174 fachspiegel pferde spiegel 4/2005 AUF EINEN BLICK Dermatophilose ■ VON K. H. BÖHM D Als Reservoir für D. c. gelten subklinisch infizierte Tiere, infizierte Hautkrusten sowie das Erdreich. Die Tenazität von D. c. ist beachtlich: Aus abgefallenen Borken ließ sich der Erreger unter Laborbedingungen noch nach neun Monaten anzüchten. Fliegenden Insekten, insbesondere den verschiedenen Fliegenarten wird eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Erkrankung zugeschrieben: Sie ernähren sich von dem Exsudat, das sich um die erkrankten Hautbezirke bildet. Mit ihren Mundwerkzeugen verteilen sie die Zoosporen sowohl auf dem erkrankten Tier als auch von Tier zu Tier. Als weiterer wichtiger Übertragungsweg gilt der Kontakt zwischen klinisch erkrankten und gesunden Tieren, obwohl selbst ein längerer Kontakt nicht regelmäßig zu einer Erkrankung führt. Erkrankung kommt. Während in den warmen Klimaten die Resistenzschwächung durch Zecken in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt, kommen in den gemäßigten Zonen andere prädisponierende Faktoren zum Tragen. Dies sind alle Einflüsse, die den Talgfilm und das Stratum corneum schädigen, insbesondere die Durchnässung des Haarkleides durch längere Zeit anhaltenden Regen bei verlängerter Weideperiode im Spätherbst, schlammige Ausläufe sowie Insektenstiche und Verletzungen. Im Experiment ließ sich durch Entfetten der Haut mit alkoholischen Lösungen oder Ether das Angehen einer Infektion mit D. c. begünstigen. Wir konnten ferner zeigen, dass das in vielen Ställen übliche Bandagieren über Nacht dann zu einer Dermatophilose im Fessel- und Röhrbeinbereich führen kann, wenn die Beine nach dem Abspritzen noch nass sind. Die ausgekeimten, nunmehr beweglichen Sporen, die sog. Zoosporen, dringen in das aufgeweichte Stratum corneum ein. Aus diesen Zoosporen entstehen Hyphen, die sich lateral weiter in den oberen Epidermisschichten ausbreiten und jene daraufhin verhornen lasssen. Das neu gebildete Keratin wird wieder von Hyphen besiedelt, wobei auch die oberen Anteile der Haarwurzelscheide, nicht jedoch die tieferen Bereiche der Haarfollikel betroffen sind. Eine starke Granulozyteninfiltration – Granulozyten stellen die stärkste Fraktion der Entzündungszellen – bewirkt die Trennung der Epidermis von der Dermis. Durch diese neutrophile Entzündung soll es zum CO2-Anstieg kommen, wodurch das Auskeimen weiterer Zoosporen begünstigt wird. Die Folge dieser sich mehrfach wiederholenden Prozesse ist die Entstehung einer charakteristisch geschichteten Auflagerung. Ätiopathogenese Klinik D. c. kann nach heutigem Wissen die normale keratinisierte Epidermis nicht besiedeln. Von mehreren Autoren wird vermutet, dass D. c. als Opportunist auf der Haut klinisch gesunder Tiere vorkommt und es erst durch Wirksamwerden prädisponierender Faktoren zur Entstehung einer klinisch manifesten In den frühen Stadien erscheint das Haarkleid noch vollkommen unauffällig. Durch Palpation lassen sich jedoch die Läsionen unter dem Winterfell bereits lokalisieren: Es entstehen – falls es nicht inzwischen zur Selbstheilung gekommen ist – kleine, nicht juckende Knötchen, über denen die Haare leicht ie durch das Bakterium Dermatophilus congolensis (D. c.) hervorgerufene Dermatophilose („kutane Streptothrichose“) wurde bisher bei über 30 verschiedenen Tierarten und des Menschen als Erreger von akuten oder chronisch verlaufenden