
1,4
0,3
2008
3,9
3,8
102
2,3
2,3
36,2
2,4
2,4
6,6
2009
– 0,4
– 2,3
1 260
– 0,4
0,6
21,0
3,7
3,7
2,4
2010
0,1
2,0
– 84
1,0
0,2
– 17,8
0,5
0,5
– 6,0
2011
1,1
1,4
– 75
1,2
1,0
– 19,4
1,2
1,1
5,3
Lohndrift (Arbeitnehmer)
Lohndrift (Stunde)
Tariflohn
Ausfall
gesamt
ohne KA
KA
gesamt
ohne KA
KA
Monat
Stunde
Je KA
2007
0,2
0,3
– 12,1
0,3
0,3
– 0,9
1,3
1,2
57,0
2008
– 0,5
– 0,5
33,4
– 0,4
– 0,4
3,9
2,8
2,8
45,1
2009
– 2,7
– 1,8
18,7
1,5
1,4
0,,2
2,3
2,3
33,1
2010
– 0,7
– 1,5
– 19,5
– 1,3
– 1,2
– 7,7
1,7
1,7
41,4
2011
0,1
0,0
– 20,4
0,2
0,1
4,3
1,0
1,0
55,1
Anmerkung: Werte berechnet aus den Quartalswerten. KA: Kurzarbeit, »Ausfall je KA« gibt den durchschnittlichen Arbeitsausfall je Kurzarbeiter in Relation zu den übrigen Arbeitnehmern.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Bundesbank; 2009, 2010 und 2011: Prognosen des ifo Instituts.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
53
54
Daten und Prognosen
Als Folge steigt der Verdienst je Arbeitnehmer (ohne Kurzarbeiter gerechnet) nur wenig. Allerdings geht die Zahl der
Kurzarbeiter weiter zurück, und damit bleibt die durchschnittliche Arbeitszeit aller Beschäftigten, entgegen dem langfristigen Trend, insgesamt stabil. Die Verdienste je Arbeitnehmer dürften demnach im kommenden Jahr wieder leicht
steigen (vgl. Tab. 3.8).
Moderater Anstieg der Arbeitslosigkeit
Die Entwicklung am Arbeitsmarkt wurde bislang durch das
Bestreben bestimmt, die Beschäftigung zu sichern. Während die gesamtwirtschaftliche Produktion seit Jahresbeginn bis zum dritten Quartal um 2,4% geschrumpft ist, und
die geleisteten Stunden um 2,5% gesunken sind, ist die Zahl
der Erwerbstätigen im Inland hingegen nur um 114 000
(0,3%) zurückgegangen.7 Die deutliche Reduktion der geleisteten Stunden je Erwerbstätigen hat bislang einen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert. Die durchschnittliche Arbeitszeit wurde dabei vor allem durch einen
massiven Abbau von angesammelten Guthaben auf Arbeitszeitkonten und durch Arbeitszeitverkürzung reduziert.8 Zudem ist die Zahl der Personen, die eine ausschließlich geringfügige Beschäftigung ausüben, seit Jahresbeginn stetig gestiegen. Ebenso dürfte die Teilzeitquote bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen weiter zugenommen haben.9 Sieht man zunächst von dem Effekt der Kurzarbeit ab, so verkürzte sich die Arbeitszeit je
Arbeitnehmer auf diese Weise um etwa 11/2%. Nimmt man
die Einführung von Kurzarbeit hinzu, dann ist die durchschnittliche Arbeitszeit seit Jahresbeginn insgesamt um 2,4%
zurückgefahren worden. Allerdings wurde das Instrument
der Kurzarbeit im dritten Quartal bereits in deutlich geringerem Maß in Anspruch genommen. So lag die Zahl der betroffenen Personen im dritten Quartal bei 1,12 Mill. und damit um 375 000 niedriger als im Vorquartal.
Betrachtet man die einzelnen Komponenten der Erwerbstätigkeit, dann hat vor allem die ungeförderte Selbständigkeit zu einer Stabilisierung beigetragen. Obwohl die Förderung hier seit Jahresbeginn deutlich rückläufig war, nahm die
Zahl der Selbständigen insgesamt um 0,2% zu. Allerdings
dürfte es sich dabei in erheblichem Umfang um so genannte Soloselbständige handeln, die ihre Arbeitskraft anbieten,
um die Zeit während der Arbeitslosigkeit zu überbrücken.
7
8
9
Die Zahl der Erwerbstätigen Inländer ist im Zuge der Rezession deutlich
schneller zurückgegangen. Hier ergibt sich bis zum dritten Quartal eine
Abnahme um 166 000 (0,4%).
Bei der Betriebsrätebefragung 2009 durch das WSI gab die größte Gruppe der Befragten (30%) an, dass als Reaktion auf den Produktionsausfall
ein Abbau von Arbeitszeitkonten stattgefunden hat; 20% nutzte Kurzarbeit. Vgl. Boeckler Impuls 18/2009, »Kluge Verteilung der Arbeitszeit federt Krisenfolgen ab«.
Nach Ablauf des ersten Quartals 2009 – neuere Daten liegen noch nicht
vor – lag die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 4% über dem Vorjahresniveau, während die Vollzeitstellen um 0,4% zurückgegangen waren.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Hierfür spricht, dass in diesem Segment die durchschnittliche Arbeitszeit im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um etwa 131/2% gesunken ist. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat bis zum September spürbar abgenommen; sie sank um 214 000. Die Beschäftigung ging
vor allem in den exportabhängigen Sektoren zurück. So sind
im Verarbeitenden Gewerbe und bei den Arbeitnehmerüberlassungen im Vergleich zum Vorjahr insgesamt etwa 400 000
Stellen weggefallen. Allerdings dürfte der Rückgang der Zahl
der Zeitarbeiter in den vergangenen Monaten zum Stillstand
gekommen sein. Im Dienstleistungssektor, der überwiegend
von der Binnennachfrage abhängt, war hingegen ein Stellenaufbau zu verzeichnen, der die Folgen der Rezession
auf den Arbeitsmarkt bislang spürbar gedämpft hat. Im Gesundheitswesen, im Bereich Erziehung und Unterricht und
im öffentlichen Sektor sind etwa 200 000 Personen mehr
beschäftigt als im Vorjahr.
Derzeit stabilisieren staatliche Maßnahmen wie die Kurzarbeit die Einkommenssituation offenbar so weit, dass die
negativen Folgen für den Arbeitsmarkt in den konsumnahen
Bereichen gering sind. Dass die Auswirkung der Rezession
auf den Arbeitsmarkt im Vergleich zu früheren Krisen moderat ausfällt, dürfte auch an der vorteilhaften Ausgangslage im Vorfeld des Produktionseinbruchs liegen. Damals waren die realen Lohnkosten in Relation zur Produktivität deutlich gesunken. Dies hätte für sich genommen zu einem Anstieg der Beschäftigung beigetragen.
Die Zahl der Arbeitslosen reagierte bis zum November gemessen an dem enormen Produktionsausfall vergleichsweise moderat. Nachdem sie im Verlauf des ersten Halbjahres
um 248 000 gestiegen war, ging sie danach leicht zurück,
und der Anstieg betrug bis zum November im Verlauf noch
187 000. Allerdings ist die Zahl der Arbeitslosen unterzeichnet, da seit Mai 2009 Erwerbslose, mit deren Vermittlung
private Agenturen beauftragt sind, nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik erfasst werden. Berücksichtigt man dies, hätte die Zahl der Arbeitslosen bis November um knapp 350 000
zugenommen. Allerdings hätte sich auch dann ein geringfügiger Rückgang der Arbeitslosenzahl im Oktober und November ergeben.
Im weiteren Verlauf dieses Jahres wird der Anstieg der Produktion nicht ausreichen, um die vorhandenen Produktionsfaktoren voll auszulasten. Eine Folge ist, dass die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten deutlich über dem Niveau
des Vorjahres liegen. Da die Preisüberwälzungsspielräume
gering sind, werden die Unternehmen daher weiter bestrebt
sein, ihre Kostenbelastung zu senken, indem sie die Beschäftigung reduzieren. Das Arbeitsvolumen dürfte daher im
vierten Quartal dieses Jahres erneut sinken und damit um
jahresdurchschnittlich 3,4% zurückgehen (vgl. Abb. 3.16).
Das Instrument der Kurzarbeit hat bislang dazu beigetragen,
dass sich dieser Rückgang nicht in vollem Umfang in den
Daten und Prognosen
Abb. 3.16
Beschäftigtenzahlen widerspiegelt. Allerdings dürfte die Kurzarbeit im vierten Quartal weiter sinken; wenn auch langsamer als im Vorquartal. Hierfür spricht, dass sich die Zahl
der betroffenen Personen in eingegangenen Anzeigen zur
konjunkturellen Kurzarbeit seit August bei monatlich etwa
100 000 stabilisiert. Insgesamt liegt die Zahl der Kurzarbeiter damit bei jahresdurchschnittlich 1,14 Mill. Aufgrund des
starken Einbruchs in der ersten Jahreshälfte sinkt die durchschnittliche Arbeitszeit 2009 um 3,3%. Die Zahl der erwerbstätigen Inländer wird dabei im vierten Quartal leicht beschleunigt sinken. Im Jahresdurchschnitt ergibt sich ein Rückgang
um lediglich 0,1% (vgl. Abb. 3.17).
Im Zuge der Rezession war bislang ein moderater Anstieg
der Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen. Etwas deutlicher
ist hingegen die Zahl der nichtarbeitslosen Arbeitsuchenden angestiegen. Hierzu zählen vor allem Personen, die
sich in sich arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden
und deshalb nicht als arbeitslos gezählt werden, sowie
Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz bedroht ist oder denen
bereits gekündigt wurde. Nachdem deren Zahl im Sommerhalbjahr um rund 200 000 über dem Vorjahr lag, ist
Abb. 3.17
Abb. 3.18
sie im November etwa 300 000 Personen höher als im Vorjahresmonat. Daher ist nach dem bis zum November verzeichneten Rückgang der Arbeitslosenzahl in den kommenden Monaten wieder mit einem Anstieg zu rechnen;
für das vierte Quartal ergibt sich dennoch im Durchschnitt
eine Abnahme. Im Jahresdurchschnitt steigt die Arbeitslosigkeit um 158 000, was einer Arbeitslosenquote von
8,1% entspricht (vgl. Abb. 3.18). Im Verlauf ergibt sich ein
Anstieg um rund 210 000. Berücksichtigt man, dass die
Arbeitslosenzahl durch die Herausrechnung von Personen,
mit deren Vermittlung Dritte beauftragt sind, unterzeichnet wurde, ergibt sich ein jahresdurchschnittlicher Anstieg
von 235 000. Im Verlauf ergäbe sich eine Zunahme um
rund 375 000 Personen.
Im kommenden Jahr nimmt die gesamtwirtschaftliche Produktion nur langsam zu. Daher bleibt der Anpassungsdruck
am Arbeitsmarkt. Der Einsatz der geleisteten Stunden dürfte im Verlauf noch um 0,2% zurückgehen, wobei sich das
Tempo im Jahresverlauf zunächst verlangsamt, und die Abwärtsbewegung im Winter zum Stillstand kommt. Wegen
des niedrigen Niveaus zu Jahresbeginn ergibt sich ein jahresdurchschnittlicher Rückgang um 0,8% (arbeitstäglich bereinigt 1,1%). Die Zahl der Kurzarbeiter wird trotz der erneut verlängerten Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld weiter
zurückgehen und etwa 900 000 niedriger liegen als im Vorjahr. Da aber der Anteil von Teilzeitkräften mit der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors dem langjährigen Trend folgend weiter steigt, erhöht sich die Arbeitszeit
pro Arbeitnehmer nur leicht um 0,5%. Damit liegt ihr Niveau im Verlauf von 2010 leicht über dem langfristigen Trend.
Die Zahl der erwerbstätigen Inländer insgesamt sinkt dabei
um 350 000 (0,9%), was im Verlauf einem Rückgang um
260 000 entspricht. Sehr deutlich wird dabei die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung reduziert, die um rund
360 000 zurückgeht (vgl. Tab 3.9). Im Jahresverlauf sinkt
sie um 270 000. Bei den ausschließlich geringfügig Beschäftigten wird sich der Anstieg hingegen zunächst fortsetzen
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
55
56
Daten und Prognosen
Tab. 3.9
Arbeitsmarktbilanz
Jahresdurchschnitte in 1 000 Personen
Deutschland
Arbeitsvolumen (Mill. Stunden)
Erwerbstätige Inländer
Arbeitnehmer
darunter:
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
darunter
a)
geförderte SV-pflichtige Beschäftigung
marginal Beschäftigte
darunter:
Minijobs
b)
Ein-Euro-Jobs
Selbständige
darunter:
c)
geförderte Selbständige
Pendlersaldo
Erwerbstätige Inland
Arbeitslose
Aktive Arbeitsmarktpolitik
Teilnehmer § 46 SGB III
Trainingsmaßnahmen
d)
Arbeitslosenquote BA
e)
Erwerbslose
g)
Erwerbslosenquote
Kurzarbeit
2007
2008
2009
2010
2011
56 845
39 656
35 220
57 583
40 220
35 786
55 632
40 171
35 751
55 173
39 821
35 376
55 156
39 870
35 413
26 942
27 510
27 474
27 107
27 106
210
5 906
240
5 898
270
5 933
355
5 986
404
6 023
4 861
301
4 436
4 866
291
4 434
4 914
279
4 420
4 957
289
4 445
4 954
329
4 458
237
68
39 724
3 776
180
59
40 279
3 268
146
96
40 267
3 426
169
162
39 982
3 607
184
112
39 983
3 617
0
77
9,0
3 602
8,3
68
0
81
7,8
3 141
7,2
102
128
38
8,1
3 235
7,5
1 141
268
0
8,6
3 407
7,9
226
270
0
8,6
3 416
7,9
70
a)
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Strukturanpassungsmaßnahmen, Personal-Service-Agenturen, Eingliederungszuschuss,
Eingliederungszuschuss bei Vertretung, Eingliederungszuschuss bei Neugründung, Arbeitsentgeltzuschuss, Einstiegsgeld bei
abhängiger Beschäftigung, Arbeitsgelegenheiten der Entgeltvariante, Beschäftigungszuschuss, Qualifizierungszuschuss für
b)
Jüngere, Eingliederungshilfen für Jüngere, Entgeltsicherung für Ältere. –
Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentc)
d)
schädigung. – Gründungszuschüsse, Existenzgründungszuschüsse, Überbrückungsgeld und Einstiegsgeld. – Arbeitslose
e)
in % der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß Bundesagentur für Arbeit). – Definition der ILO; Erwerbslose in % der
f)
inländischen Erwerbspersonen (erwerbstätige Inländer plus Arbeitslose). – Erwerbslose in % der inländischen Erwerbspersonen (erwerbstätige Inländer plus Arbeitslose).
Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
und erst im Verlauf der zweiten Jahreshälfte zum Stillstand
kommen, so dass deren Zahl 2010 um reichlich 40 000 zunimmt. Vor diesem Hintergrund steigt die Zahl der Arbeitslosen um 180 000, was im Verlauf einer Zunahme von
220 000 entspricht. Die Zunahme wird dabei im kommenden Jahr von einem Rückgang des Erwerbspersonenpotentials in einer Größenordnung von 130 000 gedämpft.10 Rechnet man die Personen hinzu, die bei externen Vermittlern betreut werden, so ergibt sich ein Anstieg der Arbeitslosenzahl
von 280 000.
Da es auch im Jahr 2011 nicht zu einem durchgreifenden
Aufschwung kommen dürfte, steigt die Produktion nur allmählich. Das Produktionsniveau bleibt jedoch verglichen
mit der vorangegangenen Boomphase weiter niedrig. Im
Zuge dessen dürfte sich die Lage am Arbeitsmarkt leicht
bessern. Das Beschäftigungsniveau erreicht damit nicht
10
Vgl. Bach, H.-U., M. Hummel, S. Klinger, E. Spitznagel und G. Zika (2009),
»Die Krise wird deutliche Spuren hinterlassen«, IAB Kurzbericht 20/2009.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
das Niveau vor der Krise, im Jahresdurchschnitt ergibt sich
Stagnation.
Zu den Finanzierungsbedingungen in
Deutschland
Die Kreditvergabe an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften
in Deutschland hat sich seit Ende vergangenen Jahres stark
abgeschwächt. Das Volumen neu vergebener Kredite ging
so stark zurück, dass es die fällig werdenden Kredite nicht
mehr ausgleichen konnte; somit war der Bestand ausstehender Kredite seit September deutlich rückläufig (vgl.
Abb. 3.19). Gleichzeitig senkten die deutschen Banken
kräftig ihre Zinsen, so dass der durchschnittliche Zins für
neu vergebene Kredite von knapp 6,5% Ende letzten Jahres auf unter 4% im Oktober dieses Jahres fiel (vgl.
Abb. 3.19). Der durchschnittliche Zins für ausstehende Kredite sank ebenfalls im selben Zeitraum, wenngleich der
Rückgang hier nur etwas mehr als 1,5 Prozentpunkte be-
Daten und Prognosen
Abb. 3.19
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
57
58
Daten und Prognosen
trug, was auf die hohen Zinsen bestehender Kreditverträge mit längeren Laufzeiten und Zinsbindung zurückzuführen ist, die noch vor dem Einsetzten der Zinssenkungsphase vereinbart wurden.
Ein rückläufiges Kreditvolumen bei gleichzeitig sinkenden
Zinsen spricht auf den ersten Blick für einen Rückgang der
Kreditnachfrage. Dies legen auch der massive Konjunktureinbruch und insbesondere der Absturz der Investitionen nahe, die den Kreditbedarf der Unternehmen erheblich reduziert haben dürften. Im Zuge der sich seit spätestens Jahresmitte abzeichnenden gesamtwirtschaftlichen Erholung
sollte allerdings auch die Nachfrage nach Fremdmitteln wieder anziehen. Die am aktuellen Rand zur Verfügung stehenden Daten zeichnen jedoch ein anderes Bild: das Volumen der Neukredite geht in der Tendenz weiter zurück, der
Kreditbestand sinkt.
Angesichts der hohen Abschreibungen, die die Banken
im Zuge der Finanzkrise bisher zu verzeichnen hatten und
die Schätzungen zufolge in den kommenden Monaten noch
anstehen, ist zu vermuten, dass diese Entwicklung auf eine Angebotsverknappung am Kreditmarkt zurück zu führen ist. Dies könnte zu einer wesentlichen Beeinträchtigung
des weiteren Verlaufs der Konjunktur führen, da eine anziehende Kreditnachfrage infolge der konjunkturellen Erholung nicht durch ein entsprechendes Kreditangebot gedeckt werden würde. Eine gesicherte Identifikation dieser
so genannten Kreditklemme ist allerdings problematisch,
da angebots- und nachfrageseitige Einflüsse schwer voneinander zu trennen sind. Allerdings weist eine Reihe von
Indikatoren darauf hin, dass in Deutschland der kreditangebotsseitige Restriktionsgrad – zumindest seit Jahresmitte und insbesondere für große Unternehmen – deutlich zunimmt und mithin von einer Kreditklemme gesprochen werden kann.
So erhöhte sich bei den Zinsen für neu vergebene Kredite
mit einer Laufzeit von über einem Jahr der Aufschlag über
den sicheren Notenbankzins seit Ende letzten Jahres kontinuierlich und verharrt seit Jahresmitte bei über 3 Prozentpunkten; dieser Spread liegt derzeit deutlich höher als während der letzten konjunkturellen Schwächephase in den Jahren 2003/04 (vgl. Abb. 3.18). Zwar machen diese Kredite in
Deutschland nur zwischen 5 und 10% der gesamten Neukreditvergabe aus; allerdings spielen sie gerade für die Finanzierung längerfristiger Investitionsprojekte eine wichtige
Rolle. Die Beobachtung, dass in diesem Kreditsegment die
Zinssenkungen der EZB nur teilweise von den Banken an
die Kreditnehmer weitergegeben werden, spricht für einen
negativen angebotsseitigen Effekt auf dem Kreditmarkt, der
dem aus der sinkenden Kreditnachfrage resultierenden Rückgang der Kreditzinsen entgegenwirkt.11 Ein ähnlicher Anstieg der Spreads ist auch bei den Überziehungskrediten
zu beobachten, wenngleich der Aufschlag mit aktuell 4 Proifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
zentpunkten noch unter dem Höchststand aus dem Jahr
2003 liegt. Bei den unterjährigen Krediten und den Kreditverträgen mit variabler Verzinsung, die knapp 50% des Kreditneugeschäfts ausmachen, wurden die Zinssenkungen der
EZB hingegen nahezu vollständig weitergegeben.
