das geldsystem der zukunft

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DAS GELDSYSTEM DER ZUKUNFT
Ansätze zum notwendigen Systemwandel
Diskussionsbasis für www.geldmitsystem.eu
Unsere Wirtschaftskrise zeichnet sich dadurch aus, dass wir es nicht mit einem Produktions-,
sondern lediglich mit einem Verteilungsproblem zu tun haben. Innerhalb großer Konzerne ist das
Verteilungsproblem durch Logistik gelöst. Ist die Zukunft des Geldes auch digital anstatt
Zettelwerk?
Spielt der Zins wirklich eine wesentliche Rolle in der Verteilungsfrage? Ist er durch Wettbewerb
geregelt? Ist der natürliche Zins, so wie bei sozialen Schulden, negativ?
Diesen und anderen Fragen der Diskussion um das Geldsystem widmet sich dieser Text.
Am Ende werden die wichtigsten bekannten Geldsysteme und Geldkonzepte miteinander
verglichen.
Manfred Gotthalmseder ist Initiator der Kritikerplattform „GeldmitSystem.eu“ und Autor des
Buches „Die Stille Revolution“. Er sieht sich als Vertreter eines neuen Liberalismus, der nicht den
Menschen in den Dienst des Materiellen stellt. „Die ökonomische Basis ist derart einfach zu
gestalten, dass jeder frei ist für den Blick auf die Welt, den Geist und das soziale Miteinander.“
1
Inhaltsverzeichnis
1. Ableitung des Fiat-Money aus der Geschenkökonomie: .................................................................2
2. Systemkritik......................................................................................................................................5
Das heutige Zinssystem setzt falsche Anreize.................................................................................5
Sparzinsen sind ökonomisch kaum zu rechtfertigen...................................................................6
Was ist die Alternative zum Sparen?...........................................................................................7
Sparzinsen und Pensionsleistungen............................................................................................7
Der natürliche Zins ist negativ ...................................................................................................8
Der Josephspfennig ist Realität.................................................................................................10
Wieviel Schulden sind „gesund“?.............................................................................................13
Der unnatürliche Zins ist Resultat des Währungsmonopols.....................................................14
Inflation belastet die Armen stärker als die Reichen.................................................................16
Warum üben Ökonomen kaum Zinskritik?...............................................................................16
Machtverschiebung durch Vorrechte des Finanzsektors................................................................18
Bankeigengeschäfte sprengen die Bürgergeldschöpfung..........................................................18
Das Hauptziel des Finanzsektors ist nicht Geld sondern Macht...............................................20
Aber die Währung hat doch zu Wohlstand geführt?.................................................................21
Der Handel mit Rechten und Pflichten.....................................................................................22
3. Alternativen....................................................................................................................................23
Parallelwährungen sind zu fördern............................................................................................23
Brauchen wir warengedecktes Geld?........................................................................................25
Ist 100%-Geld die Lösung?.......................................................................................................26
Schuldenfreie Geldschöpfung: Positive Money und Monetative..............................................28
Höhere Löhne und eine Kaufkraftverluststeuer gegen die Eurokrise.......................................30
Informationsgeld... der logistische Ansatz................................................................................36
Wen sollten wir unterstützen?...................................................................................................38
1. Ableitung des Fiat-Money aus der Geschenkökonomie:
Während die Geldschöpfung Hauptthema des Ursprungsforums von GeldMitSystem war, herrscht
inzwischen Einigkeit: Wir leben in einem System des „Fiat-Money“. Buchgeld wird als
Buchungszeile aus dem Nichts geschaffen. Die den Banken auferlegte zweiprozentige
Mindestreserve und andere Auflagen verschleiern diese Tatsache, wären aber nur dann wirkkräftig,
wenn Banken öfter Leuten, die einen Kreditantrag stellen und über ausreichende Pfandsicherung
verfügen, sagen müssten: „Wir würden Ihnen gerne Geld geben, aber wir haben gerade keines.“ Zu
dieser Aussage kommt es nicht, denn Banken erzeugen Buchgeld bei der Kreditvergabe. Da unser
Zahlungsverkehr zu 95% mit Buchgeld getätigt wird, kann man sagen: Nicht die Zentralbank,
sondern die privaten Geschäftsbanken erzeugen unser Geld. Buchgeld ist zahlungswirksam und
wird daher im Folgenden schlicht als 'Geld' bezeichnet.
Bevor wir dieses System kritisieren, wollen wir betrachten, wie es zu rechtfertigen ist. Zunächst ist
der Gedanke, Geld dürfe nur verleihen wer auch eines hat, unbrauchbar für die Einführung einer
Währung, denn woher käme sie. Auch der Gedanke, dass Geld durch einen realen Wert gedeckt sein
müsse, ist problematisch, weil damit Geld nur einführen könnte wer Besitz hat. Deshalb ist man
überein gekommen, Geld als Aufzeichnung von Schuld- und Guthabenverhältnissen zu definieren.
2
Vor der Geldökonomie gab es wohl kaum eine Tauschwirtschaft. Sie ist eine Fiktion der Ökonomen.
Vielmehr müssen wir von einer Geschenkökonomie ausgehen, wie wir sie auch heute noch in
unserem
Bekanntenkreis
vorfinden.
Am
Beispiel
einer
einfach
strukturierten
Wirtschaftsgemeinschaft lässt sich das gut darstellen: Ein Fischer, der in sein Dorf mit vollen
Netzen zurückkehrte, hat nicht jeden Fisch gegen einen anderen Gegenstand getauscht. Was hätte er
mit all den Dingen anfangen sollen. Er hat die Fische einfach verteilt. Die Bürger des Dorfes
wussten sehr wohl, wer die Geber und wer hauptsächlich Nehmer der Gemeinschaft waren. Wenn
dann ein Weizenfeld geerntet wurde, so mag dem Fischer mehr vom Ertrag zugekommen sein, weil
man wusste, dass er auch viel für den Erhalt aller beigetragen hatte. Er hatte einen höheren Status
und wurde danach entlohnt. Tauschwirtschaft gab es dort, wo man einander nicht kannte, also im
„Außenhandel“. Aber das war damals wohl nur ein unbedeutender Bruchteil des Gesamthandels.
Vertrauen war und ist also die Basis der Ökonomie und nicht Konkurrenzdenken. Gegeben wird
jenen, von denen man erwartet, eine Leistung zurück zu erhalten. Dieses Prinzip lässt sich auch
digital umsetzen, und führt dann zu einer Buchgeld-Währung. Banken behaupten nichts anderes als
eine solche Umsetzung zu tätigen. Das funktioniert im einfachsten Fall folgendermaßen:
Bürger und Betriebe a, b, c... erhalten ein Konto in einer Datenbank. Dieses steht Anfangs auf null.
Jeder Kontoinhaber erhält einen Überziehungsrahmen (rote Linie). Der Industriebetrieb mehr, der
Schulabbrecher weniger, weil man dem Industriebetrieb mehr Leistung zutraut. In diesem
vereinfachten Beispiel ist Überziehungsrahmen gleich Kreditrahmen.
Wenn nun jemand eine Ware oder Dienstleistung erwirbt, so nützt er seinen Überziehungsrahmen
bzw. Kreditrahmen und überweist einen Betrag auf das Konto des Verkäufers. Dort entsteht Geld,
bei ihm entsteht Schuld. Wir erinnern uns, am Anfang waren alle Konten auf null. Es war also kein
Geld da. Es ist erst mit der Überweisung entstanden. Auf die selbe Weise wie es entsteht,
3
verschwindet Geld auch wieder, nämlich dann, wenn jemand, der über Guthaben verfügt, etwas
davon auf ein Konto überweist, das sich im Minus befindet. In diesem System existiert
spiegelbildlich immer genau so viel an Schulden, wie an Geldvermögen. Schuldner können also
keine Überweisung tätigen die die Gesamtschulden des Systems abbaut. Abgesehen von den
Konten anderer Bürger kann jeder Bürger auch auf sein Steuerkonto Geld überweisen. So kommt
theoretisch auch der Staat zu Geld, ohne sich verschulden zu müssen.
Das System in dieser vereinfachten Form bezeichne ich als bürgergeschöpftes Geld, denn der
Bürger setzt dadurch, dass er seinen Kreditrahmen nutzt, die wesentliche Aktion zur
Hervorbringung des Geldes. Wir werden später feststellen, dass durch den Einfluss der Bank unser
heutiges System nicht als bürgergeschöpft gelten kann.
Die wesentliche Rolle der Banken in diesem System besteht nun darin die Überziehungs- bzw.
Kreditrahmen sinnvoll festzulegen. Dazu verlangen sie vom Kreditnehmer Daten über seinen
Finanzstatus. Sie stellen sich damit zwischen Schuldner und Sparer und garantieren, dass die
Symmetrie gewahrt bleibt.
Ein Kreditausfall mit unzureichenden Sicherheiten stört die Symmetrie. Da solche Ausfälle
vorkommen, verlangen Banken von allen Kreditnehmern Zins. Das motiviert diese zur baldigen
Tilgung der Schulden. Der Zins erhöht die Gesamtschulden so weit, dass jene Schulden, die durch
Kreditausfälle verfallen, refinanziert werden können. Der Zins ist aus dieser Sicht nichts anderes als
die Bezahlung einer Kreditausfallversicherung. Wir werden später noch andere Sichtweisen kennen
lernen.
Die Forderungen der Banken an die Schuldner müssen in Summe also immer gleich hoch sein, wie
die Verbindlichkeiten der Banken gegenüber den Sparern. In der folgenden Grafik stehen in Summe
jeweils 5000 Euro an Forderungen ebenso hohen Verbindlichkeiten gegenüber. Die vermittelnde
Rolle des Bankensystems ist grafisch im lilaroten Feld dargestellt:
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2. Systemkritik
Die Ableitung des Fiat-Geldsystems aus der Geschenkökonomie lässt seine ursprünglich sinnvolle
Funktion erkennen: Die gesellschaftsweite Verzeichnung von Schulden und Guthaben, welche einen
fairen Leistungsaustausch unter Menschen, die sich nicht persönlich kennen, ermöglichen soll.
Das Ziel lässt sich erahnen, wenn wir uns einen Topf vorstellen, in den all unsere Leistungen
eingebracht werden. Der Topf enthält vereinfacht betrachtet das Bruttoinlandsprodukt. Nun soll
mittels des Mediums „Geld“ jeder so viel an Leistung herauskaufen können, wie er an Leistung
einbrachte. Heute stehen wir vor der Situation, dass es Milliardärserben gibt, die noch keinerlei
Leistung einbrachten und doch schon das tausendfache Lebenseinkommen eines durchschnittlichen
Arbeitnehmers aus dem Topf entnehmen können. Tausende real produktive Menschen stehen am
Ende vor einem leeren Topf.
Wenn wir es einmal wagen, das System an sich zu hinterfragen, so wird schnell ersichtlich, dass es
noch viele Möglichkeiten gäbe eine sinnvolle zeitgemäßere Geldordnung zu verwirklichen. Die
heutige Ordnung ist historisch gewachsen, unnötig komplex, fehleranfällig und vor allem nie auf
Gerechtigkeit hin überprüft worden. Die obigen Überlegungen zeigen, dass die Hauptaufgabe der
Banken darin besteht, die Kreditwürdigkeit der Kontoinhaber einzuschätzen. Wir alle unterliegen
damit ihrer Willkür.
Wäre es nicht sinnvoller, die Einschätzung des Überziehungsrahmens dem Finanzamt
anzuvertrauen, das die dazu notwendigen Daten ohnehin schon hat? Der Staat, soweit er sich als
Vertreter des Volkes versteht, sollte nicht rein wettbewerbsorientiert entscheiden, sondern auch
soziale Aspekte einbeziehen. So könnte jeder Mensch einen Mindestüberziehungsrahmen erhalten,
denn ohne diesen Vertrauensvorschuss fehlt jungen Menschen, die nichts erben, die finanzielle
Basis zu einer selbstständigen Tätigkeit. Das schafft ungleiche Startbedingungen ins Leben.
Das heutige Zinssystem setzt falsche Anreize
Die Sparvermögen, und damit spiegelbildlich auch die Schulden haben in unserem System
überhand genommen. Dies kam dadurch, dass Banken genau dies zum Ziel haben. Sie leben von der
Differenz zwischen Kreditzins und Sparzins und profitieren daher von den Extremen. Es wäre daher
sinnvoll gesetzlich zu verordnen, dass Banken ihre Gewinne nur aus Kontogebühren erzielen
dürfen.
Aber warum bevorzugt es das Bankensystem an Zinserträgen zu verdienen? Dafür gibt es zweierlei
Gründe: Zinserträge sind für den Kunden relativ unüberschaubar. Wer ein Haus zu zwei Drittel auf
Kredit baut, wird am Ende einer 20 jährigen Kreditlaufzeit feststellen, dass er das Haus zwei mal
bezahlt hat: Einmal dem Baumeister und einmal der Bank. Banken würden sich schwer tun derartig
hohe Kontoführungsgebühren zu rechtfertigen.
Weiters kann das Bankensystem über den Zins eine Verschuldungsspirale in Gang setzen, die ihm
nach sechs Jahrzehnten eine enorme Macht zukommen lässt, da Staaten bis zum Hals bei diesem
System in Schuld stehen.
Wie funktioniert die Verschuldungsspirale? Sie beginnt damit, Sparern einen Anreiz zu geben, ihr
Geld zu horten, nämlich über den Sparzins, der natürlich niedriger sein muss als der Kreditzins. Da
Banken damit ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Sparern erhöhen, erscheint diese
5
Vorgangsweise auf den ersten Blick aus der Sicht einer Bank kontraproduktiv. Aber die Banken
wissen: Geld das auf Sparkonten landet, ist der Realwirtschaft entzogen. Dabei macht es keinen
Unterschied, ob zu Hause im Strumpf oder auf der Bank gespart wird. Es ist ein Irrglaube, die
Banken würden das Geld der Sparer verleihen. Wäre dem so, dann müsste dieses Geld von den
Sparkonten verschwinden. Die obige Grafik lässt klar erkennen, was wirklich passiert.
Da allen Guthaben spiegelbildlich Schulden gegenüber stehen, erhöht die Entziehung von Geldern
durch zeitliche Bindung derselben auf Sparkonten den Kreditbedarf der Realwirtschaft und damit
den Profit des Bankensystems. Übersteigt der Kreditbedarf die Überziehungsrahmen der
Unternehmen, so wird Geld in der Wirtschaft knapp. Nun muss der Staat als „lender of last resort“
einspringen und über Staatsausgaben Geld in die Wirtschaft bringen. Das Sparverhalten des Volkes
ist der Grund für die Staatsverschuldung auf der anderen Seite.
Sparzinsen sind ökonomisch kaum zu rechtfertigen
Wenn wir uns noch einmal die erste Grafik in diesem Text vergegenwärtigen, so ist schnell
ersichtlich, dass Schulden in diesem System in Summe nur getilgt werden können, wenn Sparer ihr
Geld ausgeben. Wenn in einer Geschenkökonomie der einstige Schenker sich die Annahme eines
Gegengeschenkes „aufspart“, so kann der Schuldner seine Schulden nicht abbauen. Genauso ist es
in unserer Geldökonomie. Aber Sparer sind im Geldsystem nicht einfach selbstlose ehemalige
Leistungsträger. Sie verlangen vom Schuldner Zinsen und wollen gar nicht, dass er seine Schulden
tilgt. Übertragen wir dieses Verhalten zurück auf die Geschenkökonomie, so erkennen wir es als
eine Form der Erpressung. Der ehemalige Schenker will kein Gegengeschenk annehmen (er
konsumiert nicht), sondern verlangt vom Schuldner regelmäßige Dienste, genannt Zins.
Eigentlich sollten wir Schuldner für deren Leistungsvorversprechen entschädigen, denn ohne diese
Menschen hätten wir alle kein Geld. Geld entsteht nur dadurch, dass Kontoinhaber ihre
Kreditrahmen nützen und somit zu Schuldnern werden. Sie büßen dabei jegliche Sicherheiten ein,
denn wenn sie ihren Kreditrahmen ausschöpfen, können sie im Notfall kein weiteres Geld
auftreiben. Sie büßen Haus und Hof ein, wenn sie ihre Leistungsfähigkeit verlieren. Wir sollten
Schuldner als „Menschen, die sich zu Leistung verpflichtet haben“ bezeichnen, um den negativen
christlichen Beigeschmack des Wortes „Schuld“ nicht in unsere systemischen Überlegungen zu
bringen. Wir alle brauchen diese Menschen, die Leistungsverpflichtungen annehmen, sonst entsteht
kein Geld.
So lange die Inflation unter dem Sparzins liegt, profitieren Sparer doppelt vom heutigen
Zinssystem. Einerseits vermehrt der Sparzins ihr Vermögen, zum anderen gibt ihnen das Sparen die
Möglichkeit zuzuwarten bis ihr Bedarf an einer Dienstleistung oder einem Produkt auf günstige
Preise trifft, zum Beispiel beim Kauf des nächsten Autos. Sie sind keine Leistungsverpflichtungen
eingegangen, sondern verfügen sogar über einen, meist ererbten, finanziellen Ruhepolster. Kein
Wunder also, dass selbst heute, wo der Sparzins unter der Inflationsrate liegt, noch gespart wird.
Es ist ein dummes und unzutreffendes Argument der Ökonomen, der Sparer müsse für den
zeitlichen Aufschub der Gegenleistung durch Zins entschädigt werden. Der Aufbau eines
Sicherheitspolsters ist doch der eigentliche Gewinn des Sparers! Finanzielle Reserven sind eine
Allzweckversicherung für viele Schwierigkeiten, die im Laufe eines Lebens auftreten können.
Deshalb wird selbst heute, wo der Sparzins niedriger ist als die Inflationsrate, noch immer gespart.
