Predigt vom Sonntag, den 14.10.2007 Kirchgemeinde Albisrieden, Pfr. G. Bosshard Lesung: Apg. 28, 11 - 16 Predigttext: Römer 1,16f Thema: Rom Liebe Gemeinde, Rom ist heute mit seinen über 2.5 Millionen Einwohnern nicht bedeutender als andere grosse, europäische Städte. Was aber Rom bis auf den heutigen Tag einzigartig macht, ist seine rund 3000jährige Geschichte und insbesondere die Geschichte der Christen Roms. Besonders berühmt ist Rom in der Welt wegen des Sitzes des Oberhaupts der römisch-katholischen Kirche mit monumentalen Gebäulichkeiten, einer Kirche, zu der die Hälfte der Christenheit zählt, nämlich über ein Milliarde Menschen. Die Urgemeinde in Rom darf als die älteste christliche Gemeinde in Europa gelten, noch vor Philippi, welche ja um 50 n. Chr. von Paulus gegründet wurde. Warum das wohl so ist? Rom war in der Zeit von Jesus und auch danach das Machtzentrum seines Reiches. Alle, die Karriere machen wollten im Staatsdienst oder als Händler, kamen früher oder später nach Rom. So ist es ein Leichtes sich vorzustellen, dass bereits zur Zeit der Gründung der allerersten Gemeinden in Jerusalem und Antiochien Judenchristen nach Rom kamen, die dort ihren messianischen Glauben mit Juden und Proselyten, also Nichtjuden, die gerne Juden geworden wären, teilten. In der Bibel finden wir zur Entstehungsgeschichte der römischen Urgemeinde nur wenig. Ein ganz interessanter Hinweis steht in der Apostelgeschichte 18, 2b: „Claudius hatte nämlich angeordnet, dass alle Juden Rom zu verlassen hätten.“ Claudius war römischer Kaiser in den Jahren 41 – 54 n. Chr. Gemäss dem römischen Geschichtsschreiber Sueton wurden Juden im Jahre 49 n. Chr. aus Rom ausgewiesen, weil sie wegen einem gewissen „Chrestos“ zur Unruhe angestiftet worden seien. Auch wenn das nicht alle Juden betraf, so gibt sowohl die Bibel als auch ausserbiblisches Schrifttum einen Hinweis darauf, dass bei den Christen in Rom die Judenchristen ab dem Jahre 49 bereits eine Minderheit darstellten. Die nichtjüdischen Christen, auch genannt Heidenchristen, wurden mit grosser Wahrscheinlichkeit zur Mehrheit weil sie von der Ausweisung nicht betroffen waren. Das geschah bereits bevor die Gemeinde in Philippi durch Paulus gegründet wurde! Wir sehen, es geschah Mission auch durch Namenlose, die in Rom sehr erfolgreich waren, aber auch dieselben Auseinandersetzungen erlebten zwischen den Alt- und Neugläubigen, wie dies Paulus immer wieder erlebt hatte. – Im Übrigen, auch Petrus war somit nicht der Gründer der Urgemeinde in Rom, auch nur ein Besucher wie Paulus. – Paulus findet also ums Jahr 62 n. Chr. bereits eine lebendige Gemeinde vor, die sich in mehreren Hausgemeinden versammelte mit sicher über tausend Mitgliedern, zwar bei etwa einer halben Million Einwohnern Roms. Rom war also bereits vom Evangelium erreicht. Warum wollte es Paulus trotzdem besuchen? Da waren sicher folgende 3 Punkte: 1. Da die Christen im Machtzentrum des römischen Reiches strategisch für die Mission äusserst wichtig waren, wollte er sie in ihrem Glauben und in ihrer Gemeinschaft stärken durch vertiefte Schulung. 2. Da ihm bekannt war, dass die Gemeinde mehrheitlich aus Heidenchristen bestand, wollte er das Verhältnis zum Judentum klären. 3. Ausserdem erhoffte er sich Unterstützung von den Christen in Rom für seine Pläne, das Evangelium bis ans westliche Ende des römischen Reiches zu tragen, nach Spanien. Als gebildeter Mensch, meldete Paulus seinen Besuch mit einem Brief an, dem berühmten Römerbrief, worin er die genannten Punkte ausführte. Diesen verfasste er wohl im Jahre 57 n. Chr. in Korinth, also rund fünf Jahre im Voraus. Dieser Brief zeichnet sich durch einen brüderlich entspannten Ton aus, da Paulus keinen Konflikt mit dieser Gemeinde hatte. Das gab ihm die Möglichkeit gewissermassen ein kleines Lehrbuch für den