INFO-DOSSIER // tier-im-fokus.ch // Nutztiere und Klimawandel Inhaltsverzeichnis 3 Herausforderung Klima 3 Nutztiere und Klima – kein Thema? 4 Tropenwälder, Sojabohnen und Veredelungsverluste: CO2 5 Gefährliche Rülpser: Methan (CH4) 5 Langlebig giftig: Lachgas (N2O) 6 Gülle, Mist und Ammoniak (NH3) 6 Fazit 7 Konsequenzen 8 Fussnoten 8 Quellen IMPRESSUM Info-Dossier Nr. 4/2009 NUTZTIE RE UN D K LI MA WA N DEL Herausgeberschaft: tier-im-fokus.ch // Adresse: tier-imfokus.ch, Postfach 8545, CH-3001 Bern, www.tier-im-fokus.ch, [email protected] // Konto: PC-Konto 30-37815-2 // Text & Copyright: 2009 tier-im-fokus.ch // Bilder Titelblatt: © tier-im-fokus.ch Info-Dossier Nr. 4/2009 // tier-im-fokus.ch // Thema: NUTZTIERE UND KLIMAWANDEL Nutztiere und Klimawandel HER AU SF OR DE RU NG K LI MA Der Klimawandel ist in aller Munde, er zählt zu den grössten Herausforderungen unserer Zeit. Um die globale Erwärmung auf ein verträgliches Mass zu begrenzen – darin sind sich die Experten einig –, gilt es, den Ausstoss an Treibhausgasen zu stabilisieren und anschliessend markant zu senken. Schwankungen des Klimas hat es zwar immer schon gegeben. So herrschte in Europa noch zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert die sog. „Kleine Eiszeit“; die Winter waren damals länger und ungleich kälter als im Vergleich zu den vergangenen Jahrhunderten. Nach 1800 aber – und damit seit Beginn der industriellen Revolution – wurde es in Mitteleuropa immer wärmer. Besonders ausgeprägt war dieser Temperaturanstieg in den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, in denen die wärmsten Jahre seit Beginn der regelmässigen Wetteraufzeichnungen vor gut 250 Jahren gemessen wurden (vgl. Reichholf 2006, S. 129f.). Es gilt als erwiesen, dass dieser Temperaturanstieg massgeblich durch den Menschen verursacht wurde, der zu einem grossen Teil für die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. [1] Um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, rufen Klimaforscher aus aller Welt dazu auf, die Emission von Treibhausgasen bis 2050 um mindestens 50% zu senken (vgl. Rahmstorf 2006). Wird nichts dagegen getan, so rechnet man allein infolge der Auswirkungen des Klimawandels mit volkswirtschaftlichen Verlusten von 5-20% des globalen Bruttoinlandprodukts (bis 5.500 Milliarden Euro pro Jahr). Die Kosten zur Vermeidung der – 3 – schlimmsten Folgen werden dagegen lediglich auf 1% geschätzt (ca. 300 Milliarden Euro pro Jahr) (vgl. Stern 2006). Im Zentrum der Debatte steht die Zunahme von Kohlendioxid (CO2); sie wird auf die Verbrennung fossiler Energien zurückgeführt. Entsprechend kreist die Diskussion um eine CO2-Reduktion in Studien wie auch in den Massenmedien immer wieder um den Elektrizitätsverbrauch im Haushalt und vor allem um Transport und Verkehr. „Wohnen und Mobilität sind die wichtigsten Einflussbereiche, um das private CO2-Budget zu entlasten“, heisst es denn auch in einer Ausgabe des Magazins „Umwelt“ des Eidgenössischen Bundesamts für Umwelt (BAFU) aus dem Jahre 2008 mit dem Untertitel „Herausforderung Klima“. Doch sind Wohnen und Mobilität tatsächlich die einzigen Bereiche, in denen wir alle etwas zum Klimaschutz beitragen können? Klimasünder erstens Ranges? © dpa NUT ZT IE RE U ND K LI MA – KE IN T HE MA ? In der besagten Dokumentation des BAFU ist zudem von der Ernährung die Rede: „Fleischarm essen entlastet das Klima“, ist dort nachzulesen. Allerdings macht dieser Eintrag gerade einmal eine halbe Spalte des immerhin 71-seitigen Heftes aus (vgl. BAFU 2008, S. 19). Das ist kein Sonderfall. Die meisten Berichte zum Klimawandel sparen diesen Bereich – Herstellung und Konsum tierlicher Produkte – weitgehend