Wenn die Wirtschaft heute darunter leidet, dass Sparvermögen und damit auch Schulden überhand
nehmen und zu wenig Geld im realwirtschaftlichen Kreislauf bleibt, dann ist die logische
Konsequenz, dass der Sparanreiz sinken muss, denn dann werden Sparer ihr Geld investieren und
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wieder der Wirtschaft zuführen. Nur wenn das Geld zurück wandert, können Schuldner,
einschließlich dem Staat, ihre Schulden abbauen.
Was ist die Alternative zum Sparen?
Die Hauptfunktion des Sparens liegt in der Sicherheit dann Geld zu haben, wenn sich ein Bedarf
ergibt. Das ist auch legitim. Sparen, um Geld (also andere) für sich arbeiten zu lassen, ist es nicht.
Sicherheiten bietet aber nicht nur das Sparen, sondern auch Versicherungen stellen ein nützliches
Modell dar um Absicherung zu erhalten. Im Gegensatz zu Sparkonten geben Versicherungen die
eingenommenen Gelder für gegenwärtige Versicherungsfälle aus. Somit addieren sich die
Sparsummen auf dem Konto der Versicherung nicht gegen unendlich sondern das Geld wandert
zurück in die Wirtschaft, wodurch sich die Schuldner, die das Geld durch Nutzung ihres
Überziehungsrahmens geschaffen haben, wieder entschulden können. Versicherungen eröffnen uns
also einen Weg um Sicherheiten anzuhäufen ohne dabei der Wirtschaft Geld zu entziehen, so dass in
gleichem Ausmaß anderswo im System Schulden entstünden.
Die zweite Möglichkeit einer schuldneutralen Absicherung großer Bevölkerungsteile besteht darin,
dass diese ihr Geld in Infrastruktur investieren. Dies entspricht der Ursprungsidee von Aktien, bevor
diese im Zehntelsekundentakt über autonom agierende Computerprogramme gehandelt wurden.
Würden Sparer mit ihren Vermögen zum Beispiel die notwendige Infrastruktur für die
Energiewende vorfinanzieren, so wäre damit eine Geldanlage geschaffen, die ihren Wert beibehält,
so dass die Eigentumsanteile jederzeit wieder verkauft werden könnten, wenn der (einstige) Sparer
sein Geld wieder benötigt.
Beide Formen der Geldanlage werden sich automatisch ergeben, wenn der Sparzins negativ wird.
Da Sparer dann auch von der Wirtschaft keinen Ertrag mehr für ihr Geld erwarten, werden viele
Industriebetriebe Investitionsmöglichkeiten für Sparer bereitstellen. Die Energiewirtschaft wird
Kilowattstunden vorverkaufen, Altersheime werden Betreuungsstunden vorverkaufen usw.
Sparer können dem negativen Zins auch entgehen, indem sie Privatkredite vergeben.
Organisationen, die dies vermitteln tun dann das, wovon die Mehrheit glaubt, dass es heute die
Banken täten: Sie bringen Spargelder zurück in die Wirtschaft. Das Geld wird also weitergereicht.
Dies ist das Prinzip der sogenannten "Freiwirtschaft", die auch von "fließendem Geld" spricht. Statt
dem Zins tragen die Sparer dann ein Risiko.1
Es gibt also sinnvollere Alternativen, als die Gesellschaft durch die wachsenden Geldvermögen
einer Minderheit in hohe Schuldenlasten zu stürzen, deren Zinslast wir alle zu tragen haben.
Sparzinsen und Pensionsleistungen
Die Problematik von Sparzinsen ergibt sich am anschaulichsten beim klassischen UmlagePensionssystem. Das heißt, die gegenwärtig arbeitende Bevölkerung erwirtschaftet die Renten der
gegenwärtigen Pensionisten. Wenn diese arbeitende Bevölkerung aber nun auf ihre Rentenbeiträge
einen Zins erwartet, so ergibt das über eine Lebensarbeitszeit durchschnittlich etwa das doppelte an
Pensionsforderungen als tatsächlich an Geld eingezahlt wurde.
Durch das Umlageverfahren ist die die nächste Generation also gezwungen, nun auch doppelt so
hohe Pensionsbeiträge einzahlen, denn woher käme sonst das nötige Geld für Forderungen der
Alten?
1 http://www.picsandpixels.at/geldmitsystem/Simulation/Geld_Mathematik.html #Privatkredit
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In etwa einem Jahrzehnt wird ein arbeitender Mensch durchschnittlich einen Pensionisten zu
finanzieren haben, der selbst aber niemals so hohe Beiträge eingezahlt hat wie er nun an Pension
erwartet. Viele werden gezwungen sein Kredite aufzunehmen, denn die eigenen
Lebenshaltungskosten mitsamt den gestiegenen Pensionsbeiträgen sind nicht für alle zu
erwirtschaften.
Durch die Kredite steigt die Geldmenge und führt zu Inflation. Niemand profitiert davon, außer die
Banken, denn sie leben von der steigenden Verschuldung. Aber nach spätestens drei Generationen
bricht dieses System zusammen, denn der verschuldete Teil der Bevölkerung stößt an die Grenzen
der Kreditwürdigkeit.
Der natürliche Zins ist negativ
Wie anfangs gezeigt ist es möglich ein Fiat-Geldsystem logisch aus der ursprünglichen
Geschenkökonomie abzuleiten. Geld ist damit nichts anderes als eine Verzeichnung von Schulden
und Guthaben. Wenn wir Fiat-Geld so begründen, so müssen wir uns aber auch am natürlichen Zins
der Geschenkökonomie orientieren, und dieser ist im Gegensatz zu dem unserer derzeitigen
Geldordnung negativ. In der Geschenkökonomie verfallen Guthaben und Schulden mit der Zeit.
Wenn ich jemandem vor 10 Jahren mein Fahrrad geschenkt habe, so ist dies halb vergessen und ich
erwarte mir keine Gegenleistung mehr in dieser Höhe. Wir sind quitt, wenn er mir z.B. einmal den
Garten umsticht.
Aber wenn der natürliche Zins negativ ist, wieso setzen sich dann nicht negative Zinsen durch?
Viele Ökonomen sind der Ansicht, unser Zinssystem hätte sich durch „natürlichen“ Wettbewerb
entwickelt. Eine Bank könne von den Sparern deshalb keine Zinsen verlangen, da diese sonst zu
anderen Banken abwandern würden. Dieser Aussage liegt der Irrglaube zugrunde, dass Sparer für
eine Bank wichtig wären. Banken leben aber nicht von den Sparern, sondern von den
Kreditnehmern. Sparer sind ein Kostenfaktor. Die Bank hat ihnen gegenüber Verbindlichkeiten.
Wer einmal begriffen hat, dass Spargelder gar nicht in die Wirtschaft zurück wandern, braucht auch
keine Angst zu haben, sie könnten ins Ausland abwandern, wenn inländische Banken den Sparern
Zinsen abverlangen. Es ist für die Wirtschaft völlig gleichgültig, ob die Gelder im In- oder Ausland
ruhen.
Die Schweiz hat das längst begriffen und viele Banken verlangen dort bereits negativen Zins von
den Sparern. Was würde also passieren, wenn Österreich dies auch täte? Ein großer Teil der
österreichischen Spargelder würde in andere europäische Länder wandern und diese hätten die
Zinslast für die Österreicher zu tragen. Da Spargelder der Wirtschaft entzogen bleiben woimmer sie
auch ruhen, bleibt dies ohne Konsequenz und von den ausgelagerten Zinslasten profitieren die
österreichischen Banken.
Weiters wollen wir annehmen die Banken begännen vom Kreditnehmer weniger Zins zu verlangen
als von Sparern, so dass dies in der Gesamtwirkung bereits einer Zinsumkehr entspräche. Die
Wirtschaft aus ganz Europa würde diese Niedrigzinskredite bevorzugen. Die Menge an Krediten
würde die österreichischen Bankbilanzen sehr positiv aussehen lassen, denn die Banken verbuchen
diese als Forderungen.
Hätten wir eine rein digitale Währung, so wären die europäischen Banken bald gezwungen sich bei
den österreichischen zu verschulden oder selbst den Zins umzukehren. Der natürliche negative Zins
würde sich durch die Gesetze des Wettbewerbs durchsetzen.
Da aber der Interbankenmarkt über Zentralbankguthaben verläuft, und die österreichischen Banken
durch Abwandern der Sparer nicht viel Bargeld einnehmen könnten, ist dieses natürliche Regulativ
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durch das Zentralbankmonopol blockiert. Das System kann sich nicht zum Besseren wandeln, weil
durch das Währungsmonopol unser Geld eben nicht nur eine Aufzeichnung von Forderungen und
Verbindlichkeiten ist, sondern ein Machtsystem.
Die Gesetze wonach Giralgeld, welches durch die Banken erzeugt wird, immer in Bargeld
umwandelbar sein muss, ermöglichen auch das Phänomen des Bankenkrachs. Denn Sparer können
von Banken mehr Bargeld fordern, als überhaupt existiert. Dazu mehr im Kapitel zum 100%-Geld.
Angesichts der Blockade der Selbstregulierung des Systems hin zum negativen Zins durch das
Zentralbankgeld, ist der Vorstoß Schwedens, sich für eine bargeldlose Währung einzusetzen,
durchaus zu befürworten.2 Es müssten dazu allerdings erst einmal die Rechte der Banken zu
Eigengeschäften beschnitten werden, sonst führt dieser Schritt in den endgültigen Kollaps des
Systems. Dazu später mehr.
Neben diesen markttheoretischen Aspekten gibt es aber noch ein wichtiges Argument, das uns
erkennen lässt, dass der negative Zins der „natürliche“ Zins wäre:
Geldvermögen und spiegelbildlich dazu Schulden erhalten durch den negativen Zins eine
Wachstumsgrenze. Wenn ein Sparer jeden Monat den gleichen Betrag auf sein Konto legt, so wird
der lineare Zuwachs nach und nach durch die mit dem Vermögen anwachsende Zinslast begrenzt,
bis das Sparguthaben trotz regelmäßiger Einlage nach etwa 100 Jahren nicht mehr weiter wachsen
kann. Der Sparer kann an die nächste Generation seine Leistung weitergeben, jedoch nicht, wie
heute, die durch positiven Zins potenzierten Leistungen vorhergehender Generationen, die einander
nicht einmal kannten. Der negative Zins führt also zu mehr Angleichung der Startbedingungen der
Menschen und begrenzt die Macht reicher Familien-Cans. 3
Alles in der Natur hat eine Wachstumsgrenze, die durch eine solche negative Rückkopplung
zustande kommt. Je größer ein natürlicher Wert wird, desto mehr begrenzt die Natur sein weiteres
Wachstum. So wird es für einen Baum immer schwieriger der Schwerkraft zu widerstehen und das
Wasser nach oben zu transportieren je größer er ist.
Selbst das Krebswachstum hat eine Grenze, denn die Wahrscheinlichkeit des Todeseintritts seines
Trägers wächst mit der Größe des Krebsgeschwürs. Krebs wächst exponentiell, wie heute das
Geldvermögen eines Sparers und die Natur kennt keinen anderen Mechanismus solches Wachstum
zu begrenzen als den Zusammenbruch des ganzen Systems. Auch alle Geldsysteme, welche positive
Sparzinsen erlauben, sind historisch betrachtet nach 6 bis 8 Jahrzehnten zusammengebrochen.
Im alten Judentum, bei den Römern und im Frühchristentum haben verschuldete Machthaber
deshalb nach einigen Jahrzehnten regelmäßig Jubeljahre ausgerufen, in denen alle Schulden und
Guthaben gestrichen wurden. Wurde diese Maßnahme nicht durchgeführt, so sorgte ein
Bankenkrach automatisch für den Verfall des Geldwertes.
Da der Finanzsektor heute mächtiger ist als die Regierungen, wird es wohl kein Jubeljahr geben.
Angeblich hat der Papst im Jahr 2000 ein solches ausgerufen. Das war den Medien nicht einmal
eine Schlagzeile wert. Aber ein weiterer Ausweg aus dem Dilemma ist durchaus bekannt:
Als langlebig und stabil haben sich historisch gesehen negativ verzinste Geldsysteme erwiesen, wie
es sie im alten Ägypten und im Frühmittelalter gegeben hat. Im alten Ägypten brachten Bauern ihr
Getreide in eine öffentliche Lagerhalle und erhielten dafür eine Tontafel, auf der die Menge und der
Einlagezeitpunkt verzeichnet waren. Mit diesen Tontafeln konnten sie das Getreide mit einem
Abschlag zurück erhalten, der sich aus der Lagerzeit ableitete. Der Wert der Tafel verfiel also mit
2 http://www.welt.de/finanzen/article106169026/Schweden-wollen-ihr-Bargeld-abschaffen.html
3 http://www.picsandpixels.at/geldmitsystem/Simulation/Geld_Mathematik.html
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der Zeit. Sie war negativ verzinst. Da diese Tafeln als Zahlungsmittel dienten, lohnte sich
übermäßiges Sparen nicht und somit nahmen im Volk weder die Sparguthaben noch die Schulden
überhand. Das System hielt über 1000 Jahre und kannte keine Inflation.4
Im Frühmittelalter finanzierten Fürsten ihre Burgen aber auch öffentliche Einrichtungen wie
Straßen mit selbst geprägten Blechmünzen. Diese Münzen wurden immer wieder eingefordert und
mit einer neuen Prägung versehen. Dabei war ein Abschlag, also eine Steuer fällig. Da Geld mit der
alten Prägung wertlos war, wurden die Steuern automatisch von all jenen bezahlt, die Geld hatten.
Dies war ein effizientes Sozial- und Steuersystem, ohne dass dafür irgendeine Bürokratie notwendig
gewesen wäre. Das bedeutet alle Menschen verrichteten produktive Arbeit und Bürojobs gab es so
gut wie nicht. So blieb genug „Manpower“ für den Bau der großen Kathedralen über, die aus
Spenden finanziert wurden. Diese Blüte des Mittelalters währte immerhin 300 Jahre. Die
Verarmung der Bevölkerung kam erst mit der aggressiven Einführung der positiv verzinsten
Silbermünzen und mit ihr die Pest und Hexenverfolgung.5
Machthaber von Ländern mit positiv verzinsten Währungen erkannten immer wieder die
Ausbeutung fremder Länder als einziges letztes Mittel um ihre steigenden Schulden los zu werden.
Negativ verzinste Währungen wurden also nicht aufgegeben, weil sie nicht funktionierten, sondern
sie gingen dann unter, wenn Länder den Raubzügen anderer erlagen. Im Fall Ägyptens waren es die
Römer, die ihre Silbermünzen einführten.
Heute werden Raubzüge durch die Weltbank auf bürokratischem Wege erledigt, indem diese
Kredite an rohstoffreiche Länder der dritten Welt vergibt und ihnen den Dollar als Währung
auferlegt. Da es unmöglich ist das Geld verzinst zurückzuerstatten (denn woher käme die
zusätzliche Geldmenge für den Zins) müssen die Länder mit ihren Rohstoffen bürgen. Letztlich
erweist sich das positive Zinssystem als nichts anderes als ein Schneeballsystem. Den Letzten
beißen die Hunde.
Gegen Länder die den Dollar als Leitwährung für den Außenhandel ablehnen, werden Kriegsgründe
erfunden. Unser aggressives Finanzsystem kombiniert mit der wettbewerbsorientierten Wirtschaft
ist ein Kriegstreiber. Auch die Verarmung weiter Bevölkerungsteile dieses Planeten, und die damit
einhergehenden Todesfälle aufgrund von Unterversorgung kosten tausende Menschenleben. Die
Rettung des Weltklimas ist mit diesem Finanzsystem undenkbar geworden.
Wenn der natürliche Zins negativ ist, so muss der heutige Zins unnatürlich sein. Das wird sehr
schnell am Beispiel des Josephspfennigs klar.
Der Josephspfennig ist Realität
Der Josephspfennig ist als bekanntes Rechenbeispiel in die Geschichte der Geldkritik eingegangen,
das uns zeigen soll, wie sehr wir die Dynamik des Zinseszinses unterschätzen. Hätte Joseph im
Jahre 0 für Jesus ein Konto mit einem Cent angelegt, es wäre vergessen worden und ein Nachfahre
ginge heute zur Bank um die Zinsen nachzutragen, wobei wir fünf Prozent Verzinsung annehmen
wollen, so müssten ihm 195 Millionen Weltkugeln aus purem Gold gutgeschrieben werden.6
Nun wird dieses Beispiel ständig ins Lächerliche gezogen: Keine Bank hielte 2000 Jahre. Aber
muss das so sein? Das ägyptische System hielt über 1000 Jahre, weil es negativ verzinst war.
Ökonomen argumentieren Unternehmen müssten den Zins erarbeiten und somit könnten solche
4 Bernhard Lietaer (2000), Mysterium Geld, 3. Auflage, Riemann Verlag, S. 149
5 Bernhard Lietaer (2000), Mysterium Geld, 3. Auflage, Riemann Verlag, S. 146
6 http://www.matthias-kessler.com/2013/02/05/die-berechnung-des-josephspfennig/
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Zuwächse gar nicht eintreten. Aber das ist kein Argument für den Zins, denn eben weil die
Zuwächse nicht real eintreten, sondern nur am Papier, entsteht die Krise, die ja in einem
Missverhältnis zwischen Forderungen und dem wirtschaftlich Möglichen besteht. Die am Papier
entstehenden Ansprüche wachsen über das wirtschaftlich real Erfüllbare hinaus! Das
Gesamtgeldvermögen der Welt übersteigt die handelbaren Güter heute Schätzungen zufolge um das
4 bis 10 fache. Diese Tatsache beweist doch, dass hier durch Zinseszinsrechnung absurde
Forderungen am Papier kreiert wurden, unter denen wir nun leiden.
