Wie Gebäude kommunizieren

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Publisher 3 · 2010
Werbetechnik
Corporate Architecture
Wie Gebäude kommunizieren
Das Image eines Unternehmens in der Öffentlichkeit wird auch vom Aussehen des
Gebäudes unterstützt. Die Corporate Identity soll also nicht nur bestimmen, wie dieses
Gebäude beschriftet, sondern auch, wie es gebaut wird.
n KATRIN KOCH Welche Aussage-
kraft haben Backsteinmauern, Sichtbetonfassaden, raumhohe Fenster
oder mächtige Stahlkonstruktionen
auf mögliche Kunden und zufällige
Passanten? Sie lösen, ob bewusst oder
nicht, Assoziationen aus und geben
Auskunft darüber, worauf ein Unternehmen Wert legt. Der erste Eindruck, den das Gebäude vermittelt,
vermag durchaus Einfluss auf künftige
Geschäfte ausüben.
Dem Gebäude eine Identität
geben
Die Beschriftung von Firmen, ob an
der Fassade, auf dem Dach oder mit
frei stehenden Pylonen, ist Kernthema
der Werbetechnik. Unumgänglich ist
dabei die Frage, welches Material in
welcher Form zum Einsatz kommt, wie
mit baulichen Gegebenheiten umgegangen wird und wie gross oder auch
mal dezent der Firmenname platziert
werden soll.
Etwas unbehaglich wird mir zumute
bei Wolkenkratzer-ähnlichen Bauwerken, die neben dem Gebäude platziert
werden und in die ganze Welt hinausschreien, dass sich hier der Obi befindet. Oder ein Autobahn-Restaurant.
Ob sich die Einwohner der Gemeinde
Kölliken, deren Ortsbild bereits von
unvergleichlichen weissen Stahlträgern
der überdachten Deponie geprägt ist,
für das Mahnmal an der Autobahn
interessieren?
Genauso wie auf Stelen und an Fassaden angebrachte Logos und Firmenbeschriftungen beim Betrachter
Rückschlüsse auf das Unternehmen
auslösen, so geschieht dies auch mit
Gebäuden, ob nun gewollt oder nicht!
Marketinginstrument
Architektur
Wenn eine Firma ein neues Gebäude
benötigt, gibt es grundsätzlich zwei
Wege, dieses umzusetzen. Werden an
die neuen Räumlichkeiten bloss Erwartungen wie «Raum» und Schutz vor
Wind und Wetter gestellt, entstehen
austauschbare Zweckbauten, die allzu
oft blass in der Landschaft stehen,
solange die Fassaden nicht von Leuchtschriften überschwemmt werden.
Der interessantere Weg besteht darin,
die Firmenaussage in ein dreidimensionales Gebilde zu übersetzen. Mit
einem Mehraufwand, der sich durchaus in Grenzen halten lässt, kann
einem Gebäude Identität eingehaucht
werden, ob es sich nun um eine Filiale
unter Hunderten oder einen einzelnen
Visualisierung eines Zweckgebäudes für Scania: Damit sich die Bauten weltweit gleichen, werden sie aus vorgegebenen Modulen
gezeichnet und an die örtlichen Gegebenheiten angepasst. Unter anderem sind die Fensterfronten, der abgesetzte hintere Teil, das
Fassadenpanel und Pylone vorgegeben. Visualisierung und Umsetzung durch Christian Schüpbach AG, Andelfingen.
Die fast fertige Umsetzung «Basilisk» in Pratteln.
KMU-Betrieb handelt. Kreative Ideen
können mit Licht- und Raumgestaltung, Oberflächen und entsprechender Haptik, Materialwahl, Definition
von Farbe und Form fassbar werden.
Dadurch entsteht eine Kommunikationsplattform.
Kein Holzbauunternehmen kann in
einem kalten Stahlbau authentisch
auftreten, kein Glaslieferant wird je auf
seine Glasfassade verzichten können.
