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GDI IMPULS
ISSN 1422-0482 . CHF 35 . EUR 27
Wissensmagazin für Wirtschaft, Gesellschaft, Handel
Nummer 3 . 2011
Sie sind
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ind dabei, das
Die Ökonomen s
n auszurechnen.
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bedeutet.
Was das für uns
David Bosshart
Jeremy Rifkin
Martin Lindstrom
The Age of Less
Die neue Kontinentalisierung
62
Thriller-Branding
Thema: Verhaltensökonomie
4 Autoren
60 Summaries thema
116 Summaries ideeN, workshop
118 GDI-Studien
119 GDI-Seminare
> Grafik
32 nachhaltige verhaltensänderung
Wessen Verhalten ein Grosskonzern so alles verändern
muss, wenn er seinen eigenen ökologischen Fussabdruck
halbieren möchte.
120 GDI Gottlieb Duttweiler institute
122 GDI-Agenda 2011/2012
122 Impressum
> Politik
Christian Rauch
34 Grenzen des Nudgetums
> Verhaltensforschung
Anja Dilk
Vor drei Jahren wurden die Nudges erfunden – die kleinen Stupser in die richtige Richtung. Wo funktionieren
sie, und wo stossen sie an ihre Grenzen?
10 oeconomicus homo
Eine Reise durch die neue Vielfalt der verhaltensökonomischen Forschung – vom Tomografen über Elektroschocks bis hin zur Gen-Analyse.
> Die grosse Grafik
> Googloskopie
Mikael Krogerus . Roman Tschäppeler
40 was massen meinen
oder was Google einem hilfreich als Fortsetzung anbietet, wenn man eintippt: «Why are … so?»
18 ins hirn geschaut
Ein paar kleine Einblicke in das wenige, was wir bisher
darüber wissen, wie unser Gehirn funktioniert.
> Arbeit
Alexander Ross
42 Bonus? Teuer. Motivation? unbezahlbar.
> Verhaltensökonomie
Gespräch mit Ernst Fehr
Die Motivation bestimmt, was Menschen leisten. Aber
Geld allein motiviert nicht. Was dann?
20 Dem Menschen auf der Spur
Der Pionier der Verhaltensökonomie über seine
Forschungsperspektiven sowie die Schnittmengen mit
Psychologie, Soziologie, Gehirn- und Genforschung.
> Consulting
Gerhard Fehr
> Management
Gespräch mit Dan Ariely
48 weniger boni, mehr sinn
Wer grosse Anreize gibt, produziert damit vor allem
Stress und schlechte Resultate. Kleinere Anreize brächten mehr Nutzen – doch die Chefs leisten Widerstand.
28 Probieren geht über sinnieren
Wie verhaltensökonomische Experimente ganz
praktische Probleme von Unternehmen oder von
Institutionen lösen können.
> Foto-Essay
Friedrich Mauss . Gang of Berlin
50 auf herz und manieren
Es muss nicht immer Knigge sein. Neun zeitlose
Verhaltens-Tipps, optisch neu interpretiert.
Ideen
Workshop
> Gesellschaft
David Bosshart
> Generationen
Mirjam Hauser
64 The Age of less
Nach den fetten können jetzt die guten Jahre kommen –
wenn uns der Abschied vom Weiter-so gelingt und wir
die Zeitenwende mit Caring und Sharing gestalten.
> Politik
Gespräch mit Christoph Giesa
74 Demokratie im 21. Jahrhundert
Die politischen Parteien verlieren überall an Bedeutung
und Qualität – eine Chance, um mit bewegten Bürgern
die Demokratie neu zu erfinden.
> Weltwirtschaft
Jeremy Rifkin
80 von der Globalisierung zur Kontinentalisierung
Ein Megatrend geht zu Ende: Die Welt entkoppelt sich
wieder. Aber dafür werden weltweit kontinentale
Bündnisse nach dem Vorbild Europas entstehen.
102 Die Super-Opportunisten
Zwischen Jugend und Erwachsensein entsteht die neue
Generation der Emerging Adults. Was sie ausmacht.
> Management
Maren Lehky
106 Wie führt man die jugend von heute?
Was Digital Natives von Job, Karriere und Autorität halten und wie Chefs damit umgehen können.
> Branding
Martin Lindstrom
110 Warum uns «Thriller» so fesseln
Angst ist eines unserer urtümlichsten Gefühle – und
gleichzeitig eines unserer produktivsten.