So lange in unserem System ein Teil der Bevölkerung über mehr Sparguthaben verfügt als er dem
Konsum zuführt, wachsen dessen Guthaben exponentiell an. Da sich die Geldvermögen in diesem
System dort vermehren, wo schon Geld ist, sammeln sie sich bei einer kleinen Minderheit, die so
viel besitzt, dass sie es unmöglich dem Konsum zuführen kann. Das Geld bleibt der Wirtschaft
entzogen, so dass sich spiegelbildlich dazu Schuldner nicht entschulden können, weil das Geld zur
Schuldtilgung gar nicht in Umlauf ist.
Während die Vermögen hauptsächlich in privater Hand sind, liegen die Schulden hauptsächlich bei
der Industrie und beim Staat. Die Zinslast schlägt die Industrie auf die Warenpreise auf, so dass wir
durchschnittlich mit jedem Kauf einer Ware (nach Berechnungen von Helmut Creutz) 34,8%
„Steuern“ an die Reichen zahlen. Der Staat schlägt die Zinslasten auf die Steuerlast auf. Der Bürger
zahlt immer die gesamte Zinslast, die den Sparguthaben gegenüber steht.
Wenn der Staat durch Kürzung von Leistungen seine Schulden abbaut, dann greift er damit die
Vermögen der Sparer nicht an. Bleiben diese in ihrer Höhe gleich, so bleiben auch die
Gesamtschulden im System vorhanden. Sie übertragen sich lediglich vom Staat auf die Wirtschaft.
Es ist für den Bürger besser der Staat hat die Schulden, da er über die Staatsanleihen bessere
Zinssätze erhält als Wirtschaftstreibende. Das gilt aber auch nur, so lange dem Staat noch vertraut
wird.
Die Symmetrie des Systems führt also dazu, dass es keine Entschuldung geben kann, solange die
Sparguthaben erhalten bleiben, denn damit sind spiegelbildlich in gleicher Höhe Schulden
vorhanden.
Die folgenden Grafiken zeigen den realen Zuwachs, der sich gemäß des
Josephspfennigs verhält. Sie wurden von der deutschen Bundesbank (Deutschland) und von
Thobias Plettenbacher (Österreich) erstellt.
In der ersten Grafik ist auch die Geldmenge M1 verzeichnet. Das ist der kleine Teil des
„umlaufenden“ Geldes, das sich auf Giralkonten und in unseren Geldbörsen befindet. Der Rest sind
zeitlich gebundene Sparguthaben an die die Schuldner nicht heran kommen können. Mit M1 können
einzelne Schuldner ihre Schuld tilgen, während gleichzeitig andere in Schuld geraten. Es ist jedoch
unmöglich mit dem umlaufenden Geld M1 die Summe an Schulden abzubauen, denn mit der
Schuldtilgung verschwindet das Geld weil mit jeder Schuld in gleicher Höhe ein Guthaben
verschwindet (Spiegelbildlichkeit). Da immer umlaufendes Geld notwendig ist, wird, sobald ein
Teil von M1 durch die Tilgung einer Schuld verschwindet, Geldknappheit entstehen. Diese wird
anderswo im System dazu führen, dass sich jemand verschuldet, so dass M1 wieder die notwendige
Höhe erhält. Somit sind die Gesamtschulden in dem System nicht reduzierbar, sie wachsen aber an,
wenn durch die Zinsversprechen auf Sparguthaben einen Teil von M1 aus dem Umlauf gezogen
wird, denn auch dann muss dieser Teil durch neue Verschuldung ersetzt werden. Es gilt die durch
empirische Daten bestätigte Formel:
So lange die durchschnittliche Motivation zu sparen höher ist als jene zu investieren, muss das
Gesamtsystem eine exponentielle Vermehrung von Guthaben und Schulden aufweisen.
Ein negativer Sparzins könnte die Motivation zu sparen senken und Geld zurück in die Wirtschaft
bringen, so dass sich Schuldner entschulden können. Dies lässt sich leicht an den folgenden zwei
11
Grafiken ablesen, welche die deutsche und österreichische Schulden/Guthaben-Kurve zeigt. In
anderen Ländern sieht diese nicht anders aus.
Alle Staaten der Erde verwenden heute positiv verzinste Währungen und keine Regierung hat
jemals vermocht eine Maßnahme zu setzen, die eine zeitweilige Umkehr in dieser Kurve bewirkt,
12
denn keine Regierung hat es in den vergangenen Jahrzehnten gewagt Gesetze zu schaffen, die das
Zinssystem umkehren. Die kurze gegenläufige Bewegung nach 2008 war nicht etwa durch
Entschuldung entstanden, sondern durch einen Verlust der Aufzeichnungen von Vermögen und
Schulden bei jenen Banken, die einen Crash erlitten. Selbst große Ereignisse, wie die deutsche
Wiedervereinigung, beeinflussen die Kurve nur unwesentlich.
Wieviel Schulden sind „gesund“?
Es sollte uns bewusst sein, dass Industrieproduktion der Vorfinanzierung bedarf und Schulden wie
auch Guthaben eine natürliche Sache sind, wie wir sie auch aus der Geschenkökonomie kennen. Die
Höhe der benötigten Vorfinanzierung wächst mit der Größe der Wirtschaft, also mit dem BIP, sollte
dieses aber nie überschreiten. Die Kurve des inflationsbereinigten Wirtschaftswachstums sieht
folgendermaßen aus:
Es ist eine natürliche Wachstumskurve mit „eingebauter“ Wachstumsgrenze, wie wir sie auch bei
Organismen vorfinden:
13
Die gleiche Form der Kurve entsteht, wenn ein Sparer über hundert Jahre jedes Monat den gleichen
Betrag auf sein Konto überweist und sein Vermögen negativ verzinst wird:
Es ist die Kurve des natürlichen Zinses. Hätten wir diesen natürlichen Zins 1950 eingeführt wäre
der Vorfinanzierungsrahmen der Wirtschaft parallel zu ihrer Größe gewachsen, denn im
Durchschnitt hätte der Zuwachs an Sparvermögen diese Kurve beschritten und damit wäre
spiegelbildlich auch der Schuldenzuwachs so verlaufen.
Das Verhalten der Schuldner hat nämlich keinen nennenswerten Einfluss auf den Schuldenzuwachs.
Es sind die Sparer, die frei entscheiden können, ob sie ihr Vermögen ausgeben oder weiter sparen.
Die Schuldner können sich nicht entschulden, so lange das Geld auf den Konten der Sparer ruht und
haben daher keine Möglichkeit die Kurve positiv zu beeinflussen. Daher leitet sich die
Verschuldungskurve in Summe überwiegend aus dem Verhalten der Sparer ab. Dieses Prinzip ist
aus der ersten Grafik dieses Textes mit den Konten a, b, c ersichtlich.
Eine Wirtschaft mit Wachstumsgrenze, wie wir sie auf unserem begrenzten Planeten brauchen, ist
also nur mit einer negativ verzinsten Währung möglich, denn ausschließlich durch einen negativen
Zins kommt es auch zu einer eine Wachstumsgrenze für Schulden und Guthaben.
In einem System mit negativer Verzinsung ist es nicht so wesentlich wer die Schulden für die
Vorfinanzierung der Wirtschaftsleistung zu tragen hat. Im mittelalterlichen System war es der
Landesfürst, der die Vorfinanzierung leistete. Wenn keine Zinslast auf den Schulden liegt, tut diese
Rolle nicht weh.
Der unnatürliche Zins ist Resultat des Währungsmonopols
Jeder Physiker, Biologe oder Techniker, der mit dynamischen Systemen zu tun hat, versteht sofort
die hier dargelegte Zinskritik. Nur Ökonomen tun sich schwer. Sie verteidigen den positiven Zins
als Resultat natürlichen Wettbewerbs. Der Wettkampf (was nichts weiter ist als dauernder Krieg) ist
ihr Ideal.
Das ist natürlich an sich schon problematisch, denn wer den Wettbewerb als Allheilmittel predigt,
steht in einer philosophischen Denkrichtung zum Neodarwinismus, der das Recht des Stärkeren
14
betont, mit dem auch Hitler seine Eroberungsfeldzüge legitimierte. Zweifelsohne gibt es
Wettbewerb in der Natur. Aber abgesehen von Paarungsritualen liefert sich kein Lebewesen unnötig
einem Wettbewerb aus. Intelligente Arten verfügen über Sozialsysteme und außerdem gibt es auch
biologische Nischen um dem Überlebenswettkampf zu entgehen. Kurzum, die Natur kennt nicht nur
Wettkampf sondern auch Kreativität, Kooperation und sogar Fürsorge. Mit einseitiger Fixiertheit
auf Konkurrenzdenken ist kein Geldsystem zu machen, denn der Geldwert beruht immer auf
Vertrauen. Ein Wettbewerb bei dem ungleiche Gegner, ohne willentlich zuzustimmen, aufeinander
gehetzt werden, ist ein Gladiatorenspiel. Wie kann man dies zum Ideal erheben? Viele gläubige
Christen betrachten die Umkehrung der Werte in der klassischen Ökonomie inzwischen als
Teufelswerk. Fest steht, dass Jesus andere Werte predigte. Der Kämpfer war für ihn immer der
Schwache, denn wer der Welt gewachsen ist und nichts fürchtet braucht auch nichts zu bekämpfen.
Aber selbst aus dem Blickwinkel dieses kriegstreibenden Wettkampf-Ideals unterliegen unsere
Ökonomen einem Irrglauben, wenn sie damit den Zins begründen. Unser heutiges Zinssystem
entspringt keinem Wettbewerb, denn um einen „natürlichen“ Wettbewerb aufzubauen, müsste erst
einmal das Währungsmonopol fallen um kreative neue Lösungen zuzulassen.
Sobald aber eine zweite Währung da ist, müssten beide um ihre Vorherrschaft ringen. Da Geld nur
durch Kredit entsteht, würden Banken potentiellen Kreditnehmern Geschenke machen, damit sie
nicht zur anderen Währung wechseln. Eine Währung braucht Menschen, die bereit sind sich zu
zukünftiger Arbeitsleistung zu verpflichten (nichts anderes macht ein Kreditnehmer). Hat der
Kreditnehmer die Wahl, so wird er sich für diese Verpflichtung bezahlen lassen, denn freiwillig wird
niemand Sklave. Nur durch unser heutiges Währungsmonopol ist jeder erpressbar, der kein Spross
reicher Eltern ist und sich doch selbstständig machen will.
Angesichts der harten Strafen, die den Kreditnehmer erwarten, wenn er keine ausreichende Leistung
bringt, ist aus meiner Sicht „Sklave“ der richtige Ausdruck. In der dritten Welt stürzt man Bauern in
Kreditabhängigkeiten und lässt sie als abschreckendes Beispiel verhungern, wenn sie ihre Leistung
(z.B. aus gesundheitlichen Gründen) nicht mehr bringen.
Ist der Kreditnehmer der Sklave des Systems, so ist der Sparer der Herr. Diese globale
Zweiklassengesellschaft existiert aber nur durch das Währungsmonopol. Sparer profitieren von den
erzwungenen Leistungsversprechen der Kreditnehmer. Ohne diese hätte ihr Geld keinen Wert, ja es
wäre nicht einmal vorhanden.
Geld ermöglicht dem Sparer einen erweiterten Sicherheitsrahmen für den Fall von materiellen
Lebenskrisen. Dafür wird man vom Sparer eine Gebühr verlangen, sobald das Währungsmonopol
fällt. Das mittelalterliche System, das nur die Geldbesitzer besteuerte, war so gesehen richtig
aufgestellt. Das ist kein Angriff auf Besitz. Jeder mag Besitz anhäufen so gut er kann, bloß nicht
Geld, denn Geld braucht die Wirtschaft. Es ist ein wichtiges Allgemeingut, so wie die
Wasserversorgung.
Der Sparanreiz muss somit gemindert werden, während Kredite in Zukunft unverzinst sein können.
Nun mag es auf den ersten Blick so aussehen, als müsste der Wegfall von Kreditzinsen erst recht die
Überschuldung fördern. Aber das Gegenteil ist der Fall. Schulden werden nämlich heute vor allem
deshalb nicht getilgt, weil die Schuldner all ihre Leistung dafür brauchen, bloß um die Zinsen zu
zahlen. Einer dieser Schuldner ist auch der Staat. Wenn Kredite unverzinst sind, ist jeder Kredit
irgendwann tilgbar.
Der zweite Effekt ist, dass mit dem Wegfall von Kreditzinsen niemand mehr hohe Sparguthaben
anzuhäufen braucht, um sich materiell abgesichert zu fühlen, denn die Sicherheit bietet ihm der
Kreditrahmen, den er unverzinst nutzen kann. Kurzum, die Menschen werden Sparguthaben
auflösen und damit kann Geld zu Schuldnern gelangen. Eine ideale Wirtschaft ist eine, bei der die
15
Schulden und Guthaben nicht überhand nehmen, eine Wirtschaft also, in der die Menschen danach
trachten auf ihren Konten um null herum zu bleiben. Dieses Ziel erscheint uns heute eigenartig,
weil wir durch den falschen Zins nicht dahingehend motiviert werden.
Weniger Gläubigern stehen automatisch auch weniger Schuldner gegenüber. Deshalb muss, wenn
wir die Überschuldung abbauen wollen, die Sparmotivation gesenkt werden. Zum Teil passiert das
bereits, denn der Sparertrag ist heute durchschnittlich geringer als die Geldentwertung durch
Inflation.
In einer negativ verzinsten Währung gibt es überhaupt keine Inflation. Die Zinszahlungen dienen
lediglich der Senkung der Sparmotivation, damit Sparer auf andere Anlagen ausweichen. Sparer
werden durch solche Zinsen nicht stärker belastet als durch die heutige Inflation. Da in Summe der
Schuldenzuwachs vom Verhalten der Sparer abhängt, muss der Zins sich irgendwann umkehren,
andernfalls zerbricht das Geldsystem an überhöhter Gesamtverschuldung.
Inflation entsteht im heutigen System, weil die Zunahme der Guthaben und Schulden gegen
unendlich steigt, während das Wirtschaftswachstum stagniert. In einer umgekehrt verzinsten
Währung wächst beides parallel bis Sättigung erreicht ist. Das alte Ägypten kannte keine Inflation.
Die Tontafeln behielten ihren Wert.
Inflation belastet die Armen stärker als die Reichen
Mit dem Hinweis auf die Wirkung der Inflation relativieren Ökonomen der klassischen Schule
gerne die verheerende Wirkung des verkehrten Zinses. Ihr Argument besteht darin, dass der Zins
notwendig wäre um die inflationsbedingten Preissteigerungen doch wenigstens teilweise
auszugleichen, damit Sparguthaben ihren Wert behielten. Die Sparer hätten doch diesen Wert
erarbeitet. 7
Dieser Ausgleich ist aber nur in einer falsch verzinsten Währung notwendig, denn bei natürlichem
Zins kommt es gar nicht zu Inflation. Inflation führt auch nicht zu einer Linderung des eigentlichen
Problems, das sich hinter der Zunahme von Verschuldung und Vermögen verbirgt, nämlich die
ständige Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich. Geldanleger profitieren von den steten
Preissteigerungen, denn sie konsumieren ihre Anlageprodukte nicht. Sie warten zu, bis diese an
Wert gewinnen, um sie dann gewinnbringend zu verkaufen. Da Anlageprodukte (wie Land, Energie
und andere Ressourcen) stärkere Preisanstiege verzeichnen als alltägliche Produkte ist der
Zugewinn der Anleger höher als die durchschnittliche Inflationsrate. Die Vermögensstatistik
beweist: Die wirklich Reichen mit verzinsten Guthaben über 300 000 Euro werden in dem System
immer reicher – trotz Inflation.
Wer sein Geld hingegen durch Arbeit verdient, kann aufgrund der ständigen Preisanstiege für seinen
Lohn immer weniger kaufen. Die Masse wird durch Inflation ärmer. Alle Ressourcen fallen in die
Hände einer kleinen Minderheit.
Warum üben Ökonomen kaum Zinskritik?
Angesichts des enormen Einflusses des Zinses, den die letzten Grafiken beweisen, sollte man
annehmen, dass unter Ökonomen ein reger Diskurs um dessen Rolle besteht. Das Gegenteil ist der
Fall. Nun kann man sich fragen, warum dieses Thema in der Wissenschaft kaum eine Rolle spielt.
7 Es ist doch eigenartig ein solch ethisches Argument aus dem Mund von Ideologen zu hören, die erfreut zusehen, wie der kleine
selbstständige Greissler vom großen Konzern durch Wettbewerb geschluckt wird und sich kein bisschen darum scheren, wie viel
dieser gearbeitet hat und wieviel an Arbeitsleistung man ihm nun zusätzlich noch abverlangt um seine Schulden loszuwerden.
16
Eine Antwort mag darin liegen, dass man Banken immer als neutrale Schuld- und GuthabenVermittler betrachtet hat. Deshalb hat man es zugelassen, dass nahezu alle großen Medien und auch
viele wissenschaftliche Zeitschriften eine Bank als Hauptsponsor haben. Bei jedem anderen
Wirtschaftssektor hätten die Alarmglocken liberal gesinnter Ökonomen geklingelt, hätte er sich so
dominant als Sponsor in der Medienwelt betätigt.
Selbst der Wirtschaftsnobelpreis wurde nicht von Alfred Nobel gegründet, sondern erst 1968 von
der schwedischen Reichsbank. Kein Ökonom der ihn je verliehen bekam, hat sich mit dem Zins
beschäftigt8. Der Zins ist das Tabuthema der klassischen Ökonomie. Eine Zeitschrift die Zinskritik
übt, droht ihren Hauptsponsor zu verlieren. Ein Ökonom, der Zinskritik äußert, outet sich damit als
Abtrünniger und riskiert seine Professur.
Deshalb sollte man allen Lehrenden hohe Achtung entgegen bringen, die sich dieses heiße Eisen
anzufassen getrauen. Die meisten tun es erst nach ihrer Pensionierung. Jürgen Kremer von der
Hochschule Koblenz nimmt die Hürde durch mathematische Simulationen mit denen er seine
Zinskritik wissenschaftlich untermauert und sich damit über die Standardkommentare
paradigmatreuer Fachkollegen erhebt.