aus, wenn es um die Ursachen, Folgen und Auswirkungen des Klimawandels geht (vgl. SVV 2008). Dass es sich dabei keineswegs um ein marginales Phänomen handelt, ist inzwischen durch unzählige Studien eindrücklich belegt – darunter der 2006 von der Welternährungsorganisation (FAO) publizier- te 400-seitige Bericht über den Zusammenhang zwischen Viehwirtschaft und Klimawandel (FAO 2006). Diese Untersuchungen sprechen eine deutliche Sprache: Die globale wie nationale Tierindustrie hat einen massgeblich negativen Einfluss auf den Klimawandel! TRO PE NW ÄL DE R, S OJ AB OH NEN U ND VER ED EL UN GS VE RL US TE : CO 2 Ist von der Emission von Treibhausgasen die Rede, steht in den meisten Berichten der Ausstoss von Kohlendioxid (CO2) im Zentrum und damit die Verbrennung fossiler Brennstoffe v.a. im Wohn- sowie Transportsektor. Der Anteil der Nutztierhaltung zum weltweiten Nettoausstoss von CO2 wird dabei – so er überhaupt Erwähnung findet – meist als „gering“ erachtet (z.B. NAT/ 384 2008). Diese Einschätzung lässt allerdings ausser Acht, dass v.a. die Viehwirtschaft zumindest indirekt eine bedeutende Quelle für den Nettoausstoss von CO2 darstellt: [2] CO2-Ausstosses durch Kahlschlag und Brandrodung im Amazonas verursacht. dass die Viehhaltung heute insgesamt 30% der Erdoberfläche (= 3.433 Mill. Hektaren) einnimmt. Dabei werden 78% der weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche für die Nutztierhaltung verwendet; und 33% (= 471 Mill. Hektaren) des weltweit kultivierten Landes werden für den Futtermittelanbau benutzt (FAO 2006, S. 272). [3] dass sich die globale Fleisch- und Milchproduktion namentlich durch staatliche Unterstützung in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts schätzungsweise verdoppeln wird, und zwar auf 465 Millionen Tonnen pro Jahr für Fleischerzeugnisse (heute 229 Millionen Tonnen) und auf 1.043 Millionen Tonnen pro Jahr für Milchprodukte (heute 580 Millionen Tonnen; vgl. Holm & Jokkola 2009, S. 7). Allein in der Schweiz wurden 2007 insgesamt 465.000.000 kg Fleisch konsumiert (vgl. Proviande Jahresbericht 2007). (2) Ein weiterer, oftmals unterdrückter Faktor im Zusammenhang mit dem erhöhten Verbrauch fossi(1) Die Umwandlung riesiger Flächen von Tropenler Brennstoffe ist die Tatsache, dass das Futterwäldern in Weideland hat hinsichtlich des CO2-Ausmittel, das angepflanzt wird, um Nutztiere zu ernähstosses erhebliche Folgen für das Klima der Erde. ren, immer grössere Transportwege zurücklegt. Um Solche Wälder weisen pro Hektar eine Gesamtbiobloss das bekannteste Beispiel zu nennen: In Brasimasse von 1000 Tonnen auf. Wird ein Quadratkilolien hat sich der Anmeter verbrannt und in bau des Futtermittels Viehweiden umgewandelt, Nr. 1, d.h. der proteinentweicht der Kohlenstoff, reichen Sojabohne beder in 100.000 Tonnen Bioreits zwischen 1965 masse gebunden ist, als und 1997 verfünfzigCO2 in die Luft (vgl. dazu facht. Heute steht BraReichholf 2006, S. 169). silien für 26% der weltDieser Befund ist bedeutweiten Sojaproduktion, sam, wenn man bedenkt, wobei rund 80% des dass bisher 70% des abErtrags v.a. nach Eugeholzten Amazonaswalropa exportiert wird (in des für Viehweiden beBrasilien leiden geRinderplanet mit Sojabergen © Greenpeace nutzt wurden (gemäss genwärtig 32 Millionen Angaben eines 2004 von der Weltbank herausMenschen an Unterernährung) (FAO 2006, S. 43). gegebenen Berichts sind es 88%; vgl. Margulis So wurden in Schweden 2006 insgesamt 291.883 2004). Ein Grossteil der restlichen 30% wird für Tonnen importierte Sojabohnen als Futterware verden Futtermittelanbau verwendet (s.u., [2]). Gewendet (Holm & Jokkola 2009, S. 10) und auch in mäss FAO sind z.B. 60% des