GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen Leitfaden Innovative Dienstleistungen "rund um das Wohnen" professionell entwickeln Service Engineering in der Wohnungswirtschaft Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gGmbH Berlin, Heidelberg, Hannover Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gGmbH Berlin Lehrstuhl Marketing I: Markt und Konsum, Universität Hannover Hannover Autorinnen und Autoren: Dirk Hohm (MUK) Helga Jonuschat (IZT) Dr. Michael Scharp (IZT) Dirk Scheer (IÖW) Gerd Scholl (IÖW) Redaktion: Helga Jonuschat Dr. Michael Scharp Herausgeber: GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen e.V. Mecklenburgische Straße 57 14197 Berlin Telefon: 030 82403-0 Telefax: 030 82403-199 GdW Repräsentanz Brüssel 47-51, Rue du Luxembourg B-1050 Brüssel Telefon: 00 32 2 550-1611 Telefax: 00 32 2 503-5607 Internet: E-Mail: www.gdw.de [email protected] Gestaltung: design alliance Büro Roman Lorenz Gestaltung visueller Kommunikation München GdW Februar 2004 Service Engineering in der Wohnungswirtschaft Innovative Dienstleistungen "rund um das Wohnen" professionell entwickeln Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gGmbH Berlin, Heidelberg, Hannover Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gGmbH Berlin Lehrstuhl Marketing I: Markt und Konsum, Universität Hannover Hannover GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen e.V. Berlin Vorwort Die Wohnungswirtschaft befindet sich im Wandel: Veränderte Förderpolitik für den Mietwohnungsbau, der Abbau der Belegungszwänge, der allgemeine Wandel vom Vermieter- zum Mietermarkt und die Veränderung der Klientel vor dem Hintergrund von Segregation, Migration und demografischem Wandel haben die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren nachhaltig verändert. Um langfristig handlungsfähig bleiben zu können, müssen Wohnungsunternehmen daher kontinuierlich innovative Geschäftsstrategien entwickeln. Manche agieren hier bereits proaktiv, indem sie ihre Mieter konsequent als Kunden begreifen, ein systematisches Qualitäts- und Beschwerdemanagement aufbauen oder wohnbegleitende Dienstleistungen anbieten. Dies ist der Ausgangspunkt eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Vorhabens (Förderkennzeichen 01/HG0102). Unter dem Titel „Service Engineering in der Wohnungswirtschaft“ hat ein Verbund von drei Forschungsinstituten ein Konzept zur systematischen Entwicklung von Dienstleistungen unter Berücksichtung der spezifischen Situation der Wohnungswirtschaft entwickelt. Beteiligt waren das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin, das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin, Heidelberg, Hannover, sowie der Lehrstuhl Marketing I: Markt und Konsum der Universität Hannover. Methoden und Vorgehensmodelle wurden in Zusammenarbeit mit Wohnungsunternehmen in der Praxis erprobt und an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst: mit der GSW Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin mbH in Berlin, mit dem Gundlach Wohnungsunternehmen GmbH & Co. in Hannover sowie mit der ServiceHaus Service-GmbH für Modernes Wohnen und Leben in Mannheim, Tochtergesellschaft der GBG – Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH. Der vorliegende Leitfaden ist damit das Produkt einer engen Zusammenarbeit von Forschung und Praxis. Wir bedanken uns an dieser Stelle für die Kooperation der Wohnungsunternehmen sowie dem Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt – Projektträger des BMBF Arbeitsplatzgestaltung und Dienstleistungen, der mit seinem Engagement zur Erarbeitung dieses Leitfadens beigetragen hat. Des Weiteren gilt unser Dank dem GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen, der uns bei der Veröffentlichung des Leitfadens unterstützt hat. Inhalt 1 Die Geschichte der Mieterin Sabine M. – Wohnen mit Service 9 2 Einleitung 11 2.1 Warum ein Leitfaden für die Dienstleistungsentwicklung? 11 2.2 Service Engineering - ein erster Überblick 13 2.3 Aufbau des Leitfadens 16 3 Was sind Dienstleistungen und Services? 19 3.1 Kernleistungen der Wohnungswirtschaft und wohnbegleitende Services 3.2 Nutzen wohnbegleitender Dienstleistungen 19 22 3.3 Handlungsfelder und Beispiele für wohnbegleitende Dienstleistungen 24 4 Situationsanalyse – Ausgangspunkt für neue Dienstleistungen 29 4.1 Analyse des Umfelds, der Ziele und des Portfolios 31 4.1.1 Umfeldanalyse 31 4.1.2 Zielanalyse 32 4.1.3 Strukturierung des Dienstleistungsportfolios 33 4.2 Auswertung der Situationsanalyse 35 4.3 Checkliste Situationsanalyse 39 5 Service Creation – Ideen für neue Dienstleistungen 41 5.1 Ideenfindung 43 5.1.1 Methoden der Ideenfindung 43 5.1.2 Charakterisierung einer Dienstleistungsidee 45 5.2 Ideenbewertung 47 5.2.1 Bewertungskriterien 47 5.2.2 Bewertungsverfahren 48 5.3 Checkliste Service Creation 51 6 Service Design – Design-Konzept und Marketing-Konzept 53 6.1 Design-Konzept 54 6.1.1 Produktdimension: Was? 55 6.1.2 Prozessdimension: Wie? 62 6.1.3 Potenzialdimension: Womit? 64 6.2 Marketing-Konzept 67 6.2.1 Marketingziele und -strategien 68 6.2.2 Marketing-Mix für wohnbegleitende Dienstleistungen 68 6.3 Konzeptbewertung 72 6.4 Checklisten: Service Design-Konzept und Marketing-Konzept 74 7 Service Management – Einführung und Erbringung neuer Dienstleistungen 77 7.1 Einführung der Dienstleistung 78 7.1.1 Trägerschaften von Dienstleistungen 78 7.1.2 Einbindung der Dienstleistung in die Unternehmensorganisation 81 7.2 Dienstleistungsassessment 83 7.3 Checkliste Service Management 86 8 Markt- und Kundenforschung 87 8.1 Ziele und Einsatzfelder der Markt- und Kundenforschung im Service Engineering 87 8.2 Kundenbefragungen als Marktforschungsinstrument im Service Engineering 90 8.2.1 Erhebungen mit einem standardisierten Fragebogen 90 8.2.2 Fokusgruppen 96 8.3 Checkliste Markt- und Kundenforschung 98 9 Literatur und Internetadressen 99 1 Die Geschichte der Mieterin Sabine M. – Wohnen mit Service Sabine M. schlug die Tür hinter sich zu und sah sich in ihrer neuen Wohnung um: „Geschafft!“ Zwar standen überall noch Kartons herum, aber sie freute sich schon darauf, alles auszupacken und ihr neues Heim einzurichten. „Am besten ich fange gleich damit an, solange Lukas noch beim Spielkreis ist.“ Als alleinerziehende Mutter war Sabine M. sehr froh, dass sie das Umzugspaket ihrer Wohnungsgesellschaft „WMS – Wohnen mit Service“ angenommen hatte. Das Umzugspaket bestand aus mehreren Diensten „rund um den Umzug“ wie z.B. die Vermittlung einer neuen Wohnung oder sehr preiswerte Hilfen für das Ein- und Auspacken. Da samstags außerdem noch der Spielkreis im Gemeinschaftshaus stattfand, wo ihr fünfjähriger Sohn Lukas für eine Weile gut aufgehoben war, konnte sie ihren freien Tag nutzen, um die Wohnung bis zum Abend halbwegs bewohnbar zu machen. „So einen stressfreien Umzug hatte ich noch nie!“ Die alte Wohnung lag zwar nur vier Straßen weiter, war ihr aber mit den zwei Zimmern doch langsam zu klein geworden. Deshalb hatte sich Sabine M. bei ihrer Wohnungsgesellschaft gemeldet und über die „Wohnungstausch-Agentur“ eine neue Wohnung beantragt. Schon nach zwei Wochen bekam sie das gesuchte Angebot für eine Drei-Zimmer-Wohnung mit Balkon. Jetzt könnte Lukas auch endlich ein eigenes großes Kinderzimmer haben! Der WMS-Mitarbeiter Herr K. drückte ihr dabei gleich eine Broschüre in die Hand und sagte: “Das hier ist unser Umzugspaket. Auf den ersten Seiten finden Sie alle Informationen und Ummeldeformulare von Telefon über Strom bis zum Einwohnermeldeamt. Und hier...“, er schlug ein paar weitere Seiten um, „haben Sie einen Überblick über unser Dienstleistungsangebot ‚Rund um den Umzug’!“ Obwohl einige Services wie die Umbauberatung für Ältere oder der Einrichtungsservice für Sabine M. eher nicht in Frage kamen, fand sie den Möbeltransport und den Malerdienst sehr ansprechend. „Diesmal möchte ich mir wirklich gern den ganzen Stress mit Renovierung der alten Wohnung und Kisten schleppen ersparen“, dachte sie und gab auch gleich den Transport und die Malerarbeiten bei Herrn K. in Auftrag. Diese Entscheidung hat sie keineswegs bereut: „Es ist erst zwei Uhr und ich bin schon dabei, die Tassen ins Regal zu räumen“, freute sie sich und riss den nächsten Karton auf. 9 Lukas saß in der Zwischenzeit neben seinem besten Freund Murat im Gemeinschaftshaus und versuchte, ein Streichholz in eine Kastanie zu stecken. Der tägliche „Spielkreis am Nachmittag“ wurde abwechselnd von verschiedenen Mietern aus der Nachbarschaft organisiert. Heute machte Albert F. einen Bastelkurs. Seitdem er Rentner war, verbrachte er jeden Samstagnachmittag im Gemeinschaftshaus. Die Idee zum Kinder-Bastelkurs kam ihm, als seine Enkel zu Besuch waren und er mit ihnen Papierblumen als Muttertagsgeschenk faltete. Das machte ihm soviel Spaß, dass er sich beim Mieterverein meldete, um den Kurs regelmäßig für die Kinder aus der Nachbarschaft anzubieten. Der Mieterverein reservierte ihm den Gemeinschaftsraum und machte das neue Angebot auf der WMS-Homepage und in der Mieterzeitschrift bekannt. Albert F. ist mittlerweile bei den Kindern zu einem der beliebtesten Nachbarn geworden und häufig bekommt er selbst einige der Bastelwerke geschenkt. Nach dem Bastelkurs setzt sich Albert F. meistens noch für einen Tee in das „Mietercafé“ im Gemeinschaftshaus und klönt mit Erna P., die selbst zweimal die Woche einen Fotokurs anbietet. Die beiden kennen sich aus dem Internet-Club für Senioren, der Samstags abends im Computer-Raum statt findet. Obwohl beide zunächst unsicher waren, ob sie nicht zu alt für den „ganzen neuen technischen Kram“ seien, ließen sie sich doch von dem Hauswart Herrn P. überzeugen, dass das alles gar nicht so kompliziert sei. Erna P. setzt sich mittlerweile auch privat in den Computerraum, um Solitaire zu spielen und schreibt nun fast jeden Tag eine E-Mail an ihre Tochter in Frankreich. „Komisch, ich hätte nicht gedacht, dass gerade das Internet dafür sorgt, dass ich soviel über den Alltag meiner Tochter erfahre,“ sagte sie zu Albert F. und schenkte sich noch einen Tee ein, „Vorher hatten wir so etwa zweimal im Monat miteinander telefoniert!“ Seit ihrer Hüftoperation konnte Erna P. ihre Tochter nicht mehr so oft besuchen, die lange Bahnfahrt war ihr zu anstrengend geworden. Sie war froh, dass sie vor drei Monaten von der WMS eine altengerechte Erdgeschosswohnung angeboten bekommen hatte. Diese war zwar kleiner als ihre alte Wohnung und kostete den gleichen Preis. Aber die zusätzliche Ausstattung wie Handgriffe im Bad oder der Notruf zum „Paritätischen“ überzeugten sie schließlich doch. Sie fühlte sich jetzt sehr viel sicherer und eigentlich brauchte sie auch wirklich nicht mehr als diese zwei Zimmer. „Hallöchen“, die WMS-Geschäftsführerin Ilona K. setzte sich an den Nebentisch, „gehen Sie auch gleich zum Computerkurs?“ „Ja, guten Abend, Frau K,“ erwiderte Albert F. „beehren Sie uns etwa auch heute mit Ihrer Anwesenheit?“ „Naja, heute ist ja die digitale Bildbearbeitung dran und da kenn’ ich mich nicht so richtig aus. Außerdem ist es ja auch gut zu wissen, was so in der Nachbarschaft passiert,“ Ilona K. nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. Auch wenn sie nicht in einer WMS-Wohnung wohnte, nahm sie doch häufig die Service-Angebote in Anspruch, da sie nur wenige Gehminuten vom Gemeinschaftshaus entfernt wohnte. So langsam hatte sich hier sogar so eine Art Stadtteiltreff entwickelt, der nicht nur von WMS-Mietern genutzt wurde. Das freute sie nicht nur als Anwohnerin, sondern auch als Geschäftsführerin der WMS, da sich das Gemeinschaftshaus schon lange selbst trug und nicht mehr vom Unternehmen mitfinanziert wurde. Außerdem waren in dieser Siedlung die Fluktuationsraten so gering, dass andere Unternehmen sie schon fast beneideten. „Und, Frau P., gefällt Ihnen die neue Wohnung?“ wandte sich Ilona K. an den Nachbartisch. Erna P. lachte und antwortete: „Also auf eins können Sie sich verlassen: Da ziehe ich mit Sicherheit nicht mehr aus!“ 10 2 Einleitung 2.1 Warum ein Leitfaden für die Dienstleistungsentwicklung? Was im geschilderten Szenario für einige noch visionär erscheinen mag, wird für viele Wohnungsunternehmen zunehmend zur Realität. Dienstleistungen „rund um das Wohnen“ gelten als effektives Mittel zur Kundenbindung und -gewinnung und werden als Instrument für ein aktives Sozialmanagement eingesetzt. Zudem können mit wohnbegleitenden Dienstleistungen zum Teil langfristig neue Geschäfts- und Ertragsfelder eröffnet werden. Beispiele für wohnbegleitende Services gibt es mittlerweile viele: Umzugsservice, Maler- und Lackierservice, Mobilitätsdienstleistungen, Einkaufsservice, Internet-Marktplätze usw. Doch wie in vielen anderen Branchen wird in der Wohnungswirtschaft die Entwicklung innovativer Dienstleistungsangebote nur selten mit Hilfe differenzierter Verfahren systematisch betrieben. Häufig hängt der Erfolg neuer Angebote an dem Engagement einzelner Mitarbeiter. Auch wenn auf diese Weise schon vorbildliche Service-Konzepte entstanden sind, bleibt die Frage, ob alle Potenziale identifiziert und genutzt sowie Ressourcen effektiv eingesetzt werden. Zwar gibt es in der Wohnungswirtschaft schon Ansätze für ein systematisches, methodengestütztes Vorgehen, bei dem z.B. Mieterbefragungen, unternehmensinterne Workshops oder Arbeitsgruppen genutzt werden. Konkrete Vorgehens- und Verfahrensmodelle für die Leistungsentwicklung, wie sie beispielsweise in der klassischen Produktentwicklung oder beim „Software Engineering“ üblich sind, werden in der Wohnungswirtschaft jedoch bisher nicht eingesetzt. Einen Weg, um gerade angesichts knapper werdender Mittel eine effiziente und systematische Entwicklung wohnbegleitender Dienstleistungen zu ermöglichen, bietet die Methodik des sogenannten Service Engineering. Der Vorteil einer systematischen Dienstleistungsentwicklung besteht dabei in erster Linie darin, dass Wohnungsunternehmen vor Einführung der Dienstleistung Ziele und Prozesse der Dienstleistungserbringung bestimmen, indem z.B. Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden analysiert, Dienstleistungsprozesse modelliert oder Anforderungsprofile für Mitarbeiter 11 entwickelt werden. Somit können Services zielgerichteter gestaltet und neue Arbeitsprozesse besser in bestehende integriert werden. Die systematische Entwicklung von Dienstleistungen kann demnach dazu beitragen, Risiken zu minimieren und Marktchancen zu verbessern. Der vorliegende Leitfaden gibt eine Einführung in die systematische Entwicklung wohnbegleitender Dienstleistungen nach dem Service Engineering-Konzept. Er richtet sich in erster Linie an Mitarbeiter in Wohnungsunternehmen, die sich mit wohnbegleitenden Dienstleistungen beschäftigen, sei es als „Dienstleister“, als „Optimierer“ bestehender oder als „Entwickler“ von neuen Dienstleistungen. Weitere Informationen zum Service Engineering und zu den im Leitfaden erwähnten Methoden werden ergänzend auf der Projekthomepage www.izt.de/sewowi.de angeboten. Insgesamt ist der Leitfaden als Arbeitshilfe gedacht, um es Wohnungsunternehmen zu erleichtern, Dienstleistungen zu entwickeln, zu gestalten und zu erbringen und somit dazu beizutragen, dass „Wohnen mit Service“ Realität wird. 12 2.2 Service Engineering – ein erster Überblick Engineering ist eine auch im deutschen Sprachraum übliche Bezeichnung für Tätigkeiten, bei denen Kenntnisse aus den Ingenieurwissenschaften angewandt werden. Beim Service Engineering wird versucht, ingenieurwissenschaftliches Know-how aus dem Bereich der klassischen Produktentwicklung für die Entwicklung von Dienstleistungen nutzbar zu machen. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) definiert Service Engineering als systematische Entwicklung und Gestaltung von Dienstleistungen unter Verwendung geeigneter Methoden und Verfahren. Entstehen Dienstleistungen bislang also häufig „aus dem Bauch heraus“ und werden neue Services oft im Trial-and-Error-Verfahren am Markt erprobt, erhält der Entwicklungs- und Managementprozess mit dem Service Engineering eine klare Struktur sowie Methoden und Werkzeuge zu seiner Unterstützung. Gegenstand des Service Engineering sind die verschiedenen Entwicklungsphasen von Dienstleistungen. Dazu gehört der gesamte Lebenszyklus einer Dienstleistung, von der Ideenfindung über das Design des Service und die Markteinführung bis hin zur Erbringung der Dienstleistung und ihrer Ablösung. Das Service Engineering ist eine relativ junge Disziplin. Der Begriff wurde Mitte der 90er Jahre in Deutschland von den Informatik- und Ingenieurswissenschaften geprägt. Damit unterscheidet er sich von dem amerikanischen „New Service Development“, das bereits in den 70er- und 80er-Jahren entstand und seine Wurzeln eher in der Marketingforschung hat. Die Diskussion um Service Engineering gewann durch die Dienstleistungs-Initiative der deutschen Bundesregierung (www.dl2100.de) an Dynamik. Das Thema wurde einer von neun Schwerpunkten im Dienstleistungs-Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Im Jahre 1997 wurde eine sogenannte Prioritäre Erstmaßnahme mit dem Titel „Marktführerschaft durch Leistungsbündelung und kundenorientiertes Service Engineering“ aufgelegt. In diesem anwendungsorientierten Forschungsprojekt wurde das Konzept des Service Engineering (weiter-)entwickelt und beispielhaft in der Architektur- und Baubranche, bei Telematikdienstleistungen und in der Investitionsgüterindustrie erprobt. Eine Vielzahl weiterer Projekte in unterschiedlichen Anwendungsfeldern folgte, so auch das diesem Leitfaden zugrunde liegende Vorhaben. 13 Die Methode des Service Engineering basiert auf sogenannten Vorgehensmodellen. Ziel ist es, damit die Planung, Steuerung und Überwachung von Projekten zu unterstützen. Im Service Engineering legen Vorgehensmodelle die Arbeitsschritte fest, die für die Entwicklung von Dienstleistungen notwendig sind. Sie systematisieren den Entwicklungsprozess und bilden eine Voraussetzung für die erfolgreiche und effiziente Positionierung neuer Dienstleistungen am Markt. Im Bereich der Dienstleistungsentwicklung gibt es eine Reihe von Vorgehensmodellen, die je nach Autor, Anwendungskontext und Schwerpunktsetzung variieren. Der vorliegende Leitfaden orientiert sich an einem Phasenmodell, dass in der bereits erwähnten Prioritären Erstmaßnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entwickelt worden ist. Demzufolge wird hier unterschieden zwischen den vier Phasen: Situationsanalyse, Service Creation, Service Design und Service Management. Einen Überblick über die Inhalte der einzelnen Phasen liefert die Abbildung 1. Abbildung 1: Vier-Phasenmodell für das Service Engineering Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management 1. Ausgangspunkt identifizieren 2. Ideen entwickeln 3. Dienstleistungs- und Marketing-Konzept entwickeln 4. Dienstleistung anbieten In jeder Phase dieses Vorgehensmodells werden Gestaltungs- von Bewertungsaufgaben von einander getrennt, um z.B. kreative Entwicklungs- und Gestaltungsprozesse nicht durch zu frühe Bewertungen zu blockieren. Daher wird im Rahmen der Situationsanalyse das Unternehmensumfeld zunächst charakterisiert, sodann hinsichtlich servicerelevanter Aspekte bewertet. In den Phasen Service Creation und Service Design wird ebenfalls zwischen Ideenfindung bzw. Konzeptentwicklung und einer Bewertung unterschieden. Auch beim Service Management geht es zuvorderst um die Bereitstellung der Leistung und anschließend parallel zu ihrer Erbringung um die kontinuierliche Einschätzung etwa der Mieterzufriedenheit oder der Wirtschaftlichkeit (vgl. Abbildung 2). 14 Abbildung 2: Phasenmodell des Service Engineering Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung 15 2.3 Aufbau des Leitfadens Der Leitfaden beginnt mit einer Darstellung von wohnbegleitenden Dienstleistungen in Kapitel 3. Es wird erläutert, wie die Dienstleistungen der Wohnungswirtschaft systematisiert werden können, welchen Nutzen sie bringen und welche Beispiele es für wohnbegleitende Dienstleistungen gibt. Die daran anschließenden Kapitel 4 bis 7 des Leitfadens sollen anschaulich machen, wie man eine systematische Entwicklung von wohnbegleitenden Dienstleistungen durchführen kann. Dies ist vor allem für die „Praktiker“ wie z.B. Projektteams oder spezielle Mitarbeiter von Bedeutung, die sich tagtäglich mit Dienstleistungen der Wohnungswirtschaft beschäftigen und die dabei auch mit der Entwicklung neuer Dienste betraut sind. Da die Wohnungswirtschaft in besonderem Maße etwa von politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen wie der Wohnungsbauförderung und dem Mietrecht sowie von sozioökonomischen Faktoren wie beispielsweise dem demografischen Wandel beeinflusst wird, sollte zunächst im Rahmen einer Situationsanalyse das Umfeld des Unternehmens systematisch erfasst werden (vgl. Kap. 4). Dazu gehört auch die Behandlung der Frage, inwieweit (neue) Serviceangebote mit den Unternehmenszielen in Einklang stehen. Ferner sollte hier das eventuell bereits existierende Dienstleistungsportfolio charakterisiert werden. Die Situationsanalyse kann erste Ansatzpunkte für Service-Ideen liefern. Diese sollen dann vor allem in der Phase Service Creation gewonnen werden (vgl. Kap 5). Dazu dienen Kreativitätstechniken wie Brainstorming, Szenario-Technik oder Zukunftswerkstätten, aber auch Befragungen, Dokumentenanalysen usw. Die erarbeiteten Ideen für neue Angebote im Bereich wohnbegleitender Dienstleistungen werden anschließend anhand ausgewählter Kriterien bewertet. So kann eine Rangliste der erfolgversprechendsten Innovationen entstehen. Das Service Design ist die zentrale Phase des Service EngineeringProzesses. Sie besteht aus Design-Konzept und dem MarketingKonzept. Im Design-Konzept (vgl. Kap 6.1) werden die ausgewählten Ideen weiterentwickelt. Dies umfasst die möglichst exakte Beschreibung des Leistungsergebnisses, der einzelnen Aktivitäten zur Erbringung der Leistung sowie der Ressourcen, die für die Bereitstellung des Services erforderlich sind. Parallel zum DesignKonzept wird das Marketing-Konzept erstellt (vgl. Kap 6.2), d.h. Marketingziele und -strategien sowie der Marketing-Mix werden festgelegt. 