> Kolumne
Peter Felixberger
114 «Die Menschen für die fantasie»
> Europa
Edward Hugh
86 Doppelt gewährt hält besser
Der Versuch einer europäischen Währungsunion ist
gescheitert. Eine Trennung in Nord- und Süd-Euro kann
das Europa-Projekt ökonomisch und politisch retten.
> Zwischenruf
Florian Josef Hoffmann
94 Der Wettbewerb frisst seine Kinder
Wieso es für unsere Gesellschaft fatal wäre, das Winnertakes-it-all-Modell des technologischen Fortschritts auf
alle Branchen auszudehnen.
Gute neue Bücher von Rolf Dobelli, Gunter Dueck, Arne
Gillert und Kathryn Schulz.
Demokratie
im 21. Jahrhundert
Das Massenzeitalter geht zu Ende. Nicht nur Kirchen,
Gewerkschaften und Konzerne, auch die Parteien haben
mit der neuen Vielfalt zu kämpfen – und geben dabei
ein extrem schlechtes Bild ab. Aber gerade das kann eine
Chance sein, um die Bürger zu bewegen und die Demo­
kratie neu zu erfinden, meint Christoph Giesa.
74
GDI Impuls . Nummer 3 . 2011
Herr Giesa, der «Wutbürger» gilt als
neues Zeitphänomen. In Deutschland
will er parlamentarisch beschlossene
Bahnhofsbauten verhindern, in der
Schweiz den Bau von Minaretten. Ist
das mehr als eine schlicht reaktionäre
Dagegen-Politik?
Ich mag den Begriff nicht. Der «Wut­
bürger» ist ein von den Medien gepräg­
tes Schlagwort, das einige Politiker
gerne übernommen haben, weil es die
protestierenden Bürger in ein negatives
Licht stellt.
Positiv ist, dass sich hier der Wunsch
vieler Menschen artikuliert, ernst ge­
nommen zu werden – und dieser
Wunsch ist eine der wichtigsten Trieb­
federn von Engagement in demokra­
tischen Gesellschaften. Wenn sich mit
einem Mal der über Jahre angestaute
Frust mit dem politischen Betrieb ent­
lädt, wenn Information und Trans­
parenz eingefordert werden, dann ist
das in der Regel nicht das Ende eines
Prozesses, sondern der Anfang von et­
was Neuem.
Wie sähe denn stattdessen das posi­
tive Licht aus?
Sie gelten in Deutschland als ein Pionier für neue Wege politischen Enga75
gements: Mit einer über Facebook
gestarteten Kampagne für die Wahl
Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten haben Sie im Sommer 2010 den
Politikbetrieb gehörig aufgerüttelt.
Und bin dafür vom später gewählten
Kandidaten Christian Wulff heftig kri­
tisiert worden: Die «Anti-Partei-Stim­
mung» der Gauck-Befürworter sei «ge­
fährlich» für die Demokratie. Genau
das Gegenteil ist der Fall: Eine Demo­
kratie muss es aushalten, wenn sich
ihre Bürger ungefragt einbringen und
positionieren. Genau das haben wir mit
dieser Kampagne gemacht und werden
es auch in Zukunft tun.
Politik . Demokratie im 21. Jahrhundert . Christoph Giesa
Wer ist wir?
Die Bürger natürlich. Es gibt hier keine
finstere Verschwörung von Demokratie­
feinden oder Parteizerstörern – Letzte­
res schaffen die Parteien auch alleine
ganz gut. Als langjähriges FDP-Mitglied
spreche ich da aus Erfahrung.
Das klingt so, als wollten Sie auf eine
Demokratie ohne Parteien hinaus.
Nicht doch. In leichter Abwandlung
des Thoreau-Zitats über Regierungen
sage ich nicht: von jetzt an keine Par­
teien mehr, sondern: von jetzt an bes­
sere Parteien. Es geht um eine neue
Gewichtung. Im deutschen Grundge­
setz steht «Alle Staatsgewalt geht vom
Volke aus», nicht von den Parteien.
Aber die Parteien wirken, ebenfalls
laut Grundgesetz, «bei der politischen
Willensbildung des Volkes mit».
