Der Eiermann-Bau in Apolda als Thema eines studentischen Workshops Kirsten Angermann, Eckhard Baier Der Eiermann-Bau in Apolda als Thema eines studentischen Workshops des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz betonskelettbau angelegt war, jedoch in seinen Klinkerausfachungen noch kleinteilige Fenster der lahrhundertwende aufnahm. Nach dem Verkauf der Fabrik Mitte der dreißiger Jahre an das Berliner Feuerlöschgerätewerk Total erhielt Egon Eiermann den Auftrag zu Um- und Erweiterungsbauten, die er 1938/39 realisierte. Dieser Anbau vergrößerte die Gebäudelänge des Ursprungsbaus auf mehr als das Doppelte und übernahm sowohl Das immer noch wenig bekannte Fabrikgebäude der ehemaligen die Stahlbetonskelettkonstruktion mit seiner Tragkonstruktion Total KG Foerstner& Co. in Apolda, im allgemeinen Sprachgebrauch (von mittig in Reihe gestellten paarweisen Pfeilern) als auch das Eiermann-Bau genannt, gilt in Fachkreisen mittlerweile als Meilen- Fassadenraster. In den Feldern der Fassade wiederholte er zwar stein in der Geschichte des modernen Industriebaus der dreißiger den Brüstungsriegel in Material und Höhe, setzte dann aber mit Jahre in Deutschland und wird inzwischen hinsichtlich seiner Bedeutung für die deutsche Industriearchitektur der Moderne in der Fachwelt mit dem von Walter Gropius und Adolf Meyer geschaffenen Fagus-Werk in Alsfeld gleichgesetzt Die überregionale architekturgeschichtliche Bedeutung des Bauwerks, das in seiner Grundsubstanz gut erhalten ist, liegt in seiner gelungenen Synthese eines älteren traditionellen Industriebaus mit der modernen Erweiterung von Egon Eiermann, die dieser streng im Geist des Neuen Bauens konzipierte. den die ganze Restfläche füllenden großzügig geteilten Fenstern deutlich moderne, den Bau prägende Akzente. Zu diesen kommen die Ausbildung des dritten Obergeschosses als Vollgeschoss und die den Anbau bekrönende markante Dachterrasse hinzu. Im niedrigen Abschlussgeschoss des Schneider-Baus etablierte Eiermann Nebenfunktionen wie Umkleide- und Waschräume, den stützenlosen Saalraum der anschließenden Geschossebene seines Anbaus schuf er für Kantinennutzung, Belegschaftsversammlungen als auch für festliche Veranstaltungen. Die Baugeschichte beginnt mit dem 1906/07 entstandenen Die vom Saal erreichbare große Dachterrasse erinnert in ihrer neunachsigen, dreieinhalbgeschossigen Webereigebäude des Ausformung bis hin zu einer Reling und der Gestaltung eines Apoldaer Architekten Hermann Schneider, das bereits als Stahl Schornsteins an das Deck eines Luxusdampfers. Ihre Nutzung Abb 1 Apolda, Eiermann-Bau, Ansicht des Alt- und Neubaus, 1939 Der Eiermann-Bau in Apolda als Thema eines studentischen Workshops als Dachgarten wurde durch die zusätzliche Inszenierung von Grünpflanzen und die Aufstellung von entsprechendem Gestühl unterstützt. Hier konnten sich die Fabrikarbeiter in den Pausen erholen. Prinzipiell entsprachen ein derartiges Angebot, der Gemeinschaftsraum und die großzügig gestalteten Räume des Anbaus durchaus den nationalsozialistischen Maßgaben und Vorstellungen: Von licht- und luftdurchfluteten Arbeitsstätten versprach man sich eine leistungssteigernde Wirkung auf die Belegschaft. Damit kommen zu der bisher beschriebenen architekturgeschichtlichen Bedeutung des Eiermann-Baus wichtige sozialgeschichtliche Aspekte hinzu. Der Architekt erprobte bei seinem Anbau zudem bereits Gestaltungselemente, die er später bei seinen Nachkriegsbauten wieder aufgriff, wie das angefügte Treppenhaus, die Treppengeländer, die großflächigen Stahlfenster und die Sichtbarkeit der Konstruktion, sein gestalterisches Ziel der Verschmelzung von Technik und Kunst stets im Auge behaltend. Außer dem eben beschriebenen Hauptgebäude sind von dem Ensemble der Total-Werke lediglich ein Wohnhaus und ein Verwaltungsgebäude vorhanden, die zeitlich parallel zum SchneiderBau entstanden waren. Sämtliche Gebäude stehen seit 1980 unter Denkmalschutz. Unmittelbar zum Hof hin anschließende Shedhallen und weitere Produktionsgebäude auf dem heute frei Abb. 2 Apolda, Eiermann-Bau, Dachterrasse, Blick nach Osten. 