NOVEMBER 2011,lla/ll www.gewinn.com € 2,50 GELD & BÖRSE . Sanieren statt abreißen Alte Bürohäuser wie neu geboren Sie sind abgenutzt, finden keine Mieter und fressen viel Energie: alte Bürohäuser. Statt sie abzureißen, geht derTrend zur Komplettsanierung. Das ist günstiger und vor allem ökologischer. VON CLEMENS ROSENKRANZ UNO ROBERT WIEDERSICH D er Blick von der Chefetage im neunten Stockwerk über Wien ist immer noch beeindruckend. Im Inneren der ehemaligen Siemens-Zentrale an der Erdberger Lände lässt sich von Glanz und Macht vergangener Zeiten allerdings nicht mehr viel erahnen. Einerseits sind rund 40 Jahre Büronutzung nicht spurlos an dem Gebäude vorübergegangen, andererseits rührt der neue EigentümerCAImmo schon kräftig um. Im wahrsten Sinne des Wortes: Estrich, abgehängte Decken und Zwischenwände sind nur noch als Schutthaufen identifizierbar. Schon nächsten Herbst soll das Gebäude für 30 Millionen Euro fertig saniert sein, den deutlich geringeren Energieverbrauch eines Neubaus haben und nur noch für Insider von einem Neubau zu unterscheiden sein. Und warum hat man die nicht gerade denkmalschutzreife Büroburg dann nicht gleich dem Erdboden gleichgemacht? 20 Prozent günstiger als Abriss Das Refurbishment - so der englische Fachausdruck für Totalsanierung - eines bestehenden Objekts kommt rund 20 Prozent billiger als Abriss und Neubau. So lautet die Faustformel von Roland Pomajbik, dem Technikchef der CA Immo. Die reine Kostenerspamis wäre sogar noch höher, allerdings müsse man Aufwendungen für die fachgerechte Entsorgung abziehen. Refurbishment sei alles andere als ein simples Herausreißen und Entkernen, schildert Pomajbik: "Böden, Beton- oder Glasteile müssen getrennt ausgebaut werden, sonst zahlt man sich bei der Entsorgung dumm und dämlich." Unterm Strich ist Refurbishment also eine fein choreographierte Übung .Auch die Baustellenlogistik ist komplexer als bei einem Neubau. Freilich ist nicht jedes ausrangierte Bürohaus für ein Refurbishment geeignet. Bevor man mit einer Generalsanierung beginnt, 54 muss man laut Pomajbik die Grundsatzentscheidung fällen, ob die Struktur überhaupt für eine Nachnutzung tauglich sei. Muss man Eingriffe in die tragende Struktur machen, wird es sehr teuer bzw. ist das oft gebäudetechnisch gar nicht möglich. Neben dem Skelett des Gebäudes muss man Fassade, Wärmedämmung und HeizungIKühlung ins Kalkül zu ziehen. Wertvolle Widmung DieAbwägung zwischen Abriss und Neubau hängt auch von rechtlichen Aspekten ab: Ein wichtiges Argument, ein Gebäude auf den neuesten Stand zu bringen, anstatt es einfach abzureißen, ist die bestehende Flächenwidmung, vor allem im innerstädtischen Bereich. Denn es kann sehr leicht passieren, dass es ein Neubau an derselben Stelle auf weniger vermietbare Flächen bringt als das im alten Genehrnigungsregime errichtete und nun generalsanierteAltobjekt. Das kann die Grundfläche, die Höhe oder gar die Art der Widmung betreffen. "Dann verliere ich unter Umständen genau jene Flächen, dank derer sich mein Proj ekt rechnet" ,umschreibt Pomajbik die Tücken eines voreiligen Abrisses. So hat die CA Tmmo den Büroturm der früheren Siemens-Zentrale auch deswegen nicht abgerissen, weil beim Neubau nie wieder diese Bauhöhe er- ~ laubt worden wäre. Dass ein bestehendes ~ E Gebäude umzubauen oft weniger Sorgen i5 macht, als es komplett neu zu bauen, bestätigt ~ auch Wolfgang Fessl. Der Asset-Manage- .J: ment-Leiter der conwert steht kurz vor der Wiedereröffnung der ehemaligen Zentrale der Niederösterreichischen Versicherung im Neunten Bezirk: "Wir wissen von der Roßauer Lände, wie schwierig Genehmigungsverfahren sind. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was bei einem Neubau auf uns zugekommen wäre." Grüner als Neubau Was neben Kostenersparnis und der wertvollen Widmung für die Erhaltung des Altbaus spricht, ist das Umweltargument. "Refurbishment ist eine sehr grüne Aktivität", sagt Andreas Ridder vom internationalen Immobilienberatungsunternehmen CB RichardElIis. Bei einer Generalsanierung bleibt die Substanz erhalten, dazu ist der umweltbelastende Transport von Materialien geringer. "Dem Bauträger ist es aber immer noch egal, welche Massen bewegt werden. Bei der Abwägung Generalsanierung oder Abriss ist die Kosten-Nutzen-Rechnung entscheidend", meint Ridder. Da trifft es sich gut, dass quasi als Nebenprodukt der Sanierung TOP November 2011 --- !~ "'"",,- " '" r .I:loj. · , die Energie-Effizienz kräftig steigt, was direkt auf die Betriebskosten durchschlägt. Darauf schauen die Mieter und internationale Investoren kaufen nur noch Gebäude, die mit einem Green-Building-Zertifikat ausgezeichnet sind. Auch die CA Immo strebt bei ihrem Projekt in Wien-Erdberg ein GreenBuilding-Zertifikat an. Ridder schätzt, dass etwa ein Drittel der .meuen" Büroflächen in Wien sanierter Altbestand ist. Die Bedeutung von Refurbishmentdürfte in Zukunft noch zunehmen. Der GELD & BÖRSE heimische Büromarktkämpft um bestehende Mieter. Unternehmen ziehen von alten in neue Flächen. Den Besitzern von alten Bürohäusem bleiben nur zwei Möglichkeiten: massive Mietpreissenkung oder eine Totalsanierung . Vonder früheren Siemens-Zentrale in Wien-Erd berg bleibt nur noch das Skelett erhalten. Um 30 Millionen Euro erstrahlt das 17.500 Quadratmeter große Ge" bäude in neuem Glanz.Der Energieverbrauch entspricht dann dem eines Neubaus Passivhaus, Baujahr 1888 E in modernes Einfamilienhaus in sonniger Lage mit riesigen Glasflächen. So stellt man sich ein Passivhaus vor, das so gut wie keine Heizenergie mehr benötigt. Das Passivhausprojekt von Architekt Winfried Schuh vom Büro Hausverstand.com sieht etwas anders aus. Ein schmuckloses Zinshaus aus 1888 im ZweitenWiener Bezirk.DerHeizwärmebedarf ist mit 151 KWh pro Quadratmeter katastrophal. Noch. Bis Ende 2012 soll er auf 8,86 KWh sinken, u.a. dank hervorragender Dämmung, Fenstertausch und dem Einsatz einer Grundwasserwärmepumpe. "Eswäre das weltweit erste Gründerzeithaus im Paseivhaasstandard", so Schuh. Riesige Glasflächen, um die Sonnenwärme einzufangen, seien nichtzwingend notwendig: "Große Fenster bedeuten auch große Energieverluste. Selbst das beste Fenster ist nie so gut isoliert wie eine Wand." Was dem Architekten inder Eberlgasseentgegenkommt: Die Fassade ist glatt und nicht mit dem klassischenStuckversehen. Dieser sieht zwar schön aus, erschwert aber die Sanierung von Altbauten. Schließlich ist dann eine Außendämmung nicht möglich. LautSchuh ist insolchen Fällen eine rund zehn Zentimeter starke Dämmung an der Innenseite möglich, wodurch allerdings etwas Wohnraum verloren geht. ' November 2011 Noch ist nichts davon zu sehen, aber bis Ende 2012 soll dieses Wiener Zinshaus zum Passivhaus saniert werden. Der Heizwärmebedarf würde dann um über 90 Prozent sinken Selbst ohne die aufwendige Dämmung der Stuckfassade sind aber bereits große Energieeinsparungen möglich. DerWiener Altbauspezialist Premium Immobilien hat schon 150 solcher Gründerzeithäuser saniert: "An der stmkturierten Straßenfassade werden nur die Fenster erneuert, die glatte Hofseite kam hingegen problemlos gedämmtwerden. Dazu kommt ein komplett neues Dach und die Umstellung auf Fernwärme", erklärt Vorstand Walter TOP Wittmann. Damit erreicht man zwar keinen Passivhausstandard, erzielt aber trotzdem eine Reduktion des Heizwärmebedarfs um bis zu 77 Prozent auf etwas über 30 KWh. "Im Schnitt zahlt ein Mieter in einer 70-Quadnltmeter-Wohnung 400 Euro weniger Heizkosten pro Jahr. Für den Investor rechnet sich die Sanierung nach zehn bis 15 Jahren und die Attraktivität des Hauses steigt", so Wittmann. 55 •