Dermatitiden nachgewiesen. Sie gilt im Weltmaßstab als die vierthäufigste bakterielle Erkrankung der Tiere. Die wirtschaftlichen Schäden bei Rindern, Schafen, Kamelen, Pferden und Ziegen durch Minderung der Fleischqualität, Gewichtsverluste, Todesfälle und Häuteschäden in den tropischen Regionen Afrikas und Australiens sind z. T. gravierend. Der erste Fall von Dermatophilose beim Pferd in Deutschland wurde 1976 von WEISS, BÖHM und WITZMANN in Hannover nachgewiesen. Epidemiologie Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Professor Böhm als Spezialist für die equine Dermatophilose beschreibt in seinem Artikel detailliert das Krankheitsbild und erläutert den aufwendigen diagnostischen Nachweis. Nur das spezialisierte Labor kann über Hautgeschabsel den Erregernachweis führen. Die Verwechslung mit Pilzinfektionen kann fehlerhafte bzw. kontraindizierte Therapieversuche bedeuten. auszupfbar sind, Papeln, Pusteln oder superfizielle Ulzera auf konfluierenden Hautpartien. Exsudation führt zur Verklebung der Haare zu Büscheln (Abb. 1). Es kommt zu dicken, grauen fest anhaftenden Krusten und Borken, die auch konfluieren können. Darunter befindet sich ein grau-grünliches Exsudat (Abb. 2) über entzündlich geröteten, kraterförmig vertieften Erosionen. Bei der akuten Dermatophilose kommt es frühestens nach etwa 3 Wochen zur Selbstheilung, bei chronischen Verlaufsformen oft erst nach mehreren Monaten. Die trockener gewordenen Krusten fallen ab, die darunter befindliche Haut beginnt sich wieder zu behaaren. Kleinere Krusten lösen sich in Form von Spangen (engl. „clips“), manschettenartig mit Haaren verbackenem Schorf, ab. Prädilektionsstellen sind die gesamte Rückenpartie und der Kruppenbereich (Abb. 3). Erkrankungen im Bereich von Kopf (um Nüstern und Augen), Rumpf, Lende, Röhrbein, Fesselbein bzw. Fesselbeuge (Abb. 4) und Kronsaum sind hingegen seltener. Mischinfektionen mit Staphylokokken und Streptokokken sind im distalen Extremitätenbereich nicht selten. Wiederholt fanden wir im Rückenbereich Mischinfektionen von D. c. mit Trichphyton equinum bzw. mit Microsporum equinum. Auch Mischinfektionen mit D. c. und Ektoparasiten kommen vor. fachspiegel Abb. 1: Durch Exudation verklebte Haarbüschel infolge Dermatophilose. Stallenzootien Nachdem es zunächst schien, als ob die Dermatophilose beim Pferd in Deutschland so gut wie nicht vorkommt, wurden im Jahr 1993 von uns in einem Vollblutgestüt, einem kleineren Reitstall, sowie einem größeren Dressurstall seit Monaten bestehende, therapieresistente D. c.-Stallenzootien nachgewiesen. Daraufhin wurden von OTTO während eines dreijährigen Zeitraumes mit dankenswerter Unterstützung von 32 Tierarztpraxen systematische Untersuchungen in 57 Betrieben mit unterschiedlichen Haltungsformen an insgesamt 1.200 Pferden durchgeführt. Bei 149 von 312 Tieren (47,5 %) mit verdächtigen Hautveränderungen wurde Dermatophilose diagnostiziert, wobei haltungsbedingt vorwiegend Jungtiere betroffen waren. Die Erkrankungsrate in den einzelnen Beständen variierte zwischen 2 % und 20 %. In Zucht- und Robusthaltungsbetrieben trat die Erkrankung häufiger auf als in Reitbetrieben. In einem weiteren Fall erwiesen sich sogar sämtliche 24 Tiere als erkrankt. Während eines 10-jährigen Zeitraumes wurde an der Tierärztlichen Hochschule im Rahmen der Routinediagnostik in 287 von 4.328 (6,6 %) Proben von Pferden D. c. nachgewiesen. Abb. 