2009 en Areal mussten Ende der 90er Jahre vor allem wegen schlechter Bauzustände aufgegeben werden. Die Nutzungsgeschichte der Total-Werke ist hier nur kurz darstellbar. Von 1939 bis 1945 wurden vorwiegend Feuerlöschgeräte, jedoch auch Flammenwerfer hergestellt. Nach dem Krieg kam es wegen der Rüstungsbeteiligung zur Enteignung, später zur Zwangsverwaltung, dann sukzessive zur Wiederaufnahme der' Produktion und Umwandlung zu einem Volkseigenen Betrieb Dieser wurde nach der politischen Wende in eine Kapitalgesellschaft überführt, die von 1992 bis 1994 existierte und nur noch eine reduzierte Produktpalette abdeckte. Danach erfolgte der komplette Leerzug, womit der Verfall der Bauten begann. In Reaktion darauf gründete sich 1999 der „Verein der Freunde des Eiermann-Baus Apolda e.V.", der sich seitdem engagiert und erfolgreich um die Erhaltung, Sanierung und Nutzung der Gebäude bemüht. Der Eiermann-Bau ist in der praktischen Behandlung als denkmalpflegerischer Problemfall zu sehen. Zwar ist die gegenwärtige Interimsnutzung unbedingt zu begrüßen, doch wird die Erarbeitung einer dringend erforderlichen denkmalpflegerischen Zielstellung durch Unklarheiten über zukünftige Nutzungen erschwert. Hinzu kommt die Unvollständigkeit der notwendigen Voruntersuchungen sowohl in bauhistorischer als auch in restauratorischer Hinsicht. Der Eiermann-Bau in Apolda als Thema eines studentischen Workshops Eine kontinuierliche Betreuung durch ein im Umgang mit Denk- deutschen Bundesländer veranstaltet. Während der Arbeit an ei- malen erfahrenes Büro war bislang nicht möglich. So konnten nem ausgewählten Objekt soll dabei Studierenden verschiedener lediglich für die Dachsanierung und für ein Brandschutzgutach- Fachrichtungen die Möglichkeit gegeben werden, sich intensiv ten ein Ingenieur- bzw. ein Architekturbüro beauftragt werden. mit Themen der Denkmalpflege zu befassen. Der Workshop zu Ansonsten übernahmen allein die beiden unmittelbar zuständi- den ehemaligen Total-Werken fand vom 13. bis 19. Septem- gen Denkmalbehörden die denkmalpflegerische Begleitung von ber 2009 statt und wurde in Kooperation mit dem TLDA und Maßnahmen, wodurch die Probleme des Baus eher punktuell der Bauhaus-Universität Weimar, Professur Denkmalpflege und gelöst werden konnten. Neben den dringend notwendigen Arbei- Baugeschichte, organisiert und durchgeführt. Die 19 Teilnehmer ten am Flachdach und der zugehörigen Terrasse waren so auch setzten sich zu fast gleichen Teilen aus Studierenden der Kunst- die Fenstersanierung, Rückbauten, Putz- und Malerarbeiten und geschichte und der Architektur zusammen, zudem nahmen drei die Rekonstruktion des Fußbodens im Saal möglich, die unter Landschaftsarchitekturstudenten und eine Industriearchäologin anderem innerhalb von Arbeitsbeschaffungs- bzw. Strukturan- teil. Zu den betreuenden Mitarbeitern des Landesamtes und der passungsmaßnahmen (ABM/SAM) ausgeführt wurden. Dadurch Universität konnten Verantwortliche vor Ort wie der Vorsitzende konnten das Denkmal insgesamt erhalten und seine Nutzungs- des Vereins sowie Vertreter der Eigentümergesellschaft und der möglichkeiten laufend verbessert werden. Das Thüringische Stadt als Ansprechpartner gewonnen werden. Zusammen mit Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) begleitet allen Beteiligten erfolgte die Diskussion von Themen für die dies durch Beratung und durch möglichst kontinuierliche Beihilfe Workshoparbeit. im Sinne der Pflege von Substanz und Erscheinungsbild. Bei all Dabei wurden die kunsthistorische Bedeutung, die städtebauli- den vorhandenen Problemen sind das Engagement und die Leis- che Situation des Gebäudes, mögliche Nutzungskonzepte, deren tungen des Fördervereins hoch anzuerkennen — doch die oben Umsetzung im Detail und Möglichkeiten der Denkmalvermittlung genannten Defizite bleiben. als