GeldmitSystem - claudiusluethi

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DAS GELDSYSTEM DER ZUKUNFT
Ansätze zum notwendigen Systemwandel
Diskussionsbasis für www.geldmitsystem.eu
Unsere Wirtschaftskrise zeichnet sich dadurch aus, dass wir es nicht mit einem Produktions-, sondern
lediglich mit einem Verteilungsproblem zu tun haben. Innerhalb großer Konzerne ist das Verteilungsproblem
durch Logistik gelöst. Ist die Zukunft des Geldes auch digital anstatt Zettelwerk? Spielt der Zins wirklich
eine wesentliche Rolle in der Verteilungsfrage? Ist er durch Wettbewerb geregelt? Ist der natürliche Zins, so
wie bei sozialen Schulden, negativ? Wenn Banken Geld schöpfen, wie können sie sich dann verschulden?
Diesen und anderen Fragen der Diskussion um das Geldsystem widmet sich dieser Text. Am Ende werden
die wichtigsten bekannten Geldsysteme und Geldkonzepte miteinander verglichen.
Manfred Gotthalmseder ist Initiator der Kritikerplattform „GeldmitSystem.eu“ und Autor des Buches „Die
Stille Revolution“. Er sieht sich als Vertreter eines neuen Liberalismus, der nicht den Menschen in den
Dienst des Materiellen stellt. „Die ökonomische Basis ist derart einfach zu gestalten, dass jeder frei ist für
den Blick auf die Welt, den Geist und das soziale Miteinander.“
1
Inhaltsverzeichnis
1. Ableitung des Fiat-Money aus der Geschenkökonomie: ..............................................................................2
Der Aufbau des heutigen Systems..........................................................................................................4
2. Systemkritik..................................................................................................................................................5
Das heutige Zinssystem setzt falsche Anreize.........................................................................................5
Sparzinsen sind ökonomisch kaum zu rechtfertigen...............................................................................6
Was ist die Alternative zum Sparen?.......................................................................................................6
Sparzinsen und Pensionsleistungen........................................................................................................7
Der natürliche Zins ist negativ ...............................................................................................................8
Der Josephspfennig ist Realität.............................................................................................................10
Wieviel Schulden sind „gesund“?.........................................................................................................12
Der unnatürliche Zins ist Resultat des Währungsmonopols..................................................................14
Inflation belastet die Armen stärker als die Reichen.............................................................................15
Warum üben Ökonomen kaum Zinskritik?...........................................................................................16
Machtverschiebung durch Vorrechte des Finanzsektors.............................................................................17
Bankeigengeschäfte sprengen die Bürgerschöpfung des Geldes...........................................................17
Das Hauptziel des Finanzsektors ist nicht Geld sondern Macht ...........................................................19
Aber die Währung hat doch zu Wohlstand geführt?..............................................................................20
Der Handel mit Rechten und Pflichten.................................................................................................21
3. Alternativen................................................................................................................................................22
Parallelwährungen sind zu fördern.......................................................................................................22
Brauchen wir warengedecktes Geld?....................................................................................................23
Ist „100%-Geld“ die Lösung?...............................................................................................................24
Schuldenfreie Geldschöpfung: Positive Money und Monetative..........................................................27
Höhere Löhne gegen die Eurokrise. Das Prinzip des Geldumlaufs.......................................................28
Informationsgeld...................................................................................................................................34
Wirtschaften im Kräftegleichgewicht...................................................................................................36
Wen sollten wir unterstützen?...............................................................................................................38
1. Ableitung des Fiat-Money aus der
Geschenkökonomie:
Während der Ursprung des Geldes Hauptthema des Ursprungsforums von GeldMitSystem war, herrscht
inzwischen Einigkeit: Wir leben in einem System des „Fiat-Money“. Geld wird als Buchungszeile aus dem
Nichts geschaffen. Buchgeld ist zahlungswirksam und wird daher im Folgenden schlicht als Geld bezeichnet.
prozentige Mindestreserve und andere Auflagen verschleiern diese Tatsache, wären aber nur dann
wirkkräftig, wenn Banken öfter Leuten, die einen Kreditantrag stellen und über ausreichende Pfandsicherung
verfügen, sagen müssten: „Wir würden Ihnen gerne Geld geben, aber wir haben gerade keines.“ Zu dieser
Aussage kommt es nicht, denn Banken erzeugen Buchgeld bei der Kreditvergabe. Da unser Zahlungsverkehr
zu über 95% mit Buchgeld getätigt wird 1, kann man sagen: Nicht die Zentralbank, sondern die privaten
Geschäftsbanken erzeugen unser Geld. Buchgeld ist zahlungswirksam und wird daher im Folgenden schlicht
als 'Geld' bezeichnet.
Bevor wir dieses System kritisieren, wollen wir betrachten, wie es zu rechtfertigen ist. Zunächst ist der
Gedanke, Geld dürfe nur verleihen wer auch eines hat, unbrauchbar für die Einführung einer Währung, denn
woher käme sie. Auch der Gedanke, dass Geld durch einen realen Wert gedeckt sein müsse, ist
problematisch, weil damit Geld nur einführen könnte wer Besitz hat. Deshalb ist man überein gekommen,
Geld als Aufzeichnung von Schuld- und Guthabenverhältnissen zu definieren.
1
Bernard Lietaer et.al (2013) Geld und Nachhaltigkeit, Bericht des Club of Rome/EU-Chapter, S. 199
2
Vor der Geldökonomie gab es wohl kaum eine Tauschwirtschaft. Sie ist eine Fiktion der Ökonomen.
Vielmehr müssen wir von einer Geschenkökonomie ausgehen, wie wir sie auch heute noch in unserem
Bekanntenkreis vorfinden. Am Beispiel einer einfach strukturierten Wirtschaftsgemeinschaft lässt sich das
gut darstellen: Ein Fischer, der in sein Dorf mit vollen Netzen zurückkehrte, hat nicht jeden Fisch gegen
einen anderen Gegenstand getauscht. Was hätte er mit all den Dingen anfangen sollen. Er hat die Fische
einfach verteilt. Die Bürger des Dorfes wussten sehr wohl, wer die Geber und wer hauptsächlich Nehmer der
Gemeinschaft waren. Wenn dann ein Weizenfeld geerntet wurde, so mag dem Fischer mehr vom Ertrag
zugekommen sein, weil man wusste, dass er auch viel für den Erhalt aller beigetragen hatte. Er hatte einen
höheren Status und wurde danach entlohnt. Tauschwirtschaft gab es dort, wo man einander nicht kannte, also
im „Außenhandel“. Aber das war damals wohl nur ein unbedeutender Bruchteil des Gesamthandels.
Also war und ist Vertrauen die Basis der Ökonomie und nicht Konkurrenzdenken. Gegeben wird jenen, von
denen man erwartet, eine Leistung zurück zu erhalten. Dieses Prinzip lässt sich auch digital umsetzen und
führt dann zu einer Buchgeld-Währung. Banken behaupten nichts anderes, als eine solche Umsetzung zu
betreiben. Das funktioniert im einfachsten Fall folgendermaßen:
Bürger und Betriebe a, b, c... erhalten ein Konto in einer Datenbank. Jedes Konto steht anfangs auf null und
jeder Kontoinhaber erhält einen Überziehungsrahmen. Der Industriebetrieb mehr, der Schulabbrecher
weniger, weil man dem Industriebetrieb mehr Leistung zutraut. In diesem vereinfachten Beispiel ist
Überziehungsrahmen gleich Kreditrahmen.
Wenn nun jemand eine Ware oder Dienstleistung erwirbt, so nützt er seinen Überziehungsrahmen bzw.
Kreditrahmen und überweist einen Betrag auf das Konto des Verkäufers. Dort entsteht Geld(guthaben), bei
ihm entsteht (Geld-)Schuld. Wir erinnern uns: am Anfang waren alle Konten auf null. Es war also kein Geld
da. Es ist erst mit der Überweisung entstanden. Auf die selbe Weise wie es entsteht, verschwindet Geld auch
wieder, nämlich dann, wenn jemand, der über Guthaben verfügt, etwas davon auf ein Konto überweist, das
sich im Minus befindet. In diesem System existieren spiegelbildlich immer genau so viel an Schulden wie an
Geldvermögen.
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Abgesehen von den Konten anderer Bürger kann jeder Bürger auch auf sein Steuerkonto Geld überweisen.
So kommt theoretisch auch der Staat zu Geld, ohne sich verschulden zu müssen.
Der Aufbau des heutigen Systems
Das System in der oben dargestellten vereinfachten Form bezeichne ich als "bürgergeschöpftes Geld", denn
der Bürger setzt dadurch, dass er seinen Kreditrahmen nutzt, die wesentliche Aktion zur Hervorbringung des
Geldes. Unser heutiges System ist etwas komplexer aufgebaut, denn zwischen Kreditnehmer und Sparer
schiebt sich die Bank, wie dies in der folgenden Grafik dargestellt ist. Wir werden später feststellen, dass
durch den Einfluss der Bank unser heutiges System nicht als bürgergeschöpft gelten kann.
Die wesentliche Rolle der Banken in diesem System besteht nun darin, die Überziehungs- bzw.
Kreditrahmen sinnvoll festzulegen. Dazu verlangen sie vom Kreditnehmer Daten über seinen Finanzstatus.
Sie stellen sich damit zwischen Schuldner und Sparer und garantieren, dass die Symmetrie gewahrt bleibt.
Ein Kreditausfall mit unzureichenden Sicherheiten stört die Symmetrie. Da solche Ausfälle vorkommen,
verlangen Banken von allen Kreditnehmern Zins. Das motiviert diese zur baldigen Tilgung der Schulden.
Der Zins erhöht die Gesamtschulden so weit, dass jene Schulden, die durch Kreditausfälle verfallen,
refinanziert werden können. Der Zins ist aus dieser Sicht nichts anderes als die Bezahlung einer
Kreditausfallversicherung. Wir werden noch andere Sichtweisen kennen lernen.
Die Forderungen der Banken an die Schuldner müssen in Summe also immer gleich hoch sein wie die
Verbindlichkeiten der Banken gegenüber den Sparern. In der folgenden Grafik stehen in Summe jeweils
5000 Euro an Forderungen ebenso hohen Verbindlichkeiten gegenüber. Die vermittelnde Rolle des
Bankensystems ist grafisch im lilaroten Feld dargestellt, das sich zwischen Sparer und Schuldner gedrängt
hat:
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2. Systemkritik
Die Ableitung des Fiat-Geldsystems aus der Geschenkökonomie lässt seine ursprünglich sinnvolle Funktion
erkennen: Die gesellschaftsweite Verzeichnung von Schulden und Guthaben, welche einen fairen
Leistungsaustausch unter Menschen, die sich nicht persönlich kennen, ermöglichen soll.
Das Ziel lässt sich erahnen, wenn wir uns einen Topf vorstellen, in den all unsere Leistungen eingebracht
werden. Der Topf enthält - vereinfacht betrachtet - das Bruttoinlandsprodukt. Nun soll mittels des Mediums
„Geld“ jeder so viel an Leistung herauskaufen können, wie er an Leistung eingebracht hat. Heute stehen wir
vor der Situation, dass es Milliardärserben gibt, die noch keinerlei Leistung einbrachten und doch schon das
tausendfache Lebenseinkommen eines durchschnittlichen Arbeitnehmers aus dem Topf entnehmen. Tausende
real produktive Menschen stehen am Ende ein Leben lang vor einem leeren Topf.
Wenn wir es einmal wagen, das System an sich zu hinterfragen, so wird schnell ersichtlich, dass es noch
viele Möglichkeiten gäbe, eine sinnvolle, zeitgemäßere Geldordnung zu verwirklichen. Die heutige Ordnung
ist historisch gewachsen, unnötig komplex, fehleranfällig und vor allem nie auf Gerechtigkeit hin überprüft
worden. Die obigen Überlegungen zeigen, das sich das System gewandelt hat. Die Geldschöpfung und die
Buchführung wird von den Kunden durch deren Überweisungen per Bankomatkarte oder Internet selbst
erledigt. Die Hauptaufgabe der Banken besteht heute darin, die Kreditwürdigkeit der Kontoinhaber
einzuschätzen. Wir alle unterliegen damit deren Willkür.
Wäre es nicht sinnvoller, die Einschätzung des Überziehungsrahmens dem Finanzamt anzuvertrauen, das die
dazu notwendigen Daten ohnehin schon hat? Der Staat, soweit er sich als Vertreter des Volkes versteht, sollte
nicht rein wettbewerbsorientiert sondern nachhaltig entscheiden und auch soziale Aspekte einbeziehen. So
könnte jeder Mensch einen Mindestüberziehungsrahmen erhalten, denn ohne diesen Vertrauensvorschuss
fehlt jungen Menschen, die nichts erben, die finanzielle Basis zu einer selbstständigen, selbstbestimmten
Tätigkeit, was eine große Benachteiligung beim Start in das Wirtschaftsleben darstellt.
Das heutige Zinssystem setzt falsche Anreize
Die Sparvermögen, und damit spiegelbildlich auch die Schulden haben in unserem System überhand
genommen. Dies kam dadurch, dass Banken von der Differenz zwischen Kreditzins und Sparzins profitieren.
Es wäre daher sinnvoll, gesetzlich zu verordnen, dass Banken ihre Gewinne nur aus Kontogebühren erzielen
dürfen.
Aber warum bevorzugt es das Bankensystem an Zinserträgen zu verdienen? Dafür gibt es zweierlei Gründe:
Zinserträge sind für den Kunden relativ unüberschaubar. Wer ein Haus zu zwei Drittel auf Kredit baut, wird
am Ende einer 20 jährigen Kreditlaufzeit feststellen, dass er das Haus zwei mal bezahlt hat: Einmal dem
Baumeister und einmal der Bank. Banken würden sich schwer tun derartig hohe Kontoführungsgebühren zu
rechtfertigen. Bankmarge und Kreditausfallversicherung gehören voneinander getrennt.
Heute kann das Bankensystem über den Zins eine Verschuldungsspirale in Gang setzen, die ihm nach sechs
Jahrzehnten eine enorme Macht zukommen lässt, da bis dahin ganze Staaten bis zum Hals bei diesem System
in Schuld stehen.
Wie funktioniert die Verschuldungsspirale? Sie beginnt damit, Sparern einen Anreiz zu geben, ihr Geld zu
horten, nämlich über den Sparzins, der natürlich niedriger sein muss als der Kreditzins. Da Banken damit
ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Sparern erhöhen, erscheint diese Vorgangsweise auf den ersten Blick
aus der Sicht einer Bank kontraproduktiv. Aber Banken wissen: Geld, das auf Sparkonten landet, ist der
Realwirtschaft entzogen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob zu Hause im Strumpf oder auf der Bank
gespart wird. Es ist ein Irrglaube, die Banken würden das Geld der Sparer verleihen. Wäre dem so, dann
müsste dieses Geld von den Sparkonten verschwinden. Die obige Grafik lässt klar erkennen, was wirklich
passiert.
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Da allen Guthaben spiegelbildlich Schulden gegenüber stehen, erhöht die Entziehung von Geldern durch
zeitliche Bindung derselben auf Sparkonten den Kreditbedarf der Realwirtschaft und damit den Profit des
Bankensystems. Übersteigt der Kreditbedarf die Kreditwürdigkeit der Unternehmen, so wird Geld in der
Wirtschaft knapp. Nun muss der Staat als „lender of last resort“ einspringen und über Staatsausgaben Geld in
die Wirtschaft bringen. Das Sparverhalten des Volkes auf der einen Seite ist der Grund für die
Staatsverschuldung auf der anderen Seite. Ein großer Teil der Staatsanleihen liegt sogar direkt in der Hand
jener Bürger, die sich so gerne über die Verschuldung aufregen. Ihre privaten Pensions- und Lebensversicherungen sind damit gedeckt.
Sparzinsen sind ökonomisch kaum zu rechtfertigen
Wenn wir uns noch einmal die erste Grafik in diesem Text vergegenwärtigen, so ist schnell ersichtlich, dass
Schulden in diesem System in Summe nur getilgt werden können, wenn Sparer ihr Geld ausgeben. Wenn in
einer Geschenkökonomie der einstige Schenker sich die Annahme eines Gegengeschenkes „aufspart“, so
kann der Schuldner seine Schulden nicht abbauen. Genauso ist es in unserer Geldökonomie. Aber Sparer sind
im Geldsystem nicht einfach selbstlose ehemalige Leistungsträger. Sie verlangen vom Schuldner Zinsen und
wollen gar nicht, dass er seine Schulden tilgt. Übertragen wir dieses Verhalten zurück auf die
Geschenkökonomie, so erkennen wir es als eine Form der Erpressung. Der ehemalige Schenker will kein
Gegengeschenk annehmen, sondern verlangt vom Schuldner regelmäßige Dienste, genannt Zins.
Eigentlich sollten wir Schuldner für deren Leistungsvorversprechen entschädigen, denn ohne diese
Menschen hätten wir alle kein Geld. Geld entsteht nur dadurch, dass Kontoinhaber ihre Kreditrahmen nützen
und somit zu Schuldnern werden. Sie büßen dabei jegliche Sicherheiten ein, denn wenn sie ihren
Kreditrahmen ausschöpfen, können sie im Notfall kein weiteres Geld auftreiben. Meist steht Haus und Hof
auf dem Spiel, wenn sie ihre Leistungsfähigkeit verlieren. Wir sollten Schuldner als „Menschen, die sich zu
Leistung verpflichtet haben“ bezeichnen, um den negativen christlichen Beigeschmack des Wortes „Schuld“
nicht in unsere systemischen Überlegungen zu bringen. Wir alle brauchen diese Menschen, die
Leistungsverpflichtungen annehmen, sonst entsteht kein Geld.
So lange die Inflation unter dem Sparzins liegt, profitieren Sparer doppelt vom heutigen Zinssystem.
Einerseits vermehrt der Sparzins ihr Vermögen, zum anderen gibt ihnen das Sparen die Möglichkeit
zuzuwarten bis ihr Bedarf an einer Dienstleistung oder einem Produkt auf günstige Preise trifft, zum Beispiel
beim Kauf des nächsten Autos. Sie sind keine Leistungsverpflichtungen eingegangen, sondern verfügen
sogar über einen, meist ererbten, finanziellen Ruhepolster. Kein Wunder also, dass selbst heute, wo der
Sparzins unter der Inflationsrate liegt, noch gespart wird.
Es ist ein unzutreffendes Argument der Ökonomen, der Sparer müsse für den zeitlichen Aufschub der
Gegenleistung durch Zins entschädigt werden. Der Aufbau eines Sicherheitspolsters ist doch der eigentliche
Gewinn des Sparers! Finanzielle Reserven sind (beinahe) eine Allzweckversicherung für viele
Schwierigkeiten, die im Laufe des Lebens auftreten können. Deshalb wird selbst heute, wo der Sparzins
niedriger ist als die Inflationsrate, noch immer gespart.
Wenn die Wirtschaft heute darunter leidet, dass Sparvermögen und damit auch Schulden überhand nehmen
und zu wenig Geld im realwirtschaftlichen Kreislauf bleibt, dann ist die logische Konsequenz, dass der
Sparanreiz sinken muss, denn dann werden Sparer ihr Geld investieren und wieder der Realwirtschaft
zuführen. Nur wenn das Geld zurück wandert, können Schuldner, der Staat eingeschlossen, ihre Schulden
abbauen.
Was ist die Alternative zum Sparen?