Die Weitergabe der Zinssenkungen der EZB durch die deutschen Banken ist vor allem im Vergleich mit Banken in anderen Ländern des Euroraums deutlich unvollständiger. So
wurden von der Leitzinssenkung in Höhe von 325 Basispunkten (von 4,25% Anfang Oktober 2008 auf 1% im Mai
2009) nur 60% von den deutschen Banken an die Kreditnehmer weitergegeben, die einen neuen Kredit mit einer
Laufzeit zwischen einem und fünf Jahren aufnahmen; bei
Laufzeiten über fünf Jahren waren es gerade einmal 34%
(vgl. Abb. 3.19). Im Euroraum insgesamt (also einschließlich Deutschland) war die Weitergabe der sinkenden Refinanzierungskosten mit 83% bzw. 46% deutlich größer.
Ein weiterer Indikator, der am aktuellen Rand auf das Vorliegen einer Kreditklemme in Deutschland schließen lässt,
kann aus den regelmäßigen Unternehmensbefragungen
des ifo Instituts abgeleitet werden. Die ifo Kredithürde, die
den Anteil der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe
angibt, der die Kreditvergabe der Banken restriktiv einschätzt, lag im November bei 45,4% (vgl. Abb. 3.20). Während bei den kleinen und mittelgroßen Unternehmen der
Zugang zu Krediten derzeit etwas besser zu sein scheint
als während des Abschwungs zu Beginn des Jahrzehnts,
ist die Kreditsituation vor allem großer Unternehmen deutlich angespannter. Bei allen Unternehmen blieb jedoch
die Kredithürde seit Jahresmitte nahezu unverändert, obwohl sich seither die Geschäftslage und die Geschäftserwartungen in der deutschen Wirtschaft deutlich verbessert
haben. Somit sollten sowohl die Nachfrage nach Krediten
zugenommen haben als auch die Kreditwürdigkeit der Unternehmen gestiegen sein.
Dass sich der Zugang zu Krediten in einer konjunkturellen
Abschwungphase für die Unternehmen im Durchschnitt erschwert, kann zum Teil mit einem durchaus normalen Kalkül der Banken erklärt werden. So ist ein zyklisches Verhalten der Kreditangebotsbedingungen ein durchaus übliches
Phänomen, das mit der Abhängigkeit des Wertes der gestellten Sicherheiten vom Konjunkturzyklus und einem konjunkturabhängigen Monitoring durch die Kreditinstitute begründet werden kann. Um sowohl Schwankungen im makroökonomischen Umfeld als auch Veränderungen in der
11
Eine mögliche Erklärung für die geringe Weitergabe der Leitzinssenkungen und für den damit verbundenen deutlichen Anstieg der Zinsaufschläge insbesondere bei längerfristigen Kreditverträgen wäre neben einer angebotsseitigen Verknappung der Kreditvergabe sicherlich auch eine deutliche Verschlechterung der Kreditrisiken und damit der erwarteten Kreditausfallkosten. Die Bonität der Unternehmen wird weiter unten in die Analyse miteinbezogen. Auch eine fristenkonforme Refinanzierung langfristiger Kredite könnte eine Rolle spielen, da Banken zukünftige Leitzinsanhebungen in ihr Kalkül mit einbeziehen.
Daten und Prognosen
Bonität der potentiellen Kreditnehmer zu berücksichtigen,
wurde deshalb auf Basis der regelmäßigen ifo Unternehmensbefragungen ein Kreditklemmenindikator berechnet.
Das makroökonomische Umfeld und die Veränderung der
Kreditwürdigkeit der Unternehmen wurde dabei anhand ihrer Angaben im Rahmen der ifo Unternehmensbefragungen über die aktuelle Geschäftslage und die Auftragseingänge herausgerechnet. Der so konstruierte Indikator misst
den Beitrag der – nicht herausgerechneten – bankenspezifischen Determinanten zu der Wahrscheinlichkeit, dass ein
Unternehmen mit guter Bonität den Zugang zu Krediten als
restriktiv beurteilt.12
Der Kreditklemmenindikator ist im Jahresverlauf deutlich angestiegen. Noch im April wirkten die bankenspezifischen Faktoren insofern expansiv, als dass für ein Unternehmen guter
Bonität eine um 6 Prozentpunkte höhere Kredithürde zu erwarten gewesen wäre. Dies lässt sich möglicherweise durch
die staatlichen Stützungsmaßnahmen erklären. Seit Juli dieses Jahres hat sich die Situation gewendet. Mittlerweile müsste bei normaler Kreditvergabepraxis die Kredithürde für ein
Unternehmen guter Bonität um 4 Prozentpunkte niedriger
sein als tatsächlich zu beobachten ist (vgl. Abb. 3.20). Maßgeblich für dieses Ergebnis sind ausschließlich die großen
Unternehmen, für die der Kreditklemmenindikator einen Wert
von 13 Prozentpunkten erreicht. Diese Entwicklung lässt sich
auch anhand der aggregierten ifo Kredithürde ablesen. Obwohl nämlich im Zuge der konjunkturellen Erholung immer
mehr Unternehmen eine verbesserte Geschäftslage und erhöhte Auftragseingänge vorweisen können und sich daher
ihre Kreditwürdigkeit verbessert haben dürfte, blieb der Anteil der Unternehmen, die die Kreditvergabe der Banken restriktiv einschätzten, nahezu unverändert. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf das Vorliegen einer Kreditklemme für große Unternehmen in Deutschland.
Für den Prognosezeitraum deutet die aktuelle Entwicklungstendenz auf eine Verschärfung der Lage hin. Diese Einschätzung deckt sich auch mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit, nach denen die Kreditvergabe vor allem in der Spätphase eines Abschwungs und im beginnenden Aufschwung
gebremst hat. Im Gegensatz zur Kreditklemme in den Jahren 2003 und 2004 sind heute allerdings bislang nur große
Unternehmen von der Kreditklemme betroffen. Eine der Ursachen hierfür könnte der Wegfall ausländischer Großbanken sein, die vor allem mit großen Unternehmen Kreditbeziehungen pflegten; knapp die Hälfte des Rückgangs der
Buchkredite ans verarbeitende Gewerbe im dritten Quartal
ist durch ein rückläufiges Geschäft der Auslandsbanken zu
erklären.
12
Eine ausführliche Darstellung der Berechnung des Kreditklemmenindikators findet sich in Wollmershäuser, T. (2009), »A Micro Data Approach to
the Identification of Credit Crunches«, unveröffentlichtes Manuskript, ifo
Institut für Wirtschaftsforschung, sowie in Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2009), »Zögerliche Belebung – Steigende Staatsschulden«, ifo
Schnelldienst 62(20), 44, Kasten 3.5.
Abb. 3.20
Staatshaushalt: Finanzierungsdefizit nimmt von
Jahr zu Jahr zu
Nach einer mehrere Jahre andauernden Konsolidierungsphase geraten die öffentlichen Haushalte ab 2009 wieder in große Schwierigkeiten. Hatte sich der Finanzierungssaldo des Staates von 2003 bis 2007 noch von – 4,0%
auf + 0,2% des nominalen Bruttoinlandsprodukts verbessert (2008 belief er sich auf 0,0%), so ist nun wieder
mit einem spürbaren Defizit zu rechnen. Der MaastrichtGrenzwert von 3,0% dürfte 2010 und 2011 deutlich übertroffen werden.
Die gesamtstaatlichen Einnahmen sinken im Jahr 2009 um
2,0%. Dies ist insbesondere auf das geringere Steueraufkommen zurückzuführen (– 4,5%). Dieser Rückgang ergibt
sich im Wesentlichen bei den Steuern vom Ertrag (– 7,2%),
während die Produktions- und Importabgaben (– 2,1%) angesichts der Krise 2009 relativ stabil blieben. Da überwiegend der steuerfreie Export von der Wirtschaftskrise getroffen wurde und die Konjunkturprogramme stabilisierend
auf die inländische Nachfrage wirken, steigt das Aufkommen der Umsatzsteuer noch um 0,4% an (die Entwicklung
der Einzelsteuern wird in Abgrenzung der Finanzstatistik be62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
59
60
Daten und Prognosen
schrieben). Die Lohnsteuer sinkt um 4,8%, der Zinsabschlag
um 5,4%, die veranlagte Einkommensteuer um 18%, die
nicht veranlagten Steuern vom Ertrag um 22% und die Körperschaftsteuer sogar um 60%. Die kommunalen Haushalte leiden unter den ebenfalls deutlich zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen (– 18%). Neben der Wirtschaftskrise sind auch verzögerte Effekte der Unternehmenssteuerreform 2008 für die ungünstige Entwicklung der gewinnabhängigen Steuern im Jahr 2009 verantwortlich.
Die Sozialversicherungsbeiträge an den Staat steigen 2009
um 1,2% oder 5 Mrd. Euro. Die bedeutendsten Zuwächse
erzielt die gesetzliche Krankenversicherung, weil der allgemeine Beitragssatz mit Beginn des Gesundheitsfonds zum
Jahresanfang auf 14,6% festgesetzt worden war, was im
Durchschnitt einer Anhebung um 0,6 Prozentpunkte bedeutete. Zwar wurde im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets
der Bundesregierung der Beitrag zur Jahresmitte wieder um
0,6 Prozentpunkte reduziert, insgesamt nehmen aber die
Beitragseinnahmen der Krankenkassen um rund 4% zu.
Auch die Pflegeversicherung kann einen Anstieg verbuchen,
der im Wesentlichen aus der Beitragssatzanhebung zum
1. Juli 2008 resultiert. Demgegenüber sind die Beitragseinnahmen der Arbeitslosenversicherung stark rückläufig, weil
zum Jahresbeginn der Beitragssatz von 3,3% auf 2,8% abgesenkt worden war.
Die Staatsausgaben nehmen im Jahr 2009 um 4,8% zu.
Gegenüber der Entwicklung in den Vorjahren bedeutet das
eine kräftige Beschleunigung, denn von 2001 bis 2008 belief sich der durchschnittliche Zuwachs auf nur 1,2% jährlich, was zu einem kräftigen Rückgang der Staatsquote –
sie stellt die Ausgaben des Staates in% des nominalen Bruttoinlandsprodukts dar – führte (vgl. Abb. 3.21). Verantwortlich für die aktuelle Dynamik sind in erster Linie die zwei
größten Ausgabenkategorien, die monetären Sozialleistungen (+ 5,1%) und die sozialen Sachleistungen (+ 5,4%).
Bei ersteren macht sich die Verschlechterung am Arbeitsmarkt bemerkbar, die zu höheren Ausgaben für Arbeitslosengeld I und II führt, zusätzlich werden die Ausgaben für
Kurzarbeitergeld um ein Vielfaches zunehmen. Daneben
spielt eine Rolle, dass es zum 1. Juli die höchste Rentenanpassung seit vielen Jahren gab und dass Sozialleistungen wie das Wohngeld erhöht wurden. Zudem wurde ein
Kinderbonus einmalig gewährt. Bei den Sachleistungen sind
die Gesundheitsausgaben der treibende Faktor (hier waren höhere Zahlungen an Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte vereinbart worden), außerdem wurden die Leistungen der Pflegeversicherung ausgeweitet. Auch die Personalausgaben des Staates expandieren nach den kräftigen Anhebungen der tariflichen Entgelte mit einem Plus von
3,2% so stark wie seit 1993 nicht mehr. Die starke Ausweitung der sonstigen laufenden Transfers um fast ein Fünftel geht auf die Abwrackprämie zurück, für die der Staat
5 Mrd. Euro ausgibt. Schließlich werden die Investitionen,
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Abb. 3.21
insbesondere angeregt durch die Konjunkturpakete, um
7,5% ausgeweitet. Der Anstieg der Subventionen um sogar mehr als 12% spiegelt die Kosten für die Übernahme
der Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeitergeld durch
die Bundesagentur für Arbeit wider. Der Rückgang der geleisteten Vermögenstransfers ist der sukzessive auslaufenden Eigenheimzulage geschuldet. Trotz der zuletzt wieder gestiegenen staatlichen Bruttoschulden sinken die Zinsausgaben um 4,6%. Dies ist noch Ausdruck des in den vergangenen Jahren sehr niedrigen Zinsniveaus.
Das Finanzierungsdefizit des Staates beläuft sich im Jahr
2009 auf 3,0% des Bruttoinlandsprodukts, womit es direkt
am Maastricht-Grenzwert liegt. Anders als in den Vorjahren
gerät nun auch die Sozialversicherung tief in die roten Zahlen. Ein kräftiges Defizit von rund 14 Mrd. Euro ergibt sich
bei der Arbeitslosenversicherung, das allerdings durch den
Rückgriff auf die Rücklage aus den Vorjahren aufgefangen
werden kann. Hingegen erzielen die Krankenversicherung,
die Pflegeversicherung und die Unfallversicherung kleine
Überschüsse, die Bilanz der Rentenversicherung dürfte etwa ausgeglichen sein.
Im Jahr 2010 wird sich die Finanzlage des Staates voraussichtlich nochmals deutlich verschlechtern. Belastungen
gibt es sowohl auf der Einnahmenseite (in Folge von Steuersenkungen und in Folge konjunkturbedingter Einkommensrückgänge) als auch auf der Ausgabenseite (Anhebung von Transferleistungen, Investitionsausgaben aus den
Konjunkturpaketen).
Aufgrund der Wirkung der automatischen Stabilisatoren und
der Entlastungsmaßnahmen im Einkommensteuerbereich
wird das Steueraufkommen im Jahr 2010 um 3,1% zurückgehen. Auch im Jahr 2010 sinken vor allem die Steuern auf
Einkommen und Vermögen (– 8%), während die Produktions- und Importabgaben stabil bleiben ( +1%). In Abgrenzung der Finanzstatistik sinkt die Lohnsteuer um reichlich
8%, die veranlagte Einkommensteuer noch einmal um 15%
Daten und Prognosen
und die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag um rund 18%.
Demgegenüber dürfte sich die Körperschaftsteuer leicht erholen (+ 10%), dabei jedoch auf niedrigem Niveau bleiben.
Die Gewerbesteuer dürfte auch im Jahr 2010 leicht zurückgehen (– 3%). Die Steuern vom Umsatz werden voraussichtlich ansteigen und ein Aufkommen von gut 180 Mrd. Euro
(+ 2%) erzielen.
Die Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen werden
nur geringfügig steigen. Die Beiträge der Arbeitnehmer werden sogar leicht sinken. Bei in der Summe fast unveränderten Bruttolöhnen und -gehältern resultiert dies aus einem
im Jahresdurchschnitt niedrigeren Krankenversicherungsbeitragssatz. Andererseits steigen die Beiträge des Staates für Empfänger sozialer Leistungen und deren Eigenbeiträge spürbar. Der leichte Zuwachs der Arbeitgeberbeiträge ist Folge der Anhebung der von den Unternehmen
an die Bundesagentur für Arbeit zu entrichtenden Insolvenzgeldumlage. Ansonsten sind keine Beitragssatzänderungen gegenüber dem Stand im zweiten Halbjahr 2009 zu erwarten; vermutlich werden auch die meisten Krankenkassen ohne die Einführung von Zusatzbeiträgen auskommen
können.
Der Ausgabenanstieg flacht sich 2010 zwar gegenüber 2009
spürbar ab, bleibt aber mit 3,0% noch recht hoch. Bei den
monetären Sozialleistungen ist erstens arbeitsmarktbedingt
mit weiteren Zuwächsen zu rechnen, zweitens wirkt die Rentensteigerung vom Juli 2009 noch nach – zur Jahresmitte
2010 wird es dann allerdings zu einer Nullrunde für die Rentner kommen –, drittens sind Leistungsausweitungen geplant, so beim Kindergeld und bei der Ausbildungsförderung. Andererseits entfällt hier der 2009 gezahlte Kinderbonus, so dass sich die Zuwachsrate auf reichlich 3% vermindert. Sie vermindert sich auch bei den sozialen Sachleistungen (auf 3,5%), zeugt aber von einer anhaltend kräftigen
Ausgabendynamik im Gesundheitswesen. Bei den Investitionsausgaben (+ 13%) wird der Höhepunkt der Konjunktur
stützenden Maßnahmen erreicht, bei den Arbeitnehmerentgelten hingegen wird der Anstieg nur 1,3% betragen. Hier
ist für die Beschäftigten der Länder ab März 2010 ein tarifliches Einkommensplus von 1,2% vereinbart, das wohl im
noch ausstehenden Tarifvertrag für den Bund und die Kommunen nicht übertroffen werden dürfte. Obwohl keine Abwrackprämie mehr geleistet wird gibt der Staat noch einmal mehr für sonstige laufende Transfers aus, weil die Zahlungen an den EU-Haushalt um rund 7 Mrd. Euro zulegen.
Bei den Vermögenstransfers setzt sich der Rückgang (bedingt durch sinkende Aufwendungen für die Eigenheimzulage) fort. Die staatlichen Zinsausgaben werden im Jahr 2010
um knapp 5% steigen. Die zusätzliche Verschuldung der
Jahre 2008 und 2009 dürfte in Verbindung mit einem langsam ansteigenden Zinsniveau zu steigenden Kosten der
Staatsverschuldung führen. Dieser Prozess dürfte sich in
den Folgejahren deutlich verstärken.
Im Jahr 2010 werden die staatlichen Ausgaben die Einnahmen insgesamt um 125 Mrd. Euro oder 5,1% des nominalen Bruttoinlandsprodukts übertreffen (vgl. Abb. 3.21). Die
Staatsquote nähert sich mit 47,9% nahezu wieder dem Niveau von 2002/2003, die Einnahmenquote hingegen erreicht
den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung. Das Budget
der Sozialversicherung wird wieder nahezu ausgeglichen
sein. Das gelingt freilich nur, da sowohl die gesetzliche Krankenversicherung als auch die Arbeitslosenversicherung Zuschüsse in der Größenordnung von 15 Milliarden Euro vom
Bund erhalten werden.
Im Jahr 2011 werden für den Staat einige Belastungen entfallen (z.B. das Investitionsprogramm im Rahmen der Konjunkturstützungsmaßnahmen und die Übernahme der Arbeitgeberbeiträge für das Kurzarbeitergeld), auch ist ein Anstieg des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von
2,8% auf 3,0% vorgesehen. Unterstellt man aber keine weiteren Beitragssatzanhebungen bei der Sozialversicherung,
dann deutet die oben beschriebene gesamtwirtschaftliche
Entwicklung mit einem nur mäßigen Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts darauf hin, dass das Budgetdefizit des
Staates (in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt)
erneut steigt. Es dürfte in der Größenordnung von 5,5% liegen. Somit ist für die Jahre 2012 und 2013 eine kräftige Konsolidierung nötig, um sowohl die von der EU für das Jahr
2013 geforderte Einhaltung der Defizitregel von 3% zu erreichen als auch der im Grundgesetz festgelegten Verschuldungsbremse zu genügen.
