Die Entmystifizierung der programmatischen Landschaft Der Online Werbemarkt kann schon einmal rätselhaft und kompliziert erscheinen, und Begriffe wie “Programmatic” werden häufig verwendet ohne deren Bedeutung genau zu kennen. Die Mischung aus Jargon und einer zu starken Fokussierung auf die technische Komplexität der Prozesse hat dazu geführt, dass Online Advertising schwer verständlich erscheint. Dazu kommt eine Inflation von Akronymen wie RTB, DSPs, DMPs, SSPs, Ad Exchanges, Ad Networks, PMPs, Trading Desks etc. Mit diesem Artikel wollen wir etwas Klarheit in all diese Komplexität bringen und einige der Buzzwords einordnen. Anfangs verkauften die Publisher ihr Werbeinventar direkt an die Werbekunden. Allerdings konnten sie dabei nicht alles verkaufen, was sie im Angebot hatten, was ein Problem war. Als Konsequenz daraus entwickelte sich ein neues Geschäftsmodell: die Ad Networks. Diese bündelten das Inventar neu, fügten einige Daten hinzu, um zielgenauer auszuliefern, und verkauften diese Angebote gebündelt an die Werbekunden – und dies mit beachtlichem Profit. Das geschah offensichtlich zum Vorteil der Ad Networks, ermöglichte den Publishern aber auch, mehr ihres Inventars zu verkaufen – allerdings nicht ohne Nachteile. Denn letztendlich erzielten die Publisher geringere Preise dafür. Unter dem Strich aber erfüllten die Ad Networks ihren Zweck, indem sie den Publishern eine zusätzliche Vermarktungsoption eröffneten und für die Werbekunden gleichzeitig eine effiziente Möglichkeit schufen, große Mengen Inventars günstig einzukaufen. In der Folge traten Ad Exchanges auf, die den Publishern die Möglichkeit einräumten, ihr Inventar in einer Auktion an das höchste Gebot zu vergeben. In diesem Fall sprach man von „offenen“ Ad Exchanges. In der ersten Zeit war das verkaufte Inventar nicht besonders hochwertig und enthielt auch Restplätze, die sonst kein Ad Network kaufen wollte. Nach und nach aber wuchs bei den Publishern die Erkenntnis, dass sie bessere Preise über eine Auktion im “offenen Markt” erzielen konnten als über Ad Networks, und damit auch die Bereitschaft, immer mehr ihres Inventars über die Exchanges zu verkaufen. Und es hatte Vorteile für die Einkäufer, da auf diesem Weg die Ad Networks als Zwischenhändler ausgebremst wurden. Einige der Ad Networks reagierten dann auf diese Entwicklung, passten sich an, optimierten ihr Angebot und lieferten einen Mehrwert für die Werbekunden. Im nächsten Schritt entwickelten sich die Demand Side Platforms (DSPs) und Supply Side Platforms (SSPs), die die Nachfrage bzw. das Angebot bündelten. Beide sorgten für mehr Effizienz im Markt. Seite 1 Die Entmystifizierung der programmatischen Landschaft DSPs agieren wie Supermärkte, wo die Interessenten alle Arten von Inventar kaufen können und das aus vielen verschiedenen Quellen. SSPs sind dagegen die Großhändler, die das Inventar einer ganzen Reihe von Anbietern bündeln und helfen, die Regale der DSPs zu befüllen. Zuletzt traten die Private Market Places auf. Dabei handelt es sich um geschlossene Ad Exchanges, die nur bestimmten Werbekunden zugänglich sind, und deren Regeln – einschließlich der Preise – im Vorfeld der Geschäftsbeziehung festgelegt werden. Im Laufe der Zeit wurde dieser Prozess mit dem kontinuierlichen technologischen Fortschritt immer stärker automatisiert. Heute fällt dieser Automatisierungsprozess unter den Begriff “Programmatic”. Im Folgenden betrachten wir die einzelnen Teile dieser Landschaft nun etwas detaillierter … Die Evolution der Digital-Werbung: http://youtu.be/1C0n_9DOlwE Seite 2 Die Entmystifizierung der programmatischen Landschaft 1) Programmatic Marketing Programmatisches Marketing oder Programmatic Buying bedeutet den Einsatz von Technologie, um die Platzierung von Werbung mit Hilfe von regelbasierter, datengetriebener und entscheidungstreffender Software zu automatisieren. Es wird nicht lange dauern bis der Großteil des Online und Mobile Display-Marktes programmatisch gehandelt werden wird. Die Effizienzgewinne sind enorm und Werbung kann dadurch deutlich effektiver werden. Und es können dabei Daten über Consumer Insights generiert werden, die wichtige Informationen für die Kommunikationsplanung, Content-Strategien und sogar die Produktentwicklung des werbungtreibenden Unternehmens liefern. 