PRIORITÄTEN FÜR EINEN BINNENMARKT IN EINKLANG MIT DEM DIGITALEN ZEITALTER - INDEPENDENT RETAIL EUROPE 22. APRIL 2015 EINLEITUNG Im vorliegenden Positionspapier zur Strategie für den digitalen Binnenmarkt möchten wir zentrale Anliegen der Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler im Zusammenhang mit E-Commerce darlegen. Die Entwicklung des E-Commerce im Allgemeinen und des digitalen Binnenmarkts im Besonderen birgt für die europäische Wirtschaft beachtliche Chancen. Gleichwohl stehen Einzelhändler vor erheblichen Herausforderungen, wenn es gilt, sich auf Änderungen des Konsumverhaltens im Zuge der Digitalisierung (sei es im herkömmlichen Internet, auf Mobilgeräten oder in sozialen Netzwerken) einzustellen. In besonderem Maße gilt dies für mittelständische Einzelhändler, die 99 % des Einzelhandels ausmachen. 2 Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Herstellern, die eigene Produkte online anbieten, und Einzelhändlern, die Produkte mehrerer Hersteller führen. Letztere spielen im mittelständischen Produktvertrieb eine weitaus größere Rolle. Eine vielfältige Vertriebslandschaft in Europa, die von selbstständigem Unternehmertum, gesundem Wettbewerb und Angebotsvielfalt geprägt ist, erfordert deshalb einen wettbewerbs- und zukunftsfähigen mittelständischen Einzelhandel. Mehr als 99 % der europäischen Einzelhändler verfügen über zumindest ein stationäres Ladengeschäft. Mit anderen Worten: E-Commerce ist für sie nur einer von mehreren Vertriebskanälen im Rahmen eines OmniChannel-Konzepts. Da der steigende Wettbewerbsdruck, der mit der Digitalisierung des Marktumfelds einhergeht, für stationäre Ladengeschäfte eine existenzielle Bedrohung darstellt, kommt den politischen Entscheidern wie auch den Marktteilnehmern eine wichtige Aufgabe zu: die Schaffung eines ausgewogenen, effizienten, sicheren Omni-Channel-Umfelds als Voraussetzung für einen – online wie auch offline – vielfältigen, kontrolliert und nachhaltig wachsenden Einzelhandelssektor. Speziell mit Blick auf den Einzelhandel gilt es also den digitalen Binnenmarkt in ein Gesamtkonzept einzubinden, das alle in Betracht kommenden Vertriebskanäle umfasst. Aus den genannten Gründen tritt Independent Retail Europe für eine ganzheitliche Strategie für den digitalen Binnenmarkt ein, wobei die folgenden Schwerpunkte zu setzen sind: Schaffung eines ausgewogenen, effizienten, sicheren Omni-Channel-Umfelds als Voraussetzung für eine vielfältige, zukunftsfähige Einzelhandelslandschaft Stärkung des Vertrauens der Verbraucher und Einzelhändler in das Omni-Channel-Umfeld EMPFEHLUNGEN VON INDEPENDENT RETAIL EUROPE FÜR EINEN BINNENMARKT IN EINKLANG MIT DEM DIGITALEN ZEITALTER Schaffung eines ausgewogenen, effizienten, sicheren Omni-Channel-Umfelds als Voraussetzung für eine vielfältige, zukunftsfähige Einzelhandelslandschaft 1. Eine zentrale Voraussetzung für einen florierenden Einzelhandel ist freier Warenverkehr. Damit sich das Spiel von Angebot und Nachfrage im Rahmen eines Omni-Channel-Umfelds wirkungsvoll und sicher entfalten kann, müssen verbleibende Handelsbarrieren auf dem Binnenmarkt abgebaut werden. Nach wie vor bestehen solche Barrieren aufgrund nationaler Unterschiede in Bereichen wie Verpackung, Kennzeichnung oder Umweltschutz (z. B. Rücknahmesysteme), die beispielsweise auf eine übereifrige Umsetzung („Gold Plating“) oder uneinheitliche Auslegung von EU-Rechtsvorschriften zurückzuführen sind. Im Rahmen der Strategie für eine „intelligente Regulierung“ sollte deshalb die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf eine vollständige Harmonisierung der EUweiten Produktvorschriften (mit gegenseitiger Anerkennung in Bereichen wie Prüfung/Bewertung, Sicherheit und Aufmachung/Kennzeichnung) hinarbeiten. 