Abgeschlossen am 14. Dezember 2009
Anhang
Die wichtigsten Daten
der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
61
62
Daten und Prognosen
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Vorausschätzung für die Jahre 2009 und 2010
2008 (1)
2009 (2)
2010 (2)
2009
1.Hj (1)
Entstehung des Inlandsprodukts
Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Zahl der Erwerbstätigen
Arbeitszeit
Arbeitstage (3)
Arbeitsvolumen
Produktivität (4)
Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt
2010 (2)
2.Hj (2)
1.Hj
2.Hj
1,4
-1,0
0,9
1,3
0,0
1,3
0,0
-3,2
-0,1
-3,4
-1,5
-4,9
-0,7
-0,6
0,5
-0,8
2,6
1,7
0,3
-2,7
-1,7
-4,0
-2,8
-6,7
-0,3
-3,7
1,3
-2,7
-0,3
-3,0
-0,7
-1,0
0,6
-1,1
3,4
2,3
-0,7
-0,2
0,4
-0,5
1,8
1,2
1861,5
1409,7
451,8
474,7
201,8
245,0
27,9
3,9
2340,1
155,7
1179,4
1023,7
2495,8
1887,4
1414,8
472,7
433,1
159,5
246,1
27,5
-8,4
2312,1
94,7
981,4
886,7
2406,7
1909,6
1423,3
486,2
437,7
159,3
250,2
28,2
-0,4
2346,8
112,2
1061,9
949,8
2459,0
921,2
693,2
228,0
203,5
75,5
114,9
13,1
-2,9
1121,7
47,4
472,4
425,0
1169,1
966,2
721,6
244,7
229,6
84,0
131,2
14,4
-5,5
1190,4
47,3
509,0
461,7
1237,6
929,2
694,0
235,2
207,5
75,5
118,5
13,5
5,7
1142,3
59,1
517,3
458,2
1201,4
980,4
729,4
251,0
230,2
83,8
131,7
14,7
-6,1
1204,5
53,0
544,6
491,6
1257,5
2,8
2,5
3,7
4,2
2,7
5,8
1,6
3,7
3,5
5,8
2,8
1,4
0,4
4,6
-8,8
-21,0
0,5
-1,6
-1,2
-16,8
-13,4
-3,6
1,2
0,6
2,9
1,1
-0,1
1,7
2,7
1,5
8,2
7,1
2,2
1,5
0,5
4,7
-11,2
-22,9
-2,6
-1,9
-1,6
-21,1
-15,6
-5,4
1,3
0,3
4,6
-6,5
-19,2
3,3
-1,4
-0,8
-12,3
-11,2
-1,8
0,9
0,1
3,1
2,0
0,0
3,1
3,2
1,8
9,5
7,8
2,8
1,5
1,1
2,6
0,3
-0,2
0,4
2,2
1,2
7,0
6,5
1,6
3. Verwendung des Inlandsprodukts, verkettete Volumenangaben (Referenzjahr 2000)
a) Mrd. EUR
Konsumausgaben
1669,0
1683,4
1690,7
Private Konsumausgaben 5)
1249,9
1253,9
1255,8
Konsumausgaben des Staates
419,3
429,9
435,5
Bruttoanlageinvestitionen
468,7
429,5
433,3
Ausrüstungen
224,8
179,8
181,6
Bauten
213,8
212,9
213,9
Sonstige Anlagen
34,3
36,4
37,9
Inländische Verwendung
2114,6
2080,5
2099,3
Exporte
1161,5
996,0
1079,2
Importe
1002,1
919,1
982,5
Bruttoinlandsprodukt
2274,1
2163,7
2201,2
827,7
616,3
211,6
201,3
84,6
99,5
17,1
1018,3
479,7
439,9
1061,2
855,7
637,6
218,3
228,1
95,2
113,3
19,3
1062,1
516,2
479,3
1102,5
828,1
614,0
214,5
205,1
85,5
101,5
18,0
1030,7
527,9
475,3
1085,2
862,6
641,9
221,0
228,2
96,1
112,3
19,9
1068,5
551,3
507,3
1116,0
1,0
0,4
2,7
-11,0
-21,8
-4,2
6,8
-2,0
-18,7
-10,3
-6,7
0,8
0,3
2,4
-5,9
-18,4
3,1
5,9
-1,2
-9,6
-6,3
-3,0
0,1
-0,4
1,4
1,9
1,2
2,0
5,0
1,2
10,0
8,0
2,3
0,8
0,7
1,2
0,0
0,9
-0,9
3,2
0,6
6,8
5,8
1,2
2. Verwendung des Inlandsprodukts in jeweiligen Preisen
a) Mrd. EUR
Konsumausgaben
Private Konsumausgaben 5)
Konsumausgaben des Staates
Bruttoanlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
Sonstige Anlagen
Vorratsveränderungen 6)
Inländische Verwendung
Außenbeitrag
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Konsumausgaben
Private Konsumausgaben 5)
Konsumausgaben des Staates
Bruttoanlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
Sonstige Anlagen
Inländische Verwendung
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Konsumausgaben
Private Konsumausgaben 5)
Konsumausgaben des Staates
Bruttoanlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
Sonstige Anlagen
Inländische Verwendung
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
0,8
0,4
2,1
3,1
3,3
2,6
5,3
1,7
2,9
4,3
1,3
0,9
0,3
2,5
-8,4
-20,0
-0,4
6,3
-1,6
-14,3
-8,3
-4,9
0,4
0,2
1,3
0,9
1,0
0,5
4,0
0,9
8,4
6,9
1,7
Daten und Prognosen
noch Bundesrepublik Deutschland: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
2008 (1)
2009 (2)
2010 (2)
2009
1.Hj (1)
2.Hj (2)
4. Preisniveau der Verwendungsseite des Inlandsprodukts (2000=100)
Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Konsumausgaben
2,0
Private Konsumausgaben 5)
2,1
Konsumausgaben des Staates
1,6
Bruttoanlageinvestitionen
1,1
Ausrüstungen
-0,6
Bauten
3,1
Sonstige Anlagen
-3,6
Inländische Verwendung
1,9
Exporte
0,6
Importe
1,4
Bruttoinlandsprodukt
1,5
5. Einkommensentstehung und -verteilung
a) Mrd. EUR
Primäreinkommen der privaten Haushalte
Sozialbeiträge der Arbeitgeber
Bruttolöhne und -gehälter
Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte
Primäreinkommen der übrigen Sektoren
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Abschreibungen
Bruttonationaleinkommen
nachrichtlich:
Volkseinkommen
Arbeitnehmerentgelte
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Primäreinkommen der privaten Haushalte
Sozialbeiträge der Arbeitgeber
Bruttolöhne und -gehälter
Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten
Nettolöhne und -gehälter je Beschäftigten
Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte
Primäreinkommen der übrigen Sektoren
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Abschreibungen
Bruttonationaleinkommen
nachrichtlich:
Volkseinkommen
Arbeitnehmerentgelte
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Masseneinkommen
Nettolöhne und -gehälter
Monetäre Sozialleistungen
abz. Abgaben auf soziale Leistungen,
verbrauchsnahe Steuern
Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte
Verfügbares Einkommen
Private Konsumausgaben 5)
Sparen
2.Hj
0,5
0,0
2,0
-0,4
-1,2
0,9
-7,5
0,4
-3,0
-5,6
1,4
0,7
0,5
1,6
0,2
-1,1
1,2
-1,3
0,6
-0,1
0,2
0,4
0,5
0,1
2,0
-0,2
-1,3
1,6
-8,1
0,4
-3,0
-5,9
1,5
0,5
0,0
2,1
-0,6
-1,0
0,2
-6,9
0,4
-2,9
-5,2
1,2
0,8
0,5
1,8
0,1
-1,2
1,1
-1,6
0,6
-0,5
-0,2
0,5
0,6
0,4
1,4
0,3
-1,1
1,3
-1,0
0,6
0,2
0,6
0,4
1830,6
229,2
995,8
605,5
338,9
2169,4
367,6
2537,0
1807,4
231,4
991,3
584,7
275,2
2082,6
365,8
2448,4
1795,6
232,6
990,8
572,2
337,3
2132,9
368,5
2501,5
898,5
112,9
472,2
313,5
97,5
996,0
185,4
1181,4
908,9
118,6
519,1
271,2
177,7
1086,6
180,5
1267,0
882,2
112,0
467,8
302,4
145,6
1027,8
186,3
1214,1
913,4
120,7
523,0
269,7
191,7
1105,1
182,3
1287,4
1886,0
1225,1
661,0
1809,2
1222,7
586,4
1853,9
1223,4
630,4
859,1
585,1
274,1
950,0
637,7
312,3
888,0
579,8
308,2
965,9
643,7
322,3
3,9
2,8
4,0
2,3
1,5
4,2
-4,9
2,4
2,2
2,4
-1,3
1,0
-0,5
-0,4
-0,8
-3,4
-18,8
-4,0
-0,5
-3,5
-0,7
0,5
-0,1
1,0
2,4
-2,1
22,6
2,4
0,7
2,2
-0,4
2,1
0,1
-0,3
-1,3
-2,0
-38,7
-6,1
0,0
-5,2
-2,1
-0,1
-0,9
-0,3
-0,3
-5,1
-1,2
-1,9
-1,0
-1,8
-1,8
-0,8
-0,9
0,3
1,9
-3,5
49,3
3,2
0,5
2,8
0,5
1,8
0,7
1,6
2,8
-0,5
7,9
1,7
1,0
1,6
2,5
3,7
0,2
-4,1
-0,2
-11,3
2,5
0,1
7,5
-6,6
0,5
-18,7
-1,7
-0,8
-3,6
3,4
-0,9
12,4
1,7
0,9
3,2
499,0
299,1
243,6
540,4
337,9
246,0
508,4
301,0
251,9
551,9
344,4
252,0
43,8
313,5
-32,4
780,1
14,9
693,2
101,8
43,5
271,2
-26,7
784,9
15,7
721,6
79,0
44,4
302,4
-26,0
784,8
15,2
694,0
106,0
44,5
269,7
-26,8
794,8
16,1
729,4
81,6
6. Einkommen und Einkommensverwendung der privaten Haushalte und priv. Org. o.E.
a) Mrd. EUR
Masseneinkommen
1017,1
1039,3
1060,3
Nettolöhne und -gehälter
642,7
637,0
645,4
Monetäre Sozialleistungen
452,7
489,6
503,9
abz. Abgaben auf soziale Leistungen,
verbrauchsnahe Steuern
78,3
87,2
88,9
Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte
605,5
584,7
572,2
Sonstige Transfers (Saldo)
-64,5
-59,0
-52,8
Verfügbares Einkommen
1558,1
1565,0
1579,7
Zunahme betriebl. Versorgungsansprüche
30,1
30,6
31,3
Private Konsumausgaben 5)
1409,7
1414,8
1423,3
Sparen
178,5
180,8
187,6
Sparquote 7)
2010 (2)
1.Hj
11,2
11,3
11,6
12,8
9,9
13,3
10,1
2,1
3,2
0,7
2,2
-0,9
8,2
2,0
1,3
2,9
1,9
-0,9
7,5
2,4
-0,9
8,8
1,9
0,6
3,4
2,1
1,9
2,4
2,0
4,2
2,7
2,5
7,7
11,4
-3,4
0,4
0,4
1,3
1,9
-2,1
0,9
0,6
3,7
12,6
-2,0
0,5
0,5
1,3
10,2
-5,1
0,4
0,3
1,3
1,5
-3,5
0,6
0,1
4,1
2,3
-0,5
1,3
1,1
3,2
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
63
64
Daten und Prognosen
noch Bundesrepublik Deutschland: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
2008 (1)
2009 (2)
2010 (2)
2009
1.Hj (1)
2.Hj (2)
2010 (2)
1.Hj
2.Hj
7. Einnahmen und Ausgaben des Staates
a) Mrd. EUR
Einnahmen
Steuern
Sozialbeiträge
Vermögenseinkünfte
Sonstige Übertragungen
Vermögensübertragungen
Verkäufe
Sonstige Subventionen
Einnahmen insgesamt
592,6
408,1
18,3
14,8
10,1
47,6
0,4
1091,8
565,9
413,1
18,8
13,3
8,6
49,2
0,5
1069,5
548,6
414,4
15,8
13,2
9,4
50,4
0,5
1052,2
285,7
202,1
12,8
6,4
3,9
23,3
0,2
534,3
280,2
211,1
6,1
6,9
4,8
25,9
0,3
535,2
275,1
200,0
10,2
6,3
4,7
24,0
0,2
520,4
273,5
214,4
5,6
6,9
4,7
26,4
0,3
531,8
Ausgaben
Vorleistungen
Arbeitnehmerentgelte
Sonstige Produktionsabgaben
Vermögenseinkünfte (Zinsen)
Subventionen
Monetäre Sozialleistungen
Soziale Sachleistungen
Sonstige Transfers
Vermögenstransfers
Bruttoanlageinvestitionen
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern
Ausgaben insgesamt
106,6
172,1
0,1
67,1
28,0
421,6
185,8
40,3
33,2
37,4
-1,4
1090,8
113,0
177,7
0,1
64,0
31,5
443,3
195,8
47,8
30,8
40,2
-1,1
1142,9
117,6
180,0
0,1
67,0
29,1
457,1
202,7
51,1
27,9
45,5
-1,2
1176,8
52,1
84,9
0,0
31,5
15,5
220,5
96,5
20,7
15,7
16,8
-0,5
553,7
60,9
92,8
0,0
32,5
16,0
222,8
99,3
27,0
15,1
23,4
-0,7
589,1
54,7
86,2
0,0
33,2
14,3
228,5
100,2
24,4
13,1
19,9
-0,5
574,1
63,0
93,8
0,0
33,8
14,8
228,6
102,5
26,7
14,8
25,5
-0,7
602,8
Finanzierungssaldo
1,0
-73,3
-124,7
-19,4
-53,9
-53,7
-71,0
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Einnahmen
Steuern
Sozialbeiträge
Vermögenseinkünfte
Sonstige Übertragungen
Vermögensübertragungen
Verkäufe
Sonstige Subventionen
Einnahmen insgesamt
2,8
2,1
0,2
6,3
3,6
1,5
2,5
-4,5
1,2
3,2
-10,5
-14,5
3,5
-2,0
-3,1
0,3
-16,2
-1,0
9,0
2,3
-1,6
-4,2
2,6
7,4
-11,9
-28,6
2,7
-1,5
-4,8
0,0
-4,6
-9,2
1,7
4,3
-2,6
-3,7
-1,0
-20,4
-1,4
21,6
2,7
-2,6
-2,4
1,6
-7,6
-0,6
-1,1
1,9
-0,6
5,3
2,2
-0,3
1,4
0,7
4,2
10,4
11,0
9,1
2,8
6,0
3,2
-4,6
12,2
5,1
5,4
18,6
-7,3
7,5
4,8
4,1
1,3
4,7
-7,4
3,1
3,5
7,0
-9,5
13,0
3,0
6,3
3,1
-7,4
14,5
4,4
5,3
1,5
-10,3
3,3
3,5
5,7
3,3
-1,8
10,1
5,9
5,5
36,2
-3,9
10,6
6,0
4,9
1,5
5,4
-7,6
3,7
3,8
17,8
-16,3
18,5
3,7
3,4
1,1
4,1
-7,3
2,6
3,2
-1,3
-2,4
9,1
2,3
0,0
-3,0
-5,1
-1,7
-4,4
-4,5
-5,6
Ausgaben
Vorleistungen
Arbeitnehmerentgelt
Sonstige Produktionsabgaben
Vermögenseinkünfte (Zinsen)
Subventionen
Monetäre Sozialleistungen
Soziale Sachleistungen
Sonstige Transfers
Vermögenstransfers
Bruttoanlageinvestitionen
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern
Ausgaben insgesamt
nachrichtlich:
Finanzierungssaldo in % des BIP
1)
2)
3)
4)
5)
6)
7)
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Vorausschätzung des ifo Instituts; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Veränderung der Arbeitstage voll berücksichtigt.
Bruttoinlandsprodukt in Vorjahrespreisen je Erwerbstätigenstunde.
Konsumausgaben der privaten Haushalte und der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck.
Einschließlich Nettozugang an Wertsachen.
Ersparnis in % des verfügbaren Einkommens (einschließlich der Zunahme an betrieblichen Versorgungsansprüchen).
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Einbrechende Investitionen und der Gesetzgeber
bremsen das Leasing
23% weniger Neugeschäft 2009
65
Arno Städtler und Joachim Gürtler
Die Rezession hat ungebremst auf die Leasingbranche durchgeschlagen, wie der neueste ifo Investitionstest bei den deutschen Leasinggesellschaften zeigt, der auch in diesem Jahr wieder zusammen
mit dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) durchgeführt wurde. In den ersten drei
Quartalen von 2008 erhielt die Entwicklung in der Leasingbranche noch Rückenwind von einer passablen Investitionskonjunktur. Ab dem Spätherbst wurden dann aber sowohl die Investitionstätigkeit als
auch das Leasing abrupt ausgebremst. Im Jahresdurchschnitt konnte im Neugeschäft mit Mobilien schließlich noch ein moderates Wachstum von 2,5% auf über 50,8 Mrd. €. generiert werden. Das ImmobilienLeasing brach hingegen um rund 34% ein. Dadurch ging das gesamte Leasing-Neugeschäft 2008 um
1,1% zurück, und der Anteil des Leasings an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen ohne Wohnungsbau reduzierte sich von 17,0 auf 16,1%. Die Mobilien-Leasingquote blieb hingegen unverändert bei 22,1%.
Die ohnehin schon sehr pessimistischen Prognosen für die Entwicklung der Anlageinvestitionen im
Jahr 2009 wurden von der Realität noch weit übertroffen. Die Ausrüstungsinvestitionen setzten zu Jahresbeginn ihre rasante Talfahrt – trotz wieder eingeführter degressiver Abschreibung – fort. Von dieser
Entwicklung wurde das Mobilien–Leasing, im Gegensatz zu den früheren Rezessionen, mit voller Wucht
getroffen. Hierfür sind in erster Linie die negativen Auswirkungen der Unternehmensteuerreform von
2008 und die Refinanzierungsproblematik im Gefolge der Bankenkrise verantwortlich. Nach den Trendumfragen des Bundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen (vgl. BDL 2009) stürzte das Neugeschäft
beim Leasing beweglicher Wirtschaftsgüter von Januar bis September 2009 (nominal) um rund 24% ab.
Das ist in der 47-jährigen Geschichte des Leasings in Deutschland ein einmaliger Vorgang und wird
auch die Investitionsmöglichkeiten mittelständischer Unternehmen tangieren. Im Jahresdurchschnitt
wird sich die Geschäftseinbuße beim Leasing auf fast 23% belaufen, dabei dürfte das Mobilien-Leasing
um knapp 23% schrumpfen und das Immobilien-Leasing um 22%. Nach der Herbstprognose der Institute für die gesamtwirtschaftlichen Investitionen, die für 2009 einen Rückgang von nominal gut 13%
unterstellt, bedeutet dies für die Leasingquote 2009 einen Rückgang von 16,1 auf 14,4%.
Der laufende Investitionszyklus hat zwar im Jahr 2009 seinen Tiefpunkt durchschritten, die Aussichten
auf ein baldiges Anziehen der Investitionsausgaben sind jedoch gering. Die rezessive Entwicklung der
Investitionen könnte sogar noch länger andauern. Der ifo/BDL-Investitionsindikator zeigt auch über
weite Teile des Jahres 2010 noch rückläufige Ausgaben für Ausrüstungsgüter an. Das Auslaufen der degressiven Abschreibung (diesmal mit einem Satz von 25%) könnte aber zumindest in den letzten Monaten von 2010 zu vorgezogenen Ausrüstungskäufen führen. Die in den beiden Konjunkturpaketen der Bundesregierung bereitgestellten Mittel für öffentliche Investitionen in die Infrastruktur werden in erster
Linie die Bauinvestitionen stützen. Bei diesem Szenario bleiben die Geschäftsmöglichkeiten der Leasingbranche eingeschränkt. Für die weitere Entwicklung der Branche wird es darauf ankommen, wie weit
die neue Regierung bereit ist, die vor allem für die mittelständischen Leasinggesellschaften belastenden Teile der Unternehmensteuerreform von 2008 – insbesondere die Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer – nachzubessern.
ifo Investitionserhebung Leasing
Die Erhebungsunterlagen für die jüngste
Leasingumfrage, die wie immer als Totalerhebung angelegt ist, wurden an alle bekannten Vermieter von mobilen und immobilen Anlagegütern in Deutschland versandt. Dabei hat der Bundesverband
Deutscher Leasing-Unternehmen seine
Mitglieder befragt und das ifo Institut die
übrigen Leasinggesellschaften. Unberücksichtigt bleiben Firmen, die die kurz-
fristige Vermietung (Renting) von Ausrüstungsgütern, wie z.B. Fahrzeugen, betreiben, sowie Immobilienfonds, Bauträgergesellschaften, Developer, Pensionsfonds
und sonstige Institutionen, die vor allem
gewerbliche Immobilien bauen und vermieten.
Die in den Jahren 2008 und 2009 neu
gegründeten Leasinggesellschaften wurden, soweit möglich, bereits in die Erhebung aufgenommen. Die Beteiligung
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
66
Daten und Prognosen
am ifo Investitionstest war auch in diesem Jahr sehr hoch,
vor allem unter den in den Handelsregistern eingetragenen
Leasinggesellschaften mit mindestens 500 000 € Nominalkapital. So konnte für den Bereich der herstellerunabhängigen Leasinggesellschaften durch Hinzuschätzen der
fehlenden Angaben – von ausschließlich kleineren Firmen
– über ein differenziertes Rechenverfahren ein Gesamtwert
der Investitionen ermittelt werden. Für die Herstellervermietung und das Hersteller-Leasing sind nur die Berichtskreisinvestitionen ausgewiesen, da uns wohl nicht alle Produzenten, Händler oder Importeure, die im Vermietgeschäft
tätig sind, bekannt sind. Nachdem in der Umfrage jedoch
alle bedeutenden Anbieter berücksichtigt wurden, dürfte
dieser Bereich der Anlagenvermietung sehr hoch repräsentiert sein.