Glaubwürdigkeit wird mit stimmigen
Farben, konkretem Mauerwerk und
anschliessend einem charakteristischen Schriftzug erlebbar.
Corporate Architecture findet dort
statt, wo sie als Teil der Corporate
Identity begriffen und als erweitertes
Corporate Design realisiert wird. Ein
Unternehmen, welches grossen Wert
auf offene und direkte Kommunikation
legt, kann dies mit einladenden Fensterfronten und hellen Gebäudefarben
bildlich umsetzen. Gebäude können
nicht zuletzt auch zur Vertrauens- und
Imageförderung beitragen.
Parallelen zweier Disziplinen
Genauso wie sich Marketing um das
Finden und Entwickeln von Ideen,
deren Ausgestaltung und Umsetzung
dreht, so muss auch die Architektur
immer wieder neue Ideen generieren,
ihnen Gestalt geben und sie in einem
Produkt – in diesem Fall einem Bauwerk – materialisieren. Architektur
und Firmenbeschriftung können beide
als Teil des strategischen Firmenprofils betrachtet werden, als Status- und
Machtsymbol, Ausdruck von gutem
Geschmack, Verpackung und als Erklärung, dass die Firma am Puls der Zeit
lebt.
Notwendigkeit
Setzt dies nun voraus, dass sich ein
jeder, welcher eine Firma gründet oder
bereits innehat, sich mit dem Aussehen
der Gebäudehülle beschäftigen muss?
Lässt ein Investor auf einem beliebigen
Gelände eine Halle errichten mit dem
Zweck, dass sich diverse internationale Ladenketten einmieten, wird er
sich kaum um einzigartige Architektur
kümmern – denn die Mieter kommen
und gehen. Anders bei Shopping- und
Erlebnistempeln wie dem Westside
in Bern, das eine andere Kundschaft
fokussiert und welches als Gebäude an
sich Aufmerksamkeit erhaschen will.
Werbetechnik
Marketing und Corporate Architecture
erweitern den «Wortschatz» der Architektur, welche ansonsten vor allem aus
möglichen Baumaterialien, Wünschen
des Bauherren und lokalen Gegebenheiten besteht. Die Auseinandersetzung mit Corporate Architecture und
Marketing als Architektursprache ist
nicht den grossen Unternehmen vorbehalten, sondern hat auch für KMU
Relevanz. Das Verständnis für marketingstrategische Bauten wächst,
wenn auch bei vielen Unternehmen
die Kostenoptimierung im Vordergrund
steht und Architekten einen Bogen um
dieses Thema machen. Dabei sollte die
ganze Thematik nicht als Einmischung
in architektonische Grundsätze, sondern als Aufwertung des Gebäudes
und als Geständnis zu weniger Billigarchitektur verstanden werden.
Nein, die Auseinandersetzung ist nicht
zwingend, genauso wenig, wie ein
Discounter mit einer Zapfino werben
sollte: Wer auf eine klare Kommunikation des Firmenimages Wert legt,
soll dies nicht nur in entsprechend
gestalteten Briefschaften zeigen. Der
Einbezug von Gebäude und Firmenräumlichkeiten schafft zusätzlich
Authentizität.
Ein alter Zopf
Die Thematik von Gebäuden, welche
das Image eines Unternehmens widerspiegeln, ist alles andere als neu. Wer
sich die Zeit nehmen kann, durch organisch gewachsene Altstädte zu schlendern, entdeckt das eine oder andere
Juwel in Form von Fassadenmalereien.
Industriebauten aus den Dekaden um
1900 repräsentieren ebenfalls relativ
klar, für welches Gewerbe sie errichtet
wurden. Gebäudehöhe, Lichteinlässe,
Zufahrtstore, Mauerwerk und Stahlkonstruktionen für Lastkrane erzählen
von der Zeit der Industrialisierung –
auch wenn sich heute längst moderne
Lofts darin befinden.
Die postmoderne Gesellschaft hat
diese Verbindung von inneren Werten
zum äusseren Auftreten adaptiert.