2. Um mittelständischen Einzelhändlern den Einstieg in den E-Commerce zu erleichtern, muss Artikel 20 der Dienstleistungsrichtlinie dahingehend klargestellt werden, dass der Grundsatz der NichtDiskriminierung nur dann zum Tragen kommt, wenn sich ein Einzelhändler aus freien Stücken entscheidet, grenzübergreifend Handel zu treiben. 3 3. Im Zuge der Modernisierung der EU-Regelungen für den Urheberrechtsschutz und die Bereitstellung audiovisueller Medien, die im Zusammenhang mit dem digitalen Binnenmarkt dringend erforderlich wird, sollte das bisherige System der Abgaben für Privatkopien durch ein Lizenzsystem ersetzt werden. Bis es dazu kommt, sind die Abgaben weiterhin durch die Hersteller bzw. Importeure der Datenträger zu erheben. Die Hunderttausende überwiegend mittelständischer Einzelhändler im EU-Gebiet, die die unterschiedlichsten Datenträger (von SIM-Karten zu Computern) in ihren Sortimenten führen, würden durch die Erhebung der Abgaben in unvertretbarer Weise belastet. Zur Vermeidung unnötiger Kosten für Einzelhändler sollte die Europäische Kommission auf eine vollständige Harmonisierung der EU-weiten Produktvorschriften (mit gegenseitiger Anerkennung in Bereichen wie Prüfung/Bewertung, Sicherheit und Aufmachung/Kennzeichnung) hinarbeiten. Artikel 20 der Dienstleistungsrichtlinie muss dahingehend klargestellt werden, dass der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung nur dann zum Tragen kommt, wenn sich ein Einzelhändler aus freien Stücken entscheidet, grenzübergreifend Handel zu treiben. Abgaben für Privatkopien sollten durch ein Lizenzsystem ersetzt werden. Bis es dazu kommt, sind die Abgaben weiterhin durch die Hersteller bzw. Importeure der Datenträger zu erheben. 4. Die fehlende Steuerharmonisierung auf EU-Ebene (insbesondere hinsichtlich der Mehrwert- und Körperschaftssteuer) wird im Zuge der Digitalisierung des Wirtschaftslebens immer problematischer. 5. Große, international agierende Unternehmen nutzen EU-interne Steuergefälle für Steuervermeidung in gravierendem Ausmaß. Für die Privatwirtschaft hat dies zwei einander verschärfende Folgen: a. Die Wettbewerbsgleichheit wird beeinträchtigt. b. Steuerausfälle bewegen die Mitgliedstaaten, die generelle Steuerlast zu erhöhen – zum Nachteil rein national agierender Unternehmen, deren Spielraum für Steuervermeidung begrenzt ist. Zur Minimierung von Steuerverzerrungen sollten die Europäische Kommission und der EU-Ministerrat die folgenden Maßnahmen in Betracht ziehen: Möglichst weitgehende Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze. Zudem sollte die Mehrwertsteuer bei grenzübergreifenden Transaktionen (ob mit Waren oder Dienstleistungen) grundsätzlich im Bestimmungsland (d. h. am Sitz des Kunden) erhoben werden. Regulierung der Verrechnungspreise für konzerninterne Transaktionen, um den Missbrauch EU-interner Steuergefälle einzudämmen Klarstellung des Begriffs „Niederlassung“ und Anerkennung des Konzepts einer „steuerpflichtigen Anwesenheit in digitaler Form“ Bekämpfung unfairer Steuerpraktiken unter Anwendung der Regelungen für staatliche Beihilfen 6. Stärkung des Vertrauens der Verbraucher und Einzelhändler in das Omni-Channel-Umfeld Damit die Vorteile des E-Commerce für Verbraucher, Einzelhändler und die europäische Wirtschaft im Allgemeinen voll zum Tragen kommen, gilt es in zweierlei Hinsicht Vertrauen zu schaffen: bei den Verbrauchern (die mit ihnen bisher unbekannten Unternehmen zu tun haben) einerseits, bei den Einzelhändlern (die sich in neuen Märkten etablieren müssen) andererseits. Weder die Interessen der Verbraucher noch die der Einzelhändler dürfen dabei zu kurz kommen. 