Wie schon in den vergangenen Jahren, sind auch aktuell wieder etliche Leasinggesellschaften – vor allem mittelständische – aus dem Markt und damit auch aus dem Berichtskreis
des ifo Investitionstests ausgeschieden. Gemessen am Bestand ist deren Zahl 2009 relativ hoch. Offenbar haben die
umstrittene Unternehmensteuerreform von 2008 und die Finanzkrise hier ihre Wirkung entfaltet. Vor allem diejenigen, die
solide aufgestellt sind, ein zukunftsorientiertes Geschäftsmodell aufweisen und sowohl ihre Kunden als auch ihre Finanziers von ihrem Produkt überzeugen können, dürften jedoch
ohne größere Blessuren bis zum nächsten Aufschwung
durchhalten, falls sie nicht wegen einer überbordenden bürokratischen Belastung die Branche verlassen.
Konkret wurden in der Investitionsbefragung die Neuzugänge auf den Anlagekonten der Leasinggesellschaften in den
Jahren 2007 und 2008 sowie die Güterstruktur und die Empfängersektoren erhoben. Außerdem wurde nach den effektiven Anschaffungswerten und nach den Buchwerten der
am 31. Dezember 2008 noch vermieteten Objekte gefragt.
Hinzu kamen Angaben zur Anzahl der 2008 neu kontrahierten und der insgesamt verwalteten Verträge sowie zu
den Erwartungen für das Neugeschäft im Jahr 2009. In einer ergänzenden Sonderfrage wurden auch die Stückzahlen der neu vermieteten Straßenfahrzeuge erhoben.
2008: Einbruch im vierten Quartal
Die deutsche Investitionsgüterindustrie wurde im Laufe des
zweiten Halbjahrs 2008 mit einem bisher nicht erlebten jähen Absturz bei den Auftragseingängen konfrontiert. Trotz
teilweise noch vorhandener Auftragspolster sank die Kapazitätsauslastung rapide, die deutsche Wirtschaft ist im
Herbst 2008 in eine schwere Rezession abgeglitten. Noch
vor dem Jahreswechsel kam es verbreitet zu Kurzarbeit
oder temporären Werksschließungen, wie z.B. in der Automobilindustrie. Angesichts der wegbrechenden Nachfrage nach Industriegütern bewegten sich die Produktionsifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
kapazitäten in rasantem Tempo von der Normal- in die Unterauslastung. Angesichts dieser prekären Entwicklung hielten sich die Unternehmen im Schlussquartal merklich mit
Neuinvestitionen zurück. Dies betraf nicht nur neue Bestellungen, es wurden auch in ungewöhnlichem Maße bereits erteilte Aufträge annulliert. Die Stornoquote vervierfachte sich in einigen Industriezweigen gegenüber dem langfristigen Durchschnitt.
Das Statistische Bundesamt stellte fest, dass die Investitionstätigkeit der Unternehmen in den letzten drei Monaten
des Jahres 2008 regelrecht eingebrochen ist. Nachdem
die Ausrüstungsinvestitionen im zweiten Quartal noch um
nominal 6,3% und im dritten Quartal um 5,3% zugelegt hatten, gab es im vierten Quartal ein Minus von 3,5%. Im Jahresdurchschnitt wuchsen die Ausrüstungsinvestitionen einschließlich der sonstigen Anlagen schließlich nur noch um
2,5% nach + 9,3% (revidiert) im Jahr 2007. Damit ist dieser
Investitionszyklus, der fünf Jahre lang für Wachstum bei den
Ausrüstungsinvestitionen sorgte, beendet.
Dieser Entwicklung der Investitionstätigkeit folgte das Leasing weitgehend. Wie die Ergebnisse des jüngsten ifo Investitionstests zeigen, verringerte sich das Leasing-Neugeschäft 2008 um 1,1% auf 54,4 Mrd. €, bei fast 1,8 Mill.
Verträgen.
Dieses Ergebnis resultierte aus einem moderaten Zuwachs
beim Mobilien-Leasing (+ 2,5%) und einem kräftigen Rückgang beim Immobilien-Leasing (– 34,3%). Das Mobiliengeschäft der herstellerunabhängigen Gesellschaften ging um
2,8% zurück. Die Unternehmen aus dem Bereich Herstellervermietung und -Leasing generierten dagegen ein Plus
im Neugeschäft von 7,4% (vgl. Tab. 1).
Durch die stark rückläufige Entwicklung beim ImmobilienLeasing verringerte sich die Leasingquote, also der Anteil
der gesamten Leasinginvestitionen an den gesamtwirtschaftlichen Anlageinvestitionen (ohne Wohnungsbau) in
der Bundesrepublik 2008 von 17,0 auf 16,1%. Beim Mobilien-Leasing blieb die Quote hingegen unverändert bei
22,1% (vgl. Tab. 2).
Die effektiven Anschaffungswerte aller noch vermieteter Wirtschaftsgüter – ohne Berücksichtigung der Abschreibungen
– summierten sich am 31. Dezember 2008 für die gesamte Leasingbranche auf knapp 250 Mrd. €, verteilt auf rund
5,1 Mill. Verträge.
Fahrzeug-Leasing noch auf Wachstumskurs –
Big Tickets stark rückläufig
Die Autokonjunktur nahm 2008 wieder Fahrt auf, das wirkte sich positiv auf die Leasingbranche aus, denn Stra-
Daten und Prognosen
Tab. 1
Bruttoanlageinvestitionen 2001–2009 in jeweiligen Preisen
Bundesrepublik Deutschland
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
a)
2009
b)
Herstellerunabhängiges Leasing
Investitionen
(in Mill. )
Veränderungen
gegenüber dem
Vorjahr (in %)
28 630
28 830
27 470
25 260
26 570
28 720
29 400
26 880
20 280
2,1
0,7
– 4,7
– 8,0
5,2
8,1
2,4
– 8,6
– 24,6
23 650
25 620
27 520
21 800
16,4
8,7
1,0
c)
Anlagenvermietung insgesamt
8,3
7,4
– 20,8
52 370
55 020
54 400
42 080
4,8
5,1
– 1,1
– 22,6
Hersteller-Leasing
Investitionen
(in Mill. )
Veränderungen
gegenüber dem
Vorjahr (in %)
18 600
18 440
18 500
1,4
– 0,9
0,3
21 540
23 420
Investitionen
(in Mill. )
47 230
47 270
45 970
46 800
49 990
Veränderungen
gegenüber dem
Vorjahr (in %)
1,8
0,1
– 2,8
1,8
6,8
a)
b)
c)
Vorläufig. – Anhand der Planangaben berechnet. – Soweit erfasst.
Quelle: ifo Investitionstest.
Tab. 2
a)
Gesamtwirtschaftliche Investitionen 2001–2009 in jeweiligen Preisen
Bundesrepublik Deutschland
Gesamtwirtschaftliche
Investitionenb) (in Mill. )
Veränderungen gegenüber dem
Vorjahr (in %)
Zum Vergleich:
Leasing-Investitionene) (in Mill. )
Veränderungen gegenüber dem
Vorjahr (in %)
Leasingquote (in %)
darunter:
Gesamtwirtschaftliche
Ausrüstungsinvestitionenf)
(in Mill. )
Veränderungen gegenüber dem
Vorjahr (in %)
Investitionen des MobilienLeasings (in Mill. )
Veränderungen gegenüber dem
Vorjahr (in %)
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008c)
2009d)
290 670
268 590
263 620
266 100
272 630
296 190
322 780
337 420
292 500
– 3,6
– 7,6
– 1,9
0,9
2,5
8,6
9,0
4,5
– 13,3
47 230
47 270
45 970
46 800
49 990
52 375
55 020
54 400
42 080
1,8
16,2
0,1
17,6
– 2,8
17,4
1,8
17,6
6,8
18,3
4,8
17,7
5,1
17,0
– 1,1
16,1
– 22,6
14,4
192 270
176 380
173 680
179 380
186 700
204 950
224 030
229 720
186 000
– 4,1
– 8,3
– 9,7
3,3
4,1
9,8
9,3
2,5
– 19,0
39 780
38 260
38 450
41 830
44 250
44 880
49 600
50 840
39 300
3,0
– 3,8
0,5
8,8
5,8
1,4
10,5
2,5
– 22,7
Mobilien-Leasingquote (in %)
20,7
21,7
22,1
23,3
23,7
21,9
22,1
22,1
21,1
Gesamtwirtschaftliche
a)
98 400
92 210
89 940
86 720
85 930
91 240 98 750
107 700 106 500
Bauinvestitionen (in Mill. )
Veränderungen gegenüber dem
Vorjahr (in %)
– 2,5
– 6,3
– 8,6
– 3,6
– 0,9
6,2
8,2
9,1
– 1,1
Investitionen des ImmobilienLeasings (in Mill. )
7 450
9 010
7 520
4 970
5 740
7 495
5 420
3 560
2 780
Veränderungen gegenüber dem
Vorjahr (in %)
– 4,0
20,9
– 16,5
– 33,9
15,5
30,6
– 27,7
– 34,3
– 21,9
Immobilien-Leasingquote (in %)
7,6
9,8
8,4
5,7
6,7
8,2
5,5
3,3
2,6
a)
Ohne Wohnungsbau. Zeitreihen vom Statistischen Bundesamt revidiert. – b) Brutto-Anlageinvestitionen nach neuem Statistikkonzept
(ESVG). – c) Vorläufig. – d) Anhand der Planangaben berechnet. – e) Soweit erfasst. – f) Einschließlich sonstiger Angaben (z.B.
Software).
Quelle: ifo Investitionstest; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
67
68
Daten und Prognosen
ßenfahrzeuge sind für sie die mit großem Abstand wichtigste Gütergruppe. Die Inlandszulassungen von Pkw erhöhten sich von Januar bis Juli gegenüber dem Vorjahr
um 3,3% und bei Lkw sogar um 5,6%. In den folgenden
Monaten waren dann teils kräftige Rückgänge der Zulassungszahlen zu beobachten – allein im November belief
sich das Minus auf knapp 18%. Außerdem ist bereits ein
deutliches Downsizing bei Modellen und Motoren auch
beim Leasing festzustellen. Angesichts der Produktionsstilllegungen in der Autoindustrie in den letzten Wochen
des Jahres stellte sich 2008 schließlich insgesamt ein Minus bei den Fahrzeugkäufen (in Stück) von 1,8% ein. Wertmäßig konnte hingegen das Vorjahresniveau gehalten werden. Wesentlich besser als der Markt entwickelte sich
2008 das Auto-Leasing.
Die Zahl der neu verleasten Fahrzeuge erhöhte sich 2008
immerhin um fast 6% auf 1 364 200. Gemessen an den
gesamten Neuzulassungen in der Bundesrepublik stieg der
Marktanteil des Leasings in diesem Produktsegment somit
deutlich von 36,3 auf 37,4%. Wertmäßig entfielen 62,1% der
Leasinginvestitionen auf Straßenfahrzeuge (2007: 58,3%),
und deren Anteil am Wert der gesamten gewerblichen Fahrzeugkäufe (Leasingquote) stellte sich auf 58,4% (2007:
55,3%). Das heißt, dass das Leasing auch 2008 die eindeutig bedeutendste Beschaffungsform bei Fahrzeuginvestitionen geblieben ist.
Von den 1 364 200 im Jahr 2008 neu vermieteten Straßenfahrzeugen waren 1 177 100 Pkw und Kombi (+ 7,2%) sowie 187 100 Lkw, Busse, leichte Nutzfahrzeuge und Anhänger (– 4,2%). Von den markenunabhängigen Leasinggesellschaften wurden rund 349 200 Straßenfahrzeuge neu
vermietet, im Bereich des Hersteller-Leasings rund 1 015 000
(vgl. Tab. 3).
Tab. 3
Kraftfahrzeug-Leasing 2008
Investitionen des Fahrzeug-Leasings
in Mill. Stückzahlen
a)
33 800
1 364 200
davon:
Herstellerunabhängiges Leasing
in Mill. Stückzahlen
Herstellerabhängiges Leasing
in Mill. Stückzahlen
24 460
1 015 000
Gesamte Neuzulassungen von
Kraftfahrzeugen in Deutschland
Stückzahlen
3 650 180
9 340
349 200
davon:
Leasing-Fahrzeuge in %
a)
Neuzugänge.
Quelle: ifo Investitionstest; Kraftfahrt-Bundesamt.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
37,4
Den zweiten Platz unter den neu verleasten Gütern behaupteten auch 2008 wieder die Maschinen für die Produktion.
Ihr Anteil beträgt jetzt 13,4% (2007: 13,2%) der gesamten
Leasinginvestitionen. Nach der EU-einheitlichen Gütersystematik zählen hierzu auch Gabelstapler, Flurförderfahrzeuge und Baugeräte.
Der Computer- und Kommunikationsbereich zählt zwar heute nicht mehr zu den Wachstumstreibern, er ist aber noch
immer einer der innovativsten in der Wirtschaft. Jeder, der
sich mit ihm beschäftigt, muss sich dem rasanten Entwicklungstempo und der teils enormen Markt- und Preisvolatilität anpassen, das gilt natürlich auch für die Leasinggesellschaften. Die Büromaschinen und Datenverarbeitungsanlagen, die bis 1984 im Leasinggeschäft immer dominiert hatten, verloren in den Folgejahren – mit dem Siegeszug des
PCs – kontinuierlich Anteile an den gesamten Leasinginvestitionen. Dieser Trend konnte seit 1997 gestoppt werden. Seit dem Jahr 2002 – nach Jahrtausendwende und
Euroumstellung – musste das EDV-Leasing bei nominaler
Betrachtung aber größtenteils wieder Rückgänge hinnehmen, so auch 2008. Die Leasinginvestitionen gingen in diesem Segment gegenüber 2007 um 4,5% zurück; das ist angesichts der hier immer noch anhaltenden Preissenkungsrunden und der wesentlich stärkeren Einbrüche in den übrigen Produktkategorien ein ordentliches Ergebnis. Der Anteil des IT-Bereichs am gesamten Leasingvolumen reduzierte sich von 8,1 auf 7,8%. Das Wachstum dieser Produktgruppe wird bei nominaler Betrachtung allerdings stark unterzeichnet, da bei EDV-Anlagen und Büroequipment einschließlich der Software die Preise seit vielen Jahren rückläufig sind. Experten gehen davon aus, dass dieser Preisverfall noch nicht beendet ist.
Seit dem Ende der achtziger Jahre werden in Deutschland
Software-Leasingverträge auch separat von Hardware-Verträgen angeboten. Dieses Marktsegment wächst seit einigen Jahren kontinuierlich und bietet den Leasinggesellschaften die Möglichkeit, an der zügigen Expansion dieser immateriellen Wirtschaftsgüter zu partizipieren.
Die »sonstigen Ausrüstungsgüter« einschließlich Nachrichten-, Medizin- und Signaltechnik sowie immaterieller Wirtschaftsgüter wurden 2008 überdurchschnittlich nachgefragt,
sie hatten ein Plus von 6,4% zu verzeichnen, damit erhöhte sich ihr Anteil an den gesamten Leasinginvestitionen von
6,8 auf 7,3%, das bedeutet Platz 4. In dieser Gruppe gibt
es neben hochpreisigen immateriellen Assets ein extrem heterogenes Bündel von Leasinggütern, die auch recht unterschiedliche Entwicklungen aufzuweisen hatten.
Auf dem Gebiet der Telekommunikation besteht beispielsweise nach wie vor ein erheblicher Investitionsbedarf, der
sich nicht nur auf relativ niedrigpreisige Endgeräte, sondern auch auf teure Vermittlungstechnik, Sendeanlagen
Daten und Prognosen
und Satelliten erstreckt. Diese Technologien erfordern einen enormen Kapitalbedarf, der auch mittels Leasing gedeckt werden kann. Mit dem wachsenden Bedarf an neuen Fernsehdiensten, Handy-TV und vor allem schnellen
und breitbandigen Internetverbindungen zwischen den
Kontinenten investieren die Satellitenbetreiber massiv in
neue Kapazitäten. Mit dem Angebot neuer Mobilfunkdienste steigt auch der Bedarf an Übertragungseinrichtungen
enorm. Zahlreiche Funkstationen befinden sich bereits im
Eigentum von Leasinggesellschaften. Unternehmen investieren auch in beträchtlichem Umfang in immaterielle Wirtschaftsgüter, nicht zuletzt die Neugründungen im Dienstleistungssektor.
Schließlich zählen auch die Produkte der Medizintechnik
zur Rubrik der sonstigen Ausrüstungsgüter. Der weltweit
wachsende Markt für Medizintechnik umfasst sowohl Massenprodukte als auch Hightech-Artikel, die fast alle auch
auf dem Wege des Leasings vertrieben werden. Sogar für
aufwendige Spitzentechnologien wie Protonenquellen wurden Leasingkonzepte entwickelt. Die deutschen Medizintechnikanbieter rangieren in der international führenden Topliga weit oben und erweitern ständig ihre Systemkompetenzen um Dienstleistungen, zu denen auch Finanzdienstleistungen wie das Leasing zählen. Diese Instrumente können dazu beitragen, den beträchtlichen Investitionsstau in
deutschen Krankenhäusern aufzulösen, der nach Angaben
der Deutschen Krankenhausgesellschaft auf 40 Mrd. € geschätzt wird. Andere Experten halten diesen Ansatz sogar
für eher konservativ.
Auf Platz 5 landeten die Produktionsgebäude, Lagerhallen,
sonstige Bauten sowie die kompletten Produktions- und Versorgungsanlagen mit 3,6%. Den sechsten und letzten Platz
teilen sich 2008 mit je 2,9% Handelsobjekte, Geschäfts- und
Bürogebäude sowie Luft-, Wasser- und Schienenfahrzeuge, letztere verloren gegenüber 2007 fast ein Viertel ihres
Volumens. Dieses Produktsegment hat seit jeher eine sehr
volatile Entwicklung aufzuweisen. Das Leasing von Luft-,
Wasser- und Schienenfahrzeugen war in der Periode
2001/2002 eingebrochen. Dafür sorgten damals die geänderten steuerlichen Rahmenbedingungen und die schwere
Krise in der internationalen Luftfahrt. In den Jahren 2003 und
2004 nahmen dann die Leasinginvestitionen bei diesen Big
Tickets wieder um 20 und 30% zu. 2005 und 2006 folgte
ein kräftiger Rückgang. Im Jahr 2007 erlebte das Segment
einen Boom mit einer Wachstumsrate von 69%.
Strukturwandel unangefochten auch die Nummer 1 im Leasing. Die Leasinggesellschaften erhöhten hier auch 2008
ihre Investitionen um rund 5% und platzierten damit ein
knappes Drittel ihres Neugeschäfts in diesem äußerst facettenreichen Wirtschaftsbereich. Dieser Sektor wird in
Deutschland hinsichtlich seiner Bedeutung noch häufig unterschätzt, was wohl auch daran liegt, dass er ein sehr heterogenes Konglomerat von Gewerbezweigen ist. Es erstreckt sich vom Hotel- und Gaststättengewerbe über Banken, Versicherungen, Rundfunkanstalten, Filmgesellschaften, Internetprovider, Autovermieter, EDV- und Multimedia-Dienstleister, Unternehmensberater, Verlage, Werbeagenturen, Callcenter, Bewachungs- und Reinigungsunternehmen bis hin zu mittelständischen Selbständigen wie Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten, Ingenieurbüros, Steuerberatern, Maklern und privaten Stellenvermittlern. In diesen
Berufsgruppen machen die besonders leasinggeeigneten
Fahrzeuge und Büromaschinen einschließlich EDV-Anlagen
den größten Teil des Investitionsbedarfs aus, weshalb sie
schon immer eine interessante Zielgruppe für die Leasinggesellschaften waren. Besonders bei den unternehmensnahen Dienstleistern entstehen nach wie vor neue Arbeitsplätze, die mit Investitionsgütern von hoher Leasingaffinität ausgestattet werden.