Die Hauptfunktion des heutigen Sparens liegt in der Sicherheit, dann Geld zu haben, wenn sich ein Bedarf
ergibt. Das ist auch legitim. Sparen, um Geld (also andere) für sich arbeiten zu lassen, ist es nicht. In einem
umgekehrt verzinsten System hat auch jemand, der sein Konto um Null herum führt, bei Bedarf Geld zur
Verfügung, denn Kredite bleiben unverzinst. Der umgekehrte Zins bzw. die „Gebühr auf Geld“ wird bei
jenen eingehoben, die Geld haben und es nutzen. Wer sein Konto überzieht hat hingegen nur
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Leistungsversprechen abgegeben, um anderen Geldbesitz zu ermöglichen. Dieser neue Blickwinkel, der sich
aus der Entstehung digitalen Geldes logisch ableitet, lässt Sparen nicht mehr derart notwendig erscheinen
wie heute (siehe Grafik 1). Menschen mit erhöhtem Sicherheitsbedürfnis können natürlich auch in einem
umgekehrt verzinsten System sparen, aber sie sollten dies nicht mehr in Form von Geld tun, das damit der
Wirtschaft entzogen bleibt, denn dann fällt Zins an. Man kann diesen Zins also auch als eine Art Lenksteuer
betrachten.
Versicherungen stellen schon heute ein nützliches Modell dar, um Absicherung zu erhalten, ohne dabei
Geldvermögen und spiegelbildlich Schulden zu vermehren. Im Gegensatz zu Sparkonten geben
Versicherungen die eingenommenen Gelder für gegenwärtige Versicherungsfälle aus. Somit addieren sich die
Sparsummen auf dem Konto der Versicherung nicht gegen unendlich sondern das Geld wandert zurück in die
Wirtschaft, wodurch sich anderswo im Geldkreislauf die Schuldner, die das Geld einst durch Nutzung ihres
Überziehungsrahmens geschaffen haben, wieder entschulden können. Versicherungen eröffnen uns also
schon heute einen Weg um Sicherheiten zu schaffen, ohne dabei der Wirtschaft Geld zu entziehen und die
Verschuldungsspirale anzuheizen.
Die zweite Möglichkeit einer schuldneutralen Absicherung großer Bevölkerungsteile besteht darin, dass
diese ihr Geld in Infrastruktur investieren, kurzum die Ursprungsidee von Aktien, bevor diese im
Millisekundentakt über autonom agierende Computerprogramme gehandelt wurden. Würden Sparer mit
ihren Vermögen zum Beispiel die notwendige Infrastruktur für die Energiewende vorfinanzieren, so wäre
damit eine Geldanlage geschaffen, die ihren Wert beibehält, weil die Eigentumsanteile jederzeit wieder
verkauft werden könnten, wenn der (einstige) Sparer sein Geld wieder benötigt.
Beide Formen der Geldanlage werden sich automatisch ergeben, wenn der Sparzins negativ wird. Da Sparer
dann auch von der Wirtschaft keinen Ertrag mehr für ihr Geld erwarten, werden viele Industriebetriebe
Investitionsmöglichkeiten für Sparer bereitstellen. Die Energiewirtschaft wird Kilowattstunden
vorverkaufen, Altersheime werden Betreuungsstunden vorverkaufen usw.
Sparer können dem negativen Zins auch entgehen, indem sie Privatkredite vergeben. Organisationen, die dies
vermitteln tun dann das, wovon die Mehrheit glaubt, dass es heute die Banken täten: Sie bringen Spargelder
zurück in die Wirtschaft. Das Geld wird also weitergereicht. Dies ist das Prinzip der sogenannten
"Freiwirtschaft", die auch von "fließendem Geld" spricht. Statt dem Zins tragen die Sparer dann ein Risiko. 2
Es gibt also sinnvollere Alternativen, als die Gesellschaft durch wachsende Geldvermögen bei Wenigen in
hohe Schulden zu stürzen, deren Zinslast wir alle zu tragen haben.
Sparzinsen und Pensionsleistungen
Die Problematik von Sparzinsen ergibt sich am anschaulichsten beim Umlage-Pensionssystem. In diesem
System soll die gegenwärtig arbeitende Bevölkerung die Renten der gegenwärtigen Pensionisten
erwirtschaften . Wenn diese arbeitende Bevölkerung aber nun auf ihre Rentenbeiträge einen Zins oder einen
Inflationsausgleich erwartet, so ergibt das über eine Lebensarbeitszeit durchschnittlich etwa das doppelte an
Pensionsforderungen als tatsächlich an Geld eingezahlt wurde.
Durch das Umlageverfahren ist die die nächste Generation also gezwungen, nun auch doppelt so hohe
Pensionsbeiträge einzahlen, denn woher käme sonst das nötige Geld für Forderungen der Alten?
In etwa einem Jahrzehnt wird ein arbeitender Mensch durchschnittlich einen Pensionisten zu finanzieren
haben, der selbst aber niemals so hohe Beiträge eingezahlt hat, wie er nun an Pension erwartet.
Daraus darf nicht geschlossen werden, dem Pensionisten stünde seine Pension nicht zu. Er konnte in seinen
Arbeitsjahren gar nicht jene Pensionsbeiträge leisten, die er hätte leisten müssen, denn in der Realwirtschaft
herrscht bei diesem System ständig Geldmangel. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen warum. Der
richtige logische Schluss lautet vielmehr: Das mit den Zinsen funktioniert in der Praxis irgendwie nicht!
2 http://www.picsandpixels.at/geldmitsystem/Simulation/Geld_Mathematik.html #Privatkredit
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Die Unfinanzierbarkeit der Pensionssysteme lässt Schulden in den Pensionskassen entstehen. Aber
spiegelbildlich zu den Schulden steigt die Geldmenge und führt zu Preissteigerungen. Die Menschen finden
also mit ihren Pensionen kein Auskommen. Niemand profitiert, außer die Banken, denn sie leben von den
Zinszahlungen der Kreditnehmer. Aber nach spätestens drei Generationen bricht dieses System zusammen,
denn die Pensionskassen stoßen an die Grenzen der Kreditwürdigkeit.
Der natürliche Zins ist negativ
Wie anfangs gezeigt, ist es möglich ein Fiat-Geldsystem logisch aus der ursprünglichen Geschenkökonomie
abzuleiten. Geld ist damit nichts anderes als eine Verzeichnung von Schulden und Guthaben. Wenn wir FiatGeld so begründen, so müssen wir uns aber auch am natürlichen Zins der Geschenkökonomie orientieren,
und dieser ist im Gegensatz unserer heutigen Geldordnung, negativ. In der Geschenkökonomie verfallen
Guthaben und Schulden mit der Zeit. Wenn ich jemandem vor 10 Jahren mein Fahrrad geschenkt habe, so ist
dies halb vergessen und ich erwarte mir keine Gegenleistung mehr in dieser Höhe. Wir sind quitt, wenn er
mir z.B. einmal den Garten umsticht.
Aber wenn der natürliche Zins negativ ist, wieso setzen sich dann negative Zinsen nicht durch?
Viele Ökonomen sind der Ansicht, unser Zinssystem hätte sich durch „natürlichen“ Wettbewerb entwickelt.
Eine Bank könne von den Sparern deshalb keine Zinsen verlangen, da diese sonst zu anderen Banken
abwandern würden. Dieser Aussage liegt der Irrglaube zugrunde, dass Sparer für eine Bank wichtig wären.
Banken leben aber nicht von den Sparern, sondern von den Kreditnehmern. Sparer sind ein Kostenfaktor. Die
Bank hat ihnen gegenüber Verbindlichkeiten.
Wer einmal begriffen hat, dass Spargelder gar nicht in die Wirtschaft zurück wandern, braucht auch keine
Angst zu haben, sie könnten ins Ausland abwandern, wenn inländische Banken den Sparern Zinsen
abverlangen. Es ist für die Wirtschaft völlig gleichgültig, ob die Gelder im In- oder Ausland ruhen oder unter
der Matratze eines Sparers.
Die Schweiz hat das längst begriffen und viele Banken verlangen dort bereits negativen Zins von den
Sparern. Was würde also passieren, wenn Österreich dies auch täte? Ein großer Teil der österreichischen
Spargelder würde in andere europäische Länder wandern und diese hätten die Zinslast für die Österreicher zu
tragen. Da Spargelder der Wirtschaft entzogen bleiben wo immer sie auch ruhen, bliebe dies ohne
realwirtschaftliche Konsequenz. Die ausgelagerten Zinslasten würden jedoch die österreichischen Banken
entlasten.
Weiters wollen wir annehmen die Banken begännen vom Kreditnehmer weniger Zins zu verlangen als von
Sparern, so dass dies in der Gesamtwirkung bereits einer Zinsumkehr entspräche. Die Wirtschaft aus ganz
Europa würde diese Niedrigzinskredite bevorzugen. Die Menge an vergebenen Krediten würde die
österreichischen Bankbilanzen sehr positiv aussehen lassen, denn die Banken verbuchen diese als
Forderungen.
Hätten wir eine rein digitale Währung, so wären die europäischen Banken bald gezwungen, sich bei den
österreichischen zu verschulden. Dies wäre gleichzusetzen mit Außenhandelsüberschüssen. Wir hätten
Forderungen an andere Länder. Bald wären diese gezwungen dem österreichischen Beispiel zu folgen und
selbst den Zins umzukehren. Der natürliche negative Zins würde sich durch die Gesetze des Wettbewerbs
durchsetzen.
Warum tritt dieses Szenario nicht ein? Dies liegt daran, dass der Interbankenmarkt mit Zentralbankguthaben
funktioniert und die österreichischen Banken durch Abwandern der Sparer nicht viel Bargeld einnehmen
könnten. Durch die Anforderungen dies Interbankenmarktes ist heute somit das natürliche Regulativ des
Zinses blockiert. Das System kann sich nicht zum Besseren wandeln, weil durch das Zentralbankmonopol
unser Geld eben nicht nur eine Aufzeichnung von Forderungen und Verbindlichkeiten ist, sondern ein
Machtsystem. Absurder Weise ist der Staat selbst der Leidtragende dieses Zentralbank-Einflusses, denn für
den verschuldeten Staat wäre eine Zinsumkehr von Vorteil. Es sollte uns klar sein, dass die Zentralbank zwar
vom Staat unabhängig ist, aber von Ex-Bankern geführt wird. Sie steht auf der anderen Seite.
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Die Gesetze wonach Giralgeld, welches durch die Banken erzeugt wird, immer in Bargeld umwandelbar sein
muss, ermöglichen auch das Phänomen des Bankenkrachs. Denn Sparer können von Banken plötzlich mehr
Bargeld fordern, als überhaupt existiert. Dazu mehr im Kapitel zum 100%-Geld.
Angesichts der Blockade der Selbstregulierung des Systems hin zum negativen Zins durch das
Zentralbankgeld, ist der Vorstoß Schwedens, sich für eine bargeldlose Währung einzusetzen, durchaus zu
befürworten.3 Es müssten dazu allerdings erst einmal die Eigengeschäfte der Banken geregelt werden, sonst
führt dieser Schritt in den endgültigen Kollaps des Systems. Dazu später mehr.
Neben diesen markttheoretischen Aspekten gibt es aber noch ein wichtiges Argument, das uns erkennen
lässt, dass der negative Zins der „natürliche“ Zins ist:
Geldvermögen und spiegelbildlich dazu Schulden erhalten durch den negativen Zins eine Wachstumsgrenze.
Wenn ein Sparer jeden Monat den gleichen Betrag auf sein Konto legt, so wird der lineare Zuwachs nach und
nach durch die mit dem Vermögen anwachsende Zinslast begrenzt, bis das Sparguthaben trotz regelmäßiger
Einlage nach etwa 100 Jahren nicht mehr weiter wachsen kann. Der Sparer kann an die nächste Generation
seine Leistung weitergeben, jedoch nicht, wie heute, die durch positiven Zins potenzierten Leistungen
vorhergehender Generationen, die einander nicht einmal kannten. Der negative Zins führt also zu mehr
Angleichung der Startbedingungen der Menschen und begrenzt die Macht reicher Familien-Cans. 4
Alles in der Natur hat eine Wachstumsgrenze, die durch eine solche negative Rückkopplung zustande
kommt. Je größer ein natürlicher Wert wird, desto mehr begrenzt die Natur sein weiteres Wachstum. So wird
es für einen Baum immer schwieriger gegen die Schwerkraft anzukommen und das Wasser nach oben zu
transportieren je größer er ist.
Selbst das Krebswachstum hat eine Grenze, denn die Wahrscheinlichkeit des Todeseintritts seines Wirts
wächst mit der Größe des Krebsgeschwürs. Krebs wächst exponentiell, wie heute das Geldvermögen der
Sparer und die Natur kennt keinen anderen Mechanismus exponentielles Wachstum zu begrenzen als den
Zusammenbruch des ganzen Systems. Deshalb ist exponentielles Wachstum in biologischen Systemen immer
die „unnatürliche“ Ausnahme. Geldsysteme, welche positive Sparzinsen erlaubten, sind historisch betrachtet
nach 6 bis 8 Jahrzehnten zusammengebrochen.
Im alten Judentum, bei den Römern und im Frühchristentum haben verschuldete Machthaber deshalb nach
einigen Jahrzehnten regelmäßig Jubeljahre ausgerufen, in denen alle Schulden und Guthaben gestrichen
wurden. Wurde diese Maßnahme nicht durchgeführt, so sorgte ein Bankenkrach automatisch für den Verfall
des Geldwertes.
Da der Finanzsektor heute mächtiger ist als die Regierungen, wird es wohl kein Jubeljahr geben. Angeblich
hat der Papst im Jahr 2000 ein solches ausgerufen. Das war den Medien nicht einmal eine Schlagzeile wert.
Aber ein Ausweg aus dem Dilemma ist durchaus bekannt:
Als langlebig und stabil haben sich historisch gesehen negativ verzinste Geldsysteme erwiesen, wie es sie im
alten Ägypten und im Frühmittelalter gegeben hat. Im alten Ägypten brachten Bauern ihr Getreide in eine
öffentliche Lagerhalle und erhielten dafür eine Tontafel, auf der die Menge und der Einlagezeitpunkt
verzeichnet waren. Mit diesen Tontafeln konnten sie das Getreide mit einem Abschlag zurück erhalten, der
sich aus der Lagerzeit ableitete. Der Wert der Tafel verfiel also mit der Zeit. Sie war negativ verzinst. Da
diese Tafeln als Zahlungsmittel dienten, lohnte sich übermäßiges Sparen nicht und somit nahmen im Volk
weder die Sparguthaben noch die Schulden überhand. Das System hielt über 1000 Jahre und kannte keine
Inflation.5
Im Frühmittelalter finanzierten Fürsten ihre Burgen, aber auch öffentliche Einrichtungen wie Straßen mit
selbst geprägten Blechmünzen. Diese Münzen wurden immer wieder eingefordert und mit einer neuen
Prägung versehen. Dabei war ein Abschlag, also eine Steuer fällig. Da Geld mit der alten Prägung wertlos
war, wurden die Steuern automatisch von all jenen bezahlt, die Geld hatten. Dies war ein effizientes Sozialund Steuersystem, ohne dass dafür irgendeine Bürokratie notwendig gewesen wäre. Das bedeutet, alle
3
4
http://www.welt.de/finanzen/article106169026/Schweden-wollen-ihr-Bargeld-abschaffen.html
http://www.picsandpixels.at/geldmitsystem/Simulation/Geld_Mathematik.html#Erbe
5 Bernhard Lietaer (2000), Mysterium Geld, 3. Auflage, Riemann Verlag, S. 149
9
Menschen verrichteten produktive Arbeit und Bürojobs gab es so gut wie nicht. So blieb genug „Manpower“
für den Bau der großen Kathedralen über, die aus Spenden finanziert wurden. Diese Blüte des Mittelalters
währte immerhin 300 Jahre. Die Verarmung der Bevölkerung kam erst mit der aggressiven Einführung der
positiv verzinsten Silbermünzen und mit ihr die Pest und Hexenverfolgung. 6
Machthaber von Ländern mit positiv verzinsten Währungen erkannten immer wieder die Ausbeutung
fremder Länder als einziges letztes Mittel um ihre steigenden Schulden los zu werden. Negativ verzinste
Währungen wurden also nicht aufgegeben, weil sie nicht funktionierten, sondern sie gingen dann unter, wenn
Länder den Raubzügen anderer erlagen. Im Fall Ägyptens waren es die Römer, die ihre Silbermünzen
einführten.
Heute werden Raubzüge durch die Weltbank auf bürokratischem Wege erledigt, indem diese Kredite an
rohstoffreiche Länder der dritten Welt vergibt und ihnen den Dollar als Handelswährung auferlegt. Da es
unmöglich ist das Geld verzinst zurückzuerstatten (denn woher käme die zusätzliche Geldmenge für den
Zins), müssen die Länder mit ihren Rohstoffen bürgen. Letztlich erweist sich das positive Zinssystem als
nichts anderes als ein Schneeballsystem. Den Letzten beißen die Hunde.
Gegen Länder, die den Dollar als Leitwährung für den Außenhandel ablehnen, werden Kriegsgründe
erfunden. Unser aggressives Finanzsystem kombiniert mit der wettbewerbsorientierten Wirtschaft ist ein
Kriegstreiber. Auch die Verarmung weiter Bevölkerungsteile dieses Planeten, und die damit einhergehenden
Todesfälle aufgrund von Unterversorgung kosten tausende Menschenleben. Auch die Rettung des Weltklimas
ist mit diesem Finanzsystem undenkbar geworden.
Wenn der natürliche Zins negativ ist, so muss der heutige Zins unnatürlich sein. Das wird sehr schnell am
Beispiel des Josephspfennigs klar.
Der Josephspfennig ist Realität
Der Josephspfennig ist als bekanntes Rechenbeispiel in die Geschichte der Geldkritik eingegangen, das uns
zeigen soll, wie sehr wir die Dynamik des Zinseszinses unterschätzen. Hätte Joseph im Jahre 0 für Jesus ein
Konto mit einem Cent angelegt, es wäre vergessen worden und ein Nachfahre ginge heute zur Bank um die
Zinsen nachzutragen, wobei wir fünf Prozent Verzinsung annehmen wollen, so müssten ihm 195 Millionen
Weltkugeln aus purem Gold gutgeschrieben werden. 7
Nun wird dieses Beispiel ständig ins Lächerliche gezogen: Keine Bank hielte 2000 Jahre. Aber muss das so
sein? Das ägyptische System hielt über 1000 Jahre, weil es negativ verzinst war. Ökonomen argumentieren,
Unternehmen müssten den Zins erarbeiten und somit könnten solche Zuwächse gar nicht eintreten. Aber das
ist kein Argument für den Zins, denn eben weil die Zuwächse nicht real eintreten, sondern nur am Papier,
entsteht die Krise, die ja in einem Missverhältnis zwischen Forderungen und dem wirtschaftlich Möglichen
besteht. Die am Papier entstehenden Ansprüche wachsen über das wirtschaftlich real Erfüllbare hinaus! Das
Gesamtgeldvermögen der Welt übersteigt die handelbaren Güter heute Schätzungen zufolge um das vier- bis
zehnfache. Diese Tatsache beweist doch, dass hier durch Zinseszinsrechnung absurde Forderungen am Papier
kreiert wurden, unter denen wir nun leiden.
So lange in unserem System ein Teil der Bevölkerung über mehr Sparguthaben verfügt als er dem Konsum
zuführt, wachsen dessen Guthaben exponentiell an. Da sich die Geldvermögen in diesem System dort
vermehren, wo schon Geld ist, sammeln sie sich bei einer kleinen Minderheit, die so viel besitzt, dass sie es
unmöglich dem Konsum zuführen kann. Das Geld bleibt der Wirtschaft entzogen, so dass sich
spiegelbildlich dazu Schuldner nicht entschulden können, weil das Geld zur Schuldtilgung gar nicht in
Umlauf ist.