16 Beim Service Management (vgl. Kap 7) geht es schließlich darum, die Leistung für den Mieter einzuführen und zu erbringen. Hierzu werden das Personal ausgewählt und geschult oder werden Kooperationsvereinbarungen mit externen Trägern abgeschlossen. Die Räumlichkeiten werden eingerichtet und alle notwendigen Ressourcen beschafft. Alle mit der Dienstleistung verbundenen Aktivitäten werden in die Geschäftsabläufe des Unternehmens integriert. Parallel dazu wird das Marketingkonzept umgesetzt. In der Folge sollten durch ein geeignetes Assessment Qualität und Erfolg der Dienstleistung kontinuierlich überprüft werden, um – sofern sich die gesetzten Ziele nicht erreichen lassen – eine Optimierung der Dienstleistung vornehmen zu können. Das Konzept des Service Engineering trägt also dazu bei, konsequente Kundenorientierung praktisch umzusetzen. Informationen über die Kunden, d.h. in unserem Falle die Mieter, sind daher von zentraler Bedeutung und an verschiedenen Stellen des Service Engineering-Prozesses von großem Nutzen. Wie diese Informationen erhoben werden können, wird in Kapitel 8 zum Thema "Marktund Kundenforschung" an den Beispielen Mieterbefragungen und Fokusgruppen erläutert. 17 3 Was sind Dienstleistungen und Services? 3.1 Kernleistungen der Wohnungswirtschaft und wohnbegleitende Services Seit einigen Jahren wird in der Wohnungswirtschaft viel und intensiv über das Thema Dienstleistungen und Service diskutiert. Doch was verbirgt sich eigentlich genau hinter diesen Begriffen? Oft ist beispielsweise vom „Service am Kunden“ oder „Mieterservice“ die Rede und dabei vor allem ein Mehr an Kundenorientierung gemeint. Manchmal zählen zum Service nur Dienstleistungen, manchmal aber auch materielle Zugaben. Für viele ist der Service eine freiwillige und kostenlose Zusatzleistung, andere sehen in ihm auch einen potenziellen Erlösträger und gänzlich neue Geschäftsfelder. Im Mittelpunkt wohnungswirtschaftlicher Angebote steht zweifelsohne die Wohnung und damit ein materielles Produkt. Dennoch sind auch Wohnungsunternehmen letztlich Dienstleister. In der amtlichen Statistik wird beispielsweise das Vermietungsgeschäft dem Dienstleistungssektor zugeordnet. Zudem erweitern viele Wohnungsunternehmen ihre Kernleistung um Zusatzangebote, die überwiegend den Charakter von wohnbegleitenden Dienstleistungen haben. Um angesichts der vielfältigen und unterschiedlichen Verwendung der Begriffe „Service“ und „Dienstleistung“ Klarheit zu schaffen, ist es zunächst sinnvoll, sich die Hauptaufgabe eines Wohnungsunternehmens in Erinnerung zu rufen: Im Kern geht es – zumindest im Vermietungsgeschäft – um die Überlassung von Wohnungen zur Nutzung und die Gewährleistung der vertragsgemäßen Nutzbarkeit. Diese Aufgabe bedingt zwangsläufig bestimmte Aktivitäten bei der Übergabe und Betreuung von Wohnungsnutzungen, die als Vermietungsservice bezeichnet werden können. Es handelt sich dabei um obligatorische Leistungen, die heute für eine erfolgreiche Vermietung von Wohnungen unbedingt erforderlich sind. Zu Ihnen zählen z.B. das persönliche Gespräch bei der Anbahnung eines Mietverhältnisses, die Instandhaltung oder die Betriebskostenabrechnung. Über das obligatorische Maß hinaus engagieren sich heute viele Wohnungsunternehmen mit freiwilligen, zusätzlichen Serviceangeboten „rund um das Wohnen“. Solche Angebote haben überwiegend den Charakter von Dienstleistungen und werden daher oft 19 auch als wohnbegleitende Dienstleistungen bezeichnet. Häufig besteht die Leistung aber auch darin, dass den Bewohnern zusätzlich zur Wohnung weitere Räume, Flächen oder Gebrauchsgüter zur gemeinschaftlichen Nutzung überlassen werden. Die freiwilligen Zusatzangebote stehen dabei in einem mehr oder minder engen Zusammenhang mit der Kernaufgabe oder dem obligatorischen Vermietungsservice: Komplementäre Zusatzleistungen weisen eine unmittelbare Verbundbeziehung auf, während periphere Zusatzleistungen keinen direkten Zusammenhang mit dem eigentlichen Kerngeschäft erkennen lassen. Die Übergänge zwischen peripheren und komplementären Leistungen sind jedoch zum Teil fließend, was eine genaue Zuordnung erschwert. Die unterschiedliche Nähe der Serviceangebote zum Kerngeschäft kann dennoch anhand verschiedener Kriterien abgeschätzt werden. Zusätzliche Bereitstellungsleistungen, wie z.B. betreute Gemeinschaftsräume, sind eine naheliegende Erweiterung des herkömmlichen Vermietungsgeschäftes. Ausgehend von den herkömmlichen Kompetenzen eines Wohnungsunternehmens zeigen ferner Services mit einem technischen Sachbezug, wie z.B. zusätzliche handwerkliche Arbeiten in der Wohnung oder im Wohngebäude, eine höhere Affinität zur Kernaufgabe als Services, die einen eher persönlichen Charakter haben (z.B. Gesundheitsdienstleistungen, Sozialberatung). Die Nähe zum Kerngeschäft ist bei Dienstleistungen der Wohnungswirtschaft von besonders großer Bedeutung für die Mieter-Akzeptanz. So ist es nachvollziehbar, dass Wohnungsunternehmen eine hinreichende Servicekompetenz vor allem in solchen Bereichen glaubwürdig vermitteln können, die einen unmittelbaren Bezug zu ihren technischen und kaufmännischen Kernaufgaben aufweisen. Möchten sich Wohnungsunternehmen jedoch von Wettbewerbern abheben und wirklich bedarfsgerechte Serviceangebote entwickeln, sollte der Blick auf die sozialen und emotionalen Seiten des Wohnens ausgeweitet werden. Um auch in entsprechend peripheren Leistungsfeldern zu bestehen, ist dann eine Kooperation mit glaubwürdigen und kompetenten externen Dienstleistungsanbietern sinnvoll (vgl. Kap. 7.1.1). Die folgende Abbildung liefert einen zusammenfassenden Überblick über die verschiedenen Leistungsebenen in der Wohnungswirtschaft: 20 Abbildung 3: Wohnungswirtschaftliche Leistungsebenen Freiwillige, wohnbegleitende Dienstleitung Kernleistung Materieller Produktkern: Wohnung, Gebäude und Grundstück Obligatorische Vermietungs- und Verwaltungsleistungen Komplementäre Services Periphere Services Von denen in der Abbildung aufgeführten Leistungsebenen werden im Mittelpunkt dieses Leitfadens in erster Linie die freiwilligen, komplementären und peripheren Services der Wohnungswirtschaft stehen. Da diese überwiegend den Charakter von Dienstleistungen haben, werden im weiteren Verlauf die Begriffe „Service“ und „Dienstleistung“ synonym verwendet. 21 3.2 Nutzen wohnbegleitender Dienstleistungen Wohnungsunternehmen verfolgen mit der Dienstleistungserbringung verschiedene langfristige Zielsetzungen: – Soziale Ziele: Viele Serviceangebote sollen dazu beitragen, Bewohnern mit einem besonderen Betreuungs- und Versorgungsbedarf zu helfen und einer „sozialen Erosion“ in Wohngebieten vorzubeugen. – Kundengewinnung und Kundenbindung: Da vielerorts in den letzten Jahren die Leerstands- und Fluktuationsraten gestiegen sind, soll mittels geeigneter Servicekonzepte oft eine Verbesserung der Vermietungschancen und eine erhöhte Bindung der Bewohner an das Unternehmen erreicht werden. – Neue Geschäfts- und Ertragsfelder: Sofern die Serviceangebote als eigenständige Produkte oder Dienstleistungen zu einem bestimmten Preis vermarktet werden können, eröffnen sie u. U. neue Geschäfts- und Ertragsfelder für Wohnungsunternehmen. Während die Systematisierung nach Zielen aus Anbieterperspektive erfolgte, können zusätzliche Services auch danach unterschieden werden, welchen Zusatznutzen sie den Bewohnern liefern sollen. Mit Blick auf die Auswahl und Gestaltung zusätzlicher Serviceangebote könnten z. B. die folgenden Kategorien für die Bewohner von Bedeutung sein: – Entlastung: Die Nutzung einer Wohnung ist mit vielfältigen Alltagsbeschäftigungen verbunden, die Zeit und Mühe kosten und zu denen z.B. die Arbeit im Haushalt (Kochen, Putzen, Waschen) und die Beschaffung von Produkten und Lebensmitteln für den täglichen Gebrauch gehören. Viele Serviceangebote zielen darauf ab, Bewohner von bestimmten Verrichtungen und Mühen in der Haushaltsführung zu entlasten. – Sicherheit: Das sichere Wohnen ist von existenzieller Wichtigkeit für jeden Einzelnen und der Schutz vor Bedrohungen ein für viele Bewohner zentrales Bedürfnis. Neben der sozialen Sicherheits komponente spielt auch die technische Sicherheit eine große Rolle, die durch bestimmte Zusatzeinrichtungen gewährleistet und erhöht werden kann. – Soziale Kontakte: Das Wohnen bietet sowohl den räumlichen Rahmen für soziale Aktivitäten mit der Familie, mit Nachbarn, Freunden und Bekannten als auch für den Rückzug in das Private. 22 Die soziale Komponente des Wohnens kann in beide Richtungen durch entsprechende Zusatzausstattungen und -angebote unterstützt und abgerundet werden. – Gesundheit: Wohnen, Wohlbefinden und Gesundheit sind immer eng miteinander verknüpft. Der Bedarf an medizinischen und gesundheitsbezogenen Dienstleistungen wächst nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Überalterung. Ein wesentlicher Anteil dieser Leistungen wird in Wohnräumen in Anspruch genommen. – Erlebnis und Anregung: Der allgemeine und anhaltende Trend zum Erlebnis „als sinnlicher Anregung“ offenbart sich insbesondere bei jüngeren Bewohnern in neuartigen Wohnwünschen und Wohnstilen, deren Realisierung durch verschiedene ergänzende Serviceangebote unterstützt werden kann. – Sparen: Das Sparmotiv hat gerade bei den herkömmlichen Kundengruppen der vermietenden Wohnungswirtschaft eine besondere Bedeutung. Die Vermittlung von Rabatten und Vergünstigungen oder die Senkung der Betriebskosten könnte daher auf besonderes Interesse stoßen. Eine Visualisierung relevanter Nutzenerwartungen und eine Zuordnung von konkreten Serviceideen kann mit Hilfe eines sog. Nutzenmolekularmodells erfolgen, in dem auch mögliche Verbundwirkungen zwischen verschiedenen Serviceleistungen darstellbar sind: Abbildung 4: Nutzenmolekularmodell Rabatt- und Bonussysteme Hol- und Bringdienste Entlastung im Alltag Haushaltshilfe Gemeinschaftsraum für Feiern und Treffs Sparen Sicherheit Wohnen Erlebnis Anregung Concierge Notrufeinrichtung Gesundheit, Wohlbefinden Soziale Kontakte Ausflugs- und Reiseangebote Energieberatung Gesundheitsberatung Pflegedienstleistungen Ein Wohnungsunternehmen hat also vielfältige Gestaltungsspielräume, um mit wohnbegleitenden Dienstleistungen in den verschiedenen Handlungsfeldern sowohl Nutzenvorteile für das Unternehmen als auch für den Bewohner zu erreichen. 23 3.3 Handlungsfelder und Beispiele für wohnbegleitende Dienstleistungen In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele für das weitgefächerte Angebot von Dienstleistungen von Wohnungsunternehmen aufgeführt. Die Zusammenstellung erfolgte auf Basis einer Literatur- und Internetrecherche in den folgenden Feldern: Wohnung, Betreuung, Finanzen, Freizeit, Gemeinschaft, Information, Kultur, Mobilität, Qualifizierung, Reparaturen, Sicherheit, Sport und Umwelt. Wohnung ServiceHaus – Service GmbH für modernes Leben und Wohnen, Mannheim Angebot eines Umzugsservice als Komplett- oder Teilleistung, Vermietung von Transportern und Verpackungsmaterial, Vermittlung von Handwerksdienstleistungen zum Umzug WoGeHe, Berlin Angebot von Grundrissveränderungen im Bestand z.B. durch Neuzuordnung von Zimmern oder Verbindung von zwei Wohnungen GESOBAU, Berlin Angebot einer Verglasung für Wintergärten für Hochhausbalkone Berliner Bau- und Gründung des „Vereins zur Förderung des lebenslangen genossenWohnungsgenossenschaft schaftlichen Wohnens e.V.“, Vereinsaufgabe ist u.a. die Beratung von 1892, Berlin für Wohnraumanpassungsmaßnahmen für ältere Mieter Betreuung Gundlach Wohnungsunternehmen, Hannover Betreute Senioren-Wohnungen mit einer Vermittlung von Hilfs- und Pflegediensten, Teeküche, Bibliothek, Gästezimmer, Waschsalon und Hausmeisterservice WGLi Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg, Berlin Sozial- und Seniorenarbeit durch eigene Mitarbeiter: Beratung zu Wohnungsanpassungsmaßnahmen, Schuldnerberatung, Vermittlung von Dienstleistungen wie Haushaltshilfen oder mobiler Friseur Gundlach Wohnungsunternehmen, Hannover Betreute Wohnangebote für Behinderte, Obdachlose, ehemalige Strafgefangene, Musiker, Studenten WBG Mahrzahn, Berlin Mehrere Conciergelogen in Kooperation mit einem Conciergeanbieter und einem gemeinnützigen Verein, Angebot verschiedener Dienstleistungen wie z.B. Fax, Home-Sitting, Schlüsseldienst, Paketannahme, Zugangskontrollen Berliner Bau- und Conciergelogen mit vielen Dienstleistungen wie z.B. Fax- und Wohnungsgenossenschaft Kopierservice, Internet, Zeitschriftenbörse, Einkäufe und Lieferunvon 1892 gen, Paketabgabe, Reinigungsdienst, mobile Servicekraft mit PKW 24 SAGA, Hamburg Conciergedienste unter Einbezug arbeitloser Mieter Wohnungsbaugenossen- Kooperation mit dem Verein Vita e.V. zum Angebot von Haushaltsschaft „Amtsfeld“, Berlin hilfen, Lieferservice, Behördenbegleitung etc., Einrichtung einer Tagespflegeeinrichtung im Bestand durch Vita e.V. GEHAG, Berlin Initiierung einer Kinderbetreuung durch Nachbarschaftshilfe unter dem Motto „Kinderbetreuung durch Senioren – hallo Oma und hallo Opa“ GSW, Berlin Mieterkonfliktschlichtung durch Sozialarbeiter Finanzen GEHAG Versicherungsvermittlungs- und VermögensverwaltungsGmbH, Berlin Vermittlung von Versicherungen über eine Tochtergesellschaft der GEHAG ServiceHaus – Service GmbH für modernes Leben und Wohnen, Mannheim Vermittlung von Versicherungen GSW, Berlin Schuldner- und Sozialberatung durch Mitarbeiter des Unternehmens Freizeit Gundlach Wohnungsunternehmen, Hannover Fitnessraum mit Geräteausstattung, Sauna, Gemeinschaftsraum mit Teeküche, Verleih von Partygeschirr, Grill, Sport- und Spielgeräten, Spiel- und Bastelgruppe Gundlach Wohnungsunternehmen, Hannover Angebot von Mietergärten mit Anschluss an die Wohnung, Verleih von Gartengeräten Wohnungsbaugenossenschaft „HumboldtUniversität“, Berlin Beratung, Freizeitangebote und Informationsveranstaltungen für Ältere durch einen Seniorenbeirat bbg Berliner Baugenossenschaft, Berlin Angebot von Gemeinschaftsräumen für Mutter- und Kindgruppen, Betrieb einer Jugendfreizeiteinrichtung WIRO, Rostock Bau von Schutzhütten als Jugendtreffpunkte im Wohnumfeld SAGA, Hamburg Sommeraktivitäten für Kinder und Jugendliche GESOBAU, Berlin Einrichtung von einer Hobbythek und von Tauschbörsen für gemeinschaftliches Basteln Nutzung eines Bestandsgebäudes als Mietercafé sowie als „Märkische Scholle“, Wohnungsunternehmen, Versammlungs- und Veranstaltungssaal Berlin EVM Berlin Nutzung eines ehemaligen Friseursalons als Bewohnertreff und Kaffeestube GESOBAU, Berlin Parzellierung von Teilen des Wohnumfeldes als Mietergärten ohne Anschluss an die Wohnungen 25 Wohnungsbaugenossenschaft „HumboldtUniversität“, Berlin Unterstützung des „Deutschen Senioren Computer Club“ Gemeinnützige Baugenossenschaft „Freie Scholle“ zu Berlin Betrieb einer Jugendfreizeiteinrichtung, Etablierung eines Jugendbeirats Gemeinschaft Gundlach Wohnungsunternehmen, Hannover Gemeinschaftsräume als Nachbarschaftstreffs, Nachbarschaftsverein GESOBAU, Berlin Angebot von Gemeinschaftsräumen für Veranstaltungen mit bis zu 70 Personen, nutzbar auch für Feste aufgrund voll ausgestatteter Küche Baugenossenschaft IDEAL, Spielräume für Kinder, Tischtennisräume, Seniorentreff Berlin GSW, Berlin Gründung und Unterstützung eines Mietervereins, der die Gästewohnungen betreut sowie Freizeitaktivitäten und Informationsveranstaltungen durchführt Information Nassauische Heimstätte, Frankfurt Fremdsprachige Mieterinformationen mit Hilfe von drei Videos („Leben in Deutschland - Mein Nachbar ist Deutscher“) GSW, Berlin Unterstützung eines Internetclubs mit Schulungsangeboten und Surfstationen SAGA, Hamburg Herausgabe eines Stadtteilwegweisers WBG Mahrzahn, Berlin Adressbuch von wichtigen Institutionen im Stadtteil auf der Homepage Informationssystem „online-housing“, Darstellung von genossenWohnungsgenossenschaft VORWÄRTS, Berlin schaftlichen Serviceangeboten über den Fernseher mit Hilfe einer Web-box Wohnungsgenossenschaft Genossenschaftseigener Info-Kanal, Internetzugang über Kabel „Weissensee“, Berlin GEWOBAG, Berlin Mieterinformationen zum richtigen Wohnen in verschiedenen Sprachen als Download auf der Homepage Berliner Volksbank und WBG Mahrzahn, Berlin Aufstellung von Multi-Media-Kioskterminals, der Getränkeautomat ist mit Internet- und Telefonanschluß ausgestattet,im Angebot sind Touristeninformationen, Taxiruf, Fotostudio und Kartenvorverkauf Kultur 26 Gundlach Wohnungsunternehmen, Hannover Einrichtung eines „multi-religiösen“ Gebetsraumes bbg Berliner Baugenossenschaft, Berlin Initiierung des „bbg-art-dialog“ zur Förderung von Kunst und Kultur GSW, Berlin Jährliches Mieterkonzert Wohnungsbaugenossen- Kooperation mit dem Frauenzentrum „pep“ zur Unterhaltung eines schaft „Amtsfeld“, Berlin Literaturcafes mit Lesungen und Vorträgen Beamten-WohnungsVerein zu Berlin, Berlin Betrieb einer Leihbücherei, Leitung durch zwei Bewohner der Genossenschaft Mobilität Gundlach Wohnungsunternehmen, Hannover Kooperation mit der Car-Sharing-Initiative „Öko-Stadt“ GSW, Berlin Zeitweise Verkauf von reduzierten ÖPNV-Tickets aufgrund einer Kooperation mit der BVG (ausgelaufen) Qualifizierung bbg Berliner Baugenossenschaft, Berlin Qualifizierung älterer arbeitsloser Mieter als Haushandwerker GSW, Berlin Gründung von „BIG STEPS“ in Kooperation mit dem Verein „Jugendwohnen im Kiez e.V.“ zur Qualifizierung von Jugendlichen ohne oder mit geringer Berufsausbildung für haushandwerkliche Tätigkeiten NEURAUM GmbH Kooperationen mit der Wohnungswirtschaft zum Angebot sozialer Dienstleistungen: Beschäftigungs- und Qualifizierung für Arbeitslose im Rahmen von Conciergemodellen Wohnbau Gießen Gründung der Tochter „Wohnbau Mieterservice GmbH“ als Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt für Arbeitslose und Behinderte, Tätigkeiten v.a. Bestandspflege und Sanierung Reparaturen ServiceHaus – Service GmbH für modernes Leben und Wohnen, Mannheim Angebot von Reparaturdiensten für braune und weiße Ware Gundlach Wohnungsunternehmen, Hannover Einrichtung einer Mieter-Werkstatt mit Werkzeugverleih GSW, Berlin Mieterdirektbeauftragung für Instandhaltungen bei ausgewählten Handwerksbetrieben Sicherheit GSW, Berlin Modellversuch: Videoüberwachung von Kinderspielplätzen aus der Wohnung für Eltern AWO, Arbeitersamariterbund etc. Kooperation mit Wohnungsunternehmen, Angebot von Hausnotrufdiensten EVM Service GmbH, Berlin Vermittlung handwerklicher u.a. Dienstleistungen für Kunden aus der Wohnungswirtschaft Bauverein AG, Darmstadt Sicherheitspartnerschaft mit der Polizei, die in den Quartieren Sprechstunden abhält 27 GSW, Berlin Angebot von zusätzlichen Sicherheitseinrichtungen für die Mieter wie z.B. Sicherheitsschlösser, Glasbruchmelder, Bewegungsmelder, Rauchmelder, Hand-Notrufmelder GESOBAU, Berlin „ZUBEHÖR-PROGRAMM WOHNENPLUS“ mit einem breiten Spektrum von Sicherheitszubehör wie z.B. einbruchshemmende Balkonverglasung und Wohnungstür Sport Beamten-WohnungsVereins zu Köpenick, Berlin Betrieb eines Schwimmbades für die Mitglieder, Unterhaltung von zwei Tennisplätzen und eines Basketballplatzes ARWOBAU, Berlin Angebot von möblierten Apartments, integrierte Sportangebote wie Tischtennis, Fitnessräume und Sauna, weitere Dienstleistungen wie z.B. Waschanlagen, Reinigung, Einkauf, Ticketservice, Catering SAGA, Hamburg Sportprojekt „SAGA-Move“ in Zusammenarbeit mit der Hamburger Sportjugend, Mitternachts-Basketballturniere mit Rap und HipHop-Musik, Trainingslehrgänge für Jugendliche als „StreetballInstructoren“ Baugenossenschaft IDEAL, „Hochhauslauf“ bei dem ein Etappenziel im obersten Geschoss eines dreißigstöckigen Wohnhaus in Gropiusstadt liegt Berlin Umwelt WBG Mahrzahn, Berlin Betriebskostenbeirat Wohnungsgesellschaft der Stadt Finsterwalde Gestaltung eines großen Innenhofes einer zweigeschossigen Zeilenrandbebauung als Mietergärten Arbeiter-Baugenossenschaft „Paradies“, Berlin Gründung einer „Gartenkommission“, die sich der Pflege der gemeinschaftlichen Grünflächen widmet Gemeinnützige Baugenossenschaft „Freie Scholle“ zu Berlin Etablierung einer ehrenamtlichen Gartenkommission, die die Grünanlagen pflegt STADT UND LAND, Berlin Strategisches Energiemanagement zur kontinuierlichen Optimierung des Energieeinsatzes und des Energieverbrauchs STADT UND LAND, Berlin Unterstützung von „Grüninspektoren“, die sich ehrenamtlich um die Wohnhöfe und Spielplätze kümmern und Mieter beraten 28 Bauverein der Elbgemeinden/Stadtreinigung Hamburg Modellversuch mit Müllschleusen zur Minderung des Abfallaufkommens und Herstellung von Kostengerechtigkeit GSW, BEWAG, Berlin Kooperation der GSW mit der BEWAG, Angebot eines BEWAG „Energiechecks“ in der Wohnung mit Beratung zum Energiesparen, Verleih von „Stromspardektiven“ zur Ermittlung des Betriebsstroms von EE-Geräten Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen/WohnCom Einführung eines Betriebskostenbenchmarking für Wohnungsunternehmen 4 Situationsanalyse – Ausgangspunkt für neue Dienstleistungen Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Ausgangspunkt des Service Engineering in der Wohnungswirtschaft sollte zunächst eine Situationsanalyse des jeweiligen Unternehmensumfelds sein, um den Handlungsrahmen des Unternehmens und die Ziele der Dienstleistungserbringung zu bestimmen. Das Unternehmen sollte sich hierbei vor der Dienstleistungsentwicklung über die Zielrichtung klar werden, die mit der Dienstleistungserbringung eingeschlagen werden soll. Um dies zu erreichen, können verschiedene Methoden zur Anwendung kommen: – Eine Umfeldanalyse besteht im Wesentlichen in der Beschreibung der jeweiligen externen und internen Rahmenbedingungen für die Dienstleistungserbringung. Das Ziel der Umfeldanalyse ist es, darauf aufbauend Zielvorstellungen, Bedarfsfelder oder Problembereiche zu identifizieren, an denen die (Weiter-) Entwicklung von wohnbegleitenden Dienstleistungen ansetzen kann. – Über die Zielanalyse werden relevante strategische Zielsetzungen herausgearbeitet und untersucht, welche Dienstleistungsbereiche mit den unternehmerischen Zielen korrespondieren. – Ergänzt wird dies über eine strukturierte Darstellung des bestehenden Dienstleistungsportfolios. – Schließlich erfolgt die Auswertung der Situationsanalyse, um Ziele für die Dienstleistungsentwicklung zu erhalten und auch Anforderungen an die Entwicklung neuer Dienstleistungen formulieren zu können. 