Das verarbeitende Gewerbe war von Anfang an der wichtigste Kunde der Leasinggesellschaften und konnte diese
Abb. 1
Leasingquoten Bundesrepublik Deutschland
a)
Anteil des Leasings an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen in %
28
26
24
22
20
18
16
Mobilien-Leasing
b)
14
12
Leasing insgesamt
10
8
6
4
Dienstleistungsunternehmen, der Staat und
die privaten Haushalte steigerten ihre Leasingengagements am kräftigsten
Seit dem Jahr 1996 ist der Dienstleistungssektor als größter Bereich der deutschen Wirtschaft und Gewinner im
2
0
79 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 09
a)
b)
Ohne Wohnungsbau. Ab 1991 neues Statistikkonzept (ESVG).
Anteil des Mobilien-Leasings an den gesamtwirtschaftlichen Ausrüstungsinvestitionen.
2009: vorläufig.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
69
70
Daten und Prognosen
Position 30 Jahre lang halten, danach ging sein Anteil an
den gesamten Leasinginvestitionen ziemlich stetig zurück.
Seit 2005 erhöhte er sich in diesem Sektor wieder, zuletzt
erreichte sein Anteil einen Wert von 21,7%. Dies bedeutet
weiterhin Rang 2. Auch der Handel gehört zu den traditionellen Wirtschaftsbereichen, die als Leasingkunden jahrelang an Gewicht verloren hatten. Seit 1998 bewegte sich
sein Anteil an den Leasinginvestitionen gelegentlich auch
nach oben. 2007 nahmen die Leasingengagements des
Handels sogar sprunghaft um über 25% zu, wodurch sein
Anteil von 12,7 auf 15,3% hochschnellte; 2008 reduzierten
sich hier die Leasinginvestitionen jedoch um rund 18%. Der
Anteil von 12,9% reichte aber erneut für den dritten Platz.
Diese auffälligen Bewegungen werden meist durch das Immobilien-Leasing ausgelöst.
Nach einem Zuwachs um 10% im Jahr 1999 war das Privat-Leasing (Straßenfahrzeuge) von 2000 bis 2002 rückläufig. Im Jahr 2003 belebten sich die Geschäfte in diesem
Segment merklich und 2004 sogar um über 20%. 2005 war
das Wachstum deutlich geringer. Im Jahr 2006 führten die
Effekte im Vorfeld der Mehrwertsteuererhöhung von 2007
zu einem Rückgang des privaten Auto-Leasings. Mit einem
unterdurchschnittlichen Wachstum (+ 3,9%) verminderte
sich der Anteil diese Marktsegments an den Leasinginvestitionen von 10,6 auf 10,5%. Im Jahr 2008 sorgte ein Wachstum von 15% für einen Anteil von 12,2% und beförderte
diese Kundengruppe schließlich auf Rang 4. Derart kräftige Wachstumsschwankungen sind im Privat-Leasing nicht
ungewöhnlich. Die Hersteller, die hier mit einem Marktanteil von über 90% klar dominieren, beeinflussen mit unterschiedlich starken Verkaufsanreizen für den Autokredit oder
das Auto-Leasing die Entwicklung dieser Leasingsparte
maßgeblich. Auch im Jahr 2008 promoteten einige Hersteller das Privat-Leasing, einige sogar sehr intensiv. Im Mittelpunkt dieser Aktionen standen nicht nur günstige Leasingraten, sondern auch zusätzliche Dienstleistungspakete. Bei diesem »Bundling« werden beispielsweise Versicherungen, Garantieverlängerungen, Assistanceleistungen und
Inspektionsschecks offeriert. Der Autobranche ging es dabei nicht zuletzt auch darum, wieder mehr private Kunden
in ihre Verkaufsräume zu locken, denn 1992 wurden noch
zwei Drittel aller neuen Pkw von Privatpersonen zugelassen, 2008 ist dieser Anteil auf rund 40% zusammengeschmolzen.
Der starke Rückgang bei den Big Tickets schlägt sich 2008
beim Sektor Verkehr- und Nachrichtenübermittlung nieder. Sein Anteil am Leasingportfolio des Jahres 2008 verminderte sich damit von 12,1 auf 10,4%, das bedeutet
Rang 5.
Das Baugewerbe weist seit vielen Jahren ein zumindest
durchschnittliches Wachstum seiner Leasingengagements
auf. 2007 gab es sogar einen enormen Wachstumssprung
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Abb. 2
Leasinginvestitionen 2008
Verteilung nach
Güterarten
100%
90%
80%
70%
Sektoren
Handelsobjekte, Geschäfts- /Bürogebäude
Produktionsgebäude,
Lagerhallen u.Ä.
sonstige Ausrüstungen
Büromaschinen
einschl. EDV
Energieversorgung,
einschl. Land- u.
Forstwirtschaft
Staat
Baugewerbe
Verkehr- u. Nachrichtenübermittlung
private Haushalte
Produktionsmaschinen
60%
Handel
50%
verarbeitendes
Gewerbe
40%
30%
Fahrzeuge,
einschl. Luft-, Wasseru. Schienenfahrzeuge
20%
Dienstleistungen
10%
0%
Quelle: ifo Investitionstest.
von + 33%. Dadurch kletterte sein Anteil am gesamten Leasingvolumen von 4,6 auf 5,8%, der sich 2008 auf 5,4% reduzierte. Dagegen fallen dessen selbst bilanzierte Investitionen seit 2000 kräftig zurück und haben inzwischen ein außergewöhnlich niedriges Niveau erreicht. Die Bauwirtschaft
fährt angesichts einer sehr volatilen Auftragslage seit geraumer Zeit konsequent ihre eigenen Investitionen zurück
und bedient sich intensiv des Angebots von allen Arten von
Vermietungsdienstleistern. Sie hat inzwischen die mit Abstand höchste Leasingquote aller Sektoren und setzt noch
stärker das Renting, also die kurzfristige Anmietung, ein (vgl.
Städtler 2009).
Über Jahrzehnte hinweg hielt der Staat als Leasingkunde
die rote Laterne. Seit dem Jahr 2003 nehmen seine Leasinginvestitionen indessen tendenziell zu, teilweise sogar
sprunghaft. Dem enormen Wachstum von 2005, von über
60%, folgten 2006 und 2007 allerdings Rückgänge, wodurch der Anteil des Staates an den gesamten Investitionen der Leasingbranche von 3,7 auf 2,8% zurückfiel. Ein
Wachstum seiner Leasinginvestitionen von 35% sorgte 2008
für ein Ansteigen des Anteils auf 3,8%. Auslöser dieser starken Schwankungen sind vor allem sehr große Immobilienprojekte, die diskontinuierlich anfallen, bei Mobilien zeigt
die Entwicklung weiter nach oben. Wenn man nicht nur den
Daten und Prognosen
Staat im engeren Sinne, also die Gebietskörperschaften und
die Sozialversicherung mit berücksichtigt, sondern auch die
Eigengesellschaften der öffentlichen Hand mit eigener
Rechtspersönlichkeit, verdoppelt sich der Leasinganteil nahezu. Derartige Kapitalgesellschaften, insbesondere in den
Bereichen Personennahverkehr, Energieerzeugung und Abwasserentsorgung, werden statistisch nicht dem Staat, sondern den zuständigen fachlichen Wirtschaftsbereichen zugeordnet. Das gilt entsprechend auch für geleaste Straßenbahnen, Kraftwerke oder Kläranlagen. Diese rechtlich
selbständigen Unternehmen der Gebietskörperschaften haben einen wesentlichen Anteil an den Leasinginvestitionen
im Verkehrs- und Entsorgungssektor sowie nicht zuletzt für
Kliniken. Eine weitere Form staatsnaher Einrichtungen sind
die Organisationen ohne Erwerbszweck, wie etwa Forschungsinstitute, die in den letzten Jahren ebenfalls häufiger leasten.
Der primäre Sektor der Wirtschaft, also die Energie- und
Wasserversorgung, der Bergbau sowie die Land- und
Forstwirtschaft, hatte 1997 seinen Leasinganteil fast halbiert, konnte ihn 1998 wieder steigern, fiel 1999 wieder
von 3,6 auf 3,0% zurück, stieg 2000 schließlich wieder
auf 4,7% und ging seit 2001 wieder zurück, bis er 2004
seinen Tiefpunkt mit 1,7% erreichte. Seither bewegt sich
sein Anteilswert bei rund 2%. Im Jahr 2008 stieg er schließlich von 2,1 auf 2,2%. Der Zuwachs der Leasinginvestitionen von über 4%, ging großenteils auf das Konto der Landwirtschaft.
Finanzdienstleistungen und mehr
Besondere Bilanzierungsregeln und die hausgemachten Probleme beim Auto-Leasing in den USA, dem Mutterland des
Leasings, haben es mit sich gebracht, dass das Leasing dort
heute nicht mehr die bevorzugte Finanzierungsform für Investitionsgüter ist. Die dortigen Leasinggesellschaften können sich nicht mehr nur auf dieses Finanzierungsangebot
beschränken. Der ehemalige Leasingverband der USA nennt
sich deshalb jetzt »Equipment Leasing and Finance Association« (vgl. Demberg 2008). Schon seit einigen Jahren werden auch in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von deutschen Leasinggesellschaften Geschäftsmodelle entwickelt, die über das traditionelle Leasing hinausgehen
oder es sinnvoll ergänzen, die aber auf der Ebene ihrer Kompetenzen als Finanz-, Investitions- und Dienstleistungsexperten liegen. Die Umsätze in diesem Segment erreichen inzwischen schon mehrere Milliarden Euro jährlich und haben deutlich steigende Tendenz. Die Palette der Angebote
reicht vom traditionellen Mietkauf, der 2008 um 21% zulegte, über zusätzliche Services, wie Asset- und Facility-Management, Bauconsulting, Fuhrparkmanagement, Sonderfinanzierungen, Fondskonzeptionen, Advising und Packaging bis zur Autovermietung (Renting). Diese Aktivitäten er-
möglichen den Gesellschaften, sich über zusätzliche bzw.
ergänzende Dienstleistungen und divergierende Leistungsmerkmale gegenüber anderen Wettbewerbern – insbesondere dem Investitionskredit der Banken – abzuheben und
Erträge zu erzielen. Zudem können diejenigen, die im Bereich der Big Tickets engagiert sind, die hier übliche enorme Volatilität des Auftragseingangs abfedern.
Der ifo Investitionstest misst die Entwicklung der Leasingbranche an ihrem bilanzierten Neugeschäft, also dem Zugang an aktivierungsfähigen Investitionsgütern. Schon definitionsgemäß ist hier das Geschäft mit den werthaltigen zusätzlichen Services nicht enthalten, die seit Jahren einen
erheblichen Beitrag zum Umsatz und Ertrag der Leasinggesellschaften leisten und die bei Kunden häufig den Ausschlag bei der Entscheidung für das Leasing geben, dies gilt
auch für sehr liquide Unternehmen. Besonders häufig ist dies
beim Auto-Leasing mit Full Service, bei Büromaschinen und
EDV-Equipment, bei Immobilien sowie bei Big Tickets, wie
etwa Flugzeugen, der Fall.
2009: Im Griff der Rezession
Mitte August dieses Jahres gab es erste hoffnungsvolle
Zahlen zu den Exporten und Auftragseingängen der Industrie sowie überraschend gute Nachrichten der Statistiker
aus Wiesbaden. Bei aller Freude über die unerwartet positive erste Schätzung des Statistischen Bundesamts zum
BIP im zweiten und dann auch im dritten Quartal 2009 sollte man daraus nicht ableiten, dass die Wirtschaftskrise
überwunden ist. Nachdem die deutsche Wirtschaft vier
Quartale in Folge geschrumpft war, wuchs sie im zweiten
Quartal gegenüber den ersten drei Monaten des Jahres
um 0,4% (drittes Quartal: + 0,7%), gegenüber dem Vorjahr
gab es allerdings ein Minus von 7,1%. Als Stützen dieses
moderaten Wachstums erwiesen sich der private Verbrauch, vor allem getrieben durch die »Abwrackprämie«
und staatlich geförderte Kurzarbeit, der Staatskonsum sowie die Bauinvestitionen, die vom staatlichen Konjunkturprogramm profitieren. Dies ist also ein geborgter Aufschwung, vielleicht auch nur ein Zwischenhoch. Die Bundesbank warnte sogar vor einer zweiten Runde der Finanzkrise, ausgelöst durch eine Zunahme der Insolvenzen von
Firmen und Privatleuten (vgl. o.V. 2009a).
Die Ausrüstungsinvestitionen brachen jedoch – trotz wieder eingeführter degressiver Abschreibung – erneut ein.
Nach einem drastischen Rückgang im ersten Quartal um
nominal 21,1% fiel das Minus im zweiten Quartal mit 24,4%
noch etwas höher aus und belief sich im dritten Quartal
auf – 21,9%. Von dieser Entwicklung wurde das Mobilien-Leasing, im Gegensatz zu den früheren Rezessionen,
mit voller Wucht getroffen. Hierfür sind auch die Auswirkungen der umstrittenen Unternehmensteuerreform von
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
71
72
Daten und Prognosen
Abb. 3
Leasing: Entwicklung und Quoten
bleme haben, entsprechende Kredite zu erhalten. Verschiedene Wirtschaftsverbände befürchten sogar, dass
der Kreditmangel demnächst noch zunehmen könnte. In
diesem Zusammenhang warnte jüngst die Bundesbank
vor weiteren Verlusten im Bankensektor, und die Ratingagentur S&P konstatierte, dass die meisten Banken weltweit unterkapitalisiert seien (vgl. Schrörs, Schreiber und
Mai 2009). Angesichts dieser prekären Situation halten
sich die Unternehmen merklich mit Neuinvestitionen zurück. Eine bislang nicht gekannte Volatilität im Wirtschaftsgeschehen erschwert zudem nicht nur die Investitionsplanung, sondern mindert wohl auch die Investitionsbereitschaft.
Bundesrepublik Deutschland
1992 = 100
220
Investitionsentwicklung
a)
Leasing
200
180
160
140
gesamte Wirtschaft
120
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09
b)
Anteil gemieteter Anlagen an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen in %
20
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16
14
12
10
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a)
b)
97
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09
In jeweiligen Preisen.
2008: vorläufig, 2009: Planung.
Quelle: ifo Investitionstest Anlagenvermietung; Statistisches Bundesamt.
Die Bundesregierung will der einbrechenden Nachfrage
nach Investitionsgütern mit einer Reihe von Fördermaßnahmen begegnen. Die Wiedereinsetzung der degressiven Abschreibung für die Jahre 2009 und 2010, diesmal mit einem Satz von 25%, setzt daher zwar prinzipiell an der richtigen Stelle an, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen anzuregen, es ist aber zu befürchten, dass die Wirkung – ebenso wie die befristete Aussetzung der Kfz-Steuer – in der aktuellen konjunkturellen Situation und den unterausgelasteten Kapazitäten in der Industrie viel zu schwach
sein wird, um eine rezessive Investitionsentwicklung zu verhindern. Diese Maßnahme könnte aber zumindest gegen
Ende des Jahres 2010 zu vorgezogenen Ausrüstungskäufen führen. Die in den beiden Konjunkturpaketen der Bundesregierung bereitgestellten Mittel für öffentliche Investitionen in die Infrastruktur werden in erster Linie die Bauinvestitionen stützen.
2008 und die Refinanzierungsproblematik im Gefolge der
Erste positive Signale des ifo Geschäftsklimas für die deutBankenkrise verantwortlich. Nach den Trendumfragen des
sche Leasingwirtschaft im Jahresschlussquartal 2009 nähBundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen (vgl.
ren zumindest die Hoffnung, dass sich das Leasinggeschäft
BDL 2009) stürzte das Neugeschäft beim Leasing bewegnach dem dramatischen Absturz gefangen hat. Ausschlaglicher Wirtschaftsgüter von Januar bis September 2009 (nominal) um rund 24% ab.
Das ist in der 47-jährigen Geschichte des
Abb. 4
Leasings in Deutschland ein einmaliger VorImmobilien-Leasing
gang und wird auch die InvestitionsmögQuote
Investitionen
lichkeiten mittelständischer Unternehmen
in %
Mrd. €
12
10
tangieren.
9
Bereits im zweiten Halbjahr 2008 brach der
investitionsgetriebene Boom der Weltwirtschaft schlagartig zusammen, und im Zuge der einbrechenden Nachfrage nach Industriegütern bewegten sich dann die Produktionskapazitäten in rasantem Tempo
von der Normal- in die Unterauslastung.
Dies betraf nicht nur neue Bestellungen, es
wurden auch in ungewöhnlichem Maße bereits erteilte Aufträge annulliert. Hinzu
kommt, dass selbst diejenigen Unternehmen, die noch Investitionen planen, oft Proifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
10
8
7
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6
5
6
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96
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08
Investitionen des Immobilien-Leasings gemessen an den gesamtwirtschaftlichen Bauinvestitionen ohne
Wohnungsbau.
2009: Schätzung.
Quelle: ifo Investitionstest; Statistisches Bundesamt.
09
Daten und Prognosen
gebend für die leichte Aufhellung am aktuellen Rand waren in erster Linie die optimistischeren Geschäftserwartungen. Die Geschäftslage ist nach wie vor als katastrophal
zu bezeichnen, die aktuellen Urteile scheinen aber einen
Halt nach unten gefunden zu haben. Im November 2009
bewerteten zwei Fünftel der Testteilnehmer ihren Geschäftsgang als schlecht, 51% als befriedigend, und nur 9% der
Befragten empfanden ihre derzeitige Geschäftssituation als
gut. Die Geschäftserwartungen hatten zwar vor Jahresfrist
(November 2008: per saldo – 52%) ein gänzlich neues Tief
ausgelotet, seither nahmen aber die skeptischen Stimmen
zügig ab, und seit April 2009 überwogen bereits wieder
die positiven Meldungen. Im November 2009 zeigten sich
immerhin per saldo 37% der Leasingunternehmen zuversichtlich in Bezug auf die Geschäftsentwicklung im nächsten halben Jahr.
Auch der geglättete Geschäftsklimaindikator (nach dem
STAMP 6.02-Testverfahren bereinigt1) tendiert seit den Frühjahrsmonaten 2009 nach oben und übersprang im Oktober wieder die Nulllinie. Bei der Gegenüberstellung der Zeitreihen »Mobilen-Leasing« und »unternehmensnahe Dienstleister« (ohne Handel, Kreditgewerbe, Leasing, Versicherungen und Staat) fällt auf, dass sich die Leasinggesellschaften über einen langen Zeitraum in einer günstigeren konjunkturellen Verfassung befanden als die ausgewählten
Dienstleister, das Geschäftsklima im Leasingbereich erschien
bis zu den Herbstmonaten 2007 spürbar freundlicher (vgl.
Abb. 5). Danach gingen beide Zeitreihen im konjunkturellen
Gleichlauf nach unten, die Abschwächung war dabei im Leasingsektor allerdings ausgeprägter, aufgrund der Konzentration des Geschäfts auf die besonders rezessionsgeplagten Investitionsgüter.
Die Gemeinschaftsdiagnose vom Herbst 2009 geht davon aus, dass die Ausrüstungsinvestitionen inklusive der
sonstigen Anlagen 2009 preisbereinigt um rund 20% zurückgehen werden, während für die Investitionen in den
Nichtwohnungsbau ein Minus von etwa 2% erwartet wird.
Dieser Einbruch bei den Ausrüstungsinvestitionen hat die
Geschäftsgrundlage der Leasingbranche enorm eingeschränkt, insbesondere in Anbetracht des Absturzes beim
Absatz von gewerblich genutzten Straßenfahrzeugen. Davon sind nicht nur Pkw betroffen, auch der ungewöhnlich lange Boom bei Nutzfahrzeugen ist zu Ende gegangen. Für 2009 ist hier mit einem kräftigen Zulassungsminus von etwa einem Viertel zu rechnen. Anders als in
den vorangegangenen Rezessionsperioden sind diesmal
nicht nur einzelne Investitionsgütergruppen und Abnehmerbranchen rückläufig, sondern das gesamte Spektrum.
Dadurch entfallen Ausgleichseffekte, die früher die Konjunkturausschläge auf das Leasinggeschäft deutlich gedämpft hatten.
1
Im Detail beschreiben dieses Testverfahren Koopmann et al. (2000).
Abb. 5
Unternehmensnahe Dienstleister und Leasing
Werte saisonbereinigt und geglättet
Geschäftsklima
a)
Prozentpunkte
40
40
30
30
20
20
10
10
0
0
-10
-10
-20
-20
Leasing
Dienstleistungen
-30
-40
2003
-30
-40
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Mobilien-Leasing
Salden
60
b)
60
40
40
20
20
0
0
-20
-20
aktuelle Geschäftslage
Geschäftsentwicklung in den nächsten 6 Monaten
-40
-60
2003
a)
b)
-40
-60
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Durchschnitt der Salden aus den Prozentsätzen der positiven und der negativen
Meldungen zu den Größen "Geschäftslage" und "Geschäftserwartungen".
