Kunststoffprüfung - ReadingSample - Beck-Shop

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Kunststoffprüfung
Bearbeitet von
Wolfgang Grellmann, Sabine Seidler
1. Auflage 2005. Buch. XXXII, 706 S. Hardcover
ISBN 978 3 446 22086 7
Format (B x L): 17,5 x 24,7 cm
Gewicht: 1447 g
Weitere Fachgebiete > Technik > Verfahrenstechnik, Chemieingenieurwesen,
Lebensmitteltechnik > Technologie der Kunststoffe und Polymere
Zu Inhaltsverzeichnis
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Produktinformation
Seite 1 von 1
Kunststoffprüfung
Wolfgang Grellmann, Sabine Seidler
ISBN 3-446-22086-0
Leseprobe
Weitere Informationen oder Bestellungen unter
http://www.hanser.de/3-446-22086-0 sowie im Buchhandel
http://www.hanser.de/deckblatt/deckblatt1.asp?isbn=3-446-22086-0&style=Leseprobe
06.07.2005
6.2 Optische Eigenschaften
317
Der Einfluss einer Faserverstärkung auf das Wärmeausdehnungsverhalten einer
kreisrunden Platte zeigt Bild 6.11. Während sich in Radial- und Tangentialrichtung
nur geringe Unterscheide im Wärmeausdehnungsverhalten ergeben, ist in Dickenrichtung eine deutlich stärkere Wärmeausdehnung nachweisbar, die wesentlich
durch das Wärmeausdehungsverhalten der unverstärkten Matrix bestimmt wird. Aus
der Anisotropie des Wärmeausdehnungsverhaltens können Schlussfolgerungen zur
Faserorientierung abgeleitet werden.
Ein wesentlicher Beitrag der Entstehung von inneren Spannungen resultiert aus dem
Wärmeausdehnungsverhalten. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang zu
berücksichtigen, dass Wärmeausdehnungskoeffizient mit zunehmendem E-Modul
abnimmt. Eine Behinderung der thermischen Ausdehnung führt zu einem Spannungsaufbau im Werkstoff, zu so genannten Wärmespannungen. Dies gilt sowohl für
den Fall der kraftschlüssigen Kombination von Werkstoffen unterschiedlicher
thermischer und elastischer Eigenschaften als auch für den Fall unterschiedlicher
Temperaturen in einem Erzeugnis. Im Werkstoff bzw. Werkstoffbereichen mit dem
geringeren Wärmeausdehnungskoeffizienten bauen sich Zugspannungen, in den
anderen Druckspannungen auf. Entfallen die Ursachen der Wärmespannungen,
verschwinden die inneren Spannungen unter der Voraussetzung dass keine plastischen Deformationen auftreten vollständig. Andernfalls kommt es zur Entstehung
von Eigenspannungen.
6.2
Optische Eigenschaften
6.2.1
Einführung
Die Prüfung der optischen Eigenschaften von Kunststoffen ist einerseits aus Gründen
der Produktästhetik und andererseits zur Charakterisierung der vielfältigsten
Gebrauchseigenschaften der Werkstoffe und der daraus gefertigten Formteile
erforderlich. So entscheiden die Oberflächeneigenschaften eines Produktes ganz entscheidend über den Marktwert. Zu den bestimmenden optischen Kennwerten opaker
oder transluzenter Formteile zählen Farbe, Glanz und Oberflächenbeschaffenheit. Bei
transparenten Werkstoffen kommen noch Deckvermögen, Durchsichtigkeit,
Transparenz, Trübung und Lasur hinzu. Ein Teil der Messungen zu den optischen
Eigenschaften der Kunststoffe stützt sich auf die grundlegenden optischen Gesetzmäßigkeiten, wie z.B. Reflexion und Brechung, Dispersion, Beugung, Interferenz und
Polarisation. Vertiefende Zusammenhänge zu diesen Grundlagen können Optiklehrbüchern entnommen werden [6.14 - 6.16].
318
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
Die Prüfung von Farbe, Trübung und Transparenz sowie des Deckvermögens und
der Durchsichtigkeit ist dagegen wesentlich komplexerer Natur. In diese Werte gehen
neben den Werkstoffeigenschaften immer noch zusätzlich die Oberflächeneigenschaften der Formteile ein. Daher werden gerade diese Kennwerte vom Anwender oft
sehr subjektiv beurteilt.
6.2.2
Reflexion und Brechung
Sind Werkstoffe optisch transparent oder transluzent, wird das einfallende Licht an
der Grenzfläche teilweise reflektiert und zum anderen Teil gebrochen. Die Lichtstrahlen, welche die Grenzfläche passieren und das zweite Medium durchlaufen,
werden bei schrägem Einfall auf die Grenzfläche in ihrer Richtung abgelenkt, was als
Lichtbrechung oder Refraktion bezeichnet wird.
Als Beugung oder Diffraktion werden die Erscheinungen der Lichtausbreitung
bezeichnet, welche von den Gesetzen der geometrischen Optik abweichen. Damit
lassen sich die Erscheinungen der nicht geradlinigen Lichtausbreitung erklären, d.h.
es gelangt Licht in das geometrische Schattengebiet hinter einem undurchlässigen
Objekt. Die Beugung, welche auf der Interferenz der Lichtwellen nach dem Prinzip
von HUYGENS beruht, begrenzt z.B. das Auflösungsvermögen optischer Instrumente.