Der Skandal besteht darin, dass die klassische Ökonomie in den letzten Jahrzehnten keinen
einzigen wirksamen Vorschlag zum Abbau der exponentiell angewachsenen Guthaben und
Schulden vorweisen konnte, dass sie weiters deren Symmetrie ausblendet und das historisch
bewährte Rezept des negativen Zinses nicht einmal erforscht. So verhält sich keine Wissenschaft!
Viele Ökonomen sind überhaupt nicht fähig die Geldordnung aus der Sicht einer Banken zu
verstehen. Sie glauben ein einzelnes Land könne heute seinen Banken gesetzlich gar keine
Zinsumkehr verordnen (Wucherverbote gab es historisch immer wieder), weil dann die Spargelder
ins Ausland abwandern würden und die Wirschaft kein Geld mehr hätte. Hätten sie begriffen, dass
Spargelder der Wirtschaft entzogen bleiben, woimmer sie auch ruhen, bräuchten sie diese Sorge
nicht zu haben.
Banken glauben heute immernoch, sie müssten sich an den Finanzmagnaten orientieren. Dabei ist
die Bankenpleite doch genau deshalb entstanden, weil sie die Spekulanten und Großsparer gemästet
haben, anstatt sie zur Kasse zu bitten. Das kam nicht von ungefähr, sind doch Bankmanager privat
selbst Geldanleger. Spekulations-Junkies können nicht geheilt werden, indem man ihnen Geld gibt.
Die Kreditsummen welche in den Bankbilanzen wackeln, übersteigen die Staatshaushalte um ein
Vielfaches. Da helfen keine Rettungspakete. Aufklärung und neue Gesetze müssen her, damit
Banken nicht weiter Gefangene ihrer eigenen fehlerhaften Annahmen bleiben, denn die Gier nach
schnellem Profit erzeugt die Blasen, durch die das System letztlich zusammenbricht.
Die EU kann unsere staatsansässigen Banken nur begrenzt regulieren. Sie unterliegen noch
überwiegend den jeweiligen nationalen Gesetzen. Schafft Österreich sinnvolle Gesetze, wird es
überlebensfähige Banken erhalten, die nicht gerettet werden müssen. Doch hier gibt es schon die
nächste Schwierigkeit: In der Regierung fehlt jegliches Verständnis für das System und als
Konsequenz daraus gibt es auch kein Behörde, die ordnungspolitisch Empfehlungen fordern bzw.
umsetzen könnte. Die Nationalbank wird von Ex-Bankern geleitet und alle lassen sich von der
Banken-Lobby beraten. Das wichtigste Ziel für eine Reform muss also darin bestehen, eine
unabhängige Behörde zu gründen, die sich mit der landeseigenen Geldordnung befasst.
Ist es nicht beschämend, dass die Wirtschaftsministerien westlicher Regierungen über keine
Abteilungen verfügen, die sich mit der Geldordnung beschäftigen und Reformen einleiten
8 Siehe Bernard Lietaer „Geld und Nachhaltigkeit“ 2013, S. 79
17
könnten? Dass der Finanzsektor sich unkontrolliert zur eigenen Bereicherung hin entwickelt hat,
ist lediglich eine logische Konsequenz dieses politischen Versagens.
Das hier vorgeschlagene Rezept des umgekehrten Zinses mag vielen allzu einfach erscheinen. Es ist
uns doch gesagt worden, dass die Lage alternativlos und außerdem hochkomplex sei. Andererseits
zweifelt kein Ökonom daran, dass unsere Industriebetriebe äußerst leistungsfähig sind. Die
Wirtschaftskrise ist somit lediglich eine Verteilungskrise und keine Produktionskrise.
Warum sollte Verteilung unlösbares Problem darstellen? (Vor allem wo wir heute über
Computertechnologien verfügen, mit der Lösungsideen beliebiger Komplexität simulierbar sind!)
Verteilung kann heute nur mehr ein Logistik-Problem sein. Dass Logistik eine bewältigbare
Aufgabe ist, zeigen uns weltweit tätige Konzerne und Institutionen vor.
Das Scheitern ist keine Frage linker oder rechter Ideologie. Auch kommunistische Banken
verbuchten positive Zinssätze. Die Sowjetunion verfügte nicht über den Zugriff auf die dritte Welt,
die sie hätte ausbeuten können und so ist sie etwas früher dem „Zinsgeschwür“ erlegen, wenngleich
die Verschuldung im Verhältnis zum BIP angeblich nicht einmal das Ausmaß angenommen hatte,
das wir heute im Westen vorfinden.
Die Umkehrung des Zinses würde die Verteilung umkehren. Das Geld wandert dann vom
unproduktiven Finanzsektor wieder zurück in die Realwirtschaft. Es ist so einfach. Eine
Zinsumkehr wird nur von jenen nicht gewollt, die von der derzeitigen Verteilung profitieren, und
dazu gehören leider auch hochbezahlte Politiker, die genug Geld haben, um damit zu spekulieren.
Aktienhandel ist ein Hobby der meisten Ökonomen. Die verdrehte Welt des Finanzmarktes raubt
ihnen den Realitätssinn.
Machtverschiebung durch Vorrechte des Finanzsektors
Bankeigengeschäfte sprengen die Bürgergeldschöpfung
Käme Geld wirklich so in die Welt, wie in der ersten Grafik dieses Textes dargestellt, so müssten
wir es als „bürgergeschöpftes Geld“ bezeichnen, denn der Bürger erschafft durch Nutzung seines
Überziehungsrahmens Geld. Die Bank wäre, wie in Grafik 2 dargestellt, ein bloßer Vermittler
zwischen Schuldnern und Sparern. Als solcher sehen sich Banken noch immer gerne. Nichts könnte
ferner von der heutigen Realität sein!
Ich hatte zufällig die Gelegenheit einen der obersten Führungskräfte aus dem europäischen
Bankensektor kennen zu lernen, den ich aus Freundschaftsgründen hier nicht namentlich nenne. In
Diskussion mit ihm stellte sich heraus, dass auch er das Bankgeschäft als Vermittlerrolle zwischen
Schuldnern und Gläubigern versteht und somit mit meiner zweiten Grafik und der darin enthaltenen
Erklärung der Geldschöpfung voll einverstanden war. Er betrachtet den Kreditnehmer als den
„Herren der Geldschöpfung“.
Die Macht über die Geldschöpfung hätten die Kreditnehmer aber meiner Ansicht nach nur dann,
wenn sie in Summe die freie Wahl darüber hätten, wie sehr sie ihre Kreditrahmen ausschöpfen
wollen. Geldschöpfung geschieht heute in Summe nicht als freie Entscheidung der Kontoinhaber.
Banken sorgen nämlich durch die Belohnung der Sparer dafür, dass stets Geld aus der Wirtschaft
auf Sparkonten abwandert. Sie zwingen damit die Wirtschaft zu ständig neuer Kreditaufnahme. Von
freiwilliger Entscheidung kann also keine Rede sein. Immer weitere Kontoinhaber müssen gefunden
werden, die gewillt sind, sich bis an die Grenze ihrer Kreditwürdigkeit zu belasten. Sind keine
kreditwürdigen Wirtschaftsteilnehmer mehr zu finden, muss der Staat herhalten, sonst verschwindet
18
das Geld aus dem Umlauf. Die Rechnung für diese gezielte Geldvermehrung zahlt der Bürger über
die dadurch ausgelöste Inflation bei Anlageprodukten (Ressourcen) und über indirekte Zinslasten.
Die Kreditspirale durch den verkehrten Zins verebbt, wenn die wirtschaftliche Lage so eng wird,
dass kaum noch Kreditnehmer mit guter Bonität zu finden sind und auch die Staaten an die Grenze
ihrer Kreditwürdigkeit stoßen. Deshalb begannen Banken sich nahezu unbegrenzt selbst Kredit zu
gewähren, um mit dem frisch geschaffenen Geld Wertpapiere zu kaufen.
Auf die Bilanzsumme der Bank hatte das vorläufig keine Auswirkungen, da sich der Wert des
Wertpapiers mit dem sich selbst gewährten Kredit zu null addiert. Bankbilanzen bestehen heute zu
70% aus solchen Ankäufen, „Bankeigengeschäfte“ genannt. Gewinnen die Papiere an Wert, so
macht die Bank dementsprechend große Gewinne. Aber dieses Spiel birgt ein hohes Risiko, denn
durch das Ausmaß dieser Geschäfte genügen heute meist fünf Prozent an Wertverlust der Papiere
um eine Bank in die Pleite zu treiben. Mit den enormen Geldsummen, die ohne realwirtschaftliche
Deckung über dieses Spiel in den Finanzmarkt gepumpt werden, wird zunächst dort die Kaufkraft
erhöht und die Preise steigen in unrealistische Höhen. Aber die irrealen Preise führen letztlich dazu,
dass eine eine Entwertung all der innovativen Finanzprodukte immer wahrscheinlicher wird. Dies
ist die eigentliche Ursache der Bankenkrise.
„Gegenüber den heutigen Devisen und Derivatenmärkten spielen alle anderen wirtschaftlichen
Aktivitäten auf unserem Planeten nur eine unbedeutende Rolle. 2010 erreichten alle
Devisentransaktionen ein Volumen von vier Billionen Dollar pro Tag. Dagegen beliefen sich die
Exporte oder Importe aller Güter und Dienstleistungen der Welt an einem Tag nur auf zwei Prozent
dieses Volumens. Somit sind 98 Prozent der Transaktionen auf diesen Märkten rein spekulativ.
Diese Zahl schließt noch nicht einmal die Derivate ein, deren nominelles Volumen 600 Billionen
Dollar betrug – das Achtfache des jährlichen Bruttoinlandsprodukts der gesamten Welt im Jahr
2010.“9
Das enorme Wachstum des Finanzsektors gründet vor allem auf dem enormen Zuwachs an
Bankeigengeschäften, durch die frisches Geld direkt in diesen Sektor wandert. Diese Form der
Geldvermehrung ist natürlich völlig absurd, denn durch welche realwirtschaftliche Leistung ist der
Kreditrahmen einer Bank zu rechtfertigen? Falls wirklich 70% der gesamten Geldvermögen auf
diese Weise in die Welt kamen, darf es nicht wundern, dass die Summe der Geldvermögen um eben
diesen Faktor die handelbaren Güter übersteigt. Laut Claus Raidl, Vizepräsident des Forums
Alpbach verbleiben sogar 93% der Kredite innerhalb des Finanzsektors 10, also innerhalb eines
unproduktiven Marktes, der eigentlich gar keine Kreditwürdigkeit haben dürfte, weil die
Geldmenge doch eigentlich mit dem Bruttosozialprodukt, also mit der Realwirtschaft wachsen
sollte.
Die österreichische Nationalbank hat eine Webseite, auf der sie erklärt wie Geld in die Welt
kommt11. Dort wird keineswegs der Druck und die Vergabe unserer Banknoten erklärt, sondern die
Buchgeldschöpfung der Geschäftsbanken. Das bedeutet, selbst die Nationalbank hat begriffen, dass
sie die Macht über die Geldschöpfung großteils abgegeben hat.
Aber die Buchgeldschöpfung, die natürlich seit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr enormen
Zuwachs erfährt, ist ebenfalls schon nicht mehr gültig. Das System hat sich still und heimlich ein
weiteres Mal gewandelt. Zu 70% entsteht Geld heute folgendermaßen: Die Bank kauft Wertpapiere,
indem sie dem Verkäufer ein Guthaben „aus dem Nichts“ auf sein Konto schreibt. Der Verkäufer ist
meist eine andere Bank, die diese Papiere „erfunden“ und deren Wert über Rating-Argenturen
9 Siehe Bernard Lietaer „Geld und Nachhaltigkeit“ 2013, S. 28
10 http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/wirtschaft/3393938/wettkultur-zu-firmenkrediten.story
11 http://www.oenb.at/de/finanzm_stab/finanzmaerkte/finanzmarkt/geldmarkt/geldmarkt.jsp
19
„bestätigt“ hat. Realwirtschaftliche Deckung liegt so gut wie keine vor. So kommt eine
unerschöpfliche Flut an Guthaben, also an Geld in den Finanzsektor und spiegelbildlich in gleicher
Höhe Schulden, für die letztlich immer die Allgemeinheit bürgt und die Zinslast trägt.
Das ist keine Geldordnung, das ist ein unhaltbarer Zustand!
Durch die Geldflut wächst der Finanzsektor. Dieses Wachstum geht auf Kosten der Realwirtschaft,
denn es dient nur dazu, den Zinshebel zu vergrößern, mit dem der Realwirtschaft Geld entzogen
wird, das letztlich in den Taschen der Finanzmagnate landet. Es ist der größte Raubzug der
Geschichte.
Eine gesetzliche Verordnung, die es Banken nicht mehr erlaubt, sich selbst Kredit zu gewähren,
würde aber das, im derzeitigen System notwendige Interbankengeschäft stören und trotzdem nicht
diese Art der Geldvermehrung reduzieren, denn so lange die Bank mit ihrer Willkür entscheidet,
wem welcher Kreditrahmen zusteht, kann sie ihre Geschäfte über einen Mittelsmann erledigen, der
für sie an der Börse spekuliert und dem sie endlos Kredit gewährt.
Das Hauptziel des Finanzsektors ist nicht Geld sondern Macht
Wer aber meint, die Geldvermehrung sei das Kernziel des Finanzsektors, der hat die gegenwärtige
Lage noch nicht durchschaut. Die weltweiten Geldvermögen übersteigen die real handelbaren Güter
um das vier- bis zehnfache. Das bedeutet, die Leistungsversprechen, die sich hinter dem Geld
verbergen, können gar nicht mehr gehalten werden. Alle wissen, dass der Geldwert irgendwann
schlagartig verfallen wird. Deshalb trachtet der Finanzsektor danach die Menge an handelbaren
Gütern zu erhöhen, um die Vermögen rechtzeitig in reale Werte umzuwandeln.
Das ist der Grund, warum heute Staatsschulden fällig gestellt werden. Eine derartige Aktion war so
nie vorgesehen. Diese Fälligstellung zwingt Staaten dazu, Infrastruktur zu verkaufen, die eigentlich
bereits vom Steuerzahler bezahlt wurde. Damit kommen wieder handelbare Anlagegüter auf den
Markt und der Finanzsektor kann seine Macht weiter ausdehnen.
Weigert sich eine Regierung, wie jene unter Papandreou, so wird sie durch Ex-Goldman-Sachs
Mitarbeiter ersetzt, welche den Ausverkauf leiten 12. Die erste demokratisch gewählte europäische
Regierung ist somit ganz offenkundig durch die Finanzdiktatur gestürzt worden. Aber auch
Regierungen reicher Länder sind vor so einem Sturz nicht gefeit, denn auch sie werden über
Bankenrettung in die Überschuldung gedrängt. Haben sie erst einmal ihr Familiensilber verkauft, so
gelten sie kaum mehr als kreditwürdig. In der letzten Not werden entgegen dem Bürgerwillen dann
auch bisher unantastbare Güter wie die Trinkwasserversorgung verhökert.
Ist die Infrastruktur erst einmal in den Händen reicher Anleger, so verfügen diese über ein Monopol
und können Mauten und Gebühren in die Höhe treiben. Der Bürger bezahlt die öffentliche
Infrastruktur somit noch einmal, und immer wieder. Dies führt uns in eine Zweiklassengesellschaft,
bei der die Mehrheit ohne Boden unter den Füßen zur Welt kommt, verpflichtet einer Minderheit zu
dienen, die alle Ressourcen in Händen hält.
Aber wie kam es überhaupt dazu, dass einzelne Personen so reich werden konnten, dass sie heute
zum Beispiel das Straßennetz eines ganzen Staates kaufen können? Solch einen Reichtum kann man
doch nicht erarbeiten. Er wird vordergründig durch Spekulationen an der Börse erzielt. Aber warum
ist fast die ganze Wirtschaft in diese Spekulationen verwickelt? Natürlich aufgrund des verkehrten
Zinses. Trüge die Zinslast der Sparer nicht der Kreditnehmer, dann würde die real produktive
Wirtschaft sich über Nullzins-Kredite finanzieren und es gäbe keinen Aktienmarkt. Der
12 http://www.linksnet.de/de/artikel/27854
20
Devisenhandel wäre unrentabel, da die Aufnahme hoher Geldmengen auch hohe Zinslasten
bedeuten würde.
Wir brauchen keinen Finanzmarkt in der heutigen Form. Die Vermögenskluft und die damit
einhergehenden Probleme sind in Ländern mit großen Finanzplätzen am größten. Spitzenreiter
Deutschland, dahinter England. Island ist schon bankrott.
Aber die Währung hat doch zu Wohlstand geführt?
Diese Annahme bildet die Spitze aller Fehlinformationen, die vom Finanzsektor unter das Volk
gebracht werden. Zweifelsohne hat unsere Kultur einen unvergleichlichen materiellen Wohlstand
erzielt, und selbst wenn wir das reichste Zehntel ausklammern ist er in Europa noch hoch. Wir sind
durch das System in ein Rad materieller Sachzwänge geraten, die uns so sehr an der Arbeit halten,
dass unsere geistige und spirituelle Entwicklung verkümmert. Aber es war nicht die Währung, der
wir den materiellen Wohlstand zu verdanken haben. Man erinnere sich: Der letzte Währungscrash
hat den zweiten Weltkrieg verursacht. Es war die gleiche positiv verzinste Geldordnung, die uns das
bescherte.
Über Wohlstand verfügen wir, weil die Technik es uns ermöglichte, die über Millionen Jahre
gewachsenen Energieressourcen der Erde (fossile Brennstoffe) anzuzapfen und weil wir
Industrienationen die restliche Welt ausbeuten.