Differenz aus den Prozentanteilen der positiven und negativen Firmenmeldungen.
Quelle: ifo Konjunkturtest Dienstleistungen.
Der auf den Lagebeurteilungen der Leasinggesellschaften
basierende Investitionsindikator2, der zusammen vom ifo Institut und dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) ermittelt wird, lässt für 2009 einen rekordverdächtigen Rückgang bei den Ausrüstungsinvestitionen
2
Dieser Forschungsansatz basiert auf den Urteilen zur aktuellen Geschäftslage durch die Leasinggesellschaften aus dem monatlichen ifo Konjunkturtest Dienstleistungen. Der methodische Ansatz zur Schätzung der Ausrüstungsinvestitionen benutzt ein strukturelles Zeitreihenmodell, das die
Zeitreihen in ihre Komponenten Trend und Zyklen, Saison- und irreguläre
Komponenten zerlegt. Es ergibt sich ein Prognosehorizont von vier Quartalen – bei der aktuellen Berechnung also bis zum vierten Quartal 2010;
zur Methode vgl. Gürtler und Städtler (2007). Unter normalen Umständen
wird auf kurze Frist der Trend als gegeben angenommen. Der stufenförmige Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen im ersten Quartal 2009 weist
jedoch darauf hin, dass als Folge der weltweiten Wirtschaftskrise jetzt nicht
nur ein zyklischer Rückgang, sondern auch ein Absacken des mittelfristigen Trends in Rechnung zu stellen ist. Dieser externe Einfluss wird bei der
vorliegenden Prognose durch eine Dummyvariable berücksichtigt; der durch
die Veränderung der Geschäftslage vorgegebene zyklische Abschwung
bewegt sich somit in der Prognoseperiode ab 2009 um ein niedrigeres
Trendniveau als in den Jahren vorher. Ende 2007 hatte das Auslaufen von
zeitlich befristeten Abschreibungserleichterungen zur merklichen Vorzieheffekten bei den Investitionsausgaben geführt. Dieser statistisch signifikante Wert (in Höhe von 2,6 Mrd. €) wurde in der ökonometrischen Analyse
im vierten Quartal 2010 in die Prognose eingerechnet.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
73
74
Daten und Prognosen
einschließlich der sonstigen Anlagen erkennen. Demnach
droht 2009 im Jahresdurchschnitt ein (nominales) Minus von
knapp einem Fünftel, und auch im Jahr 2010 ist von einem
Rückgang auszugehen, der allerdings bei weitem nicht mehr
so hoch ausfallen wird wie 2009 (vgl. Abb. 6).
Nach den Ergebnissen des ifo Investitionsindikators werden die Ausrüstungsinvestitionen bis zu den Herbstmonaten noch deutlich zurückgehen. Im späteren Verlauf des
Jahres dürften sich dann allerdings mit dem Auslaufen der
degressiven Abschreibung gewisse Vorzieheffekte ergeben. In der ökonometrischen Analyse wurden diese Effekte aus den Erfahrungswerten früherer Abschreibungserleichterungen separiert und in der Modellrechnung entsprechend berücksichtigt. Der Indikator zeigt dementsprechend in den ersten drei Quartalen 2010 einen Rückgang
zwischen 4 und 5%, zu anziehenden Ausrüstungskäufen
kommt es nach der Modellrechnung lediglich im Jahresschlussquartal. Alles in allem ergibt sich für 2010 eine
Schrumpfung der Ausgaben für Maschinen, Geräte und
Fahrzeuge in einer Größenordnung von rund 3% und damit einen Rückfall auf das Investitionsniveau des Jahres
2003. In der letzten Rezession zog sich die Investitionsflaute über zwölf Quartale hin. Aufgrund der weiterhin enormen Unterauslastung der Produktionskapazitäten verliert
auch das Erweiterungsmotiv der Unternehmen für die Investitionsplanung spürbar an Bedeutung. Lediglich auf
Rationalisierungs- und Ersatzzwecke gerichtete Investitionen werden 2010 verstärkt auf der Agenda der Unternehmen stehen.
November wurden gegenüber dem Vorjahr rund 28% weniger Nutzfahrzeuge neu zugelassen (vgl. VDA 2009).
Beim Leitprodukt des Leasings, den Straßenfahrzeugen, hat
es bereits in den letzten Monaten von 2008 tiefe Bremsspuren und auch ein Downsizing gegeben. Die Absatzflaute bei den großvolumigen Pkw, aber auch im Segment der
Nutzfahrzeuge, dämpfte im Jahr 2009 die Geschäftsentwicklung des Mobilien-Leasings in Deutschland überproportional; hinzu kommen die höheren Finanzierungskosten und
die schwierigere Refinanzierung. Hier macht sich bemerkbar, dass die Straßenfahrzeuge mit rund 66% einen sehr hohen Anteil am Mobilien-Leasing haben, während nur rund
28% der gesamtwirtschaftlichen Mobilieninvestitionen auf
diese Fahrzeuge entfallen.
Die extrem schwache Geschäftsentwicklung im MobilienLeasing wurde von dem enormen Rückgang des Privat-Leasings mit verursacht. Schon im ersten Halbjahr 2009 wurden 25% weniger Neuwagen an private Kunden verleast
als vor Jahresfrist, die Zahl der kreditfinanzierten Einheiten
schnellte dagegen um 61% nach oben (vgl. AKA 2009).
Der moderne Autokredit kommt dabei nicht selten im Leasing-Look daher. Im gesamten Jahr 2009 dürfte sich das
Privat-Leasing etwa halbieren. Einige Hersteller haben offenbar generell ihren Absatz stärker auf die Kreditfinanzierung umgestellt und das Leasinggeschäft entsprechend zurückgefahren (vgl. Fasse 2009). Eine weitere Schwächung
des Neugeschäftsvolumens resultiert aus einem Downsizing
bei den Gewerbekunden und vielen Verlängerungen von bestehenden Leasingverträgen. Dieses Verhalten ist nicht nur
Die Automobilindustrie ist der größte Investor im verarbeiauf konjunkturelle Gründe zurückzuführen, sondern vor altenden Gewerbe. Im Gegensatz zu den boomenden Verlem auch auf die Restwertproblematik. Großvolumige Autos
käufen überwiegend kleinerer Autos an private Nutzer im Zuwaren auf dem Second-Hand-Markt nur noch schwer und
ge der Abwrackprämie läuft das Geschäft mit gewerblichen
zudem mit enormen Abschlägen auf den bis dahin üblichen
Kunden noch immer äußerst schleppend. Von Januar bis
Preis zu veräußern. Diese Vertragsverlängerungen minderten zunächst die Nachfrage nach Neuwagen, diese Anschaffungen dürften aber größAbb. 6
tenteils 2010 nachgeholt werden. Eine balAusrüstungsinvestitionen bleiben schwach
dige Rückkehr zu dem Niveau, das vor der
Weltwirtschaftskrise herrschte, ist gleichwohl
in Mrd. €
65
nicht wahrscheinlich. Viele Flottenbetreiber
Investitionen in Mrd. Euro
Trend-Konjunktur-Komponente der Investitionen
haben inzwischen ihre »Car Policy« geändert
Indikator für die Trend-Konjunktur-Komponente
60
(vgl. o.V. 2009b). Neben Downsizing sind
auch dauerhafte Flottenverkleinerungen zu
55
beobachten, beispielsweise dadurch, dass
eine verringerte Zahl von Leasingfahrzeugen
50
durch kürzerfristige Lösungen ergänzt wird,
um die Flottenauslastung zu erhöhen und
45
damit die Fixkosten zu senken. Der weltweite Einbruch bei der Personen- und Güter40
beförderung sowie die nachlassenden Finanzierungsmöglichkeiten – vor allem für Groß35
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
projekte – ließen 2009 auch die Nachfrage
Berechnungsstand: 30. November 2009.
nach Flugzeugen, Schiffen und Bahnen drasQuelle: ifo Konjunkturtest Leasing; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Daten und Prognosen
tisch zurückgehen. Das spürten auch die Leasinggesellschaften, sie verzeichneten bei diesen Big Tickets 2009
um fast 60% weniger Neugeschäft.
Die Entwicklung des Immobilien-Leasings ist – wie immer
– nur schwer einzuschätzen. Die Rahmenbedingungen sind
durchwachsen: Im Nichtwohnbau (Hoch- und Tiefbau)
droht 2009 ein deutlicher Rückgang (etwa – 2,0%), wobei
der gewerbliche Bau massiv zurückgeht (rund – 5%), aber
der öffentliche Bau dank umfangreicher Konjunkturprogramme – deren vollständige und zeitgerechte Umsetzung
vorausgesetzt – deutlich zulegt (etwa + 6%; Bauinvestitionen insgesamt: – 1,4%). Für 2010 wird eine noch kräftigere (reale) Ausweitung des öffentlichen Baus erwartet
(etwa + 10%), der gewerbliche Bau sinkt aber weiter ab
(rund – 3%; Nichtwohnbau insgesamt: knapp + 1%). (vgl.
Rußig 2009). Die Leasinggesellschaften rechnen für 2009
mit einem weiteren starken Rückgang ihrer Immobiliensparte um rund 20%.
Im Jahr 2009 nahmen die Leasingengagements des Staates wieder deutlich zu. Offenbar haben die geleasten Polizeiflotten, die Leasingfahrzeuge der Bundeswehr und diverse geleaste öffentliche Immobilienprojekte eine Initialzündung ausgelöst, die nun für wesentlich mehr Leasingtransaktionen im Staatssektor sorgen. Die Bundeswehr, die seit
2002 ihren gesamten Fuhrpark an Straßenfahrzeugen auf
Leasing umgestellt hat, will mit diesem Flotten-ManagementKonzept ihre Fuhrparkkosten um 30% verringern. Der Anteil der geleasten Polizeiautos ist inzwischen auf 80% angestiegen (vgl. Wollrab 2008).
Die deutsche Leasingindustrie konnte sich in den letzten
Jahren an einer dynamischen Entwicklung ihrer Auslandsaktivitäten erfreuen. Sie profitierte von den lebhaften Exportaktivitäten der deutschen Wirtschaft, vor allem mit den osteuropäischen Beitrittsländern. Der Expansionsschwerpunkt
lag dabei weniger beim Cross-Border-Leasing, sondern im
Bereich des Offshoring, also in der Gründung von Auslandsdependancen bzw. Joint Ventures. Da die Finanzkrise inzwischen auch diese Zielländer besonders schwer getroffen
hat, ist 2009 auch das Auslandsgeschäft der deutschen Leasingbranche beträchtlich geschrumpft.
2010: Hoffnung auf ein moderates Wachstum
Inzwischen mehren sich die Anzeichen für eine Erholung der
Wirtschaft. Wichtige Indikatoren deuten auf eine Stabilisierung der Lage hin und verleiten einige Experten zu mutigen
Wachstumsprognosen. So hat der ehemalige »Wirtschaftsweise« Bert Rürup im November 2009 für die deutsche Wirtschaft im Jahr 2010 ein Wachstum um 2,2% vorhergesagt.
Einige Auguren sind dagegen wesentlich vorsichtiger und
weisen darauf hin, dass die konjunkturelle Besserung noch
keineswegs nachhaltig, sondern von temporär wirksamen
Faktoren angetrieben sei, wie den expansiven geld- und finanzpolitischen Maßnahmen. Auch die Bundeskanzlerin
warnte kürzlich davor, dass die Krise länger dauern und tiefer sein werde, als noch vor wenigen Monaten erwartet (vgl.
Heß, Murphy und Rinke 2009). Das Investitionsklima wird
sich angesichts der weiter geringen Kapazitätsauslastung
und der zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken 2010
wohl nur mäßig aufhellen. Viele Unternehmen räumen der
Sicherung ihrer Liquidität eine höhere Priorität ein und reduzieren ihre Investitionspläne. Die Gemeinschaftsdiagnose vom Herbst 2009 geht für das Jahr 2010 von einem geringen nominalen Minus (– 0,5%) bei den Ausrüstungsinvestitionen aus. Der ifo/BDL-Investitionsindikator deutet sogar
auf einen wesentlich stärkeren Rückgang hin. Auch die Deutsche Bundesbank schätzt, dass die gewerblichen Investitionen 2010 um etwa 6% zurückgehen könnten (vgl. o.V.
2009c). Das erwartete moderate Wachstum der Investitionen im Nichtwohnungsbau von rund 1% resultiert aus einem Minus im Wirtschaftsbau von 3% und einem kräftigen
Zuwachs beim öffentlichen Bau von 10%.
Solange aber die Investitionen nicht wieder anspringen, wird
es auch generell um das Wirtschaftswachstum schlecht bestellt sein, denn es gilt: »Nachhaltiges Wachstum erreicht
man nur durch Investitionen. Deutschland hatte in den vergangenen Jahren die niedrigste Nettoinvestitionsquote unter allen OECD-Ländern. Da darf man sich nicht wundern,
wenn das Land nicht mehr wächst. Wir haben den Löwenanteil unserer Ersparnisse ins Ausland geschafft, anstatt zu
Hause zu investieren« (Sinn 2009).
Das Leasinggeschäft wird vor allem von der Entwicklung auf
dem Markt für Straßenfahrzeuge tangiert. Einige Hersteller
planen auch für 2010 noch Kurzarbeit (vgl. o.V. 2009d).
Nachdem sich die Zahl der neu zugelassenen Pkw 2009 auf
rund 3,9 Mill. belaufen wird, ist für 2010 nur noch mit 2,8 bis
2,9 Mill. Einheiten zu rechnen (vgl. Hild 2009). Der kräftige
Rückgang um etwa ein Viertel wird vor allem das 2009 im
Gefolge der Abwrackprämie boomende Privatkundensegment betreffen, während bei den gewerblichen Zulassungen – nach dem Einbruch von 2009 – im laufenden Jahr
wohl ein Zuwachs, zumindest aber eine Bodenbildung wahrscheinlich ist. Auch das dann endgültige Auslaufen von 2009
verlängerten Auto-Leasingverträgen lässt für die typischen
Leasingfahrzeuge auf Wachstum hoffen. Der nächste Boom
in dieser Sparte wird aber wohl noch ein wenig auf sich
warten lassen, denn soweit aus Publikationen der deutschen
Autoindustrie zu erkennen ist, kann nicht damit gerechnet
werden, dass Elektroautos und andere völlig neu konzipierte, verbrauchsarme Fahrzeuge schon 2010 in großer Stückzahl auf den deutschen Markt kommen. Dies ist wohl erst
ab dem Jahr 2011 zu erwarten. Bis 2013 wollen 23 Hersteller in die Serienproduktion von Elektromobilen einsteigen (vgl. o.V. 2009e). Immerhin zeigen aber einige deut62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
75
76
Daten und Prognosen
sche Hersteller mit Kleinserien von Elektroautos, die sie per
Leasing oder Miete in einigen Ballungsräumen weltweit auf
die Straße gebracht haben, schon jetzt Flagge und weisen
darauf hin, wohin die Reise demnächst gehen wird. Die breite Markteinführung Energie sparender Technologien ist eine große Chance für die Leasinggesellschaften, denn sie
werden wieder gefragte Experten bei der Markteinführung
der neuen Produkte sein, die im Gefolge knapper und teuerer Energieressourcen in großer Zahl geordert werden. Das
sind neben neuen Generationen von Straßenfahrzeugen insbesondere Anlagen zur Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen, Maschinen und Elektroanlagen. Auch
früher wurden schon neue Technologien maßgeblich via Leasing verbreitet.
Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass Deutschland
ein Leitmarkt für Elektromobilität wird und dafür auch Fördermittel bereitstellen; im Jahr 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren (vgl. Tartler 2008).
Nicht alle Leasinggesellschaften wollen oder können so lange warten. Einige haben sich schon seit Ende 2008 ganz
oder teilweise vom Markt zurückgezogen, weil sie offenbar
auf überschaubare Frist – auch wegen mehrerer gravierender Probleme im Gefolge der Unternehmensteuerreform von
2008 – zu geringe Chancen für eine ausreichend ertragreiche Geschäftsentwicklung sehen.
Der laufende Investitionszyklus hat zwar im Jahr 2009 seinen Tiefpunkt durchschritten, die Aussichten auf ein merkliches Anziehen der Investitionsausgaben 2010 sind jedoch
gering. Die rezessive Entwicklung der Investitionen könnte
sogar noch länger andauern, obwohl Deutschland keineswegs überinvestiert ist. Im Gegenteil, die Nettoinvestitionsquote ist hier die niedrigste unter allen OECD-Ländern. Der
ifo/BDL-Investitionsindikator zeigt auch über weite Teile des
Jahres 2010 noch rückläufige Ausgaben für Ausrüstungsgüter an. Das Auslaufen der degressiven Abschreibung (diesmal mit einem Satz von 25%) könnte aber zumindest in den
letzten Monaten von 2010 zu vorgezogenen Ausrüstungskäufen führen. Die in den beiden Konjunkturpaketen der Bundesregierung bereitgestellten Mittel für Investitionen in die
Infrastruktur werden in erster Linie die Bauinvestitionen stützen, kommen aber auch Krankenhäusern und deren Gerätepark zugute (vgl. v. Richthofen 2009). Die Ausgaben für
Medizintechnik sind weniger konjunkturreagibel und zeigten
zuletzt auch eine dynamische Entwicklung im Portfolio der
Leasingbranche.
Auch wenn die Rahmenbedingungen sich zunehmend verbessern, dürften die Leasinggesellschaften nur allmählich
zur gewohnten Wachstumsdynamik zurückfinden. Sollte sich
die Refinanzierungsproblematik nicht deutlich abschwächen,
werden sie ihren Markt nicht voll ausschöpfen können. Die
Eigenkapitalbasis vieler Banken dürfte sich jedoch 2010
zunächst einmal verschlechtern, weil ihnen nochmals hohe
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Abschreibungen auf Wertpapiere und Kredite drohen. Dies
gilt als limitierender Faktor für die Vergabe von Krediten,
zumindest so lange bis der Verbriefungsmarkt wieder voll
funktionsfähig ist (vgl. Drost und Osman 2009). Für die weitere Entwicklung der Branche wird es darauf ankommen,
wie weit die neue Bundesregierung bereit ist, die vor allem
für mittelständische Leasinggesellschaften belastenden Teile der Unternehmensteuerreform von 2008 nachzubessern.
Einige Teile des jüngst verabschiedeten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes lassen aber hoffen, dass im Themenkomplex »Investitionen – Abschreibungen – Leasing«
Verbesserungen gegenüber dem Status quo kommen werden. Die Leasinggesellschaften leiden schon genug unter
den schwierigen Markt- und Refinanzierungsbedingungen,
die weitere Belastung durch die Anforderungen der neuen
Finanzaufsicht wirken also prozyklisch, vor allem auch für
die mittelständischen Gesellschaften. Die Begründungen für
das bürokratische Reglement, dem die Leasingbranche ohne Not unterworfen wurde, klingen wenig überzeugend. Diese Unternehmen haben die weltweite Finanzkrise weder ausgelöst, noch waren sie an ihr beteiligt. Die Banken, die der
Ursprung dieses Dramas waren, stehen ja schon immer
unter Finanzaufsicht, das konnte aber nicht verhindern, dass
hohe Milliardenbeträge an Verlusten aufgehäuft wurden –
sogar bei öffentlichen Kreditinstituten – für die nun letztlich
der Steuerzahler aufkommen muss.
Wie schon im Vorjahr, werden aus den genannten Gründen
auch 2010 wieder etliche Leasinggesellschaften – vor allem mittelständische – aus dem Markt ausscheiden (vgl.
Köhler 2009). Diese sind häufig auf bestimmte Investitionsgüter, einzelne Branchen oder regionale Märkte spezialisiert.
Ihren Kunden aus dem mittelständischen Gewerbe werden
sie als Geschäftspartner fehlen.
Literatur
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Daten und Prognosen
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62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
77
Westdeutsche Industrie: 2010 geringer Investitionsanstieg
Die neuen Ergebnisse des ifo Investitionstests
78
Annette Weichselberger
Nach den aktuellen Ergebnissen des ifo Investitionstests planen die Unternehmen des westdeutschen verarbeitenden Gewerbes 2010 ihre Investitionen geringfügig – um knapp 2% – zu erhöhen.