Heute wird damit dem Streben nach
Individualität, dem grossen Auftritt
und Massenkommunikation Ausdruck
verliehen. Was heute zählt, ist oft in
gleichen Teilen der Marktauftritt nebst
dem Marktverhalten eines Unternehmens.
Aus der Praxis
Die Umsetzung einer einheitlichen
Sprache der Architektur, welche über
Landesgrenzen hinaus eindeutig einem
Unternehmen zugeordnet werden
kann, erfordert Richtlinien. Christian
Schüpbach, Inhaber des gleichnamigen Architekturbüros, welcher seit
16 Jahren für die Planung und den Bau
verschiedener Nutzfahrzeugunternehmen tätig ist, meint dazu: «Ich erkenne
auch im Ausland sofort, ob eine LKWHalle von Scania, Volvo oder DAF ist.»
Beim Durchblättern des CI-Ordners
von Scania fällt auf, dass zuerst die
Gebäudemodule beschrieben werden:
Wartungsabläufe als Teil des Firmenauftrittes, Service- und Verkaufsstation,
Unfallreparatur, Büroräumlichkeiten.
Zusammengebaut, können die Module
bestimmte vorgegebene Grundrisse
aufweisen, wodurch auch das Aussehen der Fassade definiert wird: Fenster,
Tore, Materialisierung.
Das Scania-Zweckgebäude wird vor
allem von LKW-Fahrern genutzt. Für
diese ist nicht nur der äussere Auftritt, sondern auch die oben genannten
Wartungsabläufe von grosser Bedeutung: der optische Auftritt als Wiedererkennung für die Anfahrt, identische
Abläufe und modulartiger Aufbau des
Gebäudes für eine effiziente Abwicklung von Wartungsarbeiten.
Schliesslich beschreibt das Identity
Manual von Scania auch den Umgang
mit Beschriftungen, die trotz CI-genehmer Bauweise nicht überflüssig
werden: Für die Fernwirkung muss an
einem übersichtlichen Teil der Fassade
das Logo mit Schriftzug angebracht
werden. Werden vor dem Firmensitz
Fahnen gehisst, muss die Anzahl der
Fahnenstangen ungerade sein. Fährt
der Kunde nun näher zum Gebäude,
so rückt der nach Aufmerksamkeit heischende Pylon in das Sichtfeld, kurz vor
dem Ziel weisen zusätzliche kleinere
Stelen den Weg, die nun auch andere
Markennamen enthalten dürfen. All
diese Beschriftungselemente werden
von Scania als Hilfen zur uniformen
Identität verstanden und sind vom
Konzern her zugelassen.
Dass Firmenbauten ein Teil der Marketingstrategie sind, steht hier ausser
Frage. Otl Aicher, prägender Typograf
des 20. Jahrhunderts, bringt es auf den
Punkt: «Man ist so, wie man sich zeigt,
und man zeigt sich so, wie man ist.»
Die Aussage eines Gebäudes wird stets
im Zusammenhang mit dem Innenleben betrachtet.
Ausgezeichnet
Dass ein Zusammenspiel von Marketing und Architektur allmählich Fuss
fasst, zeigt auch der erstmals im Jahr
2008 verliehene «Award für Marketing
und Architektur – Auszeichnung für
hochwertige Corporate Architecture».
Der Hauptpreis ging vor zwei Jahren an
das gewöhnungsbedürftige und einzigartige «Freitag»-Gebäude in Zürich:
Das Ladenlokal aus aufeinandergeschichteten Containern entspringt der
Idee der Wiederverwertung. Wertvolles
Gebrauchtmaterial wie Blachen und
Fahrradschläuche erhalten hier ein
eindrückliches zweites Leben, und der
Container-Bau wurde zum Klassiker.
Bei der zweiten Austragung des
Awards in diesem Jahr erkämpfte sich
die 2007 gebaute Jugendherberge
Scuol den Hauptpreis, einen Kategoriensieg und den Sonderpreis für grüne
Technologie.