4 7. Hierfür geeignete Instrumente sind legitimierte, ausgewogene Bewertungsportale, faire, transparente EU-weite Vergleichswebsites, aussagekräftige, allgemein anerkannte Vertrauenssiegel, klare Sicherheitsstandards sowie wirtschaftliche, sichere Zahlungs- und Zustellverfahren. Mit Ausnahme der Vertrauenssiegel sollte die Entwicklung dieser Instrumente dem Markt überlassen bleiben, wobei jedoch die Kommission koordinierend und unterstützend eingreifen kann, indem sie beispielsweise ein Forum zum Austausch bewährter Praktiken sowie zur Ausarbeitung einschlägiger Leitlinien und Standards einrichtet. Wichtig ist, dass die Instrumente praxisnah, verlässlich und für den Einzelhandel erschwinglich sind, wobei sie den Interessen der Verbraucher und Einzelhändler gleichermaßen Rechnung tragen. 8. Bereits heute gewährleisten die Richtlinien 2011/83 (Rechte der Verbraucher), 2000/31 (E-Commerce) und 2002/58 (Datenschutz im E-Commerce) ein hohes Maß an Verbraucherschutz im Onlinehandel. Eine weitere Harmonisierung einschlägiger nationaler Rechtsvorschriften läge – sofern dabei ausgewogen vorgegangen wird – im Interesse der Verbraucher wie auch der Unternehmen. 9. Einen geeigneten Rahmen für einen harmonisierten Verbraucherschutz im grenzübergreifenden B2COnlinehandel (Business to Consumer) bietet beispielsweise die Überarbeitung des zurückgezogenen Vorschlags eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts. Unternehmerische Gesichtspunkte sind dabei in angemessener Weise zu berücksichtigen. Empfohlene Maßnahmen auf EU-Ebene zur Vertrauensbildung bei Verbrauchern und Einzelhändlern: Koordinierung der Entwicklung von legitimierten, ausgewogenen Bewertungsportalen, fairen, transparenten, verlässlichen Vergleichswebsites und klaren Sicherheitsstandards Entwicklung von aussagekräftigen, allgemein anerkannten Vertrauenssiegeln sowie von Leitlinien und Standards für die übrigen Instrumente Ausarbeitung harmonisierter Verbraucherschutzbestimmungen für den grenzübergreifenden Onlinehandel (z. B. im Rahmen der Überarbeitung des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts). Unternehmerische Gesichtspunkte sind dabei in angemessener Weise zu berücksichtigen. 10. Zahlreiche Aspekte des Onlinehandles oder der Bereitstellung digitaler Dienstleistungen stellen mittelständische Einzelhändler vor besondere Herausforderungen. Der Vertragsschluss (Identifizierung/Authentifizierung des Kunden, elektronische Signatur, Gültigkeit elektronisch abgeschlossener Verträge), die Bezahlung und der Kundendienst zählen ebenso dazu wie eventuell erforderliche B2B-Kontakte (z. B. mit Marktplatzbetreibern, Betreibern von Preissuchmaschinen oder Spediteuren). 11. Eine wertvolle Hilfe wäre in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines umfassenden OnlineInformationsportals für E-Commerce/Omni-Channel-Handel. Die kürzlich von der Generaldirektion Wachstum (GROW) bereitgestellte Webseite „10 Things to Know when Doing Business Online“ ist ein ausgezeichneter erster Schritt in diese Richtung. Zur Ergänzung käme angesichts der Komplexität der Thematik ein mehrsprachiger Helpdesk in Betracht. Wichtig ist, dass Angebote dieser Art in sämtlichen EU-Sprachen bereitgestellt werden. 