Während im Mittelalter vielleicht 10000 Menschen den relativen Wohlstand eines Landesfürsten,
finanzierten und von ihm Straßen und andere Infrastruktur erhielten, kommt heute auf 100
Menschen ein Finanzmagnat, der in Saus und Braus lebt, ohne jegliche Verpflichtung der
Gesellschaft etwas zurückzugeben. Statt einem Zehent haben wir Zinslasten von durchschnittlich
einem Drittel auf den Warenpreisen zu tragen. Die Steuern liegen auch weit über einem Zehntel.
Das Zinseszinssystem beutet die Masse aus, und nur der maschinellen Produktivität ist es zu
verdanken, dass auch zum kleinen Mann noch etwas davon „hindurchtröpfelt“.
Im Mittelalter musste alles mit Muskelkraft erzeugt werden. Aber es gab keine Vermögenskluft wie
die heutige. Der negative Zins ließ keine Kapitalsammelbecken zu und deshalb konnten sich auch in
der Wirtschaft keine Monopole herausbilden.
Heute hat jeder Industriezweig eine Lobby in Brüssel. Neben der Bankenlobby gibt es eine PharmaEnergie- Agrar- und Automobillobby. Die dahinter stehenden Konzerne sind nicht an der Freiheit
der Bürger interessiert, sondern an deren maximaler Abhängigkeit. Lindernde Medikamente sind
aus dieser Sicht besser als heilende, zentralisierte Energiegewinnung besser als energieautarke
Häuser. Umwelt und Menschen werden als Ressource betrachtet, deren weltweite Ausbeutung
nichts kostet. Freien Wettbewerb gibt es in dieser Welt der Monopole nicht mehr. Kleinunternehmer
werden von Großkonzernen einfach geschluckt. Wo treten hier noch gleiche Kontrahenten
gegeneinander an? Die wenigen Großen haben sich doch längst arrangiert.
Die Struktur unserer Wirtschaft in Form von Großkonzernen ist Resultat der Kapitalsammelbecken,
die durch den verkehrten Zins möglich wurden. Er ist die Wurzel für das Ende jeglichen
Liberalismus. Der Neoliberalismus ist durch die Augen eines liberal gesinnten Ökonomen eine
verkehrte Welt, eine Umkehrung aller Werte. Unter den Handwerkern des Mittelalters gab es mehr
freien und fairen Wettbewerb als in unserer monopolgeprägten Wirtschaft!
Waren vor einer Generation noch die Hälfte der Menschen selbstständig tätig, so übernehmen heute
angestellte Manager die Führungsrolle. Allesamt sind sie dem Kapital der Aktionäre verpflichtet,
ohne die Möglichkeit zu sozialem Engagement und Rücksicht auf die Umwelt. Die grünen
21
Mascherl, welche sich die Industrie gerne umhängt, sind meist nichts als Propaganda ohne viel
dahinter, die schönen Bekenntnisse meist leere Worthülsen.
Die Entscheidungsfreiheit ist im Schwinden begriffen und große Herausforderungen wie die
Energiewende, der Schutz der Artenvielfalt und des Klimas können nicht angegangen werden.
Der Handel mit Rechten und Pflichten
Wie bereits erwähnt liegen die am Wertpapiermarkt gehandelten Werte 4 bis 10 fach über den
handelbaren Gütern. Dies wird gerne damit relativiert, dass doch nichts handelbar sein könne, was
nicht existiert. Wer so denkt, der sollte sich einmal mit sogenannten „Futures“ auseinandersetzen.
Erdöl ist zum Beispiel schon 10 Jahre im voraus verkauft. Die zukünftige Produktion wird somit
schon heute zum handelbaren Gut und ein Ausstieg aus der Erdölwirtschaft wird ohne
Vertragsbrüche undenkbar. Aber was ist dieses Gut? Es ist ein Recht auf den Kauf des zukünftigen
Produktes.
Bei genauer Betrachtung funktionieren alle Finanzprodukte nach dem gleichen Prinzip. Der
Finanzsektor klinkt sich zwischen Käufer und Verkäufer, so wie es die Bank im Schritt von der
ersten Grafik dieses Textes zur zweiten tut, wo sie sich zwischen Schuldner und Sparer klinkt. Das
in der ersten Grafik dargestellte Modell der bürgergeschöpften Währung zeigt, dass wir dieses
Zwischenglied nicht brauchen, aber mehr noch, wir dürfen es nicht zulassen, denn wir geben damit
alle Macht an völlig unproduktive Menschen ab. Wie dies funktioniert, will ich an einem einfachen
Beispiel erklären:
Der Müller kauft vom Bauern Getreide, so wie der Bäcker vom Müller das Mehl. Alle stehen in
einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis, durch das die Preise sinnvoll geregelt werden, denn
der Müller wird nicht mehr für das Getreide zahlen, als er vom Bäcker für das Mehl bekommt und
der kann nicht mehr geben als er für das Brot bekommt. Was aber, wenn sich einige Finanzmagnate
zusammentun und sich zwischen Käufer und Verkäufer klinken, indem sie das Getreide zu einem
überhöhten Preis aufkaufen? Der Bauer wird es gerne zu dem Preis verkaufen. Der Müller aber wird
nun dazu erpresst den überhöhten Preis zu zahlen und die Preissteigerung wird letztlich an den
Konsumenten weitergereicht.
Unser Geld ist eine Aufzeichnung von Forderungen und Verbindlichkeiten und diese Termini lassen
sich direkt in Rechte und Pflichten übersetzen. Die „Arbeit“ des Finanzsektors besteht darin
Verträge aufzusetzen, durch welche Rechte und Pflichten neu festgelegt werden. Wenn der
Finanzsektor heute überwiegend Werte handelt, die materiell nicht existieren, so handelt er mit
etwas immateriellen, nämlich mit Rechten und Pflichten. Nach diesem Herrschaftsprinzip entstehen
„innovative“ Finanzprodukte, wie der Handel mit CO2 Luftverschmutzungsrechten. Das Recht wird
aus dem Nichts kreiert und die Wirtschaft, also letztlich der Bürger als Konsument, muss zahlen.
„Zahlen“ bedeutet aber nichts anderes als „dienen“, denn hinter unserem Geld steht unsere
Arbeitsleistung, hinter dem Geld eines Bankeigengeschäftes steht jedoch nichts.
Diese Machtübernahme mittels vertraglichen Bindungen funktioniert in allen Bereichen, von denen
die Menschen abhängig sind. Es ist egal, ob ein Finanzmagnat die Quellen aufkauft oder die
Kanalisation. Wir sind von beidem abhängig. Nach dem Kauf kann er die Kanalisation verfallen
lassen, bis die Toiletten der Bürger nicht mehr funktionieren und dann beliebige Summen dafür
verlangen um die Funktionstüchtigkeit wieder herzustellen. Ich möchte es einmal ganz böse
ausdrücken: „Selbst fürs Scheißen werden wir noch zahlen müssen“. Die Kanalisation von Berlin ist
schon verkauft. Wenn Gemeingut wie die Infrastruktur in private Hand fällt, dann ist das Recht in
private Hände übergegangen und die Regierung ist nur noch Fassade. Recht darf kein Handelsgut
sein!
22
Die Staaten mit großen Finanzplätzen wird diese Entwicklung am brutalsten treffen, wenn sie dem
Finanzmarkt keine gesetzlichen Schranken auferlegen. Aber das Gegenteil tun sie. Großbritannien
hat, (trotz der schlechten Erfahrungen mit der Privatisierung der Bahn) .."ein
Privatisierungsprogramm von 16 Milliarden Pfund verkündet. In Italien wurden 9000 Objekte in
öffentlichem Besitz von der Regierung Berlusconi verkauft.".. (Strände werden zunehmend privat
kostenpflichtig betrieben) .."Die Regierung Sarkozy hatte in Frankreich bereits alle mautpflichtigen
Autobahnen des Landes für fünf Milliarden Euro verkauft. Die mit dem Rettungspaket für
Griechenland verknüpften Bedingungen sehen Privatisierungen im Wert von 50 Milliarden Euro
vor. Und diese Liste geht weiter. Der Druck wird noch lange Zeit anhalten. Doch was geschieht
danach? Warum sollten Staaten kreditwürdiger werden,".. wenn sie Besitz abbauen?13
Das GATS-Abkommen fordert die Privatisierung von über 150 Dienstleistungen. ..“Wovon
sprechen wir dabei? Es geht unter anderem um die soziale Absicherung und Grundversorgung (wie
Kranken- und Pensionsversicherung), das gesamte Bildungssystem (Volksschule bis Universität und
berufliche Weiterbildung), den öffentliche Verkehr, Umweltdienste (wie Stadtsanierung,
Landschaftsschutz, Müllentsorgung), kulturelle Angebote (öffentliche Bibliotheken, Archive,
Museen, Kulturdenkmäler u.ä.), Strom bzw. die Energieversorgung, Wasser, Telekommunikation,
Post, Bank- und Versicherungsgeschäfte, Tourismus, Medien u.v.a.m.“14
Aber überall wo privatisiert wurde, stiegen die Preise. Was kostet heute ein Brief und was hat er zu
Zeiten einer staatlichen Post gekostet? Durch den Monopolstatus, den diese ehemals öffentlichen
Güter besitzen, regeln sich die Preise nunmal nicht "frei".
Der Grundsatz der Aufklärung, dass jeder Mensch gleich an Recht und Würde zur Welt kommen
sollte, kann nur aufrecht erhalten werden, wenn auch jeder einen gleichen Anspruch auf Ressourcen
und Infrastruktur inne hat. Was wir derzeit erleben ist keine Wirtschaftskrise, denn es liegt kein
Anzeichen für ein Produktionsproblem vor. Was wir erleben ist die Machtübernahme des
Finanzsektors. Ganze Staaten werden zu Dienern der Geldmacht.15
3. Alternativen
Parallelwährungen sind zu fördern
Der Fehler liegt meines Erachtens ganz generell darin, dass der Staat immer noch diesen privaten
Institutionen, genannt „Banken“, die willkürliche Macht gewährt, über die Kreditwürdigkeit von
Bürgern und Unternehmen einschließlich sich selbst zu entscheiden. Dies sollte Aufgabe des
Finanzamtes sein, das unseren Finanzstatus kennt und dessen Angestellte ein fixes Gehalt beziehen
und nicht von Zinserträgen profitieren. Das heutige System gleicht einem Gericht, dessen Richter
finanziell von einer möglichst großen Anzahl von Verurteilungen profitieren. Wie würden diese
Richter wohl entscheiden?
Wenn wir die Aufgabe der Einschätzung von Kreditwürdigkeit aber in Zukunft von den Banken
abziehen und sie auf das klassische Bankgeschäft beschränken, dann kommen wir letztlich zu dem
Schluss, dass wir sie überhaupt nicht brauchen, denn übrig bleibt dann nur noch eine Datenbank auf
der Geld zwischen Konten überwiesen werden kann. Datenbanken können über Werbung finanziert
werden, denn einmal installiert verursachen sie nur sehr geringe Kosten. Das ist auch das Prinzip
13 Bernard Lietaer/ Cub of Rome „Geld und Nachhaltigkeit“ 2013, S. 31
14 http://www.sozialismus.net/zeitung/mr24/gats.html
15 http://unzensiertinformiert.de/2013/03/der-grosse-ausverkauf/
23
von Google, und dieses Unternehmen hat sogar schon begonnen amerikanischen Kunden eine
kostenlose Überweisungsplattform anzubieten die über Werbung finanziert wird 16. Das wird auf
lange Sicht das Zinsgeldsystem ablösen. Denn der Dollar und der Euro sind durch die vorhandenen
Schuldenberge bereits so gut wie tot.
Die Google Konten sollen mit Bankomatkarte voll funktionstüchtige Konten werden, von denen
auch Bargeld behoben, und auf die theoretisch auch der Gehalt ausbezahlt werden kann. Stellen wir
uns vor, die Hälfte der Menschen würde bereits ein derartiges digitales Konto, also eine Datenbank
nützen. Daneben gäbe es aber noch unser heutiges verschuldetes Bankensystem. Wie würde eine
Bankenkrise gelöst? Banken besitzen die höchsten und teuersten Gebäude in nahezu allen Städten
der Welt, aber niemand könnte sagen, dies sei systemrelevant oder alternativlos, wenn doch
offensichtlich eine Datenbank genügt. Die Bankenaufsicht würde sie also dazu motivieren all das zu
verkaufen, um ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen. Ohne die Geldspritzen vom Staat wären sie
dazu angehalten, sich ebenfalls zu bloßen Datenbanken umzustrukturieren. Die Umstrukturierung
wäre ganz ohne Wirtschaftskollaps und/oder Krieg möglich. Wir hätten bald ein schlankes
kostenextensives System.
Wir müssen uns also fragen, ob es politisch sinnvoll sein kann, dem Volk extreme Lasten
aufzuerlegen, um dieses kranke unnötige System zu retten. Eine Geldordnung ist ein bloßes
Abrechnungssystem und es steht uns jederzeit frei, parallel dazu eine neue, gerechtere Geldordnung
zu schaffen. Heutige Bankomatkassen sind durchaus fähig, auf eine weitere Datenbank zuzugreifen.
Man könnte also eine neue, „saubere“ Datenbank, in der anfangs alle Konten auf null stehen,
parallel zum gegenwärtigen System gründen, kurzum eine Zweitwährung schaffen. Die
Finanzierung der Wartung bedürfte keiner Kreditzinsen. Eine rein digitale Geldverwaltung kommt
günstiger als eine unproduktive Finanzelite mit utopischen Boni und Gehältern zu versorgen. Das
beweist Google nun. Aber Google hat nicht die Macht eine neue weltweite Zweitwährung zu
gründen, die wirklich einen eigenen Wechselkurs und einen eigenen Namen trägt, denn Währung ist
das, was die Staaten als Steuertilgung anerkennen.
Die Bilanz einer Überweisungsplattform welche die Geldschöpfung in die Hände der Kontoinhaber
legt, könnte nie in Unordnung geraten, denn alle Beträge, die überwiesen werden, scheinen
automatisch anderswo wieder auf (siehe erste Grafik). Die Bilanzsumme bliebe also immer auf null,
denn es stünde keine Bank dazwischen, die Unordnung hinein bringen, Geld herausziehen und
letztlich crashen könnte oder gerettet werden müsste.
Der Staat hat jederzeit die Möglichkeit eine Zweitwährung auf der Basis einer solchen Datenbank
zu installieren. Sogar die Software dafür steht bereit 17. Wenn heute dazu die nötigen Institutionen
fehlen, so bietet sich auch eine andere Option: In den meisten europäischen Ländern gibt es regional
derartige Währungen. Würden sie erst in der Gemeinde, dann im Bundesland und schließlich im
ganzen Staatsgebiet anerkannt, so wäre die Wirtschaft selbst fähig sie zu installieren. Die Schweiz
hat schon eine nationale Zweitwährung, den „Wir“ und die Bürger ringen um dessen steuerliche
Anerkennung.
Der Geldwert ergäbe sich ganz von selbst, denn was der Staat als Steuertilgungsmittel akzeptiert,
wird sofort zu einer von allen genützten Währung. Sobald es als Steuertilgung dient, wird jeder
Betrieb etwas mit diesem Geld anfangen können.
16 http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/nachrichten/vereinigte-staaten-google-machtbanken-mit-neuer-geldkarte-konkurrenz-12674680.html
17 Siehe: http://www.cyclos.org/
24
Dieses Prinzip ist bereits mit großem Erfolg getestet worden: In der Zwischenkriegszeit rettete sich
die österreichische Gemeinde Wörgl mit einer „Papierversion“ einer solchen steuerlich anerkannten
Zweitwährung aus der Krise und alle Bürger haben sie vom ersten Tag an verwendet.
Griechenland hat diese Chance verpasst. Auf Sardinien ist man schlauer. Dort haben private
Initiatoren eine Alternativwährung eingeführt mit der lokal wirtschaftende Unternehmen inzwischen
20% ihrer Umsätze bestreiten.18
“Wenn ich die Steuern auch noch in Sardex zahlen könnte, dann wären alle meine Probleme
gelöst”, lacht Weinproduzent Lilliu. Die sardische Regionalregierung will in kürze Sardex unter
jugendlichen Arbeitslosen in Umlauf bringen. Die Empfänger der alternativen Sozialhilfe sollen die
ausgegebenen Sardex dann durch gemeinnützige Arbeiten wieder zurückverdienen können.“
Abgesehen von Griechenland haben alle europäischen Staaten derzeit noch die Möglichkeit zu
solch einem Schritt. Die Frage ist nur: Wie lange noch. Schließlich explodieren überall die
Staatsschulden durch die Bankenrettung. Die Staaten geraten zunehmend in die Hände des
Finanzsektors.
Brauchen wir warengedecktes Geld?
In der Szene der Geldsystemkritiker wird das Fiat-Geldsystem bei dem Geld „aus dem Nichts“
geschaffen wird, gerne der Idee eines warengedeckten Geldes gegenüber gestellt.
Das altägyptische System dient hier als Beispiel. Aber die Warendeckung hatte einen großen
Nachteil: Bei Ernteausfällen trugen die Bürger ihre Tontafeln zurück zum Lagerhaus und erhielten
Getreide. Aber die Wirtschaftsleistung brach in diesen Jahren ein, weil nun kaum noch Geld in
Umlauf war.
Das mittelalterliche System kannte diesen Nachteil nicht. Die Burg, das Heer, das Straßennetz und
andere Infrastruktur, die der Landesfürst als „Geldschöpfer“ finanzierte, waren auch eine Art
Warendeckung, aber diese Waren standen stets in öffentlichem Gebrauch. Die Infrastruktur bot
Schutz und diente dem Volk. Es stellt sich aber die Frage, ob man hier wirklich von
„warengedecktem“ Geld sprechen kann.