Für das Jahr 2009 ergaben die Meldungen einen kräftigen Rückgang von 22%. An der im vierten
Quartal dieses Jahres durchgeführten Investitionsbefragung beteiligten sich fast 1 800 westdeutsche Unternehmen. Gemessen an den Bruttoanlageinvestitionen repräsentieren die erfassten Unternehmen das verarbeitende Gewerbe Westdeutschlands zu 53%. Erhoben wurden neben den
Anlagezugängen im Jahr 2009 die Investitionspläne für 2010 sowie die Zielsetzung der Investitionstätigkeit.
2009: Investitionen 22% unter
Vorjahresniveau
Die schlechte konjunkturelle Lage, insbesondere die schwache Nachfrage und
die drastisch gesunkene Kapazitätsauslastung, haben die Investitionsbereitschaft
der westdeutschen Industrieunternehmen
in diesem Jahr stark beeinträchtigt.
Wie es sich schon in der Erhebung im
Frühjahr abzeichnete, wurde 2009 erheblich weniger in Sachanlagen investiert als
in den vorangegangenen Jahren. Nach
den neuesten Umfrageergebnissen wird
der Rückgang sogar noch wesentlich
stärker ausfallen, als nach den Meldungen Anfang des Jahres zu erwarten war.
Insbesondere die großen Unternehmen
haben ihre Investitionsbudgets im Laufe
des Jahres erheblich nach unten revidiert.
Insgesamt werden die Bruttoanlageinvestitionen in der westdeutschen Industrie
nach den aktuellen Ergebnissen mit rund
36,5 Mrd. € um knapp 22% unter dem
Niveau von 2008 liegen. Real gesehen
werden die Investitionen um 21% das Niveau von 2008 unterschreiten, da die
Preise für Maschinen und maschinelle Anlagen, in die im Durchschnitt über 80%
der Investitionen des verarbeitenden Gewerbes fließen, derzeit sinken. Ein ähnlich starker Rückgang der Investitionen
war zuletzt 1993 (– 20%) zu beobachten
gewesen.
Investitionen werden auf breiter
Basis eingeschränkt
Von der im laufenden Jahr geringen Investitionsbereitschaft sind fast alle Bereiche betroffen. Nur der Bergbau dürfte in ähnlichem Umfang in neue Sachanlagen investiert haben wie 2008. In den
vier Industriehauptgruppen sind dagegen zweistellige negative Veränderungsraten zu verzeichnen. Im Nahrungs- und
Genussmittelgewerbe ist nach den Meldungen mit einer Kürzung um fast 11%
zu rechnen.
Der stärkste Investitionsrückgang errechnet sich mit – 25% im Investitionsgüter
produzierenden Gewerbe. Insbesondere
in der Eisen, Blech und Metall verarbei-
Tab. 1
Bruttoanlageinvestitionen im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe Westdeutschlands
(in jeweiligen Preisen)
in Mill. Bergbau
Verarbeitendes Gewerbe
davon:
Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe
Investitionsgüter produzierendes Gewerbe
Verbrauchsgüter produzierendes Gewerbe
Nahrungs- und Genussmittelgewerbe
Bergbau und verarbeitendes Gewerbe
a)
b)
Vorläufig. – Geschätzt aufgrund von Planangaben.
Quelle: ifo Investitionserhebungen.
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Veränderungsraten in %
a)
a)
a)
b)
2007
730
43 520
2008
790
46 590
2008/2007
+ 8
+ 7
2009/2008
± 0
– 22
2010/2009
+4
+2
11 580
22 740
5 660
3 540
44 250
11 830
25 660
5 300
3 800
47 380
+ 2
+ 13
– 6
+ 7
+ 7
– 20
– 25
– 18
– 11
– 21
+1
+1
+4
+4
+2
Daten und Prognosen
tenden Industrie, in der Stahlverformung, in der Feinmechanik, Optik sowie in der Herstellung von EDV-Geräten hat die
Investitionsbereitschaft ganz erheblich nachgelassen. In diesen Branchen ist mit Kürzungen zwischen 30 und 35% zu
rechnen. Starke Investitionsrückgänge um rund ein Viertel
sind auch in den – gemessen am Investitionsvolumen – großen Branchen Straßenfahrzeugbau, Maschinenbau und
Elektrotechnik zu erwarten. Das Gleiche gilt für den Schiffbau. Der Luft- und Raumfahrzeugbau dürfte demgegenüber seine Ausgaben für neue Bauten und Ausrüstungsgüter nur moderat – um 10% – kürzen. Im Stahl- und Leichtmetallbau dürften sich die Investitionen 2009 voraussichtlich auf dem Vorjahresniveau bewegen.
Abb. 1
Planung und tatsächliche Entwicklung der Investitionen in
der westdeutschen Industrie
Tendenz der Investitionspläne
60
Tendenzsalden
a)
60
40
40
20
20
0
0
-20
-20
-40
-40
Das Grundstoff- und Produktionsgüter produzierende Gewerbe schränkt seine Investitionen 2009 vorrausichtlich um
rund ein Fünftel ein. Auf Branchenebene meldeten die Gießereien und die Firmen der Holzbearbeitung die massivsten Kürzungen: Sie halbieren ihre Investitionen gegenüber
dem Vorjahr. Rückgänge um rund ein Drittel zeichnen sich
in der Mineralölverarbeitung (einschließlich Vertrieb), in der
Gummiverarbeitung und bei den Ziehereien und Kaltwalzwerken ab. Der NE-Bereich und die Zellstoff-, Papier- und
Pappeverarbeitung dürften ihre Ausgaben für neue Sachanlagegüter in diesem Jahr um rund ein Viertel reduziert
haben. Vergleichsweise moderate Kürzungen von rund 15%
sind in der chemischen Industrie und im Bereich Steine und
Erden sowie in der eisenschaffenden Industrie (– 5%) zu erwarten.
Auch im Verbrauchsgüter produzierenden Gewerbe ist 2009
in allen Branchen mit erheblichen Investitionseinschränkungen zu rechnen. Besonders stark – um mehr als 30% –
wollen nach den Meldungen die traditionellen Verbrauchsgüterbereiche Bekleidungs- und Textilgewerbe sowie das
Ledergewerbe ihre Investitionsausgaben zurückfahren. Die
Kunststoffindustrie, die auch von der derzeitigen Krise im
Straßenfahrzeugbau betroffen ist, und die Herstellung und
Verarbeitung von Glas kürzen ihre Ausgaben für Investitionen ebenfalls sehr deutlich (zwischen 20 und 25%). Nicht
ganz so starke Rückgänge, von 10 bis 15%, zeichnen sich
in folgenden Branchen ab: Feinkeramik, Holzverarbeitung,
Papier- und Pappeverarbeitung, Druckerei und Vervielfältigung sowie in der Herstellung von Musikinstrumenten, Spielwaren, Schmuck usw.
2010: Weiterhin gedämpfte Investitionsbereitschaft
Zwar erholt sich die konjunkturelle Lage langsam, die Auslastung der Produktionskapazitäten ist aber aufgrund der
im Vergleich zu den letzten Jahren schwachen Nachfrage
noch sehr gering, so dass für das kommende Jahr mit
80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10
Investitionsentwicklung (nominal)
Veränderungsraten
b)
30
30
20
20
10
10
0
0
-10
-10
-20
-20
-30
-30
80
82
84
86
88
90
92
94
96
98
00
02
04
06
08
10
a)
Differenz zwischen den "Mehr"- und den "Weniger"-Meldungen (Prozentpunkte),
Stand jeweils Herbst des Vorjahres.
Bruttoanlageinvestitionen der Industrie, 2008 und 2009: vorläufig, 2010: ermittelt
aufgrund der Planangaben.
b)
Quelle: ifo Investitionstest (West).
keiner spürbaren Erhöhung der Investitionsbereitschaft
zu rechnen ist.
Nach den Ergebnissen des Investitionstests ist im kommenden Jahr mit einem nur leichten Investitionsanstieg zu rechnen. Während fast ein Drittel der Unternehmen die Investitionen 2010 kürzen will, plant gut die Hälfte eine Erhöhung
der Ausgaben für neue Bauten und Ausrüstungsgüter. Stellt
man die »Mehr«-Meldungen den »Weniger«-Meldungen gegenüber, so ergibt sich ein Saldo von + 24 (vgl. Abb. 1).
Dieser positive Saldo relativiert sich aber, wenn man die
von den Unternehmen gemeldeten quantitativen Angaben
berücksichtigt. Demnach ist für das kommende Jahr nur mit
einem geringen Anstieg der Investitionen um knapp 2% zu
rechnen. Real, d.h. unter Berücksichtigung der im laufenden Jahr zu erwartenden Preisentwicklung bei neuen Bauten und Ausrüstungsgütern, ist mit einer Erhöhung um knapp
3% zu rechnen. Differenziert man die Investitionspläne nach
Größenklassen, so zeigt sich, dass in erster Linie die großen Unternehmen ihre Investitionen 2010 wieder aufstocken
wollen, während die kleinen Unternehmen weitere Kürzungen geplant haben. Sollte sich die konjunkturelle Lage im
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
79
80
Daten und Prognosen
Tab. 2
Tendenzen der Investitionsplanung im verarbeitenden Gewerbe Westdeutschlands
Im Jahr 2010 wollen gegenüber 2009
a)
... % der Unternehmen investieren
etwa
b)
mehr
gleichviel
weniger
Saldo
54
16
30
+ 24
Zum Vergleich:
Planungstendenzen für
2009
2008
b)
Saldo
+ 24
+ 42
Verarbeitendes Gewerbe
davon:
Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe
47
19
34
+ 13
+ 24
+ 39
Investitionsgüter produzierendes Gewerbe
58
18
24
+ 34
+ 29
+ 57
Verbrauchsgüter produzierendes Gewerbe
49
16
35
+ 14
+ 4
+ 24
Nahrungs- und Genussmittelgewerbe
55
1
44
+ 11
+ 11
– 14
a)
Die Firmenangaben wurden mit dem Umsatz gewichtet. Die Ergebnisse der Hauptgruppen wurden durch Gewichtung der
b)
Gruppendaten mit den hochgeschätzten Investitionen ermittelt. – Der Saldo ist die Differenz der »Mehr«- und »Weniger«Meldungen.
Quelle: ifo Investitionserhebungen.
Laufe des kommenden Jahres spürbar erholen, so ist es
durchaus möglich, dass die kleineren Unternehmen, die in
ihrem Investitionsverhalten recht flexibel sind, ihre Pläne noch
nach oben korrigieren.
bau, der in den Jahren 2006, 2007 und 2008 außerordentlich stark in neue Bauten und Ausrüstungsgüter investiert hatte, will seine Investitionen 2010 nochmals spürbar um 15% einschränken.
Ein guter Indikator für die Investitionsneigung der Unternehmen ist die Entwicklung der Auftragseingänge bei den
Industrieausrüstern des Maschinenbaus. Während diese von
Mitte 2008 bis Juli 2009 stark rückläufig waren, ziehen sie
nun wieder leicht an (vgl. Abb. 2). Auch die Umsätze der Maschinenbauer, die aufgrund der Lieferfristen etwas hinterherlaufen, sind regelrecht eingebrochen, hier zeichnet sich
jedoch noch kein unterer Wendepunkt ab.
Auch im Grundstoff- und Produktionsgüter produzierenden
Gewerbe ist nur eine geringe Investitionserhöhung von knapp
Abb. 2
Nachfrage der westdeutschen Industrie nach
Ausrüstungsgütern
In jeweiligen Preisen, Indexwerte
a)
Maschinen für die Industrie , Inland
b)
Auftragseingang
b)
Umsatz
Nur vereinzelt deutliche Investitionserhöhungen
Nach den massiven Kürzungen in diesem Jahr sind auf
Hauptgruppenebene 2010 in allen Bereichen wieder leichte Investitionszuwächse zu erwarten. Im Nahrungs- und Genussmittelgewerbe ist mit einem Anstieg von 4% zu rechnen. Eine in etwa gleich hohe Steigerungsrate ergibt sich
für den Bergbau.
Das Investitionsgüter produzierende Gewerbe hat im
Durchschnitt für 2010 nur einen minimalen Investitionsanstieg von einem Prozent geplant. Spürbare Erhöhungen
sind nur im Luft- und Raumfahrzeugbau (+ 15%) und in
der Feinmechanik und Optik (+ 10%) vorgesehen. Nach
den Meldungen der Straßenfahrzeugbauunternehmen
werden nach der starken Kürzung in diesem Jahr die Investitionen 2010 wieder um rund 5% zunehmen. In derselben Größenordnung dürften sich die Zuwachsraten in
der Elektrotechnik und in der Stahlverformung bewegen.
Ein im Vergleich zu diesem Jahr unverändertes Investitionsniveau haben die Herstellung von EBM-Waren und
der Schiffbau vorgesehen. Der Stahl- und Leichtmetallbau und der EDV-Bereich beabsichtigen, ihre Ausgaben
für Sachanlagen um rund 5% zu kürzen. Der Maschinenifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Ausrüstungsinvestitionen
westdeutsche Industrie
2005 = 100
150
150
125
125
100
100
75
75
50
50
25
25
92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
a)
Hersteller von Baustoffmaschinen, Hütten- u. Walzwerksanlagen, Gießereimaschinen, Apparatebau, Holzbearbeitungsmaschinen, Gummi- u. Kunstoffmaschinen, Druck- u. Papiermaschinen, Werkzeugmaschinen, Präzisionswerkzeuge, Schuh- u. Ledermaschinen, Textilmaschinen, Nähmaschinen und
Nahrungsmittelmaschinen.
b)
Saisonbereinigt und geglättet.
Quelle: VDMA; ifo Institut.
Daten und Prognosen
einem Prozent zu erwarten. Spürbare Zuwächse von rund 10% meldeten die Mineralölverarbeitung (einschl. Vertrieb) und die
Holzbearbeitung. Nicht ganz so hohe Investitionsaufstockungen – um etwa 5% – haben
die chemische Industrie, der NE-Bereich und
die Zellstoff-, Papier- und Pappeerzeugung
vorgesehen, während folgende Branchen
von einem gegenüber 2009 in etwa konstanten Investitionsniveau ausgehen: Gummiverarbeitung, der Bereich Steine und Erden, die
Gießereien sowie die Ziehereien und Kaltwalzwerke. Nach dem vergleichsweise moderaten Investitionsrückgang in diesem Jahr
hat die eisenschaffende Industrie für 2010
eine massive Kürzung ihrer Ausgaben für
neue Bauten und Ausrüstungsgüter um 20%
vorgesehen.
Abb. 3
Erweiterungsmotiv verliert an Bedeutung
......Mrd. € wurden in folgende Maßnahmen investiert
55
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Mrd. €
90
91
92
93
94
95
96
97
Erweiterung
Ersatzbeschaffung
98
99
00
01
02
Umstrukturierung
sonstige
03
04
05
06
07
08
09
10
Rationalisierung
Quelle: ifo Investitionstest (West).
Das Verbrauchsgüter produzierende Gewerbe insgesamt
beabsichtigt, seine Ausgaben für Sachanlagen um knapp
4% zu erhöhen. Einen überdurchschnittlichen Anstieg um
10% haben die Kunststoffverarbeitung und das Bekleidungsgewerbe geplant. Nicht ganz so hohe Zuwächse um
rund 5% meldeten der Bereich Druckerei und Vervielfältigung sowie das Ledergewerbe. Folgende Branchen dürften 2010 in ähnlichem Umfang investieren wie in diesem
Jahr: Papier- und Pappeverarbeitung, Holzverarbeitung,
Textilgewerbe und Herstellung von Musikinstrumenten,
Schmuck usw. Kürzungen um rund 5% sind in der Feinkeramik und in der Herstellung und Verarbeitung von Glas
vorgesehen.
Ersatzbeschaffungen. Rund 32% der Investitionsausgaben haben nach den Meldungen der Unternehmen in diesem Jahr dem Ersatz veralteter Anlagen gedient. Für das
nächste Jahr erhöht sich ihr Anteil auf 36%. Ersatzbeschaffungen stehen auch in den meisten Branchen im Vordergrund des Investitionsgeschehens, besonders große Bedeutung – ebenfalls sowohl 2009 als auch 2010 – haben
sie im NE-Bereich, im Ledergewerbe, in der Herstellung
von EDV-Geräten sowie in der Herstellung von Musikinstrumenten, Schmuck usw. In diesem Jahr haben auch die
Holzbe- und -verarbeitung überdurchschnittlich stark in Ersatzbeschaffungen investiert. Für das nächste Jahr planen
die Branchen Steine und Erden, Schiffbau und die Herstellung und Verarbeitung von Glas, einen hohen Anteil ihrer
Investitionen in den Ersatz nicht mehr nutzbarer Anlagen
zu stecken.
Erweiterungen verlieren an Bedeutung
Die hier dargestellten Ergebnisse hinsichtlich der Investitionsmotive sind nicht mit denen aus der Erhebung im Frühjahr vergleichbar, da sie auf unterschiedlichen Fragestellungen basieren. Während im Frühjahr die Unternehmen
nach den Hauptmotiven ihrer Investitionstätigkeit gefragt
werden, werden sie in der Herbsterhebung gebeten, die
Investitionen quantitativ den unterschiedlichen Investitionsmotiven zuzuordnen. Diese Fragestellung erlaubt es also,
die Investitionen auf die einzelnen Zielsetzungen aufzugliedern. Des Weiteren ist der Zielekatalog in der Herbstumfrage weiter aufgefächert als in der Investitionserhebung
im Frühjahr.
Angesichts der derzeit geringen Auslastung der Produktionskapazitäten überrascht es nicht, dass die Kapazitätserweiterung als Investitionsmotiv spürbar an Bedeutung
verloren hat. Das Schwergewicht der Investitionen liegt –
und zwar sowohl 2009 als auch 2010 – bei den trotz der
konjunkturell angespannten Lage teilweise notwendigen
Nachdem das Erweiterungsmotiv in den vergangenen, relativ investitionsstarken Jahren wieder an Bedeutung gewonnen hatte, verlor es nun angesichts des konjunkturellen Einbruchs wieder merklich an Gewicht. Es liegt dennoch
auf dem zweiten Platz. Nach den Angaben der Firmen fließt
im Durchschnitt rund ein Viertel der Investitionen in Erweiterungsinvestitionen. Ein deutlich überdurchschnittliches Gewicht hat das Erweiterungsmotiv – sowohl 2009 als auch
2010 – im Luft- und Raumfahrzeugbau.
Das Investitionsmotiv Rationalisierung ist weiterhin von untergeordneter Bedeutung. Mitte der neunziger Jahre floss
noch rund ein Viertel der Investitionsausgaben in Rationalisierungsmaßnahmen. Dieses Jahr lag ihr Anteil bei einem
Siebtel, im nächsten Jahr dürfte er sich leicht – auf ein Sechstel – erhöhen. Rationalisierungsinvestitionen werden 2010
vor allem in den Bereichen Zellstoff-, Papier- und Pappeerzeugung, Herstellung von EBM-Waren, Stahlverformung und
Stahl- und Leichtmetallbau eine überdurchschnittliche Rolle spielen.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
81
82
Daten und Prognosen
Tab. 3
Struktur der Investitionen im westdeutschen
verarbeitenden Gewerbe
Investitionskategorien
Anteil an den
Gesamtinvestitionen
a)
in %
2009
2010
Kapazitätserweiterung
26,0
24,2
Umstrukturierung
11,9
10,8
Rationalisierung
14,6
16,1
Ersatzbeschaffung
31,7
35,5
b)
Andere Investitionsvorhaben
15,8
13,4
Investitionen insgesamt
100,0
100,0
a)
b)
Hochgerechnete, strukturbedingte Anteilswerte. – Investitionen für Umweltschutzzwecke, zur Verbesserung
der Arbeitsbedingungen, für Forschung und Entwicklung
sowie für Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung u.a.m.
Quelle: ifo Investitionserhebung, Herbst 2009.
Gut ein Zehntel der Investitionen des westdeutschen verarbeitenden Gewerbes wurden 2009 in Umstrukturierungsmaßnahmen investiert. Darunter sind Umstrukturierungen
im Produktionsprogramm ohne wesentliche Erweiterungseffekte zu verstehen, wie z.B. Erweiterung der Kapazität
zur Herstellung bestimmter Produkte/Produktprogramme
bei gleichzeitiger Einschränkung anderer Fertigungskapazitäten. Nach den Meldungen wird sich der entsprechende
Prozentsatz im nächsten Jahr nur leicht verringern. Dieses
Investitionsmotiv spielt seit Anfang der achtziger Jahre eine
große Rolle im Investitionsgeschehen des Straßenfahrzeugbaus. Aber auch die Gummiverarbeitung und das Textilgewerbe investieren nach den Angaben der Unternehmen derzeit relativ stark in Umstrukturierungen. Im kommenden Jahr
will auch das Bekleidungsgewerbe mehr Mittel in solche
Maßnahmen stecken.