brasilianischen der Schweiz werden jährlich rund 160.000 Tonnen – 4 – Kraftfutter an Nutztiere verfüttert (vgl. Futtermittelbilanz des Bundesamts für Statistik, 2004). [4] (3) Es gilt als erwiesen, dass pflanzliche Produkte bis zu 20-mal weniger fossile Energie benötigen als ihre tierlichen Pendants wie Fleisch, Milch oder Eier (vgl. z.B. Pimentel & Pimentel 2003). Tabe ll e 1: Treibhausgas-Emissionen bei tierlichen und pflanzlichen Lebensmitteln (Deutschland); Quellen: Öko-Institut, zit. in Pendos CO2-Zähler 2007, S. 28f; vgl. auch die Daten bei StMUGV 2007, S. 6. Tierliche Produkte Pflanzliche Produkte CO2-Äquivalente (g pro kg Ware) Butter 23.800 Margarine 1.350 Rindfleisch 13.300 Konfitüre 1.200 Käse Feinbackwaren 950 8.00 Teigwaren 900 Sahne 7.600 Mischbrot 750 Schweineschinken 4.800 Tofu (Bio) 700 Geflügel 3.500 Weissbrot 700 Schweinefleisch 3.250 Obst (Mix) 460 Eier 1.950 Tomaten (saisonal) 350 Jogurt 1.250 Kartoffeln (frisch) 200 Gemüse (frisch) 150 Rohwurst Milch 8.500 950 Hinzu kommt, dass die in der Futterpflanze enthaltene Nahrungsenergie grösstenteils durch den Erhaltungsstoffwechsel der Tiere abhanden kommt, was gemeinhin als „Veredelungsverlust“ bezeichnet wird. Um 1 kg Fleisch zu erzeugen, benötigt man (je nach Tierart) 7-16 kg Getreide bzw. Soja. Dabei gehen 89-97% der eingesetzten Futterenergie, 80-96% des Proteins, 99% der Kohlenhydrate sowie 100% der Ballaststoffe verloren (vgl. Smil 2002). Dennoch wird der Grossteil des Getreides bzw. der Soja an Nutztiere verfüttert; in den USA sind es 80% der Getreideernte, in der Schweiz liegt der Anteil bei 66% (vgl. SVV 2008, S. 5). In Anbetracht dieser Tatsachen geht man davon aus, dass 9% der globalen Kohlendioxidabgabe, die von menschlicher Aktivität stammt – sie wird auf 33 – 5 – Milliarden Tonnen pro Jahr geschätzt –, auf die Nutztierhaltung zurückzuführen ist (FAO 2006, S. 112). GEF ÄH RL IC HE R ÜL PS ER : MET HA N (C H 4 ) Neben Kohlendioxid (CO2) werden im Kyoto-Protokoll von 1997 vier weitere bedeutende Treibhausgase genannt, wobei das Methan (CH4) zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnt. Dabei handelt es sich um ein Gas, das pro Gewichtseinheit einen 21-mal grösseren Einfluss auf die globale Erwärmung hat als CO2. Mit anderen Worten trägt eine Tonne Methan ebenso viel zum Treibhausgaseffekt bei wie 21 Tonnen Kohlendioxid. In den letzten 200 Jahren hat sich der Methan-Gehalt in der Atmosphäre verdoppelt. Gegenwärtig macht Methan mit ca. 330 Millionen Tonnen pro Jahr rund 22% der vom Menschen produzierten Treibhausgase aus. Davon gehen nach Schätzungen der FAO 37% allein zulasten der Nutztierhaltung (FAO 2006, S. 82); 1990 wurde der Anteil noch auf 20% geschätzt (IPCC 1990). Als „Hauptverantwortliche“ gelten nachweislich Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen, welche die im Magen beim Abbau der Nahrung entstehende Essigsäure in Methan umwandeln (vgl. Mackensen 2008). [5] Man geht davon aus, dass eine einzige Kuh im Durchschnitt 600 Liter Methan pro Tag produziert. Damit ergibt sich laut Studien eine Gasbildung im Darm (Flatulenz), die alle 40 Sekunden auftritt, was bei über 3 Milliarden Wiederkäuern 80% der Methan-Emissionen in der Landwirtschaft entspricht (FAO 2006, S. 82; Paustian et al. 2006). Darüber hinaus entsteht Methan auch bei der Lagerung von Stallmist und Jauche (vgl. Schlatzer 2007, S. 9). LAN GL EB IG G IF TI G: L AC HGA S (N 2 O ) Ein weiteres prekäres Treibhausgas, das im KyotoProtokoll genannt wird, ist Distickstoffoxid (N2O), auch „Lachgas“ genannt. Es ist, berechnet auf hundert Jahre, über 300-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid (CO2) (FAO 2006, S. 82). Man geht davon