12. Exklusive Konsumgüter haben einen wesentlichen Anteil am europäischen Einzelhandel. Zahlreiche mittelständische Einzelhändler, die sie im Rahmen selektiver Vertriebssysteme off- und online anbieten, 5 haben darin lukrative Marktnischen gefunden. In immer stärkerem Maße werden diese Einzelhändler jedoch durch sogenannte Trittbrettfahrer bedroht – reine Onlinehändler, die dieselben Produkte aufgrund ihrer geringeren Fixkosten preisgünstiger anbieten können. Dass die erheblichen Investitionen, die Hersteller exklusiver Konsumgüter in ihr Markenimage und ausgewählte Fachhändler in Beratung und Kundendienst stecken, durch eine unkontrollierte Entwicklung des Onlinehandles unterminiert werden, kann nicht hingenommen werden. Verhindern lässt sich dies, indem geltendes Recht und Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit Selektivvertrieb konsequent und nachvollziehbar auf den Onlinehandel angewandt werden – zum Nutzen nicht nur der Hersteller und Fachhändler, sondern auch der Verbraucher und der europäischen Wirtschaft im Allgemeinen. 13. Mehr und mehr mittelständische Einzelhändler schließen sich in Gruppen zusammen, um – bei uneingeschränkter Selbstständigkeit – Größenvorteile zu erlangen und betriebliche Abläufe zu rationalisieren. Geht es jedoch an die Einrichtung eines gemeinsamen Online-Auftritts, stehen diese Gruppen, deren Bedeutung für den europäischen Einzelhandel beachtlich ist1, vor einem gravierenden Problem: Eine gemeinsame Preisgestaltung, verstanden als vertikale Preisbindung, ist nach geltendem EU-Wettbewerbsrecht2 praktisch ausgeschlossen. 14. In Ermangelung einer gemeinsamen Preisgestaltung muss das Online-Angebot Geschäft für Geschäft aufgeschlüsselt werden – mit gravierenden Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit im E-Commerce. Zu verminderter Effizienz kommt der Umstand, dass die Gruppe als solche in Suchmaschinen und Preisvergleichstools nicht in Erscheinung tritt. Eine Überarbeitung des EU-Wettbewerbsrechts, um Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler Preisabsprachen im E-Commerce zu ermöglichen, ist deshalb dringend erforderlich. Nur so können sie den ihnen zukommenden Beitrag zur Stimulierung von Wachstum und Beschäftigung, einem erklärten Ziel der Kommission, in vollem Umfang leisten.3 15. Zahlreiche mittelständische Einzelhändler agieren auf Online-Marktplätzen. Auf den ersten Blick scheint es sich um eine Win-Win-Situation zu handeln: Der Einzelhändler nutzt die Reichweite des Marktplatzes, um seinen Umsatz zu steigern, während der Marktplatzbetreiber ohne kommerzielle Risiken sein Sortiment komplettiert. 16. Aus verschiedenen Gründen erscheint es jedoch äußerst fraglich, dass typische mittelständische Einzelhändler, die in aller Regel auch stationäre Ladengeschäfte betreiben, auf lange Sicht von der Teilnahme an Marktplätzen profitieren. 17. Erstens: Da die Händler in der Wahrnehmung der Verbraucher hinter dem Marktplatz zurücktreten, finden sie kaum Gelegenheit zur Profilierung ihrer Marke und zum langfristigen Ausbau ihrer Marktpräsenz. Unter dem Strich liegen damit weitaus größere Vorteile aufseiten des Betreibers, der im Rahmen der üblichen Provisionssysteme keinerlei kommerzielle Risiken eingeht und gegenüber dem Verbraucher nicht haftbar ist. 1 EU-weit bringen es die Mitglieder von Independent Retail Europe, dem europäischen Sprachrohr der Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler, auf 565.000 Verkaufsstellen, einen Umsatz von 1 Billion Euro und mehr als 5,5 Millionen Beschäftigte. 2 Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen 3 Eine detaillierte Schilderung dieses Problems ist im Bericht der KMU-Untergruppe der Hochrangigen Gruppe für Wettbewerbsfähigkeit im Einzelhandel (GD GROW) zu finden. Zudem informieren wir darüber auf unserer Website (www.IndependentRetailEurope.eu). 