Wäre es im mittelalterlichen System zu einer Ansammlung von Reichtum bei Wenigen gekommen,
wie wir sie heute durch den verkehrten Zins haben, so hätten die Gläubiger letztlich den Staat
enteignet und die öffentlichen Güter wären in deren Hände gefallen, so wie es heute geschieht. Das
ist die Konsequenz der Warendeckung. Deshalb sehe ich mehr Sinn darin, eine Geldwirtschaft auf
Leistungsversprechen und Begrenzung dieser Versprechen durch Kreditrahmen zu gründen, als auf
Warendeckung. Es besteht nicht die Gefahr, dass die Mehrheit die Kreditrahmen voll ausschöpft,
erstens weil sie dann gar keinen finanziellen Spielraum mehr haben und zweitens, weil in gleichem
Ausmaß Guthaben entstehen und so niemals die Mehrheit verschuldet sein kann, solange sich das
Geld durch negativen Zins im Volk verteilt.
Warendeckung birgt hingegen immer die Gefahr, dass die Ressourcen in die Hände weniger fallen,
so wie das heute passiert. Damit entsteht ein Machtungleichgewicht, das in die Sklaverei führt.
Man kann das mittelalterliche System durchaus auch als ein Fiat-Geldsystem begreifen, denn der
Fürst schuf dieses Geld doch „aus dem Nichts“ und die Infrastruktur entstand erst durch die
Bezahlung. Auch heute braucht die Industrie Geld zur Vorfinanzierung der Produktion. Es ist nicht
möglich erst die Ware und dann das Geld zu schaffen! Was also unterscheidet das mittelalterliche
System noch von der bürgergeschöpften Währung aus der Grafik am Beginn des Textes? Doch nur
die zentralistische Art der Geldschöpfung. Warengedeckt war demgegenüber nur die altägyptische
Währung, und genau darin lag ihr Problem.
18 http://pravdatvcom.wordpress.com/2013/11/23/auf-sardinien-rollt-statt-des-euro-der-sardex/
25
Kurzum, ich verstehe die Einwände gegen Fiat-Money nicht und bezweifle die Vorteile einer
„Warendeckung“. Sollen wir wirklich zurück zu Gold- und Silbermünzen? Die Wirtschaft ist zu
groß, als dass sie auf eine solche Basis gestellt werden könnte und die Konsequenzen für die
Umwelt wären katastrophal wenn jedes Gramm Gold aus der Erdkruste geholt würde. Außerdem
würde dies die Macht sofort in die Hände der Reichen spielen, die heute das Gold besitzen.
Es gibt den Vorschlag die Geldschöpfung mit verschiedensten Waren zu decken: Honig, Salz usw.
Aber ist das nicht heute schon der Fall? Habe ich ein Lager voll mit Salz, so kann ich Kredit
aufnehmen und das Salz deckt die dabei entstandene Geldmenge.
Ist 100%-Geld die Lösung?
Die Vertreter der 100%-Geld-Bewegung fordern, dass die Mindestreserve der Banken von 2% auf
100% angehoben wird. Sie verfolgen damit zwei Motive:
1. Die Macht der Zentralbank über die Geldschöpfung soll wieder hergestellt werden. Wir
werden sehen, dass 100%-Geld dies nicht leisten kann.
2. Das Risiko eines Bankenkrachs durch Bargeldforderungen der Sparer soll verhindert
werden. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder all das Buchgeld wird durch Bargeld
gedeckt (=100%-Geld ), oder wir haben nur noch Buchgeld, also digitales 100%-Geld .
Ein rein digitales System bedürfte einiger Gesetzesänderungen, denn es bringt bei der momentanen
Rechtslage einige Probleme mit sich. Wäre es katastrophal die Geldschöpfung ganz in die Hand der
26
Geschäftsbanken zu geben, so lange diese sich über Bankeigengeschäfte selbst unbeschränkten
unverzinsten Kredit gewähren können? Man bedenke: unverzinster Kredit = geschenktes Geld. Die
Frage ist müßig, denn die Katastrophe ist schon geschehen. Eine Mindestreserve gibt es in
Großbritannien nicht und in Europa ist sie zu klein um wirksam zu sein.
Die Mindestreserveregelung ist somit ein überholtes System. Ich kann nicht den Sparern
versprechen ihr Geld jederzeit in bar zu erhalten, wenn ich es nicht in bar erzeuge. Die
Bankeinlagen übersteigen das vorhandene Bargeld, wie die obige Grafik zeigt, um das 27-fache.
Jene, die das Konzept des bürgergeschöpften Geldes nicht kennen, befürworten daher die
Hinterlegung all der Geldvermögen mit Bargeld. Inflation wäre durch die bloße Herstellung der 27fachen Bargeldmenge nicht zu befürchten, da diese nur für den Ernstfall in der Nationalbank ruht.
Eine enorme Geldmenge ruht dort heute bereits, eben für den Fall, dass Sparer Bargeld erhöht
nachfragen. Wenn Sparer zu der Vermutung kommen, dass der Geldwert verfallen könnte und
kollektiv ihr Geld in Waren umsetzen wollen, ist es völlig egal, ob sie diese Waren Bar oder Giral
bezahlen. In beiden Fällen muss es zu einer rasenden Inflation führen, weil gar nicht in dem
Ausmaß Waren zur Verfügung stehen. Somit bietet 100%-Geld kein Konzept gegen eine derartige
Katastrophe. Ist Geld denn wirklich etwas anderes als eine Notiz von Forderungen und Guthaben.
Wenn nein, warum belassen wir es dann nicht bei einem digitalen System?
Dass unser Geld heute überwiegend als Giralgeld entsteht ist nicht das eigentliche Problem. Unser
Problem liegt vielmehr im generellen Umgang mit Forderungen und Verbindlichkeiten! In der
Geschenkökonomie suchen wir immer wieder den Ausgleich unserer Verschuldung. Das heißt wir
betreiben unsere „sozialen Konten“ um null herum. Hätten wir dies auch mit Geld gelernt, dann
wäre das Problem des Überhandnehmens von Guthaben und Schulden gar nicht gegeben Es ist der
heutige verkehrte Zins, der das schädliche Ideal der Geldhortung fördert.
Falls durch 100%-Geld die Macht der Geldschöpfung wieder den Staaten zufiele (was ich
bezweifle), könnte dies einige Auswüchse des heutigen Systems mildern. Aber es entstünden wohl
andere historisch bekannte Probleme. Das einzige heute bekannte System einer dezentralen
Geldschöpfung ist die bürgergeschöpfte Währung. Bei der Bürgergeldschöpfung mag zwar das
Finanzamt die Macht haben die Überziehungsrahmen für die Kontoinhaber festzulegen. Aber da die
Kreditwürdigkeit von der potentiellen Produktivität des Kontoinhabers abgeleitet wird, darf sich der
Staat nicht selbst für kreditwürdig erklären. Nicht er, sondern nur die Betriebe die er beauftragt sind
produktiv. Diese können natürlich Kredit nehmen und damit Geld in die Welt bringen, aber
ebenfalls nicht für sich, sondern für jene, die sie damit bezahlen. Sie stellen dem Gegenüber
sozusagen einen Gutschein aus und gehen damit eine Schuld ein. Da Geld ein universeller
Gutschein ist, würde ihn sich jeder lieber für sich selbst ausstellen. Aber das darf in keiner
Geldordnung möglich sein.
Im Vergleich mit der Idee der bürgergeschöpften Währung, ist die Idee des Papier-100%-Geldes
vom alten hierarchischen Prinzip geprägt. Geld wird zentral geschaffen und dann verteilt. Diese
Verteilung wirft Probleme auf, denn Geld soll nicht verschenkt werden, da es dabei keine
realwirtschaftliche Deckung erfährt. Nullzinskredite an Banken wären gleichzusetzen mit
verschenktem Geld. Aber verzinste Kredite sind mindestens ebenso problematisch, denn wie sollen
die Zinsen an die Zentralbank jemals getilgt werden? Da die Schuld aufrecht bleibt so lange Geld in
Umlauf ist, wächst sie stetig exponentiell. Es wurde aber nur eine begrenzte Geldmenge gedruckt,
mit der die Schuld gar nicht getilgt werden kann.
Wird mit dem vorhandenen Geld die Zinslast getilgt, so verschwindet es nach und nach aus dem
Umlauf. Die Zentralbank muss somit den Zinsertrag über den Staat an das Volk zurückgeben, um
27
den Abfluss des Geldes zu ersetzen. Dies haben einst unsere Nationalbanken getan, indem der
Zinsertrag hauptsächlich für Staatsausgaben verwendet wurde. Die europäische Zentralbank aber
verwendet den Zinsertrag zur Milderung der Bankenkrise. Das Geld zirkuliert somit inzwischen nur
mehr im Bankensystem selbst, denn ohne die dauernde Rettung würde verzinstes Zentralbankgeld
die Banken in eine Schuldenspirale treiben. Aber ein Zins, den ich als Bank dann ohnehin zurück
erhalte ist so gut wie kein Zins.
So lange die Zentralbank diesen Schluss zieht und den Leitzins gleich auf Null setzt, spielt sie die
Macht der Geldschöpfung wieder den Geschäftsbanken zu. Denn so lange sie den Banken so viel
Geld zu Nullzins gibt, wie diese fordern, ist es egal, ob die Geschäftsbanken es voll oder nur
teilweise decken müssen.
Aber hielte die Zentralbank die Geldproduktion zurück, so könnten die Geldmengen, welche im
System ständig zu den Sparern abwandern, nicht ersetzt werden. Das bedeutet, selbst solide
Kreditnehmer erhielten keinen Kredit, weil die Banken kein Geld von der Zentralbank bekämen.
Der Realwirtschaft ginge das Geld aus.
100%-Geld mag also die Auszahlung von Banknoten an Sparer ermöglichen, aber es ändert nichts
am Verteilungsproblem. Was die 100%-Geld -Befürworter übersehen ist, dass die Geldschöpfung in
der Macht der Banken bleibt, so lange diese das Recht haben sich selbst ihre eigene
Kreditwürdigkeit zuzusprechen. Nichts hindert sie daran lieber sich selbst Nullzinskredite zu geben,
um über Wertpapierkäufe frisches Geld in den Anlagemarkt zu spülen, anstatt in die Realwirtschaft.
Die Manager der Banken sind selbst Geldanleger, die von dem Geldfluss profitieren.
Die Deckung des Geldes durch Papiergeld lässt keine bürgergeschöpfte Währung zu, da der Bürger
kein Papiergeld drucken kann. Somit geraten wir mit 100%-Geld immer wieder in die alten
Abhängigkeiten an denen unsere Kultur seit 1500 Jahren scheitert. Die Digitalisierung der Währung
ist also eher eine Chance als ein Fluch. Das Verteilungsproblem ist besser über digitale
Datenbanken zu lösen als über „Zettelwirtschaft“.
Schuldenfreie Geldschöpfung: Positive Money und Monetative
Diese zwei, von vielen Geldsystemkritikern befürworteten Konzepte, wenden sich gegen die Idee
eines durch Waren oder Schuldverträge gedeckten Geldes.
Im Prinzip orientieren sie sich am System des Mittelalters, in welchem der Fürst Geld herstellte,
ohne sich selbst eine Schuld dafür in die Bücher zu schreiben. Hätte der Fürst der Bevölkerung die
Infrastruktur vertraglich geschuldet, die er mit dem Geld finanzierte, so wäre das System dem der
altägyptischen Tontafeln ähnlich gewesen. Anders als die altägyptischen Lagerhalter sind die
Fürsten solch einen Vertrag nicht eingegangen. Aber es ist auch begründbar warum. Sie hatten die
Ware nicht bei sich gespeichert (wie das ägyptische Getreide), sondern die erworbene
Infrastruktur war in öffentlichem Gebrauch. Die Schuld am Volk war damit bereits beglichen, wenn
wir einmal vom Luxus absehen, den sich der Fürst selbst gönnte.
So lässt sich "postitive Money" begründen. Der Fürst darf keine Schuld notieren, sonst kommen
irgendwann Sparer auf die Idee diese einzufordern und nehmen die öffentlichen Güter in ihren
Besitz. Das bedeutet eine staatlich herausgegebene Währung ist logisch asymmetrisch. Der Staat
darf zum Schutz der öffentlichen Güter keine Verbindlichkeiten eingehen.
Mag eine solche Geldordnung auch vernünftiger sein als unsere heutige, so kann sie doch nicht als
Ideal erachtet werden. Ich finde es absurd, dass gerade jene Geldsystemkritiker, die unser System
als „Geld aus dem Nichts“ anfechten, mit „Positive Money“ ein völlig ungedecktes Geld
28
verteidigen. Während die altägyptische Währung durch die Getreidedeckung inflationssicher war,
kann der Geldwert einer asymmetrischen Währung an nichts festgemacht werden und ist
notwendigerweise immer fraglich.
Geld ist eine Forderung, aber was ist eine Forderung wert, wenn ihr keine Verbindlichkeit
gegenüber steht? Innerhalb der Wirtschaft wird es auch bei „Positive Money“ Kredite geben. Aber
was ist die gesamte Buchführung wert, wenn in dem System von vorn herein in Summe keine
Symmetrie zwischen Forderungen ohne Verbindlichkeiten besteht? Auch das Konzept von Franz
Hörmann gehört zu den Systemen, die ohne Schuld auskommen. Aber er zieht wenigstens die
Konsequenz auch gleich die ganze Buchführung aufzulösen und statt dessen ein logistisches
Verteilungssystem einzuführen.
Eine schuldfreie Geldschöpfung, wie die des Mittelalters, ist dadurch, dass der Fürst keine
Verbindlichkeiten eingeht, nicht gefeit vor Inflation. Das ist empirisch bewiesen, denn die
Blechmünzen sind, im Gegensatz zu den altägyptischen Tontafeln, phasenweises im Wert verfallen,
wenn die Fürsten zu viel davon geprägt haben. Natürlich haben die Anhänger von Positive Money
diesen Nachteil erkannt und eine Institution namens „Monetative“ ersonnen, die an die Stelle des
Fürsten tritt. Sie ist als unabhängige Organisation konzipiert, deren Angestellte keinen Gewinn aus
der Geldschöpfung erhalten und die Geldmenge deshalb gewissenhafter regeln werden.
Das Ziel, welches die Vertreter der Monetative mit der Idee der schuldfreien Geldschöpfung
verfolgen besteht darin, die Funktion des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel nicht anzugreifen.
Geld zu horten soll möglich bleiben. Dies ist in einer bürgergeschöpften Währung anders. Sparen in
Geld ist zwar möglich, aber es ist durch den negativen Zins unrentabel und deshalb wird eher nach
dem Prinzip der Versicherung oder in Form von Investitionen gespart werden. Die Idee der
Monetative will demgegenüber das Zinssystem nicht verändern. Die Spargelder landen auf Konten
außerhalb der Banken und des Transaktionsgeschäftes und sind dort sicher.
Aber was, wenn diese Gelder überhand nehmen? Da ihnen nicht ausreichend Forderungen
gegenüber stehen, mögen zwar keine Leistungen einklagbar sein, das heißt der Staat könnte nicht
zum Verkauf der öffentlichen Güter gezwungen werden wie heute. Aber die Sparer werden bei
Überhandnahme der Sparguthaben irgendwann an dem Wert ihrer Guthaben zweifeln und sie in
Güter umsetzen wollen. Sie werden immer mehr für Anlagegüter bieten müssen um noch welche zu
erhalten und so eine rasende Inflation auslösen. Ob das Geld nun außerhalb oder, wie beim 100%
Geld innerhalb der Banken gehortet wurde, ist sogesehen völlig egal.
Bernd Hückstädt vertritt mit „Joytopia“ ebenfalls die Idee eine zentralen Behörde, die, ähnlich der
Monetative, das Geld schuldfrei schöpft. Aber dieses Geld soll seinem Ansatz zufolge als
Grundeinkommen und Staatsausgaben (statt der Steuern) unter das Volk gebracht werden und durch
eine stark negative Verzinsung wieder aus dem Umlauf abgeschöpft werden. Dies ist dem Prinzip
nachempfunden, mit dem die Natur für eine konstante Erdtemperatur sorgt. Täglich kommt ein
linearer Eintrag an Sonnenwärme auf die Erde, welcher durch temperaturabhängige Höhe der
Abstrahlung der Erde bei Nacht wieder verschwindet. Flächen die wärmer sind verlieren mehr
Temperatur. Es ist das Prinzip einer negativen Rückkopplung (negativer Zins), das die
Durchschnittstemperatur der Erde konstant hält. Deshalb käme es in Hückstädts System zu einer
stabilen Geldmenge und einer Verteilung bei der Geldvermögen nicht überhand nehmen können.
Gespart wird in Form von Gütern und nach dem Prinzip der Versicherung, also so wie beim
bürgergeschöpften Geld. Hückstädts Ansatz stellt also eine stabile Form von Positive Money dar.
Sein „Geld“ fordert keine Leistung ein und würde uns vielleicht in eine materiell weniger
produktive, aber sicher spirituell reichere Kultur führen.
29
Aus meiner Sicht ist die Gesellschaft noch nicht reif für den Ansatz Hückstädts und es ist ein
Übergang in Form von bürgergeschöpftem Geld notwendig, weil uns dieses zu Selbstständigkeit
und Unternehmertum erzieht, denn es fordert als Schuldgeldsystem Leistungen ein. Das
altägyptische System war ein negativ verzinstes Schuldgeldsystem und deshalb war es
inflationssicher. Im bürgergeschöpften Geld stehen, so wie im altägyptischen, den Forderungen
Verbindlichkeiten gegenüber. Sein Wert ist begründbar. Außerdem entsteht bei der Bürgerschöpfung
Geld immer direkt dort wo es gebraucht wird und muss nicht über eine zentrale „unabhängige“
Behörde verteilt werden.
Ich sehe die Entwicklung daher so, dass zunächst die Bürgergeldschöpfung umgesetzt werden muss.
Dann gilt es den negativen Zins so weit zu steigern, dass damit ein Grundeinkommen finanzierbar
wird. Bewährt sich dieses System kann man es hin zu Hückstädts Joytopia vereinfachen.
