24 2009 ifo Schnelldienst 62. Jg., 51.–53. KW, 22. Dezember 2009 Zur Diskussion gestellt Ulrich van Suntum und Cordelius Ilgmann, Wolfgang Hönig, Stephan Götzl Q Wie sollten die angeschlagenen Banken rekapitalisiert werden? Daten und Prognosen Kai Carstensen, Wolfgang Nierhaus, Oliver Hülsewig, Klaus Abberger, Teresa Buchen, Christian Breuer, Steffen Elstner, Steffen Henzel, Nikolay Hristov, Michael Kleemann, Johannes Mayr, Wolfgang Meister, Georg Paula, Anna Stangl, Klaus Wohlrabe und Timo Wollmershäuser Q ifo Konjunkturprognose 2010: Deutsche Wirtschaft ohne Dynamik Arno Städtler und Joachim Gürtler Q Einbrechende Investitionen und der Gesetzgeber bremsen das Leasing Annette Weichselberger Q Westdeutsche Industrie: 2010 geringer Investitionsanstieg Im Blickpunkt Janina Ketterer und Jana Lippelt Q Globaler Stand der Erneuerbaren Energien Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München ifo Schnelldienst ISSN 0018-974 X Herausgeber: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München, Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: [email protected]. Redaktion: Dr. Marga Jennewein. Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, Dr. Christa Hainz, Annette Marquardt, Dr. Chang Woon Nam, Dr. Gernot Nerb, Dr. Wolfgang Ochel. Vertrieb: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Erscheinungsweise: zweimal monatlich. Bezugspreis jährlich: Institutionen EUR 225,– Einzelpersonen EUR 96,– Studenten EUR 48,– Preis des Einzelheftes: EUR 10,– jeweils zuzüglich Versandkosten. Layout: Pro Design. Satz: ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Druck: Majer & Finckh, Stockdorf. Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars. ifo Schnelldienst 24/2009 Zur Diskussion gestellt Wie sollten die angeschlagenen Banken rekapitalisiert werden? 3 Die Finanzkrise hat gezeigt, dass das Eigenkapital vieler Banken zu gering war. Ulrich van Suntum und Cordelius Ilgmann, Universität Münster, weisen darauf hin, dass zwar die bilanziellen Eigenkapitalquoten der Banken sowohl im Euroraum als auch in den USA mittlerweile sogar höher sind als vor der Finanzkrise. Aber dennoch könne von Entwarnung keine Rede sein, denn die vor der Finanzkrise üblichen Eigenkapitalquoten hätten sich als deutlich zu gering erwiesen, um systemische Zusammenbrüche zu verhindern. Das deutsche Bad-Bank-Modell habe seinen Fehler vor allem in der Freiwilligkeit der Teilnahme, und ein Interesse der Banken an dem Modell sei bisher kaum vorhanden. Stattdessen sollte man bei der Bad-Bank-Lösung an dem in Deutschland bereits früher verwendeten Instrument der Ausgleichsforderungen anknüpfen. Nach Ansicht von Wolfgang Hönig, ehemals Commerzbank AG, Frankfurt, sollte zum einen die Qualität der Ratingagenturen verbessert werden. Zum anderen sollte der Staat die systemrelevanten deutschen Banken durch Stresstests daraufhin untersuchen, ob sie sanierungsbedürftig und -fähig sind. Die hierbei identifizierten B-Banken seien von Amts wegen zu sanieren. Dies dürfe nicht der Initiative der Bankorgane überlassen werden. Auch Stephan Götzl, Genossenschaftsverband Bayern, möchte die staatlichen Hilfsmaßnahmen für angeschlagene Banken verpflichtend machen. Zusätzlich sollte man in Zukunft die Rahmenbedingungen so setzen, dass Banken nicht mehr zu »systemisch« – also zu groß, komplex, undurchschaubar oder international – sein können, um pleite zu gehen: Eine Bank müsse auch aus dem Markt ausscheiden können. Daten und Prognosen ifo Konjunkturprognose 2010: Deutsche Wirtschaft ohne Dynamik Kai Carstensen, Wolfgang Nierhaus, Oliver Hülsewig, Klaus Abberger, Teresa Buchen, Christian Breuer, Steffen Elstner, Steffen Henzel, Nikolay Hristov, Michael Kleemann, Johannes Mayr, Wolfgang Meister, Georg Paula, Anna Stangl, Klaus Wohlrabe und Timo Wollmershäuser 17 Am 15. Dezember 2009 stellte das ifo Institut im Rahmen seines vorweihnachtlichen Pressegesprächs seine Prognose für die Jahre 2010 und 2011 vor. Zwar steigen seit dem Frühjahr 2009 Produktion und Handel wieder, weltweit angeregt durch milliardenschwere Konjunkturprogramme, eine massiv expansiv wirkende Geldpolitik und den vergleichsweise niedrigen Ölpreis. Hinzu kommt der Umschwung im globalen Lagerzyklus. Aber das Wachstumstempo wird niedrig bleiben. Ein Kernproblem ist die Schwächung der internationalen Finanzmärkte, deren Funktionsfähigkeit in wichtigen Segmenten nach wie vor eingeschränkt ist. Zudem musste das Bankensystem gewaltige Eigenkapitalverluste hinnehmen. In wichtigen Industrieländern kommt eine Krise am Immobilienmarkt hinzu, die dort den Abschreibungsbedarf bei Banken erhöht. Die Kreditbedingungen bleiben damit weltweit restriktiv, was die Finanzierung von Investitionen und neuen Arbeitsplätzen massiv beeinträchtigt. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt im Jahr 2010 um 3,1% und im Jahr 2011 um 2,6% steigen, nachdem es im Jahr 2009 um 1,1% zurückgegangen ist. Der Anstieg der Preise wird sich weltweit etwas beschleunigen. In Deutschland hat sich die gesamtwirtschaftliche Produktion im Frühjahr stabilisiert. Im zweiten Quartal expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt um 0,4%, im dritten Quartal sogar um 0,7%. Aufgrund des außerordentlich kräftigen Einbruchs im vorausgegangenen Winterhalbjahr um fast 6% blieb die gesamtwirtschaftliche Produktion, und hier insbesondere die Erzeugung in den exportabhängigen Branchen, aber auf niedrigem Niveau. Der gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad – zieht man die ifo Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe als Proxy heran – liegt derzeit um etwa 10 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt. Insgesamt dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion saisonund kalenderbereinigt im Jahresendquartal 2009 weiter zugenommen haben, wenngleich in einem etwas langsameren Tempo (0,5%) als im Vorquartal. Im Gesamtjahr 2009 sinkt das reale Bruttoinlandsprodukt um 4,9%. Im Jahresdurch- schnitt 2010 wird das reale Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um 1,7% zunehmen; im Jahresdurchschnitt 2011 um 1,2%. Einbrechende Investitionen und der Gesetzgeber bremsen das Leasing – 23% weniger Neugeschäft 2009 Arno Städtler und Joachim Gürtler 65 Die Rezession hat ungebremst auf die Leasingbranche durchgeschlagen, wie der neueste ifo Investitionstest bei den deutschen Leasinggesellschaften zeigt. Im Jahr 2008 ging das gesamte Leasing-Neugeschäft um 1,1% zurück, und der Anteil des Leasings an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen ohne Wohnungsbau reduzierte sich von 17,0 auf 16,1%. Von Januar bis September 2009 stürzte das Neugeschäft beim Leasing beweglicher Wirtschaftsgüter (nominal) um rund 30% ab. Im Jahresdurchschnitt wird sich die Geschäftseinbuße beim Leasing auf fast 23% belaufen, dabei dürfte das Mobilien-Leasing um knapp 23% schrumpfen und das Immobilien-Leasing um 22%. Nach der Herbstprognose der Institute für die gesamtwirtschaftlichen Investitionen, die für 2009 einen Rückgang von nominal gut 13% unterstellt, bedeutet dies für die Leasingquote 2009 einen Rückgang von 16,1 auf 14,4%. Der laufende Investitionszyklus hat zwar im Jahr 2009 seinen Tiefpunkt durchschritten, die Aussichten auf ein baldiges Anziehen der Investitionsausgaben sind jedoch gering. Die rezessive Entwicklung der Investitionen könnte sogar noch länger andauern. Der ifo/BDL-Investitionsindikator zeigt auch über weite Teile des Jahres 2010 noch rückläufige Ausgaben für Ausrüstungsgüter an. Westdeutsche Industrie: 2010 geringer Investitionsanstieg Annette Weichselberger 78 Die schlechte konjunkturelle Lage, insbesondere die schwache Nachfrage und die stark gesunkene Kapazitätsauslastung, hat die Investitionsbereitschaft der westdeutschen Industrieunternehmen in diesem Jahr deutlich gedämpft. Nach den Ergebnissen des ifo Investitionstests dürften die Bruttoanlageinvestitionen 2009 von rund 36,5 Mrd. € um gut 22% unter dem Niveau von 2008 liegen. Für 2010 ist nur mit einer leichten Verbesserung des Investitionsklimas zu rechnen. So zeichnet sich nach dem derzeitigen Planungsstand der Unternehmen ein geringer Anstieg der Investitionen um knapp 2% ab. Differenziert man die Investitionspläne nach Größenklassen, so zeigt sich, dass in erster Linie die großen Unternehmen ihre Investitionen 2010 wieder aufstocken wollen, während die kleinen Unternehmen weitere Kürzungen geplant haben. Angesichts der derzeit niedrigen Kapazitätsauslastung überrascht es nicht, dass die Erweiterung als Investitionsmotiv spürbar an Bedeutung verloren hat und an die zweite Stelle gerückt ist. Das Hauptmotiv der Investitionstätigkeit sind nun die Ersatzbeschaffungen. Im Blickpunkt Kurz zum Klima: Globaler Stand der Erneuerbaren Energien Janina Ketterer und Jana Lipppelt 83 Zur Verminderung der weltweiten CO2-Emissionen stehen verschiedene kohlenstofffreie Technologien, wie Kernenergie, Carbon Capture and Sequestration (CCS), Kernfusion und die Erneuerbaren Energien, zur Verfügung. In welchem Verhältnis diese Technologien eingesetzt werden sollen und können, um eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen, ist Gegenstand der aktuellen Forschung und des politischen Diskurses. Dieser Beitrag erfasst skizzenhaft den Status quo der Erneuerbaren Energieerzeugung. Wie sollten die angeschlagenen Banken rekapitalisiert werden? 3 Die Finanzkrise hat gezeigt, dass das Eigenkapital vieler Banken zu gering war. Wie kann die Politik erreichen, dass die Banken ihre Eigenkapitalausstattung verbessern? Das Bad-Bank-Modell verbindlich machen Die Kapitalknappheit der Banken ist auch eineinhalb Jahre nach Ausbruch der internationalen Finanzkrise noch immer ein zentrales Problem. Zwar sind die bilanziellen Eigenkapitalquoten der Banken sowohl im Euroraum als auch in den USA mittlerweile sogar höher als vor der Finanzkrise. In Deutschland stiegen sie von durchschnittlich 4,1% Mitte 2007 auf aktuell 4,3%. Allerdings spielten hierbei staatliche Stützungsmaßnahmen eine große Rolle. Ohne diese Hilfen läge die Quote im Mittel nur bei ca. 3,8%. (vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose 2009, 10) Auch die Kernkapitalquote der 14 großen, international tätigen deutschen Banken ist um 2,4 Prozentpunkte auf jetzt 10,0% gestiegen (vgl. Bundesbank 2009, 40 f.). Dennoch kann von Entwarnung keine Rede sein, denn die vor der Finanzkrise üblichen Eigenkapitalquoten haben sich als deutlich zu gering erwiesen, um systemische Zusammenbrüche zu verhindern. Zu Recht verlangen deshalb Fremdkapitalgeber und Regulierungsbehörden in Zukunft deutlich höhere Eigenkapitalquoten (vgl. European Central Bank 2009, 91 ff.). Gleichzeit dürfte die risikogewichtete Eigenkapitalquote durch eine Herabstufung der Bonität von Vermögensklassen und rezessionsbedingt ausfallende Kredite zunächst weiter sinken (vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose 2009, 52 ff.). So beziffert die Bundesbank das Risiko aus Abschreibungen auf Buchkredite und Kreditverbriefungen auf 60 bis 90 Mrd. €. Davon entfallen zwar nur noch 10 bis 15 Mrd. als Wertberichtungen auf Verbriefungen, da diese bereits weitgehend abgeschrieben wurden (vgl. Bundesbank 2009, 60 ff.). Andererseits ist genau dies das Problem, denn durch diese Abschreibungen wurde die Eigenkapitalbasis der Banken weiter geschwächt. Dies hatte eigentlich durch eine BadBank-Lösung vermieden werden sollen, die in der Schwedischen Bankenkrise bereits erfolgreich angewandt worden war (vgl. Andersson und Viotti 1999). Erste Modelle dazu, wie sie beispielsweise vom Bundesverband deutscher Banken und zu Jahresbeginn 2009 auch noch vom damaligen Finanzminister Steinbrück vertreten wurden, hätten zu einer einseitigen Risikoübernahme durch den Steuerzahler geführt (vgl. van Suntum und Ilgmann 2009, 229–232). Das nach intensiver politischer Diskussion inzwischen verabschiedete Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz vom 17. Juli 2009 kann dies zwar weitgehend vermeiden. Es krankt aber trotz eines im Prinzip richtigen Ansatzes an einer Reihe von Webfehlern. Vor allem ist es – mit Ausnahme der West-LB – bisher von keiner einzigen Bank angenommen worden. Damit hat es seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Gefahr einer Kreditklemme zu verringern, bisher nicht erfüllt. Das Bad-Bank-Gesetz der Bundesregierung und seine Fehler Ulrich van Suntum* Cordelius Ilgmann** Das Gesetz vom 17. Juli 2009 beruht auf zwei Säulen: Zum einen auf dem Zweckgesellschaftsmodell als Bad-Bank-Regelung für privatwirtschaftliche Banken, zum anderen auf dem Konsolidierungsmodell, das vor allem für die Landesbanken gedacht ist. • Nach dem Zweckgesellschaftsmodell können private Banken ihre toxischen Papiere an Zweckgesellschaften (dezentrale Bad Banks) zum Buchwert übertragen. Im Gegenzug stellen sie * Prof. Dr. Ulrich van Suntum ist Direktor des Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen am Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung an der Universität Münster. ** Cordelius Ilgmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen am Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Münster. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 4 Zur Diskussion gestellt von den Zweckgesellschaften emittierte Schuldtitel in Höhe von 90% des Buchwertes der toxischen Papiere in ihre Bilanzen. Abgesehen von diesem – allein aus EUrechtlichen Gründen eingebauten – Bewertungsabschlag von 10% müssen diese Titel nicht weiter abgeschrieben werden, weil die Zweckgesellschaften nach HGB bilanzieren können. Die Titel werden zudem vom SoFFin garantiert, d.h. nach 20 Jahren können die Schuldtitel von den Banken zum Nennwert abgelöst werden. Für diese Garantie erhebt der SoFFin im Gegenzug eine Gebühr. Zudem müssen die Banken eine jährliche Ausgleichszahlung an den SoFFin leisten, die in der Summe dem Unterschied zwischen dem Nennwert der toxischen Papiere und ihrem tatsächlichen Wert (dem so genannten Fundamentalwert) entspricht. Da letzterer derzeit nur geschätzt werden kann, bleibt zunächst ein Risiko für den SoFFin. Dieses müssen letztlich aber ebenfalls die Banken bzw. ihre Aktionäre tragen, nämlich über eine Nachhaftungspflicht. Denn haben die toxischen Papiere nach 20 Jahren ihren Fundamentalwert nicht vollständig erbracht, so dürfen so lange keine Dividenden ausgeschüttet werden, bis die Differenz aus den Gewinnen der Bank beglichen worden ist. • Das Konsolidierungsmodell für die Landesbanken geht insofern weiter, als über strukturierte Papiere hinaus auch andere Risikopositionen und nicht mehr benötigte Geschäftsbereiche ausgelagert werden können. Diese werden von den Eigentümern auf einzelne Abwicklungsanstalten übertragen, die hier als Bad Bank dienen und unter Aufsicht der Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) als »Anstalt in der Anstalt«, d.h. organisatorisch und wirtschaftlich selbständig agieren. Auch hier übernimmt der SoFFin Garantien zur Refinanzierung der übernommenen strukturierten Wertpapiere in der oben beschriebenen Art und Weise. Die Anstalten können auch eigenständig auf Landesebene eingerichtet werden, in welchem Fall sie keine Garantien des SoFFin erhalten. Wie beim Zweckgesellschaftsmodell bleibt die wirtschaftliche Haftung über eine Verlustausgleichspflicht bei den ursprünglichen Eigentümern, einzig bei Sparkassen steht der Bund im Rahmen der Gewährträgerhaftung per 30. Juni 2008 ein.1 Die Kompliziertheit dieser Konstruktion resultiert zum einen aus EU- und bilanzrechtlichen Problemen, zum anderen auch daraus, dass das Gesetz in großer Eile erstellt wurde. Insbesondere wurden im Laufe der Zeit – unter dem Druck der öffentlichen Diskussion – im Zweckgesellschaftsmodell immer mehr Sicherungen gegen eine Beanspruchung des Steuerzahlers eingebaut. In seiner Endfassung läuft das Gesetz nun in der Tat darauf hinaus, dass die Banken bzw. ihre (Alt-)Aktionäre letztlich für sämtliche Verluste – mit Ausnahme der Gewährträgerhaftung – selbst aufkommen müs- sen. Nur im Insolvenzfall bleibt ein Teil davon beim Steuerzahler hängen, da dann die Ausgleichs- und Nachhaftungszahlungen nicht mehr greifen. Das Gesetz hat dennoch gravierende Fehler, vor allem hinsichtlich der Ausgestaltung der SoFFin-Garantien. Zum einen ist unklar, inwieweit die zeitliche asynchrone Struktur der Ein- und Auszahlungen entsprechende Zinszahlungen auslöst. So reicht keineswegs die bloße Abdeckung eines zu niedrig angesetzten Fundamentalwertes aus, sondern es müssten auch die Kosten der Vorfinanzierung durch den SoFFin im Garantiefall berücksichtigt werden. Der zweite Nachteil des Gesetzes liegt darin, dass den Banken mit 20 Jahren relativ wenig Zeit für die Abtragung ihrer Bilanzverluste bleibt. Die Garantiegebühren und Ausgleichszahlungen belasten zudem in dieser Zeit Liquidität und Eigenkapital und stehen daher dem Ziel einer raschen Wiederbelebung der Kreditvergabe an die Unternehmen entgegen. Der dritte und entscheidende Fehler des Gesetzes ist das Prinzip der freiwilligen Teilnahme. Bisher haben die Banken kaum Interesse an dem Modell gezeigt. Ein Grund dafür dürfte der Reputationsverlust sein, den sie bei Inanspruchnahme des Modells offenbar befürchten. Zudem ist zumindest unklar, ob die Gehälter der Vorstandsmitglieder bei Teilnahme an dem Modell automatisch der 500 000-Euro-Grenze unterliegen, welche die Regierung in der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung vom 20. Oktober für die Inanspruchnahme staatlicher Hilfsleistungen zur Bedingung gemacht hat. Wenn dies zuträfe, wäre das Desinteresse der Banken an dem Modell leicht zu erklären. Wie es besser ginge: Vorbild Ausgleichsforderungen Schon früh wurde in der Diskussion vorgeschlagen, bei der Bad-Bank-Lösung an dem in Deutschland bereits früher verwendeten Instrument der Ausgleichsforderungen anzuknüpfen.2 Diese wurden erstmals 1948 eingesetzt, um die durch die Währungsreform bedingten Bilanzverluste des Finanzsektors auszugleichen. Zu diesem Zweck erhielten die Banken niedrig verzinsliche Schuldtitel der öffentlichen Hand im Gesamtvolumen von rund 22 Mrd. DM, deren Bilanzierung zum Nennwert gesetzlich festgeschrieben wurde. Obwohl die Unterverzinsung eine Belastung für Rentabilität und Liquidität des Finanzsektors war, wurde dadurch die Finanzierung des Nachkriegsbooms kaum beeinträchtigt. Soweit die Ausgleichsforderungen auf den Bund lauteten, wur- 2 1 Sollten dem Bund finanzielle Lasten aus dem Modell entstehen, tragen der Bund und das betreffende Land diese im Verhältnis 65:35. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang So die Vorschläge im Januar 2009 von dem haushaltspolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Steffen Kampeter, und zeitgleich von Ulrich van Suntum (Schäfers und Frühauf 2009 und van Suntum 2009). Zur Diskussion gestellt den sie ab den 1970er Jahren sukzessive zurückgekauft und waren 1995 vollständig getilgt Die Ausgleichsforderungen gegenüber der Deutschen Bundesbank stehen dagegen teilweise heute noch in den Bilanzen und werden erst 2034 vollständig getilgt sein (vgl. Bundesbank 1995). Auch nach der deutsch-deutschen Währungsunion machte man wieder von diesem Instrument Gebrauch. Diesmal wurden die Ausgleichsforderungen im Gesamtvolumen von 89 Mrd. DM mit einer marktgängigen Verzinsung zum Dreimonatszins Fibor und mit einer Tilgung von 2,5% pro Jahr ab 1995 versehen. Auf diese Weise konnten auch die Bilanzverluste der früheren DDR-Banken praktisch reibungslos beseitigt werden (vgl. Bundesbank 1996). Dem neuerlichen Einsatz dieses bewährten Instruments in der aktuellen Finanzkrise stand das Argument gegenüber, dass diesmal die Banken selbst verantwortlich für ihre Bilanzverluste sind und daher nicht auf Kosten des Steuerzahlers entlastet werden sollten. Es hätte jedoch durchaus eine Möglichkeit gegeben, diesem Einwand Rechnung zu tragen, und dies sogar mit einem weit einfacheren als dem letztlich Gesetz gewordenen Modell (vgl. van Suntum und Ilgmann 2009, 237–240; Baetge 2009; ähnlich Polleit 2009). Im ersten Schritt werden dabei wieder die toxischen Aktiva gegen unverzinsliche (oder zumindest unterverzinsliche) Schuldtitel der Zweckgesellschaften (Bad Banks) getauscht. Letztere werden zum Nennwert der toxischen Papiere in die Bilanz eingestellt und vom SoFFin garantiert. Es gibt aber zwei entscheidende Unterschiede zum aktuellen Gesetz: • Zum einen bleibt der Rückabwicklungstermin der BadBank-Anleihen zunächst offen. Die im Austausch erhaltenen Papiere werden von den Zweckgesellschaften bestmöglich verwertet und die Erlöse am Kapitalmarkt so lange reinvestiert, bis der ursprüngliche Nennwert wieder erreicht ist. Es wird zwischen dem SoFFin und der abgebenden Bank vereinbart, dass erst dann die Rückabwicklung zum garantierten Nennwert erfolgt. • Zum zweiten ist es unbedingt erforderlich, alle systemrelevanten Finanzinstitute mit erheblichem Abschreibungsbedarf zur Beteiligung an diesem Vorgehen zu zwingen. Darauf ist bereits in der Anhörung des Haushaltsauschusses zum Bad-Bank-Gesetz von mehreren Sachverständigen hingewiesen worden (vgl. Deutscher Bundestag 2009, 11 und 21; ähnlich Sachverständigenrat 2009, 130). Die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems ist ein öffentliches Gut, entsprechende Eingriffe in die Bankenfreiheit sind daher ebenso notwendig wie die »Vorschrift zum Bau einer gemeinsamen Brandmauer«, wie bereits Adam Smith (1978, 267) erkannt hatte. Ähnlich wie bei den Ausgleichsforderungen kann die Rückabwicklung des Bilanztausches je nach »Toxizität« der Pa- piere unter Umständen mehrere Jahrzehnte dauern. Im Grenzfall völlig wertloser Aktiva bleiben die Bad-BankSchuldtitel so lange in der Bilanz der betreffenden Bank, bis es deren Ertragslage erlaubt, sie regulär auf null abzuschreiben. Sollte eine unbestimmte Rückabwicklungsdauer bilanzrechtlich nicht möglich sein, könnte man auch eine sehr lange (z.B. 80-jährige) fixe Dauer mit der Möglichkeit vorzeitiger Abwicklung vereinbaren, was ökonomisch auf das Gleiche hinausläuft. Dieses Modell ist prinzipiell auf alle Aktiva anwendbar, bei denen es aufgrund temporärer Unterbewertungen zu einer Reduktion des bilanziellen Eigenkapitals kommt. Im Unterschied zur Nachkriegszeit unterliegt Deutschland inzwischen internationalen Bilanzrichtlinien, die möglicherweise mit dem damaligen Instrument der Ausgleichsforderungen nicht ohne weiteres vereinbar wären. So stellt sich insbesondere die Frage, ob niedrig verzinsliche oder unverzinsliche Staatspapiere nicht mit entsprechenden Bewertungsabschlägen nach dem Fair-value-Prinzip anstelle einer Einstellung zum Nennwert versehen werden müssten, womit das Instrument seine Bilanzentlastungsfunktion nicht erfüllen könnte. Angesichts der außergewöhnlichen Notlage sollten entsprechende Sonderregelungen, insbesondere für die Einstellung der Bad-Bank-Anteile zum Nennwert in die Bankbilanzen, allerdings möglich sein. Auch in der Vergangenheit sind die Bilanzrichtlinien bei Bedarf schon mehrfach durch Sonderregelungen variiert worden (vgl. Baetge 2009). Im Übrigen ist auch keineswegs gesichert, dass die derzeit geltende gesetzliche Regelung den internationalen Bilanzrichtlinien genügt (vgl. Sachverständigenrat 2009, 127). Den Steuerzahler kostet das Bad-Bank-Modell nach dem Vorbild der Ausgleichsforderungen nichts, und zwar im Unterschied zum aktuellen Gesetz auch nicht im Insolvenzfall der abgebenden Bank. Der Teufelskreis aus Abschreibungen und Notverkäufen wird gleichwohl wirkungsvoll unterbrochen, da die staatlich garantierten Anleihen der Zweckgesellschaften kein Eigenkapital binden. Gleichzeitig entfällt die Notwendigkeit einer Vorabbewertung der toxischen Aktiva (»Fundamentalwert«), denn die Bewertung findet über den variierenden Rückzahlungszeitpunkt quasi erst im Nachhinein statt: Je schlechter die Papiere vermarktet werden können, desto länger muss die Bank auf die Einlösung der Bad-Bank-Papiere warten. Mit dem auf diese Weise entstehenden Zinsverlust trägt sie die Kosten für ihr Fehlverhalten letztlich selbst, allerdings verteilt über viele Jahre oder Jahrzehnte. Der Trick ist damit der gleiche wie im aktuellen Gesetz, aber wesentlich einfacher und schonender für die Staatsfinanzen. Angesichts der immer noch gegebenen Brisanz des Problems sollte der Gesetzgeber eine entsprechende Novellierung des Bad-Bank-Gesetzes ins Auge fassen und dabei insbesondere auch das Prinzip der Freiwilligkeit aufgeben. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 5 6 Zur Diskussion gestellt Literatur Andersson, M. und S. Viotti (1999), »Managing and Preventing Financial Crises – Lessons from the Swedish Experience«, Sveriges Riksbank Quarterly Review 1, 71–89. Baetge, J. (2009), »Banken retten – mit dem richtigen Regelwerk«, INSMÖkonomenblog vom 10. April 2009. Deutsche Bundesbank (1995), »Ausgleichsforderungen aus der Währungsreform von 1948 und Fonds zum Ankauf von Ausgleichsforderungen«, Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, November, 55–69. Deutsche Bundesbank (1996), »Funktion und Bedeutung der Ausgleichsforderungen für die ostdeutschen Banken und Unternehmen«, Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, März, 35–53. Deutsche Bundesbank (2009), »Finanzstabilitätsbericht«, November 2009, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/finanzstabilitaetsberichte/finanzstabilitaetsbericht2009.pdf, (26. November 2009). Deutscher Bundestag (2009), »Öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung«, Protokoll Nr. 16/103 der 103. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Juni 2009. European Central Bank (2009), »Financial Stability Review« (June), http://www.ecb.int/pub/pdf/other/financialstabilityreview200906en.pdf, (1. Dezember 2009). Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz (Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung vom 17. Juli 2009), http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Gesetze__Verordnungen/039__Finanzmarktstabil__anl,property=publicationFile.pdf, (25.November 2009). Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes vom 20. Oktober 2008), http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Gesetze__Verordnungen/Finanzmarktstabilisierungsfonds__Verordnung__anla,property=publicationFile.pdf, (25. November 2009). Polleit, T. (2009), »Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Finanzmarkstabilisierung«, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse/a08/anhoerungen/zweckgesellschaften/stellungnahmen.pdf, (27. November 2009). Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2009), Zögerliche Belebung – steigende Staatsschulden, Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2009, Essen. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2009), Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen, Jahresgutachten 2009/10, Wiesbaden Schäfers, M. und M. Frühauf (2009), »Regierung will Banken-Paket nachbessern«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Januar. Smith, A. (1978), Der Wohlstand der Nationen, Ausgabe nach der 5. Auflage London 1789, München. van Suntum, U. (2009), »Zinslose Staatspapiere für die schlechten Banken«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Januar. van Suntum, U. und C. Ilgmann (2009), »Das Bilanzproblem der Banken – Ein Lösungsvorschlag«, ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, 60,223–246. Wolfgang Hönig* Deutsche Bankenaufsicht im Verzug Die deutsche Bankenaufsicht (Gesetzgebung und Verwaltung) wird aufgefordert, zur Überwindung der Bankenkrise auf zwei Gebieten zu handeln, wo sie bisher keine oder nicht die richtigen Maßnahmen ergriffen hat: Erstens muss der Staat dafür sorgen, dass Falschbeurteilungen durch die US-Ratingagenturen künftig nicht noch einmal zu Milliardenschäden in den Bilanzen deutscher Banken führen können. Zweitens hat der Staat mit effizienten Instrumenten sanierungsbedürftige und -fähige Banken zu sanieren, sofern das im öffentlichen Interesse nötig ist. Beides sind Forderungen an die nationale Aufsicht, da zur Umsetzung der hier konkret geforderten Maßnahmen eine internationale Abstimmung, die natürlich Zeit kostet und deren Erfolgsaussichten ungewiss sind, nicht nötig ist. Konsequenzen aus dem Versagen der Ratingagenturen Die globale Finanzmarktkrise resultiert aus dem weltweiten Verkauf von dubiosen Immobilienfinanzierungen durch USBanken. Um diese Verkäufe zu ermöglichen, d.h. maßgeschneiderte Produkte für alle möglichen Investorenkategorien zu schaffen, wurden diese Hypothekenkredite gebündelt und über die Kreditbündel Wertpapiere ausgestellt (sog. Mortgage Backed Securities, MBS). Zur weiteren Erhöhung der Platzierbarkeit wurden die MBSs nochmals ein- oder mehrfach hintereinander gebündelt und hierüber wieder Wertpapiere ausgestellt (sog. Collateralised Debt Obligations, CDO). Von 1995 bis 2008 erhöhte sich das globale Marktvolumen der CDOs von 0 auf 1,6 Billionen €. Deutsche * Dr. Wolfgang Hönig war den größten Teil seines Berufslebens in Stabsfunktionen bei deutschen Großbanken tätig, zuletzt bis Ende 2001 als Generalbevollmächtigter und Leiter Strategie und Controlling bei der Commerzbank AG, Frankfurt. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Zur Diskussion gestellt Banken hatten 2008 schätzungsweise 300 Mrd. € in solche Papiere investiert (vgl. im Einzelnen Sinn 2009, 127 ff.). Diese Entwicklung war nur möglich, weil die CDOs von den global aktiven Ratingagenturen, vor allem den US-Agenturen Moody’s, Standard&Poor’s und Fitch, falsch, nämlich viel zu gut, beurteilt wurden und die Investoren, darunter auch die deutschen Banken, sich auf diese Ratings mangels eigener Beurteilungsmöglichkeit mehr oder minder blind verließen. Es war für die Banken verlockend, in Wertpapiere zu investieren, denen die Agenturen höchste Qualität bescheinigten, die deshalb nach den bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften sehr wenig haftendes Eigenkapital beanspruchten und attraktive Zinsaufschläge hatten. Das Ziel einer möglichst hohen Eigenkapitalrendite konnte durch Investitionen in derartige Wertpapiere scheinbar ideal erreicht werden. Ohne das Vertrauen auf die falschen Ratings wären die Risiken aus den dubiosen US-Immobilienfinanzierungen bei ihren Urhebern, den US-Banken, geblieben. Zwar hätte auch deren Zusammenbruch ernste Auswirkungen über die USA hinaus haben können, wie die Insolvenz von Lehman Brothers zeigt. Eine Krise im jetzigen Ausmaß wäre uns aber erspart geblieben. Historischer Beleg ist die Krise der Savings and Loan Associations in den USA in den Jahren 1986 bis 1995, die ebenfalls aus dubiosen Immobilienfinanzierungen herrührte, welche aber mangels Verbriefung und Verkauf in den Bilanzen der kreditausreichenden US-Institute abgeschrieben werden mussten. Der Fall zeigt aber auch, dass Banken, hier US-Banken, nicht dazu neigen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Die Bankenaufsicht wird daher aufgefordert, Wiederholungen in der Zukunft einen Riegel vorzuschieben. Hierzu bieten sich zwei Vorgehensweisen an: Die Qualität der Ratingagenturen sollte verbessert werden, um Fehlbeurteilungen zu vermindern. Zu diesem Aspekt sei auf Sinn (2009, 306 f.) verwiesen. Diese Qualitätsverbesserungen können nur durch ein internationales Vorgehen erreicht werden, bei dem die USA die entscheidende Rolle spielen müssen, da dort die wichtigen Agenturen ansässig sind. Der deutsche Staat kann da allein wenig bewegen. Durch entsprechende aufsichtsrechtliche Regeln sollte ferner die Bedeutung von Ratingagenturen auf ein Niveau gesenkt werden, dass Ratings nur eine von vielen Erkenntnisquellen für Investitionsentscheidungen von Banken sind, um zu verhindern, dass Banken allein auf der Basis dieser Ratings investieren. Dazu gibt es verschiedene Ansatzpunkte: Erstens haben die externen Ratings als Basis der bankaufsichtlichen Risikogewichtung bei den CDOs versagt. Die Risikogewichtung entscheidet über die bankaufsichtliche Ei- genkapitalbindung. Seit 2007 gelten neue international einheitliche Risikoermittlungsvorschriften (Basel II), für Deutschland umgesetzt durch die Solvabilitätsverordnung vom 14. Dezember 2006. Nach dem dort vorgesehenen sog. Kreditrisikostandardansatz sind CDOs von höchst unterschiedlichem Risikogewicht je nach Einstufung durch die Ratingagenturen (dargestellt am Ratingschema von Standard&Poor’s): Einstufung in AAA bis AA- 20%, A+ bis A– 50%, BBB+ bis BBB– 100%, BB+ bis B–- 350% sowie B+ und schlechter sowie ohne Rating 1250% Risikogewicht. Da aus heutiger Sicht die toxischen US-Papiere in die schlechteste Kategorie gehören, wurde für diese Papiere das Eigenkapitalerfordernis somit um einen Faktor bis zum 62,5-Fachen (!) zu niedrig eingeschätzt. An Ratingagenturen werden aber durch § 53 Solvabilitätsverordnung besondere Qualitätsanforderungen als Voraussetzung für ihre aufsichtsrechtliche Anerkennung gestellt. Neben verschiedenen hohen methodischen Anforderungen verlangt die Verordnung: »Die Bonitätsbeurteilungen der Ratingagenturen müssen am Markt als glaubwürdig und verlässlich ansehen ... werden.« Selbst wenn vor allem die US-Behörden bei den Ratingagenturen Qualitätsverbesserungen unverzüglich durchsetzen sollten, haben die Bonitätsbeurteilungen der Agenturen hinsichtlich der CDOs jedenfalls ihre Glaubwürdigkeit am Markt auf nicht absehbare Zeit verloren. Laut Jochen Sanio, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, gehören die Ratingagenturen »zu den Hauptschuldigen der Krise«. Sie hätten die Bewertung strukturierter Finanzprodukte »als Profitmaschine betrieben und dabei ihre Vertrauenswürdigkeit verspielt« (DER SPIEGEL 47/2009, S. 74). Dann ist es aber nach § 53 Solvabilitätsverordnung geboten, die Zulassung der gegenwärtig für die Bewertung aller Marktsegmente anerkannten Agenturen Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch hinsichtlich der strukturierten Finanzierungen (dazu zählen die CDOs) zu beenden. Die kanadische DBRS und die nur für andere Forderungen anerkannten Agenturen Japan Credit Rating Agency und Creditreform Rating AG spielen nur eine relativ geringe Rolle. Die deutsche Bankenaufsicht hat hier kein Ermessen, sondern muss die Anerkennung nach der geltenden Rechtslage einschränken und kann das auch ohne internationales Einvernehmen, da die Anerkennung von Ratingagenturen und damit auch deren Beendigung oder Einschränkung Aufgabe der nationalen Aufsichtsbehörden ist, wenn auch aus Wettbewerbs- und Praktikabilitätsgründen bei der Anerkennung von Ratingagenturen ein informelles »Schattenanerkennungsverfahren« auf EU-Ebene etabliert ist. Dieses Konsultationsverfahren könnte unbeschadet der nationalen Ent62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 7 8 Zur Diskussion gestellt scheidungskompetenz auch bei der Einschränkung der Anerkennung genutzt werden. Strukturierte Finanzierungen wären daher im Kreditrisikostandardansatz bis auf weiteres als Risikopositionen ohne Rating zu behandeln, was gegenwärtig nur insoweit zu höheren Eigenkapitalanforderungen führen würde, als diese Papiere nicht sowieso schon auf die niedrigste Stufe abgewertet sind. Künftig wäre es aber deutschen Banken nicht mehr möglich, strukturierte Finanzierungen unter Berufung auf sehr gute Ratings der USRatingagenturen mit entsprechend geringem haftenden Eigenkapital zu unterlegen. Den Banken bleibt es zwar nach Basel II unbenommen, den auf externen Ratings basierenden Kreditrisikostandardansatz durch ihnen zur Wahl stehende, unterschiedlich anspruchsvolle interne Ratingverfahren zur Abschätzung der Ausfallrisiken zu ersetzen. Dass Banken zunehmend interne Ratingansätze verwenden, ist aufsichtlich sogar explizit gewünscht. Allerdings wäre gesondert zu prüfen, ob diese internen Ansätze hilfreicher sind als externe Ratings. In die internen Modelle fließen zum einen historische Daten mit einem kurzen Horizont in die Vergangenheit ein, wohingegen sich Krisen dadurch definieren, dass sie von vergangenen Entwicklungen deutlich ungünstig abweichen. Zum anderen werden in den internen Modellen risikomindernde Diversifizierungen unterstellt, die sehr wohl bei Einzelrisiken, nicht aber bei systemischen Risiken einer Krise vorliegen. Es wäre daher zu überlegen, in einem »Basel III« wieder ausschließlich auf zwar grobe, aber manipulationsfreie objektive Daten der Bankbuchhaltung nach dem Vorbild des bis 2006 geltenden Grundsatz 1 abzustellen, also auf subjektive Einschätzungen ganz zu verzichten. Erfreulicherweise wird inzwischen weithin eine erhebliche Verstärkung der Eigenkapitalbasis der Banken gefordert. So bringt Sinn (2009, 295 ff.) eine Verdoppelung der Mindestkernkapitalquote auf 8% ins Gespräch. Auf dieser komfortablen Basis könnte man sich eine solche Vergröberung erlauben. Wenn die Risikoermittlung gedanklich »zu niedrig« ausfällt, würde das durch die höhere Eigenkapitalquote abgefedert, im umgekehrten Fall einer »zu hohen« Risikoermittlung würde die zusätzliche Eigenkapitalausstattung nicht schaden. In jedem Fall wäre aber eine derartige Weiterentwicklung von Basel II nur in einem langwierigen, international konzertierten Prozess möglich. Zweitens sollten Kreditgewährungen, Wertpapierankäufe und sonstige Risikoübernahmen künftig aufsichtsrechtlich nur im Rahmen der Bankstrategie zulässig sein. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber keineswegs Praxis. Geschäftsleiter von Banken sehen es bisher als ihr Recht an, ihnen attraktiv erscheinende Geschäftsmöglichkeiten ungeachtet einer eventuell beschlossenen Strategie zu nutzen, insbesondere mangels ausreichendem strategiekonformem Kreditgeschäft in vermeintlich attraktive Ersatzdebitoren zu investieren. Die Strategie müsste von den Leiifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang tungsgremien der Bank konkret definiert und klar formuliert werden. Die Kredit- und Risikocontrollingfunktionen der Banken wären so aufzustellen und zu qualifizieren, dass sie strategiekonforme Risiken selbständig zuverlässig beurteilen können. Sie dürften bei ihrer Beurteilung nicht auf externe Ratings angewiesen sein. Daraus folgt, dass Strategien, deren Risiken intern nicht ausreichend sicher beherrscht werden können, aufsichtsrechtlich nicht zulässig wären. Die Bankenaufsicht hätte laufend zu überprüfen, ob die Bankstrategie diesen Anforderungen genügt. Unter einem solchen Regime hätte kaum eine deutsche Bank verbriefte US-Immobilienfinanzierungen ankaufen können. Das frühere US-Trennbankensystem, dessen Wiedereinführung erwogen wird, zielt in eine vergleichbare Richtung, d.h. auch dadurch soll verhindert werden, dass einlagennehmende und kreditausreichende Banken Risiken übernehmen, die diesem Geschäft fremd sind und die sie nicht ausreichend beherrschen. Das hier geforderte Vorgehen wäre aber flexibler. Es ist leichter, eine Verwaltungspraxis, d.h. hier die aufsichtliche Überprüfung einer Bankstrategie, etwaigen neuen Erkenntnissen anzupassen, als ein Gesetz zu ändern. Regelungsumgehungen würden durch diese Flexibilität erschwert. Vor allem könnten die individuellen Kapazitäten und Kompetenzen der einzelnen Banken berücksichtigt werden. Unterschiedlich befähigte Institute würden nicht über einen einheitlichen bankaufsichtlichen Kamm geschoren. Eine derartige Regelung könnte der Gesetzgeber ebenfalls ohne internationale Abstimmung für deutsche Banken einführen. Die EU-Richtlinie 2006/48/EG vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute führt hierzu in Nr. 6 der Erwägungen aus: »Die Richtlinie sollte die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht beeinträchtigen, welche besondere zusätzliche Genehmigungen vorsehen, durch die es den Kreditinstituten ermöglicht wird, spezifische Tätigkeiten auszuüben oder bestimmte Arten von Geschäften zu tätigen.