29 Abbildung 5: Ablauf einer Situationsanalyse Umfeldanalyse Zielanalyse Bewertung der Ziele, der Umfeldfaktoren, des Portfolios, z.B. über – SWOT-Analyse – Portfolio-Analayse Ziele und Rahmenbedingungen für die DL-Entwicklung Erfassung des Dienstleistungsportfolios Auf den folgenden Seiten werden die Umfeld- und Zielanalyse sowie die Strukturierung des Dienstleistungsportfolios näher erläutert. Hierbei handelt es sich um eine von mehreren möglichen Vorgehensweisen, um eine Ausgangsbasis für das Service Engineering zu erhalten. 30 4.1 Analyse des Umfelds, der Ziele und des Portfolios Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung 4.1.1 Umfeldanalyse Sinn und Zweck der Umfeldanalyse ist es, diejenigen Faktoren zu identifizieren, die das Handlungsfeld für die Dienstleistungsentwicklung und -erbringung „vor Ort“ beeinflussen und bestimmen. Für die Umfeldanalyse gibt es bisher in der Literatur kein einheitliches, allgemein akzeptiertes Analyseraster. Meistens werden jedoch die zu analysierenden Faktoren der Umfeldanalyse in die Bereiche MakroUmwelt, Mikro-Umwelt und Unternehmenssituation eingeteilt. Die Makro-Umwelt umfasst Rahmenbedingungen, die die regionale oder nationale Wohnungswirtschaft generell betreffen. Faktoren der Makro-Umwelt sind z.B. : – Politisch-rechtliche Faktoren wie rechtliche Rahmenbedingungen, politische Programme (z.B. das Programm „Soziale Stadt“); – sozio-kulturelle und wirtschaftliche Faktoren wie z.B. regionale Bevölkerungsentwicklung, regionalwirtschaftliche Rahmenenwicklung, Wohnungsmarkt, Demographie, Migration; – sonstige Faktoren wie z.B. technologische oder ökologische Trends. Bei der Untersuchung der Mikro-Umwelt werden hingegen Faktoren analysiert, die das unmittelbare Aktionsfeld des Unternehmens beschreiben. Faktoren der Mikro-Umwelt können sein: – Bewohneraspekte: Bewohnerverhalten (Wohndauer, Wechselneigung, Nutzungsverhalten, Konflikt- und Kommunikationsverhalten, Kooperation, Mitwirkung), Bewohnerdemographie (Alter, soziale Schicht, Lage oder Milieu, Haushaltstypen und Strukturen), Einstellungen und Werte der Bewohner (Grundorientierungen, Servicementalität, Wohnzufriedenheit). 31 – Wettbewerber und potentielle Dienstleistungspartner: Zahl und Größe der unmittelbaren Wettbewerber, Verhältnis zu den Wettbewerbern, Kooperationsbereitschaft, Stärken und Schwächen der Wettbewerber, generelle Perspektiven des Wettbewerbs, bestehende Kooperationen. Die Analyse der Unternehmenssituation bezieht sich schließlich direkt auf unternehmensinterne Aspekte, die im Zusammenhang mit der Dienstleistungsentwicklung stehen. Zu den Unternehmensfaktoren zählen: – Eigentums- und Beteiligungsverhältnisse, – Organe und Organisation sowie – Unternehmensphilosophie. Das Ergebnis der Umfeldanalyse ist die Darstellung bedeutsamer Faktoren, die entweder die Dienstleistungserbringung in der Wohnungswirtschaft hemmen oder fördern können. Weiterhin werden relevante Trends bestimmt, auf die die Wohnungswirtschaft mit Dienstleistungen reagieren kann. Wichtige Informationsquellen sind Auskünfte der Entscheidungsträger und der Mitarbeiter. Außerdem können Veröffentlichungen von weiteren regionalen und nationalen Akteuren in Wohnungspolitik, -wirtschaft und Wissenschaft hinzu gezogen werden. 4.1.2 Zielanalyse Im Rahmen der Zielanalyse gilt es, das generelle Zielsystem der Unternehmens zu erfassen und servicepolitische Ziele herauszuarbeiten. Unternehmerische Ziele können dabei grob in Unternehmenszweck, übergreifende Unternehmensziele und dienstleistungsspezifische Bereichsziele eingeteilt werden. Der Wandel im Unternehmensumfeld stellt herkömmliche Vorstellungen vom Zweck eines Wohnungsunternehmens häufig in Frage. Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang zwischen jenen Unternehmen zu unterscheiden, die sich weiterhin einem sozialen Versorgungs- und Betreuungsauftrag und einer gemeinnützigen Grundorientierung verschrieben haben (z.B. Genossenschaften, öffentliche Wohnungsunternehmen) und solchen, die sich heute in erster Linie an den Gewinn- und Renditeaussichten ihrer Eigner orientieren (z.B. industrieverbundene Wohnungsunternehmen, private Familienunternehmen). In der Praxis ist eine solche Unterscheidung allerdings nur bedingt trennscharf, denn angesichts neuer Anforderungen sehen sich auch (ehemals) gemeinnützige Anbieter verstärkten Rentabilitätsansprüchen ausgesetzt. Gleichzeitig haben sich gewinnwirtschaftliche Unternehmen der besonderen sozialen Verantwortung zu stellen, die sich aus dem besonderen Produkt „Wohnen“ ergeben. Aus dem grundlegenden Unternehmenszweck leiten sich verschiedene ökonomische (z. B. Gewinn, Umsatz, Rentabilität) und vorökonomische Unternehmensziele (Gesellschafter-, Mitarbeiter- und Mieterzufriedenheit) ab, die bereichs- und abteilungsbezogen zu konkretisieren sind. Aus dem Unternehmenszweck und den abgeleiteten unternehmenspolitischen Zielen ergeben sich grundsätzliche Vorgaben für die Serviceentwicklung. 32 Dienstleistungsspezifische Bereichsziele sind vor diesem Hintergrund in erster Linie die Erfüllung sozialer Ziele, Kundengewinnung und Kundenbindung sowie die Erschließung neuer Geschäfts- und Ertragsfelder (vgl. Kap. 3.2). Diese Ziele können sich gegenseitig ergänzen, müssen es aber nicht zwangsläufig. Ergebnis der Zielanalyse sollte daher eine klare Vorgabe sein, welches Ziel für die Serviceentwicklung an erster Stelle steht, d. h. es ist eine eindeutige Zielpriorität festzulegen. Hierbei dürften der Unternehmenszweck und die unternehmenspolitischen Ziele eine leitende Funktion entfalten (siehe oben). Ferner sind die hier nur allgemein aufgeführten, möglichen Ziele der Dienstleistungsentwicklung unternehmensspezifisch zu konkretisieren und schriftlich zu formulieren. 4.1.3 Strukturierung des Dienstleistungsportfolios Der Begriff des „Dienstleistungsportfolios“ ist unterschiedlich interpretierbar. In der Praxis wird darunter meist eine systematische Aufstellung der angebotenen Dienstleistungen verstanden. Der Begriff des Dienstleistungsportfolios ist somit inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit dem Begriff „Dienstleistungsprogramm“. Die Strukturierung des Dienstleistungsportfolios soll in erster Linie dazu dienen, das Wissen zum bestehenden Dienstleistungsangebot und zu bisherigen Entwicklungsprozessen zusammenzutragen. Eine strukturierte Darstellung des bestehenden Dienstleistungsportfolios ist darüber hinaus die Voraussetzung, um Stärken und Schwächen des Service-Angebots herausarbeiten zu können. Zunächst lassen sich wohnbegleitende Dienstleistungen nach inhaltlichen Aspekten systematisieren (vgl. Kap. 3.1). Hierbei können je nach Unternehmen handwerkliche, soziale und Finanzdienstleistungen sowie Freizeitangebote oder Seniorenservices zu bestimmten Gruppen zusammengefasst werden. Hinter den verschiedenen Themenfeldern verbergen sich im einzelnen darüber hinaus sehr unterschiedliche Dienstleistungsarten und -formen. Mögliche Charakteristika zur Beschreibung von Dienstleistungen aus Unternehmenssicht sind z.B.: – Grad der Affinität zur Kernleistung „Wohnungsvermietung“: je nach Nähe zum Kerngeschäft komplementäre oder periphere Services; – Art der Leistungsabrechnung: individuelle Abrechnung nach Inanspruchnahme (eigenständige Dienstleistung), Verrechnung über Miete / Nebenkosten (Mietnebenleistung), Kostenfreiheit oder Kostenanteil des Nutzers; – Aktivitätscharakter: Bereitstellungs-, Beratungs- oder Verrichtungsleistungen; – Gegenstand der Kundeninteraktion: Objektbezogene (z.B. Möbeltransport) versus personenbezogen Dienstleistungen (z.B. Kinderbetreuung); – Ort der Leistungserstellung: Zentrale Dienstleistungen, dezentrale, an ein bestimmtes Quartier bzw. Gebäude gebundene Angebote; 33 – Rolle des Wohnungsunternehmens: Anbieter, Vermittler oder Initiator und Betreuer für selbstorganisierte Projekte der Bewohner. Die Struktur des Dienstleistungsangebots eines Unternehmens lässt sich schließlich z.B. mit Hilfe von Organigrammen oder Tabellen veranschaulichen. Tabelle 1: Beispiel einer Dienstleistungsportfolio-Tabelle Bedarfsbereich Leistungsart Affinität zur Wohnung Abrechnungsart Kostenanteil durch Nutzer Bezahlung durch Nutzer Kostenfrei Gering Mittel Hoch Verrichtung Beratung Bereitstellung Sicherheit IuK-Technologie Haushalt & Reparaturen Gesundheit & Pflege Freizeit & Erlebnis Nachbarn&Gemeinschaft Sozialber. &Qualifiz. Dienstleistung Mietersozialdienst Beschäftigungsprojekte Gemeinschaftsräume Sport für Jugendliche Wachdienste Concierge-Dienst Mieterkonzert Gästewohnungen Wohnraumanpassung Seniorenfreizeit Internetstationen Das Ergebnis der Analyse des Dienstleistungsportfolios ist somit eine deskriptive, strukturierte Darstellung aller vom Unternehmen erbrachten Services. Um hieraus Schlüsse für die Weiterentwicklung des Dienstleistungsangebots ziehen zu können, kann das gesamte Dienstleistungsangebot z.B. mit Hilfe einer Portfolioanalyse auf Lücken und Potenziale hin ausgewertet werden. 34 4.2 Auswertung der Situationsanalyse Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung Im vorangegangenen Teil der Situationsanalyse wurden die Faktoren gesammelt, die für die Dienstleistungsentwicklung relevant sein können. Beispiele hierfür sind das zunehmende Alter der Mieter, häufiger Vandalismus oder ein abnehmender Anteil von Familien als Mieter. In der Auswertung der Situationsanalyse werden die gesammelten Faktoren hinsichtlich ihrer Relevanz geordnet und gewichtet. Ein besonders einfaches und häufig angewandtes Analyseverfahren ist die SWOT-Analyse. Wendet man diese Methodik auf die Dienstleistungsentwicklung an, so können folgende Perspektiven untersucht werden: – Strengths/Stärken des Unternehmens, die ein Angebot von Dienstleistungen fördern; – Weaknesses/Schwächen des Unternehmens, die ein Angebot von Dienstleistungen hemmen; – Opportunities/Chancen, die durch neue Dienstleistungen eröffnet werden sowie – Threats/Risiken, die hinsichtlich neuer Dienstleistungen auftreten können. Bei der Durchführung der SWOT-Analyse geht man wie folgt vor: 1. Zunächst zeichnet man das SWOT-Diagramm mit leeren Feldern und Überschriften wie in der unten dargestellten Tabelle 2. 2. Anschließend werden in den Feldern „Stärken“ und „Schwächen“ die internen Faktoren eingetragen, die das Unternehmen beeinflussen kann und die für die Dienstleistungsentwicklung relevant sind. Diese sind z.B. die Motivation der Mitarbeiter, ihr Know-how oder 35 vorhandene Ressourcen. Um die wichtigsten Faktoren zu ermitteln, kann auch anstelle einer Situationsanalyse ein Brainstorming (vgl. Kap. 5.1.1) durchgeführt werden. Werden zu viele Stärken und Schwächen genannt, lassen sich diese z.B. mit einem Punktbewertungsverfahren auf die wesentlichen reduzieren (vgl. Kap. 5.2). 3. In einem dritten Schritt werden die externen Faktoren, die vom Unternehmen nicht beeinflusst werden können, in den Feldern „Chancen“ und „Risiken“ eingetragen. Die wichtigsten Faktoren hierzu stammen aus der Umfeldanalyse und umfassen z.B. servicerelevante Trends oder wohnungspolitische Rahmenbedingungen. 4. In einem vierten Schritt werden die strategischen Querschnittsfelder erarbeitet und diskutiert, wobei man sich einerseits an den Leitstrategien wie z.B. „Stärken einsetzen, um Chancen zu nutzen“ und andererseits an den niedergeschriebenen „Stärken“ und „Chancen“ orientiert. Hierbei können sich auch mehr als das eine vorgeschlagene Beispiel “Wir binden unsere Kunden in die Umfeldgestaltung ein“ ergeben. Wie zuvor können die wichtigsten Strategien mit einem Punktbewertungsverfahren (vgl. Kap. 5.2) ausgewählt werden. Tabelle 2: Mögliche Ergebnisse einer SWOT-Analyse Unternehmen Stärken Mitarbeiter haben gute Beziehungen zu den engagierten Mietern Viele DL schon erfolgreich eingeführt Gut erfasstes Kundenpotenzial … Schwächen Unübersichtliches DL-Portfolio Mangelnder Informationsaustausch Keine Familienorientierung … 36 Umfeld Chancen Sehr aktive Mieterschaft Sozialer Zusammenhalt wird wichtiger Gute Altersmischung … Risiken Hohe Kosten für Dienstleistungen Mangelnde Zahlungsbereitschaft Keine ausreichende Nachfrage Stärken einsetzen, um Chancen zu nutzen Wir binden unsere engagierten Mieter in ein Quartiersmanagement ein, um den sozialen Zusammenhalt zu verbessern Stärken einsetzen, um Risiken zu verringern Wir nutzen unser Kundenpotential und die Kundenbeziehungen, um die Nachfrage zu steigern Schwächen minimieren, um Chancen zu nutzen Wir müssen mehr Dienstleistungen für Familien anbieten, um eine gute Altersmischung zu erreichen Schwächen und Risiken minimieren Wir müssen unser Portfolio straffen, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen … Die SWOT-Analyse dient in erster Linie dazu, sich über die Ziele der Dienstleistungserbringung im Klaren zu werden. Hierfür bietet die Darstellung im SWOT-Portfolio den Vorteil, dass mehrere interne und externe Faktoren gleichwertig nebeneinander dargestellt und verknüpft werden können. Die abgeleiteten Strategien sind dann der Ausgangspunkt für eine Suche nach Dienstleistungsideen (vgl. Kap. 5). Eine Methode, mit der systematisch und anschaulich das vorhandene Dienstleistungsangebot bewertet werden kann, ist die Portfolioanalyse. Auch diese Methode zielt wie die SWOT-Analyse darauf ab, neue Dienstleistungsfelder zu identifizieren. Hierbei geht man wie folgt vor: 1. Festlegen der Dimensionen (Achsen) des Portfolios. 2. Bewertung der zu positionierenden Dienstleistungen (vgl. Kap. 5.2). 3. Positionieren der zu untersuchenden Dienstleistungen in das Portfolio. 4. Erstellen eines Soll-Portfolios bzw. Definition des gewünschten Zustands, indem entweder vorhandene Dienstleistungen neu positioniert werden oder neue Dienstleistungen eingefügt werden. 5. Ableiten von Maßnahmen zur Erreichung des Soll-Portfolios. Die folgende Abbildung 6 zeigt ein Beispiel. Zunächst wurden die zwei Achsen „Marktchance“ und „Strategische Bedeutung“ festgelegt. Eine dritte Dimension – hierbei „Akzeptanz“ – kann über die Größe der Kreisfläche dargestellt werden. Im zweiten Schritt wurden die im Unternehmen vorhandenen Dienstleistungen bewertet und anschließend in dem Portfolio platziert (Ist-Portfolio mit den dunkelgrünen Kreisen). Auf Basis der grafischen Darstellung des Ist-Portfolios können dann Optimierungen des Portfolios diskutiert und das Soll-Portfolio aufgestellt werden. In diesem Beispiel: Die Dienstleistung „Technische Dienste“ soll hinsichtlich der Marktchance verbessert werden. Weiterhin sollen neue Dienstleistungen für Familien gesucht werden, die eine hohe Marktchance und strategische Bedeutung haben. 37 hoch Abbildung 6: Portfolioanalyse Optimierte technische Dienste Umzugsservice Dienstleistungen für Familien (neu) Marktchance niedrig DL für Ältere Technische Dienste Ticketverkauf Quartiersmanagement niedrig Strategische Bedeutung hoch Akzeptanz = Größe der Kreise Die beiden angeführten Methoden sind sehr gut geeignet, um Zielsetzungen und Handlungsfelder für die Entwicklung von Dienstleistungen in der Wohnungswirtschaft zu gewinnen. Sie können die Grundlage für die sich nun anschließende Service Creation-Phase sein. Sollten sich konkrete Dienstleistungsideen oder auch Bedarfe zur Optimierung von bestehenden Dienstleistungen ergeben, so kann man auch direkt in die Service Design-Phase einsteigen. 38 4.3 Checkliste Situationsanalyse Umfeldanalyse 1. Welche Umfeldentwicklungen beeinflussen das Angebot von wohnbegleitenden Dienstleistungen? 2. Welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Entwicklung von wohnbegleitenden Dienstleistungen? 3. Welche Dienstleistungsbereiche werden in Zukunft besonders relevant werden? Zielanalyse 1. Welche strategischen Ziele verfolgt das Unternehmen? 2. Ist es möglich einige dieser Ziele mit wohnbegleitenden Dienstleistungen zu erreichen? 3. Welche Arten von Dienstleistungen entsprechen den Unternehmenszielen? Strukturierung des Dienstleistungsangebots 1. Welche Dienstleistungen werden von dem Unternehmen schon erbracht? 2. Welche Ziele werden mit diesen Dienstleistungen verfolgt? 3. Wie und mit welchem Erfolg werden diese Dienste den Mietern angeboten? 4. In welchen Dienstleistungsbereichen sollte man sich mehr engagieren? Bewertung des Dienstleistungsangebots/ der Ziel- und Umfeldanalyse 1. Welche Stärken und Schwächen besitzt das Unternehmen für die Erbringung von Dienstleistungen? 2. Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus dem Umfeld? 3. Welche Strategien lassen sich daraus ableiten? 4. Welche Ziele gewinnt man daraus für die Dienstleistungsentwicklung? 5. Wie wird das vorhandene Dienstleistungsangebot bewertet? 6. Welche Dienstleistungen müssen verbessert werden? 7. Welche strategischen Lücken sind im Dienstleistungsangebot? 39 5 Service Creation – Ideen für neue Dienstleistungen Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Mit der Service Creation-Phase bzw. der Generierung von Dienstleistungsideen beginnt die eigentliche Entwicklungsarbeit. Es bietet sich an, hierbei auf die Ergebnisse der Situationsanalyse zurückzugreifen, um die verschiedenen Umfeldfaktoren in die Ideenentwicklung einzubeziehen. Für ein wohnungswirtschaftliches Unternehmen stellt sich dabei insbesondere die Frage, an welchen Handlungsfeldern, Problembereichen oder unternehmensstrategischen Zielvorstellungen angesetzt werden soll, um neue Dienstleistungen zu kreieren oder das bestehende Serviceangebot zu verbessern. Die Ideenentwicklung kann in zwei Arbeitsschritte unterteilt werden: Die Ideenfindung und die Ideenbewertung. Die Ideenfindung kann über eine kreative Ideensammlung oder eine strategische Suche nach Ideen erfolgen. Darüber hinaus sollten auch Kundenbedarfe bei der Ideenfindung berücksichtigt werden. Die Kombination mehrerer Methoden bei der Ideenfindung zahlt sich insofern aus, als die Dienstleistungsentwicklung zielgerichteter verläuft. Außerdem verspricht die Anwendung mehrerer Methoden eine breitere Ideenbasis, so dass geeignetere Ideen für die jeweilige Situation gefunden werden. Die Ideenfindung kann dennoch auch mit geringem Aufwand z.B. über eine Marktbeobachtung (Was machen meine Wettbewerber?) erfolgversprechende Ansätze liefern. Um ein gemeinsames Verständnis für die Bewertung zu erreichen, können die gesammelten Ideen über eine kurze Beschreibung charakterisiert werden. Der zweite Schritt ist die Ideenbewertung. Hierbei werden diese Ideen bewertet, um die interessantesten herauszufiltern. Eine Einschätzung kann z.B. anhand der Kriterien Wirtschaftlichkeit, Akzeptanz und strategische Bedeutung erfolgen. Abschließend erfolgt ein Ranking als Entscheidungsgrundlage, welche Dienstleistungen in das Service Design überführt werden. Die folgende Abbildung stellt die möglichen Vorgehensweisen dar: 41 Abbildung 7: Ablauf der Service Creation Marktbeobachtung, z.B. über Literaturrecherche Bestimmung von Kundenbedarfen, z.B. über Fokusgruppengespräche Kreative Ideenfindung, z.B. über Brainstorming 42 Optional: – Konkretisierung der Fragestellung – Charakterisierung der Dienstleistungsideen Ideenbewertung Ranking Portfolio 5.1 Ideenfindung Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung 5.1.1 Methoden der Ideenfindung Für die Ideenfindung gibt es ein Vielzahl von Verfahren, die in der Wohnungswirtschaft anwendbar sind. Beispiele hierfür sind: – Marktbeobachtung: Expertenbefragung, Literaturanalyse, Umfeldanalyse etc. – Bestimmung von Kundenbedarfen: Beschwerdeanalyse, Zufriedenheitsanalyse, Fokusgruppen etc. – Kreativmethoden: Zukunftswerkstatt, Metaplan, Brainstorming, Brainwriting etc. Um zu entscheiden, welche Methoden angewandt werden sollen, muss das Unternehmen wissen, welche Ziele mit der Dienstleistungsentwicklung verfolgt werden und welchen Aufwand es betreiben will. Kreativmethoden wie die Zukunftswerkstätten sind z.B. langfristig orientiert, beziehen eine Vielzahl von Akteuren ein und bedürfen einer professionellen Moderation. Die Beschwerdeanalyse hingegen kann mit geringerem Aufwand betrieben werden und liefert Anhaltspunkte, welche Handlungsfelder vom Unternehmen nur mangelhaft bearbeitet werden. Der einfachste Weg zur Generierung von Dienstleistungsideen erfolgt über eine Marktbeobachtung im engeren Sinne, d.h. die Aufnahme von Ideen der Wettbewerber oder anderer Dienstleistungsanbieter. Dies ist gerade in der Wohnungswirtschaft sinnvoll, da wohnungswirtschaftliche Unternehmen in verschiedenen Regionen meistens nicht im direkten Wettbewerb zueinander stehen und sich daher gegenseitig wertvolle Tipps geben können. Neben der konventionellen Dokumenten- und Literaturrecherche ist auch die Teilnahme an dienstleistungsbezogenen Veranstaltungen ein geeignetes Mittel, neue Dienstleistungsideen aufzugreifen und die Erfahrungen anderer Unternehmen zu nutzen. Durch eine kontinuierliche Recherche kann mit geringem Aufwand ein Ideenpool aufgebaut werden, auf dem bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. 