6 18. Zweitens: Ist der Marktplatzbetreiber selbst Verkäufer, kann er leicht mit den teilnehmenden Händlern in Wettbewerb treten: Verkauft sich ein bestimmtes Produkt besonders gut, nimmt er dieses ganz einfach ins eigene Sortiment auf. Angesichts von Provisionen, die bis zu 15 % des Verkaufspreises ausmachen können, sind die Händler in einem solchen Wettbewerb unweigerlich im Hintertreffen – zumal sie meist auch die Kosten eines stationären Ladengeschäfts tragen müssen. Wichtig ist deshalb, dass Einzelhändlern die Nachteile und Risiken der Teilnahme an einem Marktplatz klar vermittelt werden und dass ihnen vor unfairen Praktiken der Betreiber ein angemessener Schutz gewährt wird. Ein transparentes, faires Online-Marktumfeld, das kleinere Akteure nicht benachteiligt, ist unerlässlich, um bei Unternehmern, insbesondere mittelständischen Einzelhändlern, Vertrauen in den E-Commerce zu schaffen. Dazu empfiehlt sich die Kombination folgender Maßnahmen: Berücksichtigung der Belange des Mittelstands (insbesondere mittelständischer Einzelhändler) bei der rechtlichen Ausgestaltung des digitalen Binnenmarkts (KMU-Test) Klarstellung der Zuständigkeiten innerhalb von B2B-Beziehungen im E-Commerce (zwischen Händlern und beispielsweise Marktplatzbetreibern, Betreibern von Preissuchmaschinen oder Spediteuren) Einrichtung eines umfassenden Online-Informationsportals für E-Commerce/Omni-Channel-Handel, um Unternehmen die Einstellung auf den digitalen Binnenmarkt zu erleichtern Wirkungsvoller Schutz selektiver Vertriebssysteme auch im E-Commerce Anpassung des EU-Wettbewerbsrechts, um kooperierenden mittelständischen Einzelhändlern eine gemeinsame Preisgestaltung im E-Commerce zu ermöglichen Überprüfung geltender Rechtsvorschriften mit Blick auf faire Ausgangsbedingungen für den Online- und Offline-Handel (unter besonderer Berücksichtigung von Online-Marktplätzen) Formulierung und Durchsetzung von Grundsätzen der Fairness in Beziehungen zwischen Marktplatzbetreibern und Händlern 19. Mit gutem Grund ist im Zusammenhang mit dem Wachstum des E-Commerce – ob auf europäischer oder globaler Ebene – immer wieder von Zustellung und Logistik die Rede. Kosten, Schutz vor Transportschäden, Nachverfolgung des Lieferstatus und Rücksendeoptionen zählen zu den wichtigsten Anliegen der Verbraucher und Onlinehändler in diesem Bereich.4 5 20. Kostengünstige Zustell- und Rücksendeoptionen liegen im Interesse der Unternehmen wie auch der Verbraucher. In Anbetracht der Tatsache, dass die Warenzustellung Unternehmen in ökonomischer wie auch ökologischer Hinsicht belastet, sollten die Höhe der Versandkosten für Zustellung/Rücksendung sowie ihre Verteilung zwischen Händler und Verbraucher – unter Wahrung des Wettbewerbsrechts – den Marktteilnehmern überlassen bleiben. Über die Rückgabepolitik eines Unternehmens sind die Verbraucher klar in Kenntnis zu setzen. 21. Immer wieder haben Unternehmen, insbesondere KMU, auf die Notwendigkeit eines innovativen, transparenten EU-weiten Zustellsystems hingewiesen. Beklagt werden insbesondere die mangelnde 4 Mitteilung der Kommission „Fahrplan für die Vollendung des Binnenmarkts für die Paketzustellung – Stärkung des Vertrauens in die Zustelldienste und Förderung des Online-Handels (COM (2013)0886 final) und „Consumer market study on the functioning of e-commerce and Internet marketing and selling techniques in the retail of goods“ (2011, GD SANCO) 5 „Consumer market study on the functioning of e-commerce and Internet marketing and selling techniques in the retail of goods“ (2011, GD SANCO), Seite 5f. 7 