6.2.2.1
Gerichtete und diffuse Reflexion
Das Licht breitet sich nur dann geradlinig aus, wenn in Ausbreitungsrichtung keine
Unregelmäßigkeiten auftreten, welche die Strahlen ablenken. Trifft das Licht auf die
Oberfläche eines Gegenstandes auf, wird es in Abhängigkeit von den Werkstoff- und
Oberflächeneigenschaften teilweise oder vollständig reflektiert, d.h. aus seiner
bisherigen Richtung abgelenkt. Bei Oberflächenrauigkeiten, die gegenüber der Lichtwellenlänge klein sind, tritt die gerichtete Reflexion auf. Sind die Rauigkeiten dagegen
größer, wird das einfallende Licht diffus, also scheinbar ungerichtet reflektiert. Die
geometrische Optik beschreibt die Gesetze der gerichteten oder regulären Reflexion.
Bei der diffusen Reflexion wird das Licht nicht in einem Strahl zurückgeworfen,
sondern nach allen Seiten gestreut. Dies kann durch zwei unterschiedliche Vorgänge
verursacht werden. Bei relativ großen Rauigkeiten reflektieren diese jeweils wie eine
ebene Fläche. Die Lichtstrahlen werden von den gegeneinander geneigten Flächen in
verschiedene Richtungen abgelenkt. Bei Unebenheiten < 1 µm wird das Licht durch
Beugung in alle Richtungen zerstreut. Diffuse Reflexionen sind die Ursache für nicht
spiegelnde, d.h. stumpfe Oberflächen.
6.2 Optische Eigenschaften
6.2.2.2
319
Brechzahlbestimmung
Eine Richtungsänderung des Lichtes tritt auch beim Übergang von einem Medium in
ein zweites mit abweichender Brechzahl bei nicht senkrechtem Lichteinfall auf. Im
Fall eines scharfen Brechzahlüberganges entsteht ein Knick, bei kontinuierlichen
Änderungen wird das Licht stetig gekrümmt. Einfallender, reflektierter und gebrochener Strahl liegen in einer Ebene. Das Verhältnis des Sinus des Einfallswinkels ε
zum Sinus des Brechungswinkels ε´ ist die Konstante n (Gl. 6.18), welche den durchstrahlten Stoff kennzeichnet und als Brechzahl, Brechungsindex oder Brechungsquotient bezeichnet wird.
sin ε
=n
sin ε´
(6.18)
Die Brechungsindizes sind für die verschiedensten Medien in Tabellen erfasst
[6.17, 6.18]. Durchsetzt ein Lichtstrahl eine planparallele transparente Platte, wird das
Licht an beiden Grenzflächen in der oben beschriebenen Weise gebrochen. An planparallelen Platten tritt keine Lichtablenkung auf, sondern eine parallele Versetzung.
Tritt der Lichtstrahl durch eine Grenzfläche zweier Medien mit den Brechungsindices
n und n´, so gilt das allgemeine Brechungsgesetz von SNELLIUS:
n ⋅ sin ε = n´⋅ sin ε´ .
(6.19)
Bei der Brechung bleibt das Produkt n ⋅ sin ε konstant, dieses Produkt wird als
Invariante der Brechung bezeichnet.
Für die Prüfung von Kunststoffen an Pulvern und kompakten Prüfkörpern haben
sich aus der Vielzahl von Messverfahren zur Brechzahlbestimmung einige als
besonders geeignet erwiesen:
• Brechzahlbestimmung durch Bestimmung des Winkels der Totalreflexion mit
einem Refraktometer an flüssigen oder kompakten festen Medien
• Brechzahlbestimmung an Pulvern nach der Immersionsmethode durch Wechsel
der Einbettflüssigkeit
• Brechzahlbestimmung mittels Temperatur- und/ oder Wellenlängenvariationsmethode an Kunststoffpulvern mit einem Einbettmittel sowie
• Brechzahlbestimmung planparalleler Prüfkörper (Folien, Platten, Dünnschliffe,
Dünnschnitte) bei genauer Kenntnis der Dicke.
Brechzahlbestimmung mit einem Refraktometer
Ein für die Kunststoffprüfung gut geeignetes Refraktometer ist das temperierbare
Zweiprismengerät nach ABBE. Zur Brechzahlbestimmung von Flüssigkeiten wird
320
Bild 6.12:
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
Schattengrenze der Totalreflexion im ABBE-Refraktometer bei der Anwendung monochromatischen Lichtes einer Natriumdampflampe
eine dünne Lamelle zwischen die Prismen gegeben, wobei eines der Prismen als
Beleuchtungs- und das andere als Messprisma dient. Die Beleuchtung erfolgt mit dem
monochromatischen Licht einer Natriumdampflampe bei einer Messtemperatur von
20 °C. Für vergleichende Messungen mit geringeren Genauigkeitsanforderungen oder
zur Dispersionsbestimmung kann auch im weißen Licht (z.B. Tageslicht) gearbeitet
werden. Der dabei auftretende farbige Dispersionssaum am Hell-Dunkel-Übergang
kann meist am Gerät beseitigt werden. Durch Neigen des Prismenpaares gegen den
Beleuchtungsstrahl wird in einem Okular der Hell-Dunkel-Übergang der Totalreflexion, wie in Bild 6.12 gezeigt, eingestellt und im anderen Okular die genau
diesem Winkel entsprechende Brechzahl bis zur vierten Dezimale abgelesen.
Feste Stoffe müssen nur auf einer ebenen Fläche in etwa der Messprismengröße poliert werden. Diese Fläche wird mit einer Immersionsflüssigkeit auf dem Messprisma
positioniert (Bild 6.13). Die Brechzahl der verwendeten Flüssigkeit muss kleiner sein
als die des Prismas, aber größer als die des Prüfkörpers und darf die begrenzenden
Materialien nicht angreifen. Der Pfeil gibt die Richtung des Lichteinfalls an.