Das sollen sie ja auch. Aktuell sieht es
aber eher so aus, als dürften die Bürger
alle paar Jahre einmal bei der politi­
zu nehmen. Aber natürlich sollten wir
ernsthaft darüber nachdenken, in
Deutschland das eine oder andere
­d irektdemokratische Element in die
Verfassung des Bundes oder der Län­
der aufzunehmen. Denn während in
Deutschland kürzlich bei einer Mei­
nungsumfrage 60 Prozent der Befrag­
ten dem Satz zustimmten, dass Politik
häufig gegen die Wünsche der Bürger
gemacht werde, waren es in der Schweiz
mit 31 Prozent gerade halb so viel.
Auch wenn bei mehr direkter Demokratie auch in Deutschland so etwas
wie ein Minarettverbot herauskommen könnte?
Schön für die Gegner von Volksent­
scheiden, dass sie nicht immer nur das
Beispiel von der Todesstrafe anbringen
müssen, die möglicherweise bei einer
Volksabstimmung wieder eingeführt
würde. In Deutschland haben wir in
der Vergangenheit sehr gute Erfahrun­
gen mit dem Bundesverfassungsgericht
«Einige Politiker schaffen es, ihren
Idealen treu zu bleiben – aber sind
damit kaum mehr als Pausenclowns.»
schen Willensbildung der Parteien mit­
wirken. Ein Kreuz auf dem Stimmzet­
tel, danach haben sie wieder Pause.
Höre ich da eine Präferenz für eine
stärkere Bürgerbeteiligung nach
Schweizer Vorbild heraus?
Die Schweiz ist so einzigartig, dass es
kaum möglich ist, sie als «das» Vorbild
gemacht: Es hat schon oft Gesetze kas­
siert, weil sie nicht mit dem Grundge­
setz vereinbar waren – und das würden
die Richter sicherlich auch tun, wenn
ein solches Gesetz nicht vom Parla­
ment, sondern vom Volk direkt be­
schlossen worden wäre. Auch da ist das
System in Deutschland eben etwas an­
ders als das in der Schweiz.
76
Würden Sie heute anders reden, wenn
Sie Parlamentarier geworden wären?
2004 sind Sie ja als FDP-Kandidat nur
knapp am Einzug ins Europa-Parlament gescheitert.
Vermutlich. Ich sehe ja viele aus meiner
Generation, die den Weg in die Be­
rufspolitik weitergegangen sind: Es ist
schon bitter, festzustellen, was ein Amt
aus den Menschen macht, die es inne­
haben. Als Berufspolitiker muss man
sich einsortieren – oder muss ständig
mit der Angst leben, von der Partei ab­
gesägt zu werden.
In jeder Partei gibt es einzelne Gegenbeispiele.
Sie sagen es: einzelne. So wie HansChristian Ströbele bei den Grünen oder
Frank Schäffler bei der FDP. Sie schaf­
fen es zwar, dort sich und ihren Idealen
treu zu bleiben – aber damit beschrän­
ken sie ihre innerparteiliche Rolle auf
die eines Pausenclowns. Ein einziges
Mal ist in der deutschen Politik eine
grosse Gruppe von Menschen gelandet,
ohne vorher vom Apparat abgeschliffen
worden zu sein: 1989/90 die Köpfe der
DDR-Opposition. Aber sie sind alle
schnell wieder aus der ersten Reihe ver­
schwunden – keiner von ihnen hat das
vereinte Deutschland mitgeprägt.
Welche Typen zieht die Politik denn
an? Und welche stösst sie wieder ab?
Der Einstieg ist ziemlich klar definier­
bar: Wer in jungen Jahren in die Politik
geht, macht das, weil er etwas verän­
dern will. Auf Dauer dabei bleiben da­
von aber am ehesten diejenigen, die
sich sowohl nach Versorgung als auch
nach Aufmerksamkeit sehnen. Die an­
deren steigen meist nach dem Studium
GDI Impuls . Nummer 3 . 2011
wieder aus, weil andere Dinge wie Be­
ruf oder Familie wichtiger werden …
… oder weil man merkt, dass man gar
nicht so viel verändern kann?
Als ich mir nach einigen Jahren, und
immerhin als Landesvorsitzender der
Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz,
einmal die Frage stellte, was ich denn
in all der Zeit und mit all dem Aufwand
tatsächlich erfolgreich verändert hatte,
war die Antwort: eine Verlängerung
der Öffnungszeiten für Videotheken.
Alles andere war gescheitert.
Damit wäre hinlänglich erklärt, warum die politische Klasse ist, wie sie
ist. Aber ist das nicht auch der Preis,
den man für die repräsentative De­
mokratie in grossen Staaten zahlen
muss: dass eine Kaste von spezialisierten Politikmachern entsteht?