Arbeitsfelder aufgegriffen und zu Aufgabenstellungen ausfor- In dieser Situation wurde man seitens des Deutschen Nati- muliert. Auf die vorgeschlagene Ausarbeitung einer denkmalpfle- onalkomitees für Denkmalschutz (DNK) auf den Eiermann-Bau gerischen Zielstellung wurde in Anbetracht der kurzen Zeit ver- als geeignetes Thema für einen studentischen Workshop auf- zichtet, jedoch können einige Ergebnisse durchaus als wichtige merksam. Dieser wird seit vier Jahren vom DNK in einem der Bausteine für eine zukünftige Zielstellung herangezogen werden. Abb. 3 Apolda, Eiermann-Bau, Saal, Blick nach Westen während des Workshops, 2009 Der Eiermann-Bau in Apolda als Thema eines studentischen Workshops Die Arbeitsgrundlage für die Teilnehmer lieferte die Dokumenta- das Gebäude wünschenswert Sehr bald wurde das schein- tion eines im Hinblick auf den DNK-Workshop stattgefundenen bare Desinteresse der Bevölkerung, aber auch der Kommune Seminars an der Bauhaus-Universität, in der Recherchen und offenbar und von den Studierenden dringend angeregt, das Analysen zum Gebäude, zum zeitgeschichtlichen Kontext und Umfeld des Denkmals einschließlich des rückwärtigen brach- zum Architekten enthalten sind. Neben der Arbeit am und im liegenden Geländes in die Planung für die Bewerbung zur Eiermann-Bau fanden im Rahmen der Workshopwoche Führun- Landesgartenschau einzubeziehen. Dass in Zukunft das große gen durch Weimar und Apolda statt. In Weimar wurde dabei der Flächenangebot des Ensembles wohl keiner monofunktionalen Schwerpunkt auf Bauten der Moderne wie das Musterhaus am Nutzung zugeführt werden kann, sahen die Studierenden als Horn gelegt, in Apolda im Besonderen auf die Entwicklung der gegeben an. Besonders problematisch stellt sich die Lage des Stadt als Industriestandort und die heutigen, vor allem demogra- Eiermann-Baus in einer schrumpfenden Stadt dar, die viele in phischen Probleme. Großstädten umgesetzte Konzepte für leer stehende Industrie- Fachliche Hintergründe zur Denkmalpflege der Moderne erhiel- bauten unmöglich macht. Dennoch wurden auch Potentiale des ten die Studierenden durch drei Vorträge externer Referenten. So Gebäudes erfasst. So ist der Bau seit dem Engagement des informierte die Restauratorin Bianka Witte-Schäfer über Farbuntersuchungen im Eiermann-Bau. Dr. Andreas Schwarting von der TU Dresden sprach zum Thema „Was ist modern? Überlegungen zum Umgang mit Objekten des Neuen Bauens" und der Berliner Architekt Winfried Brenne lieferte einen Werkbericht zur Sanierung der ehemaligen Bundesgewerkschaftsschule in Bernau von Hannes Meyer. Die Woche endete mit einer öffentlichen Abschlusspräsentation, zu der die Studierenden die Ergebnisse ihrer Arbeiten im Eiermann-Bau vorstellen und diskutieren konnten. Bezeichnenderweise waren weder interessierte Bürger Apoldas noch die eingeladene Presse hierzu anwesend. Dagegen sind die Ergebnisse für den weiteren Umgang mit dem Eiermann-Bau durchaus relevant: Die Bearbeiter erkannten schnell die derzeitigen Missstände wie die mangelnde Anbindung des Eiermann-Baus an die Stadt. Hier wären unter anderem Verbesserungen in der Wegeführung, aber auch in der Wahrnehmung aus der Ferne und in der Annäherung an Vereins und des neuen Eigentümers nicht mehr vom Verfall bedroht und erhält durch regelmäßige Veranstaltungen und die Eiermannausstellung überregionalen Zulauf. Eine Etablierung längerfristiger Nutzungen kann dennoch nur schrittweise erfolgen; deshalb wurden Konzepte erarbeitet, die eine modulare Aufteilung vorschlagen und in denen das Gebäude in Kalt- und Warmzonen unterteilt werden kann. Damit ließen sich auch permanente und temporäre Nutzungen besser zuordnen. Die vorhandene offene Raumstruktur wird als vorteilhaft für einen denkmalgerechten Umbau angesehen, da sie auch reversible Eingriffe durch eingestellte Leichtbauwände oder Haus-in-Haus-Lösungen erlaubt. Generell sind die Nutzungsmöglichkeiten vielfältig. So könnten neben Ausstellungen auch Gewerbe oder