Untersuchungsobjekt
Immersionsflüssigkeit
Messprisma
Bild 6.13:
Anordnung zur Brechzahlbestimmung an festen Stoffen mittels Refraktometer
6.2 Optische Eigenschaften
321
Brechzahlbestimmung nach der Immersionsmethode
Bei der mikroskopischen Brechzahlbestimmung an Pulverpräparaten wird mit hoher
Vergrößerung, zugezogener Aperturblende und eingeschaltetem unterem Polarisator
gearbeitet. Dabei erfolgt eine schrittweise Angleichung der Brechzahl der Immersionsmittel an die unbekannte Brechzahl des Präparates durch wiederholtes Wechseln der Einbettflüssigkeiten. Die BECKE-Linie, die als feiner, heller Lichtsaum am
Kornrand (Bild 6.14) bei einer Defokussierung des Kornsaums entsteht, dient als
Kriterium für die noch vorhandene Brechzahldifferenz. Beim Vergrößern des
Abstandes zwischen Präparat und Objektiv wandert dieser helle Saum in das höher
brechende Medium. Bei der Verschiebung der Linie in das Korn ist der Saum oft
schlecht erkennbar. Hier sollte der Abstand zwischen Präparat und Objektiv verringert werden. Damit wandert die Linie in das geringer brechende Medium und in
diesem Fall in die Flüssigkeit und kann leichter verfolgt werden. Durch mehrfachen
Wechsel des Immersionsmittels und Brechzahlüberprüfung unter Anwendung der
BECKE-Linie wird schließlich Brechzahlgleichheit erreicht, das nun sehr kontrastarme Korn hebt sich fast nicht mehr vom Untergrund ab. Eine stärkere Kontrastierung zur Überprüfung der Brechzahlgleichheit kann durch vollständiges Schließen
der Aperturblende erreicht werden. Im Kontrastminimum entspricht die gesuchte
Brechzahl des Präparates genau der des Immersionsmittels. Die speziell für diese
Messung verwendete Flüssigkeit kann anschließend leicht mit einem Refraktometer
gemessen werden. Das Verfahren lässt reproduzierbare Messungen bis zur vierten
Dezimale der Brechzahl zu, wobei die untere Grenze der Korngröße bei etwa 5 µm
liegt. Dabei ist die BECKE-Linie lediglich ein Kriterium für die Auswahl des folgenden Immersionsmittels zur Brechzahlangleichung bis zur Gleichheit der Brechzahlen
von Pulver und Immersionsmittel.
Bild 6.14:
BECKE-Linien an PVC-Körnern
322
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
Brechzahlbestimmung mittels Temperatur- und Wellenlängenvariationsmethode
Für gebräuchliche flüssige Immersionsmittel zur Durchführung der Temperatur-4
variationsmethode liegt der Temperaturkoeffizient β im Bereich von 5 bis 7⋅10 . Für
Kunststoffe ist β unterhalb der Glasübergangstemperatur deutlich geringer. Damit
kann β in diesem Bereich für viele Untersuchungen als konstant angenommen werden. Das trifft vor allem für die vergleichenden Brechzahluntersuchungen in Polymermischungen zur Bestimmung der Phasenart zu. Für Messungen mit höheren
Genauigkeitsanforderungen kann die Brechzahl in einem temperierbaren Refraktometer in Abhängigkeit von der Temperatur bestimmt werden.
Zur Durchführung der Brechzahlbestimmung wird das zu untersuchende Kunststoffpulver in ein Immersionsmittel mit einer etwas höheren Brechzahl eingebettet
(Prüfung mit der BECKE-Linie) und in einer verschlossenen Glasküvette unter mikroskopischer Beobachtung im Mikroskopheiztisch leicht erwärmt. Dadurch wird die
Brechzahl der Flüssigkeit so lange verringert, bis die BECKE-Linie um die immergierten Pulverkörner vollständig verschwindet und der Probenkontrast ein Minimum
erreicht. Bei der folgenden Berechnung ist nf die Brechzahl der Flüssigkeit bei der
gemessenen Temperatur, bei welcher die BECKEsche Linie des Korns verschwindet.
Die Brechzahl des Immersionsmittels bei Raumtemperatur x wird als nx bezeichnet.
Die Brechzahl der untersuchten Probe nf erhält man bei der im Kontrastminimum
gemessenen Temperatur T aus Gl. 6.20:
n f = n x − β (T − x) .
(6.20)
Die erforderlichen Werte für β können der Literatur entnommen werden [6.18].
Wichtig ist im Zusammenhang mit der Temperaturabhängigkeit der Brechzahl bei
Kunststoffen die Temperaturdifferenz von Raumtemperatur bis zum Verschwinden
der BECKE-Linie gering zu halten und daher Flüssigkeiten mit besonders hohem
β-Wert zu verwenden.
Analog zur Brechzahlangleichung durch Variation der Temperatur kann diese Angleichung auch über die Änderung der verwendeten Lichtwellenlänge vorgenommen
werden. Dabei wird die Temperaturbelastung des Kunststoffes sehr gering gehalten.
Eine Kombination der beiden Methoden ist zur Messung empfindlicher Proben günstig. Die Messungen werden von BURRI [6.19] und FREUND [6.20] ausführlich
beschrieben.
Auf der Grundlage dieser Variationsverfahren zur Brechzahlbestimmung werden in
[6.21] Verfahren zur automatischen Messung vorgestellt. Dabei wird das Kontrastminimum im Mikroskop über eine Bildverarbeitung erfasst und entsprechend ausgewertet.