2) Ad Networks Ad Networks bündeln das Werbevolumen von Publishern und stimmen es auf die Nachfrage ab. Sie haben nur die Technologie, um den Wert einer einzelnen Ad Impression ihres Networks festzustellen. Daher basiert ihr Modell darauf, Inventar auf Basis von Targeting-Daten zu bündeln. Ad Networks kaufen Inventar zu einem günstigen Preis und fügen Daten dazu, um sie zu optimieren und zu verpacken, und sie daraufhin an die Werbekunden weiterzuverkaufen. Damit zahlt der Käufer einen geringeren Preis, wenngleich es nicht der geringste sein mag, und der Verkäufer erzielt einen Preisvorteil, auch wenn es nicht unbedingt der höchstmögliche Preis ist. 3) Real Time Bidding (RTB) Hierbei handelt es sich um den Kauf- und Verkaufsprozess über Echtzeit-Auktionen. Ein User besucht eine Website und löst dabei eine Gebots-Anfrage aus, inklusive der Daten über diesen User/Konsumenten wie Demographie, Surf-Verhalten, Ort und Konversionsdaten. Diese Anfrage geht an die Ad Exchange oder DSP, wo eine Reihe von Käufern die Möglichkeit haben, ihr Angebot auf diese eine Impression abzugeben. Das höchste Gebot gewinnt und die Werbung wird platziert. All das passiert in weniger als 100 Millisekunden. 4) Ad Exchanges Ad Exchanges sind Technologie-Plattformen, die für den auktionsbasierten Einkauf und Verkauf von verschiedenen Ad Networks genutzt werden. Publisher tendieren derzeit nicht dazu, ihr Premium Inventar zum Verkauf in die Auktionsbörsen zu geben. Seite 3 Die Entmystifizierung der programmatischen Landschaft 5) Demand Side Platforms (DSP) DSPs eröffnen Käufern den Zugang zu vielen unterschiedlichen Inventarquellen und verfügen über die Technologie, um in Echtzeit (weniger als 100 Millisekunden) den Wert einer einzelnen Impression zu bestimmen. Dieser Wert basiert auf dem bisherigen Verhalten des Users, Daten des Werbekunden (1st Party Daten), Daten des Tradingprozesses (2nd Party Daten) und auch Daten des Publishers und Anbieters (3rd Party Daten). Derzeit werden diese Daten über Tags und Cookies generiert, die gesetzt werden, wenn der User durch das Internet surft. Ad Networks sind dazu nicht in der Lage, obwohl deren Technologie der von Ad Exchanges ähnelt. DSPs wiederum haben häufig Zugang zu Premium Inventar, welches Ad Exchanges verwehrt bleibt, da DSPs nicht ausschließlich auktionsbasiert agieren. 6) Supply Side Platforms (SSP) Auf Publisher ausgerichtet nutzen SSPs Daten des Impression-basierten Bietens, damit die Anbieter ihr Anzeigengeschäft managen und ihre Auslastung über mehrere Networks hinweg maximieren können. Sie aggregieren das Angebot einer Reihe von Publishern und gewährleisten, dass das Inventar die bestmögliche Rendite für die Publisher erzielt. Dabei sollten jedoch die Preise wettbewerbsfähig bleiben, um so das größtmögliche Volumen verkaufen zu können. 7) Private Market Places (PMPs) Auf PMPs treffen Publisher RTB-Arrangements mit bestimmten Käufern, indem diese einen bevorzugten Zugang zu einem Teil des Inventars des Publishers erhalten. Beide Seiten profitieren davon: Die Käufer haben den ersten Zugriff auf begehrtes Inventar und die Publisher haben eine höhere Planbarkeit. Darüber hinaus verbessert sich die Kontrolle über die Herkunft des Inventars und erhöht damit für den Werbekunden die Brand Safety. Die Publisher wiederum wissen, dass sie über eine PMP höchstwahrscheinlich einen besseren Preis für ihr Inventar erzielen werden als über einen offenen Exchange und profitieren von einer besseren Planbarkeit der Preise, die ihr Inventar erzielen wird. Sollten sie ihr Inventar nicht über