Globale Wirtschaft Schulden in der Welt wachsen gefährlich schnell Die Weltwirtschaft steht auf tönernen Füßen: Staaten, Unternehmen und Haushalte haben sich mit 215 Billionen Dollar verschuldet. Das birgt große Risiken. Droht eine neue Wirtschaftskrise? FAZ 07.04.2017, von Markus Frühauf Was kostet die Welt? Auf diese Frage gibt es eine Antwort: 215,5 Billionen Dollar oder umgerechnet etwas mehr als 200 Billionen Euro. So viel haben die Schulden in der Weltwirtschaft Ende 2016 betragen, wie aus einer aktuellen Studie des Institutes of International Finance (IIF), des Weltverbands der Banken, hervorgeht. Zur Einordnung: Eine Billion hat zwölf Nullen und setzt sich aus 1000 Milliarden zusammen. Das Ausmaß des Schuldenbergs beträgt 325 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, also des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der Weltwirtschaft. Die Staaten sind mit 89 Prozent des BIP verschuldet. Zur Erinnerung: Ein Konvergenzkriterium für die Staaten der Eurozone war ursprünglich eine Staatsverschuldung von höchstens 60 Prozent des BIP. Autor: Markus Frühauf, Redakteur in der Wirtschaft. Folgen: Der Schuldenberg der Welt braucht Generationen, um ihn abzubauen. Es gibt aber auch Maßnahmen, die auf Seiten der Kreditgeber zu Vermögensverlusten führen. Denn die Schulden des einen sind die Forderungen eines anderen. Das Beispiel Griechenland hat vor wenigen Jahren eindrucksvoll vor Augen geführt, dass es keine sicheren Schulden gibt. Auch Staatsanleihen sind riskant Auch Staatsanleihen sind riskant, obwohl sie von den Politikern und den Aufsichtsbehörden noch immer als risikolos eingeordnet werden. Das sichert den Staaten den problemlosen Absatz ihrer Schuldtitel bei Banken. So beträgt die Schuldenlast im Finanzsektor 83 Prozent des Welt-BIP und liegt damit fast genauso hoch wie die der Staaten. Darüber hinaus gibt die Politik über die von ihnen bestellten Finanzaufseher vor, dass große Kapitalsammelstellen wie Versicherer oder Pensionsfonds nur in besonders sicheren Papieren das Geld der Sparer anlegen dürfen. Und das sind natürlich Staatsanleihen. Nach der Finanzkrise und dem griechischen Schuldenschnitt fordern viele Aufseher von den Banken, dass sie einen Verlustpuffer aus Eigenkapital für Staatsanleihen vorhalten sollen. Aber gleichzeitig schreiben die Aufseher den Banken vor, Staatsanleihen zu halten. Denn damit sollen sie einen Liquiditätspuffer aufbauen, um in Krisenzeiten über einen bestimmten Zeitraum zahlungsfähig zu bleiben. Bislang ist die Diskussion um den Kapitalpuffer für Staatsanleihen, wie sie etwa der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht führt, nicht wirklich vorangekommen. © F.A.Z. Das Gremium, in dem die Notenbanken und Bankenaufseher aus den 27 wichtigsten Wirtschaftsländern international verbindliche Regeln für die Banken entwickeln, ist der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angegliedert. Die in Basel ansässige „Bank der Zentralbanken“ hat in den vergangenen Jahren die Schuldenblase der Weltwirtschaft scharf kritisiert. Sie hatte auch schon im Vorfeld der Finanzkrise, die im Jahr 2008 mit dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers eskaliert war, auf die wachsende Gefahr des schuldenfinanzierten Wachstums sowohl in Industrie- als auch in Schwellenländern gewarnt. Globale Wirtschaft Schulden in der Welt wachsen gefährlich schnell Symptom einer Schuldenblase Letztendlich sind die Kaufprogramme der Zentralbanken, mit denen sie für Billionensummen Staats- und Unternehmensanleihen erwerben, ein Symptom dieser Schuldenblase. Auch die extrem niedrigen Zinsen bis hin zu den Negativzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) sind eine unmittelbare Konsequenz daraus. Die EZB will mit diesen Maßnahmen so die Inflationsrate wieder bis zum Zielwert von 2 Prozent hieven. Diese Teuerungsrate entspricht offiziell ihrem Verständnis von Geldwertstabilität. Die Geldentwertung hat aber einen weiteren Zweck: Sie senkt den Realwert der Schulden. Der Gewinner der Inflation ist der Schuldner, weil sich seine Verbindlichkeiten mit der Teuerungsrate verringern. Die Verlierer sind die Gläubiger. © F.A.Z. Eine große Schwierigkeit stellen die wachsenden Schulden in den Schwellenländern wie zum Beispiel China dar. Hier sind es weniger die Staaten, sondern die Unternehmen. So weisen die chinesischen Unternehmen Schulden auf, die 166 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ausmachen. Die BIZ warnte vor den hohen Schulden der Unternehmen aus Schwellenländern in Dollar. Diese belaufen sich auf 3,6 Billionen Dollar. In den Vereinigten Staaten hebt die Notenbank schon wieder die Zinsen an, was auch den Wechselkurs der amerikanischen Währung unterstützt. Steigende Zinsen und ein höherer Außenwert des Dollars erhöhen aber die Risiken für die Unternehmen aus den Schwellenländern, weil sie dann mehr Mittel für den Schuldendienst aufbringen müssen. In Europa sind die Risiken noch immer groß Das kann eine Kette von Zahlungsausfällen bewirken und, von den Schwellenländern ausgehend, eine Finanzkrise auslösen. Aber auch in Europa sind die Risiken noch immer groß. Hier lasten auf den Banken mehr als eine Billion Euro an ausfallgefährdeten Krediten, ein Großteil davon in Italien. Dort muss der italienische Staat Banken wieder mit Kapital unterstützen, weil ansonsten die Abschreibungen auf die faulen Kredite ihr Eigenkapital ausradieren würden. Eine Bankenkrise in der drittgrößten Volkswirtschaft im Euroraum könnte die Folge sein. Das Beispiel Italien zeigt, die hohe Verschuldung in der privaten Wirtschaft, also bei Haushalten oder Unternehmen, kann auf den Staat übergehen, wenn die Schuldenblase platzt. Eine solche mit Krediten befeuerte Spekulationsblase ist meistens an den Immobilienmärkten zu beobachten. In Spanien und Irland waren Rettungsmilliarden der Euroländer nötig, um die Banken vor dem Untergang zu bewahren, nachdem es dort zu einer Korrektur der zuvor überbewerteten Immobilienmärkte gekommen war. In Deutschland steigen die Immobilienpreise vor allem in den größten Städten rasant. Nach einer Studie der Sparda-Banken sind sie von Ende Juni 2005 bis Ende Juni 2016 in München um mehr als 81 Prozent nach oben geschossen. In Hamburg waren es knapp 69 Prozent. Doch die Entwicklung der Haushaltsverschuldung spiegelt das nicht wider. Denn Ende Juni 2005 waren die deutschen Haushalte nach den IIF-Zahlen mit 68 Prozent des BIP verschuldet. Bis Ende 2016 ist diese Kennziffer auf 54 Prozent gesunken. Damit bewegt sich Deutschland unter dem Durchschnitt der Industrieländer von knapp 75 Prozent.