6.2 Optische Eigenschaften
323
Brechzahl- und Dickenbestimmung planparalleler Prüfobjekte
Betrachtet man ein planparalleles Prüfobjekt im Mikroskop, so kann mit dem
Mikroskopfeintrieb die Plattendicke ermittelt werden. Dazu wird bei möglichst hoher
Objektivvergrößerung und damit sehr geringer Schärfentiefe zuerst auf die Unterund durch Betätigen des Feintriebes anschließend auf die Oberseite scharf eingestellt.
Die am Mikroskopfeintrieb abgelesene scheinbare Plattendicke wird mit der Brechzahl des Prüfobjektes multipliziert. Der erhaltene Wert muss durch die Brechzahl des
Mediums zwischen Prüfobjektes und Objektivfrontlinse dividiert werden. Dieser ist
mit ausreichender Genauigkeit für Luft gleich eins und für Immersionsöl bei Immersionsobjektiven n = 1,515. Werden Trockenobjektive eingesetzt, sollte diese Messung
möglichst an einem nicht immergierten, uneingedeckten Prüfobjekt durchgeführt
werden. Ist die Plattendicke bekannt, kann mit dieser Methode auch die Brechzahl
bestimmt werden. Bedingt durch die geringe Genauigkeit des Verfahrens wird es sehr
selten zur Brechzahlbestimmung angewendet. Demgegenüber werden Objektdicken
häufig mit dieser Methode bestimmt.
6.2.3
Dispersion
In anisotropen Werkstoffen ist die Brechzahl n und alle mit dieser zusammenhängenden optischen Werte (z.B. die Doppelbrechung oder der optische Achsenwinkel)
von der Wellenlänge λ des eingestrahlten Lichtes abhängig. Bei Kunststoffen und
anorganischen Gläsern nimmt die Brechzahl mit steigender Wellenlänge und damit
sinkender Frequenz des Lichtes ab. Diese Erscheinung wird als normale Dispersion
bezeichnet. Nimmt dagegen die Brechzahl des Mediums mit steigender Wellenlänge
zu, so liegt anomale Dispersion vor. Beim Durchgang weißen Lichtes durch ein
Dispersionsprisma erfolgt eine Aufspaltung in die einzelnen Wellenlängen bzw. Farben des Spektrums. Die unterschiedlichen Medien unterscheiden sich durch die Größe des Ablenkwinkels für die einzelnen Farben. Zur Charakterisierung wird die
Grunddispersion GD für den mittleren Teil des Spektrums bestimmt. Dazu werden
die Brechzahlen nF und nC gemessen.
GD = n F − n C
(6.21)
Die ausgewählten Wellenlängen der Fraunhoferschen Linien F (λF = 486 nm), C
(λC = 656 nm) und D (λD = 589 nm) werden am einfachsten mit Metallinterferenzfiltern der entsprechenden Wellenlängen oder mit optischen Monochromatoren
eingestellt. Damit lässt sich die ABBE’sche Zahl ν im Mikroskop leicht bestimmen:
ν=
nD −1
.
nF − nC
(6.22)
324
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
Eine große ABBE’sche Zahl bedeutet bei normaler Dispersion eine geringe Wellenlängenabhängigkeit der Brechzahl und umgekehrt.
Bestimmung der Dispersion von Kunststoffen mit dem ABBE-Refraktometer
Neben der Brechzahl kann im ABBE-Refraktometer die Dispersion gemessen werden.
Die wie zur Brechzahlmessung vorbereitete kompakte Probe wird mit dem Immersionsmittel auf dem Messprisma befestigt. Die Probendispersion wird stets in weißem
Licht bestimmt. Dabei tritt an der Grenzlinie der Totalreflexion ein breiter Interferenzfarbsaum auf, welcher durch Drehen des im Refraktometer integrierten AMICIPrismas kompensiert werden kann. Der zur Kompensation (scharf begrenzte Totalreflexionslinie) notwendige Prismendrehwinkel kann an der Teilung als Trommelzahl
abgelesen und mittels der zum Gerät mitgelieferten Tabellen in die Grunddispersionswerte und die ABBE’sche Zahl umgerechnet werden.
6.2.4
Polarisation
Polarisation ist die Eigenschaft einer Transversalwelle, bestimmte, ausgezeichnete
Schwingungszustände zu enthalten. Dabei steht die schwingende Größe, der Lichtoder Feldstärkevektor senkrecht auf der Fortpflanzungsrichtung. Bei unpolarisiertem
Licht steht dieser Lichtvektor in allen möglichen senkrechten Lagen auf der Fortpflanzungsrichtung. Ist das Licht dagegen polarisiert, nimmt der Vektor in allen
Raumpunkten eine parallele Lage zu einer genau definierten Richtung ein. Diese ausgezeichnete Schwingungsrichtung wird als Polarisationsrichtung bezeichnet. Stehen
zwei polarisierte Lichtwellen mit ihren Schwingungsrichtungen senkrecht aufeinander, so führt die Überlagerung nicht zu Intensitätsinterferenzen, sondern zu einer
Änderung des Schwingungszustandes der polarisierten Welle. Die Bewegung des
resultierenden Feldvektors hängt von den Amplituden der beiden Wellen und ihrer
Phasendifferenz ab. Bei einer Phasendifferenz von 0° oder 180° ergibt sich durch die
Überlagerung linear polarisiertes, in allen anderen Fällen elliptisch polarisiertes Licht.
Für den Fall, dass die Phasendifferenz 45° oder 270° beträgt, entsteht zirkular polarisiertes Licht.