Während die Vermögen hauptsächlich in privater Hand sind, liegen die Schulden hauptsächlich bei der
Industrie und beim Staat. Die Zinslast schlägt die Industrie auf die Warenpreise auf, so dass wir
durchschnittlich mit jedem Kauf einer Ware (nach Berechnungen von Helmut Creutz) 34,8%„Steuern“ an
6 Bernhard Lietaer (2000), Mysterium Geld, 3. Auflage, Riemann Verlag, S. 146
7http://www.matthias-kessler.com/2013/02/05/die-berechnung- des-josephspfennig/
10
die Reichen zahlen. Der Staat schlägt die Zinslasten auf die Steuerlast auf. Der Bürger zahlt immer die
gesamte Zinslast, die den Sparguthaben gegenüber steht.
Wenn der Staat durch Kürzung von Leistungen seine Schulden abbaut, dann greift er damit die Vermögen der
Sparer nicht an. Bleiben diese in ihrer Höhe gleich, so bleiben auch die Gesamtschulden im System
vorhanden. Sie übertragen sich lediglich vom Staat auf die Wirtschaft. Es ist für den Bürger besser, der Staat
hat die Schulden, da er über die Staatsanleihen bessere Zinssätze erhält als Wirtschaftstreibende.
Die Symmetrie des Systems führt also dazu, dass es keine Entschuldung geben kann, solange die
Sparguthaben erhalten bleiben, denn damit sind spiegelbildlich in gleicher Höhe Schulden vorhanden. Die
folgenden Grafiken zeigen den realen Zuwachs, der sich gemäß des Josephspfennigs verhält. Sie wurden von
der deutschen Bundesbank (für Deutschland) und von Thobias Plettenbacher (für Österreich) erstellt.
In der ersten Grafik ist auch die Geldmenge M1 verzeichnet. Das ist der kleine Teil des „umlaufenden“
Geldes, das sich auf Girokonten und in unseren Geldbörsen befindet. Der Rest sind zeitlich gebundene
Sparguthaben an die die Schuldner nicht heran kommen können. Mit M1 können einzelne Schuldner ihre
Schuld tilgen, während gleichzeitig andere in Schuld geraten. Es ist jedoch unmöglich mit dem umlaufenden
Geld M1 die Summe an Schulden abzubauen, denn mit der Schuldtilgung verschwindet das Geld, weil mit
jeder Schuld in gleicher Höhe ein Guthaben verschwindet (Spiegelbildlichkeit). Da immer umlaufendes Geld
notwendig ist, wird, sobald ein Teil von M1 durch die Tilgung einer Schuld verschwindet, Geldknappheit
entstehen. Diese wird anderswo im System dazu führen, dass sich jemand verschuldet, so dass M1 wieder die
notwendige Höhe erhält. Somit sind die Gesamtschulden in dem System nicht reduzierbar, sie wachsen aber
an, wenn durch die Zinsversprechen auf Sparguthaben einen Teil von M1 aus dem Umlauf gezogen wird,
denn auch dann muss dieser Teil durch neue Verschuldung ersetzt werden. Es gilt die durch empirische Daten
bestätigte Formel:
So lange die durchschnittliche Motivation zu sparen höher ist, als jene zu investieren, muss das
Gesamtsystem eine exponentielle Vermehrung von Guthaben und Schulden aufweisen.
Ein negativer Sparzins könnte die Motivation zu sparen senken und Geld zurück in die Wirtschaft bringen, so
dass sich Schuldner entschulden können. Dies lässt sich leicht an den folgenden zwei Grafiken ablesen,
welche die deutsche und österreichische Schulden/Guthaben-Kurve zeigt. In anderen Ländern sieht diese
nicht wesentlich anders aus.
11
Alle Staaten der Erde verwenden heute positiv verzinste Währungen und keine Regierung hat jemals
vermocht eine Maßnahme zu setzen, die eine zeitweilige Umkehr in dieser Kurve bewirkt, denn keine
Regierung hat es in den vergangenen Jahrzehnten gewagt, Gesetze zu schaffen, die das Zinssystem
umkehren. Die kurze gegenläufige Bewegung nach 2008 war nicht etwa durch Entschuldung entstanden,
sondern durch einen Verlust der Aufzeichnungen von Vermögen und Schulden bei jenen Banken, die einen
Crash erlitten haben. Selbst bedeutsame Ereignisse wie die deutsche Wiedervereinigung beeinflussen die
Kurve nur unwesentlich.
Wieviel Schulden sind „gesund“?
Es sollte uns bewusst sein, dass Industrieproduktion der Vorfinanzierung bedarf und Schulden wie auch
Guthaben eine natürliche Sache sind, wie wir sie auch aus der Geschenkökonomie kennen. Die Höhe der
benötigten Vorfinanzierung wächst mit der Größe der Wirtschaft, also mit dem BIP, sollte dieses aber nie
überschreiten. Die Kurve des inflationsbereinigten Wirtschaftswachstums sieht folgendermaßen aus:
12
Es ist eine natürliche Wachstumskurve mit „eingebauter“ Wachstumsgrenze, wie wir sie auch bei
Organismen vorfinden:
Die gleiche Form der Kurve entsteht, wenn ein Sparer über hundert Jahre jedes Monat den gleichen Betrag
auf sein Konto überweist und sein Vermögen negativ verzinst wird:
Es ist die Kurve des natürlichen Zinses. Hätten wir diesen natürlichen Zins 1950 eingeführt wäre der
Vorfinanzierungsrahmen der Wirtschaft parallel zu ihrer Größe gewachsen, denn im Durchschnitt hätte der
Zuwachs an Sparvermögen diese Kurve beschritten und damit wäre spiegelbildlich auch der
Schuldenzuwachs so verlaufen.
Das Verhalten der Schuldner hat nämlich keinen nennenswerten Einfluss auf den Schuldenzuwachs. Es sind
die Sparer, die frei entscheiden können, ob sie ihr Vermögen ausgeben oder weiter sparen. Die Schuldner
können sich nicht entschulden, so lange das Geld auf den Konten der Sparer ruht und haben daher keine
Möglichkeit die Kurve positiv zu beeinflussen. Daher leitet sich die Verschuldungskurve in Summe
überwiegend aus dem Verhalten der Sparer ab. Dieses Prinzip ist aus der ersten Grafik dieses Textes mit den
Konten a, b, c ersichtlich.
13
Eine Wirtschaft mit Wachstumsgrenze, wie wir sie auf unserem begrenzten Planeten brauchen, ist also nur
mit einer negativ verzinsten Währung möglich, denn ausschließlich durch einen negativen Zins kommt es
auch zu einer eine Wachstumsgrenze für Schulden und Guthaben.
In einem System mit negativer Verzinsung ist es nicht so wesentlich wer die Schulden für die
Vorfinanzierung der Wirtschaftsleistung zu tragen hat. Im mittelalterlichen System war es der Landesfürst,
der die Vorfinanzierung leistete. Wenn keine Zinslast auf den Schulden liegt, ist diese Rolle nicht fatal.
Der unnatürliche Zins ist Resultat des Währungsmonopols
Bemerkenswerterweise versteht jeder Physiker, Biologe oder Techniker, der mit dynamischen Systemen zu
tun hat, sofort die hier dargelegte Zinskritik. Nur Ökonomen tun sich schwer. Sie verteidigen den positiven
Zins als Resultat natürlichen Wettbewerbs. Der Wettkampf (was nichts weiter ist als ständiger globaler
Wirtschaftskrieg) ist ihr Ideal.
Das ist natürlich an sich schon problematisch, denn wer den Wettbewerb als letztgültige Wahrheit predigt,
steht in einer philosophischen Denkrichtung zum Neodarwinismus, der das Recht des Stärkeren betont, mit
dem auch Hitler seine Eroberungsfeldzüge legitimierte. Zweifelsohne gibt es Wettbewerb in der Natur. Aber
abgesehen von Ritualen bei der Werbung um Paarungspartner setzt sich kein Lebewesen unnötig einem
Wettbewerb aus. Intelligente Arten verfügen über Sozialsysteme und außerdem gibt es auch biologische
Nischen um dem Überlebenswettkampf zu entgehen. Kurzum, die Natur kennt nicht nur Wettbewerb sondern
auch Kreativität, Kooperation und sogar Fürsorge.
Mit einseitiger Fixiertheit auf Konkurrenzdenken ist kein nachhaltiges Geldsystem zu machen, denn der
Geldwert beruht immer auf Vertrauen. Ein Wettbewerb, bei dem ungleiche Gegner aufeinander gehetzt
werden, ist ein Gladiatorenspiel. Wie kann man dies zum Ideal erheben? Viele gläubige Christen betrachten
die Umkehrung der Werte in der klassischen Ökonomie inzwischen als Teufelswerk. Fest steht, dass Jesus
andere Werte predigte. Der Kämpfer war für ihn immer der Schwache, denn wer der Welt gewachsen ist und
nichts fürchtet, braucht auch nichts zu bekämpfen.
Aber selbst aus dem Blickwinkel dieses kriegstreiberischen Wettkampf-Ideals unterliegen unsere Ökonomen
einem Irrglauben, wenn sie damit den Zins begründen. Unser heutiges Zinssystem entspringt keinem
Wettbewerb, denn um einen „natürlichen“ Wettbewerb aufzubauen, müsste erst einmal das
Währungsmonopol fallen um kreative neue Lösungen zuzulassen.
Sobald aber eine zweite Währung da ist, müssten beide um ihre Vorherrschaft ringen. Da Geld nur durch
Kredit entsteht, würden Banken potentiellen Kreditnehmern Geschenke machen, damit sie nicht zur anderen
Währung wechseln. Eine Währung braucht Menschen, die bereit sind sich zu zukünftiger Arbeitsleistung zu
verpflichten (nichts anderes macht ein Kreditnehmer). Hat der Kreditnehmer die Wahl, so wird er sich für
diese Verpflichtung bezahlen lassen, denn freiwillig wird niemand Sklave. Nur durch unser heutiges
Währungsmonopol ist jeder erpressbar, der kein Spross reicher Eltern ist und sich doch selbstständig machen
will.
Angesichts der harten Strafen, die den Kreditnehmer erwarten, wenn er keine ausreichende Leistung bringt,
ist aus meiner Sicht „Sklave“ der richtige Ausdruck. In der dritten Welt stürzt man Bauern in
Kreditabhängigkeiten und lässt sie als abschreckendes Beispiel verhungern, wenn sie (z.B. aus
gesundheitlichen Gründen) ihre Leistung nicht mehr bringen.
Ist der Kreditnehmer der Sklave des Systems, so ist der Sparer der Herr. Diese globale Zweiklassen gesellschaft existiert aber nur durch das Währungsmonopol. Sparer profitieren von den erzwungenen
Mehrleistungsversprechen der Kreditnehmer. Ohne diese hätte ihr Geld keinen Wert, ja es wäre nicht einmal
vorhanden.
Geld ermöglicht dem Sparer einen erweiterten Sicherheitsrahmen für den Fall von materiellen Lebenskrisen.
Dafür wird man vom Sparer eine Gebühr verlangen, sobald das Währungsmonopol fällt. Das mittelalterliche
System, das nur die Geldbesitzer besteuerte, war so gesehen richtig aufgestellt. Das ist kein Angriff auf
14
Besitz. Jeder mag Besitz anhäufen wie er will, bloß nicht Geld, denn Geld braucht die Wirtschaft . Es ist ein
wichtiges Allgemeingut, so wie die Wasserversorgung.
Der Sparanreiz muss somit gemindert werden, während Kredite in Zukunft unverzinst sein können. Nun mag
es auf den ersten Blick so aussehen, als müsste der Wegfall von Kreditzinsen erst recht die Überschuldung
fördern. Aber das Gegenteil ist der Fall. Schulden werden nämlich heute vor allem deshalb nicht getilgt, weil
die Schuldner all ihre Leistungfähigkeit dafür verbrauchen bloß um die Zinsen zu zahlen. Einer dieser
Schuldner ist auch der Staat. Wenn Kredite unverzinst sind, ist jeder Kredit irgendwann tilgbar.
Bei Lietaer finden wir eine Studie, wonach Frankreich heute fast Schuldenfrei wäre, hätte es das Geld, wie
bis 1973 möglich, weiterhin zinsfrei aufnehmen können. 8 Noch extremer fallen solche Rechnungen für
Entwicklungsländer aus, deren Zinssätze viel höher liegen. Ein Beispiel bietet die Bilanz des Präsidenten
Obasanjo von Nigeria aus dem Jahr 2000:
„Bis 1985 haben wir gerade rund 5 Milliarden US-Dollar geliehen und bislang haben wir rund 16
Milliarden zurück gezahlt. Doch man erklärt uns, wir würden noch immer 28 Milliarden Dollar
schulden.. ..Wenn Sie mich fragen, was das Schlimmste in der Welt sei, würde ich sagen die Zinseszinsen.“
Zu der Zeit gaben die Entwicklungsländer durchschnittlich 13 Dollar für die Schuldtilgung jedes Dollars aus,
den sie für Entwicklungshilfe geliehen hatten. 9
Für den einzelnen Bürger hätte der Wegfall von Kreditzinsen den Effekt, dass niemand mehr hohe
Sparguthaben anzuhäufen braucht, um sich materiell abgesichert zu fühlen, denn die Sicherheit bietet ihm
der Kreditrahmen, den er unverzinst nutzen kann. Kurzum, die Menschen werden Sparguthaben auflösen und
damit kann Geld zu Schuldnern gelangen. Eine ideale Wirtschaft ist eine, bei der die Schulden und Guthaben
nicht überhand nehmen, eine Wirtschaft also, in der die Menschen danach trachten auf ihren Konten um null
herum zu bleiben. (Also in einem Zustand der ungefähren Ausgeglichenheit.) Dieses Ziel erscheint uns heute
eigenartig, weil wir durch den falschen Zins nicht dahingehend motiviert werden. Wir kennen dieses Ziel
jedoch aus der Geschenkökonomie.
Weniger Gläubigern stehen automatisch auch weniger Schuldner gegenüber. Deshalb muss, wenn wir die
Überschuldung abbauen wollen, die Sparmotivation gesenkt werden. Zum Teil passiert das bereits, denn der
Sparertrag ist heute durchschnittlich geringer als die Geldentwertung durch Inflation.
In einer negativ verzinsten Währung gibt es überhaupt keine Inflation. Die Zinszahlungen dienen lediglich
der Senkung der Sparmotivation, damit Sparer auf andere Anlagen ausweichen. Sparer werden durch solche
Zinsen nicht stärker belastet als durch die heutige Inflation. Da in Summe der Schuldenzuwachs vom
Verhalten der Sparer abhängt, muss der Zins sich irgendwann umkehren, andernfalls zerbricht das
Geldsystem an überhöhter Gesamtverschuldung.
Inflation entsteht im heutigen System, weil die Zunahme der Guthaben und Schulden gegen unendlich steigt,
während das Wirtschaftswachstum stagniert. In einer umgekehrt verzinsten Währung wächst beides parallel
bis Sättigung erreicht ist. Im alten Ägypten kannte man keine Inflation. Die Tontafeln behielten ihren Wert.
Inflation belastet die Armen stärker als die Reichen
Mit dem Hinweis auf die Wirkung der Inflation relativieren Ökonomen der klassischen Schule gerne die
verheerende Wirkung des verkehrten Zinses. Ihr Argument besteht darin, dass der Zins notwendig wäre, um
die inflationsbedingten Preissteigerungen doch wenigstens teilweise auszugleichen, damit Sparguthaben
ihren Wert behielten. Die Sparer hätten doch diesen Wert erarbeitet. 10
Dieser Ausgleich ist aber nur in einer falsch verzinsten Währung notwendig, denn bei natürlichem Zins
kommt es gar nicht zu Inflation. Inflation führt auch nicht zu einer Linderung des eigentlichen Problems, das
8 Bernard Lietaer et.al (2013) Geld und Nachhaltigkeit, Bericht des Club of Rome/EU-Chapter, S. 209
9 Bernard Lietaer et.al (2013) Geld und Nachhaltigkeit, Bericht des Club of Rome/EU-Chapter, S. 173
10 Ich finde dieses Argument höchst eigenartig aus dem Mund von Ideologen, die erfreut zusehen, wie der kleine selbstständige
Greissler vom großen Konzern durch Wettbewerb geschluckt wird und sich kein bisschen darum scheren, wie viel dieser gearbeitet
hat und wieviel an Arbeitsleistung man ihm nun zusätzlich noch abverlangt um seine Schulden loszuwerden.
15
sich hinter der Zunahme von Verschuldung und Vermögen verbirgt, nämlich die ständige Öffnung der Schere
zwischen Arm und Reich. Geldanleger profitieren von den steten Preissteigerungen, denn sie konsumieren
ihre Anlageprodukte nicht. Sie warten zu, bis diese an Wert gewinnen, um sie dann gewinnbringend zu
verkaufen. Da Anlageprodukte (wie Land, Energie und andere Ressourcen) stärkere Preisanstiege
verzeichnen als alltägliche Produkte ist der Zugewinn der Anleger höher als die durchschnittliche
Inflationsrate. Die Vermögensstatistik beweist: Die wirklich Reichen mit verzinsten Guthaben über 300 000
Euro werden in dem System immer reicher – trotz Inflation!
Wer sein Geld hingegen durch Arbeit verdient, kann aufgrund der ständigen Preisanstiege für seinen Lohn
immer weniger kaufen. Die Masse wird durch Inflation ärmer. Alle Ressourcen fallen in die Hände einer
kleinen Minderheit.
Warum üben Ökonomen kaum Zinskritik?
Angesichts des enormen Einflusses, den Zinsen auf unsere Wirtschaft haben, sollte man annehmen, dass
unter Ökonomen ein reger Diskurs um dessen Rolle besteht. Das Gegenteil ist der Fall. Nun kann man sich
fragen, warum dieses Thema in der Wissenschaft kaum eine Rolle spielt.
Eine Antwort mag darin liegen, dass man Banken immer als neutrale Schulden- und Guthaben-Vermittler
betrachtet hat. Deshalb hat man es zugelassen, dass nahezu alle großen Medien und auch viele
wissenschaftliche Zeitschriften eine Bank als Hauptsponsor haben. Bei jedem anderen Wirtschaftssektor
hätten die Alarmglocken liberal gesinnter Ökonomen geklingelt, wenn er sich so dominant als Sponsor in der
Medienwelt betätigt hätte.
Selbst der Wirtschaftsnobelpreis wurde nicht von Alfred Nobel gegründet, sondern erst 1968 von der
schwedischen Reichsbank. Kein Ökonom der ihn je verliehen bekam, hat sich mit dem Zins beschäftigt 11.
Der Zins ist das Tabuthema der klassischen Ökonomie. Eine Zeitschrift, die Zinskritik übt, droht ihren
Hauptsponsor zu verlieren. Ein Ökonom, der Zinskritik äußert, outet sich damit als Abtrünniger und riskiert
seine Professur.
Deshalb sollte man allen Lehrenden hohe Achtung entgegenbringen, die sich dieses heiße Eisen anzufassen
getrauen. Die meisten tun es erst nach ihrer Pensionierung. Jürgen Kremer von der Hochschule Koblenz
nimmt die Hürde durch mathematische Simulationen mit denen er seine Zinskritik wissenschaftlich
untermauert und sich damit über die Standardkommentare paradigmatreuer Fachkollegen erhebt.
Der Skandal besteht darin, dass die klassische Ökonomie in den letzten Jahrzehnten keinen einzigen
wirksamen Vorschlag zum Abbau der exponentiell angewachsenen Guthaben und Schulden vorweisen
konnte, dass sie weiters deren Symmetrie ausblendet und das historisch bewährte Rezept des negativen
Zinses nicht einmal erforscht. So verhält sich keine Wissenschaft!