aus, dass die Lachgas-Emissionen gegenwärtig ‚nur’ bei 13 Millionen Tonnen pro Jahr liegen, was aber einem CO2-Äquivalent von 4 Milliarden Tonnen entspricht (vgl. WWF 2007). Lachgas kann auf unterschiedliche Weise entstehen, wenn Stickstoff mit Sauerstoff reagiert. Die Tierindustrie gilt nachweislich als Hauptverursacher dieser Treibhausgase. Teils wird Stickstoff von den Düngemitteln freigegeben, die verwendet werden, um Futterpflanzen für Nutztiere anzubauen; teils rührt die Freigabe von Stickstoff vom Urin und den Exkrementen bei der Lagerung von Mist her. Nach Schätzungen der FAO ist die Landwirtschaft bzw. Nutztierhaltung derzeit für 65% aller N2O-Emissionen verantwortlich, die durch menschliche Aktivitäten bewirkt werden. Die Kommission geht davon aus, dass es in Zukunft zu einer bedeutenden Erhöhung dieser Art von Emission seitens der Tierindustrie kommt (vgl. FAO 2006, S. 114; Paustian et al. 2006). GÜL LE , MI ST U ND A MM ON IAK ( NH 3 ) Auch die Emissionen von Ammoniak entstehen mehrheitlich durch das Ausdünsten des Urins und der Exkremente von Nutztieren. Oft wird darauf hingewiesen, dass Ammoniakverunreinigungen im Gegensatz zu den obgenannten Faktoren eher ein lokales Problem darstellen, was bis zu einem gewissen Grad richtig ist (FAO 2006, S. 114). Dennoch verursachen auch diese Emissionen grosse Probleme. So beeinträchtigen sie methanabbauende Bakterien im Boden und vermindern damit eine Senkung des atmosphärischen Methans. Insbesondere aber schädigt NH3, wird es vom Wind verfrachtet, den Wald, es versauert den Boden und überdüngt die Gewässer (vgl. SVV 2008, S. 6ff., Menzi & Achermann 2009). Eine Folge davon ist u.a. die verstärkte Freisetzung von Distickstoffoxid (N2O) aus den Böden. Studien schätzen die durch menschliche Aktivitäten verursachte Emission von NH3 auf jährlich 47 Millionen Tonnen. 94% davon kommen vom Landwirtschaftssektor, wobei 68% der Ammoniak-Emissionen aus diesem Sektor direkt der Nutztierhaltung angelastet werden (FAO 2006, S. 114). Allein in Österreich werden durch die Nutztierhaltung jährlich über 68.000 Tonnen Ammoniak freige– 6 – setzt, das sind 86% der gesamten österreichischen NH3-Emissionen. In der Schweiz wurden im Jahr 2007 insgesamt 51.300 Tonnen Stickstoff in Form von Ammoniak emittiert. Davon stammten 94% aus der Landwirtschaft. Von diesen Emissionen gingen 89% auf das Konto der Viehhaltung. Dagegen wurden 11% durch den Pflanzenbau verursacht, und zwar insbesondere infolge des Einsatzes von Mineraldünger (vgl. Menzi & Achermann 2009). FAZ IT Bei etlichen Treibhausgasen, die von offizieller Seite als klimaschädigend eingestuft werden, spielt die Nutztierhaltung eine unbestritten signifikante Rolle. Das gilt selbst für CO2, bei dem sich der Prozentsatz der Tierindustrie am weltweiten Anteil des Treibhauseffekts (55%) auf 9% beläuft. Im Falle von Methan, Lachgas und Ammoniak wird der überwiegende Anteil der Emissionen durch die Tierindustrie verursacht. Tabe ll e 2: Weltweiter Anteil der Umweltbelastung durch Nutztierhaltung in %; Quelle: FAO 2006 Kohlendioxid (CO 2) 9% Methan (CH4) 37% Lachgas / Distickstoffoxid (N 2O) 65% Ammoniak (NH 3) 68% Bezogen auf alle vom Menschen verursachten Treibhausgase wird die weltweite Nutztierhaltung für rund 18% der globalen Emissionen verantwortlich gemacht (FAO 2006, S. 132), die sich wie folgt verteilen: Abb. 1: Verteilung der Treibhausemissionen aus der Tierhaltung; Quelle: Lancet 2007, zit. in Vegi-Info 47/2007, S. 4 Dieser Anteil – er wurde im Jahre 1992 noch auf 9% geschätzt (vgl. IPCC 1992) – ist damit höher als jener der globalen Wegtransporte, über den in den allermeisten Studien über Ursachen und Auswirkungen der