43 Die Bestimmung von Kundenbedarfen ist ein häufig verwendetes Instrument um zu erfahren, welche Dienstleistungen die Kunden wünschen. Sie kann – je nach Fragestellung – konkrete Anhaltspunkte für die Dienstleistungsentwicklung, die Dienstleistungsgestaltung und auch für die Bewertung des Unternehmens als Dienstleister liefern (vgl. Kap. 8). Kundenbefragungen sind aber mit einem hohem Aufwand verbunden, da hierzu mit externen Projektbearbeitern zusammengearbeitet wird. Aber auch die Auswertung von Beschwerden kann konkrete Hinweise zur Optimierung des Dienstleistungsangebotes oder für neue Dienstleistungsideen geben. Die Kreativmethoden werden in Unternehmen sehr häufig angewandt, wenn man über bestehende Angebote hinaus gehen will und Innovationen sucht. Eine dieser Methoden, dass Brainstorming, kann auch in der Wohnungswirtschaft genutzt werden, um Ideen für neue Dienstleistungen zu generieren. Hierbei können sowohl Mieter als auch Mitarbeiter des Unternehmens beteiligt werden. Um mit der kreativen Ideenfindung zielgerichtete Ergebnisse zu erhalten, sollte man sich auf konkrete Zielsetzungen aus der Situationsanalyse beziehen. Dabei hat es sich als hilfreich erwiesen, eine möglichst klare Ausgangsfrage zu definieren: Mit welchen Dienstleistungen soll die „Zielstellung xy“ erreicht werden? Wichtig ist jedoch zweierlei. Einerseits sollte die Kreativität der Teilnehmer nicht durch zu enge Fragen eingeschränkt werden, wie es z.B. bei der Frage „Welche Dienstleistungen können wir zur Verbesserung der Hausreinigung anbieten?“ sein kann. Wenn andererseits relativ unbestimmte Zielstellungen wie z.B. „Wie können wir die Kundenbindung erhöhen“ als Frage für die Service Creation-Phase gewählt werden, werden die Ergebnisse sehr weit streuen. Es ist somit ein Mittelweg anzuraten, wobei die Ideenfindung auch in Schleifen mehrmals durchlaufen werden kann, wenn die Ergebnisse nicht konkret genug sind und wie die folgende Box zeigt: Box: Beispiel eines Brainstormings zur Ideenfindung Der Moderator begrüßt die zwölf Workshop-Teilnehmer, die allesamt Mitarbeiter eines Wohnungsunternehmen sind. Er leitet das Brainstorming mit der Frage ein: „Mit welchen Dienstleistungen soll eine erhöhte Kundenbindung erreicht werden?“ Jeder Teilnehmer soll nun jeweils zwei Dienstleistungsideen auf Karteikarten notieren, mit denen die Kundenbindung der Mieter erhöht werden kann. Als Ergebnisse werden von den Teilnehmern folgende Beispiele notiert: Kundenkarte, Internet-Markplatz, Wohnberatung, regelmäßige Betreuung, Car-Sharing, Mieterfeste, Sport, Freizeitangebote. Hierbei ergibt sich die Schwierigkeit, dass das Themenfeld „Kundenbindung“ relativ abstrakt und weit gefasst war. Die Ergebnisse streuen deshalb sehr stark. Einige Ergebnisse des Brainstormings, wie z.B. „Freizeitangebote“ oder „Sport“, stellen zum Teil auch noch keine direkten Dienstleistungsideen dar. Ein weiteres Brainstorming anhand des weit gefassten Bereiches „Sport“ ergibt schließlich konkrete Ideen wie z.B. „Fitnesscenter“ oder „Kletterwand“. 44 Aber auch „regelmäßige Betreuung“ ist sehr unscharf. Der Moderator fragt deshalb den Ideenlieferant, was er damit meint. Seine Antwort hierzu ist „Unsere Kunden sollen in einem Mieterbüro betreut werden und nicht mehr in der Zentrale. Die ist für meine älteren Kunden zu weit weg und nicht mit dem Bus zu erreichen.“ Abschließend werden die verschiedenen Ideen an eine Pinnwand geheftet und zu Gruppen sortiert, damit sie von den Teilnehmern noch einmal diskutiert und ergänzt werden können. 5.1.2 Charakterisierung einer Dienstleistungsidee Um die erarbeiteten stichwortartigen Dienstleistungsideen bewerten zu können, bedürfen sie zuvor meist einer weiteren Erläuterung. Nur so kann oft ein gemeinsames Verständnis von der Dienstleistungsidee erreicht werden. Bei einer Gruppendiskussion kann der jeweilige „Ideenlieferant“ beispielsweise seine Idee ausführlich beschreiben. So kann etwa die Dienstleistungsidee „Mietercafé“ in verschiedenen Varianten angeboten werden: – Bereitstellung von Räumlichkeiten für eine Mieterselbstorganisation; – Bereitstellung von Räumlichkeiten für einen karitativen Träger, der dort Selbsthilfegruppen betreut sowie – eigenständiger Betrieb durch das Unternehmen als Geschäftsfeld. Die Bewertung und die spontane Auswahl der Dienstleistungsidee ist damit von der jeweiligen Variante abhängig, da eine ungenaue Zuordnung unter Umständen dazu führt, dass eine Idee verworfen wird, obwohl sie unter anderen Voraussetzungen sinnvoll wäre. Mit der Bewertung wird teilweise dem Service Design vorgegriffen. Dies kann jedoch sinnvoll sein, um aus den vorliegenden Ideen eine Auswahl treffen zu können. Dennoch sollte man sich eher auf wenige grundlegende Kategorien wie z.B. Erbringungsart und Ziele beschränken: – Erbringungsart: Für die erste Beschreibung der Dienstleistung ist relevant, ob sie in Kooperation mit anderen Partnern oder in Alleinerstellung vom Unternehmen erbracht werden soll. Ebenso kann ein Teil der Dienstleistungen an die Bewohner abgegeben werden, wie es z.B. bei Mietertreffs oder Nachbarschaftshilfevereinen häufig der Fall ist. – Ziele der Dienstleistungserbringung: Für die Bewertung einer Idee ist ferner von Bedeutung, ob die Dienstleistung in erster Linie sozialen Zielen wie der Vermeidung von Vandalismus dienen soll. Sie kann aber auch zur Kundenbindung und -gewinnung beitragen. Schließlich können Dienstleistungen so angelegt sein, dass sie in erster Linie als Geschäfts- und Ertragsfeld gelten. 45 Wenn man die gesammelten Dienstleistungsideen hinsichtlich der Erbringungsart und der Ziele untergliedert, ergeben sich verschiedene Varianten zu den einzelnen Ideen. Die folgende Tabelle stellt dies an einem Beispiel dar: Tabelle 3: Dienstleistungsvarianten Dienstleistungsvariante DL 1 Kundenkarte, Kooperation DL 2 Kundenkarte, Eigenangebot DL 3 Virtueller Marktplatz, Internet DL 4 Carsharing, Koordination durch Mieter DL 5 Mieterfest vom Vermieter initiiert DL 6 Vom Mieter durchgeführtes Straßenfest … DL 16 Wohnberatung der paritätischen Dienste DL 17 Carsharing, Geschäftsfeld DL 18 Wohnberatung als Geschäftsfeld 46 Ziele der DL Erbringungsart Ertragsfeld Eigenständig Kunden- Soziale bindung Ziele Kooperation Mieter einbinden 5.2 Ideenbewertung Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung In den vorangegangenen Schritten wurden Dienstleistungsideen gesammelt und mit Varianten untersetzt. Bei der Ideenbewertung soll nun eine Selektion aus der Ideensammlung vorgenommen werden, um die für das Unternehmen interessantesten Dienstleistungen zu bestimmen. 5.2.1 Bewertungskriterien Die Auswahl der Kriterien für eine Ideenbewertung bestimmt maßgeblich die Qualität des Bewertungsverfahrens. Hierfür kann entweder ein allgemeines Kriterienraster genutzt oder ein spezielles auf den Themenbereich bzw. ein auf das Unternehmen abgestimmtes Raster entwickelt werden. Als erster Ansatz bieten sich die Kategorien „Strategische Zielsetzung“, „Wirtschaftlichkeit“ und „Akzeptanz“ an. Diese Kategorien können nach Bedarf mit anderen Kriterien noch weiter differenziert werden: – Strategische Zielsetzung: – Entspricht die Dienstleistung den Unternehmenszielen? – Passt die DL zum Unternehmensportfolio? – Wirtschaftlichkeit: – Wie hoch ist der Aufwand an Mitteln für die Dienstleistung insgesamt? – Erfüllt die Dienstleistung den Anspruch bezüglich ihres Nutzens? – Akzeptanz: – Wie hoch ist der Bedarf potentieller Nutzer für die Dienstleistung? – Wie groß ist die Zielgruppe für diese Dienstleistung? 47 Die dazugehörigen Fragen können zur Definition der Kriterien beliebig ausgeweitet werden. Beispiele hierfür sind z.B. in Bezug auf die strategische Zielsetzung: Werden bestehende Dienstleistungen sinnvoll ergänzt? Fördert die Dienstleistung ein positives Image des Unternehmens? Generell bleibt die Erarbeitung eines speziell auf das Unternehmen ausgerichteten Kriterienrasters zwar aufwändig. Dieses Raster kann jedoch wiederholt für eine Dienstleistungsbewertung genutzt werden. 5.2.2 Bewertungsverfahren Das Ergebnis der Ideenbewertung hängt maßgeblich davon ab, wer die Ideen bewertet (Bewertungsgruppe) und wie sie bewertet werden (Bewertungskriterien s.o.). Für qualitative Bewertungen wird die Auswahl insbesondere von betroffenen Bewertern, wie z.B. die später ausführenden Mitarbeiter, die Qualität der Ergebnisse bestimmen. Je nach Bewertungsaspekt können auch unterschiedliche „Experten“ hinzugezogen werden: Während zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit oder strategischen Bedeutung einer Dienstleistungsidee aufgrund der nötigen Fachkenntnisse eher Mitarbeiter des Unternehmens gefragt sind, ist für die Bewertung der Akzeptanz von neuen Dienstleistungen die Einschätzung der Bewohner relevant. Nachdem die Bewertungsgruppe zusammengestellt wurde, können mit Hilfe der zuvor erarbeiteten Kriterien die Dienstleistungsideen bewertet werden. Die Kriterien können hierzu mit einem Punktebewertungssystem versehen werden, um die Dienstleistungsideen im abschließenden Ranking gegenüberzustellen. Dabei kann die Bewertung entweder über ein einfaches „Ja – Nein – neutral – Schema“ mit „+, - und 0“ oder mit einem differenzierterem Punktesystem z.B. von –5 bis +5 erfolgen. Die folgende Tabelle stellt ein Beispiel für eine Bewertungsmatrix nach den oben erwähnten Kriterien dar: Tabelle 4: Bewertung verschiedener Dienstleistungsideen Kriterien DL 1 DL 2 … Strategische Zielsetzung Entspricht die DL den Unternehmenszielen? 2= eher ja, -2= eher nein Passt die DL zum Unternehmensportfolio? 2 = eher ja, -2= eher nein Summe Wirtschaftlichkeit Wie hoch ist der Aufwand an Mitteln für die DL insgesamt? Erfüllt die DL ihren Anspruch in Bezug auf ihren Nutzen? Summe Akzeptanz Wie hoch ist der Bedarf potentieller Nutzer für die DL? Wie groß ist die Zielgruppe für diese DL? Summe Gesamtsumme 48 2= niedrig, -2= hoch, 2 = eher ja, -2= eher nein 2 = eher hoch, -2= eher niedrig 2 = eher groß, -2= eher klein Je vielfältiger die Kriterien und je größer die Anzahl der Bewerter sind, desto eher ergibt sich eine sinnvolle Summe für die jeweilige Kategorie. Bei der Auswertung können entweder die Gesamtsumme oder die Teilsummen pro Kategorie betrachtet werden. Ebenfalls ist es möglich, die unterschiedlichen Kategorien mit Faktoren zu gewichten, wenn z.B. die Wirtschaftlichkeit die höchste Priorität hat. Anschließend gilt es, eine Darstellungsform der Auswertungsergebnisse zu finden. Eine Möglichkeit ist, ein Ranking nach der Gesamtpunktzahl zu erstellen. Hierzu werden eine Gesamtsumme aller Werte gebildet und die Dienstleistungsideen entsprechend der erreichten Punktzahl in tabellarischer Form aufgelistet: Tabelle 5: Beispiel eines Punktbewertungsverfahrens Dienstleistungsvariante Summe Gesamt Summe Strategische Zielsetzung Summe Wirtschaftlichkeit Summe Akzeptanz DL 1 Kundenkarte, Kooperation 12 4 4 4 DL 2 Kundenkarte, Eigenangebot 10 3 3 4 DL 3 Virtueller Marktplatz, Internet 9 4 1 4 DL 4 Carsharing, Koordination durch Mieter 9 4 3 2 DL 16 Wohnberatung der paritätischen Dienste 5 2 1 2 DL 17 Carsharing, Geschäftsfeld 0 1 -1 0 -1 0 -1 0 … DL 18 Wohnberatung als Geschäftsfeld Beim Bilden einer Gesamtsumme aus den Teilsummen sollte beachtet werden, dass die Gewichtungen der Kategorien dabei verloren gehen können. Das heißt, dass zwei Ideen die gleiche Gesamtsumme haben, obwohl sie in den einzelnen Kategorien sehr unterschiedlich bewertet werden, wie z.B. bei der Gesamtsumme der beiden Punktreihen 4/+1/+4 = 9 und 4/+3/+2 = 9. Diese beiden Dienstleistungen unterscheiden sich stark in der Einschätzung von Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz. Die Gleichwertigkeit der Kategorien kann daher über eine dreidimensionale grafische Portfoliodarstellung veranschaulicht werden. Hierbei werden auch eher als in der tabellarischen Darstellung Zielkonflikte deutlich, wie z.B. zwischen den Kategorien „Strategische Zielsetzung“ und „Wirtschaftlichkeit“. Somit erleichtert die Portfoliodarstellung die Entscheidung über die weitere Bearbeitung einzelner Dienstleistungsideen. Die folgende Abbildung zeigt einige Beispiele aus der Tabelle 5: 49 Abbildung 8: Portfolio einiger Dienstleistungsideen (siehe Tabelle 5) 6 Strategische Zielsetzung 5 4 DL 1 DL 4 3 DL 2 2 DL 16 1 -1 DL 18 0 DL 17 -2 2 DL 3 3 4 5 Wirtschaftlichkeit Akzeptanz = Größe der Kreise Das Ergebnis der Ideenbewertung ist demnach ein Ranking möglicher Dienstleistungsideen. Dies dient als Grundlage, um zu entscheiden, welche Dienstleistungsideen prioritär weiter verfolgt werden sollen und welche sich eher nicht für das Unternehmen eignen. Darüber hinaus können viele Informationen zur Bewertung und Beschreibung der Dienstleistungsideen als Basis für die folgende Service Design-Phase genutzt werden. 50 5.3 Checkliste Service Creation Ideenfindung 1. Mit welchen Dienstleistungen kann man den Bedürfnissen der Mieter entgegenkommen? 2. Geben die Beschwerden der Mieter Hinweise für neue Dienstleistungen? 3. Liefert eine Kundenzufriedenheitsbefragung Hinweise für neue Dienstleistungen? 4. Welche wohnbegleitenden Dienstleistungen werden von anderen Wohnungsunternehmen angeboten? 5. Mit welchen Dienstleistungen können wir unsere Unternehmensoder Bereichsziele unterstützen? Ideenbewertung 1. Wer soll die Ideen bewerten? 2. Entsprechen die jeweiligen Dienstleistungsideen den strategischen Zielsetzungen? 3. Ist es möglich, sie in wirtschaftlich tragfähiger Weise anzubieten? 4. Werden die Mieter die Dienstleistungen annehmen? 5. Welche Dienstleistungsideen sind besonders interessant und welche weniger? 51 6 Service Design – Design-Konzept und Marketing-Konzept Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management In der vorhergehenden Phase, Service Creation, wurden erfolgversprechende Ideen für neue Dienstleistungen oder für die Optimierung bestehender Angebote identifiziert. Diese werden nun zu umsetzungsreifen Konzepten weiterentwickelt. Das umfasst einerseits die Erarbeitung einer Dienstleistungs-Konzeption. Andererseits ist damit die Erstellung einer Marketing-Konzeption verbunden. Das Service Design-Konzept beschreibt die neue Leistung möglichst detailliert. Es besteht daher aus diversen Festlegungen etwa hinsichtlich des angestrebten Ergebnisses der Leistungserstellung, der damit verbundenen Aktivitäten und Prozesse sowie der Ressourcen, die dafür notwendig sind. Ziel ist es, die Vorstellungen und Möglichkeiten des Wohnungsunternehmens mit den Erwartungen der Mieter in Einklang zu bringen. Hierfür bietet das Service Engineering hilfreiche Methoden und Instrumente, die im Kapitel 6.1 vorgestellt werden. Parallel zur Entwicklung der Dienstleistungs-Konzeption werden im Marketing-Konzept Marketingziele und -strategien sowie der Marketing-Mix ausgestaltet. Da Serviceleistungen kundenorientiert entwickelt werden sollten und die Kundenorientierung zugleich das Kernprinzip des Marketing ist, kommt der Formulierung und Umsetzung einer Marketingkonzeption im Rahmen des Service Engineering eine besondere Bedeutung zu. Was im einzelnen zu einem Marketing-Konzept für wohnbegleitende Dienstleistungen gehört, wird in Kapitel 6.2 erläutert. 53 6.1 Design-Konzept Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung Es gibt keine einheitliche Definition des Service Designs. Im Kern geht es darum, ein Konzept für die Erbringung der Dienstleistung zu erstellen und dabei die einzelnen Eigenschaften der Dienstleistung möglichst genau auf die Anforderungen der Kunden abzustimmen. Dabei müssen gleichzeitig die Rahmenbedingungen des Anbieters beachtet werden. Systematisches Service Design erhöht somit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass neue Dienstleistungen erfolgreich umgesetzt und am Markt platziert werden können. Zentrale Gegenstände des Service Designs sind das Dienstleistungsprodukt (Was?), die mit der Erstellung der Dienstleistung verbundenen Prozesse (Wie?) sowie das Servicepotenzial (Womit?) wie in der folgenden Abbildung dargestellt: Abbildung 9: Grundelemente der Dienstleistungs-Konzeption Design-Konzept Produkt „Was?“ Mieter 54 Prozesse „Wie?“ Dienstleistung Potenzial „Womit?“ Wohnungsunternehmen – Auf der Produktebene geht es darum, das Ergebnis des Leistungsprozesses zu definieren. Also beispielsweise die Frage zu klären, welche Module ein Umzugsservice enthalten soll, lediglich die Vermietung von Verpackungsmaterial und Fahrzeugen oder darüber hinaus die Bereitstellung von Umzugshelfern. – Auf der Prozessebene werden die Aktivitäten festgelegt, die für die Erstellung einer Dienstleistung erforderlich sind. Im Falle eines Komplett-Umzugsservices, den ein Wohnungsunternehmen in Zusammenarbeit mit einer Umzugsfirma anbietet: die Beauftragung durch den Kunden, die Weiterleitung des Auftrags, die Abholung und Auslieferung des Transportgutes, die Rechnungsstellung usw. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Interaktion zwischen Kunden und Serviceanbieter gelegt, weil diese für die erfolgreiche Leistungserstellung von entscheidender Bedeutung ist. – Das Leistungspotenzial beinhaltet die Fähigkeit und Bereitschaft zur Erbringung einer Dienstleistung. Hierunter fällt die Planung des Einsatzes von Ressourcen, die zur Erbringung des Services notwendig sind wie z.B. die Bereitstellung von Transportmitteln und Personal. Ziel des Service Designs ist es, diese drei Dimensionen ausgehend von den Anforderungen der Mieter schrittweise zu einem Service Design-Konzept auszugestalten. Wie dies systematisch geschehen kann und welche Methoden dabei hilfreich sind, wird in den folgenden Abschnitten dargelegt. 6.1.1 Produktdimension: Was? Leistungsergebnis spezifizieren Zunächst muss die Frage beantwortet werden, was überhaupt das Ergebnis des neuen Leistungsangebots sein soll. Bei der Beantwortung dieser Frage können folgende Leitfragen hilfreich sein: – Was soll der Zielgruppe geboten werden? Wenn ein Wohnungsunternehmen seinen Mietern beispielsweise Computerkurse anbieten möchte, könnten Antworten auf diese Frage sein: Basiswissen in Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Internet oder Aufbaukurse für Fortgeschrittene in Bildbearbeitung. Dabei kann auch ein modularer Aufbau der Dienstleistung sinnvoll sein. – Wer ist die primäre Zielgruppe des neuen Angebots? Sollen möglichst alle Mieter oder ausgewählte Gruppen wie etwa Senioren, Familien mit Kindern, Ein-Personen-Haushalte mit hohem Einkommen oder andere angesprochen werden? – Welche Form der Trägerschaft wird angestrebt? Soll die Dienstleistung in Eigenregie, d.h. mit eigenem Personal erbracht werden (z.B. Conciergedienste), in Kooperation mit externen Anbietern (z.B. Reparaturservice für Haushaltsgeräte) oder selbstorganisiert über die Mieter (z.B. Hausaufgabenbetreuung, Mieterfeste)? Im Rahmen des Service Designs sollte zunächst dabei nur grundsätzlich geklärt werden, welche Aufgaben vom Unternehmen und welche von Dritten übernommen werden. Die weitere Ausgestaltung der jeweiligen Trägerschaft findet dann im Service Management statt (vgl. Kap. 7.1.1). 