Viele Ökonomen sind überhaupt nicht fähig, die Geldordnung aus der Sicht der Banken zu verstehen. Sie
glauben, ein einzelnes Land könne heute seinen Banken gesetzlich gar keine Zinsumkehr verordnen
(Wucherverbote gab es historisch immer wieder), weil dann die Spargelder ins Ausland abwandern würden
und die Wirtschaft kein Geld mehr hätte. Hätten sie begriffen, dass Spargelder der Wirtschaft entzogen
bleiben, wo immer sie auch ruhen, bräuchten sie diese Sorge nicht zu haben.
Banken glauben heute immer noch, sie müssten sich an den Finanzmagnaten orientieren. Dabei ist die
Bankenpleite doch genau deshalb entstanden, weil sie die Spekulanten und Großsparer gemästet haben,
anstatt sie zur Kasse zu bitten. Das kam nicht von ungefähr, sind doch Bankmanager privat selbst
Geldanleger. Spekulations-Junkies können nicht geheilt werden, indem man ihnen Geld gibt. Die
Kreditsummen welche in den Bankbilanzen wackeln, übersteigen die Staatshaushalte um ein Vielfaches. Da
helfen keine Rettungspakete. Aufklärung und neue Gesetze müssen her, damit Banken nicht weiter
Gefangene ihrer eigenen fehlerhaften Annahmen bleiben, denn die Gier nach schnellem Profit erzeugt die
Blasen, durch die das System letztlich zusammenbricht.
11 Siehe Bernard Lietaer et.al (2013) „Geld und Nachhaltigkeit“, S. 79
16
Die EU kann unsere staatsansässigen Banken nur begrenzt regulieren. Sie unterliegen noch überwiegend den
jeweiligen nationalen Gesetzen. Schafft Österreich sinnvolle Gesetze, wird es überlebensfähige Banken
erhalten, die nicht gerettet werden müssen. Doch hier gibt es schon die nächste Schwierigkeit: In der
Regierung fehlt jegliches Verständnis für das System und als Konsequenz daraus gibt es auch kein Behörde,
die ordnungspolitisch Empfehlungen fordern bzw. umsetzen könnte. Die Nationalbank wird von Ex-Bankern
geleitet und alle lassen sich von der Banken-Lobby beraten. Das wichtigste Ziel für eine Reform muss also
darin bestehen, eine unabhängige Behörde zu gründen, die sich mit der landeseigenen Geldordnung befasst.
Ist es nicht beschämend, dass die Wirtschaftsministerien westlicher Regierungen über keine Abteilungen
verfügen, die sich mit der Geldordnung beschäftigen und Reformen einleiten könnten? Dass der
Finanzsektor sich unkontrolliert zur eigenen Bereicherung hin entwickelt hat, ist lediglich eine logische
Konsequenz dieses politischen Versagens.
Das hier vorgeschlagene Rezept des umgekehrten Zinses mag vielen allzu einfach erscheinen. Es ist uns
doch gesagt worden, dass die Lage alternativlos und außerdem hochkomplex sei. Andererseits zweifelt kein
Ökonom daran, dass unsere Industriebetriebe äußerst leistungsfähig sind. Die Wirtschaftskrise ist somit
lediglich eine Verteilungskrise und keine Produktionskrise.
Warum sollte Verteilung unlösbares Problem darstellen? (Vor allem wo wir heute über
Computertechnologien verfügen, mit der sich Lösungsideen beliebiger Komplexität simulierbar sind!)
Verteilung kann heute nur mehr ein Logistik-Problem sein. Aber dass Logistik eine bewältigbare Aufgabe ist,
zeigen uns weltweit tätige Konzerne und Institutionen vor.
Eine zentrale Logistik ist natürlich kein Allheilmittel, wollte doch der Kommunismus einst auf diese Weise
das Problem lösen und ist an Korruption gescheitert. Es fehlten aber auch die nötigen Computerdatenbanken.
Mit heutiger Technik hätte er länger überlebt. Aber auch kommunistische Banken verbuchten positive
Zinssätze. Die Sowjetunion verfügte nicht über den Zugriff auf Entwicklungsländer, die sie hätte ausbeuten
können und so ist sie etwas früher dem „Zinsgeschwür“ erlegen. Der Staatsapparat war schlicht und einfach
pleite, wenngleich die Verschuldung im Verhältnis zum BIP angeblich nicht einmal das Ausmaß
angenommen hatte, das wir heute im Westen vorfinden.
Die Umkehrung des Zinses würde die Verteilung umkehren. Das Geld wandert dann vom unproduktiven
Finanzsektor wieder zurück in die Realwirtschaft. Es ist so einfach. Eine Zinsumkehr wird nur von jenen
nicht gewollt, die von der derzeitigen Umverteilung nach oben profitieren, und dazu gehören leider auch
hochbezahlte Politiker, die genug Geld haben, um damit zu spekulieren. Aktienhandel ist ein Hobby vieler
Ökonomen. Die verdrehte Welt des Finanzmarktes raubt ihnen den Sinn für Realität.
Machtverschiebung durch Vorrechte des Finanzsektors
Bankeigengeschäfte sprengen die Bürgerschöpfung des Geldes
Käme Geld wirklich so in die Welt, wie in der ersten Grafik dieses Textes dargestellt, so müssten wir es als
„bürgergeschöpftes Geld“ bezeichnen, denn der Bürger erschafft durch Nutzung seines
Überziehungsrahmens Geld. Die Bank wäre, wie in Grafik 2 dargestellt, ein bloßer Vermittler zwischen
Schuldnern und Sparern. Als solcher sehen sich Banken noch immer gerne. Nichts könnte ferner von der
heutigen Realität sein!
Ich hatte zufällig die Gelegenheit einen der obersten Führungskräfte aus dem europäischen Bankensektor
kennen zu lernen, den ich aus Freundschaftsgründen hier nicht namentlich nenne. In Diskussion mit ihm
stellte sich heraus, dass auch er das Bankgeschäft als Vermittlerrolle zwischen Schuldnern und Gläubigern
versteht und somit mit meiner zweiten Grafik und der darin enthaltenen Erklärung der Geldschöpfung voll
einverstanden war. Er betrachtet den Kreditnehmer als den „Herren der Geldschöpfung“.
Die Macht über die Geldschöpfung hätten die Kreditnehmer aber meiner Ansicht nach nur dann, wenn sie in
Summe die freie Wahl darüber hätten, wie sehr sie ihre Kreditrahmen ausschöpfen wollen. Geldschöpfung
17
geschieht heute in Summe nicht als freie Entscheidung der Kontoinhaber. Banken sorgen nämlich durch die
Belohnung der Sparer dafür, dass stets Geld aus der Wirtschaft auf Sparkonten abwandert. Sie zwingen damit
die Wirtschaft zu ständig neuen Kreditaufnahmen. Von freier Entscheidung kann also keine Rede sein.
Immer weitere Kontoinhaber müssen gefunden werden, die gewillt sind, sich bis an die Grenze ihrer
Kreditwürdigkeit zu belasten. Sind keine kreditwürdigen Wirtschaftsteilnehmer mehr zu finden, muss der
Staat herhalten, sonst verschwindet das Geld aus dem Umlauf. Die Rechnung für diese gezielte
Geldvermehrung zahlt der Bürger über die dadurch ausgelöste Inflation bei Anlageprodukten (Ressourcen)
und über indirekte Zinslasten.
Die Kreditspirale durch den verkehrten Zins verebbt, wenn die wirtschaftliche Lage so eng wird, dass kaum
noch Kreditnehmer mit guter Bonität zu finden sind und auch die Staaten an die Grenze ihrer
Kreditwürdigkeit stoßen. Deshalb begannen Banken, sich nahezu unbegrenzt selbst Kredit zu gewähren, um
mit dem frisch geschaffenen Geld Wertpapiere zu kaufen.
Auf die Bilanzsumme einer Bank hat dieses Vorgehen vorläufig keine Auswirkungen, da sich der Wert des
Wertpapiers mit dem sich selbst gewährten Kredit zu null ausgleicht. Bankbilanzen bestehen heute zu 70%
aus solchen Ankäufen, „Bankeigengeschäfte“ genannt. Gewinnen die Papiere an Wert, so macht die Bank
dementsprechend große Gewinne. Aber dieses Spiel birgt ein hohes Risiko, denn durch das Ausmaß dieser
Geschäfte genügen heute meist fünf Prozent an Wertverlust der Papiere um eine Bank in den Ruin zu treiben.
Mit den enormen Geldsummen, die ohne realwirtschaftliche Deckung über dieses Spiel in den Finanzmarkt
gepumpt werden, wird zunächst dort die Kaufkraft erhöht und die Preise steigen in unrealistische Höhen.
Aber die irrealen Preise führen letztlich dazu, dass eine Entwertung all der „innovativen“ Finanzprodukte
immer wahrscheinlicher wird. Dies ist die eigentliche Ursache der Bankenkrise.
„Gegenüber den heutigen Devisen und Derivatenmärkten spielen alle anderen wirtschaftlichen Aktivitäten
auf unserem Planeten nur eine unbedeutende Rolle. 2010 erreichten alle Devisentransaktionen ein Volumen
von vier Billionen Dollar pro Tag. Dagegen beliefen sich die Exporte oder Importe aller Güter und
Dienstleistungen der Welt an einem Tag nur auf zwei Prozent dieses Volumens. Somit sind 98 Prozent der
Transaktionen auf diesen Märkten rein spekulativ. Diese Zahl schließt noch nicht einmal die Derivate ein,
deren nominelles Volumen 600 Billionen Dollar betrug – das Achtfache des jährlichen
Bruttoinlandsprodukts der gesamten Welt im Jahr 2010.“ 12
Das enorme Wachstum des Finanzsektors gründet vor allem auf dem enormen Zuwachs an
Bankeigengeschäften, durch die frisches Geld direkt in diesen Sektor wandert. Diese Form der
Geldvermehrung ist natürlich völlig absurd, denn durch welche realwirtschaftliche Leistung ist der
Kreditrahmen einer Bank zu rechtfertigen? Falls wirklich 70% der gesamten Geldvermögen auf diese Weise
in die Welt kamen, darf es nicht wundern, dass die Summe der Geldvermögen um eben diesen Faktor die
handelbaren Güter übersteigt. Laut Claus Raidl, Vizepräsident des Forums Alpbach verbleiben sogar 93%
der Kredite innerhalb des Finanzsektors 13, also innerhalb eines unproduktiven Marktes, der eigentlich gar
keine Kreditwürdigkeit haben dürfte, weil die Geldmenge doch eigentlich mit dem Bruttosozialprodukt, also
mit der Realwirtschaft wachsen sollte.
Die österreichische Nationalbank hat eine Webseite, auf der sie erklärt, wie Geld in die Welt kommt 14. Dort
wird keineswegs der Druck und die Vergabe unserer Banknoten erklärt, sondern die Buchgeldschöpfung der
Geschäftsbanken. Das bedeutet, selbst die Nationalbank hat begriffen, dass sie die Macht über die
Geldschöpfung großteils abgegeben hat.
Aber die Buchgeldschöpfung, die natürlich seit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr enormen Zuwachs
erfährt, ist ebenfalls keine zutreffende Erklärung für die systemischen Geschehnisse mehr. Das System hat
sich still und heimlich ein weiteres Mal gewandelt. Zu 70% entsteht Geld heute folgendermaßen: Die Bank
kauft Wertpapiere, indem sie dem Verkäufer ein Guthaben „aus dem Nichts“ auf sein Konto schreibt. Der
Verkäufer ist meist eine andere Bank, die diese Papiere erfunden und deren Wert über Rating-Agenturen
„bestätigt“ hat. Realwirtschaftliche Deckung liegt so gut wie keine vor. So kommt eine unerschöpfliche Flut
12 Siehe Bernard Lietaer „Geld und Nachhaltigkeit“ 2013, S. 28
13 http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/wirtschaft/3393938/wettkultur-zu-firmenkrediten.story
14 http://www.oenb.at/de/finanzm_stab/finanzmaerkte/finanzmarkt/geldmarkt/geldmarkt.jsp
18
an Guthaben, also an Geld in den Finanzsektor und spiegelbildlich in gleicher Höhe Schulden, für die
letztlich immer die Allgemeinheit bürgt und die Zinslast trägt.
Das ist keine Geldordnung, das ist ein unhaltbarer Zustand!
Durch die Geldflut wächst der Finanzsektor. Dieses Wachstum geht auf Kosten der Realwirtschaft, denn es
dient nur dazu, den Zinshebel zu vergrößern, mit dem der Realwirtschaft Geld entzogen wird, das
letztendlich in den Taschen der Finanzmagnate landet. Es ist der größte Raubzug der Geschichte.
Eine gesetzliche Verordnung, die es Banken nicht mehr erlaubt, sich selbst Kredit zu gewähren, würde aber
das, im derzeitigen System notwendige Interbankengeschäft stören und trotzdem nicht diese Art der
Geldvermehrung reduzieren, denn so lange die Bank mit ihrer Willkür entscheidet, wem welcher
Kreditrahmen zusteht, kann sie ihre Geschäfte über einen Mittelsmann erledigen, der für sie an der Börse
spekuliert und dem sie endlos Kredit gewährt.
Die USA hat nun ein 1000 seitiges Regelwerk zur Reduktion von Bankeigengeschäften heraus gebracht. Ob
das der richtige Weg ist bleibt fraglich. 15
Das Hauptziel des Finanzsektors ist nicht Geld sondern Macht
Wer meint, die Geldvermehrung sei das Kernziel des Finanzsektors, der hat die gegenwärtige Lage noch
nicht vollständig durchschaut. Die weltweiten Geldvermögen übersteigen die real handelbaren Güter um das
vier- bis zehnfache. Das bedeutet, die Leistungsversprechen, die sich hinter dem Geld verbergen, können gar
nicht mehr gehalten werden. Alle wissen, dass der Geldwert irgendwann schlagartig verfallen wird. Deshalb
trachtet der Finanzsektor danach, die Menge an handelbaren Gütern zu erhöhen, um die Vermögen
rechtzeitig in reale Werte umzuwandeln.
Das ist der Grund, warum heute Staatsschulden fällig gestellt werden. Eine derartige Aktion war so nie
vorgesehen. Diese Fälligstellung zwingt Staaten dazu, Infrastruktur zu verkaufen, die eigentlich bereits vom
Steuerzahler bezahlt wurde. Damit kommen wieder handelbare Anlagegüter auf den Markt und der
Finanzsektor kann seine Macht weiter ausdehnen. ... siehe Griechenland!
Weigert sich eine Regierung, wie jene unter Papandreou, so wird sie durch Ex-Goldman-Sachs Mitarbeiter
ersetzt, welche den Ausverkauf leiten 16. Die erste der demokratisch gewählten europäischen Regierungen ist
somit ganz offenkundig durch die Finanzdiktatur gestürzt worden. Aber auch Regierungen reicher Länder
sind vor so einem Sturz nicht gefeit, denn auch sie werden über Bankenrettung in die Überschuldung
gedrängt. Haben sie erst einmal ihr Familiensilber verkauft, so gelten sie kaum mehr als kreditwürdig. In der
letzten Not werden entgegen dem Bürgerwillen dann auch bisher unantastbare Güter wie die
Trinkwasserversorgung verhökert.
Ist die Infrastruktur erst einmal in den Händen reicher Anleger, so verfügen diese über ein Monopol und
können Mauten und Gebühren in die Höhe treiben. Der Bürger bezahlt die öffentliche Infrastruktur somit
noch einmal - und immer wieder. Dies führt uns in eine Zweiklassengesellschaft, bei der die Mehrheit ohne
Boden unter den Füßen zur Welt kommt, verpflichtet einer Minderheit zu dienen, die über alle Ressourcen
verfügt.
Aber wie kam es überhaupt dazu, dass einzelne Personen so reich werden konnten, dass sie heute zum
Beispiel das Autobahnnetz eines ganzen Staates kaufen können? Solch einen Reichtum kann man doch nicht
erarbeiten! Er wird vordergründig durch Spekulationen an der Börse erzielt. Aber warum ist fast die ganze
Wirtschaft in diese Spekulationen verwickelt? Natürlich aufgrund des verkehrten Zinses. Trüge die Zinslast
der Sparer nicht der Kreditnehmer, dann würde die real produktive Wirtschaft sich über Nullzins-Kredite
finanzieren und es gäbe keinen Aktienmarkt. Der Devisenhandel wäre unrentabel, da die Aufnahme hoher
Geldmengen auch hohe Zinslasten bedeuten würde.
15 http://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/die-usa-verbieten-den-eigenhandel-1.18202043
16 http://www.linksnet.de/de/artikel/27854
19
Wir brauchen keinen Finanzmarkt in der heutigen Form. Die Vermögenskluft und die damit einhergehenden
Probleme sind in Ländern mit großen Finanzplätzen am größten. Spitzenreiter ist Deutschland, dahinter
England. Island ist schon bankrott.
Aber die Währung hat doch zu Wohlstand geführt?
Diese Annahme bildet die Spitze aller Fehlinformationen, die von der Finanzwirtschaft unter das Volk
gebracht werden. Zweifelsohne hat unsere Kultur einen unvergleichlichen materiellen Wohlstand erzielt und
selbst wenn wir das reichste Zehntel ausklammern ist er in Europa noch hoch. Wir sind durch das System in
ein Rad materieller Sachzwänge geraten, die uns so sehr beschäftigt halten, dass unsere geistige und
spirituelle Entwicklung verkümmert. Aber es war nicht die Währung, der wir den materiellen Wohlstand zu
verdanken haben. Man erinnere sich: Der letzte Währungscrash hat den zweiten Weltkrieg verursacht. Es war
die gleiche positiv verzinste Geldordnung, die uns das bescherte.
Über Wohlstand verfügen wir, weil die Technik es uns ermöglichte, die über Millionen Jahre gewachsenen
Energieressourcen der Erde (fossile Brennstoffe) anzuzapfen und weil wir Industrienationen die restliche
Welt ausbeuten.
Während im Mittelalter vielleicht 10000 Menschen den relativen Wohlstand eines Landesfürsten finanzierten
und von ihm Straßen und andere Infrastruktur erhielten, kommt heute auf 100 Menschen ein Finanzmagnat,
der in Saus und Braus lebt, ohne jegliche Verpflichtung der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Statt einem
Zehent haben wir Zinslasten von durchschnittlich einem Drittel auf den Warenpreisen zu tragen. Die Steuern
liegen auch weit über einem Zehntel. Das Zinseszinssystem beutet die Masse aus und nur der maschinellen
Produktivität ist es zu verdanken, dass auch zum kleinen Mann noch etwas davon „hindurchtröpfelt“
Im Mittelalter musste beinahe alles mit Muskelkraft erzeugt werden. Aber es gab keine Vermögenskluft wie
die heutige. Der negative Zins ließ keine Kapitalsammelbecken zu und deshalb konnten sich auch in der
Wirtschaft keine Monopole herausbilden.
Heute hat jeder Industriezweig eine Lobby. Neben der Bankenlobby gibt es eine Pharma- Energie-, AgrarWaffen- und Automobillobby. Die dahinter stehenden Konzerne sind nicht an der Freiheit der Bürger
interessiert, sondern an deren maximaler Abhängigkeit. Lindernde Medikamente sind aus dieser Sicht besser
als heilende, zentralisierte Energiegewinnung besser als energieautarke Häuser. Umwelt und Menschen
werden als Ressource betrachtet, deren weltweite Ausbeutung nichts kostet. Freien Wettbewerb gibt es in
dieser Welt der Monopole nicht mehr. Kleinunternehmer werden von Großkonzernen einfach geschluckt. Wo
treten hier noch gleiche Kontrahenten gegeneinander an? Die wenigen großen haben sich doch längst
arrangiert.