Klimaerwärmung in erster Linie berichtet wird. Zusätzlich gehen 8% des weltweiten Wasserverbrauchs auf Kosten der Viehwirtschaft. [6] KON SE QU EN ZE N Angesichts dieser Befunde dürfte ausser Frage stehen, dass Herstellung und Konsum tierlicher Produkte eigens zu thematisieren sind, wenn es um Überlegungen zur Verursachung und Reduzierung der Treibhausgase geht. Dazu gehört eine grundsätzliche Diskussion der subventionierten Herstellung tierlicher Produkte sowie eine Neubewertung der Verantwortung für sog. „graue Treibhausgase“. Damit sind Emissionen gemeint, die in anderen Ländern bei der Herstellung von Gütern anfallen, welche ins eigene Land importiert werden. Bezogen auf die Herstellung sowie den Transport tierlicher Produkte und Futtermittel aus Entwicklungsländern dürften Emissionen dieser Art bei der Bewertung eine erhebliche Rolle spielen. Vor allem aber ist es an der Zeit, eine sachliche und ausgewogene Evaluation der Auswirkungen einer rein pflanzlichen, also veganen Ernährung auf die Umwelt voranzutreiben und die Ergebnisse für eine breite Öffentlichkeit verfügbar zu machen. So wurde – um bloss zwei Beispiele zu nennen – in einer Studie der Universität Chicago (Eshel & Martin 2006) die amerikanische Durchschnittskost mit anderen Ernährungsformen verglichen, bei denen die Zusammensetzung der Fleisch- bzw. Fischarten variierte, sowie mit der ovo-lakto-vegetarischen Kostform. Zum Vergleich für alle untersuchten Kostformen diente eine rein pflanzliche, also vegane Ernährung. Im Resultat zeigte sich, dass Ernährungsweisen mit viel Rindfleisch am stärksten klimabelastend sind, gefolgt von der amerikanischen Durchschnittskost, der fischreichen Kost sowie der ovo-lakto-vegetarischen Ernährung. Dabei stellten die Fachleute fest, dass die amerikanische Durchschnittskost pro Person und Jahr rund 1.5 Tonnen – 7 – CO2-Äquivalente mehr verursacht als die vegane Ernährung (Eshel & Martin 2006, S. 13). In einer Studie der Universität Giessen wurden drei unterschiedliche Ernährungsweisen hinsichtlich der Treibhauswirkung untersucht, und zwar unter dem Aspekt konventioneller sowie ökologischer Lebensmittel (vgl. Hoffmann 2002). Demnach kann man mit der bio-veganen Ernährung gegenüber einer Mischkost mit konventionellen Lebensmitteln nahezu 65% der Treibhausgas-Emissionen einsparen kann (vgl. Abb. 2). Abb. 2: Treibhausgas-Emissionen (CO2-Äquivalente in kg) von verschiedenen Ernährungsstilen pro Person und Jahr (VWE = Vollwert-Ernährung nach Giessener Konzeption); Quelle: Hoffmann 2002, S, 331 Diese und andere Studien zeigen, dass auch die Umstellung der Ernährung auf eine pflanzliche Kost unbestritten einen bedeutsamen Schritt in Richtung Klimaschutz darstellen würde – zumal der Konsum tierlicher Produkte auf dem Hintergrund der obgenannten Fakten nicht weiter als eine eine Privatangelegenheit gelten darf. Folgerungen & Forderungen • Die Lebensmittelproduktion und -versorgung tragen erheblich zum Klimawandel bei. • Hauptverantwortlich ist die energieintensive Landwirtschaft bzw. Nutztierhaltung und damit der Konsum tierlicher Produkte. Stärkere Einbettung der Herstellung tierlicher Produkte in klimapolitische Debatten. Interessenlose Diskussion über staatliche Subventionen für die Produktion tierlicher Lebensmittel. Überprüfung der Verantwortung für sog. graue Emissionen bei der Herstellung tierlicher Produkte. Sachliche Evaluation der rein pflanzlichen (veganen) Ernährungsform. FUS SN OT EN Koerber, K. von et al. (2008), Globale Ernährungsgewohnheiten und -trends, Expertise für das Hauptgutachten „Welt im Wan- [1] Von solch anthropogenen Auswirkungen zu unterscheiden ist der natürliche Treibhauseffekt, der