christlichen Glauben zu verfassen. Der Römerbrief gab deshalb nicht zufällig immer wieder Anlass zu Reformanstrengungen in der Kirche. Ohne den Römerbrief ist beispielsweise die Reformation nur schwerlich vorstellbar. So schrieb Martin Luther zum Römerbrief: „Diese Epistel ist das rechte Hauptstück des Neuen Testaments und das lauterste Evangelium, welche wohl würdig und wert ist, dass sie ein Christenmensch nicht allein von Wort zu Wort auswendig wisse, sondern täglich damit umgehe als mit täglichem Brot der Seele. Denn sie kann nie zu viel und zu wohl gelesen werden. Und je mehr sie gehandelt wird, je köstlicher wird sie und besser schmeckt sie…“ Im 20. Jahrhundert war es auch der Römerbrief, der aus Karl Barth den 2 berühmtesten reformierten Theologen machte. Als Gemeindepfarrer verfasste er einen Kommentar zum Römerbrief. Der gelang ihm so gut, dass er den Ehrendoktor erhielt und infolge dessen direkt zum Professor für Theologie berufen wurde. Auch das 2. vatikanische Konzil berief sich häufig auf den Römerbrief. Warum? Der Römerbrief rückt unsere Leistung gegenüber Gottes Leistung ins richtige Licht. Es ist das Gottvertrauen das rettet und nicht unser Gut tun, mit dem wir nie vor Gottes Heiligkeit genügen könnten. Röm. 1,16f. Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; eine Kraft Gottes ist es zur Rettung für jeden, der glaubt, für die Juden zuerst und auch für die Griechen. Gottes Gerechtigkeit nämlich wird in ihm offenbart, aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben steht: Der aus Glauben Gerecht wird leben.“ „In dem Augenblick, dem bekannten Turmerlebnis, als Martin Luther wieder verstand, was Gottes Gerechtigkeit heisst, war er zum Reformator des Christentums geworden. Diesen Augenblick der Erkenntnis, ja der Erleuchtung beschrieb er mit folgendem Satz: „Da fühlte ich auf einmal, dass ich wiedergeboren sei und durch offene Türen ins Paradies eingetreten sei.“ Gottes Gerechtigkeit ist nicht seine richterliche, sondern seine königlich schenkende; nicht Gerechtigkeit aus dem recht Tun, sondern Gerechtigkeit aus Glauben was empfangen heisst. Es geht hier um die empfangene, die frei geschenkte Gerechtigkeit, das einzig in Gottes Geben begründete Rechtsein. Die Gerechtigkeit Gottes verwirklicht sich im Glauben. Der glaubende Mensch lebt allein von Gottes Reden und Tun; er empfängt sein Leben aus Gottes Hand, 3 als Gabe nicht als Besitz und lebt als Verwalter der empfangenen Gabe. Mit Gerechtigkeit Gottes wird der Mensch selbst unabhängig von seinen gerechten oder ungerechten Taten ins Recht gesetzt, - mit dem Auftrag, der Mission, sich ums rechte Tun zu bemühen. Aber nicht mit dem Irrglauben, sich den Himmel verdienen zu können. Diese wahrhaft frohe Botschaft, dieses kostbarste Evangelium gilt es auch in unserer Kirchgemeinde, unserem Quartier wach zu halten. Wenn wir diese Botschaft einschlafen lassen, werden wir nur noch zu Moralistinnen und Moralisten oder Pharisäern, die mit dem Finger auf das zeigen, was andere falsch machen. Dann gleichen wir schnell jenen, die Jesus in der Bergpredigt so verglich: Sie sehen den Splitter im Auge des andern aber den Balken im eigenen Auge nicht. Zu glauben und zu handeln im evangelischen Sinne heisst, dass man die Befreiung durch Gottes Gut tun für uns anmerken darf dadurch, dass wir nicht nachtragend sind und bereit sind, immer neu die Hand zur Vergebung auszustrecken. Nebst diesem zentralen Gedanken, würde uns heute Paulus nach Albisrieden sicherlich schreiben, dass er sich noch mehr Bibelstudium auch unter der Woche wünschen würde alleine und in Gruppen. Nicht zuletzt würde er sich über die Unterstützung verschiedener Missions- und Entwicklungsprojekte freuen. Er würde aber auch wünschen, dass für die Menschen in diesen Projekten mehr gebetet würde, so wie er das immer betonte. Amen