55 Sind diese drei grundlegenden Fragen geklärt, werden in der Folge zunächst die Erwartungen der Mieter bezüglich der neuen Angebote genauer untersucht. Anforderungen der Mieter klassifizieren Die erfolgreiche Gestaltung des Dienstleistungsprodukts setzt eine möglichst exakte Analyse der Kundenanforderungen voraus (vgl. Kap. 8). Die Anforderungen können jedoch ganz unterschiedlicher Natur sein. Diese Vielfältigkeit kann mit Hilfe des sogenannten Kano-Modells illustriert und strukturiert werden. Das Kano-Modell unterteilt alle möglichen Anforderungen der Mieter in Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen. – Basisanforderungen müssen auf jeden Fall erfüllt werden. Sie stellen eine Art Schwellenwert oder Muss-Kriterium für die Kundenzufriedenheit dar. Einerseits gilt: Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, ist der Kunde in hohem Maße unzufrieden. Er wird die Dienstleistung vermutlich gar nicht bzw. kein weiteres Mal in Anspruch nehmen. Andererseits kann man mit den Basiseigenschaften die Zufriedenheit nicht beliebig steigern – eben, weil es sich um Selbstverständlichkeiten handelt. Bei einer Gästewohnung beziehen sich die Grundanforderungen z.B. auf die Ausstattung mit Möbeln, Besteck, Geschirr usw. – Leistungsanforderungen stehen in einem linearen Verhältnis zur Kundenzufriedenheit, d.h. Mieter sind umso zufriedener, je mehr diese erfüllt werden. Leistungsanforderungen sind daher von großer Bedeutung. Als Anbieter gilt es, derartige Merkmale zu maximieren. Im Falle der Gästewohnung ist ein Leistungsmerkmal die Sauberkeit der Wohnung, denn es gilt: Je sauberer die Wohnung, desto zufriedener der Kunde. – Begeisterungsmerkmale sind „nice to have“. Sind sie vorhanden, tragen sie in überproportionalem Maße zur Kundenzufriedenheit bei. Sie können im direkten Wettbewerb einen Marktvorteil bieten. Fehlen sie, so tut dies der Zufriedenheit der Mieter allerdings keinen Abbruch, da sie definitionsgemäß nicht erwartet werden. Bei einer Gästewohnung kann Begeisterung beispielsweise durch frische Blumen, aktuelle Zeitschriften o.ä. erreicht werden. In der folgenden Abbildung ist der Zusammenhang zwischen den drei Anforderungstypen und der Kundenzufriedenheit grafisch dargestellt. 56 Abbildung 10: Das Kano-Modell Kundenzufriedenheit hoch Leistungsanforderungen Erfüllungsgradniedrig Begeisterungsanforderungen hoch Basisanforderungen niedrig Das Kano-Modell ermöglicht ein profundes Verständnis der Kundenanforderungen und gibt Hinweise, welchen Anforderungen in den weiteren Schritten des Service Designs besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Es unterstützt damit die Entwicklung maßgeschneiderter Leistungspakete. In der Praxis kann eine Klassifizierung der Kundenanforderungen relativ einfach durchgeführt werden. So kann man, etwa im Rahmen eines Brainstormings des Service Design-Teams, eine Liste mit möglichen Anforderungen der Mieter aufstellen und diese nach den drei Kategorien ordnen. Dieses Vorgehen ist nicht aufwändig und kurzfristig umsetzbar. Wichtig ist allerdings, hierbei konsequent die Perspektive des Mieters einzunehmen. Die Teilnahme von Mitarbeitern, die direkten Kundenkontakt haben oder selbst Mieter sind, kann dies gewährleisten. Dennoch kann eine Lücke klaffen zwischen dem, was die Mieter tatsächlich erwarten, und dem, was der Serviceanbieter hinsichtlich der Kundenerwartungen vermutet. Abhilfe schafft hier die direkte Befragung von Mietern. Dies ist zwar etwas aufwändiger als die unternehmensinterne Verständigung, lohnt sich aber insbesondere dann, wenn das Anforderungsbündel sehr vielschichtig ausfällt, d.h. vor allem bei komplexen Serviceangeboten. Möchte man die Kundenanforderungen direkt vom Mieter erfahren, kann dies z.B. über eine schriftliche Befragung oder in Gruppendiskussionen geschehen. Hierzu kann man folgende Leitfrage zugrunde legen: 57 „Was halten Sie als Mieter davon, wenn die neue Dienstleistung die Eigenschaft xy aufweist beziehungsweise nicht aufweist?“ Aus den Antwortmöglichkeiten „fände ich gut“, „fände ich selbstverständlich“, „wäre mir egal“ und „fände ich nicht gut“ kann man schließlich eine Klassifizierung der Anforderungen erhalten, wie sie dem Kano-Modell entspricht. Hierzu geht man wie folgt vor: Klassifizierung von Mieteranforderungen am Beispiel Gästewohnung Es werden sieben Personen dazu gefragt, was sie davon hielten, wenn eine Gästewohnung im Zentrum bzw. außerhalb des Zentrums läge. Im ersten Schritt werden die Antworten auf die Frage „... außerhalb des Zentrums ...“ eingetragen: „Wie fänden Sie es, wenn eine Gästewohnung außerhalb des Zentrums läge?" Person 1 2 3 4 5 6 7 fände ich gut fände ich selbstverständlich wäre mir egal fände ich nicht gut Im zweiten Schritt werden die Antworten auf die Frage „… im Zentrum …“ eingetragen: „Wie fänden Sie es, wenn eine Gästewohnung im Zentrum läge?" Person 1 2 3 4 5 6 7 fände ich gut fände ich selbstverständlich wäre mir egal fände ich nicht gut Für die Auswertung werden die Antwort-Paare der sieben Personen in eine zusammenfassende Tabelle übertragen. So antwortet beispielsweise nur die vierte Person auf die Frage „... im Zentrum ...“ mit „wäre mir egal“ und auf die Frage „... außerhalb des Zentrums ...“ ebenfalls mit „wäre mir egal“. In die entsprechende Zelle wird also der Wert 1 eingetragen. Schritt für Schritt werden die Ergebnisse übertragen und aufsummiert. Wie das folgende Beispiel zeigt, sind insgesamt vier Nennungen in dem Feld „fände ich selbstverständlich/fände ich nicht gut“. Da die höchste Anzahl der Nennungen in einem Feld „Basisanforderungen“ vorkommt, ist die Lage der Wohnung im Zentrum als Basisanforderung zu betrachten. 58 „Wie fänden Sie es, wenn eine Gästewohnung im Zentrum läge? fände ich gut „Wie fänden Sie es, wenn eine Gästewohnung außerhalb des Zentrums läge?" fände ich gut fände ich wäre mir egal selbstverständlich fände ich nicht gut Begeisterungsanforderung Leistungsanforderung Begeisterungsanforderung 2 Nennungen fände ich selbstverständlich wäre mir egal Basisanforderung 4 Nennungen 1 Nennung Basisanforderung fände ich nicht gut Das Kano-Modell ist ein Werkzeug, das die „Stimme des Kunden“ in seinen Schattierungen „hörbar“ macht. Auf der Ebene des Designs des Dienstleistungs-Produktes ist dies aber nur der erste Schritt. Um maßgeschneiderte Leistungspakete entwickeln zu können, muss in einem zweiten Schritt die Stimme des Kunden bzw. Mieters in die „Stimme des Service-Entwicklers“ übersetzt werden. Anforderungen der Mieter in Dienstleistungseigenschaften übersetzen Mit der Stimme des Entwicklers sind die Eigenschaften der Dienstleistung gemeint, die von ihm direkt beeinflusst werden können. Bei einer Gästewohnung gehören dazu z.B. die Lage und Größe der Wohnung, die Ausstattung und der Mietpreis. Beide Dimensionen, die Anforderungen sowie die Dienstleistungseigenschaften, kann man in einer Matrix gegenüberstellen. Diese Art der Darstellung erlaubt die Identifikation wichtiger inhaltlicher Zusammenhänge und die Ableitung von Prioritäten für die weitere Dienstleistungsentwicklung. Die Beziehungs- oder auch Korrelationsmatrix entstammt dem sogenannten Quality Function Deployment (QFD). Das QFD beschreibt systematische Ansätze zur schrittweisen Umsetzung von Kundenanforderungen in messbare beziehungsweise qualitativ beurteilbare Produktparameter. Ursprünglich eingesetzt zur Entwicklung von Produkten kann diese Methode – in einer einfachen Variante – auch für die Entwicklung von Dienstleistungen in der Wohnungswirtschaft genutzt werden. Die Methode des QFD sei am Beispiel einer Gästewohnung illustriert. Die dazugehörige Beziehungsmatrix wird in mehreren Schritten erstellt: 59 1. Die Dienstleistungseigenschaften werden vom Entwicklungs-Team identifiziert und spaltenweise in die Matrix eingetragen. Hier u.a. Lage und Größe der Wohnung, Mobiliar und technische Ausstattung. 2. Die Kundenanforderungen werden entweder vom EntwicklungsTeam benannt oder durch Mieterbefragungen ermittelt (vgl. Kap. 8). In unserem Beispiel seien dies „preiswert“, „geräumig“, „komfortabel“, „sauber“, „gut erreichbar“ und „zentrumsnah“. Die Anforderungen der Mieter werden zeilenweise in die Matrix eingetragen. 3. Bei Bedarf können die Kundenanforderungen je nach Bedeutung mit Gewichtungsfaktoren versehen werden. Dafür kann zum Beispiel das Kano-Modell Hinweise liefern (s.o.): So sollten in der Regel Basisanforderungen stärker gewichtet werden als Begeisterungsanforderungen. Die Gewichtungsfaktoren werden ebenfalls zeilenweise eingetragen. 4. In die Zellen werden die Korrelationskoeffizienten eingetragen. Sie geben den jeweiligen Zusammenhang zwischen Dienstleistungsparameter und Kundenanforderung an. In dem gewählten Beispiel steht 9 für einen starken Zusammenhang, 3 für einen mittleren sowie 1 für eine schwache Beziehung. Ein leeres Feld bedeutet, dass überhaupt kein Zusammenhang zwischen zwei Variablen besteht. Diese Faktoren wurden deshalb so gesetzt, um starken Zusammenhängen ein besonderes Gewicht zu verleihen. Je nach Bedarf können auch andere Korrelationskoeffizienten gewählt werden. Zwischen positiven und negativen Korrelationszusammenhängen wird dabei nicht unterschieden, denn für die Prioritätensetzung im weiteren DesignProzess ist die Stärke der Beziehungen wichtiger als die Richtung des Zusammenwirkens. 5. Durch Berechnung der (gewichteten) Spaltensummen entsteht eine Rangfolge zwischen den Dienstleistungseigenschaften. 60 Tabelle 6: Beziehungsmatrix für das Beispiel Gästewohnung Komfortabel 2 3 6 Sauber 3 Gut erreichbar 1 9 Zentrumsnah 3 9 27 9 3 9 18 9 18 Vor-Ort-Betreuung (gewichtet) 9 3 Vor-Ort-Betreuung (ungewichtet) 9 9 27 Raumpflege (gewichtet) 1 Raumpflege (ungewichtet) Geräumig Technische Ausstattung (gewichtet) 9 27 Technische Ausstattung (ungewichtet) 3 Mobiliar (gewichtet) Preiswert Mobiliar (ungewichtet) 9 Größe (gewichtet) 3 Größe (ungewichtet) Gewichtungsfaktor Lage (gewichtet) Kundenanfoderungen Lage (ungewichtet) Dienstleistungseigenschaften 9 1 3 3 6 9 27 9 Spaltensumme 45 42 45 27 36 9 Proirität 1. 3. 1. 5. 4. 6. Die auf diese Weise ermittelte Rangfolge zeigt, dass bei der weiteren Ausgestaltung des Serviceangebots „Bereitstellung einer Gästewohnung“ den Dienstleistungseigenschaften „Mobiliar“, „Lage“ und „Größe“ besonderes Augenmerk geschenkt werden sollte. Darüber hinaus sind Raumpflege und technische Ausstattung wichtig. Die Frage einer Vor-Ort-Betreuung, beispielweise durch eine Concierge, ist jedoch von geringerer Bedeutung. Wenngleich die beschriebene Methode primär darauf abzielt, die Anforderungen der Mieter in prioritäre Dienstleistungseigenschaften zu übersetzen, kann der Ansatz grundsätzlich um Anforderungen des Marktes und des Unternehmens ergänzt werden. Für das Angebot einer Gästewohnung könnte das beispielsweise heißen, ein besseres Preis-Leistungsverhältnis als Hotels oder Apartments zu bieten (Markt) und die Leistung in vorhandene Vertriebsstrukturen zu integrieren (Unternehmen). Derartige Anforderungen können ebenfalls in die Beziehungsmatrix aufgenommen werden und somit in die Erstellung einer Rangfolge von Dienstleistungseigenschaften eingehen. Das QFD-Modell sollte im Kontext der Entwicklung von wohnbegleitenden Dienstleistungen nicht zu technisch verwendet und die Schlussfolgerungen sollten nicht zu dogmatisch interpretiert werden. Das Instrument „Beziehungsmatrix“ dient vielmehr der Initiierung und Strukturierung von Diskussions- und Verständigungsprozessen innerhalb des Entwicklungs-Teams. Es kann ferner als Argumentationshilfe gegenüber Dritten, beispielweise der Geschäftsführung, genutzt werden, weil es kritische Design-Anforderungen, Prioritätensetzungen und Entscheidungsprozesse nachvollziehbar und transparent macht. 61 6.1.2 Prozessdimension: Wie? Das Prozessmodell beschreibt, wie die Ergebnisse einer Dienstleistung zustande kommen. Die einzelnen Schritte zur Erbringung der Leistung werden festgelegt und Schnittstellen definiert. Ziel des Prozessdesigns ist es, den Gesamtprozess in eine geeignete Anzahl von Einzelaktivitäten zu zerlegen, um ein möglichst genaues Bild von den Serviceabläufen zu erhalten. Grundsätzlich gilt, je differenzierter die Aufteilung in Einzelschritte, desto genauer das Prozessdesign. Üblicherweise werden in der Wohnungswirtschaft schriftliche Beschreibungen von Geschäftsprozessen angelegt. Mit der Methode des Blueprinting, zu deutsch „Blaupause“, können diese ergänzt werden. Der Blueprint stellt die einzelnen Abläufe und ihr Zusammenwirken anschaulich dar und bildet somit eine Art Landkarte des Dienstleistungssystems. Dabei wird konsequent die Perspektive des Kunden bzw. Mieters eingenommen. In Abbildung 11 ist ein Blueprint am Beispiel eines Umzugsservice dargestellt, der von einem Wohnungsunternehmen in Zusammenarbeit mit einem externen Umzugsunternehmen angeboten wird. Die Darstellung konzentriert sich auf die Phase der DienstleistungsErbringung. Es werden dabei vier Handlungsebenen durch drei Linien von einander unterschieden. – Die Linie der externen Interaktion repräsentiert die Schnittstelle, an der Kunde und Servicepersonal in direkten Kontakt treten. Unterhalb dieser Linie werden Handlungen von Mitarbeitern des Dienstleistungsunternehmens dargestellt, die in direktem, persönlichen Kundenkontakt stehen. Oberhalb der Linie stehen die Kundenaktivitäten, die für das Servicepersonal nicht sichtbar sind. – Die Linie der Sichtbarkeit trennt die für den Kunden sichtbaren von den unsichtbaren Prozessschritten. Der Blueprint erlaubt somit eine schnelle und einfache Einschätzung, wie wahrnehmbar das neue Serviceangebot für den Kunden sein wird, indem die Kästchen oberhalb dieser Linie betrachtet werden. – Unterhalb der Linie der internen Interaktion sind die Prozesselemente beschrieben, die die Erstellung der Dienstleistung unterstützen. In dem gewählten Beispiel also die wichtigsten Aktivitäten des Kooperationspartners. 62 Abbildung 11: „Blueprinting“ am Beispiel Umzugsservice Kunde geht in ServiceCenter Kunde Kunde ruft an Kunde trifft tel. Vereinbarung mit Umzugsunternehmen Kunde bereitet Umzug vor Kunde beobachtet Verladung Kunde nimmt Umzugsgutentgegen Abholung des Umzugsgutes beim Kunden Auslieferung des Umzugsgutes beim Kunden Kunde erhält Rechnung Linie der externen Interaktion Servicepersonal Kundenbetreuer nimmt im Servicecenter Anfrage auf Linie der Sichtbarkeit Kundenbetreuer nimmt Anfrage telefonisch auf Kundenbetreuer erstellt und verschickt Rechnung Hilfsprozesse Linie der internen Interaktion Umzugsunt. nimmt Anfrage auf Umzugsunt. trifft tel. Vereinbarung mit Kunden Auftrag an Fahrer Transport des Umzugsgutes Die Erstellung eines Blueprints beginnt mit der Erfassung der Handlungen des Kunden und geht von dort aus weiter zu den Aktivitäten des Serviceanbieters und zu möglichen Hilfsprozessen, wie die folgende Box zeigt: Sieben Schritte zur Erstellung eines Service-Blueprints 1. Identifizieren Sie den Prozess, der dargestellt werden soll. Geht es um einen vollständigen Dienstleistungsprozess oder nur um einzelne Komponenten? 2. Bestimmen Sie die einzelnen Prozessschritte. Beginnen Sie dabei mit den Handlungen des Kunden. 3. Ziehen Sie die Linie der externen Interaktion entlang der Stellen, an denen der Serviceanbieter mit den Kunden in direkten Kontakt kommt. 4. Ziehen Sie die Linie der Sichtbarkeit, unterhalb derer die Prozessschritte stehen, die der Kunde nicht direkt wahrnehmen kann. 63 5. Vervollständigen Sie das Bild, indem Sie alle Aktionen des Servicepersonals aufzeichnen. Unterscheiden Sie dabei die für den Kunden sichtbaren und unsichtbaren Handlungen. 6. Ziehen Sie die Linie der internen Interaktionen, entlang der Stellen, an denen das Servicepersonal mit weiteren Mitarbeitern, etwa aus Ihrem Unternehmen oder von Fremdfirmen, interagiert. 7. Verbinden Sie die Aktivitäten von Kunden und Servicepersonal mit den einzelnen Handlungen, die die Erstellung der Dienstleistung unterstützen. Das Blueprinting bietet eine Reihe von Vorteilen: Es veranschaulicht die Rolle der Service-Mitarbeiter im gesamten Dienstleistungssystem und schärft das Bewusstsein für eine konsequente Kundenorientierung. Potentielle Schwachstellen und Fehlerquellen im System, beispielsweise hinsichtlich von Kommunikationsflüssen oder Bearbeitungszeiten, können einfach identifiziert werden. Davon profitiert das Qualitätsmanagement. Die Linie der internen Interaktion zeigt die Schnittstellen mit verschiedenen Abteilungen oder externen Partnern. Dadurch werden gegenseitige Abhängigkeiten anschaulich gemacht. Dieses Wissen kann ebenfalls für eine vorbeugende Qualitätssicherung genutzt werden. Der Blueprint kann ferner eine Grundlage für die Durchführung von Kostenanalysen bilden, da er den Arbeitsaufwand quantifizierbar macht (vgl. Kap. 7.1.2). 6.1.3 Potenzialdimension: Womit? Nach der Definition des Leistungsergebnisses und der Darstellung der Service-Prozesse werden im letzten Schritt die für die Erbringung der Dienstleistung benötigten Ressourcen geplant. Dieser Schritt umfasst neben der Planung des Mitarbeitereinsatzes auch die Abschätzung der benötigten Betriebsmittel sowie der erforderlichen Kommunikations- und Informationstechnik. Der Ressourcenbedarf sollte nach Möglichkeit entlang der verschiedenen Phasen des Lebenszyklusses einer Dienstleistung ermittelt werden, da dies die systematische Erfassung und Zuordnung der Ressourcen erleichtert. Bereitstellung Diese Phase umfasst alle Schritte, die nötig sind, um den Service überhaupt erbringen zu können. Dazu gehören beim Service-Angebot „Gästewohnung“ unter anderem die Auswahl einer geeigneten Wohnung, die technische Einrichtung und sonstige Ausstattung der Wohnung, die Herstellung von Werbematerial, gegebenenfalls die Schulung des Vertriebspersonals usw. Vertrieb In der Vertriebsphase wird die Dienstleistung dem potentiellen Kunden bekannt gemacht und es werden Vereinbarungen zum Kauf der Leistung getroffen. So beinhaltet der Vertrieb einer Gästewohnung beispielsweise die Werbung für dieses Angebot, etwa in der Mieterzeitung oder im Internet-Auftritt des Wohnungsunternehmens, sowie die Reservierung und Buchung der Wohnung durch den zukünftigen Gast (vgl. Kap. 6.2.2). 64 Erbringung An den erfolgreichen Vertrieb der Dienstleistung schließt sich – unter Umständen mit zeitlicher Verzögerung – die tatsächliche Erbringung des Services an. In unserem Beispiel: Die Gastfamilie erhält den Schlüssel für die Gästewohnung, zieht ein und nutzt sie für den vereinbarten Zeitraum. Nach Auszug erfolgt die Rechnungslegung an den Kunden. Assessment Unter Assessment verstehen wir die Bewertung des betrachteten Serviceangebotes durch den Kunden (vgl. Kap. 7.2). Diese kann während und nach der Leistungserstellung erfolgen, etwa im Rahmen des Beschwerdemanagements. Sind Gäste mit der angebotenen Wohnung beispielsweise unzufrieden, weil sie zu klein oder ihr Zustand nicht ordnungsgemäß ist, kann eine Umbuchung erforderlich sein. Ferner kann beim Auszug aus der Gästewohnung in einem kurzen Fragebogen nach der Zufriedenheit mit dem Service gefragt werden. Die Ressourcenplanung kann übersichtlich in einer Tabelle dargestellt werden, in der drei Typen von Ressourcen erfasst werden: Mitarbeiter (z.B. eigenes Personal oder Fremdpersonal, ggf. Einbezug von Mietern), Betriebsmittel (z.B. Sachmittel, Finanzmittel) und Informations- und Kommunikationstechnik (z.B. Internet, Hotline). Die Tabelle illustriert dies am Beispiel der Bereitstellung einer Gästewohnung: Tabelle 7: Ressourcenmatrix für das Beispiel Gästewohnung ... Hotline Internet ... IuK-Technik laufende Kosten Investitionsmittel Mobiliar Räumlichkeiten Betriebsmittel ... Fremdpersonal Eigenes Personal Mitarbeiter Bereitstellung Einrichtung der Wohnung Reinigung ... Vertrieb Internetauftritt Broschüre ... Erbringung Reservierung Schlüsselübergabe Rechnungslegung .... Assessment Beschwerdeaufnahme Beschwerdeabwicklung ... 65 Die Matrix liefert ein systematisches Bild des Ressourcenbedarfes. Sie macht deutlich, inwieweit das Angebot mit hausinternen Ressourcen erbracht werden kann und wo auf externe Leistungen zurückgegriffen werden muss. Dies erlaubt ein grobe Abschätzung der Machbarkeit des geplanten Services und kann als Grundlage für die Kostenabschätzung dienen. Die tabellarische Darstellung des Ressourcenbedarfs wird insbesondere in der Service ManagementPhase eine wichtige Basis für die Implementierung der Dienstleistung sein. 66 6.2 Marketing-Konzept Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung Marketingkonzeptionen sind Leitpläne, in denen Marketingziele, strategien und -instrumente festgeschrieben werden. Da Serviceleistungen kundenorientiert entwickelt werden sollten und die Kundenorientierung zugleich das Kernprinzip des Marketing ist, kommt der Formulierung und Umsetzung einer Marketingkonzeption im Rahmen des Service Engineering eine besondere Bedeutung zu. Wird eine Marketingkonzeption in den Prozess der Serviceentwicklung eingebracht, sind eine Reihe von Aspekten zu beachten: Serviceleistungen sind einerseits Marketinginstrumente und dienen dazu, bestimmte Marketingziele zu erreichen wie z.B. die Gewinnung neuer Mieter. Andererseits sind Serviceleistungen Objekte von Marketingbemühungen, z.B. wenn es darum geht, ein neues Serviceangebot wie eine Gästewohnung bekannt zu machen. Daraus folgt, dass Marketingkonzeptionen für bestimmte Serviceleistungen oder Serviceprogramme formuliert werden können. Darüber hinaus ist zu überlegen, wie Serviceleistungen in übergeordnete Marketingkonzeptionen einzuordnen sind. Übergeordnete Marketingkonzeptionen beziehen sich dabei i. d. R. auf ein bestimmtes Leistungsprogramm und Geschäftsfeld wie z.B. das Vermietungsgeschäft. Die einzelnen Elemente einer Marketingkonzeption (Ziele, Strategien, Instrumente) weisen vielfältige inhaltliche Anknüpfungspunkte zu anderen Phasen des Service Engineering auf. Dies birgt die Gefahr von Überschneidungen und Doppelarbeiten. In der praktischen Umsetzung ist es aus diesem Grund sinnvoll, vorab eindeutig festzulegen, welche Gestaltungsfragen und -aspekte in den Zuständigkeitsbereich des Marketing fallen und welche nicht. Im Ergebnis sollte nach Möglichkeit vor der Phase der Implementierung ein Gesamtkonzept entstehen, in dem sich das Design-, das Marketingsowie ggf. auch ein Organisations- oder Personalkonzept zielorientiert zusammenfügen. 