durch natürlich vorkommende Gase entsteht. Ohne ihn wäre die Atmosphäre kälter und ein Leben auf dem Planeten in der heutigen Form gar nicht mehr möglich (vgl. Reichholf 2007). [2] Meistens werden die Emissionen in CO 2-Äquivalenten angegeben (so auch in diesem Dossier). Diese Umrechnung soll die verschiedenen Treibhausgase miteinander vergleichbar machen. Zum Beispiel entspricht 1 Tonne Methan 21 Tonnen CO2-Äquivalenten, was bedeutet, dass diese Tonne Methan ebenso viel zum Treibhauseffekt beiträgt wie 21 Tonnen Kohlendioxid. [3] Die weltweiten landwirtschaftlichen Flächen haben sich in den letzten 40 Jahren (1963-2003) um knapp 460 Millionen Hektaren vergrössert (Ausweitung um ca. 9%). Dabei erfolgte die Zunahme beim Weideland um rund 300 Millionen Hektar und beim Ackerland um rund 155 Millionen Hektar (FAOSTAT 2008). Die Zunahme hat sich ab Mitte der 1990er Jahre abgeschwächt, doch findet dieser Rückgang nahezu ausschliesslich in Entwicklungsländern statt (vgl. Steger 2005, S. 9). [4] Zu den Hintergründen der Sojaproduktion vgl. Info-Dossier Nr. 16/2009 Soja von tier-patenschaft.ch. Brasilien ist inzwischen auch einer der führenden Exporteure von Rindfleisch. 1990 weideten im (noch) grössten Regenwald der Welt etwa 27 Millionen Rinder, heute kursieren Zahlen wie 170 Millionen. Zur Entwicklung des amerikanischen „Rinderplaneten“ vgl. Rifkin 1992. [5] Eine Ausnahme unter pflanzlichen Nahrungsmitteln stellt der Nassreisanbau dar, bei dem beträchtliche Mengen an Methan erzeugt werden. [6] Vgl. dazu Info-Dossier Nr.3/2009 Ernährung und Umwelt von tier-im-fokus.ch. del: Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Berlin. Mackensen, H. (2008), Die Kuh als Klimasünder?, in: Der kritische Agrarbericht 2008. Margulis, S. (2004), Causes of Deforestation of the Brazilia Amazon, World Bank Working Paper No 22. Menzi, H. & Achermann, B. (2009), Für die einen Emissionen, für die anderen Verluste. In: Schweizer Bauer vom 26. September 2006 (Dossier Ammoniakverluste). 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(2005), Der Flächenrucksack des europäischen Aussenhandels mit Agrarprodukten: Welche Globalisierung ist zukunftsfähig?, Wuppertal. QUE LL EN Stern, N. (2006), Review on the Economics of Climate Changes. BAFU (2008), Umwelt: Herausforderung Klima, Bundesamt für StMUGV (2007), Lebensmittel: Regional = Gute Wahl, Bayeri- Government Economics Service of United Kingdom. Umwelt, Solothurn. sches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Ve- BUWAL (2002), Mitteilung zur Luftreinhalte-Verordnung LRV Nr. 13, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landwirtschaft, Bern. rbraucherschutz, München. SVV (2008), Ökologische Folgen des Fleischkonsums. Broschüre Eshel, G. & Martin, P. A. (2006), Diet, Energy and Global Warming, in: Earth Interactions 10/2006. der Schweizerischen Vereinigung für Vegetarismus (SVV). WWF (2007), Methan und Lachgas – Die vergessenen Klimagase, FAO (2006), Livestock’s Long Shadow, Rom. WWF Deutschland, Berlin. FAOSTAT (2008), FAO Statistics Division: Data Archives, Rom. Hoffmann, I. (2002), Ernährungsempfehlungen und Ernährungsweisen – Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft, Giessen. © 2009 tier-im-fokus.ch Holm, J. & Jokkola, T. (2009), Die Tierindustrie und das Klima, Stockholm. Um Info-Material dieser Art zu erstellen, sind IPCC (1990), Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC, wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen: First Assessment Report, Genf. IPCC (1992), Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC, // tier-im-fokus.ch // PC-Konto 30-37815-2 Vermerk: Info-Material Supplement, UNEP/WMO, Genf. – 8 –