Die Struktur unserer Wirtschaft in Form von Großkonzernen ist Resultat der Kapitalsammelbecken, die
durch den verkehrten Zins möglich wurden. Er ist die Wurzel für das Ende jeden echten Liberalismus. Der
Neoliberalismus ist durch die Augen eines liberal gesinnten Ökonomen eine verkehrte Welt, eine Umkehrung
aller Werte. Unter den Handwerkern des Mittelalters gab es mehr freien und fairen Wettbewerb als in unserer
monopolgeprägten Wirtschaft!
Waren vor einer Generation noch die Hälfte der Menschen selbstständig tätig, so übernehmen heute
angestellte Manager die Führungsrolle. Allesamt sind sie dem Kapital der Aktionäre verpflichtet, ohne die
Möglichkeit zu sozialem Engagement und Rücksicht auf die Umwelt. Die grünen Mascherl, welche sich die
Industrie gerne umhängt, sind meist nichts als Propaganda ohne viel dahinter, die schönen Bekenntnisse
meist leere Worthülsen.
Die Entscheidungsfreiheit ist im Schwinden begriffen und große Herausforderungen wie die Energiewende,
der Schutz der Artenvielfalt und des Klimas können nicht angegangen werden.
20
Der Handel mit Rechten und Pflichten
Wie bereits erwähnt liegen die am Wertpapiermarkt gehandelten Werte 4 bis 10 fach über den handelbaren
Gütern. Dies wird gerne damit relativiert, dass doch nichts handelbar sein könne, was nicht existiert. Wer so
denkt, der sollte sich einmal mit sogenannten „Futures“ auseinandersetzen. Erdöl ist zum Beispiel schon 10
Jahre im voraus verkauft. Die zukünftige Produktion wird somit schon heute zum handelbaren Gut und ein
Ausstieg aus der Erdölwirtschaft wird ohne Vertragsbrüche undenkbar. Aber was ist dieses Gut? Es ist ein
Recht auf den Kauf des zukünftigen Produktes.
Bei genauer Betrachtung funktionieren alle Finanzprodukte nach dem gleichen Prinzip. Der Finanzsektor
klinkt sich zwischen Käufer und Verkäufer, so wie es die Bank im Schritt von der ersten Grafik dieses Textes
zur zweiten tut, wo sie sich zwischen Schuldner und Sparer klinkt. Das in der ersten Grafik dargestellte
Modell der bürgergeschöpften Währung zeigt, dass wir dieses Zwischenglied nicht brauchen, aber mehr
noch, wir dürfen es nicht zulassen, denn wir geben damit alle Macht an völlig unproduktive Menschen ab.
Wie dies funktioniert, will ich an einem einfachen Beispiel erklären:
Der Müller kauft vom Bauern Getreide, so wie der Bäcker vom Müller das Mehl. Alle stehen in einem
gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis, durch das die Preise sinnvoll geregelt werden, denn der Müller wird
nicht mehr für das Getreide zahlen, als er vom Bäcker für das Mehl bekommt und der kann nicht mehr geben
als er für das Brot bekommt. Was aber, wenn sich einige Finanzmagnate zusammentun und sich zwischen
Käufer und Verkäufer klinken, indem sie das Getreide zu einem überhöhten Preis aufkaufen? Der Bauer wird
es gerne zu dem Preis verkaufen. Der Müller aber wird nun dazu erpresst den überhöhten Preis zu zahlen und
die Preissteigerung wird letztlich an den Konsumenten weitergereicht.
Unser Geld ist eine Aufzeichnung von Forderungen und Verbindlichkeiten und diese Termini lassen sich
direkt in Rechte und Pflichten übersetzen. Die „Arbeit“ des Finanzsektors besteht darin Verträge aufzusetzen,
durch welche Rechte und Pflichten neu festgelegt werden. Wenn der Finanzsektor heute überwiegend Werte
handelt, die materiell nicht existieren, so handelt er mit etwas immateriellen, nämlich mit Rechten und
Pflichten. Nach diesem Herrschaftsprinzip entstehen „innovative“ Finanzprodukte, wie der Handel mit CO2
Luftverschmutzungsrechten. Das Recht wird aus dem Nichts kreiert und die Wirtschaft, also letztlich der
Bürger als Konsument, muss zahlen. „Zahlen“ bedeutet aber nichts anderes als „dienen“, denn hinter
unserem Geld steht unsere Arbeitsleistung, hinter dem Geld eines Bankeigengeschäftes steht jedoch nichts.
Diese Machtübernahme mittels vertraglichen Bindungen funktioniert in allen Bereichen, von denen die
Menschen abhängig sind. Es ist egal, ob ein Finanzmagnat die Quellen aufkauft oder die Kanalisation. Wir
sind von beidem abhängig. Nach dem Kauf kann er die Kanalisation verfallen lassen, bis die Toiletten der
Bürger nicht mehr funktionieren und dann beliebige Summen dafür verlangen um die Funktionstüchtigkeit
wieder herzustellen. Ich möchte es einmal ganz böse ausdrücken: „Selbst fürs Scheißen werden wir noch
zahlen müssen“. Die Kanalisation von Berlin ist schon verkauft. Wenn Gemeingut wie die Infrastruktur in
private Hand fällt, dann ist das Recht in private Hände übergegangen und die Regierung ist nur noch
Fassade. Recht darf kein Handelsgut sein!
Die Staaten mit großen Finanzplätzen wird diese Entwicklung am brutalsten treffen, wenn sie dem
Finanzmarkt keine gesetzlichen Schranken auferlegen. Aber das Gegenteil tun sie. Großbritannien hat, (trotz
der schlechten Erfahrungen mit der Privatisierung der Bahn) .."ein Privatisierungsprogramm von 16
Milliarden Pfund verkündet. In Italien wurden 9000 Objekte in öffentlichem Besitz von der Regierung
Berlusconi verkauft.".. (Strände werden zunehmend privat kostenpflichtig betrieben) .."Die Regierung
Sarkozy hatte in Frankreich bereits alle mautpflichtigen Autobahnen des Landes für fünf Milliarden Euro
verkauft. Die mit dem Rettungspaket für Griechenland verknüpften Bedingungen sehen Privatisierungen im
Wert von 50 Milliarden Euro vor. Und diese Liste geht weiter. Der Druck wird noch lange Zeit anhalten.
Doch was geschieht danach? Warum sollten Staaten kreditwürdiger werden,".. wenn sie Besitz abbauen?17
Das GATS-Abkommen fordert die Privatisierung von über 150 Dienstleistungen...“Wovon sprechen wir
dabei? Es geht unter anderem um die soziale Absicherung und Grundversorgung (wie Kranken- und
Pensionsversicherung), das gesamte Bildungssystem (Volksschule bis Universität und berufliche
17 Bernard Lietaer/ Cub of Rome „Geld und Nachhaltigkeit“ 2013, S. 31
21
Weiterbildung), den öffentliche Verkehr, Umweltdienste (wie Stadtsanierung, Landschaftsschutz,
Müllentsorgung), kulturelle Angebote (öffentliche Bibliotheken, Archive, Museen, Kulturdenkmäler u.ä.),
Strom bzw. die Energieversorgung, Wasser, Telekommunikation, Post, Bank- und Versicherungsgeschäfte,
Tourismus, Medien u.v.a.m.“18
Aber überall wo privatisiert wurde, stiegen die Preise. Was kostet heute ein Brief und was hat er zu Zeiten
einer staatlichen Post gekostet? Durch den Monopolstatus, den diese ehemals öffentlichen Güter besitzen,
regeln sich die Preise nunmal nicht "frei". Der Grundsatz der Aufklärung, dass jeder Mensch gleich an Recht
und Würde zur Welt kommen sollte, kann nur aufrecht erhalten werden, wenn auch jeder einen gleichen
Anspruch auf Ressourcen und Infrastruktur inne hat. Was wir derzeit erleben ist keine Wirtschaftskrise, denn
es liegt kein Anzeichen für ein Produktionsproblem vor. Was wir erleben ist die Machtübernahme des
Finanzsektors. Ganze Staaten werden zu Dienern der Geldmacht. 19
3. Alternativen
Parallelwährungen sind zu fördern
Der Fehler liegt meines Erachtens ganz generell darin, dass der Staat immer noch diesen privaten
Institutionen, „Banken“ genannt, die willkürliche Macht gewährt, über die Kreditwürdigkeit von Bürgern
und Unternehmen einschließlich sich selbst zu entscheiden. Dies sollte Aufgabe des Finanzamtes sein, das
unseren Finanzstatus kennt und dessen Angestellte ein fixes Gehalt beziehen und nicht von Zinserträgen
profitieren. Das heutige System gleicht einem Gericht, dessen Richter finanziell von einer möglichst großen
Anzahl von Verurteilungen profitieren. Wie würden diese Richter wohl entscheiden?
Wenn wir die Aufgabe der Einschätzung von Kreditwürdigkeit aber in Zukunft von den Banken abziehen
und sie auf das klassische Bankgeschäft beschränken, dann kommen wir letztlich zu dem Schluss, dass wir
sie überhaupt nicht brauchen, denn übrig bleibt dann nur noch eine Datenbank auf der Geld zwischen Konten
überwiesen werden kann. Datenbanken können über Werbung finanziert werden, denn einmal installiert
verursachen sie nur sehr geringe Kosten. Das ist auch das Prinzip von Google, und dieses Unternehmen hat
sogar schon begonnen amerikanischen Kunden eine kostenlose Überweisungsplattform anzubieten die über
Werbung finanziert wird20. Das wird auf lange Sicht das Zinsgeldsystem ablösen. Denn der Dollar und der
Euro sind durch die vorhandenen Schuldenberge bereits so gut wie tot.
Die Google Konten sollen mit Bankomatkarte voll funktionstüchtige Konten werden, von denen auch
Bargeld behoben und auf die auch der Gehalt ausbezahlt werden kann. Stellen wir uns vor, die Hälfte der
Menschen würde bereits ein derartiges digitales Konto, also eine Datenbank nützen. Daneben gäbe es aber
noch unser heutiges verschuldetes Bankensystem. Wie würde eine Bankenkrise gelöst? Banken besitzen die
höchsten und teuersten Gebäude in nahezu allen Städten der Welt, aber niemand könnte sagen, dies sei
systemrelevant oder alternativlos, wenn doch offensichtlich eine Datenbank genügt. Die Bankenaufsicht
würde sie also dazu motivieren all das zu verkaufen, um ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen. Ohne die
Geldspritzen vom Staat wären sie dazu angehalten, sich ebenfalls zu bloßen Datenbanken umzustrukturieren.
Die Umstrukturierung wäre ganz ohne Wirtschaftskollaps und/oder Krieg möglich. Wir hätten bald ein
schlankes kostenextensives System.
Wir müssen uns also fragen: kann es sinnvoll sein , dem Volk extreme Lasten aufzuerlegen, um dieses kranke
unnötige System zu retten? Eine Geldordnung ist ein bloßes Abrechnungssystem und es steht uns jederzeit
frei, parallel dazu eine neue, gerechtere Geldordnung zu schaffen. Heutige Bankomatkassen sind durchaus
18 http://www.sozialismus.net/zeitung/mr24/gats.html
19 http://unzensiertinformiert.de/2013/03/der-grosse-ausverkauf/
20 http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/nachrichten/vereinigte-staaten-google-macht-banken-mitneuer-geldkarte-konkurrenz-12674680.html
22
fähig, auf eine weitere Datenbank zuzugreifen. Man könnte also eine neue, „saubere“ Datenbank, in der
anfangs alle Konten auf null stehen, parallel zum gegenwärtigen System einrichten, kurzum eine
Zweitwährung schaffen. Die Finanzierung der Wartung bedürfte keiner Kreditzinsen. Eine rein digitale
Geldverwaltung kommt günstiger als eine unproduktive Finanzelite mit utopischen Boni und Gehältern zu
versorgen. Das beweist Google nun. Aber selbst Google hat nicht die Macht, eine neue weltweite
Zweitwährung zu gründen, die wirklich einen eigenen Wechselkurs und einen eigenen Namen trägt, denn
Währung ist das, was die Staaten als Steuertilgung anerkennen.
Die Bilanz einer Überweisungsplattform welche die Geldschöpfung in die Hände der Kontoinhaber legt,
könnte nie in Unordnung geraten, denn alle Beträge, die überwiesen werden, scheinen automatisch anderswo
wieder auf (siehe erste Grafik). Die Bilanzsumme bliebe also immer auf null, denn es stünde keine Bank
dazwischen, die Unordnung hinein bringen, Geld herausziehen und letztlich crashen könnte oder gerettet
werden müsste.
Staaten haben jederzeit die Möglichkeit eine Zweitwährung auf der Basis einer solchen Datenbank
einzuführen. Sogar die Software dafür steht bereit 21. Wenn heute dazu die nötigen Institutionen fehlen, so
bietet sich auch eine andere Option: In den meisten europäischen Ländern gibt es regional derartige
Währungen. Würden sie erst in der Gemeinde, dann im Bundesland und schließlich im ganzen Staatsgebiet
anerkannt, so wäre die Wirtschaft selbst fähig sie zu installieren. Die Schweiz hat schon eine nationale
Zweitwährung, den „Wir“ und die Bürger ringen um dessen steuerliche Anerkennung.
Der Geldwert ergäbe sich ganz von selbst, denn was der Staat als Steuertilgungsmittel akzeptiert, wird sofort
zu einer von allen genützten Währung. Sobald es zur Steuertilgung verwendbar ist, wird jeder Betrieb etwas
mit diesem Geld anfangen können.
Dieses Prinzip ist bereits mit großem Erfolg getestet worden: In der Zwischenkriegszeit rettete sich die
österreichische Gemeinde Wörgl mit einer „Papierversion“ einer solchen steuerlich anerkannten
Zweitwährung aus der Krise und alle Bürger haben sie vom ersten Tag an verwendet.
Griechenland hat diese Chance verpasst. Auf Sardinien ist man schlauer. Dort haben private Initiatoren eine
Alternativwährung eingeführt. Lokal wirtschaftende Unternehmen bestreiten inzwischen 20% ihrer Umsätze
damit.22
„Wenn ich die Steuern auch noch in Sardex zahlen könnte, dann wären alle meine Probleme gelöst”, lacht
Weinproduzent Lilliu. Die sardische Regionalregierung will in kürze Sardex unter jugendlichen Arbeitslosen
in Umlauf bringen. Die Empfänger der alternativen Sozialhilfe sollen die ausgegebenen Sardex dann durch
gemeinnützige Arbeiten wieder zurückverdienen können.
Abgesehen von Griechenland haben alle europäischen Staaten derzeit noch die Möglichkeit zu solch einem
Schritt. Die Frage ist nur: Wie lange noch? Schließlich explodieren überall die Staatsschulden durch die
Bankenrettung. Die Staaten geraten zunehmend in die Hände des Finanzsektors.
Brauchen wir warengedecktes Geld?
In der Szene der Geldsystemkritiker wird das Fiat-Geldsystem bei dem Geld „aus dem Nichts“ geschaffen
wird, gerne der Idee eines warengedeckten Geldes gegenüber gestellt.
Das altägyptische System dient hier als Beispiel. Aber die Warendeckung hatte einen großen Nachteil: Bei
Ernteausfällen trugen die Bürger ihre Tontafeln zurück zum Lagerhaus und erhielten Getreide. Aber die
Wirtschaftsleistung brach in diesen Jahren ein, weil nun kaum noch Geld in Umlauf war.
Das mittelalterliche System kannte diesen Nachteil nicht. Die Burg, das Heer, das Straßennetz und andere
Infrastruktur, die der Landesfürst als „Geldschöpfer“ finanzierte, waren auch eine Art Warendeckung, aber
21 Siehe: http://www.cyclos.org/
22 http://pravdatvcom.wordpress.com/2013/11/23/auf-sardinien-rollt-statt-des-euro-der-sardex/
23
diese Waren standen stets in öffentlichem Gebrauch. Die Infrastruktur bot Schutz und diente dem Volk. Es
stellt sich aber die Frage, ob man hier wirklich von „warengedecktem“ Geld sprechen kann.
Wäre es im mittelalterlichen System zu einer Ansammlung von Reichtum bei Wenigen gekommen, wie wir
sie heute durch den verkehrten Zins haben, so hätten die Gläubiger letztlich den Staat enteignet und die
öffentlichen Güter wären in deren Hände gefallen, so wie es heute geschieht. Das ist die Konsequenz der
Warendeckung. Deshalb sehe ich mehr Sinn darin, eine Geldwirtschaft auf Leistungsversprechen und
Begrenzung dieser Versprechen durch Kreditrahmen zu gründen als auf Warendeckung. Es besteht nicht die
Gefahr, dass die Mehrheit die Kreditrahmen voll ausschöpft, erstens weil sie dann gar keinen finanziellen
Spielraum mehr haben und zweitens, weil in gleichem Ausmaß Guthaben entstehen und so niemals die
Mehrheit verschuldet sein kann, solange sich das Geld durch negativen Zins im Volk verteilt.
Warendeckung birgt hingegen immer die Gefahr, dass die Ressourcen in die Hände weniger fallen, so wie
das heute passiert. Damit entsteht ein Machtungleichgewicht, das (wieder) in die Sklaverei führt.
Man kann das mittelalterliche System durchaus auch als ein Fiat-Geldsystem begreifen, denn der Fürst schuf
dieses Geld doch „aus dem Nichts“ und die Infrastruktur entstand erst durch die Bezahlung. Auch heute
braucht die Industrie Geld zur Vorfinanzierung der Produktion. Es ist nicht möglich, erst die Ware und dann
das Geld zu schaffen! Was also unterscheidet das mittelalterliche System noch von der bürgergeschöpften
Währung aus der Grafik am Beginn des Textes? Doch nur die zentralistische Art der Geldschöpfung.
Warengedeckt war demgegenüber nur die altägyptische Währung und genau darin lag ihr Problem.
Kurzum, ich verstehe die Einwände gegen Fiat-Money nicht und bezweifle die
„Warendeckung“. Sollen wir wirklich zurück zu Gold- und Silbermünzen? Die Wirtschaft
dass sie auf eine solche Basis gestellt werden könnte und die Konsequenzen für die
katastrophal wenn jedes Gramm Gold aus der Erdkruste geholt würde. Außerdem würde
sofort in die Hände der Reichen spielen, die heute das Gold besitzen.
Vorteile einer
ist zu groß, als
Umwelt wären
dies die Macht
Es gibt den Vorschlag die Geldschöpfung mit verschiedensten Waren zu decken: Honig, Salz usw. Aber ist
das nicht heute schon der Fall? Habe ich ein Lager voll mit Salz, so kann ich Kredit aufnehmen und das Salz
deckt die dabei entstandene Geldmenge.
Ist „100%-Geld“ die Lösung?
Die Vertreter der 100%-Geld-Bewegung fordern, dass die Mindestreserve der Banken von 2% auf 100%
angehoben wird. Sie verfolgen damit zwei Motive:
1. Die Macht der Zentralbank über die Geldschöpfung soll wieder hergestellt werden. Wir werden
sehen, dass 100%-Geld dies nicht leisten kann.
2. Das Risiko eines Bankenkrachs durch Bargeldforderungen der Sparer soll verhindert werden. Dazu
gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder all das Buchgeld wird durch Bargeld gedeckt (=100%-Geld ),
oder wir haben nur noch Buchgeld, also digitales 100%-Geld .
Ein rein digitales System bedürfte einiger Gesetzesänderungen, denn es bringt bei der momentanen
Rechtslage einige Probleme mit sich. Wäre es katastrophal die Geldschöpfung ganz in die Hand der
Geschäftsbanken zu geben, so lange diese sich über Bankeigengeschäfte selbst unbeschränkten unverzinsten
Kredit gewähren können? Man bedenke: unverzinster Kredit = geschenktes Geld. Die Frage ist müßig, denn
die Katastrophe ist schon geschehen. Eine Mindestreserve gibt es in Großbritannien nicht und in Europa ist
sie zu klein um wirksam zu sein. So konnten sich die Geldvermögen/Schulden ungehindert ausweiten.