6.2.4.1
Optische Aktivität
Optisch aktive Materialien drehen die Polarisationsebene des einfallenden linear
polarisierten Lichtes. Dabei ist der Drehwinkel proportional zur durchstrahlten
Schichtdicke und bei Lösungen auch zur Lösungskonzentration und nimmt mit zunehmender Wellenlänge ab, was als Rotationsdispersion bezeichnet wird. Chemisch
gleiche Materialien können eine unterschiedliche optische Aktivität aufweisen. Blickt
6.2 Optische Eigenschaften
325
man entgegen der Lichtausbreitungsrichtung, so treten rechtsdrehende (Drehung im
Uhrzeigersinn) und linksdrehende optische Stereo-Isomere auf. Diese Erscheinung
hängt vom räumlichen molekularen Aufbau der Kristalle ab. Beim Quarz tritt sowohl
bei der äußeren Kristallform als auch bei der optischen Aktivität diese Symmetrie auf.
Geschmolzene Kristalle besitzen keine kristalline Raumgitterstruktur mehr und
weisen daher auch keine optische Aktivität auf. Optische Aktivität kann in isotropen
und anisotropen Materialien auftreten. Bei optisch nicht aktiven Stoffen (Glas) kann
durch ein äußeres, in Lichtrichtung wirkendes Magnetfeld eine Drehung der Polarisationsebene hervorgerufen werden (FARADAY-Effekt).
6.2.4.2
Polarisationsoptische Bauelemente
Polarisationsoptische Erscheinungen und Bauelemente nach dem Prinzip der
Reflexion und Brechung
Bei der Reflexion und Brechung an nichtmetallischen Oberflächen kommt es zu einer
teilweisen linearen Polarisation des natürlichen Lichtes. Lässt man einen Lichtstrahl
unter dem Polarisationswinkel von 55° auf eine transparente Glasplatte fallen, so wird
das reflektierte Licht senkrecht zur Einfallsebene polarisiert, das gebrochene Licht
parallel zu dieser Ebene. Diese Eigenschaft kann zur Prüfung von Polarisatoren mit
unbekannter Schwingungsrichtung angewendet werden. Dreht man diesen Polarisator gegen das reflektierte polarisierte Licht einer glänzenden nichtmetallischen
Werkstofffläche, so tritt ein Reflexionsminimum bei paralleler Stellung der Schwingungsrichtung des Polarisators zur reflektierenden Fläche auf. Diese Prüfung kann
nur mit dem linear polarisierten Licht nichtmetallischer Oberflächen und einem
linear polarisierenden Polarisator durchgeführt werden.
Ein Glasplattensatz von etwa 10 bis 20 Platten (z.B. Deckgläschen), welche mit geringem Abstand zueinander angeordnet werden und auf die der Lichtstrahl unter einem
Winkel von 55° auftrifft, erzeugt ein nahezu vollständig linear polarisiertes Licht,
allerdings geringer Intensität. Im Gegensatz zu den später beschriebenen Filterpolarisatoren kann diese Prüfanordnung mit geeigneten Gläsern auch noch bei höheren
Temperaturen und kurzwelligem ultraviolettem Licht eingesetzt werden.
Polarisationsoptische Erscheinungen und Bauelemente nach dem Prinzip der
Doppelbrechung
Tritt ein Lichtstrahl senkrecht zur Plattenoberfläche durch eine anisotrope und damit
optisch doppelbrechende Platte hindurch, wird er aufgespalten. Die Hälfte des
Lichtes durchstrahlt die Platte entsprechend dem Brechungsgesetz senkrecht ohne
326
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
Veränderung. Dieser Lichtstrahl wird als ordentlicher Strahl bezeichnet. Die andere
Hälfte wird für jedes doppelbrechende Medium spezifisch gebrochen. Dieser außerordentliche Strahl schließt mit dem ordentlichen einen Winkel ein. Durch den längeren Laufweg des außerordentlichen Lichtstrahls gegenüber dem ordentlichen entsteht
ein Gangunterschied Γ, der ein Maß für die Doppelbrechung, also die Anisotropie
der Materialien, ist. Während für alle anisotropen Kristalle dieser Wert konstant ist,
nimmt er bei Kunststoffen Werte zwischen Null und einem Maximum an. Die Größe
dieser Anisotropie ist von dem Grad der Molekülausrichtung in eine Vorzugsrichtung, der Maschinenrichtung, abhängig. Damit wird durch die Verarbeitung der
schmelzflüssigen Kunststoffe die immer vorhandene Anisotropie der Kunststoffmoleküle auch makroskopisch wirksam.
Die Lichtaufspaltung in zwei senkrecht zueinander vollständig polarisierte, gleichgroße Anteile wird bei der Herstellung von NICOL’schen Prismen angewendet. Beim
Lichtdurchgang durch einen Kalkspatkristall wird das Licht vollständig in zwei senkrecht zueinander polarisierte Wellen zerlegt. Durch dieses Kristallprisma wird ein
Schnitt gelegt, der dem Winkel der Totalreflexion des außerordentlichen Strahles
entspricht, wodurch dieser seitlich aus dem Prisma austritt. Der vollständig polarisierte ordentliche Strahl kann in der entsprechenden Apparatur genutzt werden.
Neben dem NICOL’schen Prisma sind noch weitere Typen, wie der GLANTHOMPSON- und der GLAN-TAYLOR-Polarisator, welche sich in der Verkittung
der Schnittebenen, den Schnittwinkeln und der Nutzung des ordentlichen oder
außerordentlichen Strahls im Gebrauch unterscheiden. Diese Polarisatoren werden
aus Kosten- und Baugrößengründen nur für wenige Sonderverfahren genutzt.
Flächenpolarisatoren
Für die sehr großflächig herstellbaren Folienpolarisatoren wird die dichroitische
Wirkung von Kristallen oder Kunststofffolien ausgenutzt. Darunter versteht man die
Richtungsabhängigkeit der Absorption des außerordentlichen Strahls anisotroper
Materialien. Durch die gleichzeitige Wellenlängenabhängigkeit der Absorption
kommt es zur Färbung des Lichtes. Flächenpolarisatoren können aus dichroitischen
Kristallen, wie Turmalin oder Herapathit bzw. aus stark verstreckten polymeren
Folien, in welche meist noch Farbstoffe eingelagert werden, bestehen. Diese Folienpolarisatoren sind temperaturempfindlich (Einsatzbereich bis ca. 50 °C) und werden
durch die intensive UV-Strahlung der Fluoreszenzleuchten im Mikroskop zerstört.
Bei der Verwendung von Quecksilberhöchstdrucklampen und Lichtquellen hoher
Leuchtdichte sind daher unbedingt entsprechende Wärmeschutz- und UV-Filter zu
verwenden. Trotz dieser Einschränkungen werden diese Polarisatoren in fast allen
modernen polarisationsoptischen Geräten eingesetzt.
6.2 Optische Eigenschaften
6.2.4.3
327
Polarisationsoptische Untersuchungsverfahren
Bestimmung mechanischer Spannungen in einem Polarimeter
Transparente Modellkörper z.B. aus Epoxidharz oder PMMA werden anisotropiearm
gegossen. Damit erscheinen sie zwischen gekreuzten Polarisatoren im unbelasteten
Zustand weitgehend schwarz. Die Prüfkörper werden im Polarimeter entsprechend
des späteren Einsatzes belastet, die dadurch entstehende optische Spannungsdoppelbrechung wird digital erfasst und ausgewertet. Damit können Spannungs- und Verformungsanalysen unter statischer und dynamischer Belastung durchgeführt werden.
Die spannungsoptische Aufnahme eines Modellkörpers zeigt Bild 6.15. Im Bild sind
farbige Isochromaten und schwarze Isoklinen zu erkennen. Aus dem Netz der Isoklinen kann durch eine geometrische Konstruktion ein isostatisches Liniennetz
gewonnen werden, welches direkt den Verlauf der im Modellkörper auftretenden
Hauptspannungen darstellt [6.22].
Zur Trennung von Isochromaten und Isoklinen werden Polarisator und Analysator
schnell synchron gegenüber dem Modellkörper gedreht, wobei das Isoklinennetz
wandert und bei hohen Geschwindigkeiten vom Auge nicht mehr wahrgenommen
werden kann. Im Bild bleibt dann lediglich das stationäre Isochromatenbild sichtbar.
Zur Ausschaltung der Isochromaten wird ein Kunststoff mit möglichst geringer
spannungsoptischer Konstante, wie z.B. PMMA verwendet. Trotz hoher Belastung
erscheinen nur die Isoklinen. Zur Durchführung dieser spannungsoptischen Untersuchungen wird auf die Literatur verwiesen [6.23].
Bild 6.15:
Spannungsoptische Aufnahme eines Modellkörpers unter Belastung im linear polarisierten
Durchlicht
328
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
Ohne einen absoluten Zahlenwert der Spannung bestimmen zu müssen, gestatten die
spannungsoptischen Bilder die Richtung der Hauptspannungen, spannungsarme
Bereiche sowie Gebiete mit örtlichen Spannungsüberhöhungen sofort zu erkennen
und durch Änderung der Werkzeuggeometrie und Variation der Temperaturführung
im Verarbeitungszyklus wesentliche Produktverbesserungen herbeizuführen.
Zerstörungsfreie Prüfung transparenter Kunststoffformteile
Die Orientierung der Kunststoffmoleküle durch die Verarbeitung wird zwischen
gekreuzten Polarisatoren als schwarze (Isoklinen) und farbige (Isochromaten) Linien
und Bereiche sichtbar. Während die Isoklinen Aussagen über die Vorzugsrichtung
der Moleküle erlauben, geben die Isochromaten Auskunft über die Anisotropieverhältnisse innerhalb des Formteils. Bild 6.16 zeigt eine PS-Kreisscheibe mit Zentralanguss im linear polarisierten Durchlicht ohne äußere Belastungen. Das schwarze
Kreuz, welches durch die Isoklinen gebildet wird, gibt die symmetrische, sternförmige Hauptorientierungsrichtung der Moleküle an, aus den Isochromaten kann durch
die Bestimmung der örtlichen Lage der Isochromaten und Zuordnung zu der jeweiligen Farbordnung, ausgehend von der schwarzen Isochromate Nullter
Ordnung, die Formteilanisotropie nach Bild 6.17 und Gl. 6.23 bestimmt werden. Die
Farbordnungen entstehen durch Interferenz der den anisotropen Kunststoff durchlaufenden Lichtwellen. Ist keine Anisotropie vorhanden, werden die Lichtstrahlen
nicht aufgespalten. Damit entsteht kein Gangunterschied, bei gekreuzten Polarisatoren herrscht Dunkelheit, die Isochromate Nullter Ordnung liegt vor. Mit stetig
anwachsender Anisotropie werden durch Interferenz aus dem weißen Licht definierte
Wellenlängen ausgelöscht, der Restlichtanteil wird farbig. Diese Farben werden in
Interferenzfarbtafeln [6.24] dargestellt und sind auf Grund der periodischen, wenn
Bild 6.16:
PS-Spritzgussscheibe mit Zentralanguss im linear polarisierten Durchlicht
6.2 Optische Eigenschaften
Bild 6.17:
329
Anisotropieänderung in der PS-Spritzgussscheibe von Bild 6.5 entlang des Fließweges
auch immer schwächer werdenden Farbwiederkehr in Ordnungen eingeteilt. Dabei
umfasst eine Ordnung immer einen Gangunterschiedsbereich von genau einer Wellenlänge mit 551 nm.
Die Doppelbrechung entlang des Fließweges in der im Bild 6.16 dargestellten Kreisscheibe mit Zentralanguss lässt sich nach folgender Gleichung berechnen:
∆n =
k ⋅λ
.
d
(6.23)
Darin ist ∆n die Doppelbrechung, k die Zahl der Farbordnung, ausgehend von der in
der vorliegenden Kreisscheibe außen liegenden, immer schwarzen Isochromate
Nullter Ordnung, λ die Wellenlänge der zur Auswertung genutzten Isochromate und
d die Dicke oder genauer ausgedrückt, der wirksame Lichtweg durch die Probe. Der
Wert k ⋅ λ ergibt den optischen Gangunterschied Γ. Die Anisotropieänderung über
den Fließweg der im Bild 6.16 gezeigten Kreisscheibe ist im Bild 6.17 dargestellt.
Neben diesen Auswertungen kann die makroskopische Durchstrahlung transparenter
Kunststoffformteile schnell und zerstörungsfrei Aufschluss einerseits über Fließfehler
und Anisotropieverhältnisse im Angussbereich und andererseits über Bindenähte
beim Zusammentreffen von Masseteilströmen innerhalb des Teiles geben, wie Bild
6.18 an zwei Beispielen zeigt. Diese sehr einfache und schnelle Prüfmethode kann
leicht durch Einsatz von Bildauswertesystemen automatisiert werden und gestattet so
eine vollständige, zerstörungsfreie on-line Produktprüfung. Analog zu den spannungsoptischen Untersuchungen deuten sehr enge Isochromatenscharen auf starke
örtliche Orientierungsgradienten hin, welche negative Auswirkungen besonders auf
die mechanischen Kennwerte des Bauteils haben können.
330
Bild 6.18:
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
Anisotropieverhältnisse in PS-Formteilen (a) Kreisscheibe mit starken Fließfehlern im
Angussbereich und (b) Dreieck mit Bindenaht
Durch Änderungen am Verarbeitungswerkzeug und der Prozessparameter sind
lokale Orientierungen beeinflussbar.
Mikroskopische polarisationsoptische Untersuchungsverfahren an amorphen
Kunststoffen
Ungefüllte amorphe Polymere bilden kein lichtmikroskopisch erfassbares Gefüge aus.
Mit den Mitteln der Polarisationsmikroskopie können jedoch Anisotropieänderungen oder Heterogenitäten im mikroskopischen Bereich nachgewiesen werden.
Der Einsatz von polarisationsoptischen Kipp- und Drehkompensatoren gestattet die
punktgenaue Messung von Gangunterschieden im Bereich von wenigen Nanometern bis zu etwa 80 µm. Die große Bedeutung der mikroskopischen Verfahren liegt
darin, dass in dem Kunststoffformteil keine Isochromatengradienten über mehrere
Ordnungen für die Durchführung der Messung vorhanden sein müssen. Damit lassen
sich einerseits Folienanisotropien mit weitgehend konstanten Gangunterschieden
und andererseits Anisotropieänderungen und -unterschiede innerhalb kleinster Bereiche (≥ 4 µm) wie z.B. den Phasen von Polymermischungen erfassen. Zum
Gebrauch der Kompensatoren wird auf die Literatur verwiesen [6.25]. Mit den Kompensatorverfahren lässt sich ebenfalls eine automatische Online-Qualitätsüberwachung aufbauen, die in [6.26] beschrieben ist. Dazu wird ein motorisiertes Polarisationsmikroskop benötigt, mit welchem die im Formteil auftretenden Anisotropieänderungen kontinuierlich erfasst und registriert werden. Liegen diese Werte außerhalb der vorgegebenen technologischen Grenzdaten, kann die Anlage gestoppt werden. Eine automatische Korrektur über die Einstellung der Verarbeitungsmaschine
6.2 Optische Eigenschaften
331
zur Prozesssteuerung ist nach dem heutigen Stand der Untersuchungen noch nicht
möglich.
Polarisationsoptische Untersuchungsverfahren an Kunststoffen im konoskopischen
Strahlengang des Polarisationsmikroskops
Eine weitere Möglichkeit der polarisationsoptischen Bestimmung von Anisotropiezuständen in Kunststoffen ist die Auswertung der in der hinteren Objektivbrennebene entstehenden Achseninterferenzbilder. Zur Beobachtung dieser kurz Achsenbilder genannten Interferenzfiguren wird ein Polarisationsobjektiv möglichst hoher
numerischer Apertur, ein darauf abgestimmter Kondensor und eine zentrierbare
AMICI-BERTRAND-Linse zur Betrachtung der in der hinteren Objektivbrennebene
entstehenden Bilder benötigt. In diesen Achsenbildern ist der räumliche Anisotropiezustand in dem durch den stark divergenten Beleuchtungskegel durchsetzten
Prüfkörpervolumen dargestellt. Bild 6.19 zeigt das Achsenbild einer biaxial verstreckten PET-Folie.
Aus den Bildern kann das optische Vorzeichen, die Hauptorientierungsrichtung, die
Doppelbrechung bei Kenntnis der Prüfkörperdicke und mit entsprechendem Aufwand auch die Prüfkörperdicke bestimmt werden. Bei Verbundfolien, die aus mehreren im Winkel der Hauptorientierung abweichend übereinanderliegenden Folien
bestehen, können die unterschiedlich ausgerichteten Hauptorientierungsrichtungen
im Mikroskop deutlich festgestellt und oftmals für die einzelnen Materialschichten
getrennt bestimmt werden. Damit lassen sich bei ausreichender Foliendicke der einzelnen Schichten, sowie ausreichender Transparenz die Anzahl dieser Folien und der
Winkel der Hauptorientierungsrichtungen der einzelnen Proben zu einer gegebenen
Richtung bestimmen.
Bild 6.19:
Achseninterferenzbild einer biaxial verstreckten PET-Folie in Diagonalstellung
332
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
Mikroskopische polarisationsoptische Untersuchungsverfahren an teilkristallinen
Kunststoffen
Teilkristalline Kunststoffe bilden häufig ein im Lichtmikroskop sichtbares sphärolithisches Gefüge aus. Die aus Fibrillen räumlich aufgebauten Sphärolithe können in
dünnen Schnitten (Schichtdicke bis 10 µm) bis zu einer Minimalgröße der Gefügebestandteile von 1 µm im polarisierten Durchlicht untersucht werden. In Bild 6.20 ist
das sphärolithische Gefüge einer PP-Folie zu sehen, die direkt aus der Schmelze
durch Kristallisation auf einer Flüssigkeit hergestellt wurde. An den Sphärolithgrenzen sind infolge des Herstellungsverfahrens Löcher entstanden.
Bild 6.20:
Sphärolithisches Gefüge einer PP-Folie in linear polarisiertem Licht
An Formteilen können aus kritischen Bereichen Proben entnommen, mit den in
[6.27] dargestellten Verfahren präpariert und anschließend lichtmikroskopisch ausgewertet werden. Bei dieser Bewertung sind stets:
•
•
•
•
•
Art,
Form,
Verteilung,
Größe und
Menge der auftretenden Phasen
zu beachten. Daraus können Rückschlüsse auf die gewählten Verarbeitungsbedingungen gezogen werden. In Bild 6.21 ist ein typisches mehrphasiges Gefüge eines
PP-Formteiles dargestellt, welches aus Granulat gepresst wurde. Deutlich sind die
unterschiedlichen PP-Modifikationen an den Granulengrenzen sichtbar, welche sich
in den optischen und mechanischen Eigenschaften unterscheiden. Zur Bestimmung
dieser Modifikationen müssen an den Sphärolithen optische Daten, wie z.B. der Wert
der Doppelbrechung und das optische Vorzeichen gemessen werden.
6.2 Optische Eigenschaften
Bild 6.21:
333
Gefügeausschnitt aus einem gepresstem PP-Formteil
Während die Doppelbrechung innerhalb der Sphärolithe mit den oben genannten
Kompensatoren bestimmt wird, kann das optische Vorzeichen durch Überlagerung
des Gefügebildes im linear polarisierten Licht (Bild 6.22a) mit einem Kompensator
ROT I und den dadurch entstehenden Farbverteilungen im Sphärolith (Bild 6.22b)
dargestellt werden. Entsteht bei dieser Überlagerung von links unten nach rechts
oben die Farbe gelb, bzw. von rechts unten nach links oben die Farbe blau, so ist das
optische Vorzeichen negativ, bei vertauschten Farben positiv (Bild 6.22b).
Bild 6.22:
PP - Dünnschnitte im linear polarisierten Licht (a) und im linear polarisierten Licht mit
Kompensator ROT I (Optisch positiv) (b)
334
6 Prüfung physikalischer Eigenschaften
6.2.5
Transmission, Absorption und Reflexion
Optische Eigenschaften wie Farbe, Transparenz, Trübung sowie Deckvermögen
hängen im Wesentlichen von zwei Erscheinungen des eingestrahlten Lichtes ab:
1. Durch die Absorption wird das eingestrahlte Licht innerhalb des Mediums in
Wärme umgesetzt. Dieser Wert kann nur durch die Bestimmung des Reflexionsund Transmissionsgrades bestimmt werden.
2. Durch die Streuung wird das eingestrahlte Licht aus seiner ursprünglichen Richtung innerhalb des Mediums abgelenkt.
Bei der Betrachtung dieser optischen Eigenschaften wird nur die Energieaufteilung
des Lichtes betrachtet. Da diese Aufteilung wellenlängenabhängig ist, wird sie durch
spektrale Stoffkennzahlen beschrieben. Der spektrale Transmissionsgrad τ(λ) wird als
das Verhältnis aus durchgelassenem (Φeλ)τ und auffallendem spektralen Strahlungsfluss Φeλ nach Gl. 6.24
τ(λ) =
(Φ eλ )τ
Φ eλ
(6.24)
definiert. Damit wird die Durchlässigkeit eines Mediums gekennzeichnet. Ein
spektraler Transmissionsgrad von τ (551 nm) = 0,7 bedeutet, dass eine Lichtstrahlung
mit τ = 551 nm beim Durchgang durch die vorliegende Probe einen Verlust von 30 %
in Form von Absorption und Reflexion erfährt.
Der Absorptionsgrad a(λ) berechnet sich nach Gl. 6.25. Darin ist (Φeλ)a der gesamte
im Medium absorbierte spektrale Strahlungsfluss.
a(λ) =
(Φ eλ )a
Φ eλ
(6.25)
Entsprechend kann nach Gl. 6.26 der spektrale Reflexionsgrad p(λ) bestimmt werden.
Dabei ist (Φeλ)p der gesamte an der Grenzfläche des Mediums reflektierte spektrale
Strahlenfluss. Dieser kann an einem Spiegel an nur einer Fläche oder an transparenten Medien an mehreren Flächen entstehen
p(λ) =
(Φ eλ )p
Φ eλ
.
(6.26)
Tritt die Transmission an nicht spiegelnden Flächen auf, so wird sie als Remission
bezeichnet. Zur Bestimmung des Remissionsgrades wird die Leuchtdichte der reflektierenden Oberfläche mit der Leuchtdichte eines vollkommen mattweißen Körpers
unter gleichen Beleuchtungs- und Beobachtungsbedingungen in Beziehung gesetzt.
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