Rund ein Siebtel der Bruttoanlageinvestitionen entfällt im
Industriedurchschnitt auf sog. »andere Investitionsvorhaben«. Dazu zählen z.B. Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie Umweltschutzinvestitionen. Ein besonders
starkes Gewicht haben diese Investitionen nach wie vor im
Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe und hier vor allem in der Mineralölverarbeitung (einschl. Vertrieb), in der
chemischen Industrie und in der eisenschaffenden Industrie. Im Investitionsgüter produzierenden Gewerbe spielen
diese »anderen Investitionsvorhaben« im Straßenfahrzeugbau eine relativ große Rolle, wobei hier wohl weniger der
Umweltschutz als die Sachinvestitionen in Forschungs- und
Entwicklungseinrichtungen von Bedeutung sind.
Zusammenfassung
Die schlechte konjunkturelle Lage, insbesondere die schwache Nachfrage und die stark gesunkene Kapazitätsauslasifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
tung, haben die Investitionsbereitschaft der westdeutschen
Industrieunternehmen in diesem Jahr deutlich gedämpft.
Nach den Ergebnissen des ifo Investitionstests wird der
Rückgang viel stärker ausfallen, als nach den Meldungen
von Anfang dieses Jahres zu erwarten war. Mit rund
36,5 Mrd. € dürften die Bruttoanlageinvestitionen 2009 um
gut 22% unter dem Niveau von 2008 liegen. Da die Preise
für neue Maschinen und maschinelle Anlagen, in die über
80% der Investitionen des verarbeitenden Gewerbes fließen,
derzeit leicht sinken, ist real mit einem Rückgang von 21%
zu rechnen.
Für das kommende Jahr ist aus heutiger Sicht nur mit einer
leichten Verbesserung des Investitionsklimas zu rechnen. So
zeichnet sich nach dem derzeitigen Planungsstand der Unternehmen für 2010 ein nur geringer Anstieg der Investitionen um knapp 2% ab. Real entspricht das einer Veränderungsrate von 3%. Differenziert man die Investitionspläne
nach Größenklassen, so zeigt sich, dass in erster Linie die
großen Unternehmen ihre Investitionen 2010 wieder aufstocken wollen, während die kleinen Unternehmen weitere Kürzungen geplant haben. Sollte sich die konjunkturelle Lage
aber im Laufe des kommenden Jahres spürbar erholen, so
ist es durchaus möglich, dass die kleineren Unternehmen,
die in ihrem Investitionsverhalten recht flexibel sind, ihre
Pläne noch nach oben korrigieren.
Angesichts der derzeit niedrigen Kapazitätsauslastung überrascht es nicht, dass die Erweiterung als Investitionsmotiv
spürbar an Bedeutung verloren hat und an die zweite Stelle geschoben wurde. Das Hauptmotiv der Investitionstätigkeit – und zwar sowohl im laufenden als auch im kommenden Jahr – sind nun die Ersatzbeschaffungen.
Kurz zum Klima: Globaler Stand der Erneuerbaren
Energien
83
Janina Ketterer, Jana Lippelt und Katrin Schaber
56% der weltweiten CO2-Emissionen entstehen durch die
Verbrennung fossiler Energieträger (vgl. IPCC 2007). Folglich erschließen sich in diesem Sektor zahlreiche Möglichkeiten, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Hierfür stehen verschiedene kohlenstofffreie Technologien, wie Kernenergie, Carbon Capture and Sequestration (CCS), Kernfusion und die Erneuerbaren Energien (EE) zur Verfügung.
In welchem Verhältnis diese Technologien eingesetzt werden sollen und können, um eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen, ist Gegenstand der aktuellen Forschung und des politischen Diskurses. Dieser Beitrag erfasst skizzenhaft den Status quo der Erneuerbaren Energieerzeugung.
Das aggregierte technische Potential für erneuerbare Stromversorgung deckt die globale Nachfrage um ein Vielfaches
(vgl. DLRTransCSP 2006). Die Wirtschaftlichkeit der EE hängt
jedoch stark von den Standorten und der Anlagengröße
ab. Unterschiede zwischen Standorten werden durch die
bestehende Kraftwerks- und Netzstruktur sowie die geographischen Gegebenheiten bestimmt.
In der Karte (Abb. 1) sind sowohl die Kraftwerke mit einer
jährlichen Stromerzeugung über 10 GWh1 verzeichnet als
auch der Anteil der EE an der gesamten Elektrizitätsproduktion der Länder (vgl. Wheeler und Ummel 2008). Die
aktuelle Verteilung der EE wird neben den gegebenen technischen Potentialen auch durch politische Rahmenbedingungen beeinflusst. Folglich verdeutlicht die Karte eine regional stark unterschiedliche Energieerzeugung. Denn aus
Energiesicherheitsaspekten und Klimaschutzzielen ergibt
sich die politische Notwendigkeit für die Umstrukturierung
der Energieversorgung.
standen viele kleine dezentrale Anlagen. Weitere Regionen
mit Einspeisevergütungen wie z.B. Spanien, Dänemark sowie die US-Staaten Vermont und Kalifornien (vgl. REN21
2009) weisen ebenfalls eine dezentrale Struktur der erneuerbaren Erzeugung auf. In Dänemark wurde die Vergütung 1993 eingeführt und hat bis zum Jahr 2004, als
diese Vergütung auslief, zu einem Anstieg der Kapazität
um das Sechsfache geführt (vgl. Farrell 2009). Andere Länder, wie China und Brasilien, fördern vermehrt Großprojekte, wie beispielsweise den Dreischluchtendamm. Die
Kapazität dieses Laufwasserkraftwerkes entspricht mit
18.2 GW ca. 15% der deutschen Gesamtkraftwerkskapazität (vgl. EIA 2008; Xiaoqian et al. 2000). Neben den
nationalen Subventionen können Erneuerbare Energien
durch die flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls unterstützt werden. Eine doppelte Förderung durch nationale Programme und Clean Development Mechanismen
(CDM) wurde eingeschränkt. Anfang Dezember wurden
beispielsweise zehn Windenergieprojekte in China nicht als
CDM registriert, da sie aufgrund der chinesischen Einspeisevergütung gegen das Additionalitätskriterium verstoßen (vgl. IETA 2009).
In 73 Ländern existieren bereits Ziele für den angestrebten Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung (vgl. REN21 2009). Diese Zahl ist in den letzten Jahren gemeinsam mit der Festlegung von nationalen Emissionszielen und klimapolitischen Instrumenten stark angestiegen. Die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten ist deutlich gestiegen und somit auch
die internationale Vernetzung: 2009 wurde die zwischenstaatliche Organisation International Renewable Energy
Agency (IRENA) gegründet. Tabelle 1 zeigt die Zielvorgaben für den Anteil der Erneuerbaren Energien in ausgewählten Ländern und Regionen. Ein Vergleich mit dem
Status quo zeigt, dass deren Erreichen sich als durchaus
realistisch erweist. Gefährdet werden die Zielvorgaben
möglicherweise durch einen starken Anstieg der Gesamtnachfrage.
Ein erheblicher Anteil an der Gesamtenergieerzeugung wird
derzeit durch die Nutzung von Wasserkraft erreicht. Die Karten verdeutlichen diese großskaligen Kraftwerksstrukturen
beispielsweise in Skandinavien, Kanada, Brasilien und China. Wind- und Solarenergie sind aus Kostengründen auf
staatliche Unterstützung angewiesen: Die
Stromgestehungkosten für Solar- und WindTab. 1
energie liegen heute in Europa bei etwa dem
Anteil der Erneuerbaren Energien
Drei- bis Zehnfachen des Marktpreises (vgl.
Öko Institut 2009). Im Falle einer SubventioZiel für den Anteil EE
Land (Bezugsjahr)
nierung decken sich die Regionen hohen Po(in %)
tentials nicht notwendigerweise mit der VerAustralien (2020)
18
teilung der installierten Anlagen.
Bangladesch (2020)
10
In Deutschland wird die Wirkung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) deutlich. Durch die Einspeisevergütung ent1
Das entspricht in etwa einem Promille der Stromerzeugung eines Grundlastkraftwerkes. Die Kernkraftwerke Isar 1 und 2 produzieren im Jahr ca.
17 000 GWh.
Kalifornien (2020)
China (2020)
Deutschland (2020)
EU (2020)
Frankreich (2020)
Großbritannien (2020)
Spanien (2020)
33
21
18
20
4.9 GW solar PV, 23
15
20
Status quo des
Anteils EE
(in %)
8
5
23
15
7
9
11
8
12
Quelle: REN21 (2009); Wheeler und Ummel (2008); EIA (2008), Martinot
und Junfeng (2007).
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
84
Im Blickpunkt
Kurz zum Klima: Erneuerbare Energie
Abb. 1
Kurz zum Klima: Erneuerbare Energie
Kraftwerksstandorte:
Stromerzeugung (GWh) aus
Erneuerbarer Energie (EE)
10 - 900
900 - 3 800
3 801 - 10 000
10 001 - 28 000
28 001 - 63 300
Anteil EE an der
Gesamtstromerzeugung
0 - 10%
11 - 20%
21 - 50%
51 - 70%
71 - 100%
keine Daten
Quelle: Wheeler und Ummel (2007).
ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang
Im Blickpunkt
Die Verpflichtungen der Nationalstaaten zum Klimaschutz
fordern deutliche Reduktionen der Treibhausgasemissionen.
Eine Veränderung der Stromversorgung wird hierzu einen
deutlichen Beitrag leisten. Allerdings befinden sich die Technologien, die für eine kohlenstoffarme Stromversorgung zur
Verfügung stehen, im Spannungsfeld zwischen Kosten,
Nachhaltigkeit und Ressourcenverfügbarkeit. Der Einsatz
dieser Technologien wird außerdem stark von den politischen
Rahmenbedingungen beeinflusst und setzt geographische
Gegebenheiten – ausreichend Potential der Erneuerbaren
Ressourcen – voraus. Ersteres ist in Zukunft sicherlich starken Veränderungen unterworfen.
Literatur
DLRTransCSP/Deutsche Luft und Raumfahrt Forschung, 2006), Trans-Mediterranean Interconnection for Concentrating Solar Power (TRANS-CSP),
Final Report, Institute of Technical Thermodynamics, Section Systems
Analysis and Technology Assessment, Federal Ministry for the Environment,
Nature Conservation and Nuclear Safety, verfügbar unter:
http://www.dlr.de/tt/desktopdefault.aspx/tabid-2885/4422_read-6588.
EIA (Energy Information Administration, 2008), Recent Electricity Generation
by Type, verfügbar unter: www.eia.doe.gov.
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America, Washington, verfügbar unter:
http://www.boell.de/downloads/ecology/FIT_in_America_web.pdf.
IETA (International Emission Trading Association, 2009), CDM Executive
Board Turns Against Renewable Energy Development, verfügbar unter:
http://www.ieta.org/ieta/www/pages/getfile.php?docID=3365.
IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, 2007), Assessment
Report 4, Climate Change 2007 Synthesis Report, verfügbar unter:
http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/syr/ar4_syr.pdf.
Martinot, E. und L. Junfeng (2007), Powering China’s development: The
Role of Renewable Energy, Worldwatch Report, verfügbar unter
http://www.worldwatch.org/node/5491.
Öko Institut (2009), Globales Emissions-Modell Integrierter Systeme; verfügbar unter: http://www.oeko.de/service/gemis/de/index.htm.
REN21 (Renewable Energy Policy Network for the 21th Century, 2009),
Renewables Global Status Report, verfügbar unter:
http://www.ren21.net/pdf/RE_GSR_2009_Update.pdf.
Wheeler, D. und K. Ummel (2008), »Calculating CARMA: Global Estimation
of CO2 Emissions from the Power Sector«, Center for Global Development,
Working Paper Number 145, verfügbar unter: www.carma.org.
Xiaogian, Z., G. Flisberg et al. (2000), »Design features of the Three Gorges
– Changzhou 500kV HDVC project«, presented at Cigré 2000 Conference,
Paris, France.
62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009
85
ifo Beiträge
zur Wirtschaftsforschung
18 Umweltorientierte Subventionspolitik. Muster, Konzeptionen, Reformperspektiven.
Von T. Rave. 542 S. 2005. € 35,–
19 Stand und Perspektiven der »New Economy« in ausgewählten Mitgliedstaaten der EU aus deutscher Sicht.
Von H.-G. Vieweg u.a. 230 S. 2005. € 60,–
20 Implikationen des Internets für das Transaktions- und Transaktionskostenniveau in der chinesischen Volkswirtschaft
unter besonderer Berücksichtigung eines Digital Divides.
Von Ch. Schmidkonz. 431 S. 2005. € 30,–
21 Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. Eine empirische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Europäischen Zentralbank.
Von S. Hamella. 257 S. 2005. € 20,–
22 Marktstrukturveränderungen in der Trinkwasserversorgung. Eine Analyse ökonomischer, ökologischer und sozialer Auswirkungen am Beispiel Deutschlands.
Von M. Egerer. 384 S. 2005.€ 30,–
23 Gesamtwirtschaftliche Folgen von Vermögensblasen im internationalen Vergleich.
Von H. Bandholz, O. Hülsewig, G. Illing, T. Wollmershäuser. 222 S. 2006. € 25,–
24 Besteuerungsanreize in den deutschen Kommunalfinanzen.
Von Chr. Kelders. 236 S. 2006. € 28,–
25 Introduction to the Mechanical and Electrical Engineering Sectors of new EU Member States.
Von H.-G. Vieweg, A. Kuhlmann, G. Roubal u.a. 159 S. 2006 € 35,–
26 Essays on Network Industries. Privatization, Regulation, and Productivity.
Von A. Kuhlmann. 108 S. 2007. € 25,–
27 Strategic Decisions on Electronic Business-to-Business Markets.
Von K. Sülzle. 140 S. 2007. € 25,–
28 Effects of Innovation on Firm Performance.
Von S. Lachenmaier. 244 S. 2007. € 30,–
29 Beschäftigungs- und familienpolitische Aspekte der Teilzeitarbeit im Lichte des Teilzeit- und Beschäftigungsgesetzes –
eine Evaluierung.
Von S. Munz. 178 S. 2007. € 25,–
30 Projektionen zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.
Von M. Werding, H. Hofmann. 218 S. 2008. € 28,31 Steuerausfälle im Bereich der Mehrwertsteuer. Gründe, Ausmaß und Abhilfemöglichkeiten.
Von A. Gebauer. 289 S. 2008. € 28,32 Regulierung in Telekommunikationsmärkten: Technologische Dynamik und Wettbewerbspotenziale.
Von N. Czernich, O. Falck, T. Kiessl,T. Kretschmer. 124 S. 2008. € 20,33 Makroevaluation der SGB II – Grundsicherungsstellen.
Von M. Werding, T. Büttner, H. Hofmann, Chr. Holzner, S. Munz u.a. 264 S. 2009. € 20,–
34 Educational Institutions and Equality of Opportunity.
Von G. Schütz. 191 S. 2009. € 20,–
35 Guss 2020 – Perspektiven für den Weltmarkt für Gießereierzeugnisse.
Von H.-G. Vieweg, M. Reinhard. 105 S. 2009. € 75,–
36 Konjunkturprognose in Deutschland. Ein Beitrag zur Prognose der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf Bundesund Länderebene.
Von G. Vogt (Diss.). 151 S. 2009. € 25,–
Zu beziehen beim
ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, Poschingerstr. 5, 81679 München
ifo Forschungsberichte
27 Die fiskalische Bilanz eines Kindes im deutschen Steuer- und Sozialsystem.
Von H. Hofmann, M. Werding. 197 S. 2005. € 30,–
28 Berechnung der BIP-Elastizität öffentlicher Ausgaben und Einnahmen zu Prognosezwecken und Diskussion ihrer Volatilität.
Von Th. Büttner, G. Flaig, A. Dehne, O. Hülsewig, P. Winkler. 100 S. 2006. € 20,–
29 Chancen und Risiken veränderter Rahmenbedingungen für die Dienstleistungsunternehmen durch die EU-Dienstleistungsrichtline.
Von G. Nerb, H. Schmalholz, B. Frank, M. Gornig u.a. 348 S. 2006. € 20,–
30 Ökonomische Auswirkungen umweltpolitischer Regulierungen. Eine Machbarkeitsstudie vor dem Hintergrund der
Anforderungen der Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzungen (IVU-Richtlinie).
Von T. Rave, U. Triebswetter. 161 S. 2006. € 20,–
31 Tu felix Austria: Wachstums- und Beschäftigungspolitik in Österreich und Deutschland im Vergleich.
Von Th. Büttner, P. Egger, H. Hofmann, Chr. Holzner u.a. 98 S. 2006. € 20,–
32 Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Sportwettmarkt auf die deutsche Volkswirtschaft.
Von L. Hornuf unter Mitarb. von G. Britschkat, R. Lechner, G. Nerb. 51 S. 2006. € 40,–
33 ifo Konjunkturumfragen und Konjunkturanalysen. Ausgewählte methodische Aufsätze aus dem ifo Schnelldienst.
Von K. Abberger, G. Flaig, W. Nierhaus. 240 S. 2007. € 42,–
34 Das Rentenmodell der katholischen Verbände.
Von M. Werding, H. Hofmann, H.-J. Reinhard. 213 S. 2007. € 18,–
35 Different approches to implementation of the IPPC Directive and their impact on competitiveness. Some evidence from
the steel and glass industry.
Von T. Rave, U. Triebswetter. 271 S. 2007. € 25,–
36 Positionierung der deutschen Industrie im globalen Konsolidierungsprozess.
Von M. Reinhard, H. Schedl unter Mitarb. v. A. Buchwald, R. Henger. 144 S. 2007. € 25,–
37 Industrienahe Forschungs- und Technologiepolitik der chinesischen Regierung.
Von G. Nerb, M. Reinhard, Chr. Schmidkonz unter Mitarb. von S. Schönherr, M. Taube, C. Wasmer. 139 S. 2007. € 20,–
38 Übertragbarkeit risikoabhängiger Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung.
Von V. Meier, M. Werding. 41 S. 2007. € 18,–
39 Exportentwicklung und Exportpotenziale der bayerischen Außenwirtschaft.
Von M. Larch, G. Nerb, R. Osterkamp. 240 S. 2007. € 20,–
40 Sektorspezifische Regulierung: Transitorisch oder ad infinitum? Eine internationale Bestandsaufnahme von Regulierungsinstitutionen.
Von H. Schedl, K. Sülzle. 124 S. 2008. € 15,–
41 Analyse und Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen.
Von T. Büttner, F. Holm-Hadulla, R. Parsche, C. Starbatty. 213 S. 2008. € 25,–
42 Fertility and Prosperity. Links Between Demography and Economic Growth.
Von M. Werding, S. Munz, V. Gács. 280 S. 2008. € 23,–
43 Valuation of Privatization in Europe by Experts and Stakeholders: Results of Explorative Surveys and Interviews.
EU-supported Project Understanding Privatization Policy: Political Economy and Welfare Effects. Von G. Nerb,
S. Schönherr, B. Schroeder, L. Hornuf, J. Koenig, M. Mauch, J. Pahlke. 82 S. 2008. € 18,–
44 Methoden der Steuerschätzung im internationalen Vergleich.
Von Th. Büttner, B. Kauder. 210 S. 2008. € 20,–
45 Der kommunale Finanzausgleich in Mecklenburg-Vorpommern: Langfristige Entwicklung und Reformperspektiven.
Teil I: Der vertikale Finanzausgleich.
Von Th. Büttner, P. Enß, F. Holm-Hadulla, R. Schwager, Chr. Starbatty, W. Ebering.
200 S. 2009. € 20,–
46 Der kommunale Finanzausgleich in Mecklenburg-Vorpommern: Langfristige Entwicklung und Reformperspektiven.
Teil II: Der horizontale Finanzausgleich.
Von Th. Büttner, P. Enß, F. Holm-Hadulla, R. Schwager, Chr. Starbatty, W. Ebering.
210 S. 2009. € 20,–
Zu beziehen beim
ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, Poschingerstr. 5, 81679 München
ifo Institut für Wirtschaftsforschung
im Internet:
http://www.cesifo-group.de
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