24
Die Mindestreserveregelung ist somit ein überholtes System. Ich kann nicht den Sparern versprechen ihr
Geld jederzeit in bar zu erhalten, wenn ich es nicht in bar erzeuge. Die Bankeinlagen übersteigen das
vorhandene Bargeld, wie die obige Grafik zeigt, um das 27-fache. Jene, die das Konzept des
bürgergeschöpften Geldes nicht kennen, befürworten daher die Hinterlegung all der Geldvermögen mit
Bargeld, also eine „Vollreserve“. Inflation wäre durch die bloße Herstellung der 27-fachen Bargeldmenge
nicht zu befürchten, da diese nur für den Ernstfall in der Nationalbank ruht.
Eine enorme Geldmenge ruht dort heute bereits, eben für den Fall, dass Sparer Bargeld erhöht nachfragen.
Wenn Sparer zu der Vermutung kommen, dass der Geldwert verfallen könnte und kollektiv ihr Geld in Waren
umsetzen wollen, ist es völlig egal, ob sie diese Waren Bar oder Giral bezahlen. In beiden Fällen muss es zu
einer rasenden Inflation führen, weil gar nicht in dem Ausmaß Waren zur Verfügung stehen. Somit bietet
100%-Geld kein Konzept gegen eine derartige Katastrophe. Ist Geld denn wirklich etwas anderes als eine
Notiz von Forderungen und Guthaben?
25
Wenn nein, warum belassen wir es dann nicht bei einem digitalen System? Dass unser Geld heute
überwiegend als Giralgeld entsteht ist nicht das eigentliche Problem. Unser Problem liegt vielmehr im
generellen Umgang mit Forderungen und Verbindlichkeiten! In der Geschenkökonomie suchen wir immer
wieder den Ausgleich unserer Verschuldung. Das heißt wir betreiben unsere „sozialen Konten“ um null
herum. Hätten wir dies auch mit Geld gelernt, dann wäre das Problem des Überhandnehmens von Guthaben
und Schulden gar nicht gegeben.
Es ist der heutige verkehrte Zins, der das schädliche Ideal der Geldhortung fördert. Falls durch 100%-Geld
die Macht der Geldschöpfung wieder den Staaten zufiele (was ich bezweifle), könnte dies einige Auswüchse
des heutigen Systems mildern. Aber es entstünden wohl andere historisch bekannte Probleme. Das einzige
heute bekannte System einer dezentralen Geldschöpfung ist die bürgergeschöpfte Währung. Bei der
Bürgergeldschöpfung mag zwar das Finanzamt die Macht haben die Überziehungsrahmen für die
Kontoinhaber festzulegen. Aber da die Kreditwürdigkeit von der potentiellen Produktivität des
Kontoinhabers abgeleitet wird, darf sich der Staat nicht selbst für kreditwürdig erklären. Nicht er, sondern
nur die Betriebe die er beauftragt sind produktiv. Diese können natürlich Kredit nehmen und damit Geld in
die Welt bringen, aber ebenfalls nicht für sich, sondern für jene, die sie damit bezahlen. Sie stellen dem
Gegenüber sozusagen einen Gutschein aus und gehen damit eine Schuld ein. Da Geld ein universeller
Gutschein ist, würde ihn sich jeder lieber für sich selbst ausstellen. Aber das darf in keiner
Geldordnung möglich sein.
Im Vergleich mit der Idee der bürgergeschöpften Währung, ist die Idee des Papier-100%-Geldes vom alten
hierarchischen Prinzip geprägt. Geld wird zentral geschaffen und dann verteilt. Diese Verteilung wirft
Probleme auf, denn Geld soll nicht verschenkt werden, da es dabei keine realwirtschaftliche Deckung erfährt.
Nullzinskredite an Banken wären gleichzusetzen mit verschenktem Geld. Aber verzinste Kredite sind
mindestens ebenso problematisch, denn wie sollen die Zinsen an die Zentralbank jemals getilgt werden? Da
die Schuld aufrecht bleibt so lange Geld in Umlauf ist, wächst sie stetig exponentiell. Es wurde aber nur eine
begrenzte Geldmenge gedruckt, mit der die Schuld gar nicht getilgt werden kann.
Wird mit dem vorhandenen Geld die Zinslast getilgt, so verschwindet es nach und nach aus dem Umlauf. Die
Zentralbank muss somit den Zinsertrag über den Staat an das Volk zurückgeben, um den Abfluss des Geldes
zu ersetzen. Dies haben einst unsere Nationalbanken getan, indem der Zinsertrag hauptsächlich für
Staatsausgaben verwendet wurde. Die europäische Zentralbank aber verwendet den Zinsertrag zur Milderung
der Bankenkrise. Das Geld zirkuliert somit inzwischen nur mehr im Bankensystem selbst, denn ohne die
dauernde Rettung würde verzinstes Zentralbankgeld die Banken in eine Schuldenspirale treiben. Aber ein
Zins, den ich als Bank dann ohnehin zurück erhalte ist so gut wie kein Zins.
So lange die Zentralbank diesen Schluss zieht und den Leitzins gleich auf Null setzt, spielt sie die Macht der
Geldschöpfung wieder den Geschäftsbanken zu. Denn so lange sie den Banken so viel Geld zu Nullzins gibt,
wie diese fordern, ist es egal, ob die Geschäftsbanken es voll oder nur teilweise decken müssen. Aber hielte
die Zentralbank die Geldproduktion zurück, so könnten die Geldmengen, welche im System ständig zu den
Sparern abwandern, nicht ersetzt werden. Das bedeutet, selbst solide Kreditnehmer erhielten keinen Kredit,
weil die Banken kein Geld von der Zentralbank bekämen. Der Realwirtschaft ginge das Geld aus.
100%-Geld mag also die Auszahlung von Banknoten an Sparer ermöglichen, aber es ändert nichts am
Verteilungsproblem. Was die 100%-Geld -Befürworter übersehen ist, dass die Geldschöpfung in der Macht
der Banken bleibt, so lange diese das Recht haben sich selbst ihre eigene Kreditwürdigkeit zuzusprechen.
Nichts hindert sie daran lieber sich selbst Nullzinskredite zu geben, um über Wertpapierkäufe frisches Geld
in den Anlagemarkt zu spülen, anstatt in die Realwirtschaft. Die Manager der Banken sind selbst
Geldanleger, die von dem Geldfluss profitieren.
Die Deckung des Geldes durch Papiergeld lässt keine bürgergeschöpfte Währung zu, da der Bürger kein
Papiergeld drucken kann. Somit geraten wir mit 100%-Geld immer wieder in die alten Abhängigkeiten an
denen unsere Kultur seit 1500 Jahren scheitert. Die Digitalisierung der Währung ist also eher eine Chance als
ein Fluch. Das Verteilungsproblem ist besser über digitale Datenbanken zu lösen als über „Zettelwirtschaft“.
26
Schuldenfreie Geldschöpfung: Positive Money und Monetative
Diese zwei, von vielen Geldsystemkritikern befürworteten Konzepte, wenden sich gegen die Idee eines
durch Waren oder Schuldverträge gedeckten Geldes. Im Prinzip orientieren sie sich am System des
Mittelalters, in welchem der Fürst Geld herstellte, ohne sich selbst eine Schuld dafür in die Bücher zu
schreiben. Hätte der Fürst der Bevölkerung die Infrastruktur vertraglich geschuldet, die er mit dem Geld
finanzierte, so wäre das System dem der altägyptischen Tontafeln ähnlich gewesen. Anders als die
altägyptischen Lagerhalter sind die Fürsten solch einen Vertrag nicht eingegangen. Aber es ist auch
begründbar warum. Sie hatten die Ware nicht bei sich gespeichert (wie das ägyptische Getreide), sondern die
erworbene Infrastruktur war in öffentlichem Gebrauch. Die Schuld am Volk war damit bereits beglichen,
wenn wir einmal vom Luxus absehen, den sich der Fürst selbst gönnte.
So lässt sich "postitive Money" begründen. Der Fürst darf keine Schuld notieren, sonst kommen irgendwann
Sparer auf die Idee diese einzufordern und nehmen die öffentlichen Güter in ihren Besitz. Das bedeutet eine
staatlich herausgegebene Währung ist logisch asymmetrisch. Der Staat darf zum Schutz der öffentlichen
Güter keine Verbindlichkeiten eingehen.
Mag eine solche Geldordnung auch vernünftiger sein als unsere heutige, so kann sie doch nicht als Ideal
erachtet werden. Ich finde es absurd, dass gerade jene Geldsystemkritiker, die unser System als „Geld aus
dem Nichts“ anfechten, mit „Positive Money“ ein völlig ungedecktes Geld verteidigen. Während die
altägyptische Währung durch die Getreidedeckung inflationssicher war, kann der Geldwert einer
asymmetrischen Währung an nichts festgemacht werden und ist notwendigerweise immer fraglich.
Geld ist eine Forderung, aber was ist eine Forderung wert, wenn ihr keine Verbindlichkeit gegenüber steht?
Innerhalb der Wirtschaft wird es auch bei „Positive Money“ Kredite geben. Aber was ist die gesamte
Buchführung wert, wenn in dem System von vorn herein in Summe keine Symmetrie zwischen Forderungen
ohne Verbindlichkeiten besteht? Auch Geldkonzept von Franz Hörmann, „Informationsgeld“ genannt,
gehört zu den Systemen, die ohne Schuld auskommen. Aber er zieht wenigstens die Konsequenz auch gleich
die symmetrische Buchführung aufzulösen und statt dessen ein logistisches Verteilungssystem einzuführen.
Eine schuldfreie Geldschöpfung, wie die des Mittelalters, ist dadurch, dass der Fürst keine Verbindlichkeiten
eingeht, nicht gefeit vor Inflation. Das ist empirisch bewiesen, denn die Blechmünzen sind, im Gegensatz zu
den altägyptischen Tontafeln, phasenweises im Wert verfallen, wenn die Fürsten zu viel davon geprägt
haben. Natürlich haben die Anhänger von Positive Money diesen Nachteil erkannt und eine Institution
namens „Monetative“ ersonnen, die an die Stelle des Fürsten tritt. Sie ist als unabhängige Organisation
konzipiert, deren Angestellte keinen Gewinn aus der Geldschöpfung erhalten und die Geldmenge deshalb
gewissenhafter regeln werden.
Das Ziel, welches die Vertreter der Monetative mit der Idee der schuldfreien Geldschöpfung verfolgen
besteht darin, die Funktion des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel nicht anzugreifen. Geld zu horten soll
möglich bleiben. Dies ist in einer bürgergeschöpften Währung anders. Sparen in Geld ist zwar möglich, aber
es ist durch den negativen Zins unrentabel und deshalb wird eher nach dem Prinzip der Versicherung oder in
Form von Investitionen gespart werden. Die Idee der Monetative will demgegenüber das Zinssystem nicht
verändern. Die Spargelder landen auf Konten außerhalb der Banken und des Transaktionsgeschäftes und sind
dort sicher.
Aber was, wenn diese Gelder überhand nehmen? Da ihnen nicht ausreichend Forderungen gegenüber stehen,
mögen zwar keine Leistungen einklagbar sein, das heißt der Staat könnte nicht zum Verkauf der öffentlichen
Güter gezwungen werden wie heute. Aber die Sparer werden bei Überhandnahme der Sparguthaben
irgendwann an dem Wert ihrer Guthaben zweifeln und sie in Güter umsetzen wollen. Sie werden immer mehr
für Anlagegüter bieten müssen um noch welche zu erhalten und so eine rasende Inflation auslösen. Ob das
Geld nun außerhalb oder, wie beim 100% Geld innerhalb der Banken gehortet wurde, ist sogesehen völlig
egal.
Bernd Hückstädt vertritt mit „Joytopia“ ebenfalls die Idee eine zentralen Behörde, die, ähnlich der
Monetative, das Geld schuldfrei schöpft. Aber dieses Geld soll seinem Ansatz zufolge als Grundeinkommen
und Staatsausgaben (statt der Steuern) unter das Volk gebracht und durch eine stark negative Verzinsung
27
wieder aus dem Umlauf abgeschöpft werden. Dies ist dem Prinzip nachempfunden, mit dem die Natur für
eine konstante Erdtemperatur sorgt. Täglich kommt ein linearer Eintrag an Sonnenwärme auf die Erde,
welcher durch temperaturabhängige Höhe der Abstrahlung der Erde bei Nacht wieder verschwindet. Flächen
die wärmer sind verlieren mehr Temperatur. Es ist das Prinzip einer negativen Rückkopplung (negativer
Zins), das die Durchschnittstemperatur der Erde konstant hält. Deshalb käme es in Hückstädts System zu
einer stabilen Geldmenge und einer Verteilung bei der Geldvermögen nicht überhand nehmen können.
Gespart wird in Form von Gütern und nach dem Prinzip der Versicherung, also so wie beim
bürgergeschöpften Geld. Hückstädts Ansatz stellt also eine stabile Form von Positive Money dar. Sein
„Geld“ fordert keine Leistung ein und würde uns vielleicht in eine materiell weniger produktive, aber sicher
spirituell reichere Kultur führen. Aus meiner Sicht ist die Gesellschaft noch nicht reif für den Ansatz
Hückstädts und es ist ein Übergang in Form von bürgergeschöpftem Geld notwendig, weil uns dieses zu
Selbstständigkeit und Unternehmertum erzieht, denn es fordert als Schuldgeldsystem Leistungen ein.
Das altägyptische System war ein negativ verzinstes Schuldgeldsystem und deshalb war es inflationssicher.
Im bürgergeschöpften Geld stehen, so wie im altägyptischen, den Forderungen Verbindlichkeiten gegenüber.
Sein Wert ist begründbar. Außerdem entsteht bei der Bürgerschöpfung Geld immer direkt dort wo es
gebraucht wird und muss nicht über eine zentrale „unabhängige“ Behörde verteilt werden.
Ich sehe die Entwicklung daher so, dass zunächst die Bürgergeldschöpfung umgesetzt werden muss. Dann
gilt es den negativen Zins so weit zu steigern, dass damit ein Grundeinkommen finanzierbar wird. Bewährt
sich dieses System kann man es hin zu Hückstädts Joytopia vereinfachen. Die Grundidee von Positive
Money, die darin besteht Geld schuldfrei zu schöpfen, lässt sich auch in der bürgergeschöpften Währung
umsetzen. Anstatt den Bürgern einen Überziehungsrahmen zuzuweisen, wird ihnen am Start ein Plus auf die
Konten geschrieben. So lange in dem System keine Zinsen vorgesehen sind, hat dies den gleichen Effekt wie
der Überziehungsrahmen. Es entspricht nur einer Versetzung der Nullinie in der Bilanzierung und es
vermeidet zukünftige Diskussionen über Schuld und Guthaben, denn nun gibt es nur noch Guthaben
(Positive Money).
Das Ganze hat aber den Nachteil, dass Fehlbuchungen nicht mehr auffallen. Ein Hacker, der sich in einer
symmetrischen bürgergeschöpften Währung einfach ein Guthaben auf sein Konto bucht, ohne jemandem
anderen etwas zu nehmen, würde auffliegen, denn damit käme die Symmetrie zwischen Schulden und
Guthaben durcheinander. Diese Symmetrie gibt es mit der Verschiebung der Nullinie aber nicht mehr.
Das heutige System hat Ansätze von symmetrischer Bürgergeldschöpfung, aber zu 70% entsteht Geld aus
Bankeigengeschäften und durch den verkehrten Zins kommt es zu exponentiell wachsenden Geldvermögen
und Schulden. Deshalb krankt unser System. Die Symmetrie zwischen Verbindlichkeiten und Guthaben ist
hingegen ein sinnvolles Konzept unserer Geldordnung, denn Geld ist im weitesten Sinne ein Gutschein und
einem solchen sollte ein Gut (eine Verbindlichkeit) gegenüber stehen.
Geld war nie etwas anderes und wird nie etwas anderes sein können als ein Versprechen, im Idealfall ein
Versprechen der Bürger an sich selbst wie beim bürgergeschöpften Geld.
Höhere Löhne gegen die Eurokrise. Das Prinzip des Geldumlaufs
Unser Geldsystem heute ist im Vergleich zum bürgergeschöpften Geld kompliziert strukturiert. Schulden und
Guthaben der Bürger werden im Buchgeldsystem der Banken notiert. Schulden der Banken untereinander
werden über das Interbankensystem in Form von Zentralbankguthaben notiert und über allem stehen noch
die Schulden der Staaten untereinander, die in Target-Salden verrechnet werden. In dem letztgenannten
System entstehen also die Außenhandelsüberschüsse und Defizite.
Aber für alle Systeme gilt, dass Schulden nicht abgebaut werden können, wenn die Gläubiger keine
Gegenleistung in Anspruch nehmen. Wenn also Deutschland mehr Güter verkauft als es einkauft, so
verursacht es durch seine Außenhandelsüberschüsse die Defizite der Anderen. Ein Land das Lohndumping
durch Harz4 betreibt, zwingt die Ausbeutung der Arbeitnehmer den anderen Ländern auf, da diese
28
andernfalls nicht zu ebenso geringen Lohnstückkosten produzieren können. Durch die höheren
Produktionskosten können andere Länder ihre Waren nicht an Deutschland verkaufen und sich somit nicht
entschulden.23
An sich würde man denken, dass sich Deutschland die teureren Produkte des Auslandes leisten könnte und
einfach nur seine Arbeitsleistung zurückschrauben müsste, und sein Geld verprassen, dann wäre das Problem
gelöst. Aber das deutsche Volk hat das Geld nicht. Es hat unter dem Lohndumping gelitten. Die deutschen
Privathaushalte gehören zu den ärmsten Europas. Das zeigt eine aufwendige Studie der EZB, die in der FAZ
veröffentlicht wurde. Die EZB war an diesem Ergebnis sicher nicht interessiert und hat es lange zurück
gehalten.24
Trotz eben so hohen Ausländeranteils schneidet Spanien viel besser ab. Nein, Frau Merkel, der Masse der
Deutschen geht es nicht gut. Den deutschen Konzernen jedoch sehr wohl. Deutschland hat die höchste
Vermögenskluft Europas, die sich in dieser Studie als Differenz zwischen Durchschnitt und Median
abbildet.25
23 http://www.wirtschaftundgesellschaft.de/wp-content/uploads/2012/10/Lohnst%C3%BCckkosten-2000-zu-BMF.jpg
24
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/armut-und-reichtum/ezb-umfrage-deutsche-sind-die-aermsten-imeuroraum-12142944.html
25 http://www.aachener-nachrichten.de/news/politik/heiner-flassbeck-die-loehne-sind-viel-zu-niedrig-1.566253
29
Bei den Konzernen sind die Vermögen hängen geblieben. Die Banken haben nun den Auftrag die Ansprüche
für sie einzutreiben. Deshalb wird in südlichen Ländern Europas die staatliche Infrastruktur verpfändet. Aber
dadurch entsteht ein enormes Machtungleichgewicht, denn Infrastruktur in den Händen von privaten
Konzerninhabern schafft Monopole, durch die Preise zu erpressen sind, welche andere Staaten Europas in die
Armut treiben. Das wird den Hass auf Deutschland schüren. Wohin soll es führen, wenn z.B. das Kanalnetz
Athens einem deutschen Privatmann gehört, der abkassiert? Gewaltloser Widerstand ist gegen eine solche
Konstellation zwecklos, also führt es zu Gewalt.