67 6.2.1 Marketingziele und -strategien In der Regel werden zusätzliche Serviceleistungen heute als Investitionen in die Beziehungen zum Mieter aufgefasst. Das Marketing gibt dazu eine Reihe von möglichen Zielgrößen vor, anhand derer der Erfolg einer Serviceinvestition beurteilt werden kann. Von Bedeutung sind hierbei vor allem die Marketingziele Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und das Unternehmensimage. Die Markt- und Kundenforschung liefert dazu empirisch messbare Kennziffern, die als Kontroll- und Steuergrößen Verwendung finden können, wie z.B. Indexwerte zur Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sowie Imageprofile oder Positionierungsschemata. Ausgehend von den übergeordneten Zielen sind servicespezifische Marketingziele in einer Marketingkonzeption festzuschreiben. Hierbei ist grundlegend zu unterscheiden zwischen ökonomischen und vorökonomischen Zielvorgaben: In den ökonomischen Zielen können quantitative Werte wie Absatz- und Umsatzzahlen vorgegeben werden, sofern die Serviceleistungen als eigenständige Absatzobjekte abgrenzbar sind und zusätzlich zu ihrer Investitionsfunktion einen direkten Deckungs- oder Gewinnbeitrag leisten sollen. Vorökonomische Ziele beziehen sich demgegenüber auf Variablen wie die wahrgenommene Qualität eines Serviceangebotes und die daraus resultierende Servicezufriedenheit. Sind die entsprechenden Zielvorgaben hinreichend präzise und kontrollierbar definiert, ergeben sich daraus konkrete Vorgaben für die Marketinggestaltung. Ein zentraler Aspekt aus marketingstrategischer Sicht ist dabei eine zielgerechte Positionierung des Serviceangebots: Hierbei ist zu überlegen, welche Leistungsmerkmale die Nachfrage nach den Serviceangeboten bestimmen und wie die entwickelten Konzepte im Verhältnis zu Angeboten von Wettbewerbern und den vermuteten Präferenzen der verschiedenen Zielgruppen einzuordnen sind. Mit berücksichtigt werden sollte ferner die jeweilige Positionierung der angebotenen Wohnformen, da diese den Produktkern und das Gesamtimage eines Wohnungsunternehmens formieren und häufig mit den Kernleistungen in einem Angebots- oder Verwendungszusammenhang stehen. 6.2.2 Marketing-Mix für wohnbegleitende Dienstleistungen Auf der operativen Ebene des Marketing wird in der Regel unterschieden zwischen der Produkt-, der Preis-, der Kommunikationsund der Distributionspolitik. Da die Produktgestaltung selbst Gegenstand des Service Design ist (vgl. Kap. 6.1), wird dieser Bereich im Folgenden nicht mehr behandelt. Preis- und Entgeltpolitik Auch wenn zusätzliche Serviceleistungen heute primär eine Investition in die Zielgrößen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung darstellen, so müssen sie dennoch nicht kostenlos erbracht werden. Viele wohnbegleitende Services sind entgeltfähig und durch eine angemessene Preisforderung lässt sich die Wirtschaftlichkeit von Servicekonzepten verbessern. Doch wie können adäquate Preise für ein Serviceangebot gefunden werden? Aus Marketingsicht unterliegt die 68 Preisbestimmung einem „magischen Dreieck“ preispolitischer Spielräume, dessen „Eckpunkte“ durch die laufenden Kosten des Serviceangebotes, die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager und die Preise von konkurrierenden Alternativangeboten gebildet werden (vgl. Abbildung 12). Abbildung 12: Preispolitisches Dreieck Kosten Wettbewerber Nachfrager – Kosten: Für eine kostenorientierte Preisfindung kommen verschiedene Kostenkategorien in Frage: So kann z.B. versucht werden, alle anfallenden Sach- und Personalkosten den einzelnen Serviceleistungen zuzurechnen. Hierzu ist ggf. auf ein Service-Blueprint oder eine Ressourcenmatrix aus dem Designprozess zurückzugreifen (vgl. Kap. 6.1). Unter Berücksichtigung der übrigen Eckpunkte des preispolitischen Dreiecks und der intendierten Wirkungen ist dann zu überlegen, in welchem Ausmaß die Entgelte die anfallenden Kosten abdecken sollen. Hierbei ist zu beachten, dass sich Serviceinvestitionen oft an Kosten- und Ertragsstellen rechnen sollen, die der Serviceleistung nicht unmittelbar zugeordnet sind (z.B. Mieterträge, Leerstands- und Fluktuationskosten, Kosten durch Vandalismus). – Preis- und Zahlungsbereitschaft der Nachfrager: Für die Preisfestlegung ist es naturgemäß sehr interessant zu wissen, wie sich der Preis auf die Nachfrage auswirkt und wo mögliche kritische Preisschwellen festzustellen sind. Eine zuverlässige und aussagekräftige empirische Erfassung von konkreten Zahlungsbereitschaften ist allerdings sehr aufwändig und methodisch zudem problematisch, wenn es sich um eine Serviceleistung mit einem hohen Neuigkeitsgrad handelt. Dennoch können durch Mieterbefragungen zumindest Anhaltspunkte für die Preisbereitschaft ermittelt werden (vgl. Kap. 8.1). – Preise konkurrierender Alternativangebote: In diesem Punkt sind nicht nur die unmittelbaren „Konkurrenzprodukte“ von Interesse, sondern alle Alternativlösungen am Markt, die auf eine ähnliche und vergleichbare Nutzenkategorie für den Kunden zielen. 69 Zur Preispolitik zählt nicht nur die reine Festlegung des Preises, sondern die Gestaltung des gesamten Preis-Leistungsverhältnisses. Damit wird der angestrebte Netto-Nutzen für den Kunden zur relevanten Richtmarke. Mit Blick auf das mögliche Sparmotiv von Nachfragern eröffnen sich in diesem Punkt für Wohnungsunternehmen u. U. besondere Handlungs- und Argumentationsspielräume. Sie verfügen über einen direkten Zugang zu einer potenziell großen Zahl von Nachfragern, was sie mit einer gewissen Verhandlungsmacht gegenüber Produkt- und Dienstleistungsanbietern ausstattet. Diese können sie zum Nutzen ihrer Bewohner einsetzen, um besonders günstige Bezugskonditionen oder Sonderrabatte für am Markt verfügbare Leistungen auszuhandeln, und sie anschließend an die Mieter weitergeben. Kommunikationspolitik Die Grundfunktion der Kommunikationspolitik ist hier, die potenziellen Nachfrager über die Leistungsinhalte und deren Bezugmöglichkeiten zu informieren und sie gleichzeitig für eine Nachfrage zu aktivieren und zu motivieren. Dazu sind prägnante Botschaften zu formulieren und geeignete Kommunikationsmedien zu finden, mit denen z.B. der Nutzen für den Bewohner und die Kompetenz des Serviceanbieters „transportiert“ werden können. Die Maßnahmen sind ggf. abzustimmen mit den Vorgaben aus übergeordneten kommunikationspolitischen Konzepten, die z.B. im Rahmen von Corporate-Identity-Konzepten oder Image-Kampagnen entwickelt wurden. Bei der Kommunikation mit den Kunden ist stets zu bedenken, dass deren Bereitschaft und Fähigkeit zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen begrenzt ist. In der modernen Mediengesellschaft werden Konsumenten täglich mit einer großen Menge an Informationsangeboten „überflutet“ und nur ein kleiner Bruchteil davon wird wahrgenommen und dauerhaft verarbeitet. Zunächst gilt es daher, die Aufmerksamkeit der Bewohner zu gewinnen, um dann gezielt durch eine einfache und prägnante Informationsvermittlung das Interesse für das Angebot zu wecken. Der Schlüssel zu Aufmerksamkeit und Interesse findet sich häufig über Emotionen und Bilder, die als Hilfsmittel zum Transport der Sachinformationen zu nutzen sind. Für eine Kommunikation von Servicekonzepten bieten sich verschiedene Instrumente an. Unter Abwägung von Kosten und Nutzenrelationen sind z.B. Flyer und Info-Broschüren als erste Informationshilfen gut geeignet. Hierbei lohnt es sich in vielen Fällen, die optische und sprachliche Gestaltung in professionelle Hände zu legen (Graphik-Designer, Werbeagenturen). Weiterhin kann in vorhandenen Kommunikationsmedien wie z.B. der Mieterzeitschrift oder über die Homepage für neue Serviceangebote und deren Bezugmodalitäten geworben werden. Sofern Serviceleistungen Bestandteil einer unternehmensweiten oder geschäftsfeldbezogenen Marketingstrategie sind, können deren Inhalte und Vorzüge auch in größer angelegten Kommunikationskampagnen herausgestellt werden. Möglichkeiten hierzu sind z.B. die Schaltung von Anzeigen in Printmedien oder Plakataktionen an Litfasssäulen, Werbeflächen an Bushaltestellen, möglichst in der räumlichen Reichweite des Geschäftsgebiets des Wohnungsunternehmens. 70 Distributionspolitik Aktivitäten im Rahmen der Distributionspolitik richten sich auf die Vermittlung einer Leistung an den Nachfrager, also in diesem Fall dem Mieter. Als mögliche Medien der Distributionspolitik für wohnbegleitende Dienstleistungen kommen sowohl Personen als auch Institutionen und/oder Technologien in Betracht: – Der Hausverwalter als „Wohndienstleister“: Hauswarte und Hausverwalter, die dezentral in den Beständen „vor Ort“ ihren Dienst versehen, können zusätzlich als „Distributionspartner“ für wohnbegleitende Dienstleistungsangebote eingesetzt werden. Dazu sind ggf. ihre herkömmlichen Tätigkeiten qualitativ aufzuwerten und auszuweiten. Der „Wohndienstleister“ kann z.B. selbst einfache Dienste für Bewohner verrichten oder entsprechende Angebote vermitteln. – Dezentrale Geschäftstellen/Mieterbüros/Concierge: Wohnungsunternehmen mit größeren, räumlich breit verteilten Beständen verfügen häufig über dezentrale Anlaufstellen für Bewohner, die auch für die Distribution von zusätzlichen Dienstleistungsangeboten genutzt werden können. – Internetseite: Heute werden auf der Homepage vieler Wohnungsunternehmen umfangreiche Informationen über das Unternehmen und seine Wohnangebote unterbreitet. Auch wohnbegleitende Dienstleistungen werden dabei zunehmend über die Homepage vermarktet. – Mieter-Card: Kundenkarten dienen in vielen Branchen als Instrument zur Kundenbindung und eröffnen den Nutzern oft den Zugang zu besonderen Serviceangeboten. Oft werden sie in Kooperation mit Servicepartnern (z.B. aus dem Einzelhandel) konzipiert und bieten Nachfragern besondere Rabattmöglichkeiten. – Niederlassungen von Kooperationspartnern: Sofern die Dienstleistungskonzepte in Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern bereitgestellt und vermittelt werden, kommen grundsätzlich auch deren Niederlassungen als Distributionspunkte in Frage. Diese sollten möglichst in oder in der Nähe jener Quartiere und Bestände liegen, in denen potenzielle Nachfrager aus dem eigenen Bestand wohnen. 71 6.3 Konzeptbewertung Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung Wie in allen Phasen des Service Engineering-Prozesses ist es auch im Service Design u.U. sinnvoll, die Ergebnisse der Gestaltungs- und Entwicklungsarbeit einer gesonderten Bewertung zu unterziehen. Gegenstand einer entsprechenden Evaluation können sowohl das Design- als auch das Marketingkonzept sein. Bei der Auswahl möglicher Bewertungskriterien und Bewertungspersonen sowie geeigneter Bewertungsverfahren sind ähnliche Aspekte von Bedeutung wie in der Phase der Ideenbewertung (vgl. Kap. 5.2). Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass am Ende der Konzeptentwicklung bereits relativ konkrete Konzepte und Vorstellungen über die Komponenten und Prozesse der neuen Dienstleistung vorliegen und die Bewertung dementsprechend detaillierter erfolgen kann. Wir unterscheiden in diesem Zusammenhang eine kundenbezogene von einer anbieterbezogenen Bewertung. – Bei der kundenbezogenen Bewertung werden bereits in frühen Phasen der Konzeptentwicklung erste Skizzen des neuen Angebots, mögliche Variationen der geplanten Leistung oder ausgewählte Leistungsbestandteile mit Instrumenten der Marktforschung getestet (vgl. Kap. 8). In Frage kommen hierfür z.B. Fokusgruppen oder standardisierte Mieterbefragungen mit vorgegebenen Antwortkategorien, mit denen grundlegende Präferenzen und Anforderungen der Mieter erfasst werden können. Dabei bieten sich qualitative Methoden besonders bei ganz neuartigen, hochinnovativen Angeboten an, da hier der begrenzten Vorstellungskraft der Kunden beispielsweise mit Hilfe von Bildern, Entwürfen für Werbematerial oder mündlichen Erläuterungen entgegengewirkt werden kann. Standardisierte Befragungen sind hingegen eher bei Servicekonzepten geeignet, die vergleichsweise wenig innovativ sind. Eine weitere Möglichkeit ist die Beratung mit dem regionalen Mieterverein und/oder unternehmensinternen Mietergremien (z.B. Mieterbeirat, Bewohnerverein) oder die Befragung von Mitarbeitern im direkten Kundenkontakt. 72 – Bei der anbieterbezogenen Bewertung geht es weniger um die marktseitige Akzeptanz der neuen oder veränderten Leistungen, sondern vielmehr um eine Abschätzung der Angemessenheit bezüglich der Unternehmensziele und v.a. um die unternehmensinterne Machbarkeit. Zu diesem Zweck können die Konzepte Mitarbeitern verschiedener Fachabteilungen zur Begutachtung vorgelegt werden, um detailliert mögliche interne Umsetzungsaspekte erfassen zu können. Mit Vertretern der Unternehmensspitze könnte z.B. die Abstimmung mit der strategischen Zielsetzung des Unternehmens geprüft werden, technologische und organisatorische Fragen sind mit der Organisations- und EDV-Abteilung zu diskutieren und wirtschaftliche Aspekte mit dem Controlling. Ergänzend kann unter Abwägung des Kosten-Nutzen-Aufwandes auch auf den Sachverstand und die Erfahrungen externer „Gutachter“ zurückgegriffen werden, die im Rahmen von Expertengesprächen eingeholt werden können. Wertvolle Gesprächspartner können ferner z.B. Vertreter von anderen Wohnungsunternehmen sein (ggf. aus einem anderen Geschäftsgebiet), die bereits über Erfahrungen mit einem ähnlichen Konzept verfügen, sowie Mitarbeiter von möglichen Kooperationspartnern aus anderen Branchen, darüber hinaus auch von Forschungsinstituten und Beratungsgesellschaften. Bei aufwändigen Entwicklungsprojekten mit großen Neuigkeitswert ist ferner zu überlegen, ob die Servicekonzepte vor ihrer eigentlichen Umsetzung einem Praxistest in ausgewählten Quartieren oder Teilbeständen ausgesetzt werden: Im Rahmen eines solchen Testlaufes können sowohl die Akzeptanz beim Mieter als auch wirtschaftliche, technische, personelle und organisatorische Umsetzungsaspekte umfassend analysiert werden. Das Risiko einer Fehlentwicklung, das sich z.B. aus vorher nicht erkennbaren Akzeptanzbarrieren oder praktischen Umsetzungsschwierigkeiten ergibt, kann damit u.U. deutlich verringert werden. 73 6.4 Checklisten: Service Design-Konzept und Marketing-Konzept Checkliste Design-Konzeption Produktdimension: Was? 1. Wer soll die Zielgruppe des Angebots sein? Was soll der Zielgruppe angeboten werden? Welche Trägerschaftsform lässt sich daraus ableiten? 2. Welche Anforderungen stellen die Mieter an das neue Angebot? Kann man diese in Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen unterteilen? 3. Mit welchen Dienstleistungseigenschaften können die Anforderungen der Mieter erfüllt werden? Welche Eigenschaften der Dienstleistung sind, gemessen an den Mietererwartungen, besonders wichtig? Prozessdimension: Wie? 1. Was sind die einzelnen Schritte zur Erbringung der Dienstleistung? 2. An welchen Stellen entsteht direkter Kontakt mit den Mietern? 3. Welche Interaktionen mit Dritten, z.B. externen Serviceanbietern, sind für die Erbringung erforderlich? 4. Was könnten kritische Stellen im gesamten Ablauf sein? Potenzialdimension: Womit? 1. Mit welchen internen/externen Personalressourcen soll die Dienstleistung erbracht werden? 2. Welche Sach- und Finanzmittel sind für die Bereitstellung und Erbringung der Leistung notwendig? 3. Welche Informations- und Kommunikationstechnik braucht es, um das neue Angebot zu vertreiben, zu erbringen und ggf. zu bewerten? 74 Checkliste Marketing-Konzeption Marketingziele und -strategien 1. Welche Ziele wurden für die Serviceentwicklung in der Phase der Situationsanalyse festgelegt? 2. Welche Ziele und Vorgaben leiten sich daraus für das Marketing ab? 3. Welche Vorgaben ergeben sich für das Marketing aus übergeordneten Marketingkonzepten (Geschäftsfeld/Gesamtunternehmen)? 4. Gibt es meßbare Kontrollgrößen für die Ziele (z.B. aus der Marktforschung oder dem Controlling)? Preispolitik 1. Welche laufenden Kosten sollen durch Serviceentgelte gedeckt werden? 2. Gibt es Informationen zur Zahlungsbereitschaft der Nachfrager (Kundenbefragungen, Erfahrungen, Literatur)? 3. Was kosten Angebote und Problemlösungen anderer Anbieter? Kommunikationspolitik 1. Wie soll die Aufmerksamkeit gewonnen und das Interesse der Nachfrager geweckt werden? 2. Welche Informationen zum Service sind zu vermitteln? 3. Welche Instrumente kommen in Frage (Flyer, Plakate)? Welche vorhandenen Medien (Mieterzeitung, Internet) können genutzt werden? Distributionspolitik 1. Inwieweit können Mitarbeiter, Flächen und Räume „vor Ort“ in den Quartieren, in dezentralen Geschäftsstellen oder in der Zentrale für die Vermittlung der Services genutzt werden? 2. Kann die Vermittlung der Services über die Internetseite forciert werden? 3. Gibt es eine „Mietercard“, die für das Angebot von Services genutzt werden kann? Ist ggf. eine Mietercard einzuführen? 75 7 Service Management – Einführung und Erbringung neuer Dienstleistungen Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Die Service Management-Phase umfasst zwei Schwerpunkte: – die interne sowie die marktliche Einführung der Dienstleistung (Implementierung) und – die kontinuierliche Bewertung und Optimierung der Dienstleistungserbringung (Assessment). Für die Implementierung des Services sind die Einbindung in die operationalen Strukturen des Unternehmens, die Gestaltung des Kundenkontakts, der Vertrieb des Services sowie die Planung der Personal-, Sach- und finanziellen Mittel festzulegen. Ein gewichtiger Aspekte hierbei ist die Trägerschaft, d.h. wer die Dienstleistung tatsächlich anbietet. Aus den Anforderungen des Design-Konzepts (vgl. Kap. 6.1.1) ergeben sich die Grundlagen zur Ermittlung der Bedarfe an Personal-, Sach- und Finanzmitteln als auch für die Gestaltung der Prozesse. Das Dienstleistungsassessment kann über die laufende Beurteilung der Akzeptanz, der Wirtschaftlichkeit sowie der Erfüllung der strategischer Ziele erfolgen. Die Akzeptanz kann in erster Linie über die Nutzung und Nachfrage des Services bestimmt werden. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit ist es wichtig, langfristig den Dienstleistungsablauf zu analysieren, Personalaufwand und die Gestaltung des Kundenkontakts zu prüfen sowie eine Kosten- und Budgetkontrolle durchzuführen. Ob eine Dienstleistung die angestrebten strategischen Ziele erfüllt, kann entweder über Mitarbeitergespräche oder durch konkrete Wirkungsmessungen erfasst werden. Im Folgenden werden einige Aspekte des Service Managements dargestellt. Diese sind jedoch nur als Möglichkeiten zu verstehen, da die Implementierung und das Assessment von den jeweiligen Unternehmensbedingungen maßgeblich bestimmt werden. Eine Standardisierung nach definierten Arbeitschritten wie in der Service Creation- und der Service Design-Phase ist hier nur sehr beschränkt möglich. 77 7.1 Einführung der Dienstleistung Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung Die Einführung einer wohnbegleitenden Dienstleistung umfasst in erster Linie die endgültige Ausgestaltung der im Service Design geplanten Trägerschaft: Außerdem geht es darum, Services in die Unternehmensorganisation zu integrieren. Im Folgenden werden diese Elemente des Service Managements dargestellt. 7.1.1 Trägerschaften von Dienstleistungen Eine zentrale strategische Frage bei der Entwicklung und Umsetzung von Dienstleistungen ist, wer die Trägerschaft für das Angebot übernimmt. Dienstleistungen anzubieten bedeutet nicht, diese immer selbst bereitstellen bzw. erbringen zu müssen. Vielmehr existiert eine Vielzahl an Möglichkeiten, Teile des Wertschöpfungsprozesses über Kooperations- oder Externalisierungsstrategien auszulagern. Aus der Entscheidung über die Trägerschaft ergeben sich erhebliche Folgewirkungen für die Handlungsspielräume beim Marketing-Mix sowie bei der konkreten Umsetzung des Dienstleistungsangebots. Zur Verbesserung der Wettbewerbssituation von Unternehmen gewinnt eine Strategie dabei zunehmend an Bedeutung: die Strategie der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit von Unternehmen. Schlagworte wie strategische Allianzen, „Joint Venture“ oder „Value Added Partnership“ dominieren derzeit die Wirtschaftspresse. Unternehmenskooperation verspricht vor allem ökonomische Effekte wie Kostensenkungen, Reduktion der Entwicklungszeit sowie Qualitätsvorteile und eine Steigerung der Innovationsfähigkeit. Allerdings stehen möglichen Chancen auch Risiken gegenüber. Sie reichen von Koordinationsschwierigkeiten über latente Konfliktsituationen bis zur Gefährdung der eigenen Wettbewerbssituation. 