Die Grundidee von Positive Money, die darin besteht Geld schuldfrei zu schöpfen, lässt sich auch in
der bürgergeschöpften Währung umsetzen. Anstatt den Bürgern einen Überziehungsrahmen
zuzuweisen, wird ihnen am Start ein Plus auf die Konten geschrieben. So lange in dem System
keine Zinsen vorgesehen sind, hat dies den gleichen Effekt wie der Überziehungsrahmen. Es
entspricht nur einer Versetzung der Nullinie in der Bilanzierung und es vermeidet zukünftige
Diskussionen über Schuld und Guthaben, denn nun gibt es nur noch Guthaben (Positive Money).
Das Ganze hat aber den Nachteil, dass Fehlbuchungen nicht mehr auffallen. Ein Hacker, der sich in
einer symmetrischen bürgergeschöpften Währung einfach ein Guthaben auf sein Konto bucht, ohne
jemandem anderen etwas zu nehmen, würde auffliegen, denn damit käme die Symmetrie zwischen
Schulden und Guthaben durcheinander. Diese Symmetrie gibt es mit der Verschiebung der Nullinie
aber nicht mehr.
Das heutige System hat Ansätze von symmetrischer Bürgergeldschöpfung, aber zu 70% entsteht
Geld aus Bankeigengeschäften und durch den verkehrten Zins kommt es zu exponentiell
wachsenden Geldvermögen und Schulden. Deshalb krankt unser System. Die Symmetrie zwischen
Verbindlichkeiten und Guthaben ist hingegen ein sinnvolles Konzept unserer Geldordnung, denn
Geld ist im weitesten Sinne ein Gutschein und einem solchen sollte ein Gut (eine Verbindlichkeit)
gegenüber stehen.
Geld war nie etwas anderes und wird nie etwas anderes sein können als ein Versprechen, im
Idealfall ein Versprechen der Bürger an sich selbst wie beim bürgergeschöpften Geld.
Höhere Löhne und eine Kaufkraftverluststeuer gegen die Eurokrise
Unser Geldsystem heute ist im Vergleich zum bürgergeschöpften Geld kompliziert strukturiert.
Schulden und Guthaben der Bürger werden im Buchgeldsystem der Banken notiert. Schulden der
Banken untereinander werden über das Interbankensystem in Form von Zentralbankguthaben
notiert und über allem stehen noch die Schulden der Staaten untereinander, die in Target-Salden
verrechnet werden. In dem letztgenannten System entstehen also die Außenhandelsüberschüsse und
Defizite.
Aber für alle Systeme gilt, dass Schulden nicht abgebaut werden können, wenn die Gläubiger keine
Gegenleistung in Anspruch nehmen. Wenn also Deutschland mehr Güter verkauft als es einkauft, so
verursacht es durch seine Außenhandelsüberschüsse die Defizite der Anderen. Ein Land das
Lohndumping durch Harz4 betreibt, zwingt die Ausbeutung der Arbeitnehmer den anderen Ländern
auf, da diese andernfalls nicht zu ebenso geringen Lohnstückkosten produzieren können. Durch die
30
höheren Produktionskosten können andere Länder ihre Waren nicht an Deutschland verkaufen und
sich somit nicht entschulden19.
An sich würde man denken, dass sich Deutschland die teureren Produkte des Auslandes leisten
könnte und einfach nur seine Arbeitsleistung zurückschrauben müsste, und sein Geld verprassen,
dann wäre das Problem gelöst. Aber das deutsche Volk hat das Geld nicht. Es hat unter dem
Lohndumping gelitten. Die deutschen Privathaushalte gehören zu den ärmsten Europas. Das zeigt
eine aufwendige Studie der EZB, die in der FAZ veröffentlicht wurde. Die EZB war an diesem
Ergebnis sicher nicht interessiert und hat es lange zurück gehalten20.
Trotz eben so hohen Ausländeranteils schneidet Spanien viel besser ab. Nein, Frau Merkel, der
Masse der Deutschen geht es nicht gut. Den deutschen Konzernen jedoch sehr wohl. Deutschland
hat die höchste Vermögenskluft Europas, die sich in dieser Studie als Differenz zwischen
Durchschnitt und Median abbildet.
19
http://www.wirtschaftundgesellschaft.de/wp-content/uploads/2012/10/Lohnst%C3%BCckkosten-2000-zu-BMF.jpg
20
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/armut-und-reichtum/ezb-umfrage-deutsche-sind-die-aermsten-imeuroraum-12142944.html
31
Bei den Konzernen sind die Vermögen hängen geblieben. Die Banken haben nun den Auftrag die
Ansprüche für sie einzutreiben. Deshalb wird in südlichen Ländern Europas die staatliche
Infrastruktur verpfändet. Aber dadurch entsteht ein enormes Machtungleichgewicht, denn
Infrastruktur in den Händen von privaten Konzerninhabern schafft Monopole, durch die Preise zu
erpressen sind, welche andere Staaten Europas in die Armut treiben. Das wird den Hass auf
Deutschland schüren. Wohin soll es führen, wenn z.B. das Kanalnetz Athens einem deutschen
Privatmann gehört, der abkassiert? Gewaltloser Widerstand ist gegen eine solche Konstellation
zwecklos, also führt es zu Gewalt.
Die Geschichte wiederholt sich. Deutschland ist erneut dabei, die anderen Länder mit einem
vermeintlichen „Recht des Stärkeren“ zu dominieren. Es ist das alte Spiel unter dem neuen Namen
„Wettbewerb“. Soziales Zusammenleben, egal ob unter Menschen oder unter ganzen Völkern, ist
aber nur möglich, wenn der Stärkere mehr Pflichten übernimmt als der Schwächere. Vorrechte des
Stärkeren sind also eine ideologische Verirrung, die letztlich auf Deutschland zurück fallen wird.
Innerhalb Deutschlands passiert dies schon, denn die Kapitalerträge der „Stärkeren“ sind ebenso
falsche Vorrechte. Die Vermögenskluft sprengt das soziale Miteinander.
Um derartige Entwicklungen zu vermeiden muss Deutschland den erarbeiteten Wohlstand genießen
lernen. Die deutschen Bürger müssen ordentliche Löhne einfordern. Heiner Flassbeck, einer der
renommiertesten deutschen Wirtschaftswissenschaftler, kommt zu eben diesem Schluss21.
Die Statistik beweist, dass Konzerne über die nötigen Guthaben verfügen, um ordentliche Löhne zu
zahlen und sie werden von einer erhöhten Kaufkraft profitieren, wenn sie wieder dazu übergehen22:
21
http://www.aachener-nachrichten.de/news/politik/heiner-flassbeck-die-loehne-sind-viel-zu-niedrig-1.566253
22
http://www.volkssolidaritaet.de/cms/zahlen_fakten_01_2013.print
32
Mehr Gehalt zu fordern anstatt zu arbeiten entspricht aber nicht der Mentalität dieses Volkes, das
sich über Arbeit definiert. Die Schweizer haben immerhin bereits ein Referendum organisiert,
wonach die Managergehälter das 12-fache des niedrigsten Arbeiterlohns nicht überschreiten sollten.
Es wurde abgelehnt, aber es hat dort zumindest die Diskussion angeregt23.
Vielleicht war die Forderung zu realitätsfern. Immerhin liegen Top-Managergehälter bis zu 260-fach
über den geringsten Arbeiterlöhnen. Die Frage, ob jemand das 260-fache eines Arbeiters leisten
kann, ist heute nicht mehr erlaubt, dabei geht es doch bei solchen Fragen nicht um Neid, sondern
um das Problem der Verschiebung der Machtstrukturen und Aushebelung der Demokratie.
Aber warum hat das Volk gegen dieses Referendum abgestimmt? Weil ihm klar gemacht wurde,
dass aus einem Land mit solchen Gesetzen Betriebe abwandern werden. Allerdings wäre zu
bedenken gewesen, dass nur große Konzerne die Möglichkeit haben abzuwandern. Bringen große
Konzerne wirklich so viel an Arbeitskräften und Wohlstand? Setzen wir einmal ökonomischen
Wohlstand mit Kaufkraft gleich. Klein- und mittelständische Unternehmen wandeln ihre Profite
über Löhne und Erhaltung ihrer Infrastruktur wieder in Kaufkraft um.
Kaufkraftverlust entsteht, wo hohe Kapitalerträge bei Menschen landen, die sie nicht für den Kauf
von Konsumartikeln nützen, sondern für Anlagegüter. Das Geld kreist dann in einem anderen
Markt, in dem nicht konsumiert und nicht produziert wird. Es dient nur noch dem An- und Verkauf
von Wertpapieren oder es liegt überhaupt auf Sparkonten brach.
Kapitalerträge werden nicht nur im Finanzmarkt, sondern auch in der Realwirtschaft durch
Unternehmenskapital erzielt. Der Profit seiner Firmen teilt sich nach Aussage des Industriellen
Frank Stronach folgendermaßen auf: 10% Arbeiter, 20% Investoren, 6% Management, 7%
Forschung, 2% Spenden an die benachbarte Bevölkerung der Fabriken. Die restlichen 55% sind
dann Profit des Fabriksinhabers, der sie überwiegend für weitere Investitionen verwendet24.
Wo wird in solchen Unternehmen die Kaufkraft für Konsumartikel generiert? Bei den Löhnen, bei
der Forschung und bei Spenden. Da kommen wir auf 20% bis 30%. Der Rest der
23
http://www.welt.de/wirtschaft/article122210928/Schweizer-lehnen-Begrenzung-von-Managergehaeltern-ab.html
24 http://www.youtube.com/watch?v=K9AXaPQwuHU#t=7m47s
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Unternehmensprofite ist Anlagekapital und Kaufkraft für Industrieanlagen, die wieder Waren
herstellen, für die dann aber die Kaufkraft fehlt. Wirtschaft kann nur funktionieren wenn der
Produktion eine ebenso hohe Kaufkraft von 100% gegenüber steht. Die muss mit der Produktion
gemeinsam geschaffen werden. Das leisten nur kleinere Betriebe. Die Großen reißen am Markt die
Kaufkraft an sich, bis die Kleinen ruiniert sind. Da sie selbst nicht ausreichend Kaufkraft erzeugen,
verlassen sie (oder zumindest ihre Waren) nach dem Raubzug das Land. Natürlich ist die
Konzernstruktur nicht prinzipiell schädlich, aber immerhin bemerken wir in Ländern mit
überwiegender Konzernstruktur die größte Verarmung der Mittelschicht.
Überproduktion führt zu einem Verdrängungswettkampf, bei dem enorm viel an bereits
erwirtschafteter Infrastruktur sowie viele Arbeitsplätze verloren gehen. Den Sieg erringt meist der
Größere, nicht unbedingt der Bessere. Es siegen Konzerne, welche ihre Produktion in Länder
auslagern, in denen kaum Sozialabgaben anfallen und wo Mensch und Umwelt ungehemmt
ausgebeutet werden können. Die Rechnung zahlt die Menschheit global. Soll das effizient sein?
Wenn man zum Wohlstand auch soziale Gerechtigkeit und intakte Umwelt zählt, dann wäre es
wesentlich effizienter Zölle zu erheben, um die mittelständischen, nicht global arbeitenden Betriebe
vor unlauterer Konkurrenz zu schützen. Der globale Wettbewerb führt über das Prinzip „The
Winner takes it all“ zu Monopolen. Damit gehen Machtverschiebungen einher, da die
Preisregulation durch Angebot und Nachfrage nicht mehr funktioniert.
Die Natur begrenzt das Wachstum der Lebewesen. Es entsteht keine gigantische Kuh, die die
Wälder abgrast und mit einer Riesenzunge das Gras von den Wiesen schleckt, bis sie ihre eigene
Existenzgrundlage vernichtet. Das Naturgesetz der Gravitation verhindert übermäßiges Wachstum.
Großkonzerne aber kennen keine Wachstumsgrenze und vernichtet ihre Grundlage, die in der
Kaufkraft des Volkes liegt.
Das Wachstum von Konzernen ist nicht einmal dadurch begrenzt, dass sie alle Konkurrenten
irgendwann aufgekauft haben. In dem Fall erweitert sich der Konzern einfach auf einen neuen
Wirtschaftssektor. Auch dem Wachstum der Vermögen ist keine Grenze gesetzt, da Vermögen und
spiegelbildlich Schulden am Papier unendlich wachsen können. Die Politik ist somit gefordert
lenkende Steuern zu erheben, um Wachstum bis hin zur Monopolbildung erst gar nicht zuzulassen.
Dabei genügt es nicht, dass zu den Sozialabgaben Umweltabgaben hinzu kommen. Nachhaltiges
Wirtschaften bedeutet auch, dass die Profite letztlich wieder der Kaufkraft für Konsumgüter
zugeführt werden müssen, damit eine Kreislaufwirtschaft entsteht.
Deshalb scheint es angebracht, eine „Kaufkraftverluststeuer“ einzuführen. Einkommens- oder
Lohnsteuern sind hingegen Unsinn, denn jede Arbeitsleistung dient letztlich der Allgemeinheit.
Arbeit sollte also nicht besteuert werden. Eine Kaufkraftverluststeuer mag ähnlich wirken wie
Vermögenssteuern, aber sie entgeht der Neid- Debatte. Ziel ist es nicht, jemandem etwas zu
nehmen. Vielmehr geht es darum, das System vor dem Zusammenbruch zu schützen. Was von den
Unternehmensprofiten bleibt, nachdem Löhne und Instandhaltungskosten getätigt sind, wird heute
der Kaufkraft für Konsum- und Verbrauchsgüter entzogen. Mangelnde Abnehmer treiben letztlich
Betriebe in die Insolvenz.
Wenn Unternehmen sich nicht dahingehend umstrukturieren, dass sie ihre Einnahmen wieder in
Kaufkraft umwandeln, muss es der Staat für sie tun, indem er ihnen die Einnahmen über eine Steuer
nimmt. Die Gelder wandern dann über Staatsausgaben wieder als Kaufkraft in den Markt. Diese
neue Steuer wird das Unternehmenswachstum begrenzen und somit Monopole verhindern. Soll dies
konsequent umgesetzt werden, dann dürfen Investitionen in neue Industrieanlagen, die über die
Erhaltung hinaus zu mehr Produktion führen, nicht steuerfrei bleiben, da sie den Bedarf des
Unternehmens an Kaufkraft nur noch weiter steigern.
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Ein ideales Unternehmen bedarf so viel an Kaufkraft, wie es selbst auch wieder durch Löhne
und Instandhaltungskosten erzeugt. Nur eine Wirtschaft aus solchen „idealen Unternehmen“
entgeht dem Teufelskreis aus Überproduktion und Kaufkraftverlust. Konzerne verfehlen diese
Definition eines idealen Unternehmens bei weitem und sind daher für die Wirtschaft eines Landes
schädlich, so lange sie nicht dementsprechend besteuert werden. Wenn ein Land Gesetze erlässt, das
die Konzerne zum Abwandern anregt, fördert es den Mittelstand und damit den Hauptarbeitgeber.
In der Wirtschaft Deutschlands und Großbritanniens wurde über den Finanzsektor und seine
Kapitalsammelbecken ein Aufschwung der Konzernwirtschaft möglich, für den die beiden Länder
heute die Rechnung durch Verlust der Binnenkaufkraft zahlen. Sie weisen die höchste
Vermögenskluft Europas auf und die schnellste Armutsentwicklung. Deutschland wurde vom
reichsten Land zum Armenhaus Europas, wie die obige Statistik der Europäischen Zentralbank
beweist. Was für ein Versagen der Politik! Dieses emsige Volk zum Armenhaus hinabzuregieren!
Aber welch ein Triumph der Lobbyisten! Rechnet man nämlich das Betriebsvermögen und
Finanzkapital in die Vermögensstatistik ein, so sieht die Bilanz ganz anders aus. Dann werden diese
Länder plötzlich wieder zu den Reichsten. Aber Betriebsvermögen und Finanzkapital dienen heute
weniger dem allgemeinen Wohlstand, sondern haben die Abhängigkeit der Masse zum Ziel und
werden als Hebel benutzt um Geld aus der Realwirtschaft zu ziehen. Nicht einmal der Aktienmarkt
erfüllt noch seinen realwirtschaftlichen Zweck, denn nur bei der Ausschüttung einer Aktie fließt
Geld an Betriebe, alle weiteren Verkäufe dienen nur dem Kapitalertrag der Anleger. So erklärt sich,
woher, trotz all der Emsigkeit, die Armut kommt. Sie ist die Kehrseite des Reichtums einer kleinen
Minderheit.
Die Politik hätte die Macht eine Wende herbeizuführen. Sie könnte Bankeigengeschäfte verbieten
und Banken über ein Wucherverbot zu negativen Zinsen zu zwingen. Im Prinzip wäre damit die
Bürgergeldschöpfung umgesetzt. Firmen würden sich über Nullzinskredite finanzieren anstatt über
Aktien. Kreditausfälle würden über Gebühr auf Geldhortung finanziert. Kapitalintensive
Finanztransaktionen wie im Devisenhandel würden sich somit nicht mehr rechnen. Der
Finanzsektor würde schrumpfen, die Kaufkraft für Verbrauchsgüter steigen. Eine
Kaufkraftverluststeuer würde die Konzerne treffen, nicht jedoch die mittelständischen
Unternehmen, welche die eigentlichen Garanten für Vollbeschäftigung sind. Die daraus folgende
Umstrukturierung würde die Möglichkeit zu selbstständiger Tätigkeit erhöhen und die Freiheit des
Einzelnen damit wesentlich erweitern.
Aber welche Entwicklung beschreitet Deutschland statt dessen? Weitere Überproduktion, weitere
Überhandnahme von Geldvermögen und Schulden, extreme Monopolbildung und extremen
Kaufkraftverlust sowie eine steigende Vermögenskluft und Arbeitslosigkeit. Dies alles beweist,
dass die Maßnahmen, welche in der Krise von 2008 gesetzt wurden, gescheitert sind. Welche
Beweise braucht es noch? Braucht es einen Krieg damit die Politiker ihr Scheitern erkennen. Würde
sie das zum Umdenken bewegen, oder sind sie dazu ohnehin nicht fähig?