Verfügbarkeit oder Bekanntheit preisgünstiger Zustelloptionen in der erforderlichen Flexibilität und Qualität (z. B. Schnellversand, Rückverfolgbarkeit, Flexibilität für die „erste und letzte Meile“).6 22. Sowohl das Europäische Parlament als auch die Kommission haben dieses Thema bereits in Angriff genommen.7 „Verschiedene Zustelloptionen und Möglichkeiten logistischer Unterstützung zu erschwinglichen Preisen“ sieht das Parlament als Voraussetzung dafür, dass KMU neue Märkte ansprechen und mehr Verbraucher erreichen können,8 und hinsichtlich Interoperabilität hat es verschiedene Vorschläge unterbreitet. Die Kommission ihrerseits hat Unterstützung für einschlägige Initiativen von Transportunternehmen zugesagt.9 Die Mitgliedstaaten sollten diesbezüglich mit der EU an einem Strang ziehen, wobei es insbesondere gilt, nationale Postdienste dem Wettbewerb zu öffnen und interoperabler zu gestalten. Ein funktionsfähiger E-Commerce-Markt steht und fällt mit leistungsfähigen, erschwinglichen Zustell- und Logistikdiensten. Dabei gilt: Die Höhe der Versandkosten für Zustellung/Rücksendung sowie ihre Verteilung zwischen Händler und Verbraucher sollten den Marktteilnehmern überlassen bleiben. Über die Rückgabepolitik eines Onlinehändlers sind die Verbraucher klar in Kenntnis zu setzen. Die Zuständigkeiten von Spediteuren und Zustelldiensten (einschließlich Haftpflicht) sind klar zu regeln. Die Interoperabilität nationaler Zustellsysteme sollte gewährleistet sein. Originalfassung: Englisch – Brüssel, 22. April 2015 Independent Retail Europe (vormals UGAL – Union der Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler Europas), 1963 gegründet, ist der europäische Dachverband der Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler im Foodund Non-Food-Bereich. Zu den Besonderheiten des von Independent Retail Europe vertretenen Geschäftsmodells zählen die Einbindung mittelständischer Einzelhändler in unterstützende Strukturen, der gemeinsame Einkauf von Waren und Dienstleistungen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Erlangung von Größenvorteilen sowie die Achtung der Selbstständigkeit der angeschlossenen Einzelhändler. Mitglieder des Verbandes sind Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler, Spitzenverbände von Verbundgruppen und Dienstleistungsorganisationen, die selbstständige Einzelhändler unterstützen. 6 Mitteilung der Kommission „Fahrplan für die Vollendung des Binnenmarkts für die Paketzustellung – Stärkung des Vertrauens in die Zustelldienste und Förderung des Online-Handels (COM (2013)0886 final) 7 Entschließung des Europäischen Parlaments zu einem „integrierten Paketzustellungsmarkt für das Wachstum des elektronischen Handels in der EU“ (4. Februar 2014) und Mitteilung der Kommission „Fahrplan für die Vollendung des Binnenmarkts für die Paketzustellung – Stärkung des Vertrauens in die Zustelldienste und Förderung des Online-Handels (COM (2013)0886 final) 8 Entschließung des Europäischen Parlaments zu einem „integrierten Paketzustellungsmarkt für das Wachstum des elektronischen Handels in der EU“ (4. Februar 2014), Absatz 14 9 Initiative „e-Freight“ und „Aktionsplan Güterverkehrslogistik“ (COM (2007)607 final, 18. Oktober 2007 8 Derzeit vertritt Independent Retail Europe 23 Verbundgruppen und rund 363.000 ihnen angeschlossene Einzelhändler, die mit gut 5.500.000 Beschäftigten mehr als 565.000 Verkaufsstellen betreiben. Der Gesamtumsatz dieser Mitglieder (Zentral- und Außenumsatz) beläuft sich auf mehr als 1 Billionen Euro. Weitere Informationen zu Independent Retail Europe unter www.independentretaileurope.eu