Handwerk untergebracht werden. Während des Workshops wurde der Eiermann-Bau wiederholt als Schul- oder Hochschulstandort vorgeschlagen und auch die Unterbringung eines Wohnheims oder einer Herberge für denkbar gehalten. lighatik Apolda, Eiermann-Bau, Besprechungsrunde während des Workshops, 2009 Abb. 5 Weimar, Hauptgebäude der Bauhaus-Universität, Besprechungsrunde während des Workshops, 2009 Der Eiermann-Bau in Apolda als Thema eines studentischen Workshops Gleichzeitig betonten die Teilnehmer, dass der öffentliche Zu- Vorstufe zu einer Corporate Identity könnten als mögliche Pro- gang vor allem zu Festsaal und Terrasse immer gewährleistet jektarbeit der Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität ent- bleiben sollte. Besondere Aufmerksamkeit wurde der bislang stehen. Erklärte Ziele all dieser Maßnahmen sollten immer die vernachlässigten Eingangssituation gewidmet. Von den Studierenden konnte der ursprünglich von Eiermann geplante Eingang zum Anbau belegt werden, der ehemals jedoch von einem mit weiteren Fabrikgebäuden umstellten Innenhof aus ins Gebäude führte und somit eher der internen als der externen Erschließung diente. Diese Erkenntnis wird wohl zu einer prinzipiellen Auseinandersetzung mit den Zugängen zum Gebäude führen, dessen jetzige Eingangssituation nicht befriedigen kann. Allen baulichen Maßnahmen voraus gehen sollte, so das Plädoyer der Studierenden, jedoch eine Vermittlungskampagne für das eher unbequeme Denkmal. Diese müsste das Ansehen des Eiermann-Baus insbesondere bei den Bürgern Apoldas aufwerten und darüber hinaus mögliche zukünftige Nutzer anziehen. Mit konkreten Vorschlägen machten die Studierenden deutlich, wie einfach Verbesserungen in der Imagepflege möglich sein könnten. So wäre für die überregionale Präsentation die Einstellung und Aktualisierung von Informationen zum Denkmal auf den Webseiten der Stadt ebenso wünschenswert wie eine Verlinkung zur schon bestehenden Webseite des Vereins. Die Pflege dieser Internetpräsenz durch Schüler des Apoldaer Berggymnasiums im Rahmen des Informatikunterrichts ist dabei durchaus vorstellbar. Des Weiteren schlugen die Studierenden vor, den Eiermann-Bau als Station in die Stadtführung aufzunehmen. Werbemittel wie Informationsflyer, Postkarten und ein Logo als Abb. 6 Apolda, Eiermann-Bau, Detail Haupttreppe, 2009 Etablierung der "Marke Eiermann-Bau" und die Sensibilisierung für den Wert des Denkmals sein. Die vorgestellten Ergebnisse zeigten wieder einmal die Bedeutung derartiger Workshops, in denen mit dem unbefangenen unverstellten Blick von außen und aus verschiedenen Blickwinkeln eine konzentrierte Bearbeitung eines Objektes mit seinen Problemen erfolgt, was zum Teil erstaunliche Ergebnisse erbringt. Dies widerspiegelten auch die zur Abschlusspräsentation geäußerten Statements der Veranstalter und Betreuer und besonders der Agierenden vor Ort, was dazu führte, dass die Eigentümervertreter und die Leiterin des Stadtplanungsamtes sogleich beschlossen, möglichst bald zusammen mit einer Sprecherin der Studentengruppe den Kontakt mit der Stadtverwaltung Apolda zu suchen, um eventuell einige der Ergebnisse bzw. Anregungen in die Praxis zu überführen. Von nicht geringer Bedeutung dürfte auch das nochmals vorgebrachte eindeutige Bekenntnis des Eigentümers zu diesem besonderen Denkmal sein und seine Zusage großzügiger Finanzmittel, die z. B. für die Fertigstellung der Fenstersanierung benötigt werden. Das DNK als Veranstalter wird die Arbeitsergebnisse der Studenten in einer kleinen Publikation würdigen. Als ein letztes Fazit des Workshops soll die gelungene Zusammenarbeit von BauhausUniversität (Professur Denkmalpflege und Baugeschichte) und TLDA nicht unerwähnt bleiben. m o n . n o m m o o n » r r a l " " 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 . — Der Eiermann-Bau in Apolda als Thema eines studentischen Workshops Abb. 7 Apolda, Eiermann-Bau, Blick aus der ehemaligen Essensausgabe zur Nebentreppe,