26 Albert Scherr Albert Scherr Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen. Über „soziale Subjektivität" und „gegenseitige Anerkennung" als pädagogische Grundbegriffe Ziele und diesen angemessene Methoden pädagogischer Praxis sind unter Bedingungen der funktional differenzierten, kulturell pluralisierten und sich schnell wandelnden (post-)modernen Gesellschaft nicht offenkundig, sondern begründungsbedürftig und strittig. Unterschiedliche Akteure und Organisationen formulieren je eigene (ökonomische, politische, rechtliche, ethische usw.) Erwartungen an die organisierte Erziehung und Bildung - und gerade dies erzwingt und ermöglicht eigenständige Antworten der Pädagogik auf die Frage nach ihren Zielen. Die einzig denkbare Alternative zu einer genuin pädagogischen Begründung der Möglichkeiten, Aufgaben und Methoden von Erziehung, Beratung und Bildung ist die Anlehnung an vorgegebene rechtliche und organisatorische Festlegungen sowie an jeweils einflussreiche zeitgeistige Erwartungskonjunkturen.' I m Weiteren wird demgegenüber vorgeschlagen, bei der Bestimmung von Ansatzpunkten und Zielen pädagogischen Handelns den Begriffen ,soziale Subjektivität' und gegenseitige Anerkennung' einen prominenten Stellenwert zuzuweisen. Beabsichtigt ist damit ein Beitrag zur Klärung der Grundlagen einer solchen Pädagogik zu leisten, die sich als Subjekt-Bildung in Anerkennungsverhältnissen versteht. Hingewiesen ist mit dieser Formulierung zunächst auf die im Weiteren noch zu begründende Behauptung, dass Subjekt-Bildung und soziale Anerkennung in einem wechselseitig konstitutiven Zusammenhang zu denken sind. Aktuelle Grundlegungen einer anerkennungstheoretisch fundierten subjektorientierten Pädagogik liegen für die Erwachsenenbildung insbesondere bei Meueler (1993), für die Sozialpädagogik bei Winkler (1988) und für die Jugendarbeit bei Scherr (1997, 1998) vor. Holzkamp (1993) hat eine detaillierte subjektwissenschaftlicheAnalyse schulischen Lernens entwickelt.' Prengel (1995) bestimmt die Befähigung zu Selbstachtung und gegenseitiger Anerkennung als zentrale Bildungsziele einer Pädagogik der Vielfalt (vgl. dazu Scherr 2001). Eine erneute pädagogische Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Subjektivität und Anerkennung kann also durchaus auf relevante Vorarbeiten und Grundlagen zurückgreifen. Darauf bezogen soll es hier darum gehen, einige zentrale Aspekte einer Pädagogik der Anerkennung und Subjekt-Bildung zusammenfassend aufzuzeigen.' Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 1. Autonome Pädagogik? Ein theoriegeschichtlicher Einstieg 27 Bereits 1930 wies Theodor Geiger 4 (1930/1977, 79) darauf hin, dass mit dem Blick auf die „Ruinen einst so sicher geglaubter absoluter Werte" und angesichts der Unsicherheit von Zukunft „öffentlich institutionelle Erziehung" (ebd., 79) nur dann noch legitimierbar sei, wenn die sich als eine „autonome Pädagogik" (ebd., 78) versteht, die in der Lage ist, pädagogische Praxis erziehungswissenschaftlich zu begründen. Aufgabe einer autonomen Pädagogik kann es Geiger zufolge nicht sein, zur Einfügung des Individuums in „genormte speziale Lebensordnungen" (ebd., 81) beizutragen. Sie kann „nicht fordern, dass der Mensch, als Katholik getauft, es bleibe bis in die Ewigkeit, kann nicht fordern, dass er, geboren als Kind national denkender Eltern, so denke wie sie; staatlich veranstaltete Erziehung kann nicht einmal zur Absicht haben, dass die heutige Verfassung des Deutschen Reiches, in der sie gesetzlich verankert ist, Geltung habe in alle Zeit" (ebd., 79). Konsequent zurückgewiesen wird damit eine. Orientierung an außerpädagogischen Vorgaben. Eingefordert wird dagegen eine solche öffentlich institutionalisierte Pädagogik, die darauf ausgerichtet ist, die „persönlichen Anlagen und Vergesellschaftungkräfte des jugendlichen Menschen an sich zu vollster Entfaltung zu fördern" (ebd., 81). 5 Damit formuliert Geiger nