Die wirtschaftliche Stärke des kooperierenden Einzelhandels

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Monatsbericht 04-2013
Die wirtschaftliche Stärke des kooperierenden
Einzelhandels
Allianzen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des mittelständischen
Facheinzelhandels
Für kleine und mittlere Einzelhändler, die sich im zunehmenden Wettbewerb behaupten müssen, kann die Mitgliedschaft in einer Verbundgruppe von Vorteil sein. Dies belegt eine Studie, die das Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen und die Humboldt-Universität zu Berlin im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie erarbeitet haben.1 Verbundgruppen bieten für ihre Mitglieder eine Vielzahl von Leistungen an. Dazu gehören neben
der Kernaufgabe, dem gemeinsamen Einkauf, häufig auch die Zentralregulierung und -fakturierung, betriebswirtschaftliche Beratung, gemeinsames Marketing, Delkredere und Betriebsvergleiche.
In Deutschland haben sich viele Einzelhändler in den
316 Verbundgruppen zusammengeschlossen, die zu
einem nicht unerheblichen Teil zum Gesamtumsatz im
Einzelhandel beitragen (vgl. Kasten 1). Diese Verbund­
gruppen sind im Wesentlichen einkaufs- und absatzbe­
zogene Kooperationen rechtlich selbstständiger Unter­
nehmen, die nicht hierarchisch miteinander verbunden
sind. Koordiniert werden Verbundgruppen durch Ver­
bundzentralen, die auch eine gewisse Weisungsbefug­
nis besitzen. Je nach Zielsetzung der Verbundgruppe
hat die Zentrale unterschiedlich starke Weisungsmög­
lichkeiten gegenüber den angeschlossenen Einzel­
händlern. Dabei lassen sich grundsätzlich vier Typen
von Handelskooperationen unterscheiden (vgl. Abb. 1):
→→ Klassische Einkaufsgemeinschaften zeichnen sich
durch ein geringes und auf den gemeinsamen Ein­
kauf bezogenes Leistungsprogramm aus.
→→ Konzept- bzw. Systemverbünde: Die Einzelhändler
sind mit einer oder mehreren gemeinsamen Han­
delsmarken (Retail Brands) am Markt vertreten.
→→ Straffe Spezialverbünde beschränken sich auf wenige
Leistungen mit hohem Verbindlichkeitsgrad für
ihre Mitglieder. Ein Beispiel wäre eine Verbundzen­
trale, die sich ausschließlich auf das Marketing
fokussiert.
→→ Full-Service-Dienstleister bieten ihren Mitgliedern
ein umfangreiches Leistungsprogramm bei gerin­
gem Zentralisierungsgrad. Die angeschlossenen
Einzelhändler können den Leistungsumfang der
Zentrale relativ frei wählen.
Vorteile von Handelskooperationen: Ein­­
kaufsbezogene Leistungen einer Ver­bund­
gruppe stärken die Wettbewerbs­fähigkeit
Verbundzentralen unterstützen die Warenbeschaffung
ihrer angeschlossenen Einzelhändler durch zahlreiche
einkaufsbezogene Leistungen. Hierbei schalten sie sich
in vielfältiger Weise als Vermittler zwischen Lieferan­
ten und Einzelhändlern ein (vgl. Abb. 2).
Kasten 1: Verbundgruppen in Deutschland
→→ Anzahl der Verbundgruppen: 316
→→ Anzahl der angeschlossenen Häuser: 230.000
→→ Außenumsatz der angeschlossenen Häuser: 460 Milliarden Euro
→→ Innenumsatz (Zentralregulierungsumsatz): 207 Milliarden Euro
Quelle: ZGV, Wissen Digital Werte Analog. Aktiv I 2010/2011, 2010
1Die Studie kann kostenlos von der Webseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie heruntergeladen werden:
http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/publikationen,did=551250.html
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Monatsbericht 04-2013
hoch
gering
Zentralisierungsgrad
Abbildung 1: Einfaches Verbundgruppenraster
straffer Spezialverbund
Konzept- und Systemverbund
klassische
Einkaufsgemeinschaften
Full-Service-Dienstleister
der Einzelhändler
umfassend
gering
Leistungsprogramm
Quelle: IAT, HU Berlin, Die wirtschaftliche Stärke des kooperierenden Einzelhandels, 2013
Regulierung des Zahlungsverkehrs. Alle Forderungen
werden dabei zentral unter Be­­­achtung der Zahlungszie­
le und -konditionen bearbeitet und beglichen. Für die
angeschlossenen Unternehmen wird so der Verwal­
tungsaufwand reduziert, Personalkosten werden verrin­
gert. Da Verbundgruppen zudem eingegangene Rech­
nungen in der Regel erst alle sieben Tage bis monatlich
von ihren Einzelhändlern einfordern, haben Händler
Verbundzentralen können bei der Verhandlung von Prei­­­­
sen und Konditionen durch größere Bestellmengen und
der daraus resultierenden stärkeren Marktposition pau­
schale Preis- oder Konditionsvorteile erwirken. Dabei
müssen sich die Verbundzentralen natürlich im Rahmen
des geltenden Wettbewerbsrechts auf europäischer und
nationaler Ebene bewegen. Häufig übernimmt die Ver­
bundgruppe im Anschluss an die Bestellungen auch die
Abbildung 2: Einkaufsbezogene Leistungen der Verbundzentralen
LIEFERANTEN
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Bezahlung
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Konditionen
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EINZELHÄNDLER
Quelle: IAT, HU Berlin, Die wirtschaftliche Stärke des kooperierenden Einzelhandels, 2013
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ZENTRALE
3
einen Liquiditätsvorteil. Darüber hinaus ist die Regulie­
rung des Zahlungs­verkehrs häufig auch an die Übernah­
me von Delkre­dere geknüpft, das heißt: Die Zentrale
haftet für die Zahlungsfähigkeit und Vertragstreue der
Einzelhändler und Lieferanten. Dies erleichtert vor allem
auch kleineren Händlern den Zu­­gang zu Lieferanten.
Darüber hinaus tauschen sich innerhalb vieler Verbund­
gruppen die angeschlossenen Händler über ihre Sorti­
mentsgestaltung aus. Auf eigenen Messen können die
Mitglieder ihre Erfahrungen teilen und sich über aktu­
elle Entwicklungen informieren. Des Weiteren erfassen
die Verbundzentralen häufig Kennzahlen über das Or­­
der­verhalten ihrer Mitglieder. Diese Daten sind für alle
Mitglieder verfügbar, so dass Absatzzahlen der einzel­
nen Händler miteinander verglichen und besonders
erfolgreiche Artikel identifiziert werden können.
Im Ergebnis, so die Studie, schätzen Einzelhändler ins­
besondere die einkaufsbezogenen Leistungen und den
Wissensaustausch im Verbund.
Vorteile von Handelskooperationen: Absatz­
bezogene Leistungen schaffen Bekanntheit –
die Retail Brand
Die absatzbezogenen Leistungen unterscheiden sich
stark danach, ob die kooperierenden Einzelhändler sich
als gemeinsame Handelsmarke platzieren oder ob sie
die Kooperation nicht gegenüber dem Kunden kommu­
Monatsbericht 04-2013
nizieren. Händler, die sich als gemeinsame Handels­
marke bzw. Retail Brand positionieren, sind oft kaum
von einem Filialsystem zu unterscheiden. Dies erfor­
dert ein hohes Maß an Einheitlichkeit und eine umfas­
sendere Weisungsbefugnis der Verbundzentralen als
bei Verbundgruppen, bei denen die Kooperation nicht
offen nach außen kommuniziert wird.
Der Einsatz eines Grundpakets von einheitlichen Wer­
bemitteln ist für die Markenpartner meist Pflicht. Außer­
dem wird der Händler verpflichtet, einen gewissen
Mindeststandard bei der Ladengestaltung einzuhalten.
Einheitlichkeit kann die Schlagkraft und Sichtbarkeit
einer Retail Brand erhöhen und so höhere Synergien in
der zentralen Leistungserstellung freisetzen.
Der Auftritt als gemeinsame Handelsmarke zeigt dem
Kunden, dass der jeweilige Einzelhändler einer größeren
Gruppe angehört – das kann Vertrauen schaffen.
Insge­­samt, so die Erkenntnis der Studie, scheinen die­
jenigen absatzbezogenen Leistungen deutlich attrakti­
ver zu sein, bei denen starke Mengenvorteile entstehen.
Diese Mengenvorteile entstehen vor allem, wenn Händ­­
ler in einem Konzept unter gemeinsamer Dachmarke
eng miteinander kooperieren. Ist dies nicht der Fall, so
scheinen Verbundzentralen nur begrenzt Vorteile bei
der Absatzförderung zu bieten, da die Leistungen zu
ähnlichen Konditionen auch von unabhängigen Anbie­
tern in Anspruch genommen werden können.
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Monatsbericht 04-2013
Abbildung 3: Angebotene Leistungen durch die Zentrale (in % aller befragten Zentralen)
Schulungen, Seminare, Coachings
90,4
Verhandlungen von Preisen/Konditionen im Sortimentbereich
84,6
Markt- und Sortimentkonzepte (Marketing, Werbung)
82,7
Zentralregulierung/-fakturierung
77,9
Betriebswirtschaftliche Beratung
75,0
Internet, Online-Mitgliederportal
70,2
ERFA-Gruppen, Impulsgruppen o.Ä.
70,2
Eigenes Warengeschäft
62,5
Angebot des Verbundgruppenzertifikates (Verbundgruppenbonus)
60,6
Betriebsvergleiche
59,6
Delkredereübernahme/Streckengeschäft intern
57,7
IT-basierte Netzwerkangebote
Delkredereübernahme/Streckengeschäft über externe Finanzleister
41,3
25,0
Weitere warenunabhängige Dienstleistungen
47,1
Quelle: Theurl, T.; Jahn, A.; Deppe, S.: Monitoring im Handel. Status quo und Handlungsbedarf. Hg. v. ZGE. IFG; BBE, 2010
Verbundgruppen können auch dazu beitragen, aktuelle
Herausforderungen im Handel zu meistern. Dazu zählt
etwa der Nachwuchskräftemangel. Trotz flacher Hierar­
chien, kollegialer Teams und einem hohen Maß an ver­
antwortungsvoller Arbeit leidet der Einzelhandel bei
Arbeitssuchenden unter einem schlechten Image. Hier
könnten Verbundgruppen ansetzen und gezielt die Vor­­
teile eines Arbeitsplatzes im Einzelhandel bewerben.
Zudem sieht sich der stationäre Handel immer mehr
dem stetig wachsenden Online-Handel ausgesetzt. Ver­
bundgruppen können auch hier handeln: Gemeinsam
mit den angeschlossenen Händlern können Internetauf­
tritte professionalisiert und konkurrenzfähige Händler-­
Webseiten erstellt werden, mit dem Ziel, eine möglichst
hohe Reichweite bei den Kunden zu generieren.
Kosten und Finanzierung einer
Verbundgruppe
Die Leistungen der Handelskooperationen verursachen
Kosten. Bei großen Verbundgruppen werden nicht sel­
ten mehrere hundert Mitarbeiter benötigt. Sowohl die
angeschlossenen Einzelhändler als auch die Lieferan­
ten können zur Finanzierung der Leistungen herange­
zogen werden. Mögliche Einnahmequellen sind etwa
Gebühren, die von den Lieferanten entrichtet werden,
Mitgliederbeiträge, Gewinne aus dem Warengeschäft
oder auch Einnahmen aus Geschäften mit Einzelhänd­
lern, die nicht der Verbundgruppe angehören.
Trotz der vielen Vorteile: nicht alle wollen
oder können
Nicht alle freien Händler sind freiwillig ungebunden.
Verbundgruppen sind wählerisch, was das „Profil“ der
angeschlossenen Händler betrifft. Wer sich nicht aus­
reichend auf dem Markt behaupten kann – sei es durch
fehlende Liquidität oder einen unprofessionellen Markt­
auftritt – wird abgelehnt. Auch Existenzgründern, die
nicht ausreichend solvent sind, kann die Aufnahme ver­­
weigert werden. Ferner kann es vorkommen, dass leis­
tungsfähige Händler nicht aufgenommen werden, weil
Verbundgruppenmitglieder die lokale Konkurrenz
fürchten.
Andererseits gibt es mittelständische Händler, die frei­
willig auf eine Mitgliedschaft in Verbundgruppen
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Monatsbericht 04-2013
Abbildung 4: Das Asymmetrie-Dreieck der freien Händler: wer und warum?
Angebotsverknapper mit
ausgewählter Kundschaft
Nonkonformist mit
hochwertigem
Nischensortiment
Werteasymmetrien
Materielle Asymmetrien
Pionier mit
Alleinstellungsmerkmal
Händler mit Freiheitsdrang
Lokaler Hero mit
Individualanspruch
Informationsasymmetrien
Quelle: IAT, HU Berlin, Die wirtschaftliche Stärke des kooperierenden Einzelhandels, 2013
verzichten. Vor allem für sehr leistungsfähige und um­
satzstarke Einzelhändler sind die Vorteile einer Mit­
glied­schaft oft nicht entscheidend für ihren Unter­neh­
mens­erfolg („Materielle Asymmetrie“). Andere Händler
wiederum setzen auf ein Sortiment, das sie einzigartig
macht („Werteasymmetrie“). Nicht zuletzt ist erstaun­
lich, dass auch ein Mangel an Informationen über die
Vorteile von Verbundgruppen Grund für eine Nicht-­
Kooperation von Händlern sein kann („Informations­
asymmetrie“).
Fazit: Handelskooperationen können
helfen, Herausforderungen zu meistern
Die vorgelegte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass
vielen, aber nicht allen Einzelhändlern die Mitglied­
schaft in einer Verbundgruppe hilft, ihre Wettbewerbs­
fähigkeit zu steigern und im zunehmenden Wettbe­
werb zu überleben.
Verbundgruppen stellen durch ihre Multiplikator-, Ver­
mittlungs-, Wissensbildungs- sowie Mengengerüst­
funktion einen wichtigen Partner dar, um aktuelle Her­
ausforderungen wie Fachkräftemangel, Digitalisierung
oder Energieeffizienz zu meistern.
Kontakt: Friederike von Kempis und Moritz Latzke
(Praktikant) (Referat Handel und Werbewirtschaft)
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