Es scheint unmöglich die neoliberalen „Götter“ namens „Wettbewerb“ und „Wachstum“ durch
Argumente aus den Köpfen zu verjagen. Einstein sagte: „We can not solve our problems with the
same thinking we used when we created them“. Trotz dieser starken Erkenntnis war es ihm nicht
möglich sein Paradigma zu ändern, dass den Naturgesetzen kein Zufall inne wohne. Seine
Generation an Forschern musste abtreten um der Quantentheorie das Feld zu räumen. Was die
Paradigmen der neoliberalen Politik betrifft, so wird es wohl nicht anders sein.
Die Politik fährt derzeit stur ihren Kurs weiter und erkennt die Zeichen der Zeit nicht. Die EU
gründet einen neuen Wettbewerbspakt, setzt auf Globalisierung und Freihandelsabkommen anstatt
auf Zölle, fördert Konzernwachstum durch Steuerzuckerl und begreift nicht, dass eine Lobby für
jeden Wirtschaftssektor ein Kartell darstellt. Sie schafft neue Monopole durch Privatisierung
staatlicher Infrastruktur, die doch eigentlich der Steuerzahler schon bezahlt hat. Und über allem
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wurde mit dem ESM eine neue undemokratische Supermacht geschaffen, um die Ansprüche der
reichen Gläubiger zu sichern und im Notfall auf die Steuerzahler abzuwälzen.
Das deutsche Volk muss erkennen, dass es diese Politik ist, die zur Verarmung geführt hat. Die
Betriebe sind leistungsfähig, aber die Geldpolitik versagt. Das Volk hat noch die Möglichkeit die
alten Großparteien mit ihren überholten Ideologien abzuwählen. Aber auch die Demokratie versagt.
Die Regierung erfährt die Wünsche der Konzerne und Lobbyisten direkt, wogegen der Bürger kein
Mitspracherecht besitzt. Die Großparteien nutzen ihre Medienhoheit um die Masse ruhig zu halten.
Österreich hat seine Sozialpolitik nicht so früh aufgegeben wie Deutschland. Es hat dadurch bisher
keinen derartigen Kaufkraftverlust und keine derart hohe Arbeitslosigkeit erlebt. Aber die verdrehte
neoliberale Ideologie ist auch in die Köpfe österreichischer Politiker vorgedrungen. Deutschland
zwingt den anderen Ländern der EU mit dem Lohndumping und dem Wettbewerbspakt seine
falsche Politik auf.
Es ist dringend notwendig, dass das deutsche Volk aufwacht, und erkennt, was diese deutsche
Politik in Europa bewirkt25. Es muss der Tatsache ins Auge blicken, dass Außenhandelsschulden
noch weniger eingetrieben werden können, wenn man die Schuldnerländer in Armut stürzt. Die
deutschen Banken müssen sich eingestehen, den Fehler selbst gemacht zu haben. Sie hätten darauf
achten müssen, wem sie Kredit gewähren.
Natürlich hat das deutsche Volk jetzt für solch politische Diskussionen am allerwenigsten Zeit, denn
die Bürger werden über Lohndumping in einen extremen Arbeitskampf gezwungen. Das politische
Desinteresse ist verhängnisvoll, denn die Ausbeutung der Arbeitsleistung wird noch weiter
zunehmen und der Hass anderer Nationen, denen Deutschland seine Politik aufzwingt, ebenfalls.
Deutschland fährt einen riskanten Kurs.
Informationsgeld... der logistische Ansatz
Das Prinzip des Wettbewerbs hat zu Monopolen geführt, die keine Preisregulierung durch Angebot
und Nachfrage zulassen. Die derzeitige Wirtschaftskrise beweist, dass sich das Verteilungsproblem
nicht durch eine Selbstregulation löst, die ausschließlich auf Wettbewerb beruht. Daraus ergibt sich
der Vorschlag das Modell der Logistik heranzuziehen, durch welches innerhalb von Konzernen das
Verteilungsproblem der Güter gelöst wurde. Wie aber ist ein Geldsystem zu ergänzen, um Logistik
sinnvoll einzubeziehen?
Diese Frage versucht der Ökonom Franz Hörmann mit seinem Informationsgeld zu beantworten.
Leiten wir seinen Ansatz aus dem einfachen Modell der bürgergeschöpften Währung ab, so müssen
wir von einer asymmetrischen Geldschöpfung ausgehen. Also einer Geldschöpfung mit
verschobener Nulllinie, wie am Ende des Kapitels „Positive Money“ behandelt.
Einem solchen digitalen Geld steht somit keine Schuld gegenüber, sondern es ist eine reine
Verrechnungseinheit, welche die Dringlichkeit eines Wunsches ausdrückt. Jemand, der für etwas
einen höheren Preis zu zahlen bereit ist, drückt damit eine stärkere Dringlichkeit aus.
Das Problem mangelnder Preisbildung in unserer monopolgeprägten Wirtschaft, soll durch eine
Datenbank gelöst werden, in die alle produzierten Waren einzugeben sind. Auch Käufer geben ihre
Bestellungen in die Datenbank ein und notieren was sie zu zahlen bereit wären. Wer mehr Geld
bietet erhält eher was er will. Die Datenbank ist also ähnlich einer Internet-Handelsplattform.
Unproduktive Zwischenhändler soll es dann nicht mehr geben.
Ein Überangebot an Waren führt nun dazu, dass die Datenbank automatisch den Preis so weit
heruntersetzt, bis die Waren nicht mehr nutzlos auf Lager liegen, sondern von irgend einem Kunden
25 http://www.europa-geht-anders.eu/aufruf
36
angenommen werden. Notfalls zu null Kosten. Der Verkäufer erhält aber trotzdem eine
Entschädigung seines Aufwandes. Solch eine asymmetrische Geldverwaltung scheint durchaus
möglich, denn wenn der einstige Verkäufer nun mit seinem Geld einkaufen geht, wandert es zurück
in die Datenbank und wird gelöscht. Bei jedem Einkauf wird also ein Geldbetrag der Käufer
vernichtet und ein neuer, der nicht gleich hoch sein muss, beim Verkäufer geschaffen. Die
Datenbank hält automatisch die Summe aller Gelder im Auge, um die Gesamtgeldmenge den
handelbaren Warenwerten anzupassen, sonst kommt es zu Überangebot oder Unterangebot an
Waren.
Dieser Ansatz ist aus meiner Sicht jedoch nicht vollständig durchdacht, denn wer bestimmt, welche
Höhe an Entschädigung dem Verkäufer zukommen soll, wenn es der Käufer durch das Wechselspiel
von Angebot und Nachfrage nicht mehr tut? Sollte beim Produzenten der Preis nach dem selben
Prinzip entstehen wie beim Konsumenten, dann richtet er sich danach, welcher Hersteller am
wenigsten für ein gleichwertiges Produkt verlangt. Das ist problematisch, denn wie bestimmt die
Datenbank „Gleichwertigkeit“ und wie bestimmt sie den Preis eines konkurrenzlosen Produkts?
Außerdem würde eine asymmetrische Entschädigung Spekulationsgeschäfte nicht verhindern,
sondern sogar fördern. Waren, deren Wert auf Null gefallen ist, würden zwischen Spekulanten hin
und her gehandelt, wobei sie beim Kauf nichts zu zahlen hätten, aber für den Verkauf entschädigt
würden, denn die Datenbank könnte nicht zwischen Spekulanten und Produzenten unterscheiden
und würde daher die Produktionskosten abgelten.
Der Vorschlag solche Fehlentwicklungen durch eine neue Art der „Erziehung“ auszugleichen, rückt
das Informationsgeld in ein schräges Licht. Was ist von einem Ansatz zu halten, der nur
funktioniert, wenn wir von „ethisch korrekt erzogenen Menschen“ ausgehen? In dieser schönen
neuen Welt würde es angeblich nur noch eine Art von Wettbewerb geben, nämlich den gegen seine
eigenen bisherigen Grenzen. Wir kennen das aus Reality-Shows, wo der Bewegungsfaule sich
vornimmt einen Marathon zu laufen, der Kettenraucher nicht mehr rauchen will und der
Schulversager die Matura nachmacht. Alle halten sich gegenseitig die Daumen. Jeder kämpft nur
gegen den eigenen inneren Schweinehund.
Ist das die Welt, in die wir kommen, wenn wir das Selbstregulationsprinzip von Angebot und
Nachfrage durch Logistik ersetzen? Vielleicht begänne die Mehrheit der Bevölkerung Bilder zu
malen und Gedichte zu schreiben, die keiner haben will? Dann werden diese Bilder irgendwann
nicht einmal für den Betrag von Null handelbar sein, und wir stehen wieder dort, wo wir heute auch
stehen: Nicht jede Arbeit kann entschädigt werden.
Aus meiner Sicht ergibt sich mit der Idee das Verteilungsproblem über Logistik zu regeln eine
Frage, die zuallererst beantwortet gehört: Was macht die Verteilung innerhalb von Betrieben über
logistische Datenbanken so erfolgreich? Es ist die Vorbestellung und damit Planbarkeit der
Produktion sowie die Konkurrenzlosigkeit der Untereinheiten. Die Untereinheiten haben keine
Eigeninteressen sondern dienen dem Gesamtkonzern dessen Profit dann verteilt wird. Ist es
vielleicht die Abwesenheit von Wettbewerb, welche eine sinnvolle Verteilung ermöglicht? Ist
Wettbewerb das Prinzip, welches in der Realwirtschaft zur Übermacht der Konzerne geführt und
damit das Verteilungsproblem verursacht hat? Werden wir eine neue Form des Kommunismus
erleben, wenn erst einmal der größte Konzern alle anderen geschluckt hat und somit alles über
Logistik verteilt wird, da wir dann als Arbeitnehmer selbst Teil des Konzerns sind? Ist das die
schöne neue Weltordnung?
Diese Vorstellung zeigt, dass die Unterbindung jeglichen Wettbewerbs durch eine zentrale Logistik,
der wir uns dann unterzuordnen haben, auch keinen Weg zu mehr Freiheit darstellt. Um Freiheit zu
garantieren müssen Kooperation und Wettbewerb einander in einem ständig wandelnden
Wechselspiel ablösen können, so dass sich beide Selbstregulationsprinzipien begrenzen ohne dass
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Spannungen überhand nehmen. Nur dieses Wechselspiel schafft eine Vielfalt alternativer
Lebenswege. Die Betonung eines der beiden Prinzipien ist ein Irrweg der zu Monopolbildung führt.
Unsere Wirtschaft leidet unter Überproduktion, zu geringer Kaufkraft und Arbeitslosigkeit. Dies
könnte durch Arbeitszeitverkürzung bei gleicher Entlohnung reduziert werden, da dann mehr
Arbeiter angestellt werden müssten und dadurch die Profite der Unternehmen in Kaufkraft
umgewandelt würden. Aber sobald wir uns den globalen Wettbewerb zum Ziel machen, sind diese
Maßnahmen nicht mehr möglich. Hier liegt aber ein Denkfehler vor: Wettbewerb kann kein Ziel
sein! Er ist, genau wie die Möglichkeit zur Kooperation, nur ein Mittel einer sich selbst
regulierenden Verteilung.
Gegen die eben genannte Leiden unserer Wirtschaft wäre die Kooperation des Staates mit der
heimischen Wirtschaft das bessere Mittel. Der Staat könnte Schutzzölle einführen, und damit den
Abbau mittelständischer Unternehmen stoppen und die Kaufkraft erhalten. Die EU fährt aber den
gegenteiligen Kurs, da sie sich an global arbeitenden Konzernen orientiert, die von Schutzzöllen
nicht profitieren. Ganze Wirtschaftszweige wurden ausgelagert, wie z.B. die Textilproduktion. Das
führt zu Abhängigkeiten und birgt dadurch Gefahren. Amerika hat seine Konsumgüterproduktion
überwiegend an China vergeben und produziert selbst vor allem Waffen. Das funktioniert nur, so
lange der Dollar als Leitwährung gilt. Solche Asymmetrien geben Sprengstoff für zukünftige
Weltkriege.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es weiterer Überlegungen bedarf, um herauszufinden,
inwiefern Logistik beitragen kann das Verteilungsproblem zu lösen. Die Form in der dies durch das
Informationsgeld Franz Hörmanns getan werden soll, bietet eine Diskussionsgrundlage. Es
erscheint aber nicht sinnvoll das Problem der Monopolbildung zu lösen, indem das Preisdiktat des
Monopols durch ein Preisdiktat der Datenbank ersetzt wird. Güter mögen sich damit verteilen
lassen, aber lässt sich damit auch das Interesse wecken, gute Waren zu produzieren?
Preiserpressung ist heute ein gewaltiges Problem, denn mit dem Verkauf staatlicher Infrastruktur
geraten immer weitere Monopole in private Hand. Die Müllabfuhr Süditaliens in der Hand der
Maffia hat sich nicht bewährt. Daraus scheint sich ableiten zu lassen, dass Güter, von denen der
Bürger konkurrenzlos abhängig ist, prinzipiell in öffentliche Hand gehören. Wenn der REWEKonzern irgendwann den gesamten Lebensmittelmarkt beherrscht, dann müsste er dieser Logik
zufolge verstaatlicht werden, um die Verwaltung demokratischen Regeln zu unterwerfen.
Liberal Gesinnte, die solche Verstaatlichungen ablehnen, sollten einsehen, dass wir Konzernen
Wachstumsgrenzen setzen müssen, zum Beispiel über die erwähnte Kaufkraftverluststeuer. Wenn
wir hingegen Konzerne als effizienteste Form der Produktion erachten und unbeschränktes
Wachstum zulassen, so wird die Entwicklung zu Superkonzernen führen, die den Wettbewerb
beenden und ein globales logistisches Verteilungssystem zu ihren Gunsten einführen.
Wen sollten wir unterstützen?
Die meisten Kritiker des Geldsystems sind heute gut informiert und vertreten wohl durchdachte
Konzepte. Erwähnt sei hier Plan B von Andreas Popp, die Vorträge von Wolfgang Berger und
Bernhard Senf, sowie Bürgerinitativen wie www.banken-in-die-schranken.org.
Besonders hervorzuheben sind aber die Aktivitäten von Bernard Lietaer. Er ist einer der wenigen
Systemkritiker, der es geschafft hat Beraterstatus im EU-Parlament zu erhalten. Der Bericht des
Club of Rome/EU-Chapter mit dem Titel „Geld und Nachhaltigkeit“ ist maßgeblich ihm zu
verdanken und sollte zur Pflichtlektüre jedes Ökonomen werden. Seine wichtigste Forderung
besteht darin, das Währungsmonopol zu beenden und zusätzliche Währungen steuerlich
anzuerkennen. Auch er erkennt: Den Staaten fehlt scheinbar die Macht das gegenwärtige System zu
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ändern, aber sie haben die Möglichkeit ein paralleles System zu installieren oder zumindest dessen
Entstehung zu fördern indem sie weitere Währungen steuerlich anerkennen.
Das mag nicht effizient erscheinen. Aber wir sollten aus der Natur lernen, die nie maximale
Effizienz erzwingt, sondern immer ein Gleichgewicht zwischen Effizienz und Resilienz erhält.
Resilienz ist die Anpassungsfähigkeit gegenüber Umweltveränderungen. Die stärksten Spezialisten
sind im heutigen Wandel der Welt als erste vom Aussterben bedroht.
Eine effiziente aber instabile Geld- und Wirtschaftsordnung kann nicht das Ziel sein. Lietaer spricht
sich aus diesem Grund für Vielfalt im Geldwesen aus. Parallelwährungen sollen staatlich anerkannt
und kommunal genützt werden. Er übt aber auch Zinskritik. Er tut dies über historische Ausflüge in
natürlich verzinste Währungen. Dies erlaubt es ihm dieses heiße Eisen sanft anzufassen. Zinskritik
ist ein schwer zu vermittelndes Thema, weil sich jeder noch so kleine Sparer aufgrund mangelndem
Verständnis von Systemzusammenhängen sofort bedroht fühlt. Die Initiatoren von „Banken in die
Schranken!“ haben versucht die Höhe des notwendigen Sparvermögens abzuschätzen, ab dem der
Sparer im heutigen System mehr an Zinserträgen erntet als er an versteckten Zinslasten zahlt,
welche die Unternehmen auf die Warenpreise aufschlagen. Sie kamen auf 300 000 Euro
notwendigen Sparvermögens. So gesehen sollte die Mehrheit der Menschen an einer Zinsumkehr
und damit einer Beendigung der Inflationsspirale interessiert sein. Das Ende des Währungsmonopols wird dies leisten, denn Kreditnehmer sind dann nicht mehr erpressbar.
Der Einzelne kann wesentlich zu einer Wende beitragen, indem er sein Geld ausgibt und
Alternativwährungen sowie Zeittauschbörsen beitritt. So lange die neoliberale Ökonomie deren
Leitziel bestimmt, sollte man keine Wirtschaftspartei wählen. Jeder kann beitragen die hier
dargelegten Erkenntnisse weiterzugeben. Die Bürger müssen verstehen lernen, dass sich Schulden
und Geldvermögen nur gemeinsam abbauen lassen und dass der Zins dies verhindert. Die
Gesamtverschuldung kann daher nicht „weggespart“ werden. Es ist offensichtlich, dass uns die
Massenmedien in dieser Problematik nicht objektiv informieren.26
Es gilt aufzuwachen bevor nach der griechischen noch weitere Demokratien der Finanzdiktatur
geopfert werden, denn dann ist eine Einflussnahme über das Wahlverhalten nicht mehr möglich.
MMag. Manfred Gotthalmseder, Nov. 2013
26 http://unzensiertinformiert.de/2012/02/es-gibt-keine-objektive-berichterstattung-in-den-massenmedien/
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