« Das wäre auch der Schlüssel zur Lösung des Problems, dass den Ratingagenturen zwar von vielen Seiten die Glaubwürdigkeit abgesprochen wird, sie aber wegen angeblicher Unersetzlichkeit geschont werden. Die Ratingagenturen mögen schwer zu ersetzen sein, sie wären aber bei Umsetzung dieser Forderung nicht mehr unentbehrlich. Investitionen in undurchschaubare strukturierte Finanzierungen mit US-Provenienz könnten, wenn auch die anderen nationalen Bankaufsichtsbehörden dem deutschen Vorbild folgen, im Wesentlichen nur noch von US-Adressen getätigt werden, da nur diese aus eigener Kompetenz deren Risiken zuverlässig beurteilen können. So würde auch ein heilsamer Druck zum Abbau des US-Defizits ausgeübt. Wozu fehlende Orientierung an einer risikobeherrschten Strategie führen kann, zeigt das Beispiel der Bayerischen Lan- Zur Diskussion gestellt desbank, die im Jahre 2007 die Hypo Group Alpe Adria (HGAA) in Kärnten kaufte, die schwerpunktmäßig Balkanrisiken in den Büchern hat und bereits damals als marode galt. Kaufpreis, Kapitalhilfen und ein am 14. Dezember 2009 vereinbarter letzter Zuschuss addieren sich zu verlorenen 3,75 Mrd. €. Jetzt geht die HGAA ohne Gegenleistung in den Besitz des Staates Österreich über. Die Bayerische Landesbank ist bei der HGAA weiterhin mit einem Kredit von mehr als 3 Mrd. € engagiert. Drittens gibt es neben diesen beiden wichtigsten Feldern noch andere, wo die Relevanz von externen Ratings beseitigt werden sollte. So ist es eine verbreitete Übung, Kreditkompetenzen in den Banken nach externen Ratings zu staffeln. Ein Kompetenzträger wird etwa ermächtigt, an eine AAA- oder AA-Adresse erheblich mehr auszuleihen als an schlechter oder nicht bewertete Kreditsuchende. Dadurch werden vor allem nicht emittierende mittelständische Adressen, die mangels Bedarf über kein Rating verfügen, zu Unrecht diskriminiert. Das sollte künftig nicht mehr zulässig sein. Auch hier könnte die deutsche Bankenaufsicht im Alleingang tätig werden. Sanierung systemrelevanter Banken Sog. systemrelevante deutsche Banken, d.h. solche mit einer unverzichtbaren volkswirtschaftlichen Funktion, besonders bei der Kreditversorgung der deutschen Volkswirtschaft, müssen in letzter Konsequenz vom Staat im öffentlichen Interesse unter Einsatz von Steuermitteln saniert werden, sobald die Erfüllung dieser Funktion gefährdet ist. In letzter Konsequenz heißt das, dass zuvor das haftende Eigenkapital der Bankeigentümer und, soweit vorhanden, von den Banken gemeinschaftlich aufgebrachte Mittel einzusetzen sind. (So schlägt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einen von den euroopäischen Banken zu dotierenden Finanzstabilisierungsfonds vor.) Besonders bei den Landesbanken kommt hinzu, dass die Eigentümer, Länder, Kommunen und Sparkassen, nachschießen, bevor der Bund durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) am Zuge ist. So hat der Freistaat Bayern im Herbst 2008 10 Mrd. € Eigenkapitalhilfe an die Bayerische Landesbank geleistet als Voraussetzung für eine Garantie des SoFFin in Höhe von 15 Mrd. €. Schließlich haben sich die Banken um neues Eigenkapital von dritter Seite zu bemühen, bevor der Staat einspingt. Soweit diese Mittel aber nicht vorhanden oder aufgezehrt sind, ist der Staat gefordert. Dies zu leugnen, wie das bei der Kritik an den diesbezüglichen Vorschlägen von Josef Ackermann geschah (Süddeutscher Zeitung vom 20. November 2009), ist Vogel-Strauß-Politik. Da in der gegenwärtigen Finanzmarktkrise bereits die Mehrzahl der Landesbanken (Bayerische Landesbank, Landes- bank Baden-Württemberg, HSH-Nordbank und Westdeutsche Landesbank) und zwei sehr bedeutende private Banken (Commerzbank und Hypo Real Estate, HRE) staatliche Hilfe beanspruchen mussten, tritt der Sanierungsfall in einem deutlich früheren Stadium ein als bei der Notlage einer einzelnen systemrelevanten Bank in einem ansonsten intakten Umfeld. Mit der Sanierung kann gegenwärtig nicht bis zur Gefahr einer Insolvenz gewartet, sondern es muss bereits im Vorfeld die Fähigkeit der Banken zur angemessenen Kreditversorgung der Volkswirtschaft aufrechterhalten werden. Diese Fähigkeit wird durch die toxischen US-Papiere doppelt belastet, zum einen wegen des Eigenkapitalverzehrs durch Abschreibungen, zum anderen wegen erhöhter aufsichtsrechtlicher Eigenkapitalbindung durch den Wegfall der zu günstigen Ratings dieser Wertpapiere (sog. Ratingmigration). Die Situation wird durch die erwartete sog. zweite Welle aus Insolvenzen in der Realwirtschaft noch verschärft werden. So gesehen, dürften in Deutschland mehr Banken Sanierungsfälle sein als gemeinhin angenommen wird. In einem am 13. November 2009 vorgestellten Jahresgutachten empfiehlt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung daher, dass der Staat die systemrelevanten deutschen Banken durch Stresstests daraufhin untersucht, ob sie sanierungsbedürftig und -fähig sind. Hieraus ergeben sich drei Kategorien: A-Banken mit einem tragfähigen Geschäftsmodell, die ihre Solvenz aus eigener Kraft darstellen können, B-Banken mit einem vorhandenen oder durch Restrukturierung herstellbaren tragfähigen Geschäftsmodell, die staatliche Hilfe zur Aufrechterhaltung ihrer Solvenz benötigen, und CBanken ohne Zukunftschancen. Die staatliche Hilfe habe sich auf die B-Banken zu konzentrieren, notfalls auch gegen den Willen der Eigentümer und der Bankorgane, CBanken seien in einer die Volkswirtschaft schonenden Weise abzuwickeln. Dem ist voll zuzustimmen. In den USA mussten sich bereits die 19 wichtigsten Banken, teilweise gegen großen Widerstand, einem derartigen Test unterziehen, dessen Ergebnisse veröffentlicht wurden, was sich im Nachhinein als klarer Erfolg im Vertrauensbildungsprozess herausstellte. Der Staat sollte diese Stresstests in Deutschland bei den systemrelevanten Banken durchführen und deren Ergebnisse veröffentlichen. Auch hier kann er ohne internationale Abstimmung handeln. Die hierbei identifizierten B-Banken sind von Amts wegen zu sanieren. Die Initiative darf nicht, wie das gegenwärtig geschieht, den Bankorganen überlassen bleiben. Denn hier steht nicht das betriebswirtschaftliche Problem der Rettung von Bankunternehmen im Vordergrund, sondern die volkswirtschaftliche Aufgabe, eine Verschärfung der Kreditklemme zu vermeiden und diese abzubauen. Sonst besteht 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 9 10 Zur Diskussion gestellt die Gefahr, dass sich C-Banken, die nichts zu verlieren haben, um staatliche Hilfe bemühen und diese bekommen, dagegen B-Banken aus Sorge um ihren Ruf versuchen, ohne diese Hilfe auszukommen, und ihre Kreditaktivitäten zurückfahren, um ihre Eigenkapitalnot und ihre Refinanzierungsprobleme zu mildern. So hat die größte deutsche Genossenschaftsbank, die Apotheker- und Ärztebank, die toxische Papiere mit einem Buchwert von über 5 Mrd. € besitzt und Hilfe aus dem genossenschaftlichen Bereich erhält, aber staatliche Hilfe vermeiden will, am 27. November 2009 verlautbart, dass sie »sämtliche Optionen zur Reduzierung der Eigenkapitalbindung abarbeiten« will. Was das für die Kreditversorgung der deutschen Apotheker und Ärzte bedeuten kann, wo diese Bank einen Marktanteil von mehr als 60% hat, liegt auf der Hand, auch wenn die Bank betont, dass sie sich künftig auf ihr Kundengeschäft konzentrieren will. Das Gegenbeispiel ist die Aareal Bank, die im Februar 2009 vom SoFFin eine stille Einlage von 525 Mill. € und einen Garantierahmen für Refinanzierungsmittel von 4 Mrd. € erhielt, was die Bank in ihrem Geschäftsbericht 2008 so kommentierte: »Wir haben das Regierungsprogramm proaktiv in Anspruch genommen. Mit dieser Vereinbarung macht sich die Aareal Bank im Zeichen der Finanz-und Wirtschaftskrise für alle Unwägbarkeiten wetterfest«. Die Aareal Bank hat seit Ausbruch der Finanzmarktkrise im Sommer 2007 nur positive Quartalsergebnisse erzielt, ist daher offenbar nicht sanierungsbedürftig und hätte staatliche Hilfe nicht benötigt. Es besteht schließlich die Gefahr, dass C-Banken, die nicht sanierungsfähig sind, sich um staatliche Hilfe bemühen und diese auch bekommen. Hierzu könnte die eine oder andere Landesbank zählen. Der Staat hat den Banken durch das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz vom 17. Oktober 2008 drei Sanierungsinstrumente angeboten, die nicht ausreichend sind: Erstens gibt der Staat gemäß §6 dieses Gesetzes Garantien für die Passivseite der Bankbilanz, um Banken zu ermöglichen, sich weiter zu Marktkonditionen zu refinanzieren. Das herausragende Beispiel ist die HRE, die bisher bei einer Bilanzsumme von etwa 400 Mrd. € Garantien in Höhe von 102 Mrd. € erhalten hat. 50 Mrd. € wurden am Sonntag, 5. Oktober 2008, nachts in einer dramatischen Gemeinschaftsaktion von Bund und privaten Banken in buchstäblich letzter Minute zugesagt. Ohne diese Hilfe hätte die HRE am folgenden Montag Insolvenz anmelden müssen, was wahrscheinlich zum Zusammenbruch des Pfandbriefmarkts und damit zu schweren Störungen der Immobilienfinanzierung und der Finanzierung öffentlicher Haushalte sowie zum Zusammenbruch des Interbankenmarkts geführt hätte. 2009 folgte eine weitere Hilfe durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) in Höhe von 52 Mrd. €. Diese Garantien sind eine sinnvolle Sofortmaßnahme. Sie führen aber ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang nicht zur Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit aus eigener Kraft, wie das Beispiel HRE zeigt, die nach wie vor auf staatliche Garantien für ihre Refinanzierung angewiesen ist, obwohl sie inzwischen zusätzlich 6 Mrd. € Eigenkapital vom SoFFin erhalten hat und zu 100% in Staatsbesitz ist. Langfristig kann eine B-Bank ihre Kreditwürdigkeit am Markt nur durch die endgültige Befreiung von existenzbedrohenden toxischen Elementen und die Wiederherstellung einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung erlangen. Zweitens bietet der Staat daher auf der Grundlage von §8 des Gesetzes an, Banken von ihren existenzbedrohenden Risiken, also den sog. toxischen Papieren, und, wenn die sog. zweite Welle kommt, evtl. auch notleidenden Debitoren, zu befreien, sei es durch Ankauf oder durch Garantien. Das scheitert aber an unlösbaren Bewertungsproblemen. Die toxischen Papiere werden nicht mehr gehandelt, es fehlen somit Marktpreise. Stattdessen müssten Barwerte durch Diskontierung der künftigen Zahlungsströme ermittelt werden. Das ist wegen der Ungewissheit über diese Zahlungsströme nicht möglich. Vorläufige Wertfestsetzungen mit endgültiger Abrechnung nach Beendigung der Abwicklungsphase wären nicht hilfreich. Die Banken würden dadurch nicht endgültig von den Risiken befreit. Das Ziel der Aktion, die Wiedererlangung von Vertrauen am Markt, wird so nicht erreicht. Das gilt auch für die am 17. Juli 2009 geschaffenen §§6a bis d des Gesetzes, die die Möglichkeit eröffnen, dass Banken toxische Papiere an Zweckgesellschaften zur Abwicklung veräußern. Hier müssten die übertragenden Banken einen Teil des hierfür erhaltenen am gegenwärtigen Buchwert orientierten Kaufpreises über bis zu 20(!) Jahre verteilt wieder zurückzahlen und für den Fall eines noch niedrigeren Abwicklungserlöses auch für diesen Restverlust haften. Das gleiche Manko gilt für die zum gleichen Zeitpunkt geschaffenen §§8a und b des Gesetzes. Hierdurch wurde die gesetzliche Grundlage für sog. öffentlichrechtliche Abwicklungsanstalten (des Bundes oder eines Bundeslandes) geschaffen, bei denen Banken Altlasten und nicht strategiegerechte Geschäftsteile abladen können. Verluste aus der Abwicklung werden wieder in Raten auf bis zu 20 Jahre verteilt der übertragenden Bank aufgebürdet, ebenso ein dann noch verbleibender Restverlust. Anders ist es nur bei einem geschlossenen Eigentümerkreis, wenn sich alle Beteiligten einig sind, was vor allem bei Landesbanken praktisch werden kann, wo sich Sparkassen, Kommunen und Bundesländer das Eigentum teilen. Hier wird die Lösung in einer unbeschränkten also über das eingezahlte Eigenkapital hinaus reichenden quotalen Haftung dieser Eigentümer für alle Verluste (mit Zahlungsstreckungen zugunsten der Sparkassen) gesehen. Die Westdeutsche Landesbank, ihre Eigentümer und der Soffin haben sich am 24. November 2009 darauf geeinigt, die Möglichkeiten einer öffentlichrechtlichen Abwicklungsanstalt zu nutzen, um auf diese nicht strategienotwendige Geschäftsbereiche im Umfang von etwa 85 Mrd. € zu über- Zur Diskussion gestellt tragen. Bei der HRE wird ebenfalls eine Ausgliederung problembehafteter und nicht strategiekonformer Geschäftsteile auf eine Abwicklungsanstalt geplant. Bei anderen Banken mit einer Vielzahl privater Eigentümer funktionieren diese Modelle nicht. Bisher hat noch keine andere Bank von diesen Angeboten Gebrauch gemacht. Drittens führt der Staat gemäß § 7 des Gesetzes den Banken neues Eigenkapital zu. Prominentestes Beispiel ist die Commerzbank, wo der Staat sich unter Einsatz von 1,8 Mrd. € mit 25% am Aktienkapital beteiligt und ein Vielfaches dieser Investition, nämlich 16,4 Mrd. €, als stille Einlage eingezahlt hat. Hätte der Staat den gesamten Betrag von 18,2 Mrd. € zum gleichen Zeichnungskurs in Commerzbank-Aktien angelegt, wäre er jetzt mit 77% am stimmberechtigten Aktienkapital beteiligt und hätte das Sagen. Mit dem Aktienbesitz haftet der Staat gleichrangig mit den Altaktionären. Mit der Stillen Einlage haftet er zwar nach den Aktionären, sie verschafft ihm aber keinen Einfluss in der Hauptversammlung der Bank. Verantwortungsgerechter wäre es jedoch, wenn die Alteigentümer der Banken das Risiko aus einem Sanierungsfall mit ihrem gesamten eingezahlten Eigenkapital vor dem Staat tragen. Ferner sollte der Staat entsprechend seiner Eigenkapitalzufuhr Einfluss erhalten. Die Eigenkapitalhilfe durch den Staat im Sanierungsfall dient der Aufrechterhaltung der Funktion der Banken, die Volkswirtschaft mit Kredit zu versorgen. Das ist eine öffentliche Aufgabe. Der Staat muss diese Aufgabe in eigener Verantwortung wahrnehmen. Dieser Verantwortung kann er nur gerecht werden, wenn er den seiner Eigenkapitalzufuhr entsprechenden Einfluss auf die Banken bekommt. Der Einwand, dass staatlich kontrollierte Banken erfahrungsgemäß besonders unglücklich agieren, ist ernst zu nehmen. Das betrifft aber Banken im dauernden Staatsbesitz, also vor allem Landesbanken, wo Funktionäre, die das Bankgeschäft nicht gelernt haben, in den Verwaltungsräten oft viel Unheil angerichtet haben. Hier dagegen muss der Staat seinen nur vorübergehenden Einfluss dazu nutzen, dass das schon vorhandene oder durch Restrukturierung herzustellende tragfähige Konzept der B-Banken konsequent umgesetzt und das Vertrauen des Marktes in die Banken schnellstmöglich wieder hergestellt wird, damit er in die Lage versetzt wird, seine Beteiligungen zu privatisieren. Der Staat muss also daran arbeiten, sich bei den B-Banken überflüssig zu machen. Eine Einmischung in das Tagesgeschäft verbietet sich. Ferner ist zu bedenken, dass keineswegs nur bankunerfahrene Funktionäre bei Banken Unheil angerichtet haben, sondern bei der gegenwärtigen Krise auch erfahrene Bankmanager weltweit Bankschieflagen verursacht haben. Wegen dieser Defizite wird am Beispiel einer B-Aktienbank ein anderer Sanierungsweg aufgezeigt, der auch bei einem großen, heterogenen Aktionärskreis gangbar ist. Er stellt sicher, dass die Altaktionäre vor dem Staat mit ihrem Ak- tienkapital haften, dass die Bank von ihren existenzbedrohenden Risiken voll und endgültig befreit wird und dass sie vom Staat zur Wiederherstellung ihrer Solvenz rekapitalisiert wird. Bei einer anderen Rechtsform der B-Bank ist dieser Sanierungsweg analog anwendbar: Als Sofortmaßnahme erhält die Bank zur Aufrechterhaltung ihrer Refinanzierung bei Bedarf staatliche Garantien für die Passivseite der Bilanz gemäß § 6 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz. Sodann wird von der Bank (alt) der toxische Teil als Abwicklungsgesellschaft nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes abgespalten. Abspaltungen sind bei Banken nichts Ungewöhnliches. So ist die HRE aus einer Abspaltung von der HypoVereinsBank entstanden, die Westdeutsche Landesbank wird bei ihrem oben erwähnten Projekt ebenfalls den Weg der Abspaltung wählen. Die Abspaltung kann zu Buchwerten, d.h. ohne Bewertung erfolgen, da die Altaktionäre an der Bank (neu) und der Abwicklungsgesellschaft im gleichen Verhältnis wie an der Bank (alt) beteiligt sind, wenn auch in völlig unterschiedlicher absoluter Höhe. Die Eigenkapitalausstattung wird nämlich im Abspaltungsplan so geregelt, dass praktisch das gesamte Eigenkapital als Risikopuffer der Abwicklungsgesellschaft zugeordnet wird. Die der Abwicklungsgesellschaft im Abspaltungsplan ferner zugeordneten Gläubiger der Bank (alt), die neben dem Eigenkapital die Refinanzierung der Abwicklungsgesellschaft darstellen, erhalten eine Garantie des Staates. Damit wird vermieden, dass sie, was ansonsten ihr Recht wäre, auf das Vermögen der Bank (neu) zugreifen (sog. Nachhaftung). Auf diese Weise wird sicher gestellt, dass die Altaktionäre in der Abwicklungsgesellschaft mit praktisch ihrem gesamten Aktienkapital vor dem Staat haften. Das Abwicklungsergebnis führt im schlechtesten Fall zum vollen Verlust des Eigenkapitals der Abwicklungsgesellschaft zuzüglich einer Belastung des Staates aus der Garantie. Bei einem besseren Abwicklungsergebnis werden die Gläubiger befriedigt, der Staat wird dann nicht belastet, und es entsteht zusätzlich ein Abwicklungserlös für die Altaktionäre. Wenn es im besten Fall bei der Abwicklung per saldo zu Wertaufholungen kommt, profitieren davon die Altaktionäre, die auch die zuvor erfolgten Abschreibungen getragen hatten. Die Bank (neu) wird im Abspaltungsplan nur mit dem aktienrechtlichen Mindestkapital ausgestattet und anschließend im erforderlichen Umfang, d.h. zur Sicherung ihrer Fähigkeit zur Kreditversorgung der Volkswirtschaft, durch den Staat rekapitalisiert. Auch die Westdeutsche Landesbank wird nach Abspaltung ihrer nicht strategiekonformen Geschäftsteile für die verbleibende »Kernbank« vom Soffin eine stille Einlage von 3 Mrd. € erhalten, die später in Stammaktien getauscht werden kann, was im wesentlichen dem hier für eine B-Aktienbank geforderten Vorge62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 11 12 Zur Diskussion gestellt hen entspricht. Die Rekapitalisierung durch den Soffin setzt also die völlige und endgültige Befreiung der Bank (neu) von existenzbedrohenden toxischen Elementen voraus. Durch die endgültige Befreiung von den toxischen Elementen und die Rekapitalisierung wird die Bank (neu) wieder am Markt kreditwürdig. Sie bedarf dann keiner Staatsgarantien zur Refinanzierung mehr. Der Staat muss seine Aktien nach erfolgreichem Abschluss der Sanierung verkaufen, da sodann der Grund für den Staatsbesitz weggefallen ist. Die praktisch vollständige Zuordnung des Eigenkapitals der Altaktionäre zur Abwicklungsgesellschaft ist in Anbetracht des Risikopotentials in der Regel angemessen. Sollte der Stresstest ergeben, dass ausnahmsweise ein geringeres Risikopolster auch bei konservativer Beurteilung ausreicht, kann im Abspaltungsplan ein entsprechend geringerer Teil des Eigenkapitals der Abwicklungsgesellschaft zugeordnet werden, so dass die Altaktionäre substanziell an der Bank (neu) beteiligt bleiben. Nach Rekapitalisierung wird der Staat aber praktisch immer mit qualifizierter Mehrheit an der Bank (neu) beteiligt sein und damit das Sagen haben. Das zeigt das Beispiel Commerzbank, wo, wie oben gezeigt, der Staat 77% des Aktienkapitals besäße, obwohl mangels Abspaltung einer Abwicklungsgesellschaft das gesamte Eigenkapital der Altaktionäre in der Bank verblieben ist. Durch diese Flexibilität kann der Vorwurf entkräftet werden, die Altaktionäre seien mehr als zwingend erforderlich aus der Bank verdrängt worden. Da diese Sanierungsmaßnahmen volkswirtschaftlichen d.h. öffentlichen Interessen und nicht den privatwirtschaftlichen Interessen der Altaktionäre dienen, sind sie durch den Staat auch dann durchzusetzen, wenn die Altaktionäre die erforderlichen Hauptversammlungsbeschlüsse nicht fassen sollten. Der deutsche Gesetzgeber kann aus europarechtlichen Gründen die Hauptversammlungsbeschlüsse nicht durch der Sanierung dienende Verwaltungsakte ersetzen. Der Staat kann aber notfalls die Aktien der Altaktionäre enteignen, um sodann selbst die erforderlichen Beschlüsse fassen zu können. Als Gesetzesgrundlage hierfür kann das allein auf die HRE abgestellte und inzwischen zeitlich ausgelaufene Rettungsübernahmegesetz vom 7. April 2009 reaktiviert werden, indem seine Anwendbarkeit auf alle B-Banken erweitert und seine Befristung aufgehoben wird. Im obigen Beispiel tritt dann der Staat an die Stelle der Altaktionäre. Diese erhalten die Enteignungsentschädigung und haben weder das Risiko noch die Chance eines ungünstigen bzw. günstigen Abwicklungsergebnisses einerseits, im geschilderten Ausnahmefall einer ungünstigen bzw. günstigen Entwicklung der Bank (neu) andererseits. Diese Sanierungsmassnahmen kann die deutsche Bankenaufsicht ebenfalls ohne internationale Abstimmung ergreifen. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Fazit Die deutsche Bankenaufsicht wird aufgefordert, folgende Maßnahmen zügig zu ergreifen: • Beendigung der Anerkennung der US- Ratingagenturen Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch für strukturierte Finanzierungen • Eingrenzung von Bankaktivitäten auf bankintern beherrschbare Risiken • Beendigung der Diskriminierung von Kreditnehmern ohne Rating • Ermittlung der systemrelevanten sanierungsbedürftigen und -fähigen Banken, der sog. B-Banken, durch Stresstests und Veröffentlichung der Testergebnisse • Sanierung der B-Banken von Amts wegen gemäß dem geschilderten Verfahren. Literatur Sinn, H.-W. (2009), Kasino-Kapitalismus, Econ-Verlag, Berlin. Zur Diskussion gestellt den, dann dürften vor allem große, international tätige Banken, Hypothekenbanken und öffentlich-rechtliche Banken davon betroffen sein. Der dadurch verursachte Kapitalbedarf bei diesen Banken dürfte deshalb enorm sein. Stephan Götzl* Heute Krise von morgen verhindern Die Finanzkrise hat auf drastische Weise gezeigt, dass das Eigenkapital vieler Banken, insbesondere der großen, international tätigen, zu gering war. Infolge der Krise ist der Eigenkapitalbedarf der Banken zusätzlich angestiegen, weil die immensen Abschreibungen auf Wertpapiere und Kredite das Eigenkapital reduzieren. Darüber hinaus erhöhte sich die vom Markt geforderte Eigenkapitalausstattung. Die rückläufigen Eigenkapitalquoten der letzten Jahre haben sich als zu gering erwiesen. Kapitalerhöhungen oder Deleveraging? Von Abschreibungen betroffene Banken haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die geforderten Eigenkapitalquoten zu erfüllen: 1. über konventionelle Kapitalerhöhungen und 2. durch so genanntes Deleveraging. Kapitalerhöhungen haben bislang in zu geringem Ausmaß stattgefunden: Bis zum Sommer 2009 waren es nach Schätzungen des IWF für den Euroraum nur 220 Mrd. € (vgl. Internationaler Währungsfonds 2009). Insgesamt werden aber Abschreibungen in Höhe von 814 Mrd. € veranschlagt, wovon bis Sommer 2009 nur 350 Mrd. € realisiert wurden. Es befinden sich also noch immer stille Lasten von weit über 400 Mrd. € in den Büchern von Banken des Euroraums. Für deutsche Banken ermittelt die Bundesbank in ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht einen weiteren, noch ausstehenden Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 60 bis 90 Mrd. € (vgl. Deutsche Bank 2009). Nimmt man die bisherigen Abschreibungen als Indikator für die künftig drohen* Dr. h.c. Stephan Götzl ist Präsident und Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbands Bayern e.V. Angesichts der geringen Kapitalerhöhungen wählen die angeschlagenen Banken momentan den Weg des Deleveraging. Über eine Rückführung der Geschäftsaktivitäten werden eigene Schulden zurückbezahlt. Die Bilanzsumme schrumpft und die Eigenkapitalquote steigt. Was aus bankindividueller Sicht rational sein mag, kann negative Folgen für die Volkswirtschaft haben. Unter einem andauernden Einschränken der Geschäfte gerät die Kreditversorgung der Wirtschaft in Mitleidenschaft, eine Kreditklemme kann bei deutlichem Anspringen der Investitionstätigkeit entstehen. Die Politik muss deshalb erreichen, dass die Banken ihre Eigenkapitalausstattung durch neues Eigenkapital verbessern. Dies sollte eigentlich bei einer ausreichenden Nachfrage nach Bankdienstleistungen – bei einer Kreditklemme gibt es definitionsgemäß eine Übernachfrage nach Krediten – von alleine über den Markt passieren und in »Normalzeiten« tut es das auch. Aber offensichtlich gibt es hier momentan Marktversagen, das staatliches Eingreifen erfordert. Konkret ist das so genannte »Debt-overhang-Problem« das größte Hindernis für neue Eigenkapitalgeber (vgl. Myers 1977). Durch den Wertverfall vieler Aktiva ist das Risiko der Fremd- und Eigenkapitalgeber gestiegen und der Wert ihrer Ansprüche gesunken. Eine Zuführung von neuem Eigenkapital erhöht den Gesamtwert der Aktiva um den gleichen Betrag. Weil aber durch die dann höhere Haftungsmasse der Bank das Risiko für die Gläubiger und Altaktionäre sinkt, steigt der Marktwert ihrer Ansprüche, was zu Lasten der neuen Aktionäre geht. Vereinfacht ausgedrückt erhält ein Neu-Aktionär auf einen Euro, den er an frischem Eigenkapital zuschießt, Ansprüche mit einem geringeren Wert als einen Euro. Dies dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass private Rekapitalisierungen nur sehr zögerlich stattfinden. Außerdem befürchten die jeweiligen Banken negative Effekte auf ihr Geschäft und ihre Refinanzierungsmöglichkeiten auf den Bondmärkten durch eine Stigmatisierung als »Problembank«, sollte eine beabsichtigte Kapitalerhöhung fehlschlagen. Die Regierungen in vielen Ländern haben dieses Problem im Grundsatz erkannt und mit diversen Stützungsprogrammen reagiert. In Deutschland wurde der »Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung« (SoFFin) ins Leben gerufen. Auffällig ist, dass die freiwilligen Maßnahmen bislang wenig Erfolg hatten und nur in den Fällen genutzt wurden, in denen die Schließung der Bank unvermeidlich gewesen wäre. Als Beispiele seien nur die Hypo Real Estate und die WestLB genannt. Damit stellt sich die Frage, warum angeschlagene Banken die staatlichen Stützungsangebote freiwillig nicht 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 13 14 Zur Diskussion gestellt nutzen wollen, obwohl es eigentlich wirtschaftlich notwendig wäre? Instrumente des SoFFin Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich die Instrumente ansehen, über die der SoFFin verfügt. Dazu zählen: – Garantiegewährung für neu begebene Schuldtitel: Finanzinstitute können sich neue Verbindlichkeiten durch eine staatliche Garantie absichern lassen. Mit 128 Mrd. € ist dies bisher das meistgenutzte Instrument. Allerdings dient es in erster Linie der Liquiditätssicherung der jeweiligen Bank. Ernsthafte Solvenzprobleme lassen sich damit nicht lösen. – Rekapitalisierungen: Bei mangelnder Eigenkapitalausstattung kann sich der Fonds über eine Kapitaleinlage an einem Finanzinstitut beteiligen. Momentan ist er bei drei Instituten mit 22 Mrd. € Eigenmitteln engagiert. Den größten Teil davon macht die Commerzbank mit 18,2 Mrd. € aus, wovon 16,4 Mrd. als Stille Einlagen gewährt wurden. – Risikoübernahme: Der SoFFin kann auch Kredite und Wertpapiere von den Instituten gegen Schuldtitel des Bundes tauschen. Aktuell nutzt nur die WestLB dieses Instrument für Wertpapiere über 5,9 Mrd. €. – Im Sommer kamen zwei neue Angebote zur Bilanzbereinigung, so genannte Bad-Bank-Modelle, zum Instrumentenset hinzu: Über das Zweckgesellschaftsmodell soll die Auslagerung schlechter Wertpapiere aus den Banken in Zweckgesellschaften forciert werden. Mit dem Abwicklungsanstaltenmodell sollen sogar ganze Geschäftsbereiche ausgelagert werden können. Beide Modelle wurden bisher fast nicht genutzt: Das Zweckgesellschaftsmodell gar nicht, das Abwicklungsanstalten-Modell in einem Fall, von der WestLB. Damit verfügt der Fonds über einen umfangreichen Instrumentenkasten, um die unterschiedlichen Probleme bei öffentlich-rechtlichen und privaten Banken anzugehen. Allerdings wird er bisher eher spärlich in Anspruch genommen. Grund ist, dass den Banken und deren Managern Auflagen gemacht werden. Dabei fällt auf, dass das Instrument mit den geringsten Auflagen – die Garantiegewährung, bei der nur eine »solide Geschäftspolitik« verfolgt werden muss – auch am meisten genutzt wird. Bei den anderen Maßnahmen sind strengere Bedingungen zu erfüllen. So wird die Vergütung des Managements auf maximal 500 000 € begrenzt, Auflagen für die weitere Geschäftstätigkeit und ein staatliches Mitspracherecht drohen. Bei den Bad-Bank-Modellen wird durch weitgehende Nachzahlungs- und Nachhaftungspflichten der auslagernden Bank befürchtet, dass wegen mangelnder Ausschüttungsmöglichkeiten neue Inifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang vestoren an Rekapitalisierungen oder andere Banken an Fusionen nicht interessiert sind. Die an sich gut gemeinte Schonung des Steuerzahlers verhindert, dass diese Angebote auch genutzt werden und die Banken nach einer Bilanzbereinigung Kapital aufnehmen. Zusätzlich ist die steuerliche Ausgestaltung bei einer Inanspruchnahme dieser Modelle nachteilig, verglichen mit bankinternen Restrukturierungsverfahren (vgl. Altvater 2009). Hinzu kommt, dass die jeweiligen Banken – analog zu einer gescheiterten Kapitalerhöhung – eine Stigmatisierung befürchten, wenn sie den Schritt zum SoFFin wagen. Bei den Landesbanken ist ein weiteres Hindernis, dass die Bundesregierung über den SoFFin Einfluss bekäme, was den Interessen der Landesregierungen entgegen läuft. Stützungsmaßnahmen für Landesbanken liefen deswegen bisher, mit Ausnahme der WestLB, direkt über die Landeshaushalte. Alles in allem wird klar, dass die gegenwärtigen Bedingungen des SoFFin für Banken wenig attraktiv sind und die Nachteile nicht aufwiegen. Aus ihrer Sicht ist es deshalb die bessere Strategie, Deleveraging zu betreiben und zu versuchen, die stillen Lasten auszusitzen. Dies wurde ihnen zudem mit der Lockerung der Bilanzierungsregeln erleichtert. Eine Bank kann pleite sein, aber trotzdem weiter funktionieren, wenn die Regierung eine explizite Bestandsgarantie gegeben hat, wodurch die Liquidität gesichert ist. Für eine vermeintliche Verbesserung der Solvenz helfen die aufgeweichten Bilanzierungsregeln, Deleveraging und womöglich ein »Gambling for Resurrection«, also ein »Zocken« zum Wiederauferstehen. Aktives Eingreifen erforderlich Wie kommt man nun aus dieser Situation heraus? Wie kann man verhindern, dass durch eine Insolvenzverschleppung weitere Kosten entstehen und der Volkswirtschaft die »japanische Krankheit« droht – also eine eingeschränkte Kreditvergabe bei gebremstem Wirtschaftswachstum und einer hohen Staatsverschuldung? Eine Möglichkeit wäre, die Konditionen des SoFFin für die Banken reizvoller zu machen. Der Nachteil ist allerdings offenkundig: Die Steuerzahler müssten höher ins Risiko. Aus Gerechtigkeits- und Anreizgesichtspunkten ist dies abzulehnen. Die zweite Möglichkeit ist, dass man die Hilfsmaßnahmen nicht auf freiwilliger Basis anbietet, sondern für angeschlagene Banken verpflichtend macht. Entsprechende Maßnahmen der US-Regierung werden als erfolgreich angesehen, die Banken zu stabilisieren und Vertrauen zu schaffen. Dabei mussten sich Großbanken umfangreichen Stresstests unterziehen und bei einer mangelnden Eigenkapitalausstattung innerhalb eines halben Jahres die Ei- Zur Diskussion gestellt genkapitallücke schließen, notfalls auch mit staatlichen Mitteln, wenn keine privaten Kapitalgeber gefunden werden konnten (vgl. Board of Governors of the Federal Reserve System 2009). An vergleichbare Maßnahmen wäre auch für die angeschlagenen deutschen Banken zu denken. Dazu sind in einem ersten Schritt eine tiefgehende Geschäfts- und Bilanzanalyse der problematischen Banken (Due Diligence), verbunden mit Stresstests, nötig. Ohne eine vollständige Analyse kann der tatsächliche Eigenkapitalbedarf nicht bestimmt werden. Die Prüfungen sollten in erster Linie die Aufsichtsbehörden durchführen. Reichen bei diesen angesichts der komplexen und arbeitsintensiven Aufgaben die Kapazitäten nicht aus, dann könnten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit dieser Tätigkeit beliehen werden. Die Gesellschaften sollten sich um entsprechende Mandate bewerben können, wobei natürlich ihre bisherige »Performance« bei der Identifizierung von Risiken mit in Betracht gezogen werden muss. Gesellschaften, bei denen die Krise Leistungsdefizite aufdeckte, sollten entsprechend nicht mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut werden. Anhand der Prüfungsergebnisse ist dann zu entscheiden, ob die Bank in einen guten und einen schlechten Teil aufgespalten werden muss. Dann sollte die bereinigte Bank sich um eine Kapitalerhöhung bemühen, die notfalls durch den Staat erfolgen sollte. Bei staatlichem Eingreifen muss allerdings zwischen dem grundgesetzlich geschützten Eigentumsrecht und volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten äußerst sorgfältig abgewogen werden. Der Schutz des privaten Eigentums ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung. Deswegen darf ein Eingriff ins private Eigentum nur aus begründetem öffentlichem Interesse an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Finanzsystems als Ultima Ratio zur Abwendung gesamtwirtschaftlicher Krisen erfolgen. Die Auswahl der Maßnahmen hat in einer umfassenden Güterabwägung zu erfolgen. Es ist immer das mildeste Mittel zu wählen. Entscheidend für eine zielführende Stützung der angeschlagenen Banken ist, dass nicht nur einfach Eigenkapital zugeschossen wird, sondern dass auch die Geschäftsmodelle überprüft und die Bücher durchforstet werden. Nur so erhält man funktionierende Banken, die ihre Aufgaben wieder erledigen können. Nächste Krisen vermeiden Genauso wichtig wie der aktuelle Umgang mit den angeschlagenen Banken ist aber auch, dass die richtigen Lehren aus der Krise gezogen werden und das gesamte Fi- nanzsystem nachhaltiger und stabiler aufgestellt wird. Die große und entscheidende Herausforderung wird sein, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Banken nicht mehr zu »systemisch« – also zu groß, komplex, undurchschaubar oder international – sein können, um pleite zu gehen (too systemic to fail). Eine solche implizite, wenn auch unfreiwillige, Bail-out-Garantie der Regierung fördert Moral hazard und verzerrt den Wettbewerb, weil nicht-systemische Banken aufgrund des größeren Risikos tendenziell höhere Refinanzierungskosten akzeptieren müssen. Wenn es künftig ausschließlich Banken gibt, die der Staat auch fallen lassen kann, dann werden systemische Krisen weniger wahrscheinlich und die Chancen steigen, dass sich die Frage einer krisenbedingten Rekapitalisierung von Banken nicht mehr stellt. Dazu sind mehrere Maßnahmen zu ergreifen. Zum einen muss über höhere Kapitalanforderungen oder Abgaben das Systemgefährdungspotential verteuert und die externen Kosten der »Systemrelevanz« internalisiert werden. Dadurch sinken die Anreize, systemisch zu werden. Systemrelevanzund größenabhängige Abgaben, die einen Stabilisierungsfonds speisen, wie sie der Sachverständigenrat vorgeschlagen hat, wären eine Möglichkeit (vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2009). Für die Kreditgenossenschaften existiert mit der genossenschaftlichen Institutssicherung ein vergleichbarer, kapitalgedeckter Fonds mit risikoabhängigen Beiträgen, der allein von den Mitgliedsbanken finanziert wird. Eine staatliche Unterstützung, wie sie jüngst für einen allgemeinen Bankenfonds gefordert wurde, ist dagegen nicht zielführend und wäre aus Anreizgründen äußerst kontraproduktiv. Zum anderen muss es künftig wirksame Möglichkeiten geben, systemische Banken zu beaufsichtigen und falls nötig geordnet abzuwickeln. Die Eingriffsrechte des KWG haben sich als unzureichend erwiesen. Eine effektive Bankenaufsicht braucht mehr Kompetenzen und muss bei diesen Banken früher tätig werden dürfen. Die momentanen Schwellenwerte, die Maßnahmen der Aufsicht ermöglichen, sind untauglich. Laut BaFin-Chef Sanio waren den Aufsehern bei der Hypo Real Estate die Probleme lange bekannt, man konnte aber nicht handeln, weil die aufsichtlichen Anforderungen stets erfüllt wurden (vgl. Deutscher Bundestag 2009). Ein neues Regime für den Umgang mit angeschlagenen Banken ist deshalb nötig. Darin muss zwingend auch das Geschäftsmodell der Bank auf Zukunftsfähigkeit geprüft werden. Staatliche Stützungsmaßnahmen darf es nur bei einer positiven Fortführungsprognose geben. Ansonsten muss eine Bank auch aus dem Markt ausscheiden können. Dadurch werden unnötige Kosten für den Steuerzahler vermieden. Darüber hinaus werden der Bestandsschutz und die damit einhergehenden Anreizverzerrungen aufgehoben. Die Gefahr einer Insolvenz wird wieder zugelassen, so dass die Refinanzierungsbedingungen riskante 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 15 16 Zur Diskussion gestellt Geschäftsstrategien widerspiegeln. Unverantwortliches und nicht nachhaltiges Handeln wird wieder über Marktmechanismen sanktioniert. Das ist dringend notwendig, denn momentan sind diese Mechanismen zur Risikoüberwachung und -begrenzung ausgesetzt, was enorme Gefahren für den Steuerzahler mit sich bringt. Literatur Altvater, Chr. (2009), »Steuerliche Sonderregelungen für sog. Bad Banks«, Der Betrieb 62, 1779–1783. Board of Governors of the Federal Reserve System (2009), »The Supervisory Capital Assessment Program: Overview of Results«, 7. Mai 2009, http://www.federalreserve.gov/newsevents/press/bcreg/bcreg20090507a1.pdf. Deutsche Bundesbank (2009), Finanzstabilitätsbericht 2009, November, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main. Deutscher Bundestag (2009), »Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes«, 2009, BT-DRS 16/14000. Internationaler Währungsfonds (2009), »Global Financial Stability Report«, Oktober 2009, http://www.imf.org/external/pubs/ft/gfsr/2009/02/index.htm. Myers, S (1977), »The Determinants of Corporate Borrowing«, Journal of Financial Economics 5, 146–175. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2009), Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen, Jahresgutachten 2009/10, http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/gutacht/ga-content.php? gaid=55. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang ifo Konjunkturprognose 2010: Deutsche Wirtschaft ohne Dynamik 17 Kai Carstensen, Wolfgang Nierhaus, Oliver Hülsewig, Klaus Abberger, Teresa Buchen, Christian Breuer, Steffen Elstner, Steffen Henzel, Nikolay Hristov, Michael Kleemann, Johannes Mayr, Wolfgang Meister, Georg Paula, Anna Stangl, Klaus Wohlrabe und Timo Wollmershäuser Die Weltwirtschaft hat die schwerste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg überwunden. Seit dem Frühjahr 2009 steigen Produktion und Handel wieder, weltweit angeregt durch milliardenschwere Konjunkturprogramme, eine massiv expansiv wirkende Geldpolitik und den vergleichsweise niedrigen Ölpreis. Hinzu kommt der Umschwung im globalen Lagerzyklus. Das Wachstumstempo wird indes niedrig bleiben. Ein Kernproblem bleibt die Schwächung der internationalen Finanzmärkte, deren Funktionsfähigkeit in wichtigen Segmenten nach wie vor eingeschränkt ist. Zudem musste das Bankensystem gewaltige Eigenkapitalverluste hinnehmen, die sich aus dem hohen Wertberichtigungsbedarf bei strukturierten Wertpapieren ergeben hat. In wichtigen Industrieländern kommt eine Krise am Immobilienmarkt hinzu, die dort den Abschreibungsbedarf bei Banken erhöht. Die Kreditbedingungen bleiben damit weltweit restriktiv, was die Finanzierung von Investitionen und neuen Arbeitsplätzen massiv beeinträchtigt. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt im Jahr 2010 um 3,1% und im Jahr 2011 um 2,6% steigen, nachdem es im Jahr 2009 um 1,1% zurückgegangen ist. Der Anstieg der Preise wird sich weltweit etwas beschleunigen. Die Zahl der Arbeitslosen wird aufgrund der Schwäche der Konjunktur weiter zunehmen. In Deutschland hat sich die gesamtwirtschaftliche Produktion im Frühjahr stabilisiert. Im zweiten Quartal expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt um 0,4%, im dritten Quartal sogar um 0,7%. Aufgrund des außerordentlich kräftigen Einbruchs im vorausgegangenen Winterhalbjahr um fast 6% blieb die gesamtwirtschaftliche Produktion und hier insbesondere die Erzeugung in den exportabhängigen Branchen aber alles in allem auf niedrigem Niveau. Der gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad – zieht man die ifo Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe als Proxy heran – liegt derzeit um etwa 10 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt. Insgesamt dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion saison- und kalenderbereinigt im Jahresendquartal 2009 weiter zugenommen haben, wenngleich in einem etwas langsameren Tempo (0,5%) als im Vorquartal. Für das zweite Halbjahr 2009 ergibt sich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2009 saison- und kalenderbereinigt eine Zunahme der Wirtschaftsleistung in Höhe von 1,2%; im Vorjahresvergleich, der durch den starken Rückgang im Winterhalbjahr geprägt ist, ergibt sich jedoch ein Rückgang von 3,0%. Im Gesamtjahr sinkt das reale Bruttoinlandsprodukt um 4,9%. Im Jahresdurchschnitt 2010 wird das reale Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um 1,7% zunehmen; im Jahresdurchschnitt 2011 um 1,2%. 1. Überblick Die Weltwirtschaft hat die schwerste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg überwunden. Seit dem Frühjahr 2009 steigen Produktion und Handel wieder, weltweit angeregt durch milliardenschwere Konjunkturprogramme, eine massiv expansiv wirkende Geldpolitik und den vergleichsweise niedrigen Ölpreis. Hinzu kommt der Umschwung im globalen Lagerzyklus. Das im Rahmen des ifo World Economic Survey erhobene Weltwirtschaftsklima ist im vierten Quartal zum dritten Mal in Folge gestiegen (vgl. Abb. 1.1). Der Anstieg des Indikators re- sultiert sowohl aus den günstigeren Erwartungen für die nächsten sechs Monate als auch aus weniger negativen Einschätzungen der derzeitigen wirtschaftlichen Lage. Gleichwohl wird die aktuelle Situation gegenwärtig immer noch schlechter beurteilt als nach dem Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 2001 (vgl. Abb. 1.2). Das Wirtschaftsklima hat sich dabei in allen großen Wirtschaftsregionen verbessert. Besonders ausgeprägt war der Anstieg des Wirtschaftsklimaindikators in Asien. Hier überschritt er sogar seinen langfristigen Durchschnitt. Auch in West62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 18 Daten und Prognosen Abb. 1.1 europa und Nordamerika stieg der Klimaindikator im vierten Quartal 2009 merklich an. Die aktuelle Wirtschaftslage wird zwar in allen großen Regionen noch als ausgesprochen ungünstig bewertet, besonders im Euroraum, in Nordamerika, in Mittel- und Osteuropa und in Russland. Die Wirtschaftserwartungen fallen nun aber nahezu überall optimistisch aus. Dies deutet darauf hin, dass sich die Erholung der Weltwirtschaft fortsetzen wird. Das Wachstumstempo wird indes niedrig bleiben. Ein Kernproblem bleibt die Schwächung der internationalen Finanzmärkte, deren Funktionsfähigkeit in wichtigen Segmenten nach wie vor eingeschränkt ist. Zudem musste das Bankensystem gewaltige Eigenkapitalverluste hinnehmen, die sich aus dem hohen Wertberichtigungsbedarf bei strukturierten Wertpapieren ergeben haben. In wichtigen Industrieländern kommt eine Krise am Immobilienmarkt hinzu, die dort den Abschreibungsbedarf bei Banken erhöht. Die Kreditbedingungen bleiben damit weltweit restriktiv, was die Finanzierung von Investitionen und neuen Arbeitsplätzen massiv beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass die bisher aufgelegten kreditfinanzierten Konjunkturprogramme im Prognosezeitraum Abb. 1.2 auslaufen und der Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte immer dringlicher wird. Schließlich werden die Notenbanken die geldpolitischen Zügel straffen. Dies alles wird sich dämpfend auf die Entwicklung von Angebot und Nachfrage auswirken. In den USA ist die gesamtwirtschaftliche Produktion im dritten Quartal 2009 mit einer laufenden Jahresrate von 2,8% gestiegen; zuvor war sie ein Jahr lang fortlaufend gesunken. Maßgeblich für den Anstieg war die Expansion des privaten Konsums (+ 2,7%), befördert durch das »Cash for Clunkers«-Programm zur Anschaffung von verbrauchsärmeren Pkw. Zudem sind die Lagerbestände deutlich aufgestockt worden. Die Kapazitätsauslastung liegt derzeit mit 71% aber immer noch um rund 10 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt. Der Stellenabbau hat sich, wenngleich verlangsamt, weiter fortgesetzt; seit Dezember 2007 ist die Zahl der Beschäftigten saisonbereinigt um 7,3 Mill. gesunken. In Japan hat sich die leichte Erholung fortgesetzt; im dritten Quartal expandierte die gesamtwirtschaftliche Produktion mit einer laufenden Jahresrate von 1,3%, zuvor hatte sie um 2,7% zugenommen. Die Exporte und der private Konsum stiegen deutlich. In China hat sich die wirtschaftliche Expansion, getrieben von der Entwicklung im tertiären Sektor, beschleunigt. Das reale Bruttoinlandsprodukt hat im Durchschnitt der ersten drei Quartale um 7,7% gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum zugenommen; im ersten Halbjahr hatte das Wachstumstempo im Durchschnitt bei 7,1% gelegen. Auch in den Volkswirtschaften der Europäischen Währungsunion (EWU) hat der Erholungsprozess begonnen. Im dritten Quartal 2009 stieg die gesamtwirtschaftliche Produktion mit einer laufenden Jahresrate von 1,5%, davor war sie über fünf Quartale hinweg zum Teil außerordentlich kräftig gesunken. Maßgeblich für die Erholung war der spürbare Anstieg der Industrieproduktion. Vom Einzelhandel dürften dagegen keine Impulse ausgegangen sein; die Zahl der Pkw-Neuzulassungen ist nach dem Auslaufen von Abwrackprogrammen gesunken. Das Preisniveau in der EWU schwankte um den Vorjahreswert. Die Inflationsrate (HVPI) betrug im Juli – 0,6%, und stieg bis November aber wieder auf 0,6%. Die Kerninflationsrate (Veränderung des HVPI ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel) lag im Oktober bei 1,0%. Die Arbeitslosenquote ist im Sommerhalbjahr weiter kräftig gestiegen, im Oktober betrug sie saisonbereinigt 9,8%, sie ist damit um 2,5 Prozentpunkte höher als vor einem Jahr. Für die EWU ist das der höchste Wert seit Januar 1999. Auch in Deutschland ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit dem Frühjahr wieder gestiegen. Im dritten Quartal expandierte die gesamtwirtschaftliche Produktion saison- und ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Daten und Prognosen kalenderbereinigt um 0,7% (laufende Jahresrate: 2,9%), nach 0,4% im zweiten Quartal. Aufgrund des außerordentlich kräftigen Einbruchs im vorangegangenen Winterhalbjahr blieb die gesamtwirtschaftliche Produktion und hier insbesondere die Erzeugung in den exportabhängigen Branchen aber auf niedrigem Niveau; gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum beläuft sich das Minus beim Bruttoinlandsprodukt auf 4,7%. Positive Raten wurden im dritten Quartal allein für die Investitionen (einschließlich der Lagerinvestitionen) registriert. Bei außerordentlich niedriger Kapazitätsauslastung stabilisierten sich die Ausrüstungsinvestitionen auf niedrigem Niveau, die Investitionen in Bauten stiegen um 1,5%. Am Zuwachs waren alle Bausparten beteiligt. Die Bestände an Rohstoffen, Zwischenprodukten und Fertigwaren wurden, nach vorangegangener Lagerräumung, sehr kräftig wieder aufgestockt (Wachstumsbeitrag zum BIP: 1,5 Prozentpunkte). Ein marginaler Zuwachs konnte zudem für die Konsumausgaben des Staates verbucht werden. Der Konsum der privaten Haushalte, der im ersten Halbjahr erheblich fiskalisch angeregt worden war, nahm dagegen um 0,9% ab. Nach dem Auslaufen der staatlichen Abwrackprämie wurden vor allem weniger Pkw gekauft. Der Ausweitung der inländischen Verwendung stand ein sinkender Außenbeitrag gegenüber: Zwar nahmen die Exporte im Gefolge der Erholung der Weltkonjunktur mit 3,4% merklich zu, noch stärker zogen aber im Gefolge des Lageraufbaus die Importe an, nämlich um 5,0%. Auf dem konjunkturell nachlaufenden Arbeitsmarkt hat sich der massive Wirtschaftseinbruch bisher zwar bemerkbar gemacht, die Auswirkungen sind aber im Vergleich zum überaus starken Produktionsausfall bemerkenswert moderat geblieben: Die Zahl der Erwerbstätigen (nach dem Inlandskonzept1) hat sich in den ersten drei Quartalen 2009 saisonbereinigt lediglich um 114 000 verringert. Dabei war die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der Selbständigen und der Personen in Arbeitsgelegenheiten rückläufig, die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten hat dagegen sogar zugenommen. Beschäftigungsverluste gab es vor allem im verarbeitenden Gewerbe und in der Arbeitnehmerüberlassung. Maßgeblich dafür, dass die Krise bisher auf dem Arbeitsmarkt kaum angekommen ist, waren die starke Ausweitung der Kurzarbeit und der Abbau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten. Außerdem hat innerhalb der Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Teilzeitbeschäftigung zugenommen, während die Vollzeitbeschäftigung gesunken ist. Die Arbeitslosigkeit hat in der ers1 Die Erwerbstätigkeit nach dem Inlandskonzept hat im Vergleich zum alternativen Inländerkonzept eine engere Anbindung an die Konjunktur und zur Arbeitskräftenachfrage. Im Inlandskonzept gehören Einpendler, die in Deutschland arbeiten, ihren Wohnsitz aber im Ausland haben, zu den Erwerbstätigen, während Auspendler, die im Inland wohnen, aber im Ausland arbeiten, nicht mitgezählt werden. Beim Inländerkonzept ist es genau umgekehrt. ten Jahreshälfte merklich zugenommen, sie stieg saisonbereinigt um durchschnittlich 41 000 Personen pro Monat. Seit Juli sind die Arbeitslosenzahlen jedoch wieder leicht gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr waren zuletzt 227 000 oder 8% mehr Arbeitslose registriert. Die Lebenshaltungskosten sind in diesem Jahr aufgrund der günstigen Entwicklung der Energie- und Nahrungsmittelpreise weitgehend stabil geblieben. Im November waren die Verbraucherpreise lediglich um 0,4% höher als vor Jahresfrist; im Juli und September wurde das Vorjahresniveau kurzfristig sogar unterschritten. Eine ähnlich ausgeprägte Disinflationsperiode hat es zuletzt in den Jahren 1986/87 in Westdeutschland gegeben. Ausblick Die Erholung der Weltwirtschaft dürfte sich im Prognosezeitraum vorerst fortsetzen. Die Absatzaussichten der Unternehmen haben sich, nicht zuletzt aufgrund der massiven Stützungsmaßnahmen seitens der Wirtschaftspolitik, verbessert. Die Produktion hat sich nach ihrem scharfen Einbruch belebt, und auch die Normalisierung des internationalen Handels schreitet voran, was durch die mittlerweile günstigeren Möglichkeiten der Handelsfinanzierung, die während der Krise massiv eingeschränkt wurde, gefördert wird. Allerdings wird die Belebung der Wirtschaft vor allem in den Industrieländern nur vorübergehend stärker ausfallen. Das ifo Wirtschaftsklima für die einzelnen Regionen zeigt zwar an, dass sich die konjunkturellen Aussichten weltweit verbessert haben (vgl. Abb. 1.3 und 1.4), befindet sich aber vor allem für die USA, die EU-15 und Japan noch unter seinem langfristigen Durchschnitt. Die Belastung der Konjunktur ist nach wie vor immens. So dürfte die Kreditvergabe der Banken restriktiv bleiben. Eine Verschärfung der Kreditklemme ist aufgrund des zu erwartenden Anstiegs der Nachfrage nach Fremdmitteln absehbar. Auch die Unterauslastung der Kapazitäten dürfte weiterhin anhalten, was die Nachfrage nach Erweiterungsinvestitionen spürbar dämpfen dürfte. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Lage auf den Arbeitsmärkten nicht nur angespannt bleibt, sondern sich weiter verschärft. Schließlich dürften die Impulse seitens der Wirtschaftspolitik, die bislang erheblich dazu beigetragen haben, dass sich die Konjunktur nicht nur stabilisiert sondern auch allmählich belebt, im Verlauf des Prognosezeitraums schwächer werden. Vor allem der Stimulus durch die Fiskalpolitik dürfte zunehmend nachlassen, da sich die Haushaltsposition in vielen Ländern bereits dramatisch verschlechtert hat. So erreichte das öffentliche Defizit in den USA ein Rekordniveau und auch in zahlreichen Ländern des Euroraums werden 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 19 20 Daten und Prognosen Abb. 1.3 tur des privaten Konsums, die mit einer weiteren Zunahme der Sparquote verbunden ist –, dürfte spürbar bremsend wirken. Auch die Belastungen durch die Krise im Finanzsystem sind nach wie vor ernorm. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion daher vorübergehend sogar erneut leicht rückläufig sein. Trotz dieses konjunkturellen Rückschlages wird die amerikanische Wirtschaft im Prognosezeitraum jedoch nicht erneut in eine Rezession abgleiten. Die Schwäche der US-amerikanischen Wirtschaft wird die Konjunktur weltweit belasten. In Japan wird die Expansion der Wirtschaft im Prognosezeitraum zunächst schwach bleiben, ehe sie sich langsam belebt. Die private Binnennachfrage dürfte infolge der Unterauslastung der Kapazitäten und der schlechteren Lage auf dem Arbeitsmarkt nur mäßig expandieren. Der Außenhandel dürfte jedoch von der Belebung der Konjunktur in den Schwellenländern Asiens profitieren. Im Euroraum wird die wirtschaftliche Expansion vorerst kräftig bleiben. Vor allem die Impulse der Fiskalpolitik in Deutschland und Frankreich dürften stimulierend wirken. Die private Binnennachfrage dürfte sich hingegen nur allmählich stabilisieren. Nach dem Auslaufen der KonjunkturprogramAbb. 1.4 mittlerweile Strategien zur Rückführung der Neuverschuldung entworfen. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass die Konjunktur nach und nach an Schwung verliert. In den USA wird der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts zu Beginn des Jahres 2010 noch vergleichsweise kräftig sein, sich jedoch anschließend deutlich abflachen. Der Abbau der strukturellen Ungleichgewichte – insbesondere die Korrekifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Daten und Prognosen Tab. 1.1 Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in der Welt Gewicht (BIP) in % Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % 2009 2010 2011 2009 2010 2011 Arbeitslosenquote in % 2009 2010 2011 Industrieländer EU-27 34,0 – 4,1 1,0 0,9 0,7 1,2 1,5 9,0 9,9 10,6 Schweiz 0,9 – 2,0 1,1 1,0 – 0,5 0,5 0,9 3,8 4,4 4,7 Norwegen 0,8 – 1,4 2,0 1,8 2,4 1,7 2,0 3,5 3,7 3,9 West- und Mitteleuropa 35,8 – 4,0 1,0 0,9 0,7 1,2 1,5 8,8 9,7 10,4 USA 26,7 – 2,5 1,9 0,3 – 0,4 1,6 1,0 9,2 9,5 10,0 Japan 9,1 – 5,3 1,0 0,9 – 1,3 – 0,4 0,1 5,3 5,8 5,6 Kanada 2,8 – 2,4 2,2 1,0 0,3 1,6 1,8 8,3 8,7 9,0 Industrieländer insg. 74,4 – 3,6 1,4 0,7 0,0 1,2 1,2 8,4 9,1 9,5 Schwellenländer Russland 3,1 – 8,0 1,5 1,5 China und Hongkong 8,4 7,8 8,5 8,4 Indien 2,2 6,9 7,5 7,5 a) Ostasien ohne China 5,0 – 1,5 3,5 3,0 b) Lateinamerika 6,9 – 2,2 3,1 2,8 Schwellenländer insg. 25,6 1,3 5,1 4,9 c) Insgesamt 100,0 – 2,3 2,3 1,8 Nachrichtlich: d) Weltwirtschaft – 1,1 3,1 2,6 Welthandel, real – 11,0 5,0 4,0 a) Gewichteter Durchschnitt aus: Südkorea, Indonesien, Taiwan, Thailand, Malaysia, Singapur, Philippinen. Gewichtet mit dem b) Bruttoinlandsprodukt von 2008 in US-Dollar. – Gewichteter Durchschnitt aus: Brasilien, Mexiko, Argentinien, Venezuela, c) Kolumbien, Chile. Gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2008 in US-Dollar. – Summe der aufgeführten Länder. Ged) wichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2008 in US-Dollar. – Weltwirtschaft nach Abgrenzung des IWF. Gewichtet mit Kaufkraftparitäten des Jahres 2008. Quelle: OECD; IWF; Berechnungen des ifo Instituts; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. me ist damit zu rechnen, dass sich die wirtschaftliche Dynamik abflachen wird. Die wirtschaftliche Expansion in den Schwellenländern wird im Prognosezeitraum vergleichsweise kräftig sein. In China wird die Konjunktur maßgeblich von dem Impuls der milliardenschweren staatlichen Stützungsmaßnahmen getragen, der die private Nachfrage stimulieren dürfte. Allerdings wird die Ausfuhrwirtschaft, die eine entscheidende Stütze des vorangegangenen Aufschwungs darstellte, nach wie vor durch die globale wirtschaftliche Schwäche belastet. In Indien wird die wirtschaftliche Entwicklung solide bleiben. Vor allem die Binnennachfrage dürfte kräftig expandieren. Auch in den übrigen Ländern Ostasiens wird sich die Konjunktur beleben, da insbesondere die anhaltend lebhafte Entwicklung der chinesischen Wirtschaft den Außenhandel begünstigt. In Lateinamerika wird die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Länder uneinheitlich verlaufen. So dürfte sie in Brasilien kräftig bleiben, während sie in Mexiko wohl weiterhin gedämpft ausfallen wird. Ein Teil der Länder der Region profitiert auch von dem jüngsten Anstieg der Rohstoffpreise. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt im Jahr 2010 um 3,1% und im Jahr 2011 um 2,6% steigen, nachdem es im Jahr 2009 um 1,1% zurückgegangen ist (vgl. Abb. 1.1 und Tab. 1.1). Diese Prognose bezieht sich auf die vom internationalen Währungsfonds (IMF) berücksichtigten Länder, deren Zuwachsraten mit Hilfe der Kaufkraftparitäten des Jahres 2008 gewichtet wurden. Der Anstieg der Preise wird sich weltweit etwas beschleunigen. Die Zahl der Arbeitslosen wird aufgrund der Schwäche der Konjunktur weiter zunehmen. Die Prognose stützt sich auf die technische Annahme, dass der Preis für Rohöl der Sorte Brent im Prognosezeitraum um 72 US-Dollar je Barrel schwankt und dass sich der Wechselkurs des Euro bei etwa 1,47 US-Dollar stabilisiert. Der Welthandel wird – gemessen an den seitens der OECD veröffentlichten Daten – im Jahr 2010 um 5% und im Jahr 2011 um 4% steigen, nachdem er im Jahr 2009 empfindlich um etwa 11% zurückgegangen ist. Risiken In der Basisprognose erholt sich die Wirtschaft der Industrieländer nur schleppend. Zahlreiche Konjunkturindikatoren haben sich zuletzt jedoch erheblich verbessert, was insbesondere mit der außergewöhnlich expansiven Wirtschaftspolitik verbunden ist. Die Belebung der Konjunktur könnte deutlich stärker ausfallen, wenn die Multiplikatoren der fiskalischen Impulse größer sind als an62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 21 22 Daten und Prognosen genommen. Dann würde sich die private Binnennachfrage nicht nur stabilisieren sondern auch nachhaltig kräftig erhöhen. 2. Zur Lage der Wirtschaft in ausgewählten Ländern und Regionen Vereinigte Staaten Es besteht aber auch das Risiko, dass die Weltwirtschaft noch einmal in die Rezession abgleitet, wenn die Neukreditvergabe seitens der Banken noch stärker und länger eingeschränkt werden sollte als erwartet. Dies würde vor allem dann eintreten, wenn es zu einer fortgesetzten Erosion der Eigenkapitalausstattung infolge weiterer massiver Wertberichtigungen und rezessionsbedingter Abschreibungen kommen sollte. Nach Berechnungen des IMF sind die Risiken für die internationale Finanzmarktstabilität infolge des ausstehenden Abschreibungsbedarfs nach wie vor sehr hoch. Die anhaltende Verunsicherung der Finanzmärkte zeigte sich jüngst auch an der Reaktion der Börsen auf die Finanznöte Dubais und Griechenlands. Eine Intensivierung der Krise im Bankensektor infolge weiterer Schocks könnte die Finanzmärkte in einen Abwärtsstrudel ziehen. Letztlich würde die Konjunktur durch eine nochmalige Verschärfung der Finanzkrise empfindlich getroffen werden. Ein weiteres Risiko für die Entwicklung der Weltwirtschaft besteht in der Herausforderung für die Träger der Wirtschaftspolitik, ihren expansiven Kurs angemessen zurückzufahren. Der Ausstieg aus der expansiven Wirtschaftspolitik sollte idealerweise dann erfolgen, wenn sich die Wirtschaft – insbesondere die private Binnennachfrage – stabilisiert hat und sich ohne weitere wirtschaftspolitische Impulse schrittweise belebt. Dagegen wäre mit einem Einbruch zu rechnen, wenn sich die Regierungen dazu entschließen, ihre Stützungsmaßnahmen zu früh einzudämmen. Dies gilt für die Geldpolitik ebenso wie für die Fiskalpolitik, die versucht sein könnte, die massive Ausweitung der Haushaltsdefizite im Rahmen von Konsolidierungsmaßnahmen zu schnell einzuschränken. Allerdings birgt auch ein zu spätes Eindämmen der Stützungsmaßnahmen ein erhebliches Risiko, da dies mit einem Vertrauensverlust in die Nachhaltigkeit der Geld- und Finanzpolitik verbunden sein könnte. Sollten die Zentralbanken ihren expansiven geldpolitischen Kurs über längere Zeit hinweg aufrechterhalten, so könnte dies zu einer Anhebung der Inflationserwartungen führen. Auch die Gefahr einer erneuten Blasenbildung auf den Finanzmärkten wäre infolge einer anhaltenden Liquiditätsschwemme groß. Schon jetzt ist nicht auszuschließen, dass die Kurserholung an den Finanzmärkten nicht nachhaltig ist. Für die Fiskalpolitik könnte infolge der hohen öffentlichen Defizite ein Glaubwürdigkeitsproblem entstehen, wodurch der Spielraum für zukünftige fiskalpolitische Maßnahmen nachhaltig begrenzt sein könnte. Sollte es den politischen Entscheidungsträgern zudem nicht gelingen, ihre Konsolidierungsbemühungen glaubhaft zu vermitteln, könnte es zu einem Vertrauensverlust kommen. Dies würde zu einem Anstieg der Kapitalmarktzinsen führen, welcher wiederum die Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte massiv vergrößern würde. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang In den USA ist die tiefste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg im dritten Quartal 2009 zu Ende gegangen. Mit einem Zuwachs von annualisiert 2,8% war die gesamtwirtschaftliche Dynamik dabei so hoch wie seit zwei Jahren nicht mehr. Verantwortlich für die positive Entwicklung war insbesondere ein kräftiger Anstieg der privaten Konsumausgaben, die um 2,9% expandierten und mit mehr als zwei Prozentpunkten den größten Wachstumsbeitrag der Nachfragekomponenten lieferten (vgl. Abb. 2.1). Der Anstieg des privaten Konsums im dritten Quartal ist insbesondere auf die stark gestiegenen staatlichen Transferzahlungen im Zuge der Konjunkturprogramme zurückzuführen, welche die belastenden Faktoren von Seiten des Arbeitsmarktes bisher kompensiert haben. Insbesondere die in den Sommermonaten gewährte Abwrackprämie (»Cash for Clunkers«) hat zu einer vorübergehend hohen Ausgabendynamik geführt. Die zusätzlichen Pkw-Verkäufe erklären dabei rund die Hälfte des gesamten Zuwachses des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal. Mit dem Auslaufen der Förderung Ende August brach der monatliche Automobilabsatz, der temporär um rund drei Millionen Fahrzeuge und damit auf Vorkrisenniveau angestiegen war, wieder ein. Im Prognosezeitraum ist von einer anhaltenden Schwäche der Automobilindustrie auszugehen, die neben der ausbleibenden Nachfrage nach den Vorzieheffekten weiter unter Strukturproblemen leidet. Ein zusätzlicher Impuls ging von den Lagerinvestitionen aus, die den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal alleine um knapp einen Prozentpunkt erhöhten. Die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen, die rund die Hälfte des gesamten Investitionsvolumens ausmachen, expandierten demgegenüber nur schwach. Verantwortlich hierfür ist insbesondere die nach wie vor außergewöhnlich geringe Kapazitätsauslastung in der Industrie. Sie ist zwar seit ihrem Tiefststand im Juni leicht angestiegen, liegt mit rund 71% im November jedoch weiter auf historisch niedrigem Niveau (vgl. Abb. 2.2). Nach 14 Quartalen mit zum Teil hohen negativen Raten trug der private Wohnungsbau im abgelaufenen Quartal erstmals wieder positiv zum Wachstum bei und stieg mit rund 20% sogar kräftig. Auf Grund seines über die Krisenjahre deutlich gesunkenen Anteils war der Wachstumsbeitrag mit rund einem halben Prozentpunkt jedoch gering. Demgegenüber steckt der Wirtschaftsbau weiter in der Krise. Die Investitionstätigkeit in diesem Bereich sank mit rund 15% erneut deutlich. Da die Importe im dritten Quartal stark zulegten, trug der Außenhandel trotz Exportzuwächsen negativ zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts bei. Daten und Prognosen Abb. 2.1 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 23 24 Daten und Prognosen Abb. 2.2 Auf den Arbeitsmarkt wirkt sich die konjunkturelle Erholung bisher kaum aus. So sinkt die Zahl der Beschäftigten bis zuletzt – wenn auch in geringerem Tempo – und die Arbeitslosigkeit liegt mit 10% im November weiterhin nahe des höchsten Standes seit 1983. Nach einer acht Monate anhaltenden Phase der Deflation hat das Preisniveau im November erstmals wieder gegenüber dem Vorjahreswert zugelegt. Die Inflationsentwicklung wurde vor allem durch die Erholung der Energie- und Rohstoffpreise bestimmt, die gemessen an ihren Tiefstständen vor einem Jahr wieder deutlich zulegten. Allerdings bleibt die Kernrate des Konsumdeflators – das bevorzugte Inflationsmaß der US-Notenbank (Fed) – im Oktober mit 1,4% weiterhin auf niedrigem Niveau. Vor dem Hintergrund der schwachen Kapazitätsauslastung ist deshalb in naher Zukunft nur mit einem geringen Anstieg des Preisniveaus zu rechnen. Am Immobilienmarkt endete ein fast drei Jahre anhaltender Preisverfall. Ausgehend von ihrem Hoch im April 2006 waren die Immobilienpreise bis zum Mai 2009 um über 30% gefallen. Seit Juni steigen die Preise wieder moderat. Zurückzuführen ist diese Entwicklung nicht zuletzt auf die massiven Subventionen und Steuererleichterungen der US-Regierung. Allein im Fiskaljahr 2009 summierte sich die finanzpolitische Unterstützung des Immobilienmarktes, etwa für den First-Time Home Buyer Credit, auf rund 300 Mrd. USDollar. Ob die Preisstabilisierung nachhaltig ist, kann erst nach dem Auslaufen der staatlichen Hilfen bewertet werden. Eine Fortsetzung des Preisverfalls am Immobilienmarkt würde zu weiteren Abschreibungen auf hypothekenbesicherte Wertpapiere führen und damit die Stabilität des Bankensystems erneut stark gefährden. Der Interbankenmarkt zeigt zunehmend Zeichen der Entspannung. So ist der Risikoaufschlag für unbesichertes Dreimonatsgeld gegenüber staatlichen Schatzwechseln gleicher Laufzeit in den vergangenen zwölf Monaten deutlich zurückifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang gegangen und erreichte im September mit 0,2 Prozentpunkten wieder sein Vorkrisenniveau. Als Reaktion auf diese Entwicklung führt die US-Notenbank ihre Liquiditätshilfen kontinuierlich zurück. Dennoch wächst ihr Bilanzvolumen infolge der Aufstockung der massiven Interventionsprogramme zur Senkung der langfristigen Kreditzinsen, insbesondere am Hypothekenmarkt, weiter an. Während ein Aufkaufprogramm für US-Staatsanleihen (300 Mrd. US-Dollar) bereits im Oktober abgeschlossen wurde, soll der Ankauf von Schuldpapieren der staatlichen Hypothekenfinanzierer (aktuell 155 von geplanten 175 Mrd. US-Dollar) sowie von hypothekenbesicherten Wertpapieren (aktuell 860 von geplanten 1 250 Mrd. US-Dollar) noch bis ins erste Quartal 2010 fortgesetzt werden. Aus diesem Grund ist von einer weiteren Ausweitung der Zentralbankbilanz auszugehen. Unterstützt durch die umfangreichen Maßnahmen der Fed sind die Hypothekenzinsen seit Ende 2008 deutlich gefallen. Entsprechend registrieren die Banken bereits seit dem zweiten Quartal 2009 wieder eine deutlich stärkere Nachfrage nach Hypothekenkrediten. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und steigender Kreditausfallraten bleibt die Kreditvergabe jedoch weiterhin restriktiv. Denn trotz der Entspannung am Interbankenmarkt ist der Höhepunkt der konjunkturell bedingten Kreditausfälle wohl noch nicht erreicht. Hierdurch erwachsen zusätzliche Belastungen für die krisenbedingt geschwächte Eigenkapitalbasis des Bankensystems. So hat der Anteil der Hypothekenkredite, die sich in Zahlungsverzug oder bereits in Zwangsvollstreckung befinden, im letzten Quartal eine neue Rekordmarke von 14,4% erreicht (vgl. Abb. 2.3). Im Zuge dieser Entwicklung sind viele Banken nicht mehr dazu bereit, weitere Hypothekenkredite in die eigene Bilanz aufzunehmen. Aus diesem Grund werden zur Zeit 95% der im Rahmen der Kreditneuvergabe entstehenden Forderungen durch die staatlich gestützten Hypothekenfinanzierer Fannie Mae, Freddie Mac und Ginnie Mae erworAbb. 2.3 Daten und Prognosen ben und verbrieft. Als Käufer dieser Papiere tritt bisher vor allem die US-Notenbank auf. Deshalb könnte das Auslaufen der geldpolitischen Hilfsprogramme zum Ende des ersten Quartals 2010 den Hypothekenmarkt spürbar belasten. Neben steigenden Hypothekenzinsen und einer zunehmenden Kreditrationierung ist dann auch ein erneuter Rückgang der Immobilienpreise nicht auszuschließen. Aus diesem Grund betreibt die US-Notenbank weiterhin eine faktische Nullzinspolitik. Ziel ihres expansiven Kurses ist die Stützung der Konjunktur und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit, der schwachen Preisdynamik und der weiterhin als stabil zu bewertenden Inflationserwartungen wird sie den Zielbereich für den Leitzins voraussichtlich auch im ersten Halbjahr 2010 unverändert bei 0 bis 0,25% belassen. Der amerikanische Staatshaushalt verzeichnete 2009 ein Rekorddefizit. Zum Ende des Fiskaljahres im September betrug das US-Budgetdefizit 1,4 Billionen US-Dollar oder 9,9% des nominalen Bruttoinlandsprodukts (gegenüber 3,2% in 2008) und erreichte damit den höchsten Wert seit 1945. Der Anstieg ist gleichermaßen auf einen Einnahmerückgang wie einen Ausgabenanstieg zurückzuführen. Auf der Ausgabenseite fielen vor allem Sonderaufwendungen zur Bankenrettung (TARP) sowie Finanzhilfen für die staatlichen Hypothekenfinanzierer ins Gewicht, während das im Februar verabschiedete Konjunkturpaket (ARRA) neben der Ausgabenseite auch die konjunkturell geschwächte Einnahmeseite belastet. Den größten Einfluss auf das Defizit wird der fiskalpolitische Stimulus allerdings erst im Fiskaljahr 2010 entfalten, wenn etwa 400 der veranschlagten 787 Mrd. US-Dollar haushaltswirksam werden. Hinzu kommen steigende Sozialausgaben, insbesondere in den Bereichen Arbeit und Gesundheit, so dass trotz der sinkenden Aufwendungen zur Stabilisierung des Finanzsystems auch im Fiskaljahr 2010 kaum mit einem spürbaren Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits zu rechnen ist. Die Schuldenquote wird deshalb im Prognosezeitraum 90% überschreiten und den finanzpolitischen Handlungsspielraum der US-Regierung zunehmend begrenzen. Abb. 2.4 ge lassen eine dynamische Erholung der amerikanischen Wirtschaft als unwahrscheinlich erscheinen. Die stark gestiegene Arbeitslosigkeit stellt zunehmend eine Belastung für die Einkommenssituation der Haushalte dar. Der Anstieg der Nominallöhne hat sich bereits merklich verlangsamt, und die Reallöhne werden mit dem Auslaufen des Basiseffekts bei den Energiepreisen zunehmend unter Druck geraten. Aufgrund stark fallender Zins- und Dividendeneinnahmen sind die real verfügbaren Einkommen – die wichtigste Determinante des privaten Konsums – im dritten Quartal bereits rückläufig. Zunehmend bremsend auf die Entwicklung der Konsumausgaben im Prognosezeitraum wird sich auch die fortgesetzte Entschuldung der Haushalte auswirken. So hat sich die Sparquote von ihrem Tiefststand von unter 1% zur Jahresmitte 2008 auf rund 4,4% im November erhöht und bleibt im Trend aufwärtsgerichtet (vgl. Abb. 2.6). Dies zeigt sich auch an der rückläufigen Kreditvergabe an die Haushalte, insbesondere im Bereich der Kreditkarten. So sanken die Abb. 2.5 Wichtige konjunkturelle Frühindikatoren zeichnen aktuell ein uneinheitliches Bild. Obgleich die monatlich erhobenen Daten zu den privaten Konsumausgaben eine relativ hohe Dynamik im laufenden Quartal anzeigen, deuten Umfragen zum Verbrauchervertrauen weiterhin auf eine geringe Zuversicht der Konsumenten hin. Verantwortlich hierfür ist insbesondere die anhaltend angespannte Situation am Arbeitsmarkt (vgl. Abb. 2.4 und Abb. 2.5). Trotz der seit Jahresbeginn merklich gestiegenen Absatz- und Ertragserwartungen der Unternehmen entwickeln sich Produktion sowie Auftragseingänge aktuell wenig dynamisch. Sowohl das geringe Vertrauen der Verbraucher als auch die schwache Auftragsla62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 25 26 Daten und Prognosen Abb. 2.6 Konsumentenkredite insgesamt im Oktober den neunten Monat in Folge. Mit dem Auslaufen der staatlichen Unterstützung im Verlauf des Jahres 2010 werden die privaten Konsumausgaben im weiteren Prognosezeitraum kaum mehr expandieren. Angetrieben von umfangreichen geld- und fiskalpolitischen Stimuli sowie einer zyklusbedingt höheren Dynamik der Ausrüstungs- und Lagerinvestitionen wird die gesamtwirtschaftliche Produktion im Winterhalbjahr zunächst noch merklich expandieren (vgl. Abb. 2.7). Mit dem Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen und des Lagerzyklus wird die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts als Folge der erheblichen Belastungen, die auf die privaten Konsumausgaben wirken, jedoch zunehmend an Schwung verlieren. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion vorübergehend sogar erneut leicht rückläufig sein. Trotz dieses konjunkturellen Rückschlages wird die amerikanische Wirtschaft im Prognosezeitraum jedoch nicht erneut in eine Rezession abgleiten. So wird das reale Bruttoinlandsprodukt nach einem Rückgang von 2,5% im Jahr 2009 im kommenden Jahr um 1,9% expandieren und 2011 insgesamt stagnieren (vgl. Tab. 2.1). Die Arbeitslosenquote wird im Jahr 2010 auf 9,5% zurückgehen und im Durchschnitt des Jahres 2011 bei 10% liegen. Abb. 2.7 Japan Tab. 2.1 Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in den USA 2008 2009 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % Reales Bruttoinlandsprodukt 0,4 – 2,5 Privater Konsum – 0,2 – 0,6 Staatskonsum und -investitionen 3,1 2,1 Private Bruttoanlageinvestitionen – 7,3 – 24,5 Inländische Verwendung – 0,8 – 3,5 Exporte 5,4 – 10,6 Importe – 3,2 – 14,7 a) Außenbeitrag 1,2 1,0 Verbraucherpreise 3,8 – 0,4 In % des nominalen Bruttoinlandsprodukts b) Budgetsaldo – 3,1 – 9,9 Leistungsbilanzsaldo – 4,7 – 3,1 In % der Erwerbspersonen Arbeitslosenquote 5,8 9,2 a) b) Wachstumsbeitrag. – Gesamtstaatlich, Fiskaljahr. 2010 1,9 1,5 2,0 2,4 1,7 4,8 2,8 0,2 1,6 Die japanische Wirtschaft hat sich in den vergangenen beiden Quartalen von ihrem Absturz im Winterhalbjahr 2008/2009 etwas erholt. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im zweiten Quartal 2009 um 0,7% gegenüber dem Vorquartal und im dritten Quartal um 0,3%. Wichtigste Treiber waren die positive Entwicklung des Außenhandels und des privaten Konsums. Begünstigt durch die starke 2011 Zunahme der Exporte stieg der Außenbeitrag im zweiten Quartal auf 2,9% des Bruttoinlandsprodukts und im dritten Quartal auf 0,3 3,4%. Der private Konsum legte im zweiten – 0,3 1,0 Quartal um 1,2% und im dritten Quartal um 0,7 1,0% zu. Negativ wirkt sich dagegen wei0,1 terhin die Entwicklung der Investitionstätig3,0 keit aus, die im zweiten Quartal um 5,4% 0,8 und im dritten Quartal um 3,6% gesunken 0,2 1,0 ist (vgl. Abb. 2.8). – 11,5 – 2,8 – 10,5 – 2,6 9,5 10,0 Quelle: U.S. Department of Commerce, Bureau of Economic Analysis; U.S. Department of Labor; Bureau of Labor Statistics; Berechnungen des ifo Instituts; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Die günstige Entwicklung in den letzten beiden Quartalen dürfte im vierten Quartal andauern. Darauf deuten wichtige Wirtschaftsdaten hin, die ihre Erholungstendenz der vergangenen Monate fortsetzen. Hier sind die Ergebnisse der Tankan Unternehmensbefragung zu nennen, nach denen sich die Lage Daten und Prognosen Abb. 2.8 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 27 28 Daten und Prognosen Abb. 2.9 te hier der Rückgang des privaten Konsums wiegen, da mit zunehmender Dauer der Unterauslastung der Kapazitäten ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine Reduzierung der Löhne zu erwarten ist. Daneben wird die aktuelle Deflation noch weit in das Jahr 2011 hineinreichen und die private Nachfrage dämpfen. Die momentane Stärke des Yen, der Ende November ein 14-Jahreshoch gegenüber dem USDollar markierte, dürfte die exportabhängige japanische Wirtschaft zusätzlich belasten. Dass diese Risiken ernst genommen werden, zeigen Regierung und Zentralbank, die – anders als in vielen anderen asiatischen Staaten – neue Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft getroffen haben. So hat die japanische Regierung Anfang Dezember auf die beschriebenen mittelfristigen Gefahren mit einem zusätzlichen Konjunkturprogramm im Volumen von 7,2 Billionen Yen (54 Milliarden Euro) reagiert, um die Binnennachfrage zu stimulieren und den drohenden Einbruch des Konsums im nächsten Jahr zu verhindern. Die Bank of Japan hat ihrerseits auf unmittelbare Zeit keine Abkehr von ihrer Niedrigzinspolitik anberaumt und vielmehr den Banken des Landes noch einmal mehr als 10 Billionen Yen (76 Milliarden Euro) an Mitteln zur weiteren Ankurbelung der Kreditvergabe bereitgestellt. und die Gewinnsituation japanischer Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe weiter verbessert haben. Dies geht einher mit positiven Zuwachsraten der Industrieproduktion, die inzwischen auf Monatsbasis zum siebten Mal in Folge angestiegen ist. Dass diese Erholung nicht nur in der Industrie zu spüren ist, zeigt die Entwicklung der vielbeachteten Indizes für die Aktivität im Dienstleistungssektor und in der Gesamtwirtschaft, die beide stark gestiegen sind. Ähnliche Signale senden außerdem Umfragen zum Verbrauchervertrauen aus. Ihre positive Entwicklung ist jedoch zu großen Teilen auf staatliche Stützungsmaßnahmen und Anreizprogramme zur Ankurbelung des privaten Konsums zurückzuführen. Daher dürfte Japan im vierten Quartal 2009 im Zuge der weltweiten wirtschaftlichen Erholung noch einmal einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorquartal aufweisen (vgl. Abb. 2.9). Trotzdem ist für das Gesamtjahr 2009 noch immer mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5,3% zu rechnen. Dies ist dem starken Absturz der Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr 2008/09 geschuldet. Im Jahr 2010 stehen den inländischen Problemen positive Impulse von Seiten der Weltwirtschaft, insbesondere von China, entgegen. Die Wirtschaftsleistung dürfte alles in allem um 1,0% über dem Durchschnitt dieses Jahres liegen (vgl. Tab. 2.2). Für das Jahr 2011 ist ein Anstieg um 0,9% zu erwarten. Während der Ausblick für das letzte Quartal des Jahres also durchaus optimistisch ausfällt, gibt es einige Faktoren, die vor allem für die mittlere Frist negative Auswirkungen auf die Wirtschaft besitzen dürften. Besonders schwer dürf- Tab. 2.2 Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Japan 2008 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % Reales Bruttoinlandsprodukt – 1,2 Privater Konsum – 0,7 Staatskonsum und -investitionen – 1,3 Private Bruttoanlageinvestitionen – 1,4 Inländische Verwendung – 1,0 a) Außenbeitrag 0,2 Verbraucherpreise 1,4 In % des nominalen Bruttoinlandsprodukts b) Budgetsaldo – 2,7 Leistungsbilanzsaldo 3,2 In % der Erwerbspersonen Arbeitslosenquote 4,0 a) b) Wachstumsbeitrag. – Gesamtstaatlich. 2009 2010 2011 – 5,3 – 1,0 2,2 – 18,5 – 3,7 – 2,1 – 1,3 1,0 – 0,8 0,2 1,1 – 0,3 1,5 – 0,4 0,9 0,1 – 0,9 4,2 0,5 0,4 0,1 – 8,0 2,0 – 9,0 2,5 – 5,0 3,5 5,3 5,8 5,6 Quelle: OECD; Cabinet Office; Berechnungen des ifo Instituts; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang China Chinas Wirtschaft hat im Sommerhalbjahr 2009 beinahe zu alten Wachstumsraten zurückgefunden. Die Wirtschaftsleistung erhöhte sich im zweiten Quartal um 7,9% gegenüber dem Vorjahreszeitraum und im dritten Quartal um 8,9%. Das Bruttoinlandsprodukt lag somit in den ersten drei Quartalen des Jahres durchschnittlich um 7,7% über dem Wert des vorangegangenen Jahres. Damit zeichnet sich ab, dass für das Gesamtjahr 2009 das selbstgesteckte Ziel eines Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts Daten und Prognosen von 8% deutlich übertroffen wird. Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auf den enormen Anstieg der Investitionstätigkeit, der durch das riesige Konjunkturprogramm der Regierung getrieben ist. Seit der zweiten Jahreshälfte trägt aber auch eine Belebung des Außenhandels positiv zu der Erholung bei. Nach der günstigen Entwicklung in den vergangenen beiden Quartalen bleiben die Aussichten auch für das vierte Quartal positiv. So erhöhte sich die Industrieproduktion im Oktober mit 16,1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch einmal wesentlich stärker als im September, als die Zuwachsrate 13,9% betrug. Die guten Aussichten werden außerdem durch die Ergebnisse verschiedener Umfragen zur aktuellen Geschäftslage im verarbeitenden Gewerbe untermauert, die sich im Oktober weiter verbessert haben. Aber auch die Einzelhandelsumsätze stiegen im Oktober mit 16,2% gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch einmal stark an. Das positive Bild wird abgerundet durch die Exporte, die im Oktober nur noch knapp 13,8% unter dem Wert des Vorjahresmonats lagen und sich damit deutlich von ihren Tiefstständen gegen Mitte des Jahres erholt haben. Der optimistische Ausblick wird bisher nicht durch einen Anstieg des Preisniveaus getrübt. Nachdem die Inflationsrate im Oktober bei – 0,5% gelegen hat, dürfte sie auch im Jahr 2010 nicht über 3% steigen. Zudem liegt die Arbeitslosigkeit nach offiziellen Angaben zumindest in den städtischen Regionen bei nur 4,3%. Und auch von Wechselkursseite sind keine negativen Impulse zu erwarten, da die Regierung trotz der Kritik aus dem Ausland an ihrer Politik des fixen Wechselkurses gegenüber dem US-Dollar festhält und somit die exportorientierte Wirtschaft durch einen stark unterbewerteten Renminbi weiter subventioniert. Die Aussichten für die Wirtschaftsentwicklung Chinas bleiben daher auch über den Jahreswechsel hinaus positiv. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es der Regierung gelungen ist, mit ihrem massiven Konjunkturprogramm die wirtschaftliche Aktivität auch ohne Impulse von außen deutlich zu stärken. Auf mittlere Sicht ist damit zu rechnen, dass die Effekte des Konjunkturprogramms, das Mitte des nächsten Jahres ausläuft, nicht vollständig durch Impulse der Weltwirtschaft kompensiert werden. Für das Jahr 2009 wird der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts 7,8% betragen. Im Jahr 2010 dürfte sich die Wirtschaftsleistung um 8,5% erhöhen, im Jahr 2011 um 8,4%. raums gelegen hatte, erhöhte sich der Anstieg im zweiten Quartal dieses Jahres auf 6,1%, im dritten Quartal sogar auf 7,9%. Während der für die indische Wirtschaft sehr wichtige Agrarsektor aufgrund des verspätet einsetzenden Monsuns weniger als erwartet zu der Erholung beitragen konnte, wurde dies durch die positive Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe und vor allem im Dienstleistungssektor mehr als ausgeglichen. So erhöhte sich die Industrieproduktion im dritten Quartal um 8,3% gegenüber dem Vorjahresquartal, der Dienstleitungssektor wies sogar einen Anstieg von 9,3% auf. Die wirtschaftliche Belebung dürfte sich in den letzten Monaten des Jahres fortsetzen. Darauf deuten die Geschäftsklimaindizes für die gesamte Wirtschaft sowie das verarbeitende Gewerbe hin, deren Aufwärtstendenz ungebrochen ist. Aber auch der deutliche Anstieg der Groß- und Einzelhandelspreise sprechen für eine weiterhin dynamische Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivität. Angesichts dieser positiven Aussichten denken Regierung und Zentralbank über den Ausstieg aus ihren konjunkturfördernden Maßnahmen nach. So hat die Regierung zuletzt angekündigt, im nächsten Jahr etwas weniger als die veranschlagten Mittel zur Stützung der Konjunktur zu verwenden. Neben der wirtschaftlichen Erholung dürfte zur Entscheidungsfindung vor allem auch das hohe Budgetdefizit des indischen Staates beigetragen haben, das mit jeweils geschätzten 7% des Bruttoinlandsprodukts im aktuellen und kommenden Haushaltsjahr sehr groß ausfällt. Die indische Zentralbank gab auf ihrer jüngsten Sitzung bekannt, die Zinsen – eine fortgesetzte Wirtschaftserholung vorausgesetzt – bereits im ersten Quartal 2010 wieder anheben zu wollen, weit früher als die Zentralbanken vieler anderer asiatischer Länder. Für diese Entscheidung dürfte die akute Inflationsgefahr maßgeblich gewesen sein. Aufgrund geringer Niederschläge ist es im Oktober zu einem enormen Anstieg der Lebensmittelpreise gekommen. Daher dürfte die Teuerungsrate im Jahr 2010, nach dem Wegfall von Basiseffekten aus dem vergangenen Jahr, den Wert von 5% übersteigen. Alles in allem ist für Indien im Prognosezeitraum mit robusten Wachstumsraten zu rechnen. Besonders im letzten Quartal des Jahres 2009 wird die Produktion voraussichtlich sehr kräftig anziehen. Für das Jahr 2009 ist ein Anstieg der Wirtschaftsleistung um 6,9% zu erwarten. In den Jahren 2010 und 2011 dürfte das Bruttoinlandsprodukt um je 7,5% zunehmen. Indien Indien erlebte im zweiten und dritten Quartal des Jahres einen starken Anstieg der wirtschaftlichen Dynamik. Nachdem in den beiden Winterquartalen die Wirtschaftsleistung jeweils nur um 5,8% über dem Niveau des Vorjahreszeit- Euroraum Die Wirtschaft des Euroraums hat sich im Herbst 2009 erholt. Das reale Bruttoinlandsprodukt legte im dritten Quar62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 29 30 Daten und Prognosen Abb. 2.10 tal um 0,4% zu, nachdem es im zweiten Quartal noch um 0,2% zurückgegangen war. Allerdings war der Konsum der privaten Haushalte erneut rückläufig. Auch die Investitionen sanken, jedoch weniger stark als zuvor. Der Außenhandel lieferte hingegen einen leicht positiven Wachstumsbeitrag, da die Exporte etwas stärker als die Importe stiegen (vgl. Abb. 2.10). Die wirtschaftliche Entwicklung in den großen Ländern des Euroraums hat sich im dritten Quartal nahezu ausnahmslos verbessert. So stieg das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland und in Italien vergleichsweise kräftig, während es sich in Frankreich und den Niederlanden zumindest moderat erhöhte. Lediglich in Spanien hält die Rezession weiter an; die Kontraktion der spanischen Wirtschaft schwächte sich jedoch spürbar ab. Die Erholung der Konifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang junktur spiegelte sich in der Entwicklung des ifo Wirtschaftsklimas wider. Der Indikator legte in den vergangenen beiden Quartalen nach seinem historischen Tiefstand merklich zu (vgl. Abb. 2.11). Die Belebung der Wirtschaft im Euroraum dürfte sich in den kommenden Quartalen zunächst fortsetzen. Zahlreiche Frühindikatoren sind mittlerweile aufwärtsgerichtet. Dennoch ist es fraglich, ob die Expansion der Konjunktur anhaltend kräftig ausfallen wird, da nennenswerte Faktoren weiterhin stark belastend wirken. So gestaltet sich die Kreditvergabe der Banken nach wie vor restriktiv, nicht zuletzt auch, weil mit weiteren rezessionsbedingten Abschreibungen gerechnet wird. Die Auslastung der Kapazitäten in der Industrie bleibt nach ihrem Einbruch auf ein Rekordtief gering. Zudem hat sich die Lage am Arbeits- Daten und Prognosen Abb. 2.11 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 31 32 Daten und Prognosen markt merklich verschärft. So hat sich die Zahl der Beschäftigten weiter verringert. Spiegelbildlich erhöhte sich die Arbeitslosenquote kräftig. Sie stieg von 8,5% im Januar auf 9,7% im September. Die Verbraucherpreise stiegen zunächst bis Mitte des Jahres 2009, ehe sie wieder fielen. Der Rückgang der Preise wurde jüngst allerdings unterbrochen. Die Inflationsrate betrug im November – gemessen an der Veränderungsrate des harmonisierten Verbraucherpreisindex – 0,6%. Für die Abb. 2.12 ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Zunahme der Inflationsrate war der Basiseffekt der zuletzt gestiegenen Energiepreise maßgeblich. Die Kerninflationsrate ging hingegen kontinuierlich zurück, blieb jedoch deutlich positiv. Im Oktober betrug sie 1%, nach 1,8% im Januar. Die Inflationserwartungen blieben unverändert stabil bei nahe 2%. Die Europäische Zentralbank (EZB) ließ den Zinssatz für Refinanzierungsgeschäfte seit Mai dieses Jahres unverändert bei 1% und hielt an der vollen Zuteilung fest. Die Daten und Prognosen durchschnittliche Laufzeit dieser Kredite an das Bankensystem nahm weiterhin zu, so dass der Anteil der einstigen »Haupt«-Refinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit von einer Woche im November nur noch bei 8% lag. In der Folge mussten für Übernachtkredite am Interbankengeldmarkt seit Juli nur noch durchschnittlich 0,4% und damit deutlich weniger als für Offenmarktgeschäfte mit der EZB bezahlt werden. Auch der Satz für unbesichertes Dreimonatsgeld am Interbankenmarkt (Euribor) nahm im Jahresverlauf deutlich ab und lag zuletzt bei 0,7% (vgl. Abb. 2.12) und damit nur noch um knapp 0,25 Prozentpunkte über dem Zinssatz für besichertes Dreimonatsgeld (Eurepo). Die Zinssenkungen der EZB spiegelten sich auch in fallenden Kreditzinsen wider. Bis Oktober dieses Jahres wurde der Rückgang der Refinanzierungskosten in Höhe von 325 Basispunkten bereits zu durchschnittlich 75% von den Banken an die Unternehmen weitergegeben. Vor allem die Weitergabe bei den unterjährigen Krediten lag mit 88% deutlich höher als bei den Krediten mit einer Laufzeit über fünf Jahren, wo bislang nur 61% weitergegeben wurden. Auch die Renditen von Unternehmensanleihen haben sich verringert, wobei insbesondere die Risikoaufschläge deutlich kleiner geworden sind. Die Renditen von Unternehmensanleihen mit höchster Bonität (AAA) sanken seit Jahresanfang um 0,3 Prozentpunkte, jene mit BBB-Rating um 2,2 Prozentpunkte. Zudem ist auch der Risikoaufschlag am Interbankenmarkt weiter zurückgegangen. Positiv auf die Finanzierungsbedingungen wirkte sich ebenfalls der im selben Zeitraum zu verzeichnende Anstieg der Aktienkurse aus. Der Euro STOXX 50 hat sich seit Jahresanfang um 26% verbessert und liegt damit nur noch 31% unterhalb seines Höchststandes kurz vor Ausbruch der Finanzmarktkrise im Juni 2007. Die Kreditentwicklung schwächte sich gleichwohl weiter ab. Insgesamt ergab sich im Oktober bei den Buchkrediten an den privaten Sektor ein Rückgang um 0,8% gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Buchkredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften sanken um 1,2% und die Buchkredite an die privaten Haushalte lagen um 0,1% unter ihrem Vorjahreswert. Auch die Geldmenge M3 entwickelte sich verhalten und stieg im Jahresvergleich nur noch um 0,3% an. Den wesentlichen Teil trug hierzu die Geldmenge M1 bei, die mit einer Rate von 11,8% expandierte. Beeinträchtigt wurden die monetären Rahmenbedingungen jedoch durch die Entwicklung des Wechselkurses. Gegenüber seinem Jahrestiefstand vom Februar hat der Euro gegenüber dem US-Dollar bis Dezember um etwa 20% aufgewertet und liegt mit knapp 1,50 USD/EUR auf einem im historischen Vergleich hohen Niveau. Auch der reale effektive Wechselkurs legte im selben Zeitraum um knapp 4% zu. Die Europäische Zentralbank wird den Leitzins im nächsten Jahr auf seinem niedrigen Niveau belassen. Allerdings hat sie bereits angekündigt, von ihrer Politik der unbegrenzten Zuteilung und der Vergabe vorwiegend längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte sukzessive abzurücken. Demnach ist davon auszugehen, dass die Geldmarktzinsen in 2010 wieder leicht anziehen und sich dem Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte nähern. Angesichts der großen Produktionslücke und der sehr verhaltenen Inflationsentwicklung dürfte die EZB die Leitzinsen jedoch nicht vor 2011 anheben. Die Lage der öffentlichen Haushalte in den Mitgliedsländern des Euroraums hat sich im laufenden Jahr erheblich verschlechtert. Während die Staatsausgaben infolge der Umsetzung der massiven Konjunkturpakete kräftig stiegen, gingen die Staatseinnahmen aufgrund der scharfen Rezession, der Steuervergünstigungen sowie der Zunahme der Arbeitslosenzahlen merklich zurück. Die Defizitquote dürfte im Jahr 2009 insgesamt auf etwa 6,5% steigen, nachdem sie im Jahr 2008 noch 2% betrug. Die Situation der öffentlichen Haushalte dürfte sich auch in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Es ist damit zu rechnen, dass in allen Ländern der Region die Regelung des Stabilitäts- und Wachstumspakts verletzt werden wird, welche die Neuverschuldung auf 3% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt begrenzt. Als Konsequenz hat die Europäische Kommission neue Defizitverfahren gegen mehrere Länder, darunter auch Deutschland, Österreich und Italien eröffnet, während Defizitverfahren gegen Frankreich, Spanien, Irland, Griechenland und Malta bereits laufen. Ziel ist es, die Budgetdefizite ab dem Jahr 2011 abzubauen und bis zum Jahr 2013 die Neuverschuldung unter die kritische Hürde des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu drücken. Angesichts der Schwäche der Konjunktur im Euroraum ist damit zu rechnen, dass die Defizitquote insgesamt im kommenden Jahr bei etwa 7% und 2011 bei etwa 6,5% liegen wird. Die Expansion der Wirtschaft im Euroraum wird sich im Prognosezeitraum nur vorübergehend etwas stärker beleben (vgl. Abb. 2.13). Zwar haben sich die Ertragsaussichten der Unternehmen verbessert, dennoch werden die anhaltenden Probleme im Bankensektor, die mit weiterhin verschärften Kreditkonditionen verbunden sind, die Unterauslastung der Kapazitäten sowie die hohe Arbeitslosigkeit nachhaltig belasten. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Stützung der Binnennachfrage durch die massiven fiskalischen Impulse sukzessive ausläuft. Das Bruttoinlandsprodukt im Euroraum wird im Jahr 2009 um 3,9% sinken, ehe es im Jahr 2010 um 1,0% und im Jahr 2011 um 0,9% steigen wird (vgl. Tab. 2.3). Der Konsum dürfte infolge der prekären Lage auf den Arbeitsmärkten nur mäßig expandieren. Die Investitionen dürften zunächst weiter sinken und anschließend nur moderat zule62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 33 34 Daten und Prognosen Abb. 2.13 gen. Der Saldo im Außenhandel wird sich angesichts der wirtschaftlichen Belebung in Asien zumindest leicht verbessern. Der Anstieg der Preise wird sich insgesamt etwas beschleunigen, aber dennoch verhalten bleiben. Die Inflationsrate dürfte im Jahr 2010 bei 0,9% und im Jahr 2011 bei 1,2% liegen. Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich aufgrund ihres Nachlaufs hinter der konjunkturellen Entwicklung weiter verschärfen. Die Arbeitslosenquote dürfte im kommenden Jahr 10,3% und im folgenden Jahr 11,1% betragen. Frankreich Die Wirtschaft in Frankreich expandierte im Herbst 2009 nur verhalten. Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg im dritten Tab. 2.3 Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum Quartal um 0,3%, nachdem es im zweiten Quartal bereits um 0,3% zugenommen hatte. Der private Konsum stagnierte und die Anlageinvestitionen gingen – auch aufgrund der ausgeprägten Schwäche der Bauinvestitionen – erneut zurück. Der Saldo im Außenhandel verbesserte sich hingegen leicht, da die Exporte im Vergleich zu den Importen kräftig zulegten. Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal wurde vor allem durch den Staatsverbrauch gefördert, der sich erneut deutlich erhöhte. Für die wirtschaftliche Entwicklung dürfte die Zunahme des Staatsverbrauchs auch in den kommenden Quartalen maßgeblich sein. Die konjunkturellen Aussichten bleiben jedoch gemischt. Zwar ist die Industrieproduktion im dritten Quartal gestiegen und auch das ifo Wirtschaftsklima hat sich zuletzt aufgrund positiver Erwartungen erneut erhöht. Allerdings hat sich die Situation am Arbeitsmarkt kontinuierlich verschärft. So stieg die Arbeitslosenquote im September auf 10%. Zudem verharrt die Kapazitätsauslastung weiterhin auf einem relativ niedrigen Niveau, nachdem sie zu Beginn des Jahres kräftig eingebrochen war. Der Rückgang der Preise hat sich im Oktober fortgesetzt. Die Inflationsrate betrug zuletzt, gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex, – 0,2%. Die Kernrate der Inflation lag dagegen bei 1,1%. Die Situation der öffentlichen Haushalte hat sich im laufenden Jahr infolge der massiven Ausgaben für Konjunkturprogramme, aber auch aufgrund konjunkturbedingter Mindereinnahmen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen merklich verschärft. Zudem wirken die Kosten der Stützungsmaßnahmen für Banken belastend. Die Defizitquote dürfte im laufenden Jahr auf über 8% steigen. Konkrete Maßnahmen zur Konsolidierung sind bislang nicht vorgesehen. Stattdessen sind weitere Programme zur Milderung der wirtschaftlichen Krise geplant, obwohl die Europäische Kommission bereits ein Defizitverfahren eingelei2011 tet hat. Die Haushaltsplanungen deuten nur auf eine mäßige Rückführung der Neuver0,9 schuldung hin mit dem Ziel, die Vorgaben 0,4 des europäischen Stabilitätspakts frühestens 1,1 1,0 ab dem Jahr 2013 wieder einzuhalten. Die 0,7 Defizitquote dürfte daher auch im kommen3,6 den Jahr bei rund 8% liegen. 2008 2009 2010 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % Reales Bruttoinlandsprodukt 0,6 – 3,9 1,0 Privater Konsum 0,3 – 1,0 0,4 Öffentlicher Konsum 2,0 2,4 1,7 Bruttoanlageinvestitionen – 0,4 – 10,0 – 1,5 Inländische Verwendung 0,6 – 2,3 0,3 a) Exporte 1,2 – 14,0 4,2 a) Importe 1,1 – 12,2 3,3 3,0 b) Außenbeitrag 0,1 – 1,0 0,4 0,3 c) Verbraucherpreise 3,3 0,2 0,9 1,2 In % des nominalen Bruttoinlandsprodukts d) Budgetsaldo – 2,0 – 6,5 – 7,0 – 6,5 Leistungsbilanzsaldo – 0,8 – 1,2 – 0,9 – 0,7 In % der Erwerbspersonen e) Arbeitslosenquote 7,5 9,4 10,3 11,1 a) b) c) Einschließlich Intrahandel. – Wachstumsbeitrag. – Harmonisierd) e) ter Verbraucherpreisindex. – Gesamtstaatlich. – Standardisiert. Quelle: Eurostat; Europäische Zentralbank; Berechnungen des Instituts; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Die Wirtschaft in Frankreich wird sich im Prognosezeitraum zunächst etwas kräftiger beleben. Allerdings dürfte sich der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im Verlauf des kommenden Jahres infolge des Auslaufens der massiven konjunkturellen Stützungsprogramme abflachen. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2010 um 1,6% und im Jahr 2011 um 1,3% steigen (vgl. Tab. 2.4). Daten und Prognosen Tab. 2.4 a) Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in Europa Gewicht (BIP) in % Deutschland Frankreich Italien Spanien Niederlande Belgien Österreich Griechenland Finnland Irland Portugal Slowakei Slowenien Luxemburg Zypern Malta d), Euroraum Großbritannien Polen Schweden Dänemark Tschechien Rumänien Ungarn Litauen Bulgarien Lettland Estland d) EU-15 Beitrittsländer d) EU-27 20,0 15,6 12,6 8,7 4,8 2,8 2,3 1,9 1,5 1,5 1,3 0,5 0,3 0,3 0,1 0,0 74,1 14,6 2,9 2,6 1,8 1,2 1,1 0,8 0,3 0,3 0,2 0,1 92,2 7,8 100,0 b) Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % 2009 2010 2011 2009 2010 2011 – 4,9 1,7 1,2 0,2 0,6 0,8 – 2,3 1,6 1,3 0,0 0,8 1,3 – 4,8 0,5 0,7 0,6 1,1 1,5 – 3,7 – 0,5 0,5 – 0,5 0,9 1,3 – 4,0 1,3 0,8 0,8 1,2 1,4 – 3,1 1,1 0,7 – 0,1 1,1 1,3 – 3,3 1,4 1,0 0,3 1,0 1,0 – 1,0 – 0,4 0,2 1,2 1,5 2,0 – 6,5 0,7 0,5 1,6 1,4 1,5 – 7,0 – 0,7 0,0 – 1,6 – 0,3 1,0 – 3,3 0,6 0,4 – 1,0 1,2 1,4 – 5,0 1,5 1,3 1,0 1,9 2,2 – 7,0 1,3 1,1 0,6 1,7 2,0 – 3,5 1,4 1,0 – 0,4 1,6 1,8 – 0,7 1,5 1,1 – 0,2 2,3 2,6 – 2,0 1,6 1,2 2,1 2,0 2,2 – 3,9 1,0 0,9 0,2 0,9 1,2 – 4,6 1,0 0,8 2,1 1,6 1,8 1,3 2,2 1,8 4,0 2,5 3,0 – 4,6 1,4 1,1 1,8 2,0 1,9 – 4,4 1,0 0,7 1,0 1,5 1,8 – 4,3 1,5 1,1 0,5 1,6 1,8 – 7,3 0,7 0,5 5,6 3,3 3,6 – 6,6 – 0,5 0,1 4,0 3,8 4,0 – 16,0 – 4,2 – 0,5 4,4 2,0 3,0 – 5,3 – 0,1 0,2 2,5 2,7 2,6 – 18,0 – 4,5 – 0,3 3,8 4,2 3,9 – 13,5 – 3,0 – 0,2 0,5 1,2 2,0 – 4,1 1,0 0,9 0,5 1,0 1,3 – 3,9 1,0 1,0 3,2 2,5 2,9 – 4,1 1,0 0,9 0,7 1,2 1,5 c) Arbeitslosenquote in % 2009 2010 2011 7,5 7,9 8,1 9,6 10,2 10,6 7,7 8,8 9,3 18,5 20,0 20,8 3,5 5,0 5,5 8,0 9,1 9,9 4,6 5,7 6,3 9,6 11,0 21,1 8,3 9,5 10,3 12,0 13,6 14,4 9,7 10,6 11,2 11,6 12,3 13,0 5,9 6,8 7,6 6,3 7,6 8,2 5,4 6,1 6,8 7,2 9,0 9,7 9,4 10,3 11,1 7,8 9,2 9,7 8,2 8,5 8,9 8,4 9,1 9,6 5,9 6,4 7,0 6,5 7,2 7,7 7,0 8,1 9,0 9,8 10,6 11,3 14,5 17,0 18,7 7,0 8,1 9,0 18,1 20,0 21,4 14,5 16,5 18,0 9,1 10,1 10,8 8,5 9,3 10,0 9,0 9,9 10,6 a) Die Zuwachsraten sind untereinander nicht voll vergleichbar, da sie für einige Länder um Arbeitstageeffekte bereinigt sind, b) c) d) für andere – wie für Deutschland – nicht. – Harmonisierter Verbraucherpreisindex. – Standardisiert. – Summe der aufgeführten Länder. Bruttoinlandsprodukt und Verbraucherpreise gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2008 in US-Dollar, Arbeitslosenquote gewichtet mit der Zahl der Erwerbspersonen von 2008. Quelle: Eurostat; IWF; OECD; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. Italien Die italienische Wirtschaft hat sich im Herbst 2009 überraschend kräftig belebt. Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg im dritten Quartal um 0,6% nachdem es im zweiten Quartal um 0,5% geschrumpft war. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Talfahrt gestoppt sein könnte, lieferte auch der Index der Industrieproduktion. Dieser stieg im letzten Quartal um 4%, nachdem er in den Quartalen zuvor deutlich eingebrochen war. Dennoch bleiben die Aussichten für die wirtschaftliche Entwicklung getrübt. Die niedrige Kapazitätsauslastung, die im letzten Quartal ein historisches Tief von knapp 65% erreichte, die chronische Wettbewerbsschwäche Italiens sowie die fiskalpolitische Zurückhaltung der Regierung werden sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr die Konjunktur belas- ten. Zwar haben sich fast alle Stimmungs- und Erwartungsindikatoren zum zweiten Mal in Folge verbessert, sie bleiben jedoch weiterhin deutlich unter ihrem langfristigen Durchschnittsniveau. Aufgrund der bereits vor der Krise akkumulierten hohen Staatsverschuldung von über 100% des Bruttoinlandsprodukts war der Spielraum der italienischen Regierung für expansive Eingriffe stark eingeschränkt. Entsprechend wurde in 2009 auf ein breit angelegtes Konjunkturprogramm verzichtet. Trotzdem werden für dieses Jahr eine Defizitquote von 5,3% und eine Schuldenquote von knapp 115% erwartet. Mangels klarer Konsolidierungspläne der Regierung in Rom beschloss die Europäische Kommission am 11. November, ein Defizitverfahren gegen Italien einzuleiten. Demnach soll das Staatsdefizit bis spätestens 2012 auf unter 3% des Bruttoinlandsprodukts reduziert werden. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 35 36 Daten und Prognosen Die dazu erforderlichen Ausgabenkürzungen werden in den kommenden zwei Jahren die konjunkturelle Erholung dämpfen. Rezessionsbedingt wird die Defizitquote 2010 auf einem Niveau von knapp über 5% verharren, bevor sie im Zuge der Konsolidierung auf etwa 4% im Jahr 2011 sinken wird. Die Wirtschaft in Italien wird auch in den kommenden Quartalen unter ihrer Wettbewerbsschwäche leiden und daher nur in geringem Maße vom Anziehen der Weltnachfrage profitieren. Zwar hat das verarbeitende Gewerbe in den letzten Jahren eine Reihe tiefgreifender Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt, die im internationalen Vergleich zu einer relativen Verbesserung vor allem in Bezug auf die Produktqualität geführt haben. Im Rahmen dieser Umstrukturierung waren jedoch viele Unternehmen auf die Aufnahme von Krediten angewiesen und sehen sich zur Zeit einer doppelten Belastung gegenüber: Einer deutlich restriktiveren Kreditvergabe seitens der Banken und zugleich der Schwäche der inländischen als auch ausländischen Nachfrage. Wie schnell sich die italienische Wirtschaft erholen wird, hängt entscheidend davon ab, wie erfolgreich die Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe die gegenwärtige Lage meistern. Trotz der leichten Aufhellung im dritten Quartal wird aufgrund der sehr schwachen ersten Hälfte des Jahres und des starken Einbruchs der privaten Investitionen das Bruttoinlandsprodukt 2009 um 4,8% schrumpfen. Im Prognosezeitraum dürfte sich die gesamtwirtschaftliche Produktion nur langsam erholen. So wird die italienische Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um 0,5% zunehmen und 2011 um 0,7% expandieren. Die stärksten positiven Impulse werden von der privaten Konsumnachfrage ausgehen. Darüber hinaus sind bis Ende Juni 2010 beträchtliche Steuervergünstigungen im Falle getätigter Anlageinvestitionen vorgesehen, was in den letzten zwei Quartalen dieses sowie in der ersten Hälfte des nächsten Jahres den Rückgang der Investitionen reduzieren wird. In den kommenden zwei Jahren wird auch die langsame Erholung der Weltkonjunktur die italienischen Exporte kräftigen. Spanien Zum ersten Mal seit September 2008 hat sich im dritten Quartal 2009 der Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität in Spanien verlangsamt. So sank das reale Bruttoinlandsprodukt nur noch um 0,3%, nachdem es im vorangegangenen Quartal noch um mehr als 1% zurückgegangen war. Zwar lieferten die öffentlichen Ausgaben und der Außenhandel erneut die stärksten positiven Impulse; diese wurden diesmal aber von den privaten Konsum- und Investitionsausgaben unterstützt, deren Rückgang im letzten Vierteljahr deutlich moderater ausfiel als in den Quartalen davor. Der private ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Konsum stagnierte nahezu. Die privaten Investitionen schrumpften in den letzten drei Monaten ebenfalls langsamer als im Vorquartal, mit einer Rate von 2,3%. Zurückzuführen ist diese Entwicklungen auf die von der spanischen Regierung beschlossenen Konjunkturpakete sowie auf positive Nachfragesignale aus dem Ausland. Auf eine generelle Aufhellung der Erwartungen lässt die mittlerweile deutlich zu erkennende Kehrtwende bei fast allen Frühindikatoren in Spanien schließen. Spanien gehört zu den EU-Ländern, in denen sich die Wirtschaftskrise am schmerzhaftesten auswirkt. Dies ist auf den im Herbst 2008 zusammengebrochenen Immobilienmarkt sowie auf strukturelle Faktoren zurückzuführen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Landes dauerhaft belasten. Das Platzen der Immobilienblase induzierte vor allem zwei negative Effekte für die spanische Wirtschaft. Einerseits sind Haushalte und Unternehmen einem negativen Vermögenseffekt ausgesetzt, der die Konsum- und die Investitionsnachfrage stark dämpft und gleichzeitig den Zugang zu Krediten einschränkt. Andererseits kam es in der vom Immobilienmarkt stark abhängigen Baubranche zu einem massiven Stellenabbau, der die Arbeitslosenquote von rund 11% Mitte 2008 auf fast 19% im dritten Quartal 2009 ansteigen ließ. Eine hohe Arbeitslosenquote dämpft die privaten Konsumausgaben, da sie das Lohneinkommen vermindert. Zugleich steigt aber auch das Risiko arbeitslos zu werden, was den Anreiz verstärkt, Vorsichtsersparnisse zu tätigen. Die große Anzahl nicht verkaufter Häuser stellt für die Baubranche eine erhebliche Belastung dar. Verschärft wird die Krise in Spanien auch durch andauernde Strukturprobleme, die die Wettbewerbsfähigkeit des Landes belasten und die Aussichten für die kommenden Quartale eintrüben. Zum einen wuchs die totale Faktorproduktivität in den letzten Jahren mit der für den Euroraum deutlich unterdurchschnittlichen Rate von rund 0,5%. Zum anderen wird die Wettbewerbsposition vieler spanischer Unternehmen durch eine Reihe schwerwiegender Rigiditäten auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert. So haben sich die Reallöhne bereits im Jahr 2008 schneller als im Durchschnitt des Euroraums erhöht, da im Rahmen von Indexierungsklauseln die Nominallöhne an das damals kräftig gestiegene Preisniveau angepasst worden waren. Darüber hinaus erwiesen sich die Nominallöhne als nicht flexibel genug, um sich im Zuge der Krise hinreichend stark nach unten anzupassen. Vielmehr nahmen sie deutlich schneller als das Preisniveau zu, so dass es in den letzten drei Quartalen 2009 sogar zu einem beträchtlichen Auseinanderklaffen zwischen den Veränderungsraten der realen Lohnkosten je Stunde und der Stundenproduktivität kam. Diese Entwicklung stellt eine zusätzliche Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Wirtschaft dar und lässt weitere Entlassungen in den kommenden Quartalen erwarten. Daten und Prognosen Aufgrund der angespannten Wirtschaftslage und der umfangreichen Konjunkturprogramme hat sich die Lage der öffentlichen Haushalte in Spanien dramatisch verschlechtert. So wird für dieses Jahr eine Defizitquote von über 10% erwartet. Bedingt durch das von der Europäischen Kommission eingeleitete Defizitverfahren beschloss die spanische Regierung, bereits im Jahr 2010 mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen zu beginnen. Im September 2009 legte sie ein Paket von Steuererhöhungen in Höhe von 1,1% des Bruttoinlandsprodukts vor. Geplant sind die Streichung diverser Steuervergünstigungen, die Anhebung der Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte auf 18% sowie eine Erhöhung der Steuer auf Kapitaleinkünfte. Trotz dieser restriktiven Maßnahmen wird das öffentliche Defizit 2010 und 2011 aufgrund konjunkturbedingter Mehrausgaben und gleichzeitiger Steuermindereinnahmen auf dem hohen Niveau von rund 10% des Bruttoinlandsprodukts verharren. Alles in allem werden der Einbruch im Bausektor und die daraus resultierende Arbeitslosigkeit, die relative Wettbewerbsschwäche und die geplante fiskalpolitische Zurückhaltung die spanische Konjunktur in den nächsten zwei Jahren stark belasten. Mit einer Fortsetzung der wirtschaftlichen Schrumpfung ist daher zu rechnen. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird im Jahr 2010 um 0,5% sinken, nachdem es im laufenden Jahr bereits um 3,7% zurückgegangen ist. Erst 2011, im Zuge der langsam einsetzenden Erholung von Weltkonjunktur und Binnennachfrage, wird sich die wirtschaftliche Aktivität um etwa 0,5% erhöhen. Großbritannien Während viele Volkswirtschaften des Euroraums den Tiefpunkt des Abschwungs hinter sich gelassen haben, dauert die Rezession in Großbritannien noch an. So schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um 0,3%. Dabei wurde der Abschwung durch die Entwicklung der Investitionen und des privaten Konsums gebremst. Die Investitionen gingen nur noch um 0,3% zurück, nachdem der Rückgang im Vorquartal 5,2% betragen hatte. Der private Konsum, der im zweiten Quartal um 0,7% gesunken war, hat sich dank der Abwrackprämie stabilisiert. Allerdings hatte die Abwrackprämie einen negativen Effekt auf die Handelsbilanz. So führten die vermehrten Autokäufe zu einem schnelleren Anstieg der Importe als der Exporte. Die Staatsausgaben sind im vergangenen Quartal verlangsamt um 0,2% gestiegen. Die Frühindikatoren zeichnen ein verhalten positives Bild, das auf eine langsame Erholung des Konsums und der Investitionstätigkeit hindeutet. Verbrauchervertrauen und Geschäftsklima haben sich in den letzten Monaten verbessert, befinden sich jedoch unterhalb des langfristigen Mittelwerts. Trotz gesunkener Auftragseingänge in der Indus- trie sind die Produktionserwartungen im November allerdings sprunghaft gestiegen, so dass sie sich nur noch knapp unterhalb des historischen Durchschnitts befinden. Die Erwartung einer nur langsamen Stabilisierung der britischen Wirtschaft spiegelt sich auch in einer expansiven Geldpolitik wider, von der die Bank of England wohl vorerst nicht abkehren wird. Diese ließ den Leitzins Anfang November auf dem Rekordtief von 0,5% und weitete erneut das Ankaufprogramm für Staatsanleihen um 25 Mrd. auf 200 Mrd. Pfund aus. Jedoch ist die Kreditvergabe der Banken nach wie vor restriktiv, da der Prozess der Bilanzsanierung noch nicht abgeschlossen ist. Dies stellt eine große Hürde für die Belebung der Investitionstätigkeit dar. Dämpfend auf die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung wirkt die Fiskalpolitik. Der immense Anstieg der Defizitquote auf voraussichtlich knapp 12% im laufenden Jahr zwingt die Regierung zu Sparmaßnahmen. So wird Anfang 2010 die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung von 17,5 auf 15% in Kraft treten. Diese Maßnahme wird zwar den Konsum im vierten Quartal durch Vorzieheffekte beleben, ab dem neuen Jahr jedoch dämpfen. Ein weiterer Belastungsfaktor des privaten Konsums ist die hohe Arbeitslosenquote, die bis August auf 7,8% angestiegen ist. Da die Arbeitsproduktivität stark gesunken ist, wird sich die Arbeitslosenquote vorerst weiter erhöhen. Es ist damit zu rechnen, dass sie im Jahr 2010 9,2% und 2011 9,7% betragen wird. Dagegen hat sich der Immobilienmarkt stabilisiert. Die Hauspreise, die im dritten Quartal um 3,7% gestiegen sind, dürften den Konsum aufgrund besserer Kreditkonditionen und eines positiven Vermögenseffektes beleben. Insgesamt wird sich die britische Wirtschaft nur schleppend erholen. Getragen von besseren Exportmöglichkeiten durch das schwache Pfund und die Belebung der Weltwirtschaft wird Großbritannien in eine Stabilisierungsphase eintreten, in der das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2010 um 1,0% und 2011 um 0,8% wachsen wird. Die Inflationsrate wird im gesamten Prognosezeitraum nahe dem Zielwert von 2% bleiben. Osteuropäische Mitgliedsländer der EU Zwar ist in den meisten osteuropäischen Mitgliedsländern der EU eine schnelle wirtschaftliche Erholung noch nicht in Sicht, aber auch in dieser Region sind Stabilisierungstendenzen zu beobachten. So ist die Industrieproduktion im dritten Quartal 2009 nicht weiter gesunken, in einigen Ländern hat sie sogar leicht zugelegt. Bei den Investitionen ist eine Verringerung der konjunkturellen Abwärtsdynamik auszumachen. Die Erwartungen der Unternehmen haben sich seit Jahresanfang in nahezu allen Ländern wieder verbessert. Auch das Verbrauchervertrauen hat sich trotz der an62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 37 38 Daten und Prognosen steigenden Arbeitslosigkeit leicht aufgehellt. Da in der gesamten Region die Importe stärker fielen als die Exporte, haben sich die Leistungsbilanzdefizite deutlich zurückgebildet. Im Baltikum wird 2009 sogar erstmals seit Jahren ein Leistungsbilanzüberschuss verzeichnet. Die Inflation hat sich in allen Ländern stark verringert, wobei sie in Rumänien und Ungarn mit rund 5% noch relativ hoch ist. Währungen, die Anfang des Jahres deutlich nachgegeben hatten, wie der ungarische Forint, die tschechische Krone oder der polnische Zloty, machten in der zweiten Jahreshälfte den größten Teil der Verluste wieder wett, was die Schuldenlast der Fremdwährungskredite wieder verringert hat. Einzig in Rumänien hat die Landeswährung erneut an Wert verloren, da wegen der politischen Unsicherheit die Auszahlung der dritten Kredittranche des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 1,5 Mrd. Euro zurückgehalten wurde. So wurden im Oktober die Leitzinsen in Rumänien wieder angehoben. In allen anderen Ländern wurden im Verlauf des dritten Quartals die Leitzinsen schrittweise gesenkt. Diese positive Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Länder der Region in einer sehr ungünstigen Ausgangslage sind und der konjunkturellen Erholung, je nach Land, unterschiedliche Abwärtstendenzen entgegenstehen. So konnte die Fiskalpolitik nur in Polen und Tschechien in größerem Rahmen auf kontrazyklische Stützungsmaßnahmen, darunter Steuersenkungen und Investitionsprogramme, zurückgreifen. In anderen Ländern lassen die hohen Staatsdefizite und die wachsende öffentliche Verschuldung nur wenig oder gar keinen Raum für fiskalpolitische Konjunkturmaßnahmen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Binnennachfrage und die Investitionen im Prognosezeitraum schwach bleiben werden. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich weiter eintrüben und den privaten Konsum in den kommenden Jahren drücken. So bleibt angesichts der konjunkturellen und strukturellen Probleme auch der Abwertungsdruck auf die Währungen hoch. Eine Anpassung würde die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte zwar verbessern, dem steht jedoch die hohe Auslandsverschuldung des Privatsektors und in einigen Ländern auch des Staates gegenüber, vor allem in Ungarn, Bulgarien und Rumänien. Für die Stabilität der Finanzsysteme ist es daher essentiell, dass die Landeswährungen nicht erneut abwerten. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise werden die Region in den kommenden Jahren schwerer belasten als den Rest der Welt. Ein Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftssystems ist in Zentral- und Osteuropa mit Hilfe der internationalen Finanzinstitutionen zwar abgewendet worden, Anpassungen stehen aber noch bevor. Eine Rückkehr zu exzessiver Kreditvergabe und kreditgetriebenem Wachstum erscheint in nächster Zeit unwahrscheinlich. Die Binnennachfrage wird im Prognosezeitraum angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit sowie der sinkenden Steuereinahmen und ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang des anhaltenden Konsolidierungsdrucks auf die öffentlichen Haushalte weiterhin schwach bleiben. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2010 und 2011 nur verhalten um jeweils 1% steigen. Die besten Aussichten in der Region haben Polen und Tschechien, da hier die konjunkturelle Erholung nicht nur von der Nachfrage aus Westeuropa, sondern auch von einem anhaltenden, wenngleich schwachen, Konsumanstieg gestützt wird. 3. Deutschland In Deutschland hat sich die gesamtwirtschaftliche Produktion im Frühjahr stabilisiert. Im zweiten Quartal expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt nach Census X-12-ARIMA um 0,4%, im dritten Quartal sogar um 0,7%. Aufgrund des außerordentlich kräftigen Einbruchs im vorausgegangenen Winterhalbjahr um fast 6% blieb die gesamtwirtschaftliche Produktion und hier insbesondere die Erzeugung in den exportabhängigen Branchen aber alles in allem auf niedrigem Niveau. Der gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad – zieht man die ifo Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe als Proxy heran – liegt derzeit um etwa 10 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt. Maßgeblich für die konjunkturelle Besserung war zum einen die Aufhellung des weltwirtschaftlichen Umfelds. Die deutsche Exportwirtschaft, die im vorangegangenen Winterhalbjahr aufgrund ihres Spezialisierungsmusters vom weltweiten Nachfrageeinbruch nach Investitions- und langlebigen Konsumgütern besonders betroffen war, konnte saisonund kalenderbereinigt im dritten Quartal 2009 ein Plus von 3,4% einfahren. In vielen Staaten wirkten expansive fiskalund geldpolitische Maßnahmen, zudem sind weltweit die Lager wieder aufgestockt worden. Binnenwirtschaftlich haben zum anderen die Bruttoinvestitionen wieder angezogen, stimuliert durch die Konjunkturpakete der Bundesregierung, deren Hauptstoßrichtung der öffentliche Bau ist. Außerdem wurden die Vorratsbestände massiv erhöht. Die realen privaten Konsumausgaben, die im ersten Halbjahr 2009 durch zahlreiche expansive Maßnahmen fiskalisch angeregt worden waren, sind im dritten Quartal dagegen spürbar gesunken. Weniger gekauft wurden vor allem Pkw. Ausschlaggebend hierfür war die Leerung des Prämientopfes für die Verschrottung älterer Autos, der die Nachfrage nach kleineren Modellen insbesondere von ausländischen Herstellern im ersten Halbjahr 2009 kräftig befördert hatte. Das ganze Jahr hindurch wurden die verfügbaren Realeinkommen der inländischen Sektoren durch Terms-of-TradeGewinne per saldo gestützt. Der Kaufkraftgewinn durch die Verbesserung der Terms-of-Trade beläuft sich kumulativ gerechnet auf 0,3% des Bruttoinlandsprodukts; im Vorjahres- Daten und Prognosen Abb. 3.1 vergleich, der durch den Ölpreisrückgang im vierten Quartal 2008 stark beeinflusst ist (vgl. Abb. 3.1), beträgt er sogar auf 1,2%. Der bisher zu verzeichnende Arbeitsplatzverlust fiel im Vergleich zum Produktionseinbruch gering aus; die Zahl der Erwerbstätigen ist in den ersten drei Quartalen dieses Jahres saisonbereinigt lediglich um 114 000 gesunken. Zu der günstigen Entwicklung trugen die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, der Abbau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten und die Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei. Außerdem hat die Teilzeitbeschäftigung zugenommen, während Vollzeitarbeitsplätze abgebaut worden sind. Die durchschnittliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen ist im Verlauf des Jahres 2009 saison- und kalenderbereinigt um 2,2% gesunken; bereits 2008 war sie in ähnlichem Ausmaß reduziert worden. Bei alledem sind die im Winterhalbjahr 2008/09 stark gestiegenen gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten wieder etwas gesunken, gleichwohl waren sie im dritten Quartal 2009 auf Stundenbasis um 51/4% höher als vor Jahresfrist. Im von der Krise besonders betroffenen verarbeitenden Gewerbe lagen sie zuletzt sogar um 14% über dem vergleichbaren Stand des Vorjahres. Alles in allem ist zu konstatieren, dass sich im Gefolge der schweren Rezession das Niveau wichtiger Zeitreihen deutlich nach unten verschoben hat. So liegt das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt im dritten Quartal 2009 lediglich auf dem Durchschnittsniveau des ersten Halbjahres 2006. Derartige Brüche können aber die Ergebnisse von Saisonbereinigungsverfahren am aktuellen Rand erheblich beeinflussen. So zeigt das in der amtlichen deutschen Statistik ebenfalls eingesetzte Berliner Verfahren BV4.1 für die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts vom zweiten zum dritten Vierteljahr 2009 im Vergleich zum Census X-12-ARIMA-Verfahren keinen Anstieg, sondern einen deutlichen Rückgang, und zwar in Höhe von 0,7%.2 Auch die Trend-Konjunktur-Komponente sinkt in diesem Vierteljahr deutlich. Nach BV4.1 haben zudem die Ex- und Importe im dritten Vierteljahr gegenüber dem Vorquartal nicht angezogen, vielmehr waren sie ebenfalls deutlich rückläufig. Die in der amtlichen Statistik eingesetzten Saisonbereinigungsverfahren liefern offenbar für das Bruttoinlandsprodukt und für verschiedene Verwendungsaggregate zurzeit extrem unterschiedliche Konjunktursignale, was die Analyse der aktuellen Lage beeinträchtigt. Außerdem sind zukünftige Revisionen der bisher veröffentlichten saisonbereinigten Ergebnisse angesichts der stark erhöhten Unsicherheit absehbar. Die Quantifizierung der gesamtwirtschaftlichen Produktion im laufenden und im nächsten Quartal erfolgt disaggregiert auf der Basis monatlich verfügbarer Frühindikatoren der amtlichen Statistik sowie einer breiten Palette von monatlich erhobenen Umfragedaten, wobei hier den Ergebnissen des ifo Konjunkturtests eine besonders gewichtige Rolle zugemessen wird (IFOCAST-Ansatz).3 Der Auftragseingang in der Industrie ist im Oktober gegenüber September saisonbereinigt um 2,1% gesunken (vgl. Abb. 3.2). Im konjunkturell aussagekräftigeren, weil durch Sondereffekte weniger beeinflussten Zweimonatsvergleich (Oktober/September gegenüber Juli/August) ist die Bestelltätigkeit dagegen um 1,2% gestiegen. Die Vorleistungs- und Konsumgüterproduzenten verzeichneten Zuwächse in Höhe von 1,9 bzw. 5,3%. Der Auftragseingang bei den Herstellern von Investitionsgütern stagnierte hingegen nahezu (– 0,1%). Bei letzteren stand einem deutlichen Anstieg der Auslandsnachfrage ein kräftiger Rückgang der inländischen Orders gegenüber (– 10,3%). Im Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes hat die Auslandsnachfrage im Zweimonatsvergleich um 5,2% zugelegt, während die Nachfrage aus dem Inland um 3,1% gesunken ist. 2 3 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), Inlandsproduktsberechnung, Saisonbereinigte Vierteljahresergebnisse nach Census X-12-ARIMA und BV4.1, 3. Vierteljahr 2009, Fachserie 18 Reihe 1.3. Vgl. Carstensen, K. et al. (2009), »IFOCAST: Methoden der ifo-Kurzfristprognose«, ifo Schnelldienst 62(23), 2009, 15–28. Abb. 3.2 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 39 40 Daten und Prognosen Abb. 3.3 Abb. 3.4 Parallel zur rückläufigen Bestelltätigkeit ist auch die Produktion im verarbeitenden Gewerbe im Oktober gesunken; saison- und kalenderbereinigt beläuft sich der Rückgang auf 1,6%. Im weniger schwankungsanfälligen Zweimonatsvergleich konnte die Erzeugung allerdings bis zuletzt weiter zulegen, und zwar um 3,9%. Besonders kräftig wurde die Produktion bei den Herstellern von Investitionsgütern (5,6%) sowie von Vorleistungsgütern (3,2%) ausgeweitet. Bei den Konsumgüterproduzenten wurde ein Plus von 2,0% registriert. Alles in allem lag die Industrieproduktion im Oktober aufgrund des hohen Überhangs (3,1%) um 1,4% über dem Durchschnittswert des dritten Quartals. Auf einen Anstieg der Industrieproduktion im Durchschnitt des vierten Quartals deuten auch die aktuellen Ergebnisse des ifo Konjunkturtests hin. Das Geschäftsklima für das verarbeitende Gewerbe (einschließlich Ernährungsgewerbe) hat sich im November sichtlich aufgehellt. Die aktuelle Geschäftssituation hat sich weiter merklich gebessert. Die Geschäftsperspektiven für die nächsten sechs Monate beurteilten die befragten Industrieunternehmen erneut positiver (vgl. Kasten: Zum Zusammenhang zwischen Geschäftslage und Erwartungen). Auch die Exportchancen werden etwas besser eingeschätzt. Die Personalplanungen sind etwas weniger stark auf Beschäftigungsreduzierung ausgerichtet als bislang. Kasten Zum Zusammenhang zwischen Geschäftslage und Erwartungen a) Das ifo Geschäftsklima ist der Mittelwert aus den Komponenten »Geschäftslage« und »Geschäftserwartungen für die nächsten 6 Monate«. Der Zusammenhang zwischen den beiden Komponenten kann in einem VierQuadranten-Schema dargestellt werden (»ifo Konjunkturuhr«). Auf der Abszisse der Konjunkturuhr werden die Meldungen der befragten Unternehmen zur Geschäftslage (Salden aus den Meldungen »gut« bzw. »schlecht«) aufgetragen, auf der Ordinate die Geschäftserwartungen (Salden aus den Meldungen »günstiger« bzw. »ungünstiger«). Durch das Fadenkreuz der beiden Nulllinien wird das Diagramm in vier Quadranten geteilt, die die vier Phasen der Konjunktur markieren (vgl. Abb. 3.4). Sind die Urteile der im ifo Konjunkturtest befragten Unternehmen zur Geschäftslage und zu den Geschäftserwartungen per saldo schlecht, d.h. im Minus, so befindet sich die Konjunktur in der Rezession (Quadrant links unten). Gelangen die Geschäftserwartungen ins Plus (bei noch schlechter Geschäftslage), so gerät man in die Aufschwungsphase (Quadrant links oben). Sind Geschäftslage und Geschäftserwartungen gut, d.h. im Plus, so herrscht Boom (Quadrant rechts oben). Drehen die Geschäftserwartungen ins Minus (bei noch guter Geschäftslage), so ist die Abschwungsphase erreicht (Quadrant rechts unten). Idealtypisch bewegt sich die Konjunktur in diesem Diagramm im Uhrzeigersinn im Kreis; die Erwartungen laufen dabei der Lage voraus. a) Das ifo Geschäftsklima GK ergibt sich aus der Formel 1/2 GK = [(GL+200)(GE+200)] – 200, wobei GL den Saldo aus den positiven und negativen Meldungen zur aktuellen Geschäftslage bezeichnet und GE den Saldo aus den positiven und negativen Meldungen zu den Geschäftsaussichten in den nächsten sechs Monaten. Zur Vermeidung von negativen Werten in der Wurzel werden die beiden Variablen GL und GE jeweils um die Konstante 200 erhöht. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Im Bauhauptgewerbe hat sich die Wertschöpfung im Oktober abgeschwächt, saison- und kalenderbereinigt belief sich der Rückgang gegenüber dem Vormonat auf 2,4%. Auch im Vergleich der Monate Oktober/September gegenüber Juli/August wurde die Bautätigkeit eingeschränkt (–1,7%). Nach den Ergebnissen des ifo Konjunkturtests hat sich das Geschäftsklima in der Bauwirtschaft im November zudem eingetrübt. Die Unternehmen beurteilen ihre derzeitige Geschäftlage zwar ähnlich wie im Oktober, die weitere Geschäftsentwicklung schätzen sie aber merklich zurückhaltender ein. Die aktuelle Entwicklung im Handel zeigt am aktuellen Rand ebenfalls eine recht gedämpfte Entwicklung. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen sind im Großhandel die realen Umsätze im Zweimonatsdurchschnitt Oktober/September gegenüber Juli/August saison- und kalenderbereinigt um 2,1% gesunken. Den Ergebnissen des ifo Konjunkturtests zufolge wurde die Ge- Daten und Prognosen schäftslage im November als nahezu unverändert eingestuft. Hinsichtlich der Entwicklung in den kommenden sechs Monaten sind die Großhändler jedoch etwas weniger kritisch. Im Einzelhandel (ohne Kfz und Tankstellen) sind die realen Umsätze saison- und kalenderbereinigt im Zweimonatsvergleich um 0,5% gesunken. Der Durchschnittswert des dritten Quartals wurde im Oktober um 0,2% marginal unterschritten. Der Kfz-Handel ist nach dem Ausschöpfen des Abwrackprämientopfes erwartungsgemäß recht deutlich ins Minus gerutscht, bereits im dritten Quartal wurden die Umsätze des zweiten Quartals saison- und kalenderbereinigt um 4,3% unterschritten. Nach den Ergebnissen des ifo Konjunkturtests bewerteten die Einzelhändler (einschließlich Kfz-Gewerbe) im November ihre Geschäftslage jedoch wieder etwas günstiger als im Vormonat. Zudem wird mit einer weniger unbefriedigenden Geschäftsentwicklung in den nächsten sechs Monaten gerechnet. Das Konsumentenvertrauen, das im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise nahezu vollständig verlorengegangen war, hat sich im Jahresverlauf zwar wieder etwas erholt, es ist aber gegenwärtig nur wenig höher als in den stark rezessiven Jahren 2002/03. Die Bereitschaft zu größeren Anschaffungen, die sich seit Jahresbeginn wegen der Einführung einer staatlichen Abwrackprämie für ältere Pkw verbessert hatte, ist zuletzt gesunken, die Sparbereitschaft dagegen leicht gestiegen. Auch die Beurteilung der finanziellen Lage in den nächsten zwölf Monaten fiel im November nicht mehr so günstig aus wie noch im Sommer (vgl. Abb. 3.5). Insgesamt dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion saison- und kalenderbereinigt im Jahresendquartal 2009 weiter zugenommen haben, wenngleich in einem etwas langsamerem Tempo (0,5%) als im Vorquartal. Zum Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion tragen die Industrie, die Dienstleister und der Bau bei (vgl. Tab. 3.1). Für das zweite Halbjahr 2009 ergibt sich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2009 saison- und kalenderbereinigt eine Zunahme der Wirtschaftsleistung in Höhe von 1,2%; im Vorjahresvergleich, der durch den starken Rückgang im Winterhalbjahr geprägt ist, ergibt sich jedoch ein Rückgang von 3,0%. Für das Gesamtjahr beläuft sich die Abnahme des realen Bruttoinlandsprodukts auf 4,9%. Im Prognosezeitraum bleiben die Konjunkturampeln in Deutschland auf gelb, mit einer Grünphase ist nicht zu rechnen. Zwar werden die endogenen Auftriebskräfte allmählich wieder etwas stärker, es laufen aber die im Rahmen der Konjunkturpakete bereitgestellten Mittel aus. Zudem sind die Kredithürden für neue Investitionen und Arbeitsplätze weiter hoch. Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft bleibt damit labil, zu einem selbstragenden Aufschwung kommt es nicht. Die Exportdynamik wird im Prognosezeitraum moderat sein, weil sich die Konjunktur in den wichtigsten Hauptabneh- Abb. 3.5 merländern nicht durchgreifend bessert. Für die Importentwicklung ergibt sich alles in allem ein ähnliches Profil, der Außenbeitrag wird von daher keinen nennenswerten Wachstumsbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt liefern. Die Ausrüstungsinvestitionen dürften bei weiterhin niedriger Kapazitätsauslastung nur wenig steigen, zumal sich die restriktiven Finanzierungsbedingungen nicht bessern. Lediglich gegen Jahresende 2010 kann mit einer etwas höheren Dynamik aufgrund von Vorzieheffekten infolge der Rückführung der degressiven Abschreibung gerechnet werden. Bei den öffentlichen Bauinvestitionen werden die Konjunkturpakete zunächst noch weiter wirken, der bisher konjunkturrobuste Gewerbebau rutscht aber deutlich ins Minus. Einkommen und privater Konsum erhalten am Jahresanfang 2010 kurzfristig Impulse aus dem »Wachstumsbeschleunigungsgesetz« (erneute Anhebung von Kindergeld und -freibetrag) und den bisher schon beschlossenen steuerlichen Entlastungen (erhöhte Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Anhebung des Grundfreibetrags im ESt-Tarif), danach wird aber die Dynamik verhalten sein. Zudem dämpft der Nachfrageausfall, der aus den in das Jahr 2009 vorgezogenen PkwKäufen resultiert. Die Sparquote dürfte angesichts der flauen Wirtschaftsentwicklung hoch bleiben. Im Jahresdurchschnitt 2010 wird das reale Bruttoinlandsprodukt voraus62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 41 42 Daten und Prognosen Tab. 3.1 Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung nach a) Wirtschaftsbereichen Prognose für das 4. Quartal 2009 und für das 1. Quartal 2010 2009 2010 Q2 Q3 Q4 Q1 Ursprungswerte Veränderung gegenüber dem Vorjahresquartal in % – 6,4 – 7,0 – 4,7 – 1,2 2,3 Q1 Bruttoinlandsprodukt darunter: Bruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche darunter: Verarbeitendes Gewerbe Energie- und Wasserversorgung Baugewerbe Handel, Gastgewerbe , Verkehr und Nachrichtenübermittlung Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen Öffentliche und private Dienstleister – 6,9 – 7,9 – 5,3 – 1,7 1,9 – 21,9 – 24,2 – 17,5 – 6,9 6,9 – 6,2 – 5,8 – 13,1 – 2,8 – 4,3 1,9 – 3,4 3,7 – 1,4 1,6 – 5,9 – 6,7 – 5,1 – 2,5 – 0,2 – 1,3 – 1,9 – 1,7 – 0,5 0,3 0,5 0,6 0,8 1,5 1,8 Saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte Veränderung gegenüber dem Vorjahresquartal in % – 3,5 0,4 0,7 0,5 0,4 Bruttoinlandsprodukt darunter: Bruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche – 3,7 0,2 0,6 0,5 0,5 darunter: Verarbeitendes Gewerbe – 13,4 – 0,2 3,3 2,3 1,1 Energie- und Wasserversorgung – 0,6 – 2,6 3,6 – 3,8 2,0 Baugewerbe 1,1 0,7 0,4 0,2 – 0,3 Handel, Gastgewerbe , Verkehr und Nachrichtenübermittlung – 2,8 0,0 – 0,3 – 0,6 0,3 Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen – 0,8 0,3 – 0,6 0,3 0,2 Öffentliche und private Dienstleister – 0,4 0,7 0,3 0,4 0,4 a) In Preisen des Vorjahres Quelle: Statistisches Bundesamt; 4. Quartal 2009 und 1. Quartal 2010: Prognose des ifo Instituts. sichtlich um 1,7% zunehmen; im Jahresdurchschnitt 2011 um 1,2% (vgl. Abb. 3.6 und Kasten: Jahresdurchschnittliches Wachstum und konjunktureller Verlauf). Auf dem konjunkturell nachlaufenden Arbeitsmarkt wird die Beschäftigung allmählich an das niedrige Produktionsniveau angepasst werden. Die Kurzarbeit wird abnehmen, dafür die Arbeitslosigkeit zunehmen. Im Durchschnitt des nächsten Jahres wird die Zahl der erwerbstätigen Inländer um 350 000 sinken, Die Zahl der Arbeitslosen wird im Jahr 2010 durchschnittlich um rund 180 000 auf 3,6 Mill. steigen. Bei alledem werden die Verbraucherpreise wenig zulegen, dämpfend wirkt die große Proifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang duktionslücke. Das staatliche Budgetdefizit steigt im Jahr 2010 stark an, in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dürfte es sich auf 5,1% belaufen. Maßgeblich hierfür sind die schwache konjunkturelle Entwicklung und die Mehrausgaben, die im Zusammenhang mit den Stützungsmaßnahmen der Bundesregierung entstehen (vgl. Tab. 3.2). Die Prognoseunsicherheit lässt sich anhand von Intervallen angeben, die die unbekannte Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit einschließen. Zur Berechnung der konkreten Intervalle für das Jahr 2010 werden die Prognosefehler des ifo Instituts der Jahre 1990 bis 2008 herangezogen. Gemessen an diesen Prognosefehlern beträgt die Spanne für ein Prognoseintervall, das die Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2010 mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa zwei Dritteln überdeckt, ± 0,8 Prozentpunkte. Bei der vorliegenden Punktschätzung für die Zuwachsrate des BIP von 1,7% reicht das Intervall von 0,9% bis 2,5% (vgl. Abb. 3.7). Die Punktprognose von 1,7% stellt dabei den mittleren Wert dar, der bei Würdigung aller Fakten am ehesten erwartet werden kann. Exporte profitieren von China und Südostasien Nach dem dramatischen Einbruch im vergangenen Winterhalbjahr konnten die Exporte im dritten Quartal 2009 mit einer realen Zuwachsrate von 3,4% gegenüber dem Vorquartal deutlich zulegen. Diese positive Entwicklung ist auf einen kräftigen Anstieg der Warenexporte um 4,9% zurückzuführen, während die Dienstleistungsexporte um 4,1% sanken. Bei Betrachtung des Spezialhandels nach Warengruppen ist der Zuwachs von über 12% in der Branche Kraftwagen und Kraftwagenteile hervorzuheben. Dieser resultiert vor allem aus ausländischen Konjunkturpaketen in Form von Abwrackprämien. Daneben konnte die Chemiebranche mit 3,3% ebenfalls eine Trendwende verbuchen. Die insgesamt sehr positive Entwicklung der deutschen Exportwirtschaft ist jedoch nicht für alle Branchen zu beobachten, so zeigte der Maschinenbau, eine weitere Schlüsselbranche der deutschen Ausfuhr, keine Zugewinne. Daten und Prognosen Abb. 3.6 Einer der Hauptgründe für den Anstieg der Exporte lag in der einsetzenden konjunkturellen Erholung der Länder im Euroraum im dritten Quartal (vgl. Abb. 3.8.); die Warenausfuhr stieg hier um 6,5% gegenüber dem Vorquartal. Diese Rate wurde noch übertroffen von der Entwicklung der Lieferungen in andere EU-Länder, die um mehr als 9% zunahmen und somit die günstige konjunkturelle Entwicklung in Polen und Tschechien widerspiegelten. Auch die Ausfuhren nach Großbritannien legten deutlich zu. Ein starkes Zugpferd für den deutschen Export bildeten mit einem Zuwachs von 9,5% die Warenausfuhren nach China, das sich sehr früh von der weltweiten Krise erholen konnte. Die Lieferungen nach Japan und Südostasien nahmen mit rund 8% bzw. 10% ebenfalls deutlich zu; zusammen fragten diese Länder insgesamt 5% aller deutschen Exportgüter im letzen Quartal nach. Dagegen brach das Ausfuhrvolumen in die USA mit über 13% dramatisch ein, was vor allem auf die schwache Investitionsnachfrage im privaten Sektor sowie die starke Abwertung des US-Dollars seit dem Frühjahr zurückzuführen ist. Letztere führte zu einer deutlichen Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit deutscher UnterKasten Annahmen der Prognose • • • • • Der Welthandel steigt im Jahr 2010 um 5% und im Jahr 2011 um 4%, nach einem Rückgang in Höhe von 11% im laufenden Jahr. Der Ölpreis wird im Prognosezeitraum 72 US-Dollar pro Barrel betragen. Der Wechselkurs des Euro liegt im Durchschnitt der Jahre 2010/2011 bei 1,47 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt die Leitzinsen nicht vor 2011 an. Die Finanzpolitik in Deutschland ist im Prognosezeitraum expansiv ausgerichtet. Die im Wachstumsbeschleunigungsgesetz aufgeführten Maßnahmen werden umgesetzt. Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag avisiert sind, bisher aber nicht näher konkretisiert wurden (z.B. die Einführung eines Stufentarifs bei der Einkommensteuer), wurden in der Prognose nicht berücksichtigt. Dies gilt auch für Maßnahmen, die aufgrund der Schuldenbremse notwendig werden könnten. nehmen. Bei den OPEC-Staaten war trotz eines zu Jahresbeginn gestiegenen Ölpreises ein deutlicher Nachfrageeinbruch zu verzeichnen. Im näheren Prognosezeitraum wird die Ausfuhr erneut deutlich zunehmen. Vor allem die sich stark aufhellenden ifo Exporterwartungen deuten darauf hin, dass die Exporte im aktuellen wie auch im nächsten Quartal steigen werden. Bemerkenswert sind hierbei die optimistischeren Erwartungen im Chemiesektor und in der Automobilbranche. Darüber hinaus weisen die Auftragseingänge aus dem Ausland im Trend auf eine positive Entwicklung hin. Der im Oktober zu beobachtende Rückgang der Aufträge kann dabei nicht als Zeichen für ein starkes Nachlassen der Dynamik angesehen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Gegenbewegung bei den Auftragseingängen für Investitionsgüter, die im September um über 8% gegenüber dem Vormonat gestiegen waren und nun um 6% zurückgingen. Die Indikatoren für den Außenhandel lassen darauf schließen, dass die Zuwachsraten im gegenwärtigen und im kommenden Quartal mit 3,5% bzw. 2% sehr kräftig ausfallen werden. Im weiteren Verlauf wird die Warenausfuhr hauptsächlich von China und den Schwellenländern Südostasiens gestützt. Vor allem der Maschinenbau4 und die Automobilbranche5 erschließen sich die aufstrebenden Märkte in dieser Region. Damit kann die wenig dynamische und zum Teil sogar rückläufige Nachfrage der westlichen Industriestaaten mehr als kompensiert werden. Der Exportanstieg wird jedoch flacher ausfallen als im aktuellen Winterhalbjahr, da sich die Konjunktur weltweit abschwächen wird. Insbesondere die trüben Perspektiven in den USA und der Eurozone werden dämpfend wirken. Insgesamt wird die reale Ausfuhr im Krisenjahr 2009 um 14,3% abnehmen (vgl. Abb. 3.9). Im kommenden Jahr wird mit einem Anstieg der Exporte um 8,4% gerechnet und im darauffolgenden Jahr mit einem moderaten Zuwachs von 4,5%. Das Exportvolumen dürfte sich damit am Ende des Jahres 2011 in etwa wieder auf dem Vorkrisenniveau befinden. Allerdings werden sich die Exportanteile dann weiter deutlich verschoben haben. So ist zu erwarten, dass die Warenlieferungen nach China und Südostasien von rund 5,5% des Gesamtausfuhrvolumens im Jahr 2000 über 8% im Jahr 2009 auf über 10% am Ende des Prognosezeitraums steigen werden, während die Bedeutung der USA als Exportmarkt von 10% im Jahr 2000 über 7% im Jahr 2009 auf etwa 6% im Jahr 2011 abnimmt. 4 5 So schreibt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in der Studie »Deutschland kauft Maschinen, China sorgt für frische Luft« (2009)‚ dass Deutschland schon im Zeitraum von 2004 bis 2008 wegen seines Warensortiments in diesen stark wachsenden Regionen enorm profitieren konnte. Beispielsweise legte der der chinesische Pkw-Markt um 36% seit Jahresanfang zu, vgl. Verband der Automobilindustrie (2009) »Chinesischer Markt wächst dynamisch – Westeuropa auf Stabilisierungskurs«. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 43 44 Daten und Prognosen Tab. 3.2 Eckdaten der Prognose für die Bundesrepublik Deutschland a) a) a) 2007 2008 2009 2010 2011 Veränderung in % gegenüber dem b) Vorjahr – 0,3 0,4 0,3 0,2 0,7 Private Konsumausgaben Konsumausgaben des 1,7 2,1 2,5 1,3 1,1 Staates Bruttoanlageinvestitionen 5,0 3,1 – 8,4 0,9 0,5 Ausrüstungen 11,0 3,3 – 20,0 1,0 1,5 Bauten 0,0 2,6 –0,4 0,5 – 0,7 Sonstige Anlagen 6,5 5,3 6,3 4,0 4,2 Inländische Verwendung 1,0 1,7 – 1,6 0,9 0,8 Exporte 7,5 2,9 – 14,3 8,4 4,5 Importe 4,8 4,3 – 8,3 6,9 3,9 Bruttoinlandsprodukt 2,5 1,3 – 4,9 1,7 1,2 c), Erwerbstätige (1 000 Personen) 39 724 40 279 40 267 39 982 39 983 Arbeitslose (1 000 Personen) 3 776 3 268 3 426 3 607 3 617 d) Arbeitslosenquote (in %) 8,7 7,5 7,9 8,3 8,3 e) Verbraucherpreise (Veränderung in % gegen2,3 2,6 0,3 0,6 0,8 über dem Vorjahr) Finanzierungssaldo des f) Staates in Mrd. Euro 4,7 1,0 – 73,3 – 124,7 – 138,0 in % des nominalen Bruttoinlandsprodukts 0,2 0,0 – 3,0 – 5,1 – 5,5 Nachrichtlich: Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum (Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr) 2,7 0,6 – 3,9 1,0 0,9 Verbraucherpreisindex im g) Euroraum (Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr) 2,1 3,3 0,2 0,9 1,2 a) b) c) Prognose des ifo Instituts. – Preisbereinigte Angaben. – Inlandskond) zept. – Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnorte) f) konzept). – Verbraucherpreisindex (2000 = 100). – In der Abgrenzung g) der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 95). – Harmonisierter Verbraucherpreisindex (2005 = 100). Quelle: Eurostat; Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Prognose des ifo Instituts. Kasten Jahresdurchschnittliches Wachstum und konjunktureller Verlauf Die Prognose der jahresdurchschnittlichen Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) basiert auf einer detaillierten Prognose des unterjährigen konjunkturellen Verlaufs, d.h. auf einer Prognose der saison- und kalenderbereinigten Quartalsraten. Die einzelnen Quartalsraten gehen dabei mit unterschiedlichem Gewicht in die Jahresdurchschnittsrate ein. Im November hat das Statistische Bundesamt (Destatis) für das dritte Quartal 2009 eine laufende Quartalsrate von + 0,7% veröffentlicht, dies entspricht exakt der im Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute abgegebenen Prognose für diesen Zeitraum. Für das vierte Quartal 2009 wird hier von einem konjunkturellen Anstieg des BIP in Höhe von 0,5% ausgegangen (Herbstgutachten: + 0,2%). Zusammen mit der geringfügigen Aufwärtskorrektur der Quartalsrate für das zweite Vierteljahr 2009 um 0,1 Prozentpunkt durch Destatis führt dies zu einer marginal weniger ungünstigen Prognose für die jahresdurchschnittlichen BIP-Rate von – 4,9% (Herbstgutachten: – 5,0%). Im Jahresverlauf 2009 hat die gesamtwirtschaftliche Produktion saison- und kalenderbereinigt um 1,9% abgenommen (Jahresverlauf 2008: –1,8%). Durch die Anhebung der konjunkturellen Rate für das vierte Quartal 2009 fällt nunmehr der statistische Überhang für das Jahr 2010 um 0,2 Prozentpunkte größer aus. Unter Einbeziehung noch anderer Korrekturen am unterjährigen BIP-Verlauf fällt nunmehr die BIP-Zunahme 2010 im Jahresdurchschnitt 2010 mit 1,7% um 0,5 Prozentpunkte höher aus als im Herbstgutachten. Tabelle 3.3 fasst die wichtigsten statistischen Kenngrößen der hier vorgelegten Prognose für das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland zusammen. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Die Importe erfuhren ebenfalls nach drastischen Rückgängen zu Jahresbeginn im vergangenen Quartal mit 5% ein deutliches Plus. Dieser überaus starke Anstieg liegt vor allem an den starken Zuwächsen im Energiesektor (11%) und bei den Vorleistungsgütern (8%). Vor allem im Chemie- und Metallbereich stiegen die Einfuhren an. Hierbei spielte die Aufstockung der Lagerbestände, die zuvor erheblich reduziert worden waren, eine wichtige Rolle. Für das gegenwärtige Quartal wird mit einer ähnlich dynamischen Entwicklung gerechnet, da sich die Wareneinfuhr in der Abgrenzung des Spezialhandels aufgrund eines sehr starken Zuwachses im September auf einem wesentlich höheren Niveau befindet als im Mittel des dritten Quartals. Insgesamt wird für das Jahr 2009 noch ein Rückgang der Importe von 8,3% erwartet. Für den weiteren Prognosezeitraum werden sich die stark zunehmenden Exporte und die immer noch sehr niedrigen Importpreise positiv auf die Einfuhr auswirken. Dagegen sind vom privaten Konsum und von den Ausrüstungsinvestitionen keine stimulierenden Impulse zu erwarten. Insgesamt wird im Jahr 2010 durchschnittlich 6,9% mehr importiert als im Vorjahr (vgl. Abb. 3.10). Im Jahr 2011 wird die Einfuhr um 3,9% zunehmen, da erwartet wird, dass sowohl die Exporte als auch die inländische Verwendung geringfügig steigen. Der Außenbeitrag liefert damit im kommenden und darauffolgenden Jahr einen positiven Wachstumsbeitrag (vgl. Tab. 3.4.). Die Einfuhrpreise sind im Vergleich zum Vorjahr drastisch gesunken. Ausschlaggebend hierfür war der vor allem zu Jahresbeginn zu beobachtende Preisverfall von Nahrungsmitteln, Rohstoffen, Halbwaren und Vorerzeugnissen, die in den letzten zwölf Monaten teilweise über 20% ihres Wertes verloren haben. Als Rahmenbedingungen für die Prognose wird ein konstanter Wechselkurs von 1,47 Dollar pro Euro sowie ein konstanter Ölpreis von 72 US Dollar je Barrel unterstellt. Im Prognosezeitraum dürften sich die Importpreise aufgrund einer immer noch deutlich geschwächten Weltkonjunktur kaum erholen, obwohl die Rohstoffpreise seit Frühjahr dieses Jahres deutlich angezogen haben. Für das Jahr 2009 wird somit ein Rückgang der Importpreise von 5,6% erwartet. Für das kommende Jahr werden die Einfuhr- Daten und Prognosen Tab. 3.3 Zur Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts a) a) a) a) 2007 2008 2009 2010 2011 b) Statistischer Überhang 1,6 0,6 – 2,1 0,8 0,4 c) Jahresverlaufsrate 1,6 – 1,8 – 1,9 1,1 1,5 Jahresdurchschnittliche Veränderung, kalenderbereinigt 2,6 1,0 – 4,8 1,6 1,3 d) Kalendereffekt – 0,1 0,3 – 0,1 0,1 – 0,1 Jahresdurchschnittliche Veränderung 2,5 1,3 – 4,9 1,7 1,2 a) b) Schätzungen des ifo Instituts. – Saison- und kalenderbereinigtes reales Bruttoinlandsprodukts im 4. Quartal des Vorjahres in Relation zum saison- und kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt des Vorjahres. – c) Jahresveränderungsrate im 4. Quartal, saison- und kalenderbereinigt. – d) In Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts. Quelle: Statistisches Bundesamt; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. preise bei der hier unterstellten Konstanz der Rohstoffpreise und des Eurokurses sowie der sich langsam erholenden Weltnachfrage wieder leicht ansteigen. Insgesamt werden die Importpreise im Jahr 2010 um 0,2% steigen. Auch die Ausfuhrpreise sind im Verlauf dieses Jahres deutlich gesunken. Der Preisrückgang war jedoch nicht so deutlich wie bei den Importpreisen, da trotz schlechterer Exportaussichten die Produzenten für Fertigwaren, welche fast 90% des deutschen Exportsortiments ausmachen, ihre Preise nicht so deutlich senkten wie es die Exporteure für Rohstoffe, Halbwaren und Nahrungsmittel tun mussten, um ihre Erzeugnisse auf den Weltmärkten absetzen zu können. Abb. 3.7 Da die Weltnachfrage im nächsten Jahr im Vergleich zu den Jahren 2007 und 2008 noch sehr moderat sein dürfte, wird es keinen Spielraum für Preiserhöhungen geben. Für 2009 wird mit einem Rückgang der Exportpreise um 3,0% gerechnet und für das kommende Jahr wird erwartet, dass die Ausfuhrpreise im Durchschnitt nahezu stagnieren. Die Terms of Trade werden sich im Jahr 2009 deutlich verbessern und im Jahr 2010 geringfügig verschlechtern. Ausrüstungsinvestitionen im Zwischenhoch Die Ausrüstungsinvestitionen sind im Sommer mit einer Rate von 0,8% gegenüber dem Vorquartal gestiegen, nachdem sie zuvor drei Quartale in Folge um insgesamt knapp 22% geschrumpft waren. Trotz des Anstiegs im dritten Quartal bleiben sie damit unter dem Niveau vom Herbst 2005. Im letzten Quartal 2009 dürften die Unternehmen ihre Investitionsausgaben erneut etwas erhöht haben. Investitionen, die aufgrund des starken Produktionseinbruchs im ersten Halbjahr zurückgestellt wurden, sind nach der Erholung der wirtschaftlichen Situation nun in Angriff genommen worden. Dabei dürfte es sich vor allem um notwendig gewordene Ersatzinvestitionen gehandelt haben. Im Jahresdurchschnitt resultiert 2009 aber dennoch ein historisches Minus von rund 20%. Die Belebung seit Jahresmitte 2009 dürfte ein Zwischenhoch bleiben. Der weitere Ausblick ist für die Ausrüstungsinvestitionen trübe. Die Auslastung der Gerätekapazitäten ist weiterhin unterdurchschnittlich. Die im ifo Konjunkturtest befragten Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes schätzen ihre vorhandenen technischen Kapazitäten in Anbetracht der von ihnen erwarteten Nachfrage vorwiegend als zu groß ein, so dass die Erweiterung der Kapazitäten als Investitionsmotiv im kommenden Jahr keine wesentliche Rolle spielt. Stattdessen werden Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen im Fokus der Unternehmen stehen. Auf eine schwache Nachfrage nach Investitionsgütern weisen ebenfalls die ifo Konjunkturtestergebnisse für die Leasingbranche hin, die sich als zuverlässiger Indikator für die Investitionsneigung bewährt haben. Auch die Finanzierungssituation lassen ein verhaltenes Jahr 2010 erwarten. Die Ertragslage der Unternehmen hat in der Rezession stark gelitten. Die Kreditvergabepolitik der Banken ist nach Auskunft der Unternehmen weiterhin restriktiv. Die vom ifo Institut veröffentlichte Kredithürde verharrt seit Jahresbeginn 2009 auf einem hohen Niveau. Die schlechte Eigenkapitalsituation der Banken dürfte im kommenden Jahr zunächst weiter ungünstig bleiben. In den kommenden Monaten werden die Unternehmensinsolvenzen weiter zuneh62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 45 46 Daten und Prognosen Abb. 3.8 ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Daten und Prognosen Abb. 3.9 Abb. 3.11 men, so dass die Banken vermehrt Kreditausfälle verkraften müssen. Daher wird der Kreditzugang für Unternehmen ungünstig bleiben, zumal viele Unternehmen in der Rezession einen Teil ihres Eigenkapitals aufgezehrt haben und daher aus Sicht der Banken die Kreditrisiken gestiegen sind. Abb. 3.10 In der zweiten Jahreshälfte 2010 werden Vorzieheffekte wegen des Auslaufens der temporär wirkenden degressiven Abschreibung die Investitionstätigkeit beleben. Da aber Investitionsprojekte vorgezogen werden, fehlen diese wieder in der ersten Jahreshälfte 2011. Insgesamt werden aber die Investitionstendenzen Ende 2010 und im Jahr 2011 leicht aufwärtsgerichtet sein. Bei rückläufigen Lohnstückkosten und anziehender Nachfrage sollten die Gewinnerwartungen der Unternehmen positiver werden. Im Jahresdurchschnitt dürften daher die Ausrüstungsinvestitionen in 2010 um etwa 1% zunehmen (vgl. Abb. 3.11). In 2011 ist damit zu rechnen, dass sie nochmals um rund 1,5% steigen. Tab. 3.4 Wachstumsbeiträge zur Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (in Prozentpunkten) 2008 0,6 2009 0,6 a) 2010 0,3 a) 2011 0,6 a) Konsumausgaben Private Konsumausgaben 0,2 0,2 0,1 0,4 Konsumausgaben des 0,4 0,5 0,3 0,2 Staates Bruttoanlageinvestitionen 0,6 – 1,6 0,2 0,1 Ausrüstungen 0,3 – 1,6 0,1 0,1 Bauten 0,2 0,0 0,1 – 0,1 Sonstige Anlagen 0,1 0,1 0,0 0,0 Vorratsveränderungen 0,4 – 0,6 0,4 0,1 Inländische Verwendung 1,6 – 1,5 0,9 0,8 Außenbeitrag – 0,3 – 3,3 0,9 0,4 Exporte 1,4 – 6,7 3,4 1,9 Importe – 1,7 3,4 – 2,5 – 1,5 b) Bruttoinlandsprodukt 1,3 – 4,9 1,7 1,2 a) b) Schätzungen des ifo Instituts. – Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Quelle: Statistisches Bundesamt; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. Wohnungsbau stützt Bauinvestitionen In den ersten drei Quartalen dieses Jahres ist die Baunachfrage jeweils leicht gestiegen. Im letzten Vierteljahr 2009 dürfte sich die positive Tendenz bei den Bauinvestitionen jedoch nicht fortsetzen. Die Auftragsbestände im Wirtschaftsbau sind mittlerweile so stark geschrumpft, dass es in diesem Bereich zu einer Bremsung kommen dürfte, die auf die Baunachfrage insgesamt durchschlägt. Aufgrund der Vorgaben des Vorjahres – die in einen deutlichen technischen Unterhang münden – wird bei den Bauinvestitionen trotz des insgesamt positiven Jahresverlaufs im Jahresdurchschnitt 2009 eine Abnahme um etwa 0,4% resultieren. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 47 48 Daten und Prognosen Abb. 3.12 richtet sein. Die Auftragseingänge haben sich zuletzt günstiger entwickelt. Die ifo Architektenumfrage deutet jedoch auf eine sehr verhaltene Belebung hin. Im weiteren Verlauf wirken die niedrigen Hypothekenzinsen stützend. Weiterhin regen die Modernisierung des Wohnungsbestandes und die energetische Sanierung die Nachfrage an. In 2010 wird der Wohnungsbau daher um etwa 1,3% steigen, gefolgt von reichlich 1% in 2011. Im Verlauf des kommenden Jahres werden die Bauinvestitionen wohl leicht sinken. Dabei werden sich die Expansion im Wohnungsbau und im öffentlichen Bau, der durch die Konjunkturpakete getragen wird, und die Schrumpfung im Wirtschaftsbau fast die Waage halten. Insgesamt ergibt sich aufgrund des statistischen Überhangs im Jahresdurchschnitt dennoch ein Plus von 0,5% (vgl. Abb. 3.12). Im Jahr 2011 wird die öffentliche Hand mit dem Auslaufen der Konjunkturpakete die Bautätigkeit wieder deutlich zurückfahren. Da auch der Wirtschaftbau noch weiter bremsen dürfte, stützt dann allein der Wohnungsbau die Baunachfrage. Insgesamt werden die Bauinvestitionen durchschnittlich um etwa 0,7% sinken (vgl. Tab. 3.5). Die Wohnungsbauinvestitionen haben sich im bisherigen Jahresverlauf schwankend entwickelt. Das erste Vierteljahr begann mit einem Plus bei der Wohnbaunachfrage. Im Frühjahr ist sie gegenüber dem Vorquartal leicht gesunken, während sie sich im dritten Quartal wieder ausweitete. Nach den Daten zum Auftragseingang dürfte diese positive Tendenz auch im letzten Quartal des Jahres anhalten. Im Jahresdurchschnitt werden die Wohnungsbauinvestitionen 2009 dennoch um etwa 0,4% sinken. Im nächsten Jahr dürfte die Wohnungsbaunachfrage weiterhin leicht aufwärts ge- Tab. 3.5 Reale Bruttoanlageinvestitionen Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % Bauten Wohnbauten Nichtwohnbauten Gewerblicher Bau Öffentlicher Bau Ausrüstungen Sonstige Anlagen Bruttoanlageinvestitionen 2008 2,6 0,5 5,5 5,3 5,8 3,3 5,3 3,1 2009 – 0,4 – 0,4 – 0,4 – 2,8 5,5 – 20,0 6,3 – 8,4 2010 0,5 1,3 – 0,5 – 5,4 11,0 1,0 4,0 0,9 Im Wirtschaftsbau war die Entwicklung nach den vorliegenden Daten im bisherigen Jahresverlauf trotz des zurückliegenden gesamtwirtschaftlichen Produktionseinbruchs positiv. Die Auftragseingänge liegen derzeit aber deutlich unter den Vorjahreswerten und der Auftragsbestand ist stark abgeschmolzen. Sein Wert lag im dritten Quartal im gewerblichen Hochbau um mehr als 20% unter dem Vorjahreswert. In die gleiche Richtung weisen die Baugenehmigungen. Im Schlussquartal 2009 wird der Gewerbebau daher einen kräftigen Dämpfer bekommen; im Jahresdurchschnitt ist mit einem Minus von 2,8% zu rechnen. Im Verlauf des kommenden Jahres dürften die Wirtschaftbauinvestitionen weiter sinken, wenn auch mit abnehmendem Tempo. Im Jahresdurchschnitt wird eine Abnahme um 5,4% erwartet. Die Schrumpfung wird sich auch in das Jahr 2011 hinein fortsetzen; im Jahresvergleich dürfte sich ein Minus von etwa 1% ergeben. Der Staat hat seine Bauinvestitionen seit dem Frühjahr kräftig ausgeweitet. Auch im Herbst zeigten die Maßnahmen aus den Konjunkturpaketen ihre Wirkung. Im Jahr 2009 steigen die öffentlichen Bauinvestitionen daher um etwa 5,5%. Im kommenden Jahr dürften die öffentlichen Bauinvestitionen nochmals weiter an Fahrt gewinnen. Die Auftragseingänge im Straßenbau haben in den vergangenen Monaten erheblich zugenommen und auch der öffentliche Hochbau wird zulegen. Allerdings werden die rezessionsbedingten Steuerausfälle insbesondere bei den Kommunen den Investitionsspielraum einengen. Im Jahr 2011 wird es bei den öffentlichen Bauinvestitionen zu einem kräftigen Rückschlag kommen. Die Finanzlage der öffentlichen Hand bleibt ungünstig und die Konjunkturpakete laufen aus. Nach einer starken Expansion von jahresdurchschnittlich etwa 11% in 2010 werden die öffentlichen Bauinvestitionen in 2010 um ca. 7% abnehmen. 2011 – 0,7 1,1 – 3,0 – 1,0 – 7,0 1,5 4,2 0,5 Quelle: Statistisches Bundesamt; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Privater Konsum weiter fiskalisch gestützt Der private Konsum hat im ersten Halbjahr 2009 saison- und kalenderbereinigt deutlich zugelegt. Maßgeblich hierfür war, dass die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte trotz der schweren Wirtschaftskrise merklich gestiegen sind. Zwar Daten und Prognosen Tab. 3.6 a) Quartalsdaten zur wirtschaftlichen Entwicklung Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal 2007 I II 2008 III IV I II Private Konsumausgaben –2,3 0,7 0,4 –0,3 0,4 –0,6 Öffentlicher Konsum 1,3 –0,5 0,2 0,4 1,0 0,7 Ausrüstungen 3,9 2,5 1,0 3,9 –0,6 –0,8 Bauten –1,3 –4,5 0,6 0,8 5,9 –4,3 Sonstige Anlagen –0,7 5,0 1,6 2,7 –2,5 2,8 c) Vorratsinvestitionen 2,4 –0,9 0,4 –1,0 1,2 –0,5 Inländische Verwendung 1,6 –0,8 1,0 –0,7 2,3 –1,3 c) Außenbeitrag –1,1 1,1 0,0 0,8 –0,5 0,7 Exporte –2,0 2,0 1,8 1,6 1,7 0,2 Importe 0,6 –0,4 2,3 0,0 3,3 –1,5 Bruttoinlandsprodukt 0,3 0,3 0,8 0,1 1,6 –0,6 a) Saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte, in Vorjahrespreisen. – landsprodukts in Prozentpunkten (Lundberg-Komponenten). 2009 III IV I II III 0,3 0,1 1,5 –0,4 2,4 0,8 –0,4 0,6 –3,7 –1,0 2,0 0,2 0,9 1,2 –18,5 0,3 –0,3 –0,3 0,6 0,6 –0,5 1,3 2,3 –2,0 –0,9 0,1 0,8 1,5 2,6 1,5 1,2 –0,4 –1,4 –2,1 –0,1 –7,9 3,4 –4,2 –0,3 –2,4 b) Schätzungen –1,2 –2,5 –10,5 –5,6 –3,5 des ifo b) IV –0,5 0,4 0,8 –0,2 0,3 0,4 –1,4 1,3 0,2 1,9 –0,5 0,3 –0,8 3,4 3,5 –5,4 5,0 3,0 0,4 0,7 0,5 c) Instituts. – Beitrag zur b) I 0,5 0,3 –0,5 –0,5 0,4 0,0 b) II 2010 b) III 0,2 0,3 –0,7 –0,2 0,7 0,0 0,2 0,3 0,8 0,0 1,2 –0,2 b) IV 0,2 0,3 1,6 0,1 1,2 –0,1 0,2 0,0 0,1 0,2 0,2 0,2 0,1 0,1 2,0 1,5 1,0 0,8 1,8 1,3 0,8 0,6 0,4 0,2 0,2 0,3 Veränderung des Bruttoin- Quelle: Statistisches Bundesamt; ab 4. Quartal 2009: Schätzungen des ifo Instituts. sind die Arbeitslöhne im Gefolge der starken Zunahme an Kurzarbeit deutlich gesunken; der Lohnausfall wurde aber durch Kurzarbeitergeld und tarifvertraglich vereinbarte Zuzahlungen der Arbeitgeber teilweise ausgeglichen. Zudem wurden die Belastung mit Steuern und Sozialabgaben zurückgeführt und Transferzahlungen erhöht. Schließlich wurden die Verbraucherbudgets durch sinkende Energie- und Nahrungsmittelpreise entlastet. Last but not least wurde die Pkw-Nachfrage im ersten Halbjahr überaus kräftig durch die Gewährung einer Abwrackprämie in Höhe von 2 500 Euro für die Verschrottung eines mindestens neun Jahre alten Autos stimuliert. Nach der Jahresmitte haben die Impulse aus der Abwrackprämie auf die privaten Fahrzeugkäufe aber deutlich nachgelassen; der reale private Konsum ist gegenüber dem zweiten Quartal saison- und kalenderbereinigt um 0,9% gesunken (vgl. Tab. 3.6). Gleichwohl waren die realen Ausgaben für Verkehr und Nachrichtenübermittlung – dieser Warengruppe werden die Pkw-Käufe zugerechnet – um 5,0% höher als vor Jahresfrist. Rückläufig waren zuletzt die Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände, Nahrungsmittel und für Bekleidung und Schuhe (vgl. Abb. 3.13). Die Entwicklung der Masseneinkommen hätte im dritten Vierteljahr durchaus Spielraum für eine weitere leichte Ausweitung des Konsums gegeben, denn sie stiegen real um 1/2%. Expansiv wirkte, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von 15,5% auf 14,9% zurückgenommen wurde, was die Nettolöhne stützte. Zugleich sind die Altersrenten, der expansiven durchschnittlichen Bruttolohnentwicklung 2008 folgend, spürbar erhöht worden (um 2,41% im Westen, um 3,38% im Osten). Mit den Renten wurden auch die Regelsätze bei Hartz IV, der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie bei Sozialhilfeleistungen angehoben. Stark zurückgegangen sind hingegen nach der Jahresmitte die realen Betriebsüberschüsse sowie die realen Selbständigen- und Vermögenseinkommen. Zudem ist die zuvor gesunkene Sparquote wieder leicht gestiegen. Den Frühindikatoren zufolge dürften die realen Konsumausgaben auch im Jahresendquartal gesunken sein. Im Jahresdurchschnitt 2009 zeichnet sich damit für den realen Konsum dennoch ein leichter Zuwachs um 0,3% ab (vgl. Abb. 3.14). Im Jahr 2010 dürften die realen Konsumausgaben leicht steigen. Zwar fallen die Tarifabschlüsse niedriger als bisher aus, zudem dürfte die Beschäftigung nunmehr an das niedrige Produktionsniveau angepasst werden. Gleichzeitig nehmen aber die geleisteten Arbeitsstunden je Beschäftigten wieder zu. In der Summe werden die Bruttolöhne und -gehälter nahezu stagnieren. Netto ergibt sich aber eine spürbare Zunahme (1,3%), weil die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Regel steuerlich voll abgesetzt werden können. Zudem wird der Grundfreibetrag angehoben und andere Parameter der Einkommensteuerfunktion angepasst. Schließlich wird im Rahmen des »Wachstumsbeschleunigungsgesetzes« der Kinderfreibetrag, mit dem das Existenzminimum eines Kindes steuerlich freigestellt wird, von 6 024 Euro für jedes Kind auf 7 008 Euro erhöht. Die Sozialleistungen werden mit 2,9% nochmals kräftig steigen. Maßgeblich hierfür ist, dass das Kindergeld zu Jahresanfang angehoben wird. Für das erste und zweite Kind wird das Kindergeld von 164 auf 184 Euro erhöht, für das dritte Kind von 170 auf 190 Euro und für jedes weitere von 195 auf 215 Euro. Zudem wirkt die diesjährige hohe Rentenanpassung im ersten Halbjahr 2010 in der Wachstumsrate nach; außerdem unterbleibt aufgrund der neuen Rentengarantie eine Kürzung der Altersrenten, die nach der bisherigen Rentenformel notwendig geworden wäre. Die entnommenen Gewinne und Ver62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 49 50 Daten und Prognosen Abb. 3.13 ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Daten und Prognosen Abb. 3.14 mögenseinkommen dürften dagegen deutlich sinken. Insgesamt werden die verfügbaren Einkommen nominal um 0,9% steigen, real um 0,5%. Die Sparquote dürfte steigen; dies nicht zuletzt deshalb, weil die Abwrackprämie zu einem Vorziehen von Pkw-Käufen ins Jahr 2009 geführt hat. Diese Nachfrage fehlt im kommenden Jahr. Insgesamt wird der reale private Konsum im Jahr 2010 mit 0,2% kaum steigen. Im Jahr 2011 dürfte er bei nicht mehr rückläufiger Beschäftigung und leicht sinkender Sparquote um 0,7% zulegen. Verbraucherpreise steigen weiter langsam Das Verbraucherpreisniveau ist in diesem Jahr saisonbereinigt nur wenig gestiegen. Im Vorjahresvergleich ist die Inflationsrate unter Schwankungen bis Herbst gesunken, teilweise gab es sogar Minusraten wie zuletzt im Frühjahr 1987. Erst im November wurde mit 0,4% wieder eine positive Inflationsrate registriert. Im Durchschnitt des Jahres 2009 wird sich der Anstieg der Verbraucherpreise auf 0,3% belaufen. Zum günstigen Preisklima hat die Entwicklung der Heizölund Kraftstoffpreise beigetragen. Diese waren bis Jahresmitte 2008 sehr kräftig gestiegen, danach aber, im Gefolge des krisenbedingten Umschwungs auf den Rohölmärkten, noch kräftiger gesunken. Obwohl die Preise für Mineralölprodukte seit dem Frühjahr aufgrund der konjunkturellen Erholung wieder angezogen haben, unterschritten sie bis Oktober den Vorjahrestand sogar mit zweistelligen Raten. Erst im November kehrte sich diese Entwicklung um; die Kraftstoffpreise lagen zuletzt im Schnitt um 5,6% über denen des Vorjahres (Oktober: – 6,1%). Die an die Ölpreisentwicklung mit deutlicher Verzögerung gekoppelten Gastarife wurden im laufenden Jahr dagegen bis zuletzt gesenkt. Außerdem haben sich im Vorjahresvergleich saisonabhängige Nahrungsmittel verbilligt. Aber auch die Kerninflationsrate, aus der in Abgrenzung des ifo Instituts der Einfluss der Preisentwicklung von Energieträgern, saisonabhängigen Nahrungsmitteln sowie von Gütern mit administrierten Preisen herausgerechnet wird6, ist 2009 gesunken. Sie betrug im November lediglich 0,9%, ähnlich niedrige Werte wurden zuletzt im Sommer 2006 registriert. Hier machte sich die Verbilligung von Grundnahrungsmitteln (ohne saisonale Erzeugnisse) bemerkbar (–1,2%). Außerdem hat sich der Preisauftrieb bei den übrigen Waren und Diensten, auf die knapp zwei Drittel aller Verbrauchsausgaben entfallen, zuletzt ebenfalls merklich verringert. Im November belief sich hier die Inflationsrate auf 1,1%, das ist noch etwas niedriger als im Jahresdurchschnitt 2008 (vgl. Tab. 3.7). Im Prognosezeitraum wird die Verteuerung der Lebenshaltung alles in allem moderat bleiben, die Phase niedriger Inflationsraten geht weiter. Zwar erhöht die Deutsche Bahn AG im Dezember 2009 die Preise für Fahrten im Nah- und Fernverkehr um durchschnittlich 1,8%. Zudem wollen viele Stromanbieter zum Jahreswechsel die Preise anheben aufgrund gestiegener Beschaffungskosten bzw. erhöhter Kosten im Rahmen des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG). Den zwischenzeitlich wieder gestiegenen Ölpreisen folgend werden auch die Gastarife vielenorts teurer. Anders als im laufenden Jahr gibt es schließlich keine im Vorjahresvergleich dämpfenden Basiseffekte mehr (vgl. Abb. 3.15). Insgesamt dürfte aber angesichts der weiterhin sehr niedrigen Auslastung der Produktionskapazitäten und der insgesamt schwachen Wirtschaftsentwicklung der Druck auf die Verbraucherpreise zunächst kaum nachlassen. Für das Jahr 2010 ist mit einem Anstieg des Verbraucherpreisindex in Höhe von 0,6% zu rechnen, für das Jahr 2011 kann die jahresdurchschnittliche Inflationsrate auf 0,8% veranschlagt werden. Löhne weiter unter Druck Nach vergleichsweise hohen Tarifabschlüssen im letzten Jahr sind bis zum dritten Quartal 2009 in Anbetracht der Wirtschaftskrise wieder geringere Abschlussraten vereinbart worden. Außerdem wurden im Vergleich zum Vorjahr deutlich weniger Einmalzahlungen geleistet. Dennoch lagen die tariflichen Stundenlöhne im dritten Quartal etwa 2,1% über dem Niveau des Vorjahres, nachdem sie in der ersten Jahreshälfte noch etwa 3% höher ausgefallen waren als im Vorjahr. Dabei ermöglichen es Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen, dass Arbeitgeber in Krisenzeiten Leistungen einschränken oder vereinbarte Erhöhungen verschieben. Bemerkenswert ist, dass die effektiven Stundenverdienste im 6 Die Preise von Energieträgern und von saisonabhängigen Lebensmitteln sind überdurchschnittlich volatil und können die Ergebnisse der Preisstatistik auf kurze Sicht verzerren. Aufgrund der in Deutschland besonders großen Bedeutung von Gütern mit administrierten Preisen schließt das ifo Institut bei der Berechnung der Kerninflationsrate diese Gütergruppe zusätzlich aus. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 51 52 Daten und Prognosen Tab. 3.7 a) Entwicklung des Verbraucherpreisindex b) Wägungsschema in Promille 718,08 2006 2007 2008 2009 Nov. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % 0,8 2,0 1,9 0,9 Kerninflation davon: Nahrungsmittel ohne Saisonwaren 73,08 0,8 3,5 7,3 – 1,2 darunter: Brot, Getreideerzeugnisse 16,44 0,6 3,2 7,9 – 0,7 Molkereiprodukte, Eier 14,44 0,0 5,9 14,0 – 4,4 Speisefette und -öle 2,55 0,8 10,5 7,5 2,2 Andere Waren und Dienste 645,00 0,8 1,8 1,3 1,1 Übrige Lebenshaltung 281,92 3,6 3,1 4,4 – 0,8 davon: Saisonabhängige Nahrungsmittel 16,91 6,8 5,8 3,1 – 6,8 Heizöl, Kraftstoffe und Gas 57,43 9,1 2,9 11,2 – 4,8 Heizöl 9,21 10,9 – 1,5 31,6 – 14,9 Kraftstoffe 35,37 5,5 4,1 6,8 5,6 Gas 12,85 17,6 2,7 8,9 – 18,7 Güter mit administrierten Preisen 207,58 1,9 3,0 2,5 0,8 darunter: Strom 24,61 3,9 6,9 6,9 5,8 Umlagen für Fernwärme u. Ä. 12,36 15,2 3,3 8,1 – 8,6 Telefondienstleistungen 27,12 – 3,1 – 0,3 – 3,2 – 1,9 Gesundheitspflege 40,27 0,5 0,8 1,7 0,9 Beiträge zur Krankenversicherung 9,39 2,2 2,1 5,2 1,8 Kraftfahrzeugsteuer 6,50 1,1 3,6 – 1,1 0,0 Lebenshaltung insgesamt 1 000,00 1,6 2,3 2,6 0,4 c) davon: Kerninflation – 0,5 1,4 1,4 0,6 Nahrungsmittel ohne Saisonwaren – 0,1 0,3 0,5 – 0,1 Andere Waren und Dienste – 0,5 1,2 0,8 0,7 Übrige Lebenshaltung – 1,0 0,9 1,3 – 0,2 Saisonabhängige Nahrungsmittel – 0,1 0,1 0,1 – 0,1 Heizöl, Kraftstoffe und Gas – 0,5 0,2 0,7 – 0,3 Güter mit administrierten Preisen – 0,4 0,6 0,5 0,2 a) b) c) Verbraucherpreisindex, 2005 = 100. – In der Abgrenzung des ifo Instituts. – Inflationsbeiträge der Teilindizes zur Veränderung des Verbraucherpreisindex in Prozentpunkten. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts. zahlungen eingeschränkt wurden. Zum anderen dürften tariflich vereinbarte Zuzahlungen der Arbeitgeber zum Kurzarbeitergeld dazu geführt haben, dass die Lohnzahlungen nicht proportional zur Zahl der geleisteten Stunden gesunken sind. Insgesamt hat sich die Lohndrift damit spürbar erhöht. Da nach dem enorKasten men Produktionsrückgang der ersten JahVerbraucherpreisniveau und Inflationsrate reshälfte immer noch erhebliche ÜberkapaDie Veränderung des Verbraucherpreisniveaus wird üblicherweise mit Hilfe zitäten bei den Unternehmen bestehen, lieder Inflationsrate gemessen. Hierbei wird das Preisniveau in einem Monat t gen die Lohnstückkosten im dritten Quartal zum Preisniveau des vergleichbaren Vorjahresmonats t – 12 in Beziehung um reichlich 5% über Vorjahresniveau, nach gesetzt. Die Entwicklung der Inflationsrate wird deshalb nicht nur von der aktuellen Preisdynamik im laufenden Jahr beeinflusst, sondern immer auch 8,2% im ersten Halbjahr. Im Produzierenden von den Preisbewegungen im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die AbbilGewerbe (ohne Bau) sind die Lohnstückkosdung 3.15 zeigt diesen Sachverhalt exemplarisch auf. Die Inflationsrate ergibt ten sogar 13,3% höher als im Vorjahr, was sich approximativ aus dem Vorjahresabstand der logarithmierten Verbraua) cherpreisniveaus , wobei zur erhöhten Anschaulichkeit die Preisniveaus den erheblichen Kostendruck verdeutlicht, vorab saisonbereinigt wurden. Der Vorjahresvergleich wird hierdurch nicht bedem sich die dort tätigen Unternehmen auseinflusst. Die Abbildung zeigt, dass die seit Herbst 2008 zu verzeichnende gesetzt sehen. Disinflationsphase nicht nur auf dem recht geringen Anstieg des jeweils aktu- dritten Quartal sogar 3,7% über dem Vorjahr lagen, nach 4,8% im ersten Halbjahr. Dies lag zum einen daran, dass zunächst in erheblichem Umfang Arbeitszeitkonten abgebaut wurden und somit kürzer gearbeitet wurde, ohne dass Lohn- ellen Verbraucherpreisniveaus beruht, sondern auch auf Basiseffekten, die aus der Preisentwicklung aus dem jeweiligen Vorjahresmonat herrühren. a) Es gilt der Zusammenhang: Inflationsrate Pt/Pt-12*100-100 (ln (pt) –ln (pt-12))*100. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Für dieses Jahr ist eine Tariflohnsteigerung um 2,3% zu veranschlagen, da Arbeitgeber Daten und Prognosen Abb. 3.15 weiterhin Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen nutzen, um Kostensteigerungen abzufedern. Da die meisten Arbeitszeitkonten ausgeschöpft sein dürften und außerdem mit einem weiteren Rückgang der Kurzarbeit zu rechnen ist, wird die Lohndrift im Verlauf des vierten Quartals etwa bei null liegen, so dass im Jahresdurchschnitt ein Anstieg der effektiven Stundenlöhne von etwa 3,7% resultiert. Da kaum Preissteigerungen stattfinden, erhöhen sich die realen Lohnkosten je Stunde um 2,6%, und die Lohnstückkosten liegen auf Stundenbasis um 5,6% über dem Vorjahreswert. Im kommenden Jahr lassen die bereits vorliegenden Tarifabschlüsse einen weiteren Rückgang der Lohnsteigerungs- raten erwarten. Die Beschäftigten im Baugewerbe erhalten 2,3% mehr Lohn und im öffentlichen Dienst der Länder erfolgt eine Stufenerhöhung um 1,2%. Auch dürfte die Abschlussrate im öffentlichen Dienst des Bundes und der Gemeinden aufgrund der Haushaltslage der öffentlichen Finanzen moderat ausfallen. Insgesamt ergibt sich für die tariflichen Stundenlöhne im Jahr 2010 eine Zunahme um 1,7%. Bei anhaltender Unterauslastung der Kapazitäten ist mit einem fortgesetzten Abbau übertariflicher Leistungen zu rechnen. Zudem geht der Umfang der Zuzahlungen der Arbeitgeber zum Kurzarbeitergeld weiter zurück, und es kommt zu einer Anpassung der bezahlten an die geleistete Arbeitszeit, da Arbeitszeitkonten ausgeschöpft sind. Zwar können prinzipiell auch Arbeitszeitschulden aufgebaut werden. Es ist aber fraglich, ob viele Arbeitgeber dieses Instrument nutzen und damit Lohnzahlungen im Voraus leisten. Insgesamt kommt es zu einer negativen Lohndrift und die effektiven Stundenlöhne steigen moderat um 0,5%. Die realen Lohnkosten je Stunde dürften nahezu stagnieren. Die Lohnstückkosten auf Stundenbasis gerechnet werden deutlich sinken (– 2,0%), weil die Stundenproduktivität nach dem diesjährigen Einbruch wieder deutlich steigt. Die durchschnittliche Arbeitszeit der Beschäftigten, die nicht von Kurzarbeit betroffen sind, dürfte im Verlauf des kommenden Jahres weiter leicht zurückgehen. Dabei folgt die durchschnittliche Arbeitszeit ihrem langfristig rückläufigen Trend, weil keine Überstunden angesammelt werden dürften und die Quote der Teilzeitbeschäftigten weiter zunimmt. Tab. 3.8 Einfluss der Kurzarbeit auf die Entwicklung der Löhne Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % Geleistet Std.(Arbeitnehmer) durchschnittliche Arbeitszeit Arbeitnehmer (Vollzeit) gesamt ohne KA KA gesamt ohne KA KA gesamt ohne KA KA 2007 1,9 1,9 –9 0,2 0,2 – 11,0 1,7 1,8 – 10,3 2008 1,5 1,4 90 – 0,1 – 0,1 27,7 1,6 1,5 91,2 2009 – 3,9 – 5,8 1 227 – 3,9 – 3,0 18,1 0,0 – 2,0 1 285,2 2010 – 0,3 – 1,5 – 83 0,5 – 0,3 – 12,6 – 0,9 0,9 – 82,8 2011 0,0 0,3 – 76 0,0 – 0,2 – 23,4 0,0 0,2 – 76,1 Bruttolöhne und -gehälter Verdienst je Arbeitnehmer Verdienst je Stunde gesamt ohne KA KA gesamt ohne KA KA gesamt ohne KA KA 2007 3,3 3,4 –9 1,6 1,6 – 10,8 1,4 1,4 0,3 2008 3,9 3,8 102 2,3 2,3 36,2 2,4 2,4 6,6 2009 – 0,4 – 2,3 1 260 – 0,4 0,6 21,0 3,7 3,7 2,4 2010 0,1 2,0 – 84 1,0 0,2 – 17,8 0,5 0,5 – 6,0 2011 1,1 1,4 – 75 1,2 1,0 – 19,4 1,2 1,1 5,3 Lohndrift (Arbeitnehmer) Lohndrift (Stunde) Tariflohn Ausfall gesamt ohne KA KA gesamt ohne KA KA Monat Stunde Je KA 2007 0,2 0,3 – 12,1 0,3 0,3 – 0,9 1,3 1,2 57,0 2008 – 0,5 – 0,5 33,4 – 0,4 – 0,4 3,9 2,8 2,8 45,1 2009 – 2,7 – 1,8 18,7 1,5 1,4 0,,2 2,3 2,3 33,1 2010 – 0,7 – 1,5 – 19,5 – 1,3 – 1,2 – 7,7 1,7 1,7 41,4 2011 0,1 0,0 – 20,4 0,2 0,1 4,3 1,0 1,0 55,1 Anmerkung: Werte berechnet aus den Quartalswerten. KA: Kurzarbeit, »Ausfall je KA« gibt den durchschnittlichen Arbeitsausfall je Kurzarbeiter in Relation zu den übrigen Arbeitnehmern. Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Bundesbank; 2009, 2010 und 2011: Prognosen des ifo Instituts. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 53 54 Daten und Prognosen Als Folge steigt der Verdienst je Arbeitnehmer (ohne Kurzarbeiter gerechnet) nur wenig. Allerdings geht die Zahl der Kurzarbeiter weiter zurück, und damit bleibt die durchschnittliche Arbeitszeit aller Beschäftigten, entgegen dem langfristigen Trend, insgesamt stabil. Die Verdienste je Arbeitnehmer dürften demnach im kommenden Jahr wieder leicht steigen (vgl. Tab. 3.8). Moderater Anstieg der Arbeitslosigkeit Die Entwicklung am Arbeitsmarkt wurde bislang durch das Bestreben bestimmt, die Beschäftigung zu sichern. Während die gesamtwirtschaftliche Produktion seit Jahresbeginn bis zum dritten Quartal um 2,4% geschrumpft ist, und die geleisteten Stunden um 2,5% gesunken sind, ist die Zahl der Erwerbstätigen im Inland hingegen nur um 114 000 (0,3%) zurückgegangen.7 Die deutliche Reduktion der geleisteten Stunden je Erwerbstätigen hat bislang einen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert. Die durchschnittliche Arbeitszeit wurde dabei vor allem durch einen massiven Abbau von angesammelten Guthaben auf Arbeitszeitkonten und durch Arbeitszeitverkürzung reduziert.8 Zudem ist die Zahl der Personen, die eine ausschließlich geringfügige Beschäftigung ausüben, seit Jahresbeginn stetig gestiegen. Ebenso dürfte die Teilzeitquote bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen weiter zugenommen haben.9 Sieht man zunächst von dem Effekt der Kurzarbeit ab, so verkürzte sich die Arbeitszeit je Arbeitnehmer auf diese Weise um etwa 11/2%. Nimmt man die Einführung von Kurzarbeit hinzu, dann ist die durchschnittliche Arbeitszeit seit Jahresbeginn insgesamt um 2,4% zurückgefahren worden. Allerdings wurde das Instrument der Kurzarbeit im dritten Quartal bereits in deutlich geringerem Maß in Anspruch genommen. So lag die Zahl der betroffenen Personen im dritten Quartal bei 1,12 Mill. und damit um 375 000 niedriger als im Vorquartal. Betrachtet man die einzelnen Komponenten der Erwerbstätigkeit, dann hat vor allem die ungeförderte Selbständigkeit zu einer Stabilisierung beigetragen. Obwohl die Förderung hier seit Jahresbeginn deutlich rückläufig war, nahm die Zahl der Selbständigen insgesamt um 0,2% zu. Allerdings dürfte es sich dabei in erheblichem Umfang um so genannte Soloselbständige handeln, die ihre Arbeitskraft anbieten, um die Zeit während der Arbeitslosigkeit zu überbrücken. 7 8 9 Die Zahl der Erwerbstätigen Inländer ist im Zuge der Rezession deutlich schneller zurückgegangen. Hier ergibt sich bis zum dritten Quartal eine Abnahme um 166 000 (0,4%). Bei der Betriebsrätebefragung 2009 durch das WSI gab die größte Gruppe der Befragten (30%) an, dass als Reaktion auf den Produktionsausfall ein Abbau von Arbeitszeitkonten stattgefunden hat; 20% nutzte Kurzarbeit. Vgl. Boeckler Impuls 18/2009, »Kluge Verteilung der Arbeitszeit federt Krisenfolgen ab«. Nach Ablauf des ersten Quartals 2009 – neuere Daten liegen noch nicht vor – lag die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 4% über dem Vorjahresniveau, während die Vollzeitstellen um 0,4% zurückgegangen waren. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Hierfür spricht, dass in diesem Segment die durchschnittliche Arbeitszeit im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um etwa 131/2% gesunken ist. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat bis zum September spürbar abgenommen; sie sank um 214 000. Die Beschäftigung ging vor allem in den exportabhängigen Sektoren zurück. So sind im Verarbeitenden Gewerbe und bei den Arbeitnehmerüberlassungen im Vergleich zum Vorjahr insgesamt etwa 400 000 Stellen weggefallen. Allerdings dürfte der Rückgang der Zahl der Zeitarbeiter in den vergangenen Monaten zum Stillstand gekommen sein. Im Dienstleistungssektor, der überwiegend von der Binnennachfrage abhängt, war hingegen ein Stellenaufbau zu verzeichnen, der die Folgen der Rezession auf den Arbeitsmarkt bislang spürbar gedämpft hat. Im Gesundheitswesen, im Bereich Erziehung und Unterricht und im öffentlichen Sektor sind etwa 200 000 Personen mehr beschäftigt als im Vorjahr. Derzeit stabilisieren staatliche Maßnahmen wie die Kurzarbeit die Einkommenssituation offenbar so weit, dass die negativen Folgen für den Arbeitsmarkt in den konsumnahen Bereichen gering sind. Dass die Auswirkung der Rezession auf den Arbeitsmarkt im Vergleich zu früheren Krisen moderat ausfällt, dürfte auch an der vorteilhaften Ausgangslage im Vorfeld des Produktionseinbruchs liegen. Damals waren die realen Lohnkosten in Relation zur Produktivität deutlich gesunken. Dies hätte für sich genommen zu einem Anstieg der Beschäftigung beigetragen. Die Zahl der Arbeitslosen reagierte bis zum November gemessen an dem enormen Produktionsausfall vergleichsweise moderat. Nachdem sie im Verlauf des ersten Halbjahres um 248 000 gestiegen war, ging sie danach leicht zurück, und der Anstieg betrug bis zum November im Verlauf noch 187 000. Allerdings ist die Zahl der Arbeitslosen unterzeichnet, da seit Mai 2009 Erwerbslose, mit deren Vermittlung private Agenturen beauftragt sind, nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik erfasst werden. Berücksichtigt man dies, hätte die Zahl der Arbeitslosen bis November um knapp 350 000 zugenommen. Allerdings hätte sich auch dann ein geringfügiger Rückgang der Arbeitslosenzahl im Oktober und November ergeben. Im weiteren Verlauf dieses Jahres wird der Anstieg der Produktion nicht ausreichen, um die vorhandenen Produktionsfaktoren voll auszulasten. Eine Folge ist, dass die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten deutlich über dem Niveau des Vorjahres liegen. Da die Preisüberwälzungsspielräume gering sind, werden die Unternehmen daher weiter bestrebt sein, ihre Kostenbelastung zu senken, indem sie die Beschäftigung reduzieren. Das Arbeitsvolumen dürfte daher im vierten Quartal dieses Jahres erneut sinken und damit um jahresdurchschnittlich 3,4% zurückgehen (vgl. Abb. 3.16). Das Instrument der Kurzarbeit hat bislang dazu beigetragen, dass sich dieser Rückgang nicht in vollem Umfang in den Daten und Prognosen Abb. 3.16 Beschäftigtenzahlen widerspiegelt. Allerdings dürfte die Kurzarbeit im vierten Quartal weiter sinken; wenn auch langsamer als im Vorquartal. Hierfür spricht, dass sich die Zahl der betroffenen Personen in eingegangenen Anzeigen zur konjunkturellen Kurzarbeit seit August bei monatlich etwa 100 000 stabilisiert. Insgesamt liegt die Zahl der Kurzarbeiter damit bei jahresdurchschnittlich 1,14 Mill. Aufgrund des starken Einbruchs in der ersten Jahreshälfte sinkt die durchschnittliche Arbeitszeit 2009 um 3,3%. Die Zahl der erwerbstätigen Inländer wird dabei im vierten Quartal leicht beschleunigt sinken. Im Jahresdurchschnitt ergibt sich ein Rückgang um lediglich 0,1% (vgl. Abb. 3.17). Im Zuge der Rezession war bislang ein moderater Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen. Etwas deutlicher ist hingegen die Zahl der nichtarbeitslosen Arbeitsuchenden angestiegen. Hierzu zählen vor allem Personen, die sich in sich arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden und deshalb nicht als arbeitslos gezählt werden, sowie Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz bedroht ist oder denen bereits gekündigt wurde. Nachdem deren Zahl im Sommerhalbjahr um rund 200 000 über dem Vorjahr lag, ist Abb. 3.17 Abb. 3.18 sie im November etwa 300 000 Personen höher als im Vorjahresmonat. Daher ist nach dem bis zum November verzeichneten Rückgang der Arbeitslosenzahl in den kommenden Monaten wieder mit einem Anstieg zu rechnen; für das vierte Quartal ergibt sich dennoch im Durchschnitt eine Abnahme. Im Jahresdurchschnitt steigt die Arbeitslosigkeit um 158 000, was einer Arbeitslosenquote von 8,1% entspricht (vgl. Abb. 3.18). Im Verlauf ergibt sich ein Anstieg um rund 210 000. Berücksichtigt man, dass die Arbeitslosenzahl durch die Herausrechnung von Personen, mit deren Vermittlung Dritte beauftragt sind, unterzeichnet wurde, ergibt sich ein jahresdurchschnittlicher Anstieg von 235 000. Im Verlauf ergäbe sich eine Zunahme um rund 375 000 Personen. Im kommenden Jahr nimmt die gesamtwirtschaftliche Produktion nur langsam zu. Daher bleibt der Anpassungsdruck am Arbeitsmarkt. Der Einsatz der geleisteten Stunden dürfte im Verlauf noch um 0,2% zurückgehen, wobei sich das Tempo im Jahresverlauf zunächst verlangsamt, und die Abwärtsbewegung im Winter zum Stillstand kommt. Wegen des niedrigen Niveaus zu Jahresbeginn ergibt sich ein jahresdurchschnittlicher Rückgang um 0,8% (arbeitstäglich bereinigt 1,1%). Die Zahl der Kurzarbeiter wird trotz der erneut verlängerten Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld weiter zurückgehen und etwa 900 000 niedriger liegen als im Vorjahr. Da aber der Anteil von Teilzeitkräften mit der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors dem langjährigen Trend folgend weiter steigt, erhöht sich die Arbeitszeit pro Arbeitnehmer nur leicht um 0,5%. Damit liegt ihr Niveau im Verlauf von 2010 leicht über dem langfristigen Trend. Die Zahl der erwerbstätigen Inländer insgesamt sinkt dabei um 350 000 (0,9%), was im Verlauf einem Rückgang um 260 000 entspricht. Sehr deutlich wird dabei die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung reduziert, die um rund 360 000 zurückgeht (vgl. Tab 3.9). Im Jahresverlauf sinkt sie um 270 000. Bei den ausschließlich geringfügig Beschäftigten wird sich der Anstieg hingegen zunächst fortsetzen 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 55 56 Daten und Prognosen Tab. 3.9 Arbeitsmarktbilanz Jahresdurchschnitte in 1 000 Personen Deutschland Arbeitsvolumen (Mill. Stunden) Erwerbstätige Inländer Arbeitnehmer darunter: sozialversicherungspflichtig Beschäftigte darunter a) geförderte SV-pflichtige Beschäftigung marginal Beschäftigte darunter: Minijobs b) Ein-Euro-Jobs Selbständige darunter: c) geförderte Selbständige Pendlersaldo Erwerbstätige Inland Arbeitslose Aktive Arbeitsmarktpolitik Teilnehmer § 46 SGB III Trainingsmaßnahmen d) Arbeitslosenquote BA e) Erwerbslose g) Erwerbslosenquote Kurzarbeit 2007 2008 2009 2010 2011 56 845 39 656 35 220 57 583 40 220 35 786 55 632 40 171 35 751 55 173 39 821 35 376 55 156 39 870 35 413 26 942 27 510 27 474 27 107 27 106 210 5 906 240 5 898 270 5 933 355 5 986 404 6 023 4 861 301 4 436 4 866 291 4 434 4 914 279 4 420 4 957 289 4 445 4 954 329 4 458 237 68 39 724 3 776 180 59 40 279 3 268 146 96 40 267 3 426 169 162 39 982 3 607 184 112 39 983 3 617 0 77 9,0 3 602 8,3 68 0 81 7,8 3 141 7,2 102 128 38 8,1 3 235 7,5 1 141 268 0 8,6 3 407 7,9 226 270 0 8,6 3 416 7,9 70 a) Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Strukturanpassungsmaßnahmen, Personal-Service-Agenturen, Eingliederungszuschuss, Eingliederungszuschuss bei Vertretung, Eingliederungszuschuss bei Neugründung, Arbeitsentgeltzuschuss, Einstiegsgeld bei abhängiger Beschäftigung, Arbeitsgelegenheiten der Entgeltvariante, Beschäftigungszuschuss, Qualifizierungszuschuss für b) Jüngere, Eingliederungshilfen für Jüngere, Entgeltsicherung für Ältere. – Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentc) d) schädigung. – Gründungszuschüsse, Existenzgründungszuschüsse, Überbrückungsgeld und Einstiegsgeld. – Arbeitslose e) in % der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß Bundesagentur für Arbeit). – Definition der ILO; Erwerbslose in % der f) inländischen Erwerbspersonen (erwerbstätige Inländer plus Arbeitslose). – Erwerbslose in % der inländischen Erwerbspersonen (erwerbstätige Inländer plus Arbeitslose). Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; 2009, 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts. und erst im Verlauf der zweiten Jahreshälfte zum Stillstand kommen, so dass deren Zahl 2010 um reichlich 40 000 zunimmt. Vor diesem Hintergrund steigt die Zahl der Arbeitslosen um 180 000, was im Verlauf einer Zunahme von 220 000 entspricht. Die Zunahme wird dabei im kommenden Jahr von einem Rückgang des Erwerbspersonenpotentials in einer Größenordnung von 130 000 gedämpft.10 Rechnet man die Personen hinzu, die bei externen Vermittlern betreut werden, so ergibt sich ein Anstieg der Arbeitslosenzahl von 280 000. Da es auch im Jahr 2011 nicht zu einem durchgreifenden Aufschwung kommen dürfte, steigt die Produktion nur allmählich. Das Produktionsniveau bleibt jedoch verglichen mit der vorangegangenen Boomphase weiter niedrig. Im Zuge dessen dürfte sich die Lage am Arbeitsmarkt leicht bessern. Das Beschäftigungsniveau erreicht damit nicht 10 Vgl. Bach, H.-U., M. Hummel, S. Klinger, E. Spitznagel und G. Zika (2009), »Die Krise wird deutliche Spuren hinterlassen«, IAB Kurzbericht 20/2009. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang das Niveau vor der Krise, im Jahresdurchschnitt ergibt sich Stagnation. Zu den Finanzierungsbedingungen in Deutschland Die Kreditvergabe an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften in Deutschland hat sich seit Ende vergangenen Jahres stark abgeschwächt. Das Volumen neu vergebener Kredite ging so stark zurück, dass es die fällig werdenden Kredite nicht mehr ausgleichen konnte; somit war der Bestand ausstehender Kredite seit September deutlich rückläufig (vgl. Abb. 3.19). Gleichzeitig senkten die deutschen Banken kräftig ihre Zinsen, so dass der durchschnittliche Zins für neu vergebene Kredite von knapp 6,5% Ende letzten Jahres auf unter 4% im Oktober dieses Jahres fiel (vgl. Abb. 3.19). Der durchschnittliche Zins für ausstehende Kredite sank ebenfalls im selben Zeitraum, wenngleich der Rückgang hier nur etwas mehr als 1,5 Prozentpunkte be- Daten und Prognosen Abb. 3.19 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 57 58 Daten und Prognosen trug, was auf die hohen Zinsen bestehender Kreditverträge mit längeren Laufzeiten und Zinsbindung zurückzuführen ist, die noch vor dem Einsetzten der Zinssenkungsphase vereinbart wurden. Ein rückläufiges Kreditvolumen bei gleichzeitig sinkenden Zinsen spricht auf den ersten Blick für einen Rückgang der Kreditnachfrage. Dies legen auch der massive Konjunktureinbruch und insbesondere der Absturz der Investitionen nahe, die den Kreditbedarf der Unternehmen erheblich reduziert haben dürften. Im Zuge der sich seit spätestens Jahresmitte abzeichnenden gesamtwirtschaftlichen Erholung sollte allerdings auch die Nachfrage nach Fremdmitteln wieder anziehen. Die am aktuellen Rand zur Verfügung stehenden Daten zeichnen jedoch ein anderes Bild: das Volumen der Neukredite geht in der Tendenz weiter zurück, der Kreditbestand sinkt. Angesichts der hohen Abschreibungen, die die Banken im Zuge der Finanzkrise bisher zu verzeichnen hatten und die Schätzungen zufolge in den kommenden Monaten noch anstehen, ist zu vermuten, dass diese Entwicklung auf eine Angebotsverknappung am Kreditmarkt zurück zu führen ist. Dies könnte zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des weiteren Verlaufs der Konjunktur führen, da eine anziehende Kreditnachfrage infolge der konjunkturellen Erholung nicht durch ein entsprechendes Kreditangebot gedeckt werden würde. Eine gesicherte Identifikation dieser so genannten Kreditklemme ist allerdings problematisch, da angebots- und nachfrageseitige Einflüsse schwer voneinander zu trennen sind. Allerdings weist eine Reihe von Indikatoren darauf hin, dass in Deutschland der kreditangebotsseitige Restriktionsgrad – zumindest seit Jahresmitte und insbesondere für große Unternehmen – deutlich zunimmt und mithin von einer Kreditklemme gesprochen werden kann. So erhöhte sich bei den Zinsen für neu vergebene Kredite mit einer Laufzeit von über einem Jahr der Aufschlag über den sicheren Notenbankzins seit Ende letzten Jahres kontinuierlich und verharrt seit Jahresmitte bei über 3 Prozentpunkten; dieser Spread liegt derzeit deutlich höher als während der letzten konjunkturellen Schwächephase in den Jahren 2003/04 (vgl. Abb. 3.18). Zwar machen diese Kredite in Deutschland nur zwischen 5 und 10% der gesamten Neukreditvergabe aus; allerdings spielen sie gerade für die Finanzierung längerfristiger Investitionsprojekte eine wichtige Rolle. Die Beobachtung, dass in diesem Kreditsegment die Zinssenkungen der EZB nur teilweise von den Banken an die Kreditnehmer weitergegeben werden, spricht für einen negativen angebotsseitigen Effekt auf dem Kreditmarkt, der dem aus der sinkenden Kreditnachfrage resultierenden Rückgang der Kreditzinsen entgegenwirkt.11 Ein ähnlicher Anstieg der Spreads ist auch bei den Überziehungskrediten zu beobachten, wenngleich der Aufschlag mit aktuell 4 Proifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang zentpunkten noch unter dem Höchststand aus dem Jahr 2003 liegt. Bei den unterjährigen Krediten und den Kreditverträgen mit variabler Verzinsung, die knapp 50% des Kreditneugeschäfts ausmachen, wurden die Zinssenkungen der EZB hingegen nahezu vollständig weitergegeben. Die Weitergabe der Zinssenkungen der EZB durch die deutschen Banken ist vor allem im Vergleich mit Banken in anderen Ländern des Euroraums deutlich unvollständiger. So wurden von der Leitzinssenkung in Höhe von 325 Basispunkten (von 4,25% Anfang Oktober 2008 auf 1% im Mai 2009) nur 60% von den deutschen Banken an die Kreditnehmer weitergegeben, die einen neuen Kredit mit einer Laufzeit zwischen einem und fünf Jahren aufnahmen; bei Laufzeiten über fünf Jahren waren es gerade einmal 34% (vgl. Abb. 3.19). Im Euroraum insgesamt (also einschließlich Deutschland) war die Weitergabe der sinkenden Refinanzierungskosten mit 83% bzw. 46% deutlich größer. Ein weiterer Indikator, der am aktuellen Rand auf das Vorliegen einer Kreditklemme in Deutschland schließen lässt, kann aus den regelmäßigen Unternehmensbefragungen des ifo Instituts abgeleitet werden. Die ifo Kredithürde, die den Anteil der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe angibt, der die Kreditvergabe der Banken restriktiv einschätzt, lag im November bei 45,4% (vgl. Abb. 3.20). Während bei den kleinen und mittelgroßen Unternehmen der Zugang zu Krediten derzeit etwas besser zu sein scheint als während des Abschwungs zu Beginn des Jahrzehnts, ist die Kreditsituation vor allem großer Unternehmen deutlich angespannter. Bei allen Unternehmen blieb jedoch die Kredithürde seit Jahresmitte nahezu unverändert, obwohl sich seither die Geschäftslage und die Geschäftserwartungen in der deutschen Wirtschaft deutlich verbessert haben. Somit sollten sowohl die Nachfrage nach Krediten zugenommen haben als auch die Kreditwürdigkeit der Unternehmen gestiegen sein. Dass sich der Zugang zu Krediten in einer konjunkturellen Abschwungphase für die Unternehmen im Durchschnitt erschwert, kann zum Teil mit einem durchaus normalen Kalkül der Banken erklärt werden. So ist ein zyklisches Verhalten der Kreditangebotsbedingungen ein durchaus übliches Phänomen, das mit der Abhängigkeit des Wertes der gestellten Sicherheiten vom Konjunkturzyklus und einem konjunkturabhängigen Monitoring durch die Kreditinstitute begründet werden kann. Um sowohl Schwankungen im makroökonomischen Umfeld als auch Veränderungen in der 11 Eine mögliche Erklärung für die geringe Weitergabe der Leitzinssenkungen und für den damit verbundenen deutlichen Anstieg der Zinsaufschläge insbesondere bei längerfristigen Kreditverträgen wäre neben einer angebotsseitigen Verknappung der Kreditvergabe sicherlich auch eine deutliche Verschlechterung der Kreditrisiken und damit der erwarteten Kreditausfallkosten. Die Bonität der Unternehmen wird weiter unten in die Analyse miteinbezogen. Auch eine fristenkonforme Refinanzierung langfristiger Kredite könnte eine Rolle spielen, da Banken zukünftige Leitzinsanhebungen in ihr Kalkül mit einbeziehen. Daten und Prognosen Bonität der potentiellen Kreditnehmer zu berücksichtigen, wurde deshalb auf Basis der regelmäßigen ifo Unternehmensbefragungen ein Kreditklemmenindikator berechnet. Das makroökonomische Umfeld und die Veränderung der Kreditwürdigkeit der Unternehmen wurde dabei anhand ihrer Angaben im Rahmen der ifo Unternehmensbefragungen über die aktuelle Geschäftslage und die Auftragseingänge herausgerechnet. Der so konstruierte Indikator misst den Beitrag der – nicht herausgerechneten – bankenspezifischen Determinanten zu der Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen mit guter Bonität den Zugang zu Krediten als restriktiv beurteilt.12 Der Kreditklemmenindikator ist im Jahresverlauf deutlich angestiegen. Noch im April wirkten die bankenspezifischen Faktoren insofern expansiv, als dass für ein Unternehmen guter Bonität eine um 6 Prozentpunkte höhere Kredithürde zu erwarten gewesen wäre. Dies lässt sich möglicherweise durch die staatlichen Stützungsmaßnahmen erklären. Seit Juli dieses Jahres hat sich die Situation gewendet. Mittlerweile müsste bei normaler Kreditvergabepraxis die Kredithürde für ein Unternehmen guter Bonität um 4 Prozentpunkte niedriger sein als tatsächlich zu beobachten ist (vgl. Abb. 3.20). Maßgeblich für dieses Ergebnis sind ausschließlich die großen Unternehmen, für die der Kreditklemmenindikator einen Wert von 13 Prozentpunkten erreicht. Diese Entwicklung lässt sich auch anhand der aggregierten ifo Kredithürde ablesen. Obwohl nämlich im Zuge der konjunkturellen Erholung immer mehr Unternehmen eine verbesserte Geschäftslage und erhöhte Auftragseingänge vorweisen können und sich daher ihre Kreditwürdigkeit verbessert haben dürfte, blieb der Anteil der Unternehmen, die die Kreditvergabe der Banken restriktiv einschätzten, nahezu unverändert. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf das Vorliegen einer Kreditklemme für große Unternehmen in Deutschland. Für den Prognosezeitraum deutet die aktuelle Entwicklungstendenz auf eine Verschärfung der Lage hin. Diese Einschätzung deckt sich auch mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit, nach denen die Kreditvergabe vor allem in der Spätphase eines Abschwungs und im beginnenden Aufschwung gebremst hat. Im Gegensatz zur Kreditklemme in den Jahren 2003 und 2004 sind heute allerdings bislang nur große Unternehmen von der Kreditklemme betroffen. Eine der Ursachen hierfür könnte der Wegfall ausländischer Großbanken sein, die vor allem mit großen Unternehmen Kreditbeziehungen pflegten; knapp die Hälfte des Rückgangs der Buchkredite ans verarbeitende Gewerbe im dritten Quartal ist durch ein rückläufiges Geschäft der Auslandsbanken zu erklären. 12 Eine ausführliche Darstellung der Berechnung des Kreditklemmenindikators findet sich in Wollmershäuser, T. (2009), »A Micro Data Approach to the Identification of Credit Crunches«, unveröffentlichtes Manuskript, ifo Institut für Wirtschaftsforschung, sowie in Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2009), »Zögerliche Belebung – Steigende Staatsschulden«, ifo Schnelldienst 62(20), 44, Kasten 3.5. Abb. 3.20 Staatshaushalt: Finanzierungsdefizit nimmt von Jahr zu Jahr zu Nach einer mehrere Jahre andauernden Konsolidierungsphase geraten die öffentlichen Haushalte ab 2009 wieder in große Schwierigkeiten. Hatte sich der Finanzierungssaldo des Staates von 2003 bis 2007 noch von – 4,0% auf + 0,2% des nominalen Bruttoinlandsprodukts verbessert (2008 belief er sich auf 0,0%), so ist nun wieder mit einem spürbaren Defizit zu rechnen. Der MaastrichtGrenzwert von 3,0% dürfte 2010 und 2011 deutlich übertroffen werden. Die gesamtstaatlichen Einnahmen sinken im Jahr 2009 um 2,0%. Dies ist insbesondere auf das geringere Steueraufkommen zurückzuführen (– 4,5%). Dieser Rückgang ergibt sich im Wesentlichen bei den Steuern vom Ertrag (– 7,2%), während die Produktions- und Importabgaben (– 2,1%) angesichts der Krise 2009 relativ stabil blieben. Da überwiegend der steuerfreie Export von der Wirtschaftskrise getroffen wurde und die Konjunkturprogramme stabilisierend auf die inländische Nachfrage wirken, steigt das Aufkommen der Umsatzsteuer noch um 0,4% an (die Entwicklung der Einzelsteuern wird in Abgrenzung der Finanzstatistik be62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 59 60 Daten und Prognosen schrieben). Die Lohnsteuer sinkt um 4,8%, der Zinsabschlag um 5,4%, die veranlagte Einkommensteuer um 18%, die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag um 22% und die Körperschaftsteuer sogar um 60%. Die kommunalen Haushalte leiden unter den ebenfalls deutlich zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen (– 18%). Neben der Wirtschaftskrise sind auch verzögerte Effekte der Unternehmenssteuerreform 2008 für die ungünstige Entwicklung der gewinnabhängigen Steuern im Jahr 2009 verantwortlich. Die Sozialversicherungsbeiträge an den Staat steigen 2009 um 1,2% oder 5 Mrd. Euro. Die bedeutendsten Zuwächse erzielt die gesetzliche Krankenversicherung, weil der allgemeine Beitragssatz mit Beginn des Gesundheitsfonds zum Jahresanfang auf 14,6% festgesetzt worden war, was im Durchschnitt einer Anhebung um 0,6 Prozentpunkte bedeutete. Zwar wurde im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets der Bundesregierung der Beitrag zur Jahresmitte wieder um 0,6 Prozentpunkte reduziert, insgesamt nehmen aber die Beitragseinnahmen der Krankenkassen um rund 4% zu. Auch die Pflegeversicherung kann einen Anstieg verbuchen, der im Wesentlichen aus der Beitragssatzanhebung zum 1. Juli 2008 resultiert. Demgegenüber sind die Beitragseinnahmen der Arbeitslosenversicherung stark rückläufig, weil zum Jahresbeginn der Beitragssatz von 3,3% auf 2,8% abgesenkt worden war. Die Staatsausgaben nehmen im Jahr 2009 um 4,8% zu. Gegenüber der Entwicklung in den Vorjahren bedeutet das eine kräftige Beschleunigung, denn von 2001 bis 2008 belief sich der durchschnittliche Zuwachs auf nur 1,2% jährlich, was zu einem kräftigen Rückgang der Staatsquote – sie stellt die Ausgaben des Staates in% des nominalen Bruttoinlandsprodukts dar – führte (vgl. Abb. 3.21). Verantwortlich für die aktuelle Dynamik sind in erster Linie die zwei größten Ausgabenkategorien, die monetären Sozialleistungen (+ 5,1%) und die sozialen Sachleistungen (+ 5,4%). Bei ersteren macht sich die Verschlechterung am Arbeitsmarkt bemerkbar, die zu höheren Ausgaben für Arbeitslosengeld I und II führt, zusätzlich werden die Ausgaben für Kurzarbeitergeld um ein Vielfaches zunehmen. Daneben spielt eine Rolle, dass es zum 1. Juli die höchste Rentenanpassung seit vielen Jahren gab und dass Sozialleistungen wie das Wohngeld erhöht wurden. Zudem wurde ein Kinderbonus einmalig gewährt. Bei den Sachleistungen sind die Gesundheitsausgaben der treibende Faktor (hier waren höhere Zahlungen an Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte vereinbart worden), außerdem wurden die Leistungen der Pflegeversicherung ausgeweitet. Auch die Personalausgaben des Staates expandieren nach den kräftigen Anhebungen der tariflichen Entgelte mit einem Plus von 3,2% so stark wie seit 1993 nicht mehr. Die starke Ausweitung der sonstigen laufenden Transfers um fast ein Fünftel geht auf die Abwrackprämie zurück, für die der Staat 5 Mrd. Euro ausgibt. Schließlich werden die Investitionen, ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Abb. 3.21 insbesondere angeregt durch die Konjunkturpakete, um 7,5% ausgeweitet. Der Anstieg der Subventionen um sogar mehr als 12% spiegelt die Kosten für die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit wider. Der Rückgang der geleisteten Vermögenstransfers ist der sukzessive auslaufenden Eigenheimzulage geschuldet. Trotz der zuletzt wieder gestiegenen staatlichen Bruttoschulden sinken die Zinsausgaben um 4,6%. Dies ist noch Ausdruck des in den vergangenen Jahren sehr niedrigen Zinsniveaus. Das Finanzierungsdefizit des Staates beläuft sich im Jahr 2009 auf 3,0% des Bruttoinlandsprodukts, womit es direkt am Maastricht-Grenzwert liegt. Anders als in den Vorjahren gerät nun auch die Sozialversicherung tief in die roten Zahlen. Ein kräftiges Defizit von rund 14 Mrd. Euro ergibt sich bei der Arbeitslosenversicherung, das allerdings durch den Rückgriff auf die Rücklage aus den Vorjahren aufgefangen werden kann. Hingegen erzielen die Krankenversicherung, die Pflegeversicherung und die Unfallversicherung kleine Überschüsse, die Bilanz der Rentenversicherung dürfte etwa ausgeglichen sein. Im Jahr 2010 wird sich die Finanzlage des Staates voraussichtlich nochmals deutlich verschlechtern. Belastungen gibt es sowohl auf der Einnahmenseite (in Folge von Steuersenkungen und in Folge konjunkturbedingter Einkommensrückgänge) als auch auf der Ausgabenseite (Anhebung von Transferleistungen, Investitionsausgaben aus den Konjunkturpaketen). Aufgrund der Wirkung der automatischen Stabilisatoren und der Entlastungsmaßnahmen im Einkommensteuerbereich wird das Steueraufkommen im Jahr 2010 um 3,1% zurückgehen. Auch im Jahr 2010 sinken vor allem die Steuern auf Einkommen und Vermögen (– 8%), während die Produktions- und Importabgaben stabil bleiben ( +1%). In Abgrenzung der Finanzstatistik sinkt die Lohnsteuer um reichlich 8%, die veranlagte Einkommensteuer noch einmal um 15% Daten und Prognosen und die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag um rund 18%. Demgegenüber dürfte sich die Körperschaftsteuer leicht erholen (+ 10%), dabei jedoch auf niedrigem Niveau bleiben. Die Gewerbesteuer dürfte auch im Jahr 2010 leicht zurückgehen (– 3%). Die Steuern vom Umsatz werden voraussichtlich ansteigen und ein Aufkommen von gut 180 Mrd. Euro (+ 2%) erzielen. Die Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen werden nur geringfügig steigen. Die Beiträge der Arbeitnehmer werden sogar leicht sinken. Bei in der Summe fast unveränderten Bruttolöhnen und -gehältern resultiert dies aus einem im Jahresdurchschnitt niedrigeren Krankenversicherungsbeitragssatz. Andererseits steigen die Beiträge des Staates für Empfänger sozialer Leistungen und deren Eigenbeiträge spürbar. Der leichte Zuwachs der Arbeitgeberbeiträge ist Folge der Anhebung der von den Unternehmen an die Bundesagentur für Arbeit zu entrichtenden Insolvenzgeldumlage. Ansonsten sind keine Beitragssatzänderungen gegenüber dem Stand im zweiten Halbjahr 2009 zu erwarten; vermutlich werden auch die meisten Krankenkassen ohne die Einführung von Zusatzbeiträgen auskommen können. Der Ausgabenanstieg flacht sich 2010 zwar gegenüber 2009 spürbar ab, bleibt aber mit 3,0% noch recht hoch. Bei den monetären Sozialleistungen ist erstens arbeitsmarktbedingt mit weiteren Zuwächsen zu rechnen, zweitens wirkt die Rentensteigerung vom Juli 2009 noch nach – zur Jahresmitte 2010 wird es dann allerdings zu einer Nullrunde für die Rentner kommen –, drittens sind Leistungsausweitungen geplant, so beim Kindergeld und bei der Ausbildungsförderung. Andererseits entfällt hier der 2009 gezahlte Kinderbonus, so dass sich die Zuwachsrate auf reichlich 3% vermindert. Sie vermindert sich auch bei den sozialen Sachleistungen (auf 3,5%), zeugt aber von einer anhaltend kräftigen Ausgabendynamik im Gesundheitswesen. Bei den Investitionsausgaben (+ 13%) wird der Höhepunkt der Konjunktur stützenden Maßnahmen erreicht, bei den Arbeitnehmerentgelten hingegen wird der Anstieg nur 1,3% betragen. Hier ist für die Beschäftigten der Länder ab März 2010 ein tarifliches Einkommensplus von 1,2% vereinbart, das wohl im noch ausstehenden Tarifvertrag für den Bund und die Kommunen nicht übertroffen werden dürfte. Obwohl keine Abwrackprämie mehr geleistet wird gibt der Staat noch einmal mehr für sonstige laufende Transfers aus, weil die Zahlungen an den EU-Haushalt um rund 7 Mrd. Euro zulegen. Bei den Vermögenstransfers setzt sich der Rückgang (bedingt durch sinkende Aufwendungen für die Eigenheimzulage) fort. Die staatlichen Zinsausgaben werden im Jahr 2010 um knapp 5% steigen. Die zusätzliche Verschuldung der Jahre 2008 und 2009 dürfte in Verbindung mit einem langsam ansteigenden Zinsniveau zu steigenden Kosten der Staatsverschuldung führen. Dieser Prozess dürfte sich in den Folgejahren deutlich verstärken. Im Jahr 2010 werden die staatlichen Ausgaben die Einnahmen insgesamt um 125 Mrd. Euro oder 5,1% des nominalen Bruttoinlandsprodukts übertreffen (vgl. Abb. 3.21). Die Staatsquote nähert sich mit 47,9% nahezu wieder dem Niveau von 2002/2003, die Einnahmenquote hingegen erreicht den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung. Das Budget der Sozialversicherung wird wieder nahezu ausgeglichen sein. Das gelingt freilich nur, da sowohl die gesetzliche Krankenversicherung als auch die Arbeitslosenversicherung Zuschüsse in der Größenordnung von 15 Milliarden Euro vom Bund erhalten werden. Im Jahr 2011 werden für den Staat einige Belastungen entfallen (z.B. das Investitionsprogramm im Rahmen der Konjunkturstützungsmaßnahmen und die Übernahme der Arbeitgeberbeiträge für das Kurzarbeitergeld), auch ist ein Anstieg des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von 2,8% auf 3,0% vorgesehen. Unterstellt man aber keine weiteren Beitragssatzanhebungen bei der Sozialversicherung, dann deutet die oben beschriebene gesamtwirtschaftliche Entwicklung mit einem nur mäßigen Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts darauf hin, dass das Budgetdefizit des Staates (in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt) erneut steigt. Es dürfte in der Größenordnung von 5,5% liegen. Somit ist für die Jahre 2012 und 2013 eine kräftige Konsolidierung nötig, um sowohl die von der EU für das Jahr 2013 geforderte Einhaltung der Defizitregel von 3% zu erreichen als auch der im Grundgesetz festgelegten Verschuldungsbremse zu genügen. Abgeschlossen am 14. Dezember 2009 Anhang Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 61 62 Daten und Prognosen BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Vorausschätzung für die Jahre 2009 und 2010 2008 (1) 2009 (2) 2010 (2) 2009 1.Hj (1) Entstehung des Inlandsprodukts Veränderung in % gegenüber Vorjahr Zahl der Erwerbstätigen Arbeitszeit Arbeitstage (3) Arbeitsvolumen Produktivität (4) Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt 2010 (2) 2.Hj (2) 1.Hj 2.Hj 1,4 -1,0 0,9 1,3 0,0 1,3 0,0 -3,2 -0,1 -3,4 -1,5 -4,9 -0,7 -0,6 0,5 -0,8 2,6 1,7 0,3 -2,7 -1,7 -4,0 -2,8 -6,7 -0,3 -3,7 1,3 -2,7 -0,3 -3,0 -0,7 -1,0 0,6 -1,1 3,4 2,3 -0,7 -0,2 0,4 -0,5 1,8 1,2 1861,5 1409,7 451,8 474,7 201,8 245,0 27,9 3,9 2340,1 155,7 1179,4 1023,7 2495,8 1887,4 1414,8 472,7 433,1 159,5 246,1 27,5 -8,4 2312,1 94,7 981,4 886,7 2406,7 1909,6 1423,3 486,2 437,7 159,3 250,2 28,2 -0,4 2346,8 112,2 1061,9 949,8 2459,0 921,2 693,2 228,0 203,5 75,5 114,9 13,1 -2,9 1121,7 47,4 472,4 425,0 1169,1 966,2 721,6 244,7 229,6 84,0 131,2 14,4 -5,5 1190,4 47,3 509,0 461,7 1237,6 929,2 694,0 235,2 207,5 75,5 118,5 13,5 5,7 1142,3 59,1 517,3 458,2 1201,4 980,4 729,4 251,0 230,2 83,8 131,7 14,7 -6,1 1204,5 53,0 544,6 491,6 1257,5 2,8 2,5 3,7 4,2 2,7 5,8 1,6 3,7 3,5 5,8 2,8 1,4 0,4 4,6 -8,8 -21,0 0,5 -1,6 -1,2 -16,8 -13,4 -3,6 1,2 0,6 2,9 1,1 -0,1 1,7 2,7 1,5 8,2 7,1 2,2 1,5 0,5 4,7 -11,2 -22,9 -2,6 -1,9 -1,6 -21,1 -15,6 -5,4 1,3 0,3 4,6 -6,5 -19,2 3,3 -1,4 -0,8 -12,3 -11,2 -1,8 0,9 0,1 3,1 2,0 0,0 3,1 3,2 1,8 9,5 7,8 2,8 1,5 1,1 2,6 0,3 -0,2 0,4 2,2 1,2 7,0 6,5 1,6 3. Verwendung des Inlandsprodukts, verkettete Volumenangaben (Referenzjahr 2000) a) Mrd. EUR Konsumausgaben 1669,0 1683,4 1690,7 Private Konsumausgaben 5) 1249,9 1253,9 1255,8 Konsumausgaben des Staates 419,3 429,9 435,5 Bruttoanlageinvestitionen 468,7 429,5 433,3 Ausrüstungen 224,8 179,8 181,6 Bauten 213,8 212,9 213,9 Sonstige Anlagen 34,3 36,4 37,9 Inländische Verwendung 2114,6 2080,5 2099,3 Exporte 1161,5 996,0 1079,2 Importe 1002,1 919,1 982,5 Bruttoinlandsprodukt 2274,1 2163,7 2201,2 827,7 616,3 211,6 201,3 84,6 99,5 17,1 1018,3 479,7 439,9 1061,2 855,7 637,6 218,3 228,1 95,2 113,3 19,3 1062,1 516,2 479,3 1102,5 828,1 614,0 214,5 205,1 85,5 101,5 18,0 1030,7 527,9 475,3 1085,2 862,6 641,9 221,0 228,2 96,1 112,3 19,9 1068,5 551,3 507,3 1116,0 1,0 0,4 2,7 -11,0 -21,8 -4,2 6,8 -2,0 -18,7 -10,3 -6,7 0,8 0,3 2,4 -5,9 -18,4 3,1 5,9 -1,2 -9,6 -6,3 -3,0 0,1 -0,4 1,4 1,9 1,2 2,0 5,0 1,2 10,0 8,0 2,3 0,8 0,7 1,2 0,0 0,9 -0,9 3,2 0,6 6,8 5,8 1,2 2. Verwendung des Inlandsprodukts in jeweiligen Preisen a) Mrd. EUR Konsumausgaben Private Konsumausgaben 5) Konsumausgaben des Staates Bruttoanlageinvestitionen Ausrüstungen Bauten Sonstige Anlagen Vorratsveränderungen 6) Inländische Verwendung Außenbeitrag Exporte Importe Bruttoinlandsprodukt b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Konsumausgaben Private Konsumausgaben 5) Konsumausgaben des Staates Bruttoanlageinvestitionen Ausrüstungen Bauten Sonstige Anlagen Inländische Verwendung Exporte Importe Bruttoinlandsprodukt b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Konsumausgaben Private Konsumausgaben 5) Konsumausgaben des Staates Bruttoanlageinvestitionen Ausrüstungen Bauten Sonstige Anlagen Inländische Verwendung Exporte Importe Bruttoinlandsprodukt ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang 0,8 0,4 2,1 3,1 3,3 2,6 5,3 1,7 2,9 4,3 1,3 0,9 0,3 2,5 -8,4 -20,0 -0,4 6,3 -1,6 -14,3 -8,3 -4,9 0,4 0,2 1,3 0,9 1,0 0,5 4,0 0,9 8,4 6,9 1,7 Daten und Prognosen noch Bundesrepublik Deutschland: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 2008 (1) 2009 (2) 2010 (2) 2009 1.Hj (1) 2.Hj (2) 4. Preisniveau der Verwendungsseite des Inlandsprodukts (2000=100) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Konsumausgaben 2,0 Private Konsumausgaben 5) 2,1 Konsumausgaben des Staates 1,6 Bruttoanlageinvestitionen 1,1 Ausrüstungen -0,6 Bauten 3,1 Sonstige Anlagen -3,6 Inländische Verwendung 1,9 Exporte 0,6 Importe 1,4 Bruttoinlandsprodukt 1,5 5. Einkommensentstehung und -verteilung a) Mrd. EUR Primäreinkommen der privaten Haushalte Sozialbeiträge der Arbeitgeber Bruttolöhne und -gehälter Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte Primäreinkommen der übrigen Sektoren Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) Abschreibungen Bruttonationaleinkommen nachrichtlich: Volkseinkommen Arbeitnehmerentgelte Unternehmens- und Vermögenseinkommen b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Primäreinkommen der privaten Haushalte Sozialbeiträge der Arbeitgeber Bruttolöhne und -gehälter Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten Nettolöhne und -gehälter je Beschäftigten Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte Primäreinkommen der übrigen Sektoren Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) Abschreibungen Bruttonationaleinkommen nachrichtlich: Volkseinkommen Arbeitnehmerentgelte Unternehmens- und Vermögenseinkommen b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Masseneinkommen Nettolöhne und -gehälter Monetäre Sozialleistungen abz. Abgaben auf soziale Leistungen, verbrauchsnahe Steuern Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte Verfügbares Einkommen Private Konsumausgaben 5) Sparen 2.Hj 0,5 0,0 2,0 -0,4 -1,2 0,9 -7,5 0,4 -3,0 -5,6 1,4 0,7 0,5 1,6 0,2 -1,1 1,2 -1,3 0,6 -0,1 0,2 0,4 0,5 0,1 2,0 -0,2 -1,3 1,6 -8,1 0,4 -3,0 -5,9 1,5 0,5 0,0 2,1 -0,6 -1,0 0,2 -6,9 0,4 -2,9 -5,2 1,2 0,8 0,5 1,8 0,1 -1,2 1,1 -1,6 0,6 -0,5 -0,2 0,5 0,6 0,4 1,4 0,3 -1,1 1,3 -1,0 0,6 0,2 0,6 0,4 1830,6 229,2 995,8 605,5 338,9 2169,4 367,6 2537,0 1807,4 231,4 991,3 584,7 275,2 2082,6 365,8 2448,4 1795,6 232,6 990,8 572,2 337,3 2132,9 368,5 2501,5 898,5 112,9 472,2 313,5 97,5 996,0 185,4 1181,4 908,9 118,6 519,1 271,2 177,7 1086,6 180,5 1267,0 882,2 112,0 467,8 302,4 145,6 1027,8 186,3 1214,1 913,4 120,7 523,0 269,7 191,7 1105,1 182,3 1287,4 1886,0 1225,1 661,0 1809,2 1222,7 586,4 1853,9 1223,4 630,4 859,1 585,1 274,1 950,0 637,7 312,3 888,0 579,8 308,2 965,9 643,7 322,3 3,9 2,8 4,0 2,3 1,5 4,2 -4,9 2,4 2,2 2,4 -1,3 1,0 -0,5 -0,4 -0,8 -3,4 -18,8 -4,0 -0,5 -3,5 -0,7 0,5 -0,1 1,0 2,4 -2,1 22,6 2,4 0,7 2,2 -0,4 2,1 0,1 -0,3 -1,3 -2,0 -38,7 -6,1 0,0 -5,2 -2,1 -0,1 -0,9 -0,3 -0,3 -5,1 -1,2 -1,9 -1,0 -1,8 -1,8 -0,8 -0,9 0,3 1,9 -3,5 49,3 3,2 0,5 2,8 0,5 1,8 0,7 1,6 2,8 -0,5 7,9 1,7 1,0 1,6 2,5 3,7 0,2 -4,1 -0,2 -11,3 2,5 0,1 7,5 -6,6 0,5 -18,7 -1,7 -0,8 -3,6 3,4 -0,9 12,4 1,7 0,9 3,2 499,0 299,1 243,6 540,4 337,9 246,0 508,4 301,0 251,9 551,9 344,4 252,0 43,8 313,5 -32,4 780,1 14,9 693,2 101,8 43,5 271,2 -26,7 784,9 15,7 721,6 79,0 44,4 302,4 -26,0 784,8 15,2 694,0 106,0 44,5 269,7 -26,8 794,8 16,1 729,4 81,6 6. Einkommen und Einkommensverwendung der privaten Haushalte und priv. Org. o.E. a) Mrd. EUR Masseneinkommen 1017,1 1039,3 1060,3 Nettolöhne und -gehälter 642,7 637,0 645,4 Monetäre Sozialleistungen 452,7 489,6 503,9 abz. Abgaben auf soziale Leistungen, verbrauchsnahe Steuern 78,3 87,2 88,9 Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte 605,5 584,7 572,2 Sonstige Transfers (Saldo) -64,5 -59,0 -52,8 Verfügbares Einkommen 1558,1 1565,0 1579,7 Zunahme betriebl. Versorgungsansprüche 30,1 30,6 31,3 Private Konsumausgaben 5) 1409,7 1414,8 1423,3 Sparen 178,5 180,8 187,6 Sparquote 7) 2010 (2) 1.Hj 11,2 11,3 11,6 12,8 9,9 13,3 10,1 2,1 3,2 0,7 2,2 -0,9 8,2 2,0 1,3 2,9 1,9 -0,9 7,5 2,4 -0,9 8,8 1,9 0,6 3,4 2,1 1,9 2,4 2,0 4,2 2,7 2,5 7,7 11,4 -3,4 0,4 0,4 1,3 1,9 -2,1 0,9 0,6 3,7 12,6 -2,0 0,5 0,5 1,3 10,2 -5,1 0,4 0,3 1,3 1,5 -3,5 0,6 0,1 4,1 2,3 -0,5 1,3 1,1 3,2 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 63 64 Daten und Prognosen noch Bundesrepublik Deutschland: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 2008 (1) 2009 (2) 2010 (2) 2009 1.Hj (1) 2.Hj (2) 2010 (2) 1.Hj 2.Hj 7. Einnahmen und Ausgaben des Staates a) Mrd. EUR Einnahmen Steuern Sozialbeiträge Vermögenseinkünfte Sonstige Übertragungen Vermögensübertragungen Verkäufe Sonstige Subventionen Einnahmen insgesamt 592,6 408,1 18,3 14,8 10,1 47,6 0,4 1091,8 565,9 413,1 18,8 13,3 8,6 49,2 0,5 1069,5 548,6 414,4 15,8 13,2 9,4 50,4 0,5 1052,2 285,7 202,1 12,8 6,4 3,9 23,3 0,2 534,3 280,2 211,1 6,1 6,9 4,8 25,9 0,3 535,2 275,1 200,0 10,2 6,3 4,7 24,0 0,2 520,4 273,5 214,4 5,6 6,9 4,7 26,4 0,3 531,8 Ausgaben Vorleistungen Arbeitnehmerentgelte Sonstige Produktionsabgaben Vermögenseinkünfte (Zinsen) Subventionen Monetäre Sozialleistungen Soziale Sachleistungen Sonstige Transfers Vermögenstransfers Bruttoanlageinvestitionen Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern Ausgaben insgesamt 106,6 172,1 0,1 67,1 28,0 421,6 185,8 40,3 33,2 37,4 -1,4 1090,8 113,0 177,7 0,1 64,0 31,5 443,3 195,8 47,8 30,8 40,2 -1,1 1142,9 117,6 180,0 0,1 67,0 29,1 457,1 202,7 51,1 27,9 45,5 -1,2 1176,8 52,1 84,9 0,0 31,5 15,5 220,5 96,5 20,7 15,7 16,8 -0,5 553,7 60,9 92,8 0,0 32,5 16,0 222,8 99,3 27,0 15,1 23,4 -0,7 589,1 54,7 86,2 0,0 33,2 14,3 228,5 100,2 24,4 13,1 19,9 -0,5 574,1 63,0 93,8 0,0 33,8 14,8 228,6 102,5 26,7 14,8 25,5 -0,7 602,8 Finanzierungssaldo 1,0 -73,3 -124,7 -19,4 -53,9 -53,7 -71,0 b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Einnahmen Steuern Sozialbeiträge Vermögenseinkünfte Sonstige Übertragungen Vermögensübertragungen Verkäufe Sonstige Subventionen Einnahmen insgesamt 2,8 2,1 0,2 6,3 3,6 1,5 2,5 -4,5 1,2 3,2 -10,5 -14,5 3,5 -2,0 -3,1 0,3 -16,2 -1,0 9,0 2,3 -1,6 -4,2 2,6 7,4 -11,9 -28,6 2,7 -1,5 -4,8 0,0 -4,6 -9,2 1,7 4,3 -2,6 -3,7 -1,0 -20,4 -1,4 21,6 2,7 -2,6 -2,4 1,6 -7,6 -0,6 -1,1 1,9 -0,6 5,3 2,2 -0,3 1,4 0,7 4,2 10,4 11,0 9,1 2,8 6,0 3,2 -4,6 12,2 5,1 5,4 18,6 -7,3 7,5 4,8 4,1 1,3 4,7 -7,4 3,1 3,5 7,0 -9,5 13,0 3,0 6,3 3,1 -7,4 14,5 4,4 5,3 1,5 -10,3 3,3 3,5 5,7 3,3 -1,8 10,1 5,9 5,5 36,2 -3,9 10,6 6,0 4,9 1,5 5,4 -7,6 3,7 3,8 17,8 -16,3 18,5 3,7 3,4 1,1 4,1 -7,3 2,6 3,2 -1,3 -2,4 9,1 2,3 0,0 -3,0 -5,1 -1,7 -4,4 -4,5 -5,6 Ausgaben Vorleistungen Arbeitnehmerentgelt Sonstige Produktionsabgaben Vermögenseinkünfte (Zinsen) Subventionen Monetäre Sozialleistungen Soziale Sachleistungen Sonstige Transfers Vermögenstransfers Bruttoanlageinvestitionen Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern Ausgaben insgesamt nachrichtlich: Finanzierungssaldo in % des BIP 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Vorausschätzung des ifo Instituts; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Veränderung der Arbeitstage voll berücksichtigt. Bruttoinlandsprodukt in Vorjahrespreisen je Erwerbstätigenstunde. Konsumausgaben der privaten Haushalte und der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck. Einschließlich Nettozugang an Wertsachen. Ersparnis in % des verfügbaren Einkommens (einschließlich der Zunahme an betrieblichen Versorgungsansprüchen). ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Einbrechende Investitionen und der Gesetzgeber bremsen das Leasing 23% weniger Neugeschäft 2009 65 Arno Städtler und Joachim Gürtler Die Rezession hat ungebremst auf die Leasingbranche durchgeschlagen, wie der neueste ifo Investitionstest bei den deutschen Leasinggesellschaften zeigt, der auch in diesem Jahr wieder zusammen mit dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) durchgeführt wurde. In den ersten drei Quartalen von 2008 erhielt die Entwicklung in der Leasingbranche noch Rückenwind von einer passablen Investitionskonjunktur. Ab dem Spätherbst wurden dann aber sowohl die Investitionstätigkeit als auch das Leasing abrupt ausgebremst. Im Jahresdurchschnitt konnte im Neugeschäft mit Mobilien schließlich noch ein moderates Wachstum von 2,5% auf über 50,8 Mrd. €. generiert werden. Das ImmobilienLeasing brach hingegen um rund 34% ein. Dadurch ging das gesamte Leasing-Neugeschäft 2008 um 1,1% zurück, und der Anteil des Leasings an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen ohne Wohnungsbau reduzierte sich von 17,0 auf 16,1%. Die Mobilien-Leasingquote blieb hingegen unverändert bei 22,1%. Die ohnehin schon sehr pessimistischen Prognosen für die Entwicklung der Anlageinvestitionen im Jahr 2009 wurden von der Realität noch weit übertroffen. Die Ausrüstungsinvestitionen setzten zu Jahresbeginn ihre rasante Talfahrt – trotz wieder eingeführter degressiver Abschreibung – fort. Von dieser Entwicklung wurde das Mobilien–Leasing, im Gegensatz zu den früheren Rezessionen, mit voller Wucht getroffen. Hierfür sind in erster Linie die negativen Auswirkungen der Unternehmensteuerreform von 2008 und die Refinanzierungsproblematik im Gefolge der Bankenkrise verantwortlich. Nach den Trendumfragen des Bundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen (vgl. BDL 2009) stürzte das Neugeschäft beim Leasing beweglicher Wirtschaftsgüter von Januar bis September 2009 (nominal) um rund 24% ab. Das ist in der 47-jährigen Geschichte des Leasings in Deutschland ein einmaliger Vorgang und wird auch die Investitionsmöglichkeiten mittelständischer Unternehmen tangieren. Im Jahresdurchschnitt wird sich die Geschäftseinbuße beim Leasing auf fast 23% belaufen, dabei dürfte das Mobilien-Leasing um knapp 23% schrumpfen und das Immobilien-Leasing um 22%. Nach der Herbstprognose der Institute für die gesamtwirtschaftlichen Investitionen, die für 2009 einen Rückgang von nominal gut 13% unterstellt, bedeutet dies für die Leasingquote 2009 einen Rückgang von 16,1 auf 14,4%. Der laufende Investitionszyklus hat zwar im Jahr 2009 seinen Tiefpunkt durchschritten, die Aussichten auf ein baldiges Anziehen der Investitionsausgaben sind jedoch gering. Die rezessive Entwicklung der Investitionen könnte sogar noch länger andauern. Der ifo/BDL-Investitionsindikator zeigt auch über weite Teile des Jahres 2010 noch rückläufige Ausgaben für Ausrüstungsgüter an. Das Auslaufen der degressiven Abschreibung (diesmal mit einem Satz von 25%) könnte aber zumindest in den letzten Monaten von 2010 zu vorgezogenen Ausrüstungskäufen führen. Die in den beiden Konjunkturpaketen der Bundesregierung bereitgestellten Mittel für öffentliche Investitionen in die Infrastruktur werden in erster Linie die Bauinvestitionen stützen. Bei diesem Szenario bleiben die Geschäftsmöglichkeiten der Leasingbranche eingeschränkt. Für die weitere Entwicklung der Branche wird es darauf ankommen, wie weit die neue Regierung bereit ist, die vor allem für die mittelständischen Leasinggesellschaften belastenden Teile der Unternehmensteuerreform von 2008 – insbesondere die Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer – nachzubessern. ifo Investitionserhebung Leasing Die Erhebungsunterlagen für die jüngste Leasingumfrage, die wie immer als Totalerhebung angelegt ist, wurden an alle bekannten Vermieter von mobilen und immobilen Anlagegütern in Deutschland versandt. Dabei hat der Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen seine Mitglieder befragt und das ifo Institut die übrigen Leasinggesellschaften. Unberücksichtigt bleiben Firmen, die die kurz- fristige Vermietung (Renting) von Ausrüstungsgütern, wie z.B. Fahrzeugen, betreiben, sowie Immobilienfonds, Bauträgergesellschaften, Developer, Pensionsfonds und sonstige Institutionen, die vor allem gewerbliche Immobilien bauen und vermieten. Die in den Jahren 2008 und 2009 neu gegründeten Leasinggesellschaften wurden, soweit möglich, bereits in die Erhebung aufgenommen. Die Beteiligung 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 66 Daten und Prognosen am ifo Investitionstest war auch in diesem Jahr sehr hoch, vor allem unter den in den Handelsregistern eingetragenen Leasinggesellschaften mit mindestens 500 000 € Nominalkapital. So konnte für den Bereich der herstellerunabhängigen Leasinggesellschaften durch Hinzuschätzen der fehlenden Angaben – von ausschließlich kleineren Firmen – über ein differenziertes Rechenverfahren ein Gesamtwert der Investitionen ermittelt werden. Für die Herstellervermietung und das Hersteller-Leasing sind nur die Berichtskreisinvestitionen ausgewiesen, da uns wohl nicht alle Produzenten, Händler oder Importeure, die im Vermietgeschäft tätig sind, bekannt sind. Nachdem in der Umfrage jedoch alle bedeutenden Anbieter berücksichtigt wurden, dürfte dieser Bereich der Anlagenvermietung sehr hoch repräsentiert sein. Wie schon in den vergangenen Jahren, sind auch aktuell wieder etliche Leasinggesellschaften – vor allem mittelständische – aus dem Markt und damit auch aus dem Berichtskreis des ifo Investitionstests ausgeschieden. Gemessen am Bestand ist deren Zahl 2009 relativ hoch. Offenbar haben die umstrittene Unternehmensteuerreform von 2008 und die Finanzkrise hier ihre Wirkung entfaltet. Vor allem diejenigen, die solide aufgestellt sind, ein zukunftsorientiertes Geschäftsmodell aufweisen und sowohl ihre Kunden als auch ihre Finanziers von ihrem Produkt überzeugen können, dürften jedoch ohne größere Blessuren bis zum nächsten Aufschwung durchhalten, falls sie nicht wegen einer überbordenden bürokratischen Belastung die Branche verlassen. Konkret wurden in der Investitionsbefragung die Neuzugänge auf den Anlagekonten der Leasinggesellschaften in den Jahren 2007 und 2008 sowie die Güterstruktur und die Empfängersektoren erhoben. Außerdem wurde nach den effektiven Anschaffungswerten und nach den Buchwerten der am 31. Dezember 2008 noch vermieteten Objekte gefragt. Hinzu kamen Angaben zur Anzahl der 2008 neu kontrahierten und der insgesamt verwalteten Verträge sowie zu den Erwartungen für das Neugeschäft im Jahr 2009. In einer ergänzenden Sonderfrage wurden auch die Stückzahlen der neu vermieteten Straßenfahrzeuge erhoben. 2008: Einbruch im vierten Quartal Die deutsche Investitionsgüterindustrie wurde im Laufe des zweiten Halbjahrs 2008 mit einem bisher nicht erlebten jähen Absturz bei den Auftragseingängen konfrontiert. Trotz teilweise noch vorhandener Auftragspolster sank die Kapazitätsauslastung rapide, die deutsche Wirtschaft ist im Herbst 2008 in eine schwere Rezession abgeglitten. Noch vor dem Jahreswechsel kam es verbreitet zu Kurzarbeit oder temporären Werksschließungen, wie z.B. in der Automobilindustrie. Angesichts der wegbrechenden Nachfrage nach Industriegütern bewegten sich die Produktionsifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang kapazitäten in rasantem Tempo von der Normal- in die Unterauslastung. Angesichts dieser prekären Entwicklung hielten sich die Unternehmen im Schlussquartal merklich mit Neuinvestitionen zurück. Dies betraf nicht nur neue Bestellungen, es wurden auch in ungewöhnlichem Maße bereits erteilte Aufträge annulliert. Die Stornoquote vervierfachte sich in einigen Industriezweigen gegenüber dem langfristigen Durchschnitt. Das Statistische Bundesamt stellte fest, dass die Investitionstätigkeit der Unternehmen in den letzten drei Monaten des Jahres 2008 regelrecht eingebrochen ist. Nachdem die Ausrüstungsinvestitionen im zweiten Quartal noch um nominal 6,3% und im dritten Quartal um 5,3% zugelegt hatten, gab es im vierten Quartal ein Minus von 3,5%. Im Jahresdurchschnitt wuchsen die Ausrüstungsinvestitionen einschließlich der sonstigen Anlagen schließlich nur noch um 2,5% nach + 9,3% (revidiert) im Jahr 2007. Damit ist dieser Investitionszyklus, der fünf Jahre lang für Wachstum bei den Ausrüstungsinvestitionen sorgte, beendet. Dieser Entwicklung der Investitionstätigkeit folgte das Leasing weitgehend. Wie die Ergebnisse des jüngsten ifo Investitionstests zeigen, verringerte sich das Leasing-Neugeschäft 2008 um 1,1% auf 54,4 Mrd. €, bei fast 1,8 Mill. Verträgen. Dieses Ergebnis resultierte aus einem moderaten Zuwachs beim Mobilien-Leasing (+ 2,5%) und einem kräftigen Rückgang beim Immobilien-Leasing (– 34,3%). Das Mobiliengeschäft der herstellerunabhängigen Gesellschaften ging um 2,8% zurück. Die Unternehmen aus dem Bereich Herstellervermietung und -Leasing generierten dagegen ein Plus im Neugeschäft von 7,4% (vgl. Tab. 1). Durch die stark rückläufige Entwicklung beim ImmobilienLeasing verringerte sich die Leasingquote, also der Anteil der gesamten Leasinginvestitionen an den gesamtwirtschaftlichen Anlageinvestitionen (ohne Wohnungsbau) in der Bundesrepublik 2008 von 17,0 auf 16,1%. Beim Mobilien-Leasing blieb die Quote hingegen unverändert bei 22,1% (vgl. Tab. 2). Die effektiven Anschaffungswerte aller noch vermieteter Wirtschaftsgüter – ohne Berücksichtigung der Abschreibungen – summierten sich am 31. Dezember 2008 für die gesamte Leasingbranche auf knapp 250 Mrd. €, verteilt auf rund 5,1 Mill. Verträge. Fahrzeug-Leasing noch auf Wachstumskurs – Big Tickets stark rückläufig Die Autokonjunktur nahm 2008 wieder Fahrt auf, das wirkte sich positiv auf die Leasingbranche aus, denn Stra- Daten und Prognosen Tab. 1 Bruttoanlageinvestitionen 2001–2009 in jeweiligen Preisen Bundesrepublik Deutschland 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 a) 2009 b) Herstellerunabhängiges Leasing Investitionen (in Mill. ) Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) 28 630 28 830 27 470 25 260 26 570 28 720 29 400 26 880 20 280 2,1 0,7 – 4,7 – 8,0 5,2 8,1 2,4 – 8,6 – 24,6 23 650 25 620 27 520 21 800 16,4 8,7 1,0 c) Anlagenvermietung insgesamt 8,3 7,4 – 20,8 52 370 55 020 54 400 42 080 4,8 5,1 – 1,1 – 22,6 Hersteller-Leasing Investitionen (in Mill. ) Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) 18 600 18 440 18 500 1,4 – 0,9 0,3 21 540 23 420 Investitionen (in Mill. ) 47 230 47 270 45 970 46 800 49 990 Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) 1,8 0,1 – 2,8 1,8 6,8 a) b) c) Vorläufig. – Anhand der Planangaben berechnet. – Soweit erfasst. Quelle: ifo Investitionstest. Tab. 2 a) Gesamtwirtschaftliche Investitionen 2001–2009 in jeweiligen Preisen Bundesrepublik Deutschland Gesamtwirtschaftliche Investitionenb) (in Mill. ) Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) Zum Vergleich: Leasing-Investitionene) (in Mill. ) Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) Leasingquote (in %) darunter: Gesamtwirtschaftliche Ausrüstungsinvestitionenf) (in Mill. ) Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) Investitionen des MobilienLeasings (in Mill. ) Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008c) 2009d) 290 670 268 590 263 620 266 100 272 630 296 190 322 780 337 420 292 500 – 3,6 – 7,6 – 1,9 0,9 2,5 8,6 9,0 4,5 – 13,3 47 230 47 270 45 970 46 800 49 990 52 375 55 020 54 400 42 080 1,8 16,2 0,1 17,6 – 2,8 17,4 1,8 17,6 6,8 18,3 4,8 17,7 5,1 17,0 – 1,1 16,1 – 22,6 14,4 192 270 176 380 173 680 179 380 186 700 204 950 224 030 229 720 186 000 – 4,1 – 8,3 – 9,7 3,3 4,1 9,8 9,3 2,5 – 19,0 39 780 38 260 38 450 41 830 44 250 44 880 49 600 50 840 39 300 3,0 – 3,8 0,5 8,8 5,8 1,4 10,5 2,5 – 22,7 Mobilien-Leasingquote (in %) 20,7 21,7 22,1 23,3 23,7 21,9 22,1 22,1 21,1 Gesamtwirtschaftliche a) 98 400 92 210 89 940 86 720 85 930 91 240 98 750 107 700 106 500 Bauinvestitionen (in Mill. ) Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) – 2,5 – 6,3 – 8,6 – 3,6 – 0,9 6,2 8,2 9,1 – 1,1 Investitionen des ImmobilienLeasings (in Mill. ) 7 450 9 010 7 520 4 970 5 740 7 495 5 420 3 560 2 780 Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (in %) – 4,0 20,9 – 16,5 – 33,9 15,5 30,6 – 27,7 – 34,3 – 21,9 Immobilien-Leasingquote (in %) 7,6 9,8 8,4 5,7 6,7 8,2 5,5 3,3 2,6 a) Ohne Wohnungsbau. Zeitreihen vom Statistischen Bundesamt revidiert. – b) Brutto-Anlageinvestitionen nach neuem Statistikkonzept (ESVG). – c) Vorläufig. – d) Anhand der Planangaben berechnet. – e) Soweit erfasst. – f) Einschließlich sonstiger Angaben (z.B. Software). Quelle: ifo Investitionstest; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 67 68 Daten und Prognosen ßenfahrzeuge sind für sie die mit großem Abstand wichtigste Gütergruppe. Die Inlandszulassungen von Pkw erhöhten sich von Januar bis Juli gegenüber dem Vorjahr um 3,3% und bei Lkw sogar um 5,6%. In den folgenden Monaten waren dann teils kräftige Rückgänge der Zulassungszahlen zu beobachten – allein im November belief sich das Minus auf knapp 18%. Außerdem ist bereits ein deutliches Downsizing bei Modellen und Motoren auch beim Leasing festzustellen. Angesichts der Produktionsstilllegungen in der Autoindustrie in den letzten Wochen des Jahres stellte sich 2008 schließlich insgesamt ein Minus bei den Fahrzeugkäufen (in Stück) von 1,8% ein. Wertmäßig konnte hingegen das Vorjahresniveau gehalten werden. Wesentlich besser als der Markt entwickelte sich 2008 das Auto-Leasing. Die Zahl der neu verleasten Fahrzeuge erhöhte sich 2008 immerhin um fast 6% auf 1 364 200. Gemessen an den gesamten Neuzulassungen in der Bundesrepublik stieg der Marktanteil des Leasings in diesem Produktsegment somit deutlich von 36,3 auf 37,4%. Wertmäßig entfielen 62,1% der Leasinginvestitionen auf Straßenfahrzeuge (2007: 58,3%), und deren Anteil am Wert der gesamten gewerblichen Fahrzeugkäufe (Leasingquote) stellte sich auf 58,4% (2007: 55,3%). Das heißt, dass das Leasing auch 2008 die eindeutig bedeutendste Beschaffungsform bei Fahrzeuginvestitionen geblieben ist. Von den 1 364 200 im Jahr 2008 neu vermieteten Straßenfahrzeugen waren 1 177 100 Pkw und Kombi (+ 7,2%) sowie 187 100 Lkw, Busse, leichte Nutzfahrzeuge und Anhänger (– 4,2%). Von den markenunabhängigen Leasinggesellschaften wurden rund 349 200 Straßenfahrzeuge neu vermietet, im Bereich des Hersteller-Leasings rund 1 015 000 (vgl. Tab. 3). Tab. 3 Kraftfahrzeug-Leasing 2008 Investitionen des Fahrzeug-Leasings in Mill. Stückzahlen a) 33 800 1 364 200 davon: Herstellerunabhängiges Leasing in Mill. Stückzahlen Herstellerabhängiges Leasing in Mill. Stückzahlen 24 460 1 015 000 Gesamte Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen in Deutschland Stückzahlen 3 650 180 9 340 349 200 davon: Leasing-Fahrzeuge in % a) Neuzugänge. Quelle: ifo Investitionstest; Kraftfahrt-Bundesamt. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang 37,4 Den zweiten Platz unter den neu verleasten Gütern behaupteten auch 2008 wieder die Maschinen für die Produktion. Ihr Anteil beträgt jetzt 13,4% (2007: 13,2%) der gesamten Leasinginvestitionen. Nach der EU-einheitlichen Gütersystematik zählen hierzu auch Gabelstapler, Flurförderfahrzeuge und Baugeräte. Der Computer- und Kommunikationsbereich zählt zwar heute nicht mehr zu den Wachstumstreibern, er ist aber noch immer einer der innovativsten in der Wirtschaft. Jeder, der sich mit ihm beschäftigt, muss sich dem rasanten Entwicklungstempo und der teils enormen Markt- und Preisvolatilität anpassen, das gilt natürlich auch für die Leasinggesellschaften. Die Büromaschinen und Datenverarbeitungsanlagen, die bis 1984 im Leasinggeschäft immer dominiert hatten, verloren in den Folgejahren – mit dem Siegeszug des PCs – kontinuierlich Anteile an den gesamten Leasinginvestitionen. Dieser Trend konnte seit 1997 gestoppt werden. Seit dem Jahr 2002 – nach Jahrtausendwende und Euroumstellung – musste das EDV-Leasing bei nominaler Betrachtung aber größtenteils wieder Rückgänge hinnehmen, so auch 2008. Die Leasinginvestitionen gingen in diesem Segment gegenüber 2007 um 4,5% zurück; das ist angesichts der hier immer noch anhaltenden Preissenkungsrunden und der wesentlich stärkeren Einbrüche in den übrigen Produktkategorien ein ordentliches Ergebnis. Der Anteil des IT-Bereichs am gesamten Leasingvolumen reduzierte sich von 8,1 auf 7,8%. Das Wachstum dieser Produktgruppe wird bei nominaler Betrachtung allerdings stark unterzeichnet, da bei EDV-Anlagen und Büroequipment einschließlich der Software die Preise seit vielen Jahren rückläufig sind. Experten gehen davon aus, dass dieser Preisverfall noch nicht beendet ist. Seit dem Ende der achtziger Jahre werden in Deutschland Software-Leasingverträge auch separat von Hardware-Verträgen angeboten. Dieses Marktsegment wächst seit einigen Jahren kontinuierlich und bietet den Leasinggesellschaften die Möglichkeit, an der zügigen Expansion dieser immateriellen Wirtschaftsgüter zu partizipieren. Die »sonstigen Ausrüstungsgüter« einschließlich Nachrichten-, Medizin- und Signaltechnik sowie immaterieller Wirtschaftsgüter wurden 2008 überdurchschnittlich nachgefragt, sie hatten ein Plus von 6,4% zu verzeichnen, damit erhöhte sich ihr Anteil an den gesamten Leasinginvestitionen von 6,8 auf 7,3%, das bedeutet Platz 4. In dieser Gruppe gibt es neben hochpreisigen immateriellen Assets ein extrem heterogenes Bündel von Leasinggütern, die auch recht unterschiedliche Entwicklungen aufzuweisen hatten. Auf dem Gebiet der Telekommunikation besteht beispielsweise nach wie vor ein erheblicher Investitionsbedarf, der sich nicht nur auf relativ niedrigpreisige Endgeräte, sondern auch auf teure Vermittlungstechnik, Sendeanlagen Daten und Prognosen und Satelliten erstreckt. Diese Technologien erfordern einen enormen Kapitalbedarf, der auch mittels Leasing gedeckt werden kann. Mit dem wachsenden Bedarf an neuen Fernsehdiensten, Handy-TV und vor allem schnellen und breitbandigen Internetverbindungen zwischen den Kontinenten investieren die Satellitenbetreiber massiv in neue Kapazitäten. Mit dem Angebot neuer Mobilfunkdienste steigt auch der Bedarf an Übertragungseinrichtungen enorm. Zahlreiche Funkstationen befinden sich bereits im Eigentum von Leasinggesellschaften. Unternehmen investieren auch in beträchtlichem Umfang in immaterielle Wirtschaftsgüter, nicht zuletzt die Neugründungen im Dienstleistungssektor. Schließlich zählen auch die Produkte der Medizintechnik zur Rubrik der sonstigen Ausrüstungsgüter. Der weltweit wachsende Markt für Medizintechnik umfasst sowohl Massenprodukte als auch Hightech-Artikel, die fast alle auch auf dem Wege des Leasings vertrieben werden. Sogar für aufwendige Spitzentechnologien wie Protonenquellen wurden Leasingkonzepte entwickelt. Die deutschen Medizintechnikanbieter rangieren in der international führenden Topliga weit oben und erweitern ständig ihre Systemkompetenzen um Dienstleistungen, zu denen auch Finanzdienstleistungen wie das Leasing zählen. Diese Instrumente können dazu beitragen, den beträchtlichen Investitionsstau in deutschen Krankenhäusern aufzulösen, der nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft auf 40 Mrd. € geschätzt wird. Andere Experten halten diesen Ansatz sogar für eher konservativ. Auf Platz 5 landeten die Produktionsgebäude, Lagerhallen, sonstige Bauten sowie die kompletten Produktions- und Versorgungsanlagen mit 3,6%. Den sechsten und letzten Platz teilen sich 2008 mit je 2,9% Handelsobjekte, Geschäfts- und Bürogebäude sowie Luft-, Wasser- und Schienenfahrzeuge, letztere verloren gegenüber 2007 fast ein Viertel ihres Volumens. Dieses Produktsegment hat seit jeher eine sehr volatile Entwicklung aufzuweisen. Das Leasing von Luft-, Wasser- und Schienenfahrzeugen war in der Periode 2001/2002 eingebrochen. Dafür sorgten damals die geänderten steuerlichen Rahmenbedingungen und die schwere Krise in der internationalen Luftfahrt. In den Jahren 2003 und 2004 nahmen dann die Leasinginvestitionen bei diesen Big Tickets wieder um 20 und 30% zu. 2005 und 2006 folgte ein kräftiger Rückgang. Im Jahr 2007 erlebte das Segment einen Boom mit einer Wachstumsrate von 69%. Strukturwandel unangefochten auch die Nummer 1 im Leasing. Die Leasinggesellschaften erhöhten hier auch 2008 ihre Investitionen um rund 5% und platzierten damit ein knappes Drittel ihres Neugeschäfts in diesem äußerst facettenreichen Wirtschaftsbereich. Dieser Sektor wird in Deutschland hinsichtlich seiner Bedeutung noch häufig unterschätzt, was wohl auch daran liegt, dass er ein sehr heterogenes Konglomerat von Gewerbezweigen ist. Es erstreckt sich vom Hotel- und Gaststättengewerbe über Banken, Versicherungen, Rundfunkanstalten, Filmgesellschaften, Internetprovider, Autovermieter, EDV- und Multimedia-Dienstleister, Unternehmensberater, Verlage, Werbeagenturen, Callcenter, Bewachungs- und Reinigungsunternehmen bis hin zu mittelständischen Selbständigen wie Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten, Ingenieurbüros, Steuerberatern, Maklern und privaten Stellenvermittlern. In diesen Berufsgruppen machen die besonders leasinggeeigneten Fahrzeuge und Büromaschinen einschließlich EDV-Anlagen den größten Teil des Investitionsbedarfs aus, weshalb sie schon immer eine interessante Zielgruppe für die Leasinggesellschaften waren. Besonders bei den unternehmensnahen Dienstleistern entstehen nach wie vor neue Arbeitsplätze, die mit Investitionsgütern von hoher Leasingaffinität ausgestattet werden. Das verarbeitende Gewerbe war von Anfang an der wichtigste Kunde der Leasinggesellschaften und konnte diese Abb. 1 Leasingquoten Bundesrepublik Deutschland a) Anteil des Leasings an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen in % 28 26 24 22 20 18 16 Mobilien-Leasing b) 14 12 Leasing insgesamt 10 8 6 4 Dienstleistungsunternehmen, der Staat und die privaten Haushalte steigerten ihre Leasingengagements am kräftigsten Seit dem Jahr 1996 ist der Dienstleistungssektor als größter Bereich der deutschen Wirtschaft und Gewinner im 2 0 79 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 09 a) b) Ohne Wohnungsbau. Ab 1991 neues Statistikkonzept (ESVG). Anteil des Mobilien-Leasings an den gesamtwirtschaftlichen Ausrüstungsinvestitionen. 2009: vorläufig. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 69 70 Daten und Prognosen Position 30 Jahre lang halten, danach ging sein Anteil an den gesamten Leasinginvestitionen ziemlich stetig zurück. Seit 2005 erhöhte er sich in diesem Sektor wieder, zuletzt erreichte sein Anteil einen Wert von 21,7%. Dies bedeutet weiterhin Rang 2. Auch der Handel gehört zu den traditionellen Wirtschaftsbereichen, die als Leasingkunden jahrelang an Gewicht verloren hatten. Seit 1998 bewegte sich sein Anteil an den Leasinginvestitionen gelegentlich auch nach oben. 2007 nahmen die Leasingengagements des Handels sogar sprunghaft um über 25% zu, wodurch sein Anteil von 12,7 auf 15,3% hochschnellte; 2008 reduzierten sich hier die Leasinginvestitionen jedoch um rund 18%. Der Anteil von 12,9% reichte aber erneut für den dritten Platz. Diese auffälligen Bewegungen werden meist durch das Immobilien-Leasing ausgelöst. Nach einem Zuwachs um 10% im Jahr 1999 war das Privat-Leasing (Straßenfahrzeuge) von 2000 bis 2002 rückläufig. Im Jahr 2003 belebten sich die Geschäfte in diesem Segment merklich und 2004 sogar um über 20%. 2005 war das Wachstum deutlich geringer. Im Jahr 2006 führten die Effekte im Vorfeld der Mehrwertsteuererhöhung von 2007 zu einem Rückgang des privaten Auto-Leasings. Mit einem unterdurchschnittlichen Wachstum (+ 3,9%) verminderte sich der Anteil diese Marktsegments an den Leasinginvestitionen von 10,6 auf 10,5%. Im Jahr 2008 sorgte ein Wachstum von 15% für einen Anteil von 12,2% und beförderte diese Kundengruppe schließlich auf Rang 4. Derart kräftige Wachstumsschwankungen sind im Privat-Leasing nicht ungewöhnlich. Die Hersteller, die hier mit einem Marktanteil von über 90% klar dominieren, beeinflussen mit unterschiedlich starken Verkaufsanreizen für den Autokredit oder das Auto-Leasing die Entwicklung dieser Leasingsparte maßgeblich. Auch im Jahr 2008 promoteten einige Hersteller das Privat-Leasing, einige sogar sehr intensiv. Im Mittelpunkt dieser Aktionen standen nicht nur günstige Leasingraten, sondern auch zusätzliche Dienstleistungspakete. Bei diesem »Bundling« werden beispielsweise Versicherungen, Garantieverlängerungen, Assistanceleistungen und Inspektionsschecks offeriert. Der Autobranche ging es dabei nicht zuletzt auch darum, wieder mehr private Kunden in ihre Verkaufsräume zu locken, denn 1992 wurden noch zwei Drittel aller neuen Pkw von Privatpersonen zugelassen, 2008 ist dieser Anteil auf rund 40% zusammengeschmolzen. Der starke Rückgang bei den Big Tickets schlägt sich 2008 beim Sektor Verkehr- und Nachrichtenübermittlung nieder. Sein Anteil am Leasingportfolio des Jahres 2008 verminderte sich damit von 12,1 auf 10,4%, das bedeutet Rang 5. Das Baugewerbe weist seit vielen Jahren ein zumindest durchschnittliches Wachstum seiner Leasingengagements auf. 2007 gab es sogar einen enormen Wachstumssprung ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Abb. 2 Leasinginvestitionen 2008 Verteilung nach Güterarten 100% 90% 80% 70% Sektoren Handelsobjekte, Geschäfts- /Bürogebäude Produktionsgebäude, Lagerhallen u.Ä. sonstige Ausrüstungen Büromaschinen einschl. EDV Energieversorgung, einschl. Land- u. Forstwirtschaft Staat Baugewerbe Verkehr- u. Nachrichtenübermittlung private Haushalte Produktionsmaschinen 60% Handel 50% verarbeitendes Gewerbe 40% 30% Fahrzeuge, einschl. Luft-, Wasseru. Schienenfahrzeuge 20% Dienstleistungen 10% 0% Quelle: ifo Investitionstest. von + 33%. Dadurch kletterte sein Anteil am gesamten Leasingvolumen von 4,6 auf 5,8%, der sich 2008 auf 5,4% reduzierte. Dagegen fallen dessen selbst bilanzierte Investitionen seit 2000 kräftig zurück und haben inzwischen ein außergewöhnlich niedriges Niveau erreicht. Die Bauwirtschaft fährt angesichts einer sehr volatilen Auftragslage seit geraumer Zeit konsequent ihre eigenen Investitionen zurück und bedient sich intensiv des Angebots von allen Arten von Vermietungsdienstleistern. Sie hat inzwischen die mit Abstand höchste Leasingquote aller Sektoren und setzt noch stärker das Renting, also die kurzfristige Anmietung, ein (vgl. Städtler 2009). Über Jahrzehnte hinweg hielt der Staat als Leasingkunde die rote Laterne. Seit dem Jahr 2003 nehmen seine Leasinginvestitionen indessen tendenziell zu, teilweise sogar sprunghaft. Dem enormen Wachstum von 2005, von über 60%, folgten 2006 und 2007 allerdings Rückgänge, wodurch der Anteil des Staates an den gesamten Investitionen der Leasingbranche von 3,7 auf 2,8% zurückfiel. Ein Wachstum seiner Leasinginvestitionen von 35% sorgte 2008 für ein Ansteigen des Anteils auf 3,8%. Auslöser dieser starken Schwankungen sind vor allem sehr große Immobilienprojekte, die diskontinuierlich anfallen, bei Mobilien zeigt die Entwicklung weiter nach oben. Wenn man nicht nur den Daten und Prognosen Staat im engeren Sinne, also die Gebietskörperschaften und die Sozialversicherung mit berücksichtigt, sondern auch die Eigengesellschaften der öffentlichen Hand mit eigener Rechtspersönlichkeit, verdoppelt sich der Leasinganteil nahezu. Derartige Kapitalgesellschaften, insbesondere in den Bereichen Personennahverkehr, Energieerzeugung und Abwasserentsorgung, werden statistisch nicht dem Staat, sondern den zuständigen fachlichen Wirtschaftsbereichen zugeordnet. Das gilt entsprechend auch für geleaste Straßenbahnen, Kraftwerke oder Kläranlagen. Diese rechtlich selbständigen Unternehmen der Gebietskörperschaften haben einen wesentlichen Anteil an den Leasinginvestitionen im Verkehrs- und Entsorgungssektor sowie nicht zuletzt für Kliniken. Eine weitere Form staatsnaher Einrichtungen sind die Organisationen ohne Erwerbszweck, wie etwa Forschungsinstitute, die in den letzten Jahren ebenfalls häufiger leasten. Der primäre Sektor der Wirtschaft, also die Energie- und Wasserversorgung, der Bergbau sowie die Land- und Forstwirtschaft, hatte 1997 seinen Leasinganteil fast halbiert, konnte ihn 1998 wieder steigern, fiel 1999 wieder von 3,6 auf 3,0% zurück, stieg 2000 schließlich wieder auf 4,7% und ging seit 2001 wieder zurück, bis er 2004 seinen Tiefpunkt mit 1,7% erreichte. Seither bewegt sich sein Anteilswert bei rund 2%. Im Jahr 2008 stieg er schließlich von 2,1 auf 2,2%. Der Zuwachs der Leasinginvestitionen von über 4%, ging großenteils auf das Konto der Landwirtschaft. Finanzdienstleistungen und mehr Besondere Bilanzierungsregeln und die hausgemachten Probleme beim Auto-Leasing in den USA, dem Mutterland des Leasings, haben es mit sich gebracht, dass das Leasing dort heute nicht mehr die bevorzugte Finanzierungsform für Investitionsgüter ist. Die dortigen Leasinggesellschaften können sich nicht mehr nur auf dieses Finanzierungsangebot beschränken. Der ehemalige Leasingverband der USA nennt sich deshalb jetzt »Equipment Leasing and Finance Association« (vgl. Demberg 2008). Schon seit einigen Jahren werden auch in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von deutschen Leasinggesellschaften Geschäftsmodelle entwickelt, die über das traditionelle Leasing hinausgehen oder es sinnvoll ergänzen, die aber auf der Ebene ihrer Kompetenzen als Finanz-, Investitions- und Dienstleistungsexperten liegen. Die Umsätze in diesem Segment erreichen inzwischen schon mehrere Milliarden Euro jährlich und haben deutlich steigende Tendenz. Die Palette der Angebote reicht vom traditionellen Mietkauf, der 2008 um 21% zulegte, über zusätzliche Services, wie Asset- und Facility-Management, Bauconsulting, Fuhrparkmanagement, Sonderfinanzierungen, Fondskonzeptionen, Advising und Packaging bis zur Autovermietung (Renting). Diese Aktivitäten er- möglichen den Gesellschaften, sich über zusätzliche bzw. ergänzende Dienstleistungen und divergierende Leistungsmerkmale gegenüber anderen Wettbewerbern – insbesondere dem Investitionskredit der Banken – abzuheben und Erträge zu erzielen. Zudem können diejenigen, die im Bereich der Big Tickets engagiert sind, die hier übliche enorme Volatilität des Auftragseingangs abfedern. Der ifo Investitionstest misst die Entwicklung der Leasingbranche an ihrem bilanzierten Neugeschäft, also dem Zugang an aktivierungsfähigen Investitionsgütern. Schon definitionsgemäß ist hier das Geschäft mit den werthaltigen zusätzlichen Services nicht enthalten, die seit Jahren einen erheblichen Beitrag zum Umsatz und Ertrag der Leasinggesellschaften leisten und die bei Kunden häufig den Ausschlag bei der Entscheidung für das Leasing geben, dies gilt auch für sehr liquide Unternehmen. Besonders häufig ist dies beim Auto-Leasing mit Full Service, bei Büromaschinen und EDV-Equipment, bei Immobilien sowie bei Big Tickets, wie etwa Flugzeugen, der Fall. 2009: Im Griff der Rezession Mitte August dieses Jahres gab es erste hoffnungsvolle Zahlen zu den Exporten und Auftragseingängen der Industrie sowie überraschend gute Nachrichten der Statistiker aus Wiesbaden. Bei aller Freude über die unerwartet positive erste Schätzung des Statistischen Bundesamts zum BIP im zweiten und dann auch im dritten Quartal 2009 sollte man daraus nicht ableiten, dass die Wirtschaftskrise überwunden ist. Nachdem die deutsche Wirtschaft vier Quartale in Folge geschrumpft war, wuchs sie im zweiten Quartal gegenüber den ersten drei Monaten des Jahres um 0,4% (drittes Quartal: + 0,7%), gegenüber dem Vorjahr gab es allerdings ein Minus von 7,1%. Als Stützen dieses moderaten Wachstums erwiesen sich der private Verbrauch, vor allem getrieben durch die »Abwrackprämie« und staatlich geförderte Kurzarbeit, der Staatskonsum sowie die Bauinvestitionen, die vom staatlichen Konjunkturprogramm profitieren. Dies ist also ein geborgter Aufschwung, vielleicht auch nur ein Zwischenhoch. Die Bundesbank warnte sogar vor einer zweiten Runde der Finanzkrise, ausgelöst durch eine Zunahme der Insolvenzen von Firmen und Privatleuten (vgl. o.V. 2009a). Die Ausrüstungsinvestitionen brachen jedoch – trotz wieder eingeführter degressiver Abschreibung – erneut ein. Nach einem drastischen Rückgang im ersten Quartal um nominal 21,1% fiel das Minus im zweiten Quartal mit 24,4% noch etwas höher aus und belief sich im dritten Quartal auf – 21,9%. Von dieser Entwicklung wurde das Mobilien-Leasing, im Gegensatz zu den früheren Rezessionen, mit voller Wucht getroffen. Hierfür sind auch die Auswirkungen der umstrittenen Unternehmensteuerreform von 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 71 72 Daten und Prognosen Abb. 3 Leasing: Entwicklung und Quoten bleme haben, entsprechende Kredite zu erhalten. Verschiedene Wirtschaftsverbände befürchten sogar, dass der Kreditmangel demnächst noch zunehmen könnte. In diesem Zusammenhang warnte jüngst die Bundesbank vor weiteren Verlusten im Bankensektor, und die Ratingagentur S&P konstatierte, dass die meisten Banken weltweit unterkapitalisiert seien (vgl. Schrörs, Schreiber und Mai 2009). Angesichts dieser prekären Situation halten sich die Unternehmen merklich mit Neuinvestitionen zurück. Eine bislang nicht gekannte Volatilität im Wirtschaftsgeschehen erschwert zudem nicht nur die Investitionsplanung, sondern mindert wohl auch die Investitionsbereitschaft. Bundesrepublik Deutschland 1992 = 100 220 Investitionsentwicklung a) Leasing 200 180 160 140 gesamte Wirtschaft 120 100 80 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 b) Anteil gemieteter Anlagen an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen in % 20 18 16 14 12 10 8 6 96 a) b) 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 In jeweiligen Preisen. 2008: vorläufig, 2009: Planung. Quelle: ifo Investitionstest Anlagenvermietung; Statistisches Bundesamt. Die Bundesregierung will der einbrechenden Nachfrage nach Investitionsgütern mit einer Reihe von Fördermaßnahmen begegnen. Die Wiedereinsetzung der degressiven Abschreibung für die Jahre 2009 und 2010, diesmal mit einem Satz von 25%, setzt daher zwar prinzipiell an der richtigen Stelle an, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen anzuregen, es ist aber zu befürchten, dass die Wirkung – ebenso wie die befristete Aussetzung der Kfz-Steuer – in der aktuellen konjunkturellen Situation und den unterausgelasteten Kapazitäten in der Industrie viel zu schwach sein wird, um eine rezessive Investitionsentwicklung zu verhindern. Diese Maßnahme könnte aber zumindest gegen Ende des Jahres 2010 zu vorgezogenen Ausrüstungskäufen führen. Die in den beiden Konjunkturpaketen der Bundesregierung bereitgestellten Mittel für öffentliche Investitionen in die Infrastruktur werden in erster Linie die Bauinvestitionen stützen. 2008 und die Refinanzierungsproblematik im Gefolge der Erste positive Signale des ifo Geschäftsklimas für die deutBankenkrise verantwortlich. Nach den Trendumfragen des sche Leasingwirtschaft im Jahresschlussquartal 2009 nähBundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen (vgl. ren zumindest die Hoffnung, dass sich das Leasinggeschäft BDL 2009) stürzte das Neugeschäft beim Leasing bewegnach dem dramatischen Absturz gefangen hat. Ausschlaglicher Wirtschaftsgüter von Januar bis September 2009 (nominal) um rund 24% ab. Das ist in der 47-jährigen Geschichte des Abb. 4 Leasings in Deutschland ein einmaliger VorImmobilien-Leasing gang und wird auch die InvestitionsmögQuote Investitionen lichkeiten mittelständischer Unternehmen in % Mrd. € 12 10 tangieren. 9 Bereits im zweiten Halbjahr 2008 brach der investitionsgetriebene Boom der Weltwirtschaft schlagartig zusammen, und im Zuge der einbrechenden Nachfrage nach Industriegütern bewegten sich dann die Produktionskapazitäten in rasantem Tempo von der Normal- in die Unterauslastung. Dies betraf nicht nur neue Bestellungen, es wurden auch in ungewöhnlichem Maße bereits erteilte Aufträge annulliert. Hinzu kommt, dass selbst diejenigen Unternehmen, die noch Investitionen planen, oft Proifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang 10 8 7 8 6 5 6 4 3 4 2 1 2 0 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 Investitionen des Immobilien-Leasings gemessen an den gesamtwirtschaftlichen Bauinvestitionen ohne Wohnungsbau. 2009: Schätzung. Quelle: ifo Investitionstest; Statistisches Bundesamt. 09 Daten und Prognosen gebend für die leichte Aufhellung am aktuellen Rand waren in erster Linie die optimistischeren Geschäftserwartungen. Die Geschäftslage ist nach wie vor als katastrophal zu bezeichnen, die aktuellen Urteile scheinen aber einen Halt nach unten gefunden zu haben. Im November 2009 bewerteten zwei Fünftel der Testteilnehmer ihren Geschäftsgang als schlecht, 51% als befriedigend, und nur 9% der Befragten empfanden ihre derzeitige Geschäftssituation als gut. Die Geschäftserwartungen hatten zwar vor Jahresfrist (November 2008: per saldo – 52%) ein gänzlich neues Tief ausgelotet, seither nahmen aber die skeptischen Stimmen zügig ab, und seit April 2009 überwogen bereits wieder die positiven Meldungen. Im November 2009 zeigten sich immerhin per saldo 37% der Leasingunternehmen zuversichtlich in Bezug auf die Geschäftsentwicklung im nächsten halben Jahr. Auch der geglättete Geschäftsklimaindikator (nach dem STAMP 6.02-Testverfahren bereinigt1) tendiert seit den Frühjahrsmonaten 2009 nach oben und übersprang im Oktober wieder die Nulllinie. Bei der Gegenüberstellung der Zeitreihen »Mobilen-Leasing« und »unternehmensnahe Dienstleister« (ohne Handel, Kreditgewerbe, Leasing, Versicherungen und Staat) fällt auf, dass sich die Leasinggesellschaften über einen langen Zeitraum in einer günstigeren konjunkturellen Verfassung befanden als die ausgewählten Dienstleister, das Geschäftsklima im Leasingbereich erschien bis zu den Herbstmonaten 2007 spürbar freundlicher (vgl. Abb. 5). Danach gingen beide Zeitreihen im konjunkturellen Gleichlauf nach unten, die Abschwächung war dabei im Leasingsektor allerdings ausgeprägter, aufgrund der Konzentration des Geschäfts auf die besonders rezessionsgeplagten Investitionsgüter. Die Gemeinschaftsdiagnose vom Herbst 2009 geht davon aus, dass die Ausrüstungsinvestitionen inklusive der sonstigen Anlagen 2009 preisbereinigt um rund 20% zurückgehen werden, während für die Investitionen in den Nichtwohnungsbau ein Minus von etwa 2% erwartet wird. Dieser Einbruch bei den Ausrüstungsinvestitionen hat die Geschäftsgrundlage der Leasingbranche enorm eingeschränkt, insbesondere in Anbetracht des Absturzes beim Absatz von gewerblich genutzten Straßenfahrzeugen. Davon sind nicht nur Pkw betroffen, auch der ungewöhnlich lange Boom bei Nutzfahrzeugen ist zu Ende gegangen. Für 2009 ist hier mit einem kräftigen Zulassungsminus von etwa einem Viertel zu rechnen. Anders als in den vorangegangenen Rezessionsperioden sind diesmal nicht nur einzelne Investitionsgütergruppen und Abnehmerbranchen rückläufig, sondern das gesamte Spektrum. Dadurch entfallen Ausgleichseffekte, die früher die Konjunkturausschläge auf das Leasinggeschäft deutlich gedämpft hatten. 1 Im Detail beschreiben dieses Testverfahren Koopmann et al. (2000). Abb. 5 Unternehmensnahe Dienstleister und Leasing Werte saisonbereinigt und geglättet Geschäftsklima a) Prozentpunkte 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 -10 -10 -20 -20 Leasing Dienstleistungen -30 -40 2003 -30 -40 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Mobilien-Leasing Salden 60 b) 60 40 40 20 20 0 0 -20 -20 aktuelle Geschäftslage Geschäftsentwicklung in den nächsten 6 Monaten -40 -60 2003 a) b) -40 -60 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Durchschnitt der Salden aus den Prozentsätzen der positiven und der negativen Meldungen zu den Größen "Geschäftslage" und "Geschäftserwartungen". Differenz aus den Prozentanteilen der positiven und negativen Firmenmeldungen. Quelle: ifo Konjunkturtest Dienstleistungen. Der auf den Lagebeurteilungen der Leasinggesellschaften basierende Investitionsindikator2, der zusammen vom ifo Institut und dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) ermittelt wird, lässt für 2009 einen rekordverdächtigen Rückgang bei den Ausrüstungsinvestitionen 2 Dieser Forschungsansatz basiert auf den Urteilen zur aktuellen Geschäftslage durch die Leasinggesellschaften aus dem monatlichen ifo Konjunkturtest Dienstleistungen. Der methodische Ansatz zur Schätzung der Ausrüstungsinvestitionen benutzt ein strukturelles Zeitreihenmodell, das die Zeitreihen in ihre Komponenten Trend und Zyklen, Saison- und irreguläre Komponenten zerlegt. Es ergibt sich ein Prognosehorizont von vier Quartalen – bei der aktuellen Berechnung also bis zum vierten Quartal 2010; zur Methode vgl. Gürtler und Städtler (2007). Unter normalen Umständen wird auf kurze Frist der Trend als gegeben angenommen. Der stufenförmige Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen im ersten Quartal 2009 weist jedoch darauf hin, dass als Folge der weltweiten Wirtschaftskrise jetzt nicht nur ein zyklischer Rückgang, sondern auch ein Absacken des mittelfristigen Trends in Rechnung zu stellen ist. Dieser externe Einfluss wird bei der vorliegenden Prognose durch eine Dummyvariable berücksichtigt; der durch die Veränderung der Geschäftslage vorgegebene zyklische Abschwung bewegt sich somit in der Prognoseperiode ab 2009 um ein niedrigeres Trendniveau als in den Jahren vorher. Ende 2007 hatte das Auslaufen von zeitlich befristeten Abschreibungserleichterungen zur merklichen Vorzieheffekten bei den Investitionsausgaben geführt. Dieser statistisch signifikante Wert (in Höhe von 2,6 Mrd. €) wurde in der ökonometrischen Analyse im vierten Quartal 2010 in die Prognose eingerechnet. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 73 74 Daten und Prognosen einschließlich der sonstigen Anlagen erkennen. Demnach droht 2009 im Jahresdurchschnitt ein (nominales) Minus von knapp einem Fünftel, und auch im Jahr 2010 ist von einem Rückgang auszugehen, der allerdings bei weitem nicht mehr so hoch ausfallen wird wie 2009 (vgl. Abb. 6). Nach den Ergebnissen des ifo Investitionsindikators werden die Ausrüstungsinvestitionen bis zu den Herbstmonaten noch deutlich zurückgehen. Im späteren Verlauf des Jahres dürften sich dann allerdings mit dem Auslaufen der degressiven Abschreibung gewisse Vorzieheffekte ergeben. In der ökonometrischen Analyse wurden diese Effekte aus den Erfahrungswerten früherer Abschreibungserleichterungen separiert und in der Modellrechnung entsprechend berücksichtigt. Der Indikator zeigt dementsprechend in den ersten drei Quartalen 2010 einen Rückgang zwischen 4 und 5%, zu anziehenden Ausrüstungskäufen kommt es nach der Modellrechnung lediglich im Jahresschlussquartal. Alles in allem ergibt sich für 2010 eine Schrumpfung der Ausgaben für Maschinen, Geräte und Fahrzeuge in einer Größenordnung von rund 3% und damit einen Rückfall auf das Investitionsniveau des Jahres 2003. In der letzten Rezession zog sich die Investitionsflaute über zwölf Quartale hin. Aufgrund der weiterhin enormen Unterauslastung der Produktionskapazitäten verliert auch das Erweiterungsmotiv der Unternehmen für die Investitionsplanung spürbar an Bedeutung. Lediglich auf Rationalisierungs- und Ersatzzwecke gerichtete Investitionen werden 2010 verstärkt auf der Agenda der Unternehmen stehen. November wurden gegenüber dem Vorjahr rund 28% weniger Nutzfahrzeuge neu zugelassen (vgl. VDA 2009). Beim Leitprodukt des Leasings, den Straßenfahrzeugen, hat es bereits in den letzten Monaten von 2008 tiefe Bremsspuren und auch ein Downsizing gegeben. Die Absatzflaute bei den großvolumigen Pkw, aber auch im Segment der Nutzfahrzeuge, dämpfte im Jahr 2009 die Geschäftsentwicklung des Mobilien-Leasings in Deutschland überproportional; hinzu kommen die höheren Finanzierungskosten und die schwierigere Refinanzierung. Hier macht sich bemerkbar, dass die Straßenfahrzeuge mit rund 66% einen sehr hohen Anteil am Mobilien-Leasing haben, während nur rund 28% der gesamtwirtschaftlichen Mobilieninvestitionen auf diese Fahrzeuge entfallen. Die extrem schwache Geschäftsentwicklung im MobilienLeasing wurde von dem enormen Rückgang des Privat-Leasings mit verursacht. Schon im ersten Halbjahr 2009 wurden 25% weniger Neuwagen an private Kunden verleast als vor Jahresfrist, die Zahl der kreditfinanzierten Einheiten schnellte dagegen um 61% nach oben (vgl. AKA 2009). Der moderne Autokredit kommt dabei nicht selten im Leasing-Look daher. Im gesamten Jahr 2009 dürfte sich das Privat-Leasing etwa halbieren. Einige Hersteller haben offenbar generell ihren Absatz stärker auf die Kreditfinanzierung umgestellt und das Leasinggeschäft entsprechend zurückgefahren (vgl. Fasse 2009). Eine weitere Schwächung des Neugeschäftsvolumens resultiert aus einem Downsizing bei den Gewerbekunden und vielen Verlängerungen von bestehenden Leasingverträgen. Dieses Verhalten ist nicht nur Die Automobilindustrie ist der größte Investor im verarbeiauf konjunkturelle Gründe zurückzuführen, sondern vor altenden Gewerbe. Im Gegensatz zu den boomenden Verlem auch auf die Restwertproblematik. Großvolumige Autos käufen überwiegend kleinerer Autos an private Nutzer im Zuwaren auf dem Second-Hand-Markt nur noch schwer und ge der Abwrackprämie läuft das Geschäft mit gewerblichen zudem mit enormen Abschlägen auf den bis dahin üblichen Kunden noch immer äußerst schleppend. Von Januar bis Preis zu veräußern. Diese Vertragsverlängerungen minderten zunächst die Nachfrage nach Neuwagen, diese Anschaffungen dürften aber größAbb. 6 tenteils 2010 nachgeholt werden. Eine balAusrüstungsinvestitionen bleiben schwach dige Rückkehr zu dem Niveau, das vor der Weltwirtschaftskrise herrschte, ist gleichwohl in Mrd. € 65 nicht wahrscheinlich. Viele Flottenbetreiber Investitionen in Mrd. Euro Trend-Konjunktur-Komponente der Investitionen haben inzwischen ihre »Car Policy« geändert Indikator für die Trend-Konjunktur-Komponente 60 (vgl. o.V. 2009b). Neben Downsizing sind auch dauerhafte Flottenverkleinerungen zu 55 beobachten, beispielsweise dadurch, dass eine verringerte Zahl von Leasingfahrzeugen 50 durch kürzerfristige Lösungen ergänzt wird, um die Flottenauslastung zu erhöhen und 45 damit die Fixkosten zu senken. Der weltweite Einbruch bei der Personen- und Güter40 beförderung sowie die nachlassenden Finanzierungsmöglichkeiten – vor allem für Groß35 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 projekte – ließen 2009 auch die Nachfrage Berechnungsstand: 30. November 2009. nach Flugzeugen, Schiffen und Bahnen drasQuelle: ifo Konjunkturtest Leasing; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Daten und Prognosen tisch zurückgehen. Das spürten auch die Leasinggesellschaften, sie verzeichneten bei diesen Big Tickets 2009 um fast 60% weniger Neugeschäft. Die Entwicklung des Immobilien-Leasings ist – wie immer – nur schwer einzuschätzen. Die Rahmenbedingungen sind durchwachsen: Im Nichtwohnbau (Hoch- und Tiefbau) droht 2009 ein deutlicher Rückgang (etwa – 2,0%), wobei der gewerbliche Bau massiv zurückgeht (rund – 5%), aber der öffentliche Bau dank umfangreicher Konjunkturprogramme – deren vollständige und zeitgerechte Umsetzung vorausgesetzt – deutlich zulegt (etwa + 6%; Bauinvestitionen insgesamt: – 1,4%). Für 2010 wird eine noch kräftigere (reale) Ausweitung des öffentlichen Baus erwartet (etwa + 10%), der gewerbliche Bau sinkt aber weiter ab (rund – 3%; Nichtwohnbau insgesamt: knapp + 1%). (vgl. Rußig 2009). Die Leasinggesellschaften rechnen für 2009 mit einem weiteren starken Rückgang ihrer Immobiliensparte um rund 20%. Im Jahr 2009 nahmen die Leasingengagements des Staates wieder deutlich zu. Offenbar haben die geleasten Polizeiflotten, die Leasingfahrzeuge der Bundeswehr und diverse geleaste öffentliche Immobilienprojekte eine Initialzündung ausgelöst, die nun für wesentlich mehr Leasingtransaktionen im Staatssektor sorgen. Die Bundeswehr, die seit 2002 ihren gesamten Fuhrpark an Straßenfahrzeugen auf Leasing umgestellt hat, will mit diesem Flotten-ManagementKonzept ihre Fuhrparkkosten um 30% verringern. Der Anteil der geleasten Polizeiautos ist inzwischen auf 80% angestiegen (vgl. Wollrab 2008). Die deutsche Leasingindustrie konnte sich in den letzten Jahren an einer dynamischen Entwicklung ihrer Auslandsaktivitäten erfreuen. Sie profitierte von den lebhaften Exportaktivitäten der deutschen Wirtschaft, vor allem mit den osteuropäischen Beitrittsländern. Der Expansionsschwerpunkt lag dabei weniger beim Cross-Border-Leasing, sondern im Bereich des Offshoring, also in der Gründung von Auslandsdependancen bzw. Joint Ventures. Da die Finanzkrise inzwischen auch diese Zielländer besonders schwer getroffen hat, ist 2009 auch das Auslandsgeschäft der deutschen Leasingbranche beträchtlich geschrumpft. 