Die Geschichte wiederholt sich. Deutschland ist erneut dabei, die anderen Länder mit einem vermeintlichen
„Recht des Stärkeren“ zu dominieren. Es ist das alte Spiel unter dem neuen Namen „Wettbewerb“. Soziales
Zusammenleben, egal ob unter Menschen oder unter ganzen Völkern, ist aber nur möglich, wenn der
Stärkere mehr Pflichten übernimmt als der Schwächere. Vorrechte des Stärkeren sind also eine ideologische
Verirrung, die letztlich auf Deutschland zurück fallen wird.
Innerhalb Deutschlands passiert dies schon, denn die Kapitalerträge der „Stärkeren“ sind ebenso falsche
Vorrechte. Die Vermögenskluft sprengt das soziale Miteinander. Um derartige Entwicklungen zu vermeiden
muss Deutschland den erarbeiteten Wohlstand genießen lernen. Die deutschen Bürger müssen ordentliche
Löhne einfordern. Heiner Flassbeck, einer der renommiertesten deutschen Wirtschaftswissenschaftler,
kommt zu eben diesem Schluss.26
Die Statistik beweist, dass Konzerne über die nötigen Guthaben verfügen, um ordentliche Löhne zu zahlen
und sie werden von einer erhöhten Kaufkraft profitieren, wenn sie wieder dazu übergehen. 27
26 http://www.aachener-nachrichten.de/news/politik/heiner-flassbeck-die-loehne-sind-viel-zu-niedrig-1.566253
27 http://www.volkssolidaritaet.de/cms/zahlen_fakten_01_2013.print
30
Mehr Gehalt zu fordern anstatt zu arbeiten entspricht aber nicht der Mentalität des deutschen Volkes, das sich
über Arbeit definiert. Die Schweizer haben immerhin bereits ein Referendum organisiert, wonach die
Managergehälter das 12-fache des niedrigsten Arbeitlohns nicht überschreiten sollten. Es wurde abgelehnt,
aber es hat dort zumindest die Diskussion angeregt. 28
Vielleicht war die Forderung zu realitätsfern. Immerhin liegen Top-Managergehälter bis zu 260-fach über
den geringsten Arbeiterlöhnen. Die Frage, ob jemand das 260-fache eines Arbeiters leisten kann, ist heute
nicht mehr erlaubt, dabei geht es doch bei solchen Fragen nicht um Neid, sondern um das Problem der
Verschiebung der Machtstrukturen und Aushebelung der Demokratie.
Aber warum hat das Volk gegen dieses Referendum abgestimmt? Weil ihm klar gemacht wurde, dass aus
einem Land mit solchen Gesetzen Betriebe abwandern werden. Allerdings wäre zu bedenken gewesen, dass
nur große Konzerne die Möglichkeit haben abzuwandern. Bringen große Konzerne wirklich so viel an
Arbeitskräften und Wohlstand? Setzen wir einmal ökonomischen Wohlstand mit Kaufkraft gleich. Klein- und
mittelständische Unternehmen wandeln ihre Profite über Löhne und Erhaltung ihrer Infrastruktur wieder in
Kaufkraft um.
Kaufkraftverlust entsteht, wo hohe Kapitalerträge bei Menschen landen, die sie nicht für den Kauf von
Konsumartikeln nützen, sondern für Anlagegüter. Das Geld kreist dann in einem anderen Markt, in dem nicht
konsumiert und nicht produziert wird. Es dient nur noch dem An- und Verkauf von Wertpapieren oder es
liegt überhaupt auf Sparkonten brach.
Kapitalerträge werden nicht nur im Finanzmarkt, sondern auch in der Realwirtschaft durch
Unternehmenskapital erzielt. Der Profit seiner Firmen teilt sich nach Aussage des Industriellen Frank
Stronach folgendermaßen auf: 10% Arbeiter, 20% Investoren, 6% Management, 7% Forschung, 2% Spenden
an die benachbarte Bevölkerung der Fabriken. Die restlichen 55% sind dann Profit des Fabriksinhabers, der
sie überwiegend für weitere Investitionen verwendet. 29
Wo wird in solchen Unternehmen die Kaufkraft für Konsumartikel generiert? Bei den Löhnen, bei der
Forschung und bei Spenden. Da kommen wir auf 20% bis 30%. Der Rest der Unternehmensprofite ist
Anlagekapital und Kaufkraft für Industrieanlagen, die wieder Waren herstellen, für die dann aber die
28 http://www.welt.de/wirtschaft/article122210928/Schweizer-lehnen-Begrenzung-von-Managergehaeltern-ab.html
29 http://www.youtube.com/watch?v=K9AXaPQwuHU#t=7m47s
31
Kaufkraft fehlt. Wirtschaft kann nur funktionieren wenn der Produktion eine ebenso hohe Kaufkraft von
100% gegenüber steht. Die muss mit der Produktion gemeinsam geschaffen werden. Das leisten nur kleinere
Betriebe. Die Großen reißen am Markt die Kaufkraft an sich, bis die Kleinen ruiniert sind. Da sie selbst nicht
ausreichend Kaufkraft erzeugen, verlassen sie (oder zumindest ihre Waren) nach dem Raubzug das Land.
Natürlich ist die Konzernstruktur nicht prinzipiell schädlich, aber immerhin bemerken wir in Ländern mit
überwiegender Konzernstruktur die größte Verarmung der Mittelschicht.
Überproduktion führt zu einem Verdrängungswettkampf, bei dem enorm viel an bereits erwirtschafteter
Infrastruktur sowie viele Arbeitsplätze verloren gehen. Den Sieg erringt meist der Größere, nicht unbedingt
der Bessere. Es siegen Konzerne, welche ihre Produktion in Länder auslagern, in denen kaum Sozialabgaben
anfallen und wo Mensch und Umwelt ungehemmt ausgebeutet werden können. Die Rechnung zahlt die
Menschheit global. Soll das die Effizienz sein, welche in der Ökonomie zum obersten Ideal erhoben wird?
Wenn man zum Wohlstand auch soziale Gerechtigkeit und intakte Umwelt zählt, dann wäre es wesentlich
zielführender Zölle zu erheben, um die mittelständischen, nicht global arbeitenden Betriebe vor unlauterer
Konkurrenz zu schützen. Der globale Wettbewerb führt über das Prinzip „The Winner takes it all“ zu
Monopolen. Damit gehen Machtverschiebungen einher, da die Preisregulation durch Angebot und Nachfrage
nicht mehr funktioniert. Die Natur begrenzt das Wachstum der Lebewesen. Es entsteht keine gigantische
Kuh, die die Wälder abgrast und mit einer Riesenzunge das Gras von den Wiesen schleckt, bis sie ihre eigene
Existenzgrundlage vernichtet. Das Naturgesetz der Gravitation verhindert übermäßiges Wachstum.
Großkonzerne aber kennen keine Wachstumsgrenze und vernichtet ihre Grundlage, die in der Kaufkraft des
Volkes liegt. Das Wachstum von Konzernen ist nicht einmal dadurch begrenzt, dass sie alle Konkurrenten
irgendwann aufgekauft haben. In dem Fall erweitert sich der Konzern einfach auf einen neuen
Wirtschaftssektor. Auch dem Wachstum der Vermögen ist keine Grenze gesetzt, da Vermögen und
spiegelbildlich Schulden am Papier unendlich wachsen können. Die Politik ist somit gefordert lenkende
Steuern zu erheben, um Wachstum bis hin zur Monopolbildung erst gar nicht zuzulassen.
Dabei genügt es nicht, dass zu den Sozialabgaben Umweltabgaben hinzu kommen. Nachhaltiges
Wirtschaften bedeutet auch, dass die Profite letztlich wieder der Kaufkraft für Konsumgüter zugeführt
werden müssen, damit eine Kreislaufwirtschaft entsteht. Deshalb scheint es angebracht, eine
„Kaufkraftverluststeuer“ einzuführen. Einkommens- oder Lohnsteuern sind hingegen Unsinn, denn jede
Arbeitsleistung dient letztlich der Allgemeinheit. Arbeit sollte also nicht besteuert werden. Eine
Kaufkraftverluststeuer mag ähnlich wirken wie Vermögenssteuern, aber sie entgeht der Neid- Debatte. Ziel
ist es nicht, jemandem etwas zu nehmen. Vielmehr geht es darum, das System vor dem Zusammenbruch zu
schützen. Was von den Unternehmensprofiten bleibt, nachdem Löhne und Instandhaltungskosten getätigt
sind, wird heute der Kaufkraft für Konsum- und Verbrauchsgüter entzogen. Der Mangel an Abnehmern treibt
letztlich Betriebe in die Insolvenz.
Wenn Unternehmen sich nicht dahingehend umstrukturieren, dass sie ihre Einnahmen wieder in Kaufkraft
umwandeln, muss es der Staat für sie tun, indem er ihnen die Einnahmen über eine Steuer nimmt. Die Gelder
wandern dann über Staatsausgaben wieder als Kaufkraft in den Markt. Diese neue Steuer wird das
Unternehmenswachstum begrenzen und somit Monopole verhindern. Soll dies konsequent umgesetzt
werden, dann dürfen Investitionen in neue Industrieanlagen, die über die Erhaltung hinaus zu mehr
Produktion führen, nicht steuerfrei bleiben, da sie den Bedarf des Unternehmens an Kaufkraft nur noch
weiter steigern. Anders hingegen Investitionen in eine Umstrukturierung, zum Beispiel hin zu mehr
Nachhaltigkeit. Solche Investitionen ersetzten alte Strukturen und erzeugen keine Produktionserweiterung
und sind daher von der Steuer zu befreien.
Ein ideales Unternehmen bedarf so viel an Kaufkraft, wie es selbst auch wieder durch Löhne und
Instandhaltungskosten erzeugt. Nur eine Wirtschaft aus solchen „idealen Unternehmen“ entgeht dem
Teufelskreis aus Überproduktion und Kaufkraftverlust. Konzerne verfehlen diese Definition eines idealen
Unternehmens bei weitem und sind daher für die Wirtschaft eines Landes schädlich, so lange sie nicht
dementsprechend besteuert werden. Wenn ein Land Gesetze erlässt, das die Konzerne zum Abwandern
anregt, fördert es den Mittelstand und damit den Hauptarbeitgeber.
32
In der Wirtschaft Deutschlands und Großbritanniens wurde über den Finanzsektor und seine
Kapitalsammelbecken ein Aufschwung der Konzernwirtschaft möglich, für den die beiden Länder heute die
Rechnung durch Verlust der Binnenkaufkraft zahlen. Sie weisen die höchste Vermögenskluft Europas auf
und die schnellste Armutsentwicklung. Deutschland wurde vom reichsten Land zum Armenhaus Europas,
wie die obige Statistik der Europäischen Zentralbank beweist. Was für ein Versagen der Politik! Dieses
emsige Volk zum Armenhaus hinabzuregieren!
Aber welch ein Siegeszug der Lobbyisten! Rechnet man nämlich das Betriebsvermögen und Finanzkapital in
die Vermögensstatistik ein, so sieht die Bilanz ganz anders aus. Dann werden diese Länder plötzlich wieder
zu den Reichsten. Aber Betriebsvermögen und Finanzkapital dienen heute weniger dem allgemeinen
Wohlstand, sondern haben die Abhängigkeit der Masse zum Ziel und werden als Hebel benutzt, um Geld aus
der Realwirtschaft zu ziehen. Nicht einmal der Aktienmarkt erfüllt noch seinen realwirtschaftlichen Zweck,
denn nur bei der Ausschüttung einer Aktie fließt Geld an Betriebe, alle weiteren Verkäufe dienen nur dem
Kapitalertrag der Anleger. So erklärt sich, woher, trotz all der Emsigkeit, die Armut kommt. Sie ist die
Kehrseite des Reichtums einer kleinen Minderheit.
Die Politik hätte die Macht eine Wende herbeizuführen. Sie könnte Bankeigengeschäfte verbieten und
Banken über ein Wucherverbot zu negativen Zinsen zu zwingen. Im Prinzip wäre damit die
Bürgergeldschöpfung umgesetzt. Firmen würden sich über Nullzinskredite finanzieren anstatt über Aktien.
Kreditausfälle würden über Gebühr auf Geldhortung finanziert. Kapitalintensive Finanztransaktionen wie im
Devisenhandel würden sich somit nicht mehr rechnen. Der Finanzsektor würde schrumpfen, die Kaufkraft
für Verbrauchsgüter steigen. Eine Kaufkraftverluststeuer würde die Konzerne treffen, nicht jedoch die
mittelständischen Unternehmen, welche die eigentlichen Garanten für Vollbeschäftigung sind. Die daraus
folgende Umstrukturierung würde die Möglichkeit zu selbstständiger Tätigkeit erhöhen und die Freiheit des
Einzelnen damit wesentlich erweitern.
Aber welche Entwicklung beschreitet Deutschland statt dessen? Weitere Überproduktion, weitere
Überhandnahme von Geldvermögen und Schulden, extreme Monopolbildung und extremen Kaufkraftverlust
sowie eine steigende Vermögenskluft und Arbeitslosigkeit. Dies alles beweist, dass die Maßnahmen, welche
in der Krise von 2008 gesetzt wurden, gescheitert sind. Welche Beweise braucht es noch? Braucht es einen
Krieg damit die Politiker ihr Scheitern erkennen. Würde sie das zum Umdenken bewegen, sind sie dazu
ohnehin nicht fähig, oder haben sie ihre Macht bereits abgegeben?
Inzwischen setzen bereits Lobbyisten die Verträge auf, welche Politiker dann unterschreiben. Diese neuen
„Gesetzgebungen“ ziehen sich über hunderte Seiten, so dass nicht die Gefahr besteht, dass sie ein Politiker
liest. Das neue Freihandelsabkommen der EU beinhaltet eine Investorenschutzklausel, die garantiert soll,
dass die Profite der Geldgeber nicht durch Umwelt, Verbraucherschutz oder Sozialabgaben gemindert
werden. Politiker unterzeichnen damit das Ende ihrer eigentlichen Funktion! 30
Es scheint unmöglich die neoliberalen „Götter“ namens „Wettbewerb“ und „Wachstum“ durch Argumente
aus den Köpfen zu verjagen. Einstein sagte: „We can not solve our problems with the same thinking we used
when we created them.“ Trotz dieser starken Erkenntnis war es ihm nicht möglich sein Paradigma zu ändern,
dass den Naturgesetzen kein Zufall inne wohne. Seine Generation an Forschern musste abtreten um der
Quantentheorie das Feld zu räumen. Was die Paradigmen der neoliberalen Politik betrifft, so wird es wohl
nicht anders sein.
Die Politik fährt derzeit stur ihren Kurs weiter und erkennt die Zeichen der Zeit nicht. In Brüssel sind etwa
2.500 Lobbying-Organisationen ansässig, für die rund 15.000 Lobbyisten tätig sind. 31 Unter ihrer Führung
gründet die EU einen neuen Wettbewerbspakt, setzt auf Globalisierung und Freihandelsabkommen anstatt
auf Zölle, fördert Konzernwachstum durch Steuerzuckerl und begreift nicht, dass eine Lobby für jeden
Wirtschaftssektor ein Kartell darstellt. Sie schafft neue Monopole durch Privatisierung staatlicher
Infrastruktur, die doch eigentlich der Steuerzahler schon bezahlt hat. Und über allem wurde mit dem ESM
eine neue undemokratische Supermacht geschaffen, um die Ansprüche der reichen Gläubiger zu sichern und
im Notfall auf die Steuerzahler abzuwälzen.
30 http://www.youtube.com/watch?v=0h6xhaLJ5-Y#t=4m13s und http://www.youtube.com/watch?v=tQg0l9neGq8
31 http://www.youtube.com/watch?v=IdycUo2ey7s
33
Das deutsche Volk muss erkennen, dass es diese Politik ist, die zur Verarmung geführt hat. Die Betriebe sind
leistungsfähig, aber die Geldpolitik versagt. Das Volk hat noch die Möglichkeit die alten Großparteien mit
ihren überholten Ideologien abzuwählen. Aber auch die Demokratie versagt. Die Regierung erfährt die
Wünsche der Konzerne über Lobbyisten direkt, wogegen der Bürger kein Mitspracherecht besitzt. Die
Großparteien nutzen ihre Medienhoheit um die Masse ruhig zu halten.
Österreich hat seine Sozialpolitik nicht so früh aufgegeben wie Deutschland. Es hat dadurch bisher keinen
derartigen Kaufkraftverlust und keine derart hohe Arbeitslosigkeit erlebt. Aber die verdrehte neoliberale
Ideologie ist auch in die Köpfe österreichischer Politiker vorgedrungen. Deutschland zwingt den anderen
Ländern der EU mit dem Lohndumping und dem Wettbewerbspakt seine falsche Politik auf.
Es ist dringend notwendig, dass das deutsche Volk aufwacht, und erkennt, was diese deutsche Politik in
Europa bewirkt.32 Es muss der Tatsache ins Auge blicken, dass Außenhandelsschulden noch weniger
eingetrieben werden können, wenn man die Schuldnerländer in Armut stürzt. Die deutschen Banken müssen
sich eingestehen, den Fehler selbst gemacht zu haben. Sie hätten darauf achten müssen, wem sie Kredit
gewähren.
Natürlich haben die Bürger Deutschlands jetzt für solch politische Diskussionen am allerwenigsten Zeit,
denn sie werden über Lohndumping in einen extremen Arbeitskampf gezwungen. Das politische
Desinteresse ist verhängnisvoll, denn die Ausbeutung der Arbeitsleistung wird noch weiter zunehmen und
der Hass anderer Nationen, denen Deutschland seine Politik aufzwingt, ebenfalls.
Informationsgeld
Wir müssen uns eingestehen, dass das Prinzip des ungezügelten Wettbewerbs auf der einen Seite zu
Überproduktion, auf der anderen zu Monopolen führt, wobei beides die Preisfindung durch Angebot und
Nachfrage aushebelt. Als Konsequenz werden Waren nicht sinnvoll verteilt und Produktivkräfte nicht
ausreichend entschädigt.
Der Ökonom Franz Hörmann will diese Problematik durch eine Datenbank lösen, über welche die Verteilung
von Waren und Entlohnung von Arbeit geregelt wird. Wir können uns diese wieder als großen Topf
vorstellen, in den die Ergebnisse unserer Produktivität hinein wandern. Wir erhalten im Gegenzug Geld, mit
dem wir später wieder etwas aus dem Topf heraus kaufen können.
Die wesentliche Idee Hörmanns besteht nun darin, dass der Preis zu dem wir kaufen, nicht direkt mit der
Entschädigung, die der Produzent erhielt, verknüpft sein muss. Preise bilden sich in seinem Konzept nicht
zwischen Käufer und Verkäufer, sondern zwischen den Käufern. Wer am meisten bietet äußert damit die
größte Dringlichkeit und erhält die Waren vor dem Anderen. So lange genug produziert wird, erhalten alle
was sie wünschen zu den Preisen, die sie sich vorstellen, aber wer nicht viel bietet muss warten, denn: liegen
Waren auf Lager ohne dass Käufer Geld dafür bieten, so beginnt deren Preis zu verfallen, im Extremfall bis
null. So lange genug da ist, erhält also jeder irgendwann was er will zu dem gewünschten Preis.
Das mag nach einer ganz normalen Versteigerung klingen. Der Unterschied besteht aber darin, dass bei
Hörmanns Informationsgeld der Verkäufer trotzdem voll für seine Ware entschädigt wurde! Auch die
Verkäufer bestimmen ihre Entlohnung selbst. Auf Fragen, wie dies funktionieren soll, erhielt ich von Franz
Hörmann für mich schwer verständliche Antworten. Es soll scheinbar ähnlich geregelt werden, wie bei der
Preisbildung auf der Käuferseite, die einer Versteigerung gleicht. Die Verkäufer geben mit der Eingabe ihrer
Ware in die Datenbank ihre Wunschpreise ein, welche sich dann vorerst bei der Käuferseite abbilden. Da zu
diesem Preis eventuell kein Käufer gefunden werden kann, müssen jene Verkäufer, die überhöhte Preise
angeben, stets warten bis die Datenbank sich an den Preis herantastet, zu dem die Ware verkauft werden
kann. Es reihen sich aber immer wieder Verkäufer mit günstieren Angeboten vor.