2: Krustenbildung mit grau-grünlichem Exudat. Therapie Lokal: Da D. c. in den beschriebenen Krusten relativ gut gegen äußere Einflüsse, z. B. Chemotherapeutika, geschützt ist, empfiehlt sich – vor allem bei großflächiger Erkrankung – eine täglich wiederholte Anwendung von Lösungen, Salben oder Suspensionen, die zugleich auch eine aufweichende Wirkung besitzen. Hierfür wurden uns aus der Praxis sehr unterschiedliche Mittel und Methoden als erfolgreich mitgeteilt: z. B. PVP-Jodhaltige Salben und Lösungen oder Paraffinöl, vermischt mit sulfonamidhaltigem Puder. Diese Behandlungen werden so lange fortgesetzt, bis sich die Krusten leicht ablösen lassen. Die manuelle Entfernung noch fest anhaftender Krusten ist für die Tiere sehr schmerzhaft und sollte daher unterbleiben. Bei der Dermatophylose sind Antimykotika unwirksam. Systemisch: Aus der Praxis wurde uns über gute Erfolge nach parenteraler Verabreichung von Penicillin G, Penicilin-Streptomycin oder Ampicillin berichtet. Die Häufigkeit der Applikationen schwankte dabei zwischen einmalig (Langzeitformulierung) bis fünfmalig (5 Tage hintereinander). Dies bestätigt Abb. 3: Haarkleidveränderung im Rücken- und Kruppenbereich (OTTO). 175 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. pferde spiegel 4/2005 176 fachspiegel pferde spiegel 4/2005 unsere Untersuchungen zur Resistenzlage bei D. c.: Alle von KRÜGER geprüften Isolate hatten sich als sensibel gegenüber Penicillin G, Ampicillin, Streptomycin, Gentamycin, Ceftiofur und 5 weiteren Chemotherapeutika erwiesen. Alle therapeutischen Maßnahmen werden durch Aufstallung der Tiere wirksam unterstützt. Abb. 4: Dermatophilose im Bereich der Fessel (OTTO). Die wichtigste prophylaktische Maßnahme ist die Ausschaltung prädisponierender Umstände. Hierzu gehören die Aufstallung der Tiere während längerer Regenperioden im Spätherbst und die Vermeidung verschlammter Ausläufe. Bei Reitpferden sollten die Beine nach dem Abspritzen erst nach vollständigem Abtrocknen bandagiert werden. Gegebenenfalls sollte an Fliegenfallen gedacht werden. Prophylaktische Impfungen gegen Dermatophylose existieren meines Wissens nicht. Zur Stalldesinfektion eignen sich die nach DVG-Richtlinien geprüften antibakteriellen Desinfektionsmittel sowie Natronlauge 2 %ig, Chlorkalk 10 %ig und Chloramin 2 %ig. Menschliche Dermatophytose Obwohl Fälle von menschlicher Dermatophilose nach Kontakt mit erkrankten Tieren wiederholt beschrieben wurden, ist die Ansteckungsgefahr als relativ gering anzusehen. Es kommt einige Tagen nach der Infektion zur Entwicklung von Pusteln von 2 bis 5 mm Durchmesser, die i. d. R. nach 2 bis 3 Wochen abheilen. Dennoch sollten bei den lokalen Behandlungen Schutzhandschuhe getragen werden. Labordiagnostik und Erregereigenschaften Abb. 5: Quetschpräparat (Gram-Färbung): Dermatophilose-Sporen in Geldrollenform. Abb. 6: Fluoreszenzmikroskopie bei Dermatophilose: hyphenartige Strukturen (Blankophorfärbung). Die Diagnose „Dermatophilose“ kann nicht allein aufgrund des klinischen Bildes gestellt werden, da Dermatomykosen ähnliche Krankheitsbilder zeigen können. Lediglich eine Verdachtsdiagnose läßt sich stellen, die dem Labor auch mitgeteilt werden sollte. Hautgeschabsel, die vor allem auch Krustenmaterial enthalten sollten, werden nicht anders entnommen und verschickt als bei Verdacht auf Dermatophyten oder Ektoparasiten. Das Labor sollte