2010: Hoffnung auf ein moderates Wachstum Inzwischen mehren sich die Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft. Wichtige Indikatoren deuten auf eine Stabilisierung der Lage hin und verleiten einige Experten zu mutigen Wachstumsprognosen. So hat der ehemalige »Wirtschaftsweise« Bert Rürup im November 2009 für die deutsche Wirtschaft im Jahr 2010 ein Wachstum um 2,2% vorhergesagt. Einige Auguren sind dagegen wesentlich vorsichtiger und weisen darauf hin, dass die konjunkturelle Besserung noch keineswegs nachhaltig, sondern von temporär wirksamen Faktoren angetrieben sei, wie den expansiven geld- und finanzpolitischen Maßnahmen. Auch die Bundeskanzlerin warnte kürzlich davor, dass die Krise länger dauern und tiefer sein werde, als noch vor wenigen Monaten erwartet (vgl. Heß, Murphy und Rinke 2009). Das Investitionsklima wird sich angesichts der weiter geringen Kapazitätsauslastung und der zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken 2010 wohl nur mäßig aufhellen. Viele Unternehmen räumen der Sicherung ihrer Liquidität eine höhere Priorität ein und reduzieren ihre Investitionspläne. Die Gemeinschaftsdiagnose vom Herbst 2009 geht für das Jahr 2010 von einem geringen nominalen Minus (– 0,5%) bei den Ausrüstungsinvestitionen aus. Der ifo/BDL-Investitionsindikator deutet sogar auf einen wesentlich stärkeren Rückgang hin. Auch die Deutsche Bundesbank schätzt, dass die gewerblichen Investitionen 2010 um etwa 6% zurückgehen könnten (vgl. o.V. 2009c). Das erwartete moderate Wachstum der Investitionen im Nichtwohnungsbau von rund 1% resultiert aus einem Minus im Wirtschaftsbau von 3% und einem kräftigen Zuwachs beim öffentlichen Bau von 10%. Solange aber die Investitionen nicht wieder anspringen, wird es auch generell um das Wirtschaftswachstum schlecht bestellt sein, denn es gilt: »Nachhaltiges Wachstum erreicht man nur durch Investitionen. Deutschland hatte in den vergangenen Jahren die niedrigste Nettoinvestitionsquote unter allen OECD-Ländern. Da darf man sich nicht wundern, wenn das Land nicht mehr wächst. Wir haben den Löwenanteil unserer Ersparnisse ins Ausland geschafft, anstatt zu Hause zu investieren« (Sinn 2009). Das Leasinggeschäft wird vor allem von der Entwicklung auf dem Markt für Straßenfahrzeuge tangiert. Einige Hersteller planen auch für 2010 noch Kurzarbeit (vgl. o.V. 2009d). Nachdem sich die Zahl der neu zugelassenen Pkw 2009 auf rund 3,9 Mill. belaufen wird, ist für 2010 nur noch mit 2,8 bis 2,9 Mill. Einheiten zu rechnen (vgl. Hild 2009). Der kräftige Rückgang um etwa ein Viertel wird vor allem das 2009 im Gefolge der Abwrackprämie boomende Privatkundensegment betreffen, während bei den gewerblichen Zulassungen – nach dem Einbruch von 2009 – im laufenden Jahr wohl ein Zuwachs, zumindest aber eine Bodenbildung wahrscheinlich ist. Auch das dann endgültige Auslaufen von 2009 verlängerten Auto-Leasingverträgen lässt für die typischen Leasingfahrzeuge auf Wachstum hoffen. Der nächste Boom in dieser Sparte wird aber wohl noch ein wenig auf sich warten lassen, denn soweit aus Publikationen der deutschen Autoindustrie zu erkennen ist, kann nicht damit gerechnet werden, dass Elektroautos und andere völlig neu konzipierte, verbrauchsarme Fahrzeuge schon 2010 in großer Stückzahl auf den deutschen Markt kommen. Dies ist wohl erst ab dem Jahr 2011 zu erwarten. Bis 2013 wollen 23 Hersteller in die Serienproduktion von Elektromobilen einsteigen (vgl. o.V. 2009e). Immerhin zeigen aber einige deut62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 75 76 Daten und Prognosen sche Hersteller mit Kleinserien von Elektroautos, die sie per Leasing oder Miete in einigen Ballungsräumen weltweit auf die Straße gebracht haben, schon jetzt Flagge und weisen darauf hin, wohin die Reise demnächst gehen wird. Die breite Markteinführung Energie sparender Technologien ist eine große Chance für die Leasinggesellschaften, denn sie werden wieder gefragte Experten bei der Markteinführung der neuen Produkte sein, die im Gefolge knapper und teuerer Energieressourcen in großer Zahl geordert werden. Das sind neben neuen Generationen von Straßenfahrzeugen insbesondere Anlagen zur Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen, Maschinen und Elektroanlagen. Auch früher wurden schon neue Technologien maßgeblich via Leasing verbreitet. Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass Deutschland ein Leitmarkt für Elektromobilität wird und dafür auch Fördermittel bereitstellen; im Jahr 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren (vgl. Tartler 2008). Nicht alle Leasinggesellschaften wollen oder können so lange warten. Einige haben sich schon seit Ende 2008 ganz oder teilweise vom Markt zurückgezogen, weil sie offenbar auf überschaubare Frist – auch wegen mehrerer gravierender Probleme im Gefolge der Unternehmensteuerreform von 2008 – zu geringe Chancen für eine ausreichend ertragreiche Geschäftsentwicklung sehen. Der laufende Investitionszyklus hat zwar im Jahr 2009 seinen Tiefpunkt durchschritten, die Aussichten auf ein merkliches Anziehen der Investitionsausgaben 2010 sind jedoch gering. Die rezessive Entwicklung der Investitionen könnte sogar noch länger andauern, obwohl Deutschland keineswegs überinvestiert ist. Im Gegenteil, die Nettoinvestitionsquote ist hier die niedrigste unter allen OECD-Ländern. Der ifo/BDL-Investitionsindikator zeigt auch über weite Teile des Jahres 2010 noch rückläufige Ausgaben für Ausrüstungsgüter an. Das Auslaufen der degressiven Abschreibung (diesmal mit einem Satz von 25%) könnte aber zumindest in den letzten Monaten von 2010 zu vorgezogenen Ausrüstungskäufen führen. Die in den beiden Konjunkturpaketen der Bundesregierung bereitgestellten Mittel für Investitionen in die Infrastruktur werden in erster Linie die Bauinvestitionen stützen, kommen aber auch Krankenhäusern und deren Gerätepark zugute (vgl. v. Richthofen 2009). Die Ausgaben für Medizintechnik sind weniger konjunkturreagibel und zeigten zuletzt auch eine dynamische Entwicklung im Portfolio der Leasingbranche. Auch wenn die Rahmenbedingungen sich zunehmend verbessern, dürften die Leasinggesellschaften nur allmählich zur gewohnten Wachstumsdynamik zurückfinden. Sollte sich die Refinanzierungsproblematik nicht deutlich abschwächen, werden sie ihren Markt nicht voll ausschöpfen können. Die Eigenkapitalbasis vieler Banken dürfte sich jedoch 2010 zunächst einmal verschlechtern, weil ihnen nochmals hohe ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Abschreibungen auf Wertpapiere und Kredite drohen. Dies gilt als limitierender Faktor für die Vergabe von Krediten, zumindest so lange bis der Verbriefungsmarkt wieder voll funktionsfähig ist (vgl. Drost und Osman 2009). Für die weitere Entwicklung der Branche wird es darauf ankommen, wie weit die neue Bundesregierung bereit ist, die vor allem für mittelständische Leasinggesellschaften belastenden Teile der Unternehmensteuerreform von 2008 nachzubessern. Einige Teile des jüngst verabschiedeten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes lassen aber hoffen, dass im Themenkomplex »Investitionen – Abschreibungen – Leasing« Verbesserungen gegenüber dem Status quo kommen werden. Die Leasinggesellschaften leiden schon genug unter den schwierigen Markt- und Refinanzierungsbedingungen, die weitere Belastung durch die Anforderungen der neuen Finanzaufsicht wirken also prozyklisch, vor allem auch für die mittelständischen Gesellschaften. Die Begründungen für das bürokratische Reglement, dem die Leasingbranche ohne Not unterworfen wurde, klingen wenig überzeugend. Diese Unternehmen haben die weltweite Finanzkrise weder ausgelöst, noch waren sie an ihr beteiligt. Die Banken, die der Ursprung dieses Dramas waren, stehen ja schon immer unter Finanzaufsicht, das konnte aber nicht verhindern, dass hohe Milliardenbeträge an Verlusten aufgehäuft wurden – sogar bei öffentlichen Kreditinstituten – für die nun letztlich der Steuerzahler aufkommen muss. Wie schon im Vorjahr, werden aus den genannten Gründen auch 2010 wieder etliche Leasinggesellschaften – vor allem mittelständische – aus dem Markt ausscheiden (vgl. Köhler 2009). Diese sind häufig auf bestimmte Investitionsgüter, einzelne Branchen oder regionale Märkte spezialisiert. Ihren Kunden aus dem mittelständischen Gewerbe werden sie als Geschäftspartner fehlen. Literatur AKA (2009), »Halbjahresergebnisse 2009«, Arbeitskreis der Banken und Leasinggesellschaften der Automobilwirtschaft online, September. BDL (2009), »Trendmeldung III. Quartal 2009«, Ergebnisse, Oktober. Demberg, G. (2008), »Leasing mit im Paket«, Handelsblatt, 18. Juni, 29. Drost,F. und Y. Osman (2009), »Wie verhindert man die große Kreditklemme?«, Handelsblatt, 4. Dezember, 8. Fasse, M. (2009), »BMW baut die Finanzsparte um«, Handelsblatt, 6. Juli, 12. Gürtler, J. und A. Städtler (2007), »Ausgezeichnete Geschäftslage beim Leasing – Boom bei den Ausrüstungsinvestitionen«, ifo Schnelldienst 60(12), 54–57. Koopmann, S. J., A. C. Harvey et al. (2000) STAMP: Structural Time Series Analyser, Modeller and Predictor, Timberlake Consultants Press, London. Heß, D., M. Murphy und A. 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Für das Jahr 2009 ergaben die Meldungen einen kräftigen Rückgang von 22%. An der im vierten Quartal dieses Jahres durchgeführten Investitionsbefragung beteiligten sich fast 1 800 westdeutsche Unternehmen. Gemessen an den Bruttoanlageinvestitionen repräsentieren die erfassten Unternehmen das verarbeitende Gewerbe Westdeutschlands zu 53%. Erhoben wurden neben den Anlagezugängen im Jahr 2009 die Investitionspläne für 2010 sowie die Zielsetzung der Investitionstätigkeit. 2009: Investitionen 22% unter Vorjahresniveau Die schlechte konjunkturelle Lage, insbesondere die schwache Nachfrage und die drastisch gesunkene Kapazitätsauslastung, haben die Investitionsbereitschaft der westdeutschen Industrieunternehmen in diesem Jahr stark beeinträchtigt. Wie es sich schon in der Erhebung im Frühjahr abzeichnete, wurde 2009 erheblich weniger in Sachanlagen investiert als in den vorangegangenen Jahren. Nach den neuesten Umfrageergebnissen wird der Rückgang sogar noch wesentlich stärker ausfallen, als nach den Meldungen Anfang des Jahres zu erwarten war. Insbesondere die großen Unternehmen haben ihre Investitionsbudgets im Laufe des Jahres erheblich nach unten revidiert. Insgesamt werden die Bruttoanlageinvestitionen in der westdeutschen Industrie nach den aktuellen Ergebnissen mit rund 36,5 Mrd. € um knapp 22% unter dem Niveau von 2008 liegen. Real gesehen werden die Investitionen um 21% das Niveau von 2008 unterschreiten, da die Preise für Maschinen und maschinelle Anlagen, in die im Durchschnitt über 80% der Investitionen des verarbeitenden Gewerbes fließen, derzeit sinken. Ein ähnlich starker Rückgang der Investitionen war zuletzt 1993 (– 20%) zu beobachten gewesen. Investitionen werden auf breiter Basis eingeschränkt Von der im laufenden Jahr geringen Investitionsbereitschaft sind fast alle Bereiche betroffen. Nur der Bergbau dürfte in ähnlichem Umfang in neue Sachanlagen investiert haben wie 2008. In den vier Industriehauptgruppen sind dagegen zweistellige negative Veränderungsraten zu verzeichnen. Im Nahrungs- und Genussmittelgewerbe ist nach den Meldungen mit einer Kürzung um fast 11% zu rechnen. Der stärkste Investitionsrückgang errechnet sich mit – 25% im Investitionsgüter produzierenden Gewerbe. Insbesondere in der Eisen, Blech und Metall verarbei- Tab. 1 Bruttoanlageinvestitionen im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe Westdeutschlands (in jeweiligen Preisen) in Mill. Bergbau Verarbeitendes Gewerbe davon: Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe Investitionsgüter produzierendes Gewerbe Verbrauchsgüter produzierendes Gewerbe Nahrungs- und Genussmittelgewerbe Bergbau und verarbeitendes Gewerbe a) b) Vorläufig. – Geschätzt aufgrund von Planangaben. Quelle: ifo Investitionserhebungen. ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Veränderungsraten in % a) a) a) b) 2007 730 43 520 2008 790 46 590 2008/2007 + 8 + 7 2009/2008 ± 0 – 22 2010/2009 +4 +2 11 580 22 740 5 660 3 540 44 250 11 830 25 660 5 300 3 800 47 380 + 2 + 13 – 6 + 7 + 7 – 20 – 25 – 18 – 11 – 21 +1 +1 +4 +4 +2 Daten und Prognosen tenden Industrie, in der Stahlverformung, in der Feinmechanik, Optik sowie in der Herstellung von EDV-Geräten hat die Investitionsbereitschaft ganz erheblich nachgelassen. In diesen Branchen ist mit Kürzungen zwischen 30 und 35% zu rechnen. Starke Investitionsrückgänge um rund ein Viertel sind auch in den – gemessen am Investitionsvolumen – großen Branchen Straßenfahrzeugbau, Maschinenbau und Elektrotechnik zu erwarten. Das Gleiche gilt für den Schiffbau. Der Luft- und Raumfahrzeugbau dürfte demgegenüber seine Ausgaben für neue Bauten und Ausrüstungsgüter nur moderat – um 10% – kürzen. Im Stahl- und Leichtmetallbau dürften sich die Investitionen 2009 voraussichtlich auf dem Vorjahresniveau bewegen. Abb. 1 Planung und tatsächliche Entwicklung der Investitionen in der westdeutschen Industrie Tendenz der Investitionspläne 60 Tendenzsalden a) 60 40 40 20 20 0 0 -20 -20 -40 -40 Das Grundstoff- und Produktionsgüter produzierende Gewerbe schränkt seine Investitionen 2009 vorrausichtlich um rund ein Fünftel ein. Auf Branchenebene meldeten die Gießereien und die Firmen der Holzbearbeitung die massivsten Kürzungen: Sie halbieren ihre Investitionen gegenüber dem Vorjahr. Rückgänge um rund ein Drittel zeichnen sich in der Mineralölverarbeitung (einschließlich Vertrieb), in der Gummiverarbeitung und bei den Ziehereien und Kaltwalzwerken ab. Der NE-Bereich und die Zellstoff-, Papier- und Pappeverarbeitung dürften ihre Ausgaben für neue Sachanlagegüter in diesem Jahr um rund ein Viertel reduziert haben. Vergleichsweise moderate Kürzungen von rund 15% sind in der chemischen Industrie und im Bereich Steine und Erden sowie in der eisenschaffenden Industrie (– 5%) zu erwarten. Auch im Verbrauchsgüter produzierenden Gewerbe ist 2009 in allen Branchen mit erheblichen Investitionseinschränkungen zu rechnen. Besonders stark – um mehr als 30% – wollen nach den Meldungen die traditionellen Verbrauchsgüterbereiche Bekleidungs- und Textilgewerbe sowie das Ledergewerbe ihre Investitionsausgaben zurückfahren. Die Kunststoffindustrie, die auch von der derzeitigen Krise im Straßenfahrzeugbau betroffen ist, und die Herstellung und Verarbeitung von Glas kürzen ihre Ausgaben für Investitionen ebenfalls sehr deutlich (zwischen 20 und 25%). Nicht ganz so starke Rückgänge, von 10 bis 15%, zeichnen sich in folgenden Branchen ab: Feinkeramik, Holzverarbeitung, Papier- und Pappeverarbeitung, Druckerei und Vervielfältigung sowie in der Herstellung von Musikinstrumenten, Spielwaren, Schmuck usw. 2010: Weiterhin gedämpfte Investitionsbereitschaft Zwar erholt sich die konjunkturelle Lage langsam, die Auslastung der Produktionskapazitäten ist aber aufgrund der im Vergleich zu den letzten Jahren schwachen Nachfrage noch sehr gering, so dass für das kommende Jahr mit 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 Investitionsentwicklung (nominal) Veränderungsraten b) 30 30 20 20 10 10 0 0 -10 -10 -20 -20 -30 -30 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 a) Differenz zwischen den "Mehr"- und den "Weniger"-Meldungen (Prozentpunkte), Stand jeweils Herbst des Vorjahres. Bruttoanlageinvestitionen der Industrie, 2008 und 2009: vorläufig, 2010: ermittelt aufgrund der Planangaben. b) Quelle: ifo Investitionstest (West). keiner spürbaren Erhöhung der Investitionsbereitschaft zu rechnen ist. Nach den Ergebnissen des Investitionstests ist im kommenden Jahr mit einem nur leichten Investitionsanstieg zu rechnen. Während fast ein Drittel der Unternehmen die Investitionen 2010 kürzen will, plant gut die Hälfte eine Erhöhung der Ausgaben für neue Bauten und Ausrüstungsgüter. Stellt man die »Mehr«-Meldungen den »Weniger«-Meldungen gegenüber, so ergibt sich ein Saldo von + 24 (vgl. Abb. 1). Dieser positive Saldo relativiert sich aber, wenn man die von den Unternehmen gemeldeten quantitativen Angaben berücksichtigt. Demnach ist für das kommende Jahr nur mit einem geringen Anstieg der Investitionen um knapp 2% zu rechnen. Real, d.h. unter Berücksichtigung der im laufenden Jahr zu erwartenden Preisentwicklung bei neuen Bauten und Ausrüstungsgütern, ist mit einer Erhöhung um knapp 3% zu rechnen. Differenziert man die Investitionspläne nach Größenklassen, so zeigt sich, dass in erster Linie die großen Unternehmen ihre Investitionen 2010 wieder aufstocken wollen, während die kleinen Unternehmen weitere Kürzungen geplant haben. Sollte sich die konjunkturelle Lage im 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 79 80 Daten und Prognosen Tab. 2 Tendenzen der Investitionsplanung im verarbeitenden Gewerbe Westdeutschlands Im Jahr 2010 wollen gegenüber 2009 a) ... % der Unternehmen investieren etwa b) mehr gleichviel weniger Saldo 54 16 30 + 24 Zum Vergleich: Planungstendenzen für 2009 2008 b) Saldo + 24 + 42 Verarbeitendes Gewerbe davon: Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe 47 19 34 + 13 + 24 + 39 Investitionsgüter produzierendes Gewerbe 58 18 24 + 34 + 29 + 57 Verbrauchsgüter produzierendes Gewerbe 49 16 35 + 14 + 4 + 24 Nahrungs- und Genussmittelgewerbe 55 1 44 + 11 + 11 – 14 a) Die Firmenangaben wurden mit dem Umsatz gewichtet. Die Ergebnisse der Hauptgruppen wurden durch Gewichtung der b) Gruppendaten mit den hochgeschätzten Investitionen ermittelt. – Der Saldo ist die Differenz der »Mehr«- und »Weniger«Meldungen. Quelle: ifo Investitionserhebungen. Laufe des kommenden Jahres spürbar erholen, so ist es durchaus möglich, dass die kleineren Unternehmen, die in ihrem Investitionsverhalten recht flexibel sind, ihre Pläne noch nach oben korrigieren. bau, der in den Jahren 2006, 2007 und 2008 außerordentlich stark in neue Bauten und Ausrüstungsgüter investiert hatte, will seine Investitionen 2010 nochmals spürbar um 15% einschränken. Ein guter Indikator für die Investitionsneigung der Unternehmen ist die Entwicklung der Auftragseingänge bei den Industrieausrüstern des Maschinenbaus. Während diese von Mitte 2008 bis Juli 2009 stark rückläufig waren, ziehen sie nun wieder leicht an (vgl. Abb. 2). Auch die Umsätze der Maschinenbauer, die aufgrund der Lieferfristen etwas hinterherlaufen, sind regelrecht eingebrochen, hier zeichnet sich jedoch noch kein unterer Wendepunkt ab. Auch im Grundstoff- und Produktionsgüter produzierenden Gewerbe ist nur eine geringe Investitionserhöhung von knapp Abb. 2 Nachfrage der westdeutschen Industrie nach Ausrüstungsgütern In jeweiligen Preisen, Indexwerte a) Maschinen für die Industrie , Inland b) Auftragseingang b) Umsatz Nur vereinzelt deutliche Investitionserhöhungen Nach den massiven Kürzungen in diesem Jahr sind auf Hauptgruppenebene 2010 in allen Bereichen wieder leichte Investitionszuwächse zu erwarten. Im Nahrungs- und Genussmittelgewerbe ist mit einem Anstieg von 4% zu rechnen. Eine in etwa gleich hohe Steigerungsrate ergibt sich für den Bergbau. Das Investitionsgüter produzierende Gewerbe hat im Durchschnitt für 2010 nur einen minimalen Investitionsanstieg von einem Prozent geplant. Spürbare Erhöhungen sind nur im Luft- und Raumfahrzeugbau (+ 15%) und in der Feinmechanik und Optik (+ 10%) vorgesehen. Nach den Meldungen der Straßenfahrzeugbauunternehmen werden nach der starken Kürzung in diesem Jahr die Investitionen 2010 wieder um rund 5% zunehmen. In derselben Größenordnung dürften sich die Zuwachsraten in der Elektrotechnik und in der Stahlverformung bewegen. Ein im Vergleich zu diesem Jahr unverändertes Investitionsniveau haben die Herstellung von EBM-Waren und der Schiffbau vorgesehen. Der Stahl- und Leichtmetallbau und der EDV-Bereich beabsichtigen, ihre Ausgaben für Sachanlagen um rund 5% zu kürzen. Der Maschinenifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Ausrüstungsinvestitionen westdeutsche Industrie 2005 = 100 150 150 125 125 100 100 75 75 50 50 25 25 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 a) Hersteller von Baustoffmaschinen, Hütten- u. Walzwerksanlagen, Gießereimaschinen, Apparatebau, Holzbearbeitungsmaschinen, Gummi- u. Kunstoffmaschinen, Druck- u. Papiermaschinen, Werkzeugmaschinen, Präzisionswerkzeuge, Schuh- u. Ledermaschinen, Textilmaschinen, Nähmaschinen und Nahrungsmittelmaschinen. b) Saisonbereinigt und geglättet. Quelle: VDMA; ifo Institut. Daten und Prognosen einem Prozent zu erwarten. Spürbare Zuwächse von rund 10% meldeten die Mineralölverarbeitung (einschl. Vertrieb) und die Holzbearbeitung. Nicht ganz so hohe Investitionsaufstockungen – um etwa 5% – haben die chemische Industrie, der NE-Bereich und die Zellstoff-, Papier- und Pappeerzeugung vorgesehen, während folgende Branchen von einem gegenüber 2009 in etwa konstanten Investitionsniveau ausgehen: Gummiverarbeitung, der Bereich Steine und Erden, die Gießereien sowie die Ziehereien und Kaltwalzwerke. Nach dem vergleichsweise moderaten Investitionsrückgang in diesem Jahr hat die eisenschaffende Industrie für 2010 eine massive Kürzung ihrer Ausgaben für neue Bauten und Ausrüstungsgüter um 20% vorgesehen. Abb. 3 Erweiterungsmotiv verliert an Bedeutung ......Mrd. € wurden in folgende Maßnahmen investiert 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Mrd. € 90 91 92 93 94 95 96 97 Erweiterung Ersatzbeschaffung 98 99 00 01 02 Umstrukturierung sonstige 03 04 05 06 07 08 09 10 Rationalisierung Quelle: ifo Investitionstest (West). Das Verbrauchsgüter produzierende Gewerbe insgesamt beabsichtigt, seine Ausgaben für Sachanlagen um knapp 4% zu erhöhen. Einen überdurchschnittlichen Anstieg um 10% haben die Kunststoffverarbeitung und das Bekleidungsgewerbe geplant. Nicht ganz so hohe Zuwächse um rund 5% meldeten der Bereich Druckerei und Vervielfältigung sowie das Ledergewerbe. Folgende Branchen dürften 2010 in ähnlichem Umfang investieren wie in diesem Jahr: Papier- und Pappeverarbeitung, Holzverarbeitung, Textilgewerbe und Herstellung von Musikinstrumenten, Schmuck usw. Kürzungen um rund 5% sind in der Feinkeramik und in der Herstellung und Verarbeitung von Glas vorgesehen. Ersatzbeschaffungen. Rund 32% der Investitionsausgaben haben nach den Meldungen der Unternehmen in diesem Jahr dem Ersatz veralteter Anlagen gedient. Für das nächste Jahr erhöht sich ihr Anteil auf 36%. Ersatzbeschaffungen stehen auch in den meisten Branchen im Vordergrund des Investitionsgeschehens, besonders große Bedeutung – ebenfalls sowohl 2009 als auch 2010 – haben sie im NE-Bereich, im Ledergewerbe, in der Herstellung von EDV-Geräten sowie in der Herstellung von Musikinstrumenten, Schmuck usw. In diesem Jahr haben auch die Holzbe- und -verarbeitung überdurchschnittlich stark in Ersatzbeschaffungen investiert. Für das nächste Jahr planen die Branchen Steine und Erden, Schiffbau und die Herstellung und Verarbeitung von Glas, einen hohen Anteil ihrer Investitionen in den Ersatz nicht mehr nutzbarer Anlagen zu stecken. Erweiterungen verlieren an Bedeutung Die hier dargestellten Ergebnisse hinsichtlich der Investitionsmotive sind nicht mit denen aus der Erhebung im Frühjahr vergleichbar, da sie auf unterschiedlichen Fragestellungen basieren. Während im Frühjahr die Unternehmen nach den Hauptmotiven ihrer Investitionstätigkeit gefragt werden, werden sie in der Herbsterhebung gebeten, die Investitionen quantitativ den unterschiedlichen Investitionsmotiven zuzuordnen. Diese Fragestellung erlaubt es also, die Investitionen auf die einzelnen Zielsetzungen aufzugliedern. Des Weiteren ist der Zielekatalog in der Herbstumfrage weiter aufgefächert als in der Investitionserhebung im Frühjahr. Angesichts der derzeit geringen Auslastung der Produktionskapazitäten überrascht es nicht, dass die Kapazitätserweiterung als Investitionsmotiv spürbar an Bedeutung verloren hat. Das Schwergewicht der Investitionen liegt – und zwar sowohl 2009 als auch 2010 – bei den trotz der konjunkturell angespannten Lage teilweise notwendigen Nachdem das Erweiterungsmotiv in den vergangenen, relativ investitionsstarken Jahren wieder an Bedeutung gewonnen hatte, verlor es nun angesichts des konjunkturellen Einbruchs wieder merklich an Gewicht. Es liegt dennoch auf dem zweiten Platz. Nach den Angaben der Firmen fließt im Durchschnitt rund ein Viertel der Investitionen in Erweiterungsinvestitionen. Ein deutlich überdurchschnittliches Gewicht hat das Erweiterungsmotiv – sowohl 2009 als auch 2010 – im Luft- und Raumfahrzeugbau. Das Investitionsmotiv Rationalisierung ist weiterhin von untergeordneter Bedeutung. Mitte der neunziger Jahre floss noch rund ein Viertel der Investitionsausgaben in Rationalisierungsmaßnahmen. Dieses Jahr lag ihr Anteil bei einem Siebtel, im nächsten Jahr dürfte er sich leicht – auf ein Sechstel – erhöhen. Rationalisierungsinvestitionen werden 2010 vor allem in den Bereichen Zellstoff-, Papier- und Pappeerzeugung, Herstellung von EBM-Waren, Stahlverformung und Stahl- und Leichtmetallbau eine überdurchschnittliche Rolle spielen. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 81 82 Daten und Prognosen Tab. 3 Struktur der Investitionen im westdeutschen verarbeitenden Gewerbe Investitionskategorien Anteil an den Gesamtinvestitionen a) in % 2009 2010 Kapazitätserweiterung 26,0 24,2 Umstrukturierung 11,9 10,8 Rationalisierung 14,6 16,1 Ersatzbeschaffung 31,7 35,5 b) Andere Investitionsvorhaben 15,8 13,4 Investitionen insgesamt 100,0 100,0 a) b) Hochgerechnete, strukturbedingte Anteilswerte. – Investitionen für Umweltschutzzwecke, zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, für Forschung und Entwicklung sowie für Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung u.a.m. Quelle: ifo Investitionserhebung, Herbst 2009. Gut ein Zehntel der Investitionen des westdeutschen verarbeitenden Gewerbes wurden 2009 in Umstrukturierungsmaßnahmen investiert. Darunter sind Umstrukturierungen im Produktionsprogramm ohne wesentliche Erweiterungseffekte zu verstehen, wie z.B. Erweiterung der Kapazität zur Herstellung bestimmter Produkte/Produktprogramme bei gleichzeitiger Einschränkung anderer Fertigungskapazitäten. Nach den Meldungen wird sich der entsprechende Prozentsatz im nächsten Jahr nur leicht verringern. Dieses Investitionsmotiv spielt seit Anfang der achtziger Jahre eine große Rolle im Investitionsgeschehen des Straßenfahrzeugbaus. Aber auch die Gummiverarbeitung und das Textilgewerbe investieren nach den Angaben der Unternehmen derzeit relativ stark in Umstrukturierungen. Im kommenden Jahr will auch das Bekleidungsgewerbe mehr Mittel in solche Maßnahmen stecken. Rund ein Siebtel der Bruttoanlageinvestitionen entfällt im Industriedurchschnitt auf sog. »andere Investitionsvorhaben«. Dazu zählen z.B. Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie Umweltschutzinvestitionen. Ein besonders starkes Gewicht haben diese Investitionen nach wie vor im Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe und hier vor allem in der Mineralölverarbeitung (einschl. Vertrieb), in der chemischen Industrie und in der eisenschaffenden Industrie. Im Investitionsgüter produzierenden Gewerbe spielen diese »anderen Investitionsvorhaben« im Straßenfahrzeugbau eine relativ große Rolle, wobei hier wohl weniger der Umweltschutz als die Sachinvestitionen in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen von Bedeutung sind. Zusammenfassung Die schlechte konjunkturelle Lage, insbesondere die schwache Nachfrage und die stark gesunkene Kapazitätsauslasifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang tung, haben die Investitionsbereitschaft der westdeutschen Industrieunternehmen in diesem Jahr deutlich gedämpft. Nach den Ergebnissen des ifo Investitionstests wird der Rückgang viel stärker ausfallen, als nach den Meldungen von Anfang dieses Jahres zu erwarten war. Mit rund 36,5 Mrd. € dürften die Bruttoanlageinvestitionen 2009 um gut 22% unter dem Niveau von 2008 liegen. Da die Preise für neue Maschinen und maschinelle Anlagen, in die über 80% der Investitionen des verarbeitenden Gewerbes fließen, derzeit leicht sinken, ist real mit einem Rückgang von 21% zu rechnen. Für das kommende Jahr ist aus heutiger Sicht nur mit einer leichten Verbesserung des Investitionsklimas zu rechnen. So zeichnet sich nach dem derzeitigen Planungsstand der Unternehmen für 2010 ein nur geringer Anstieg der Investitionen um knapp 2% ab. Real entspricht das einer Veränderungsrate von 3%. Differenziert man die Investitionspläne nach Größenklassen, so zeigt sich, dass in erster Linie die großen Unternehmen ihre Investitionen 2010 wieder aufstocken wollen, während die kleinen Unternehmen weitere Kürzungen geplant haben. Sollte sich die konjunkturelle Lage aber im Laufe des kommenden Jahres spürbar erholen, so ist es durchaus möglich, dass die kleineren Unternehmen, die in ihrem Investitionsverhalten recht flexibel sind, ihre Pläne noch nach oben korrigieren. Angesichts der derzeit niedrigen Kapazitätsauslastung überrascht es nicht, dass die Erweiterung als Investitionsmotiv spürbar an Bedeutung verloren hat und an die zweite Stelle geschoben wurde. Das Hauptmotiv der Investitionstätigkeit – und zwar sowohl im laufenden als auch im kommenden Jahr – sind nun die Ersatzbeschaffungen. Kurz zum Klima: Globaler Stand der Erneuerbaren Energien 83 Janina Ketterer, Jana Lippelt und Katrin Schaber 56% der weltweiten CO2-Emissionen entstehen durch die Verbrennung fossiler Energieträger (vgl. IPCC 2007). Folglich erschließen sich in diesem Sektor zahlreiche Möglichkeiten, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Hierfür stehen verschiedene kohlenstofffreie Technologien, wie Kernenergie, Carbon Capture and Sequestration (CCS), Kernfusion und die Erneuerbaren Energien (EE) zur Verfügung. In welchem Verhältnis diese Technologien eingesetzt werden sollen und können, um eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen, ist Gegenstand der aktuellen Forschung und des politischen Diskurses. Dieser Beitrag erfasst skizzenhaft den Status quo der Erneuerbaren Energieerzeugung. Das aggregierte technische Potential für erneuerbare Stromversorgung deckt die globale Nachfrage um ein Vielfaches (vgl. DLRTransCSP 2006). Die Wirtschaftlichkeit der EE hängt jedoch stark von den Standorten und der Anlagengröße ab. Unterschiede zwischen Standorten werden durch die bestehende Kraftwerks- und Netzstruktur sowie die geographischen Gegebenheiten bestimmt. In der Karte (Abb. 1) sind sowohl die Kraftwerke mit einer jährlichen Stromerzeugung über 10 GWh1 verzeichnet als auch der Anteil der EE an der gesamten Elektrizitätsproduktion der Länder (vgl. Wheeler und Ummel 2008). Die aktuelle Verteilung der EE wird neben den gegebenen technischen Potentialen auch durch politische Rahmenbedingungen beeinflusst. Folglich verdeutlicht die Karte eine regional stark unterschiedliche Energieerzeugung. Denn aus Energiesicherheitsaspekten und Klimaschutzzielen ergibt sich die politische Notwendigkeit für die Umstrukturierung der Energieversorgung. standen viele kleine dezentrale Anlagen. Weitere Regionen mit Einspeisevergütungen wie z.B. Spanien, Dänemark sowie die US-Staaten Vermont und Kalifornien (vgl. REN21 2009) weisen ebenfalls eine dezentrale Struktur der erneuerbaren Erzeugung auf. In Dänemark wurde die Vergütung 1993 eingeführt und hat bis zum Jahr 2004, als diese Vergütung auslief, zu einem Anstieg der Kapazität um das Sechsfache geführt (vgl. Farrell 2009). Andere Länder, wie China und Brasilien, fördern vermehrt Großprojekte, wie beispielsweise den Dreischluchtendamm. Die Kapazität dieses Laufwasserkraftwerkes entspricht mit 18.2 GW ca. 15% der deutschen Gesamtkraftwerkskapazität (vgl. EIA 2008; Xiaoqian et al. 2000). Neben den nationalen Subventionen können Erneuerbare Energien durch die flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls unterstützt werden. Eine doppelte Förderung durch nationale Programme und Clean Development Mechanismen (CDM) wurde eingeschränkt. Anfang Dezember wurden beispielsweise zehn Windenergieprojekte in China nicht als CDM registriert, da sie aufgrund der chinesischen Einspeisevergütung gegen das Additionalitätskriterium verstoßen (vgl. IETA 2009). In 73 Ländern existieren bereits Ziele für den angestrebten Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung (vgl. REN21 2009). Diese Zahl ist in den letzten Jahren gemeinsam mit der Festlegung von nationalen Emissionszielen und klimapolitischen Instrumenten stark angestiegen. Die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten ist deutlich gestiegen und somit auch die internationale Vernetzung: 2009 wurde die zwischenstaatliche Organisation International Renewable Energy Agency (IRENA) gegründet. Tabelle 1 zeigt die Zielvorgaben für den Anteil der Erneuerbaren Energien in ausgewählten Ländern und Regionen. Ein Vergleich mit dem Status quo zeigt, dass deren Erreichen sich als durchaus realistisch erweist. Gefährdet werden die Zielvorgaben möglicherweise durch einen starken Anstieg der Gesamtnachfrage. Ein erheblicher Anteil an der Gesamtenergieerzeugung wird derzeit durch die Nutzung von Wasserkraft erreicht. Die Karten verdeutlichen diese großskaligen Kraftwerksstrukturen beispielsweise in Skandinavien, Kanada, Brasilien und China. Wind- und Solarenergie sind aus Kostengründen auf staatliche Unterstützung angewiesen: Die Stromgestehungkosten für Solar- und WindTab. 1 energie liegen heute in Europa bei etwa dem Anteil der Erneuerbaren Energien Drei- bis Zehnfachen des Marktpreises (vgl. Öko Institut 2009). Im Falle einer SubventioZiel für den Anteil EE Land (Bezugsjahr) nierung decken sich die Regionen hohen Po(in %) tentials nicht notwendigerweise mit der VerAustralien (2020) 18 teilung der installierten Anlagen. Bangladesch (2020) 10 In Deutschland wird die Wirkung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) deutlich. Durch die Einspeisevergütung ent1 Das entspricht in etwa einem Promille der Stromerzeugung eines Grundlastkraftwerkes. Die Kernkraftwerke Isar 1 und 2 produzieren im Jahr ca. 17 000 GWh. Kalifornien (2020) China (2020) Deutschland (2020) EU (2020) Frankreich (2020) Großbritannien (2020) Spanien (2020) 33 21 18 20 4.9 GW solar PV, 23 15 20 Status quo des Anteils EE (in %) 8 5 23 15 7 9 11 8 12 Quelle: REN21 (2009); Wheeler und Ummel (2008); EIA (2008), Martinot und Junfeng (2007). 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2009 84 Im Blickpunkt Kurz zum Klima: Erneuerbare Energie Abb. 1 Kurz zum Klima: Erneuerbare Energie Kraftwerksstandorte: Stromerzeugung (GWh) aus Erneuerbarer Energie (EE) 10 - 900 900 - 3 800 3 801 - 10 000 10 001 - 28 000 28 001 - 63 300 Anteil EE an der Gesamtstromerzeugung 0 - 10% 11 - 20% 21 - 50% 51 - 70% 71 - 100% keine Daten Quelle: Wheeler und Ummel (2007). ifo Schnelldienst 24/2009 – 62. Jahrgang Im Blickpunkt Die Verpflichtungen der Nationalstaaten zum Klimaschutz fordern deutliche Reduktionen der Treibhausgasemissionen. Eine Veränderung der Stromversorgung wird hierzu einen deutlichen Beitrag leisten. Allerdings befinden sich die Technologien, die für eine kohlenstoffarme Stromversorgung zur Verfügung stehen, im Spannungsfeld zwischen Kosten, Nachhaltigkeit und Ressourcenverfügbarkeit. Der Einsatz dieser Technologien wird außerdem stark von den politischen Rahmenbedingungen beeinflusst und setzt geographische Gegebenheiten – ausreichend Potential der Erneuerbaren Ressourcen – voraus. Ersteres ist in Zukunft sicherlich starken Veränderungen unterworfen. Literatur DLRTransCSP/Deutsche Luft und Raumfahrt Forschung, 2006), Trans-Mediterranean Interconnection for Concentrating Solar Power (TRANS-CSP), Final Report, Institute of Technical Thermodynamics, Section Systems Analysis and Technology Assessment, Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety, verfügbar unter: http://www.dlr.de/tt/desktopdefault.aspx/tabid-2885/4422_read-6588. EIA (Energy Information Administration, 2008), Recent Electricity Generation by Type, verfügbar unter: www.eia.doe.gov. 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Vieweg u.a. 230 S. 2005. € 60,– 20 Implikationen des Internets für das Transaktions- und Transaktionskostenniveau in der chinesischen Volkswirtschaft unter besonderer Berücksichtigung eines Digital Divides. Von Ch. Schmidkonz. 431 S. 2005. € 30,– 21 Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. Eine empirische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Europäischen Zentralbank. Von S. Hamella. 257 S. 2005. € 20,– 22 Marktstrukturveränderungen in der Trinkwasserversorgung. Eine Analyse ökonomischer, ökologischer und sozialer Auswirkungen am Beispiel Deutschlands. Von M. Egerer. 384 S. 2005.€ 30,– 23 Gesamtwirtschaftliche Folgen von Vermögensblasen im internationalen Vergleich. Von H. Bandholz, O. Hülsewig, G. Illing, T. Wollmershäuser. 222 S. 2006. € 25,– 24 Besteuerungsanreize in den deutschen Kommunalfinanzen. Von Chr. Kelders. 236 S. 2006. € 28,– 25 Introduction to the Mechanical and Electrical Engineering Sectors of new EU Member States. Von H.-G. Vieweg, A. Kuhlmann, G. Roubal u.a. 159 S. 2006 € 35,– 26 Essays on Network Industries. Privatization, Regulation, and Productivity. Von A. Kuhlmann. 108 S. 2007. € 25,– 27 Strategic Decisions on Electronic Business-to-Business Markets. Von K. Sülzle. 140 S. 2007. € 25,– 28 Effects of Innovation on Firm Performance. Von S. Lachenmaier. 244 S. 2007. € 30,– 29 Beschäftigungs- und familienpolitische Aspekte der Teilzeitarbeit im Lichte des Teilzeit- und Beschäftigungsgesetzes – eine Evaluierung. Von S. Munz. 178 S. 2007. € 25,– 30 Projektionen zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Von M. Werding, H. Hofmann. 218 S. 2008. € 28,31 Steuerausfälle im Bereich der Mehrwertsteuer. Gründe, Ausmaß und Abhilfemöglichkeiten. Von A. Gebauer. 289 S. 2008. € 28,32 Regulierung in Telekommunikationsmärkten: Technologische Dynamik und Wettbewerbspotenziale. Von N. Czernich, O. Falck, T. Kiessl,T. Kretschmer. 124 S. 2008. € 20,33 Makroevaluation der SGB II – Grundsicherungsstellen. Von M. Werding, T. Büttner, H. Hofmann, Chr. Holzner, S. Munz u.a. 264 S. 2009. € 20,– 34 Educational Institutions and Equality of Opportunity. Von G. Schütz. 191 S. 2009. € 20,– 35 Guss 2020 – Perspektiven für den Weltmarkt für Gießereierzeugnisse. Von H.-G. Vieweg, M. Reinhard. 105 S. 2009. € 75,– 36 Konjunkturprognose in Deutschland. Ein Beitrag zur Prognose der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf Bundesund Länderebene. Von G. Vogt (Diss.). 151 S. 2009. € 25,– Zu beziehen beim ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, Poschingerstr. 5, 81679 München ifo Forschungsberichte 27 Die fiskalische Bilanz eines Kindes im deutschen Steuer- und Sozialsystem. Von H. Hofmann, M. Werding. 197 S. 2005. € 30,– 28 Berechnung der BIP-Elastizität öffentlicher Ausgaben und Einnahmen zu Prognosezwecken und Diskussion ihrer Volatilität. Von Th. Büttner, G. Flaig, A. Dehne, O. Hülsewig, P. Winkler. 100 S. 2006. € 20,– 29 Chancen und Risiken veränderter Rahmenbedingungen für die Dienstleistungsunternehmen durch die EU-Dienstleistungsrichtline. Von G. Nerb, H. Schmalholz, B. Frank, M. Gornig u.a. 348 S. 2006. € 20,– 30 Ökonomische Auswirkungen umweltpolitischer Regulierungen. Eine Machbarkeitsstudie vor dem Hintergrund der Anforderungen der Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzungen (IVU-Richtlinie). Von T. Rave, U. Triebswetter. 161 S. 2006. € 20,– 31 Tu felix Austria: Wachstums- und Beschäftigungspolitik in Österreich und Deutschland im Vergleich. Von Th. Büttner, P. Egger, H. Hofmann, Chr. Holzner u.a. 98 S. 2006. € 20,– 32 Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Sportwettmarkt auf die deutsche Volkswirtschaft. Von L. Hornuf unter Mitarb. von G. Britschkat, R. Lechner, G. Nerb. 51 S. 2006. € 40,– 33 ifo Konjunkturumfragen und Konjunkturanalysen. Ausgewählte methodische Aufsätze aus dem ifo Schnelldienst. Von K. Abberger, G. Flaig, W. Nierhaus. 240 S. 2007. € 42,– 34 Das Rentenmodell der katholischen Verbände. Von M. Werding, H. Hofmann, H.-J. Reinhard. 213 S. 2007. € 18,– 35 Different approches to implementation of the IPPC Directive and their impact on competitiveness. Some evidence from the steel and glass industry. Von T. Rave, U. Triebswetter. 271 S. 2007. € 25,– 36 Positionierung der deutschen Industrie im globalen Konsolidierungsprozess. Von M. Reinhard, H. Schedl unter Mitarb. v. A. Buchwald, R. Henger. 144 S. 2007. € 25,– 37 Industrienahe Forschungs- und Technologiepolitik der chinesischen Regierung. Von G. Nerb, M. Reinhard, Chr. Schmidkonz unter Mitarb. von S. Schönherr, M. Taube, C. Wasmer. 139 S. 2007. € 20,– 38 Übertragbarkeit risikoabhängiger Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung. Von V. Meier, M. Werding. 41 S. 2007. € 18,– 39 Exportentwicklung und Exportpotenziale der bayerischen Außenwirtschaft. Von M. Larch, G. Nerb, R. Osterkamp. 240 S. 2007. € 20,– 40 Sektorspezifische Regulierung: Transitorisch oder ad infinitum? Eine internationale Bestandsaufnahme von Regulierungsinstitutionen. Von H. Schedl, K. Sülzle. 124 S. 2008. € 15,– 41 Analyse und Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen. Von T. Büttner, F. Holm-Hadulla, R. Parsche, C. Starbatty. 213 S. 2008. € 25,– 42 Fertility and Prosperity. Links Between Demography and Economic Growth. Von M. Werding, S. Munz, V. Gács. 280 S. 2008. € 23,– 43 Valuation of Privatization in Europe by Experts and Stakeholders: Results of Explorative Surveys and Interviews. EU-supported Project Understanding Privatization Policy: Political Economy and Welfare Effects. Von G. Nerb, S. Schönherr, B. Schroeder, L. Hornuf, J. Koenig, M. Mauch, J. Pahlke. 82 S. 2008. € 18,– 44 Methoden der Steuerschätzung im internationalen Vergleich. Von Th. Büttner, B. Kauder. 210 S. 2008. € 20,– 45 Der kommunale Finanzausgleich in Mecklenburg-Vorpommern: Langfristige Entwicklung und Reformperspektiven. Teil I: Der vertikale Finanzausgleich. Von Th. Büttner, P. Enß, F. Holm-Hadulla, R. Schwager, Chr. Starbatty, W. Ebering. 200 S. 2009. € 20,– 46 Der kommunale Finanzausgleich in Mecklenburg-Vorpommern: Langfristige Entwicklung und Reformperspektiven. Teil II: Der horizontale Finanzausgleich. Von Th. Büttner, P. Enß, F. Holm-Hadulla, R. Schwager, Chr. Starbatty, W. Ebering. 210 S. 2009. € 20,– Zu beziehen beim ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, Poschingerstr. 5, 81679 München ifo Institut für Wirtschaftsforschung im Internet: http://www.cesifo-group.de