Das mag in den vergangenen Jahrzehn­
ten so gewesen sein. Aber das muss
nicht so bleiben: Die Demokratie muss
weiterentwickelt werden, weil die Bür­
ger hier, wie in allen anderen Bereichen
der Gesellschaft, keine Lust haben, in
den 1950er-Jahren hängen zu bleiben.
Na dann: Wie sieht die Demokratie im
21. Jahrhundert aus?
Was Kommunikation und Organisa­
tion angeht, können die Parteien sich
sicherlich viel bei den Unternehmen
abschauen. Die mussten nämlich auf
Herausforderungen wie Internet, Open
Source und soziale Netzwerke weit
schneller und umfassender reagieren,
weil sie dem unmittelbaren Druck des
Marktes ausgesetzt sind. So hat die
Transparenz für den Kunden deutlich
zugenommen, neue Produkte werden
mit ihnen zusammen entwickelt, in
Krisensituationen wird offen kommu­
niziert, und es wird nicht immer nur
verkündet, sondern auch zugehört.
Gerade «dem Volk aufs Maul schauen»
gilt doch als typische Eigenschaft von
Politikern.
Sie schauen aber selten aufs Volk, son­
dern meist in die Medien oder die Mei­
mehr dabei, nur den Anstoss zu geben,
sie vernetzen sich und organisieren
Mehrheiten für ihre Initiativen. Dafür
brauchen sie auch gar keine Parteien
mehr – nur Communities.
Aber im Parlament entscheiden am
Ende doch wieder die Parteisoldaten.
Nicht unbedingt. Gerade weil Reprä­
sentativität so wichtig ist für die Demo­
«Was die Kommunikation angeht,
können die Parteien sich sicherlich viel
bei den Unternehmen abschauen.»
nungsumfragen. Im Umgang mit dem
einzelnen Bürger gilt der Verkündungs­
stil: Wir da oben sagen euch da unten,
wo es langgeht. Ihr müsst dann dieses
Produkt nur noch kaufen, also das
richtige Kreuz machen. Diese Art von
Kommunikation ist genau wie die klas­
sische Produktwerbung in der Wirt­
schaft zum Aussterben verurteilt.
Wahlplakate auf der Strasse und Hoch­
glanzbroschüren im Briefkasten wer­
den immer unwichtiger, Transparenz
und Beteiligung immer wichtiger.
Beteiligung nur an der Diskussion
oder auch an den politischen Entscheidungen selbst?
Schon die Frage lässt erkennen, dass Sie
bei dem Begriff «politische Entschei­
dung» in der klassischen Top-downKategorie denken. In Zukunft werden
Entscheidungen aber immer häufiger
bottom-up angestossen – und die Bür­
ger, die das tun, belassen es auch nicht
77
kratie, müssen wir andere Wege finden,
um Repräsentativität zu gewährleisten.
So werden derzeit zum Beispiel alle
Kandidaten für Parlamentswahlen von
den Gliederungen der Parteien aufge­
stellt – und das sind weniger als drei
Prozent aller Wahlberechtigten.
Und wie sollte man die Parlamentskandidaten sonst auswählen?
Wie wärs mit dem Zufallsprinzip?
Zufallsparlamentarier? Wie soll das
bitte funktionieren?
Ganz einfach: Ein Teil der Abgeordne­
ten wird nicht gewählt, sondern aus der
Gesamtheit aller Wahlberechtigten
ausgelost. Das könnte ein fester Anteil
sein, zum Beispiel zwanzig Prozent al­
ler Sitze, oder ein variabler Anteil, zum
Beispiel entsprechend dem Prozentsatz
derjenigen, die nicht zur Wahl gegan­
gen sind, oder derjenigen, die ungültig
gestimmt haben.
Politik . Demokratie im 21. Jahrhundert . Christoph Giesa
Alle, die bislang zähneknirschend das
kleinere Übel gewählt haben, könnten
ungültig stimmen und damit Zufallskandidaten ins Parlament wählen?