Da niemand gerne wartet, gibt es ein Motiv zu sinnvoller Selbstbegrenzung der Preise, aber es wirkt milder
als der heutige extreme Preisdruck, der durch Überproduktion und Monopole zustande kommt, denn der
32 http://www.europa-geht-anders.eu/aufruf
34
Preis der Waren verfällt zwar nach und nach auf der Käufer-Seite, aber der Verkäufer erhält erst im Fall eines
Verkaufs die Entschädigung, die er Anfangs verlangt hat. Es wird also asymmetrisch abgerechnet.
Aber kann eine solche Form der Abrechnung in Summe im Gleichgewicht bleiben? Dafür spricht, dass die
Menschen, wenn erst einmal genug Geld in Umlauf ist, auch höhere Preise für die Waren bieten werden,
denn der Mensch mag nicht warten. Hörmanns Informationsgeld kann sogesehen als innovativer Ansatz
gelten. Eine Internetplattform nach diesem Prinzip ist angeblich bereits im entstehen.
Ein solches System auf ein Staatsganzes auszudehnen ist aus meiner Sicht ohne vorherige regionale
Experimente ein zu großes Wagnis, denn drei Probleme scheinen noch ungelöst:
1. Eine asymmetrische Entschädigung würde Spekulationsgeschäfte fördern. Waren, deren Wert auf
Null gefallen ist, würden von Spekulanten gekauft, um wieder Kunden zu finden, die dafür nichts
zahlen müssen, denn der Verkäufer bekäme in diesem Modell die Höhe des Produktionsaufwandes
abgegolten. Die Datenbank könnte nicht zwischen Spekulanten und Produzenten unterscheiden und
würde dem Spekulanten daher die Waren abgelten, die er vorher kostenlos erhalten hat.
2. Wie verhält sich das System, wenn der Monopolist, der die Kanalisation Berlins besitzt, gar nicht
produktiv wird, sondern das Kanalnetz einfach verfallen lässt? Da die Preise nicht mehr zwischen
Kunden und Anbieter entstehen, mag Preiserpressung ausgeschlossen sein, aber wodurch wird
Leistung motiviert?
3. Das Gleichgewicht könnte dahingehend kippen, dass die Geldmenge außerhalb des Topfes stetig
anwächst. Die Menschen tendieren nämlich dazu ihre Leistung höher zu bewerten als die der
Anderen, weil sie den Aufwand, der in anderen Tätigkeitsfeldern betrieben wird, gar nicht
einschätzen können.
Betrachten wir zum letztgenannten Punkt ein Beispiel:
Nehmen wir an, ein Gezeitenkraftwerk wird errichtet. Der große Bau verlangt nach politischer
Durchsetzung. Eine Werbecampagne wird gestartet. Die Werbefachleute denken, ihnen ist der Bau zu
verdanken, der Politiker hält seinen Einsatz für wesentlicher. Land wird gepachtet. Der Besitzer ist der
Ansicht, sein Land ermögliche das Kraftwerk. Es wird ein Finanzier gefunden, der denkt der Bau sei ihm zu
verdanken. Der Architekt und die Entwickler der Gezeiten-Technologie heften ihn auf ihre Fahne. Die
Manager des Baukonzerns auf ihre. Die Bauleitung vor Ort weiß natürlich, dass sie die Arbeit verrichtet hat.
Die Maschinenhersteller sehen aber die Arbeit durch ihre Maschinen verrichtet. Die Arbeiter auf der
Baustelle sehen den Bau als ihr Werk. So haben wir schon 10 Ebenen, die alle glauben sie seien das
wesentliche Glied und ihnen solle daher der wesentliche Teil des Ertrags des Gezeitenkraftwerks zukommen.
Darunter sind Ebenen, die gar keinen realwirtschaftlichen Handgriff getätigt haben. Nun können wir von
Glück reden, wenn der Finanzier ein sozial gesinnter Mensch ist, der zur Erkenntnis gelangt, er müsse den
Ertrag des Kraftwerkes durch 10 teilen. Aber auch das wird den 100 Arbeitern, die am Bau vorort die harte
Arbeit machen, nicht fair erscheinen, denn sie sind in dieser Rechnung nur zu einem Teil zusammengefasst.
Wieso sollten sie zu Hundert in Summe nur so viel erhalten wie der Finanzier, der keinen Handgriff getan
hat?
Wenn wir überein kommen, dass man aus einem Topf nicht mehr entnehmen kann, als man hinein steckt,
dann kann hier nicht mehr verteilt werden, als der Ertrag des Kaftwerkes. Es ist unmöglich diesen dadurch zu
verteilen, dass sich jeder nimmt, was er glaubt, dass ihm zusteht, denn alle sehen das Kraftwerk als ihr Werk.
Den Kraftwerksbetreibern stehen die Stromkunden gegenüber. Auch sie tendieren dazu, die Leistung der
Produktivkräfte zu unterschätzen. Sie definieren den Strom als Gezeitenstrom, den die Natur liefert und
sehen gar nicht ein, warum sie dafür überhaupt bezahlen sollten. Das Kraftwerk haben doch Maschinen
gebaut... Das ist auch ganz die Art von Hörmanns Argumenten. Bei ihm erledigen die Produktion immer
Maschinen und deshalb kann er auch so großzügig alles verteilen. In seinen Reden scheint der hier erwähnte
Topf oft ein Zauberhut zu werden, aus dem sich alle bedienen können, ohne dass er sich jemals leert.
35
Das Modell des Topfes zeigt uns, dass die Bürger in Summe in keinem Verteilungssystem mehr erhalten
können als sie leisten, und deshalb wird jeder im Laufe seines Lebens irgendwann damit konfrontiert werden
müssen, seine Leistung durch die Augen anderer zu sehen. Ein Kind wird für alles gelobt, was es produziert,
aber nicht alles ist für andere brauchbar. Eine realistische Einschätzung der eigenen Leistung ist ohne einige
Kränkungen nicht zu erhalten. Diese Kränkungen gehören zum Erwachsenwerden. 33
Wie muss ein System aussehen, das uns einen Weg ebnet, an dem wir nicht mental zerbrechen, sondern
motiviert bleiben? Ist eine Datenbank, die Preise bestimmt, ein motivierendes Gegenüber auf unserem Weg
zu einem leistungsfähigen Mitglied der Gesellschaft? Ich denke wir würden die Entschädigung, die uns
durch solch ein zentrales System aufgrund uneinsichtiger Mechanismen zukommt, für falsch erachten und
viele würden sich dem System verweigern.
Heute ergeben sich Preise im Idealfall aus dem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Beim Preis, den
man für seine Arbeit erhält, ergeben sich in unserer Gesellschaft oft Ungerechtigkeiten durch vorhandene
Machtgefüge, die sich zwischen den Käufer und den Produzenten (Arbeiter) stellen. Am Beispiel des
Kraftwerkes werden die Arbeiter und Entwickler ihre Entlohnung nur dann als gerecht erleben, wenn
niemand zwischen ihnen und den Stromkonsumenten steht und seine Position nützt um abzukassieren.
Nehmen wir an, die Produktivkräfte selbst hielten die Aktien des Unternehmens. Dann werden sie ihre
eigene Entlohnung aus den Einnahmen errechnen und somit als fair erleben, selbst wenn sie gering ist weil
das Kraftwerk vielleicht nicht die erwünschte Leistung erbringt.
Wirtschaften im Kräftegleichgewicht
Überproduktion und Monopolbildung entspringen der gleichen Ursache. Die Kaufkraft landet bei einigen
Wenigen und fehlt bei der Masse. Die Menschen haben Wünsche. Sie würden gerne Bio essen, grüne Energie
nutzen, ihr Auto mit Windgas fahren sowie fair trade und cradle to cradle kaufen. Aber die mangelnde
Kaufkraft lässt es nicht zu. Sie erhalten zu wenig Lohn und greifen deshalb nach dem billigsten Produkt,
dessen Preis womöglich erreicht wird, indem Mensch und Natur ausgebeutet und auf Kreislaufwirtschaft
nicht geachtet wird.
Ein durch Kaufkraftverluststeuer finanziertes Grundeinkommen würde wieder ein Gleichgewicht der Kräfte
bei Lohnverhandlungen erzeugen, denn die Arbeitnehmer wären nicht durch finanzielle Not gezwungen eine
Arbeit anzunehmen. Die Löhne würden also steigen. Die Struktur der Wirtschaft würde sich nicht mehr
ausschließlich daran orientieren, ob es Käufer für ein Produkt gibt, sondern auch an der Frage ob man
Arbeitnehmer findet, die an dessen Herstellung mitmachen wollen, weil ihnen diese Arbeit sinnstiftend
erscheint. Heute können wir dieses Regulativ in der Atomindustrie beobachten, wo gute Techniker nicht
mehr zu finden sind, weil sie da einfach nicht mitmachen wollen.
Dieses Beispiel zeigt uns den wichtigen Einfluss freier Arbeitnehmer. Aber ein ausreichendes Angebot an
Arbeitsplätzen, wie es in technischen Berufen teils noch vorliegt, ist heute eine seltene Ausnahme. Somit
fehlt den Arbeitnehmern der Einfluss, den sie über ihre Berufswahl üben könnten, denn meist haben sie keine
Wahl. Es gibt also eine Kraft, die heute am Arbeitsmarkt fehlt, und die bottom up von unten wirkt. Eine
Politik, die das Gleichgewicht der Kräfte herstellt, würde damit in allen Branchen sinnvolle Zielfestlegungen
ermöglichen und bedürfte keines zentralen logistischen Verteilungssystems.
Der Arbeitsmarkt sollte sich also ebenso von unten nach oben, wie umgekehrt strukturieren (übrigens auch
ein Grundsatz aller natürlichen Systeme). Dazu ist es aber notwendig jegliche existenzielle Erpressung aus
der Welt zu schaffen, mit der heute Arbeitnehmer unter Druck geraten. Ein bedingungsloses
Grundeinkommen scheint hier der einzig gangbare Weg zu sein! Über die Kaufkraftverluststeuer kann es
finanziert werden ohne die Wirtschaft zu bremsen. Es ist lediglich eine Teilfinanzierung nötig. Auch heute
erhalten Menschen, die aus dem Berufsleben fallen, ein Einkommen wie z.B. Notstandshilfe, Arbeitslosen33 Amerikaner dürfen Kinder bleiben und konsumieren ohne zu produzieren, so lange China ihnen die Waren für selbst gedruckte
Dollar verkauft. Wir sollten aber davon ausgehen, dass solch ein asymmetrisches System nicht auf Dauer funktioniert.
36
oder Karenzgeld. Die Bedingungslosigkeit bedeutet lediglich, dass sich jeder Lohn aus einem Sockel des
Grundeinkommens und einem Lohn für Arbeit zusammensetzt. In Summe bleiben die Löhne nahezu gleich,
bloß, dass der Sockel einem nicht genommen werden kann. Abgesehen davon stellt das Grundeinkommen
eine wunderbare Möglichkeit dar, die Kaufkraft auf Dauer zu erhalten.
Jedes Tier in der Natur kommt mit Boden unter den Füßen zur Welt. Aber die Menschen trennen sich in
Grundbesitzer und Pächter. Der eine 'erntet' womöglich über ein Leben hinweg ein Vermögen, der andere ist
von Geburt an der Zahlende. Die Kaufkraftverluststeuer wird diese ungleichen materiellen Startbedingungen
menschlicher Existenz lindern. Wenn ein Gebäude mehr Mietertrag bringt als Erhaltungskosten anfallen, fällt
Kaufkraftverluststeuer an, aus der dann Grundeinkommen bezahlt werden.
Eigentlich sollte man glauben, der Wähler müsste in einer Demokratie automatisch jene Regierung
bevorzugen, die auf das Kräfteverhältnis zwischen jenen, die den Lohn geben und jenen, die dafür ihre
Arbeit geben34, achtet. Aber dem Wähler fehlt der Überblick. Der arbeitende Mensch erkennt nicht, dass ihm
seine wirtschaftliche Mitbestimmungsmacht durch eine falsche Politik geraubt wurde. Die hier dargelegten
Zusammenhänge sind ihm völlig unbekannt. Es ist ein Bildungsproblem.
Im Fall einer logistischen Verteilung besteht die Gefahr, dass uns dieses Mitbestimmungsrecht ebenfalls
nicht zukommt. Sinnvoller scheint es, die Kräfte des Marktes in ein Gleichgewicht zu bringen, so dass sie
von unten nach oben ebenso stark wirken wie umgekehrt. Ein ausgewogenes Wechselspiel zwischen
Wettbewerb und Kooperation wird sich durch ein derartiges Kräftegleichgewicht ganz von selbst einstellen.
Ohne diese notwendige Basis ist eine Selbstregulation des Marktes undenkbar. Preise für Arbeit und Waren
können sich nur dann sinnvoll regulieren, wenn beide Seiten auf eine ausreichende Anzahl alternativer
Möglichkeiten zurückgreifen können. Ist dies nicht gegeben, kann man nur von Preiserpressung sprechen.
Ohne Gleichgewicht der Kräfte des Anbieters und des Konsumenten sind Monopole, wie z.B. öffentliche
Güter, durch den Staat besser verwaltet als durch jegliche private Organisation. Die hunderttausenderBeträge, die Staatsbeamte durch Korruption aus solchen Monopolen ziehen, sind kleine Summen gegenüber
den Millionenbeträgen, die private Monopolisten durch Preiserpressung „legal erwirtschaften“.
Nehmen wir zum Beispiel an, der REWE-Konzern wachse weiter und beherrsche irgendwann den gesamten
Lebensmittelmarkt. Den genannten Argumenten zufolge müsste er verstaatlicht werden, um die Verwaltung
demokratischen Regeln zu unterwerfen. Liberal Gesinnte, die solche Verstaatlichungen ablehnen, sollten
einsehen, dass wir Konzernen Wachstumsgrenzen setzen müssen, damit eine natürliche Preisbildung aufrecht
bleibt. Eine Kaufkraftverluststeuer würde in der Realwirtschaft ähnlich wirken wie der negative Zins im
Geldanlagemarkt. Sie würde Konzernen eine Wachstumsgrenze setzen und damit die Marktmacht
verschiedener Anbieter im Gleichgewicht halten.
Wenn wir hingegen den Konzern als effizienteste Form der Produktion erachten und unbeschränktes
Wachstum über alle Branchen hinweg zulassen, so scheint der Weg in ein globales statistisches
Verteilungssystem über eine Form der Logistik unausweichlich. Das ist aber mit liberalen Ideen schwer
vereinbar.
Somit liegt in der Schaffung eines gesellschaftlichen Regelwerkes, das ein Gleichgewicht zum Ziel hat, so
dass sich die Wirtschaft im Wechselspiel von aufwärts und abwärts gerichteten Kräften neu strukturiert, die
Basis für einen neuen Liberalismus, der dem Begriff "Freiheit" gerecht wird.
34 Wie Andreas Popp so treffend bemerkt, liegt in unserer Sprache eine falsche Begrifflichkeit vor, die den Mächtigen zum Gönner
stilisieren soll. Er wird als „Arbeitgeber“ und Lohngeber bezeichnet. Aber wer gibt den wirklich seine Arbeitsleistung und erhält
im Gegenzug dafür einen Lohn?
37
Wen sollten wir unterstützen?
Die meisten Kritiker des Geldsystems sind heute gut informiert und vertreten wohl durchdachte Konzepte.
Erwähnt sei hier Plan B von Andreas Popp, die Vorträge von Wolfgang Berger und Bernhard Senf, sowie
Bürgerinitativen wie www.banken-in-die-schranken.org.
Besonders hervorzuheben sind aber die Aktivitäten von Bernard Lietaer. Er ist einer der wenigen
Systemkritiker, der es geschafft hat Beraterstatus im EU-Parlament zu erhalten. Der Bericht des Club of
Rome/EU-Chapter mit dem Titel „Geld und Nachhaltigkeit“ ist maßgeblich ihm zu verdanken und sollte zur
Pflichtlektüre jedes Ökonomen werden. Seine wichtigste Forderung besteht darin, das Währungsmonopol zu
beenden und zusätzliche Währungen steuerlich anzuerkennen. Auch er erkennt: Den Staaten fehlt scheinbar
die Macht das gegenwärtige System zu ändern, aber sie haben die Möglichkeit ein paralleles System zu
installieren oder zumindest dessen Entstehung zu fördern indem sie weitere Währungen steuerlich
anerkennen. Das mag nicht effizient erscheinen. Aber wir sollten aus der Natur lernen, die nie maximale
Effizienz erzwingt, sondern immer ein Gleichgewicht zwischen Effizienz und Resilienz erhält.
Resilienz ist die Anpassungsfähigkeit gegenüber Umweltveränderungen. Die stärksten Spezialisten sind im
heutigen Wandel der Welt als erste vom Aussterben bedroht. Eine effiziente aber instabile Geld- und
Wirtschaftsordnung kann nicht das Ziel sein. Lietaer spricht sich aus diesem Grund für Vielfalt im
Geldwesen aus. Parallelwährungen sollen staatlich anerkannt und kommunal genützt werden. Er übt aber
auch Zinskritik. Er tut dies über historische Ausflüge in natürlich verzinste Währungen. Dies erlaubt es ihm
dieses heiße Eisen sanft anzufassen.
Zinskritik ist ein schwer zu vermittelndes Thema, weil sich jeder noch so kleine Sparer aufgrund
mangelndem Verständnis von Systemzusammenhängen sofort bedroht fühlt. Die Initiatoren von „Banken in
die Schranken!“ haben versucht die Höhe des notwendigen Sparvermögens abzuschätzen, ab dem der Sparer
im heutigen System mehr an Zinserträgen erntet als er an versteckten Zinslasten zahlt, welche die
Unternehmen auf die Warenpreise aufschlagen. Sie kamen auf 300 000 Euro notwendigen Sparvermögens.
Dies galt noch bevor die Inflation den Sparzins überstieg. Nun liegt die Zahl weitaus höher.
So gesehen sollte die Mehrheit der Menschen an einer Zinsumkehr und damit einer Beendigung der
Inflationsspirale interessiert sein. Das Ende des Währungsmonopols wird dies leisten, denn Kreditnehmer
sind dann nicht mehr erpressbar. Der Einzelne kann wesentlich zu einer Wende beitragen, indem er sein Geld
ausgibt und Alternativwährungen sowie Zeittauschbörsen beitritt. So lange die neoliberale Ökonomie deren
Leitziel bestimmt, sollte man keine Wirtschaftspartei wählen. Jeder kann beitragen die hier dargelegten
Erkenntnisse weiterzugeben. Die Bürger müssen verstehen lernen, dass sich Schulden und Geldvermögen
nur gemeinsam abbauen lassen und dass der Zins dies verhindert. Die Gesamtverschuldung kann daher nicht
„weggespart“ werden. Es ist offensichtlich, dass uns die Massenmedien in dieser Problematik nicht objektiv
informieren.3536
Es gilt aufzuwachen bevor nach der griechischen noch weitere Demokratien der Finanzdiktatur geopfert
werden, denn dann ist eine Einflussnahme über das Wahlverhalten nicht mehr möglich.
MMag. Manfred Gotthalmseder, Nov. 2013
35 http://unzensiertinformiert.de/2012/02/es-gibt-keine-objektive-berichterstattung-in-den-massenmedien/
36 http://youtu.be/14UQJh84ebg
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