78 Make or buy? – Eine unternehmensstrategische Entscheidung Im Laufe des Service Engineering stellt sich für Wohnungsunternehmen zwangsläufig die Frage des „make or buy“ – also Dienstleistungen über eine Alleinangebots- oder Kooperationsstrategie zu erbringen. Die Trägerschaft von Dienstleistungen ist eine strategische Unternehmensentscheidung, die die Ausgestaltung der Dienstleistung in hohem Maße mitbestimmt. Die Entscheidung sollte deshalb vor dem Hintergrund der im Unternehmen vorhandenen Kernkompetenzen gefällt werden. Bei der Entscheidung über die Art der Dienstleistungsträgerschaft bietet es sich für die Unternehmensleitung an, die eigenen Kernkompetenzen (Know-how, Ressourcen) zu identifizieren und diese den Anforderungen zur Erbringung der angestrebten Dienstleistung gegenüber zu stellen. Zur Identifikation der Kernkompetenzen kann methodisch auf die SWOT-Analyse zurückgegriffen werden (vgl. Kap. 4.2). Von strategischer Relevanz sind alle Unternehmensressourcen, die gegenwärtig und zukünftig zum Auf- und Ausbau von Wettbewerbsvorteilen geeignet sind. Erfüllen die Kernkompetenzen diese Erfordernisse, so kann ggf. die Dienstleistung über eine Alleinangebotsstrategie umgesetzt werden. Innerhalb eines Alleinangebots kann zwischen Eigenerstellung und Fremdbezug unterschieden werden. Eigenerstellung bedeutet, dass die Dienstleistung stets und über den gesamten Prozess durch Angestellte des Unternehmens ausgeführt wird. Beim Fremdbezug tritt zwar das Unternehmen als Anbieter auf, die Dienstleistung selbst aber wird durch externe Dienstleistungspartner erbracht. Reichen die Kompetenzen hingegen nicht aus, so ist eine Kooperationsstrategie vorzuziehen. Eine Kooperationsstrategie liegt dann vor, wenn die Dienstleistungserbringung zusammen mit einem Kooperationspartner erfolgt und das Wohnungsunternehmen nicht die alleinige Schnittestelle zum Kunden ausfüllt. Damit übernimmt auch der Kooperationspartner gegenüber dem Kunden einen Teil der Verantwortung für die Dienstleistungsqualität. Das Wohnungsunternehmen öffnet den Zugang zu seinen Kunden und erwirkt einen Vertrauensvorschuss für den Kooperationspartner, profitiert aber selbst davon, dass der Sachverstand des Spezialanbieters zu einer erhöhten Leistungsakzeptanz beim Kunden führt. Im Zuge einer Externalisierungsstrategie können darüber hinaus auch die Mieter selbst in die Bereitstellung von Dienstleistungen mit eingebunden werden. Nachbarschaftsvereine, Tauschringe oder die Bereitstellung eines Gerätepools sind mögliche Dienstleistungen, die an Mieter delegiert bzw. von Mietern koordiniert werden können (vgl. Kap. 3.3). 79 Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die grundlegenden Gestaltungsoptionen der Trägerschaft von wohnbegleitenden Dienstleistungen. Abbildung 13: Beispielhafte Trägerschaften wohnbegleitender Services Formen der Dienstleistungsträgerschaft Alleinangebotsstrategie Kooperationsstrategie Externalisierungsstrategie Eigenerstellung Fremdbezug Koproduktion Vermittlung Delegation Koordination Zentral Gästewohnungen Umweltberatung Notrufdienste Assoziierte Unternehmen Immobilienservice Reinigungsservice Concierge Einkaufsrabatte Joint Venture EnergieContracting PC-Service (Verkauf) Empfehlung: Versicherungsservice Weiterbildungskurse Individuelle Eigenleistung Gerätepool Renovierung Gemeinschaftliche Eigenleistung Mietertreffs Nachbarschaftsverein Tauschringe Gerätverleih Dezentral Concierge Geräteverleih Hauswart Car-Sharing Verrichtung durch Dritte Gartenpflege Reparaturservice Weiterbildungskurse Urlaubsangebote Strategische Allianzen Kabelnetz Car-Sharing Verkauf: ÖPNV-Tickets Theater/KinoTickets Urlaubsangebote Zwischen den einzelnen Formen der Trägerschaft können sich auch Überschneidungen ergeben, wenn sich für bestimmte Phasen des Dienstleistungsprozesses eine andere Organisationsform anbietet. So kann beispielsweise eine Energieberatung in dezentraler Eigenerstellung vom Hauswart übernommen werden, während die daran anschließenden technischen Leistungen (z.B. Anbringen neuer Lampen, Einbau energiesparender Elektrogeräte) über externe Dienstleister wie Handwerker oder Elektrohandel erbracht werden können. Ebenso können z.B. Conciergedienste in Kooperation mit einem professionellen Anbieter oder vom Unternehmen zusammen mit Mietern erbracht werden. Die Frage, welche Trägerschaft sich für welche Dienstleistung anbietet, lässt sich somit nicht pauschal beantworten. Dennoch lassen sich einige grundlegende Aspekte festhalten: Für eine Alleinangebotsstrategie bieten sich Leistungen an, die eine hohe Affinität zur Kernleistung des Unternehmens aufweisen. Bei Wohnungsunternehmen also Dienstleistungen, die in einem engen Bezug zum Wohnen stehen. Hierzu zählen Beratungsleistungen wie die Schuldnerberatung, Gästewohnungen oder ein zentraler Notrufdienst. 80 Die Kooperationsstrategie scheint insbesondere für Leistungen geeignet, welche nicht unmittelbar an der Wohnungsbewirtschaftung anknüpfen, sondern eher peripherer Natur sind. Sie erfordern in Wohnungsunternehmen oftmals nicht vorhandene Kompetenzen, die sich kurz- bis mittelfristig nur mit hohen Investitionskosten aufbauen lassen. Durch Kooperationen lassen sich zudem Marktzutrittsbarrieren (z.B. rechtliche Restriktionen bei Finanzdienstleistungen) umgehen und erhebliche Leerkosten bei einer mangelnden Auslastung von Service-Einrichtungen vermeiden. Für die Zusammenarbeit mit externen Partnern ist der Abschluss eines Kooperationsvertrags zu empfehlen. Der Kooperationsvertrag umfasst die jeweiligen Rechte und Pflichten der Vertragspartner; er sollte prinzipielle Aspekte der Leistungserbringung und -qualität, des Schadenersatzes usw. enthalten. Eine Einbindung von Mietern bei der Dienstleistungserbringung bietet sich vor allem in den Bereichen an, bei denen weder Einnahmen aus, noch Investitionen in ein Dienstleistungsangebot möglich sind. Die insbesondere bei Genossenschaften verankerte Kultur von Gemeinschaftsaktivitäten sowie die Koordinierung von Diensten „von Nachbar zu Nachbar“ gewinnen angesichts immer knapper werdender Budgets in der Wohnungswirtschaft immer mehr an Bedeutung. Die Einbindung von Mietern in die Dienstleistungserbringung kann zu einem unternehmensstrategischen Instrument des Stadtteil- bzw. Quartiersmanagements ausgebaut werden. 7.1.2 Einbindung der Dienstleistung in die Unternehmensorganisation Die zentrale Aufgabe des Service Managements ist die Einbindung der neuen Dienstleistung in die interne Unternehmensorganisation. Hierfür kann man an vielen Ergebnissen und Materialien der Service Design-Phase anknüpfen, um in einem ersten Schritt eine interne Dienstleistungsdokumentation zu erstellen. Diese Dokumentation umfasst eine Beschreibung, was die Dienstleistung ist, wie sie erbracht wird und welche Ressourcen benötigt werden. Diese Dokumentation sollte sukzessive um alle dienstleistungsrelevanten Informationen erweitert werden wie z.B. Kooperationsverträge, Kostenanalysen oder Kundenäußerungen. Das Prozessmodell aus dem Service Design kann zudem genutzt werden, um die organisatorischen Maßnahmen zu planen, die bei der Einführung neuer und umgestalteter Dienstleistungen nötig werden. Dabei ist vor allem die Frage nach Verantwortlichkeiten, Berichtspflichten oder regelmäßiger Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen von Bedeutung. Die Übertragung von Entscheidungskompetenzen sollte genau festgelegt und frühzeitig kommuniziert werden. Zur Bestimmung der Tätigkeiten bei der Erbringung der Dienstleistungen können Checklisten erstellt oder Dokumentationen von Geschäftsprozessen verfasst werden. Checklisten sind bei allen Prozessen sinnvoll, die eine Vielzahl von Tätigkeiten umfassen (z.B. bei Abschluss eines Mietvertrages über Kooperationen informieren, Kundenkarte anbieten, Service-Nummer mitteilen etc.). Dokumentationen sind hingegen für komplexere Dienstleistungen wie z.B. die Umbauberatungen für ältere Mieter besser geeignet. Aus dem Ressourcenmodell des Service Designs ergeben sich die Anforderungen an Personal, Sachmittel sowie Finanzierung. Innerhalb des Personalmanagements wird nun festgelegt, wie mit den vorhandenen bzw. mit neu einzustellenden Mitarbeitern die Dienstleistungen effizient angeboten werden können. 81 Hierbei sollten ebenfalls entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen in die Planung miteinbezogen werden. Darüber hinaus ist der Aufwand für den Dienstleistungsvertrieb sowie die Pflege von Kooperationen abzuschätzen. Häufig werden gerade die begleitenden Tätigkeiten wie Marketing, Berichtswesen oder die Suche nach Kooperationspartnern zeitlich unterschätzt. Die für die Dienstleistungserbringung erforderlichen Sachmittel, wie Räumlichkeiten oder Geräte, werden zwar in der Service Design-Phase erfasst, die konkrete Umsetzung wie z.B. die Einrichtung einer Concierge fällt aber in die Phase des Service Management. Weiterhin ist ein Finanzierungsplan für die Dienstleistungserbringung zu erstellen, um frühzeitig finanzielle Potentiale wie Risiken zu erkennen. Anders als bei Produktangeboten stellt sich die Kalkulation von wohnbegleitenden Dienstleistungen meist schwieriger dar, da häufig indirekte Erträge erwirtschaftet werden, wie z.B. eine erhöhte Kundenbindung oder verminderter Vandalismus. Basis hierfür sind das Prozess- und Ressourcenmodell, anhand dessen der Aufwand näher bestimmt werden kann. Die gesamte Preis- und Entgeltgestaltung ist Teil der Marketingkonzeption (vgl. Kap. 6.2.2). Ein weiterer Teil des Service Management ist das „Management des Service Engineerings“. In den meisten Unternehmen werden kontinuierlich Dienstleistungen abgelöst und neue eingeführt. Um diesen Prozess effizient zu gestalten, muss vor allem das Know-how der Dienstleistungserbringung und des Service Engineering erhalten bleiben. Dieses Know-how kann durch eine kontinuierliche Sammlung aller Informationen und Tätigkeiten zur Entwicklung, Einführung und Erbringung der Dienstleistungen erhalten bleiben. Zumindest bei größeren Unternehmen sollte dies in Form von Dienstleistungsdokumentationen erfolgen, die z.B. von der Marketingabteilung betreut werden. Zur Verwaltung der Dienstleistungsdokumentationen kann das Intranet genutzt werden, um den Kommunikationsfluss im Unternehmen zu verbessern und parallele Tätigkeiten zu vermeiden. In kleineren Unternehmen können auch „Dienstleistungsakten“ im Intranet geführt werden, die nur die wichtigsten Informationen enthalten. Für die Steuerung des Entwicklungsprozess bieten sich verschiedene Lösungen an. In größeren Unternehmen sollte es eine zentrale Projektstelle geben, die das Know-how des Unternehmens bündelt, die Entwicklung von Dienstleistungen koordiniert und auch gezielte Hilfestellungen bei der Entwicklung geben kann. Hierzu sind Mitarbeiter notwendig, die sich mit den verschiedenen Methoden des Service Engineering auskennen. Bei kleineren Unternehmen empfiehlt es sich, Know-how extern zu beziehen. 82 7.2 Dienstleistungsassessment Situationsanalyse Service Creation Service Design Service Management Gestaltung Ziel, Umfeld, Portfolio Ideenfindung Konzeptentwicklung Servicebereitstellung Bewertung Bewertung der Situation Ideenbewertung Konzeptbewertung Servicebewertung Das Dienstleistungsassessment hat das Ziel, eine gleich bleibend hohe Qualität des Services zu gewährleisten. Dabei sind für wohnbegleitende Dienstleistungen zwei Dimensionen von Bedeutung: – Die Einschätzung der Prozesse aus der Unternehmenssicht während der Dienstleistungserbringung sowie – die Beurteilung der erfolgten Leistung bzw. des Ergebnisses aus der Kundensicht Ziel der Prozessbewertung ist es, Defizite zu erkennen und die Dienstleistungen zu verbessern. Die Dokumentation der Leistungsinhalte, der dazugehörigen Prozesse und der entsprechenden Ressourcen für jede Dienstleistung (vgl. Kap. 6.1) ist hierfür ein wichtiges Hilfsmittel. Um Dienstleistungsprozesse und -ergebnisse zu bewerten, können abermals die Kriterien Wirtschaftlichkeit, Akzeptanz und strategische Zielsetzung hinzugezogen werden. Die Akzeptanz ist ein Indikator für die Ergebnisqualität aus Sicht des Kunden (vgl. Kap. 8). Aus Unternehmenssicht ist am wichtigsten, ob die strategische Zielsetzung als „Ergebnis“ erreicht wurde und ob die Prozesse wirtschaftlich sind. Beurteilung der Wirtschaftlichkeit Die Prozesse zur Dienstleistungserbringung können nur optimiert werden, wenn eine fortlaufende Kontrolle der wichtigsten Parameter erfolgt. Hierfür sollte zunächst der Dienstleistungsablauf analysiert und der Aufwand für Personal überprüft werden. Darauf aufbauend kann die Gestaltung des Kundenkontakts untersucht sowie eine Kosten- und Budgetkontrolle durchgeführt werden. 83 – Dienstleistungsablauf analysieren: Anhand des Blueprints der Dienstleistung kann der Dienstleistungsablauf analysiert werden (vgl. Kap. 6.1.2). Die Beobachtung des Dienstleistungsablaufs in der Praxis kann zeigen, ob z.B. Erreichbarkeiten geändert, andere Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt oder neue Interaktionsmöglichkeiten wie das Internet genutzt werden sollten. – Personalaufwand prüfen: Veränderungen der Nachfrage oder der Leistungsinhalte können dazu führen, dass der geplante Personalaufwand nicht mit dem tatsächlichen Aufwand übereinstimmt. Sofern diese Änderungen nicht dokumentiert werden, müssen Leistungsinhalte und Prozesse neu erfasst werden. – Kundenkontakt prüfen: Häufen sich Beschwerden oder ergibt eine Analyse der Akzeptanz der Dienstleistung Hinweise, dass das Angebot nicht wie geplant angenommen wird, sollte auch der Kundenkontakt geprüft werden. Hierzu ist es jedoch notwendig, die Ursachen genauer zu bestimmen, um Alternativen oder Optimierungsmöglichkeiten zu erwägen. – Kosten- und Budgetkontrolle: Im Service Design wurden im Rahmen des Marketing auch die Kosten für die Dienstleistung und das Budget der erbringenden Stelle festgelegt. Im allgemeinen lassen sich die Kosten und Einnahmen nicht präzise planen, so dass eine kontinuierliche Budgetkontrolle notwendig ist. Ergeben sich Abweichungen, sind die Ursachen zu analysieren und die Preispolitik entsprechend zu verändern. Es sollte zudem auch kontinuierlich geprüft werden, in welchem Umfange neue Finanzierungsquellen erschlossen werden können wie z.B. Förderprogramme von Bund, Ländern und EU. Erfassung der Akzeptanz In Bezug auf das Nachfragerverhalten können die Nutzungsgewohnheiten (wie oft? wann?) und die jeweiligen Zielgruppen analysiert werden. Während die quantitative Nutzung eines Dienstes über Aufzeichnungen der Mitarbeiter häufig problemlos zu erfassen sind, ist die Zuordnung und Analyse von Zielgruppen aufwändiger. Hierzu werden in erster Linie Methoden der Kundenbefragung (vgl. Kap.8) eingesetzt. Die Mitarbeiter, die „vor Ort“ tätig sind, wissen häufig viel über die Nutzung von Dienstleistungen und können meistens auch qualitative Aussagen über das Nachfragerverhalten machen. So kann z.B. ein Hauswart oft beurteilen, ob die Bewohner von einem Dienst begeistert oder enttäuscht sind und welche Bewohnergruppen den Dienst am meisten bzw. gar nicht in Anspruch nehmen. Überprüfung der strategischen Zielsetzung Dienstleistungen der Wohnungswirtschaft sollen häufig indirekte Erträge erzielen wie z.B. eine erhöhte Kundenbindung oder eine soziale Stabilisierung von Quartieren. Aus diesem Grund eignen sich die üblichen Ertragsrechnungen bei wohnbegleitenden Dienstleistungen nur ansatzweise, um deren Erfolg zu bestimmen. Trotz des Mangels an „hard facts“ sollte aber dennoch eine Überprüfung statt 84 finden, um zu bestimmen, inwieweit die Dienstleistung zur angestrebten strategischen Zielsetzung beiträgt. Wenn eine Dienstleistung, wie z.B. ein Quartiersfest, zur Kundengewinnung beitragen soll, könnte beispielsweise bei Abschluss des Mietvertrags gefragt werden, ob der Service dem neuen Mieter bekannt ist. Bei der Betreuung von Jugendlichen, die z.B. Vandalismus vorbeugen soll, können auch Mitarbeiter „vor Ort“ zu tatsächlichen Wirkungen befragt werden. 85 7.3 Checkliste Service Management Einführung der Dienstleistung 1. Mit Hilfe welcher Trägerschaftsform (Alleinangebot, Kooperation, Externalisierung) kann die Dienstleistung prinzipiell angeboten werden? 2. Was sind die Kernkompetenzen des Unternehmens und welche Form der Trägerschaft leitet sich daraus ab? 3. Welche internen bzw. externen organisatorischen, personellen und finanziellen Anforderungen ergeben sich aus der gewählten Trägerschaft? 4. Wie können die Anforderungen in der bestehenden Unternehmensorganisation am effizientesten berücksichtigt werden? Dienstleistungsassessment 1. Welche Dienstleistungsprozesse können wie verbessert werden? 2. Sind die jeweiligen Mitarbeiter ausreichend vorbereitet und qualifiziert für ihre jeweilige Tätigkeit? 3. Nehmen die Mieter die Dienstleistung an? Sind sie zufrieden mit ihr? 4. Kann die Dienstleistung hinreichend wirtschaftlich erbracht werden? 5. Erfüllt der Service auch tatsächlich seine strategische Zielsetzung? 6. Welcher Verbesserungsbedarf ergibt sich aus Problemen bei der Dienstleistungserbringung? 86 8 Markt- und Kundenforschung 8.1 Ziele und Einsatzfelder der Markt- und Kundenforschung im Service Engineering Ein zentraler Erfolgsfaktor des Service Engineering ist die Kundenorientierung. Für deren Umsetzung bedarf es gesicherter Informationen über die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden. Es ist Aufgabe der Markt- und Kundenforschung, diese Informationen zu erheben und für die Entwicklung von Dienstleistungen bereitzustellen. Welche Methoden und Instrumente hierbei zum Einsatz kommen können und welche Arbeitsschritte speziell bei der Planung und Umsetzung von Kundenbefragungen zu absolvieren sind, ist Gegenstand des folgenden Abschnittes. Bei der Planung einer Marktforschungsstudie können grundsätzlich die folgenden Vorbereitungsschritte unterschieden werden, in der die jeweils aufgeführten Fragen zu beantworten sind: 1. Definition des Entscheidungsproblems: Für welche Entscheidung werden Informationen benötigt? 2. Erkennung und Definition des Informationsbedarfs: Welche Informationen werden in welcher Art und in welchem Umfang für die Entscheidung benötigt? 3. Bestimmung der Informationsquellen: Aus welchen Quellen sollen die Information gewonnen werden? Reicht eine Auswertung vorhandener Studien (Sekundärforschung) oder bedarf es spezieller Erhebungen zum jeweiligen Entscheidungsproblem (Primärforschung)? 4. Bestimmung des Marktforschungsdesigns: Wer soll befragt werden (z.B. Kunden, Mitarbeiter, Experten)? Wie soll gefragt werden (z.B. mit offenen Fragen oder mit vorgegebenen Kategorien)? Mit welcher Methoden soll gefragt werden (z.B. schriftlich, mündlich)? 87 5. Gestaltung des Erhebungsrahmens: Wer führt die Erhebung durch? Wie erfolgt die Auswertung, Aufbereitung und Dokumentation der Ergebnisse? Im Rahmen des Service Engineering richtet sich die konkrete Beantwortung der oben aufgeführten Fragen danach, in welcher Phase des Entwicklungsprozesses sich ein Unternehmen gerade befindet. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft und im Überblick, welche Entscheidungsprobleme, Informationsbedarfe und instrumentellen Umsetzungsmöglichkeiten in welcher Phase von Relevanz sein können. Tabelle 8: Markt- und Kundenforschung im Service Engineering Phase / Entscheidung Situationsanalyse Festlegung von Zielen und Handlungsfeldern für die Serviceentwicklung Service Creation Auswahl von Serviceideen Service Design Auswahl von Servicekonzepten Implementierung und Bereitstellung Fortführung, Modifikation, Veränderung des Serviceangebots 88 Informationsbedarf Instrumente Wo liegen Stärken und Schwächen des Leistungsangebotes? Welche Herausforderungen stellen sich den Unternehmen? Auswertung von Sekundärquellen (Markt- und Umfeldanalysen) Befragungen laufender und ehemaliger Kunden Auswertung der Kommunikation mit den Kunden Experten-/Mitarbeiterbefragungen Konkurrenzanalyse Welche Ideen haben Bewohner? Wie bewerten Bewohner Service Ideen? Beteiligung von Bewohnern an Kreativitätsworkshops Kundenbefragungen Welche Anforderungen stellen Kunden an ein bestimmtes Service Konzept? Wie bewerten Kunden konkrete Servicekonzepte? Auswertung der Kommunikation mit den Kunden Auswertung von Kundenbefragungen zu verwandten Themen Direkte Kundenbefragungen Beteiligung von Bewohnern an Konzeptworkshops Wie bewerten Kunden das laufende Serviceangebot? Wie ist die Zielerreichung? Auswertung der Kommunikation mit den Kunden Kundenbefragungen zur wahrgenommenen Servicequalität Die Durchführung einer aussagekräftigen Markt- und Kundenforschung ist mit einem oft nicht unerheblichen Aufwand und hohen Kosten verbunden. In der Praxis können daher selten alle Möglichkeiten der Marktforschung genutzt werden und es müssen Prioritäten gesetzt werden. Auch in den einzelnen Phasen des Service Engineering ist es sinnvoll, die jeweiligen Kosten-Nutzen-Relationen abzuwägen und die Schwerpunkte z.B. dort zu setzen, wo das größte Entscheidungsrisiko besteht. Je aufwändiger die Entwicklung einer Serviceleistung ist und je schwerer die möglichen Konsequenzen einer Entscheidung wiegen, desto eher rechnet sich der Aufwand für eine Studie. Im Einzelfall hängt die Entscheidung darüber, wo und in welchen Bereichen Erhebungen durchgeführt werden, natürlich von den spezifischen Merkmalen des Unternehmens, seiner Umfeldsituation und dem jeweiligen Serviceprodukt ab. Grundsätzlich aber bieten sich Investitionen in die Marktforschung vor allem in der Phase des Service Design an. Hier liegen bereits konkrete Konzepte vor, die einer detaillierten Bewertung unterzogen werden können und deren Absatzchancen schon relativ realistisch abzuschätzen sind. Darüber hinaus ist für Unternehmen auch unabhängig von Projekten zum Service Engineering wichtig und hilfreich zu wissen, wo die relativen Stärken und Schwächen in der Servicequalität liegen. Laufende und vergleichende Zufriedenheitsanalysen sind somit nicht nur für die Festlegung von Zielen und Handlungsfelder des Service Engineering von Bedeutung. Sie bieten außerdem für die gesamte Unternehmenssteuerung eine wichtige Information zur Entscheidungsunterstützung. 89 8.2 Kundenbefragungen als Marktforschungsinstrument im Service Engineering Kundenbefragungen sind ein mögliches Mittel, um Informationen über den Kunden zu erheben und diese systematisch in den Prozess der Dienstleistungsentwicklung zu integrieren. Sie sind jedoch kein einfaches und allgemeingültiges „Patentrezept“. Sie sollten sorgfältig geplant und mittels geeigneter Methoden umgesetzt werden. Die Ergebnisse von Kundenbefragungen müssen kompetent interpretiert und ausgewertet werden. 8.2.1 Erhebungen mit einem standardisierten Fragebogen Häufig werden Kundenerhebungen mit Hilfe eines Fragebogens durchgeführt, in dem standardisierte Fragen und Antwortkategorien zu ausgewählten Kennziffern (z.B. Mieterzufriedenheit) vorgegeben werden. Dadurch ist es möglich, eine große Zahl von Kunden zu befragen und z.B. repräsentative Einsichten in die Meinungen und Verhaltensintentionen innerhalb des gesamten Kundenstamms eines Unternehmens zu gewinnen. Ferner sind die Antworten so zu „codieren“, dass statistische Kennziffern (z.B. Mittelwerte, Häufigkeiten) berechnet und verglichen werden können. Die in den quantitativ ausgerichteten Befragungen gewonnenen Informationen zeichnen sich vor allem durch eine hohe Gültigkeit und Zuverlässigkeit aus. Tiefergehende und komplexe Informationen können damit jedoch kaum erhoben werden. Die Güte der Daten geht somit zu Lasten des Informationsgehaltes. Folglich unterstützen solche Studien eher grundsätzliche und strategische Entscheidungen, weniger jedoch die Details der Leistungsgestaltung. Im Rahmen des Service Engineering kommen sie daher vor allem in der Phase der Situationsanalyse zum Einsatz sowie als laufendes ControllingInstrument in der Phase des Service Management (s. Tabelle 8). 90 Bei der Festlegung des Befragungsdesigns sind vor allem die folgenden Punkte von Bedeutung. Festlegung der Befragungsform Quantitative Befragungen mit standardisierten Fragebögen können schriftlich, über das Telefon oder mündlich mittels Interviewer durchgeführt werden. Jede der genannten Befragungsform weist eine Reihe von spezifischen Vor- und Nachteilen auf (vgl. Tabelle 9). Für welche Befragungsform letztlich die Entscheidung fällt, ist eine Frage der verfügbaren finanziellen Mittel und der in einem Wohnungsunternehmen vorhandenen Kompetenzen. Sofern die notwendigen Fachkenntnisse, Erfahrungen und Technologien im Unternehmen selbst nicht verfügbar sind, empfiehlt es sich, auf die Dienste spezialisierter Marktforschungsinstitute zurückzugreifen. Tabelle 9: Befragungsformen im Vergleich Telefonische Befragung Schriftliche Befragung Persönliches Interview Hoch (+) Tendenziell niedrig, aber beeinflussbar (-) Hoch (+) Kosten Mittel (+/-) Gering (+) Hoch (--) Kontrolle der Erhebungssituation Gut (+) Gering: Wer füllt den Fragebogen wirklich aus? (-) Gut (+) Objektivität der Ergebnisse Interviewereinfluss (-), Hoch (+) aber kontrollierbar Antwortrate Externe Unterstützung Notwendigkeit gegeben (-) Nicht zwingend notwendig, aber sinnvoll (+) Problematisch: Interviewereinfluss (-) Notwendigkeit gegeben (-) Entwicklung des Fragebogens Die genauen Inhalte eines Fragebogens sollten sich unmittelbar aus den Zielen eines Marktforschungsprojektes ergeben. Wie bereits erwähnt, können z.B. mit standardisierten Fragebögen die Stärken und Schwächen eines bestehenden Produkt- und Serviceangebotes aus Kundensicht identifiziert werden. In einem solchen Fall sollten den Kunden im Fragebogen detailliert die relevanten Qualitätsmerkmale des Leistungsangebotes zur Bewertung vorgegeben werden. Die folgende Abbildung illustriert dies beispielhaft anhand der Servicequalität in der zentralen Mieterbetreuung: 91 Abbildung 14: Fragen zur Bewertung der zentralen Mieterbetreuung Bitte sagen Sie uns, wie Sie die Mitarbeiter in der Zentrale Ihres Wohnungsunternehmens hinsichtlich der folgenden Aspekte beurteilen: sehr gut 1 2 3 4 5 sehr keine schlecht Angabe 6 Freundlichkeit Zuverlässigkeit Kompetenz Erreichbarkeit Verständnis für Mieterprobleme Betreuung durch die Mitarbeiter in der Zentrale insgesamt Analog zum Beispiel in der Abbildung können zentrale und kritische Merkmale der Wohnung, des näheren und weiteren Wohnumfeldes, der Nachbarschaft, der zentralen und dezentralen Mieterbetreuung, des technischen Service sowie der Beschwerdebehandlung zur Bewertung vorgegeben werden. Zusätzlich ist ggf. global nach der Gesamtzufriedenheit zu fragen. Deren Ermittlung ist hilfreich, um zum einen aggregierte Vergleiche vornehmen zu können (z.B. zwischen Teilstandorten oder Unternehmen) und um zum anderen durch eine Gegenüberstellung von Gesamt- und Teilurteilen mögliche Bedeutungsgewichte für Einzelattribute und Teilqualitäten statistisch berechnen zu können. So ließe sich z.B. feststellen, welche relative Bedeutung der Service für die Gesamtzufriedenheit im Vergleich zu anderen Leistungsbestandteilen hat. Darüber hinaus empfiehlt es sich auch, zusätzlich offene Antwortmöglichkeiten zuzulassen, da sich gerade daraus spezifische Anregungen für neue Serviceideen gewinnen lassen. Standardisierte Befragungen können auch dafür genutzt werden, für ausgewählte Serviceangebote Nutzungswahrscheinlichkeiten und Zahlungsbereitschaften zu ermitteln. Bei der Auswertung solcher Angaben ist allerdings zu beachten, dass daraus allenfalls relativ grobe und grundsätzliche Präferenzen und Vorlieben der Befragten abgeleitet werden können. Ansprache der Teilnehmer Der Erfolg einer Kundenerhebung hängt immer wesentlich von der Fähigkeit und der Motivation der anvisierten Teilnehmer ab, sich in der Befragung detailliert, offen, ehrlich und kompetent zu äußern. Durch die Art und Weise der Befragungsgestaltung und insbesondere der Ansprache der Teilnehmer kann auf diese Erfolgsfaktoren gezielt Einfluss genommen werden. Von zentraler Bedeutung ist hierbei zunächst, den Aufwand für die Betroffenen so gering wie 92 möglich zu halten. So sollte eine standardisierte Befragung – unabhängig davon ob sie schriftlich, telefonisch oder in Form von persönlichen Interviews durchgeführt wird – nicht länger als 20 Minuten dauern. Die Fragen sollten klar und verständlich, möglichst auch anregend und motivierend formuliert sein. U. U. können zusätzlich finanzielle Anreize oder kleine Präsente die Teilnahmebereitschaft fördern, nähren allerdings auch die Gefahr eines opportunistischen und unehrlichen Antwortverhaltens. Zur Förderung der Teilnahmebereitschaft ist außerdem überzeugend und glaubwürdig zu vermitteln, dass die Angaben der Befragten streng vertraulich und anonymisiert behandelt, die Daten nicht an Dritte weitergeleitet und die Ergebnisse weder zur Drangsalierung von Mitarbeitern noch zur Ausspähung von unliebsamen Mietern benutzt werden. Die Beteiligung eines unabhängigen Partners kann hierbei die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit des Anliegens wesentlich erhöhen. Hilfreich sind ferner schriftliche Vorankündigungen und Begleitschreiben, in denen der Nutzen und die Ziele der anstehenden Untersuchung nachvollziehbar und verständlich erläutert werden. Festlegung der Stichprobe In der Regel ist es weder notwendig noch finanzierbar, alle Kunden eines Unternehmens zu befragen. Meist reicht eine repräsentative Auswahl von Bewohnern aus, um zu zuverlässigen und gültigen Schätzungen zu gelangen. Die Stichprobe sollte sich dann so zusammensetzen, dass sie ein möglichst genaues Abbild der Gesamtkundschaft wiedergibt. Dabei sind sowohl die demographischen Merkmale der Kunden (z.B. Alter, Haushaltsgröße) als auch die räumliche Verteilung des Bestandes in die Stichprobenbildung mit einzubeziehen. Die Stichprobenziehung kann dann z.B. nach dem sog. „geschichteten Zufallsverfahren“ erfolgen. Zunächst wird dazu festgelegt, welche Teilbestände (z.B. Stadtteile, Quartiere, Orte) in der Studie untersucht werden sollen und wie viele Fragebögen in den Teileinheiten einzusetzen sind. Um zu hinreichend gültigen Einsichten zu gelangen, sollten pro Untersuchungseinheit später ca. 40 bis 50 verwertbare Antworten vorliegen. Bei einer schriftlichen Befragung bedeutet dies z.B., dass pro Untersuchungseinheit – bei einer angenommenen Rücklaufquote von 25% – mindestens 160 Fragebögen zu verschicken sind. Sofern der jeweilige Teilbestand mehr Haushalte aufweist als Fragebögen einzusetzen sind, sollte die weitere Auswahl der zu Befragenden dann nach einem Zufallsverfahren vorgenommen werden. Auswertung und Nutzung der Ergebnisse für das Service Engineering Um für die Serviceentwicklung und -gestaltung effektive Einsichten zu gewinnen und konkrete Maßnahmen begründen zu können, müssen die Ergebnisse einer Kundenbefragung sorgfältig ausgewertet und interpretiert werden. Zu diesem Zweck steht ein umfangreiches Arsenal an Auswertungsinstrumenten (z.B. Berechnung von Indizes, Vergleich von Mittelwerten, Regressions- und Faktorenanalyse) und Darstellungsformen (z.B. Diagramme, Tabellen, Texte) zur Verfügung. 93 Standardisierte Befragungen liefern Informationen von eher grundsätzlicher und strategischer Bedeutung (siehe oben). Unter anderem bieten sie eine Entscheidungsunterstützung für die Zielbestimmung im Service Engineering, indem z.B. aggregierte Kennziffern über die Kundenzufriedenheit, die wahrgenommene Servicequalität und das Ausmaß der Kundenbindung berechnet werden können. Darüber hinaus lassen sich Anregungen und Hinweise ableiten, wo und wie im Rahmen der Servicepolitik anzusetzen ist, um die gewünschten Ziele effektiv und wirtschaftlich erreichen zu können. Die Abbildung 15 illustriert am Beispiel von durchschnittlichen „Benotungen“ verschiedener „Teilqualitäten“ des Wohnens, wie Vergleichsdaten optisch für verschiedene Standorte (oder auch Unternehmen) aufbereitet werden können. Der detaillierte Vergleich zeigt, wo die relativen Stärken und Schwächen im Leistungssystem aus Kundensicht zu verzeichnen sind, und zwar sowohl in räumlicher (Standorte, Quartiere) als auch in inhaltlicher Hinsicht (Teilqualitäten und Einzelattribute, z.B. Imagemerkmale des weiteren Wohnumfeldes). Eine solche Analyse liefert damit nützliche Informationen für die Entscheidung über mögliche Handlungsfelder für Serviceprojekte, mit denen z.B. die Stärken des Angebotes ausgebaut und hervor gehoben und/oder mögliche Schwächen kompensiert werden können. So könnte z.B. eine relativ schlechte Beurteilung der „dezentralen Mieterbetreuung“ an einem bestimmten Standort als Anregung für die Entwicklung von Verbesserungen und Weiterentwicklung in diesem Bereich genutzt werden. Dies kann z.B. bedeuten, dass die Aufgaben und Funktionen des klassischen Hauswartes neu definiert und erweitert werden. Abbildung 15: Beispielhafte Bewertungsergebnisse Qualität der Wohnung Qualität des näheren Wohnumfeldes Nachbarschaftliches Verhältnis Qualität des weiteren Wohnumfeldes Zentrale Mieterbetreuung Dezentrale Mieterbetreuung Technischer Service Beschwerdebehandlung 2 Standort Standort Standort Standort 94 A B C D 2,2 2,4 2,6 2,8 3 3,2 3,4 3,6 Bewertungen von „1 = sehr gut“ bis „6 = sehr schlecht“ (Schulnotenskala) 3,8 4 Aus einer standardisierten Befragungsaktion lassen sich für das Service Engineering außerdem wichtige Informationen über verschiedene Zielgruppen der Serviceangebote gewinnen. Von wesentlicher Bedeutung ist hier z.B. das Alter der Befragten, ferner auch das Vorhandensein von Kindern und/oder die berufliche Situation der Haushaltsmitglieder. So stoßen z.B. ausgefallene und ungewöhnliche Serviceaktionen eher bei jüngeren Kunden auf Interesse, während Bewohner im Seniorenalter häufig einen ausgeprägten Bedarf an Serviceangeboten im Bereich Pflege und Gesundheit aufweisen. Sofern konkret nach Nutzungsinteressen und Zahlungsbereitschaften für ausgewählte Zusatzleistungen gefragt wurde, ist zu bedenken, dass die Angaben allenfalls ungefähre Hinweise liefern (siehe oben). Die tatsächliche Nachfrage nach Serviceangeboten weicht in der Realität von zuvor bekundeten Nutzungswünschen erheblich ab. Die Diskrepanz hängt davon ab, wie konkret die Leistungsmerkmale und möglichen Preise in einem kurzen Fragebogen dargestellt und vermittelt werden können. Die Abbildung 16 zeigt beispielhaft, wie abgefragte Nutzungswünsche graphisch wiedergegeben werden können. Abbildung 16: Nutzungswahrscheinlichkeiten wohnbegleitender Services Wohnbegleitende Dienstleistungen: Anteil der Befragten in %, die eine Nutzung gegen Entgelt für „ganz sicher“, „wahrscheinlich“ oder „eher wahrscheinlich“ halten. Treppenhausreinigung Kleinere Handwerks- und Reparaturarbeiten Altengerechte Umgestaltung Wohnung Installation Alarmeinrichtung (Wohnungsnotruf) Pflegedienste für Ältere und Senioren Größere Renovierung Schönheitsreperaturen Umzugsservice Internetzugang Sportraum/Sauna 0 25 50 75 100 Ja, ganz sicher Wahrscheinlich Eher wahrscheinlich 95 8.2.2 Fokusgruppen Gespräche mit sogenannten Fokusgruppen sind eine qualitative Form der Markt- und Kundenforschung. Unter der Anleitung und Gesprächsführung eines geschulten und professionellen Moderators diskutieren dabei ausgewählte Kunden in Gruppen von ca. 7 bis 10 Teilnehmern über ein vorgegebenes Thema. Die Diskussion wird protokolliert oder laufend per Video oder Tonbandmitschnitt dokumentiert und hinterher inhaltsanalytisch ausgewertet. Im Gegensatz zu den im vorherigen Abschnitt vorgestellten Befragungsformen handelt es sich um ein Verfahren mit bewusst kleinen Fallzahlen und nichtstandardisierten Frageformen. Fokusgruppen zielen damit eher auf die Informationstiefe als auf die Informationsbreite. Es wird dabei in Kauf genommen, dass die Einsichten nicht repräsentativ im statistischen Sinne sind, um dafür detaillierte und umfassende Einblicke in Meinungs- und Bedürfnisstrukturen zu erhalten. Im Rahmen des Service Engineering kann das Instrument der Fokusgruppen in verschiedenen Phasen zum Einsatz kommen. Da sich die „Gruppendynamik“ oft sehr förderlich auf kreative Prozesse auswirkt, bieten sie sich z.B. für Untersuchungen bei der Ideenfindung und -bewertung (Service Creation) an. Ferner können in Fokusgruppen Konzeptentwürfe aus der Phase des Service Design diskutiert werden, um z.B. mögliche Kundenanforderungen zu spezifizieren und/oder um wichtige Akzeptanz- und Nachfragefaktoren zu ermitteln. Fokusgruppen sind i.d.R. nur mit externer Unterstützung durch ein Marktforschungsinstitut oder durch erfahrene und psychologisch geschulte Moderatoren durchführbar. Meist begleiten die Partner den gesamten Marktforschungsprozess von der Festlegung der Befragungsziele und eines Leitfadens für die Diskussion über die Rekrutierung der Teilnehmer, die Durchführung der Gruppengespräche bis hin zur inhaltsanalytischen Auswertung und Aufbereitung der Protokolle und Mitschnitte. Der Erfolg dieser Marktforschungsmethode dürfte dabei vor allem von der Entwicklung des Gesprächsleitfadens, der Rekrutierung der Teilnehmer, der Durchführung des Gruppengesprächs sowie der Auswertung und Aufbereitung abhängen. Entwicklung des Gesprächsleitfadens Im Gesprächsleitfaden werden die genauen Themen für die Gruppendiskussion und die geplante „Dramaturgie“ der Veranstaltung festgelegt. Die an die Gruppe zu richtenden Fragen ergeben sich aus dem Informationsbedarf des Auftraggebers. Wie bei allen Marktforschungsstudien gilt hier: Je präziser der Informationsbedarf festgelegt wurde, um so zielgenauer kann die Studie darauf ausgerichtet werden. In der Dramaturgie werden die interessantesten und wichtigsten Fragen mit eher allgemeiner Bedeutung relativ zu Beginn der Diskussion, d. h. im Anschluss an Eröffnungs- und Einleitungsfragen, aufgeworfen. Die Diskussion sollte sich dann in Richtung immer spezifischerer Aspekte entwickeln. Grundsätzlich sind relativ wenige und offene Fragen zu formulieren, um der Diskussion einen hinreichend breiten Raum zu bieten, gleichzeitig sollten die Fragen möglichst klar und leicht verständlich formuliert werden. 96 Rekrutierung der Teilnehmer Bei der Planung und Durchführung von Fokusgruppengesprächen ist eine ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe, geeignete Diskussionsteilnehmer zu finden und diese für eine Beteiligung zu gewinnen. Daher sollte in der Planung einer Studie mit Fokusgruppen der Teilnehmerrekrutierung hinreichend Zeit und Ressourcen zugeordnet werden. Meist werden mehrere Gruppengespräche angestrebt, wobei die Teilnehmer innerhalb einer Gruppe möglichst ähnlich und die Gruppen untereinander möglichst verschieden sein sollten. Zunächst sind daher geeignete Kriterien für die Auswahl von Teilnehmern festzulegen, um anschließend potenzielle Kandidaten schriftlich, telefonisch oder persönlich an der Haustür zu rekrutieren. Durch einleitende, qualifizierende Fragen ist bei der Rekrutierung zunächst die Eignung eines Angesprochenen zur Teilnahme zu überprüfen. Der Betroffene ist dann (z.B. durch finanzielle Anreize) für eine Teilnahme zu motivieren und über den Hintergrund der Befragung aufzuklären. Zur Erinnerung sollte kurz vor der Gruppendiskussion eine erneute schriftliche oder telefonischen Einladung mit allen relevanten Informationen erfolgen. Es empfiehlt sich in aller Regel, ca. 20-25% mehr Personen einzuladen, als unbedingt benötigt werden, da Teilnehmer häufig kurzfristig absagen oder nicht erscheinen. Durchführung des Gruppengesprächs Zwar werden durch den Gesprächsleitfaden wesentliche Inhalte und die grundlegende Dramaturgie der Veranstaltung vorgegeben. Innerhalb dieses Rahmens entwickeln die Gespräche jedoch im Idealfall eine eigene Dynamik und führen dabei auch zu vorab nicht erwarteten Einsichten und Anregungen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die gegenseitigen Beeinflussung und Interaktionen der Gruppenteilnehmer, die zu einer besonders vielschichtigen „Durchdringung“ der Themen führen sollen. Je nach Verlauf der Diskussion und je nach Fragestellung liegt es im Ermessen des Moderators, den Ausführungen und Interaktionen mehr oder weniger Raum zu geben und auf den Verlauf der Diskussion einzuwirken. In der Gruppendynamik und in der beeinflussenden Rolle des Moderators liegen allerdings auch die besonderen Risiken und Grenzen des Verfahrens, da dadurch möglicherweise die Gültigkeit der Aussagen verzerrt und verfälscht wird. Indem Gespräche mit ähnlichen Gruppen über gleiche Inhalte geführt werden, kann die Güte der gewonnenen Informationen u. U. verbessert und kontrolliert werden. Auswertung und Aufbereitung Anhand von Mitschriften und ggf. von Aufzeichnungen und Mitschnitten sind die Gruppengespräche im Nachhinein zu analysieren und auszuwerten. Die Auswertung sollte sich dabei nicht auf generelle Eindrucksbeschreibungen und eine selektive Darstellung von Einzelaussage beschränken, sondern die Informationen sollten systematisch nach vor ab definierten Kriterien verdichtet und aufbereitet werden. Richtungsleitend sind hierbei die der Studie zugrunde liegenden Entscheidungsfragen und die daraus resultierenden Informationsbedarfe. 97 8.3 Checkliste Markt- und Kundenforschung Ziele und Einsatzfelder 1. Für welche Entscheidung werden Informationen benötigt? 2. Welche Informationen werden in welcher Art und in welchem Umfang für die Entscheidung benötigt? 3. Inwieweit kann der Informationsbedarf aus vorhandenen Informationsquellen gedeckt werden? Muss eine eigene Primärerhebung durchgeführt werden? 4. Wer soll wie und mit welchen Methoden befragt werden? 5. Wer führt die Erhebung durch und sorgt für die Auswertung, Aufbereitung und Dokumentation der Ergebnisse Erhebungen mit einem standardisierten Fragebogen 1. Wie soll befragt werden (telefonisch, schriftlich, persönlich)? 2. Welche Leistungsdimensionen (z. B. Wohnung, Wohnumfeld, Service) sollen anhand welcher Leistungsmerkmale (z. B. bei der Wohnung: Größe, Zuschnitt) von den Befragten bewertet werden? 3. Welche Variablen sollen außerdem ermittelt werden (z. B., Gesamtzufriedenheit, Bindungsbereitschaft, Zahlungsbereitschaften für best. Zusatzleistungen, Zielgruppendaten)? 4. Wie lang ist der entwickelte Fragebogen (max. 20 min.)? Sind die Fragen klar, verständlich und motivierend? 5. Für welche Bestände sollen (repräsentative) Daten erhoben werden (Orte, Stadtteile, Straßenzüge)? Wie viele Fragebögen sind zu verschicken? 6. Wie sollen die Ergebnisse ausgewertet, aufbereitet, präsentiert und dokumentiert werden? Fokusgruppen 1. Mit welchem externen Partner wird die Befragung durchgeführt? 2. Liegt ein klarer und präziser Gesprächsleitfaden vor? 3. Können geeignete Teilnehmer rekrutiert werden? 4. Wie sollen die Ergebnisse ausgewertet, aufbereitet, präsentiert und dokumentiert werden? 98 9 Literatur und Internetadressen Literatur zum Thema „Wohnbegleitende Dienstleistungen“ Behrendt, U.: Wohnzufriedenheit und Akzeptanz wohnungsnaher Dienstleistungen am Beispiel einer Wohnungsgenossenschaft. In: WIS Bericht Nr. 20, Bochum 1997. Bucksteeg, M., Eichener, V.: Wohnungsmanagement 2000: Neue Anforderungen an Management und Führungsqualifikationen angesichts neuer Geschäftsfelder und Dienstleistungsfunktion in der Wohnungswirtschaft, Köln 1995. 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