grundsätzlich jede derartige Probe von Equiden auch auf Dermatophyten, Ektoparasiten und alle üblichen bakteriellen Hautinfektionserrege untersuchen. Für den mikroskopischen Nachweis von D. c. eignen sich Quetschpräparate, die nach Gram gefärbt werden (Abb. 5) und die Fluoreszenzmikroskopie (Abb. 6) mit optischen Aufhellern (z. B. Blankophor). Letztere erwies sich bei uns im Vergleich zur Gramfärbung als unterlegen. Es finden sich hyphenartige Strukturen, häufig sieht man in Geldrollenform angeordneten Sporen. Der Kulturversuch ist unverzichtbar. D. c. wächst nicht auf den gebräuchlichen Pilznährböden und unter aeroben Bedingungen nur sehr verzögert. Das homogenisierte Krustenmaterial wird auf bluthaltigen Nährböden angelegt und für 48 Stunden unter anaeroben Bedingungen oder in CO2-angereicherter Atmosphäre bebrütet, während parallel dazu die aeroben Kulturen mit unterschiedlichen Nährmedien zum Nachweis aerober Hautinfektionerreger, Hefen und Dermatophyten bebrütet werden. Die 1 bis 2 mm großen, grau-weiß bis gelblichen D. c.-Kolonien können rau oder viskös wachsen. Innerhalb der 48-stündigen Bebrütungszeit kommt es zu einer vollständigen Hämolyse. D. c.-Kolonien können leicht übersehen werden, da sie sich häufig nur als wenig auffällige Vertiefungen darstellen. Die in den Nährboden eingesunkenen und ihm häufig sehr Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Prophylaxe fachspiegel pferde spiegel 4/2005 aufgrund einer Verdachtsdiagnose sind kontraindiziert, weil bakterielle Infektionen wie die Dermatophilose und Pilzinfektionen mit unterschiedlichen Wirkstoffen behandelt werden müssen. ■ ■ Literatur beim Verfasser: Zusammenfassung Die equine Dermatophilose ist nicht selten Ursache langwieriger Stallenzootien. Die entscheidende Rolle spielen prädisponierende Faktoren, in erster Linie Durchnässung des Haarkleides. Eine eindeutige Abgrenzung zu anderen Hauterkrankungen wie z. B. Dermatophytosen ist ohne Untersuchung im spezialisierten Labor nicht möglich. Behandlungsversuche nur Praxisabgabe/-übergabe Unser Kooperationspartner Prof. Dr. K. H. Böhm (vorm. Tierärztliche Hochschule Hannover) Labor Prof. Böhm (vorm. Konsiliarlabor für Dermatophyten u. Dermatophilus congolensis) Röpkestr. 12, 30173 Hannover [email protected] Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. fest anhaftenden, trockenen Kolonien werden später schleimig und fadenziehend (sog. Phasenwechsel) mit z. T. gelb-orangener Pigmentierung. Die Weiterzüchtung erfolgt problemlos unter aeroben Bedingungen in flüssigen oder auf festen Medien. Hier bilden sich größere und erhabenere Kolonien als in der Originalkultur. Im Gegensatz zu anderen Aktinomyzeten handelt es sich bei D. c. um bewegliche Keime. KRÜGER konnte an 120 equinen Feldisolaten mit dem von ihr optimierten API-ZYM-Test zeigen, dass das Enzymbildungsvermögen sehr ähnlich ist. In der Bunten Reihe erwies sich das biochemische Reaktionsvermögen sogar als identisch. Die Untersuchung der Zellwand- und Membranproteine mittels SDS-PAGE und Western-Blot mit polyklonalen Antikörpern gestattete keine Hinweise auf die geographische Herkunft der Isolate. Die Untersuchungen von Zellwand- und Membranproteinen bei einer großen Zahl von D. c.-Stämmen ergaben keine Beziehungen zu deren regionalen Herkunft. Serologische Verfahren zum Dermatophilosenachweis haben keinen Eingang in die Routinediagnostik gefunden. 177