die PMP verkaufen können, können sie es immer noch an einen offenen Ad Exchange vergeben. Seite 4 Die Entmystifizierung der programmatischen Landschaft 8) Ad Verification / Viewability Nicht jede Werbung, die direkt oder über ein Ad Exchange oder Ad Network gekauft wird, wird auch gesehen. Das kann der Fall sein, wenn sie etwa „below the fold“ (also im nicht sofort sichtbaren Bereich; dieser Begriff kommt aus der Zeitungswelt, wenn die Leute die Zeitung falten, um sie besser lesen zu können) platziert wurde und daher vom User nicht gesehen wird, sofern er nicht bis nach ganz unten scrollt. Es ist aber auch möglich, dass die Werbung gar nicht vollständig geladen wurde, bevor der User die Seite schon wieder verlässt, was allerdings durch die verbesserte Technologie immer seltener passiert. In der Vergangenheit konnte nicht ermittelt werden, welche Platzierung nun gesehen worden ist oder nicht. Inzwischen aber gibt es Technologien, die die Viewability messen können und wichtige Informationen zur Optimierung liefern. 9) Data Management Platform (DMP) Eine DMP ist eine Software, um Online-Werbung und Kundendaten zu managen. Sie kann 1st Party Daten (vom Werbekunden, häufig performance-orientiert wie Kauf oder “Leads”) mit 2nd Party Daten (Daten aus dem Tradingprozess, die den Bietenden in die Lage versetzen, den besten Preis zu finden) zusammenführen, zuweilen auch mit 3rd Party Data (Daten der Publisher zur Leistung des Inventars). Die Verbindung dieser Daten liefert dem Käufer der Impressions wichtige Einblicke, wo er das beste Inventar zum besten Preis kaufen kann. 10) Trading Desk Der Trading Desk ist die Kombination aus Technologie und Mitarbeiterteams. Die Technik beinhaltet die DMP, eine oder mehrere DSPs, Zugang zu Ad Exchanges und Ad Networks und die direkte Anbindung von Inventar. Es integriert Datenquellen über eine Infrastruktur und ein Reporting Dashboard, das den Händlern, Analysten und Planern ermöglicht, Regeln für das System festzulegen, um die Kaufentscheidungen in Echtzeit über mehrere Anbieter hinweg treffen zu können. Über einen offenen transparenten Trading Desk kann der Werbekunde die Inventar- und technischen Kosten überblicken, verbunden mit der Optimierung des Inventars, und dies heruntergebrochen auf die einzelnen Anbieter. Ein Trading Desk erledigt damit das, was sonst immer die Agenturen getan haben: Alle Möglichkeiten, die der Markt bietet, zu prüfen, um die besten Platzierungen für die Mediaziele des Kunden zu finden. Seite 5 Die Entmystifizierung der programmatischen Landschaft Fazit Es besteht kein Zweifel, dass „Programmatic“ Marketing von wachsender Bedeutung für die Media- und Marketing-Landschaft sein wird – und dies je stärker Werbekunden, Publisher und Agenturen versuchen, ihre Prozesse effizienter, effektiver und produktiver zu gestalten. Derzeit liegt ein starker Fokus auf der Automatisierung des Kaufs und Verkaufs und den damit verbundenen Vorteilen. Der programmatische Handel, der Einsatz von Technologie zur automatisierten Platzierung von Werbung auf Basis datengetriebener Entscheidungssoftware, schafft Effizienzen und kann die Mediakosten der Werbungtreibenden reduzieren. Die Publisher wiederum können das Beste aus ihrem Inventar herausholen und die Erlöse erhöhen. Die größten Möglichkeiten eröffnen sich durch die Informationen über die Konsumenten, ihr Verhalten, über die Marken und ihre Inhalte sowie über die Produkte. „Programmatic“ liefert damit wichtige Insights, um die künftigen Kommunikations- und Content Marketing-Pläne und voraussichtlich auch die Strategien der Produktentwicklung zu gestalten und weiterzuentwickeln. Quellenangaben (auch zu den verwendeten Bildern): Internet Advertising Bureau (IAB) UK - The Evolution of Online Display Advertising Mindshare UK - A View on Programmatic Seite 6 follow us on Mindshare GmbH Darmstädter Landstraße 112 D-60598 Frankfurt/Main Tel +49 (0)69 60905 0 www.mindshare.de