Mit einer genügend grossen Zahl sol­
cher zufallsgewählten Bürgerabgeord­
neten kämen die Parteipolitiker unter
Druck, immer wieder neu um Mehr­
heiten ringen zu müssen. Und um die­
se Mehrheiten zu bekommen, müssten
sie ihre Politik auch ganz anders erklä­
Kann man nicht. Oder besser gesagt:
Wenn eine Partei einen klaren und
starken Kompass hat, wird sie nicht in
die Beliebigkeitsfalle gehen. Eine Par­
tei, die Mehrheiten um jeden Preis ge­
winnen will, verliert damit am Ende
ihre Existenzberechtigung.
Höre ich da Ihr Leiden an der FDP?
Was heisst Leiden? Die FDP steckt der­
zeit in einer derart tiefen Krise, dass sie
«Erst wenn die Parteien erkannt haben,
dass sie schwach geworden sind,
können sie wieder stärker werden.»
ren. Sie würden dadurch das Gefühl
verlieren, nur einmal alle vier Jahre um
die Bürger werben zu müssen, und die
Bürger würden das Gefühl gewinnen,
von der Politik ernst genommen zu
werden.
Das würde allerdings den Politikbetrieb erheblich aufwendiger machen
und gleichzeitig die Planungssicherheit deutlich reduzieren.
Wo gibt es denn heute noch Planungs­
sicherheit? Es sind nicht diejenigen Un­
ternehmen am erfolgreichsten, die am
Reissbrett einen Fünfjahresplan entwer­
fen und dann durchziehen. Das Trialand-Error-Prinzip hat in der Wirtschaft
an Bedeutung gewonnen, und es kann
auch in der Politik guttun.
Das Lob für Trial and Error kann man
auch als ein Bekenntnis zur grossen
Beliebigkeit deuten.
gar keine andere Überlebenschance
hat, als jetzt in vielem ihre eigenen
Posi­t ionen infrage zu stellen und sich
zu fragen, was es denn heute und mor­
gen bedeuten kann, liberal zu sein. Ich
­habe vor sechs Jahren auf einem FDPPar­teitag den Antrag gestellt, ein neues
Grundsatzprogramm zu entwerfen –
weil es besser ist, solche grundlegenden
Diskussionen zu führen, solange man
noch nicht in der Regierung ist. Der
Antrag wurde damals abgelehnt, also
muss die Partei die Diskussion eben
jetzt führen, mit dem Rücken zur
Wand.
Immerhin geben Sie den politischen
Parteien auch im 21. Jahrhundert
noch eine Existenzberechtigung.
Weil ich glaube, dass die Menschen
­eine gewisse Vorstrukturierung brau­
chen. Es gibt Menschen, die lieber dem
Staat mehr Verantwortung geben wol­
78
len, und andere, die da im Zweifelsfall
dem Menschen mehr zutrauen. Es gibt
Menschen, die eher bewahren wollen,
und andere, die lieber erneuern. Ent­
lang solcher grosser Linien formieren
sich Gruppen, die nicht in allen, aber
in vielen Fragen ähnlicher Auffassung
sind. Diese Gruppen kann man auch in
Zukunft, wie bisher, Parteien nennen.
Aber diesen Gruppen nicht mehr das
Geschäft des Politikmachens anvertrauen?
Nicht mehr exklusiv. Wenn die Demo­
kratie zukunftsfähig sein soll, muss sie
auf eine breitere Basis gestellt werden.
Das kann mit den und innerhalb der
Parteien geschehen – allerdings müss­
ten sie dafür bereit sein, sich zu öffnen,
und ihren Absolutheitsanspruch auf­
geben. Es klingt paradox, aber erst
wenn die Parteien erkannt haben, dass
sie schwach geworden sind, können sie
wieder stärker werden.
Und wenn nicht?
Dann hätten die Parteien ihre Chance
eben vertan. Unzufriedene Bürger wer­
den Organisationen finden, die ihre
Sprache sprechen und sie vertreten –
oder sie selbst erschaffen. <
Interview: Detlef Gürtler
Lektüre zum Thema
Christoph Giesa . Bürger. Macht. Politik .
Campus 2011
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… weil ich über alle
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Manager . Daniel Goleman: Emotionales Management . Tim
Renner: «Warum Bauen Autobauer keine Fahr­räder?» . Phil
Rosen­zweig: «Manager lassen sich über das Geheimnis des
Erfolgs systematisch täuschen» . Douglas Rushkoff: «Der in­
teraktive Raum ist heute ebenso verschmutzt wie die Shop­
ping-Mall» . Edgar Schein: Vier Gesichter der Führung .
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. Peter Wippermann: Sozialer Reichtum . Klaus Woltron: Wie
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