Am Beispiel der diesjährigen Siegerin
zeigt sich ein Trend, der nicht nur in der
Schweiz Jugendherbergen erfasst: Die
Unterkünfte möchten weg vom muffigen Image. So wandeln sie sich zur
einfachen, günstigen Hotelalternative.
In Scuol wurde ab 2005 ausgehend
vom Marketing der Strategiewechsel
forciert. Inhalt des Konzeptes sind orts-
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Checkliste
Folgende Punkte sind für eine erfolgreiche Corporate Architecture zu
berücksichtigen:
n
Gelungene Integration der Marketing- und Firmenphilosophie sowie
von Corporate Identity und Corporate Design in die Architektur.
n Gekonnte Umsetzung des Briefings durch den Architekten.
n Wahl der Baumaterialien als konstruktives und gestalterisches Element sowie als Träger der Marketingbotschaft.
n Bezug zum Unternehmen und zur Marke.
n Einzigartigkeit, Innovationsgrad und Wiedererkennungswert.
n Einbezug der Landschafts- und Lichtarchitektur.
n Stellenwert der Architektur in der Marketingstrategie und in der Kommunikation.
n Marketingtransfer auf die Mitarbeiter und die Kunden.
n Übereinstimmung der Firmenphilosophie mit der Architektur.
n Investition in Minergie-Standards und Green Technologies.
Quelle: Urs Bratschi, KMU-Magazin Nr. 10, Dezember/Januar 2007/2008
Beschriftung an einem historischen Gebäude in Winterthur. Die Typografie bezieht
klar Stellung zum Gebäude und trägt seinen Charakter weiter. Ausführung durch
Arthur Bachmann Schriften.
spezifische Eigenheiten: Das Charisma
der alten Engadinerhäuser findet sich
im Gebäude wieder, das wie ein Monolith in der Landschaft steht. Weiter
wurden einheimische, unbehandelte
Materialien verwendet, und der Bau
wurde wie selbstverständlich im Minergie-Eco-Standard erstellt. Hier zeigt
sich exemplarisch, wie Unternehmensphilosophie, der wirtschaftliche Erfolg
dank eines Neubaus und das ökologische Engagement ein nachhaltiges
Gesamtpaket ergeben können.
Lassen Bauherren und Planer zu, dass
Marketing auch in der Architektur Ausdruck erhält, entstehen Gebäude, die
einen staunen lassen und zum Stehenbleiben bewegen. Corporate Architecture ist eine interessante Möglichkeit,
Unternehmenswerte nach aussen zu
kehren, die Firmenphilosophie erlebbar
zu machen und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen: bei Kunden, die
das Gespräch in den Räumlichkeiten
der Firma sehr schätzen, weil diese
einen persönlichen Charakter aufweisen. Und bei Mitarbeitern, die sich
stärker mit dem Unternehmen identifizieren und vielleicht ein bisschen stolz
sind auf ihren Arbeitsplatz.
Die Mauern, welche Geschäftsräumlichkeiten umschliessen, sind mehr als
Mittel zum Zweck. Sie können zusammen mit Homepage, Briefschaften und
weiteren Kommunikationsplattformen
den Auftritt einer Firma aktiv unterstützen. Wie sie dies tun, können wir
bestimmen.
Sahnehäubchen Beschriftung
Ob nun das Gebäude den Unternehmergeist widerspiegelt oder doch
eher «nur» Mittel zum Zweck darstellt: Die Beschriftung rundet das
gesamte Erscheinungsbild ab. Schrift
und Gebäude können sich optisch zu
einem Gesamtbild ergänzen und so
den Firmenauftritt optimal ins Dreidimensionale übersetzen. Schriften und
Logos können mehr als die Funktion
eines Wegweisers übernehmen: Sie
können die Aussage einer Firma unterstützen und das gesamte Auftreten
optisch abrunden. Um dies zu erreichen, müssen Beschriftungen immer im
Kontext zur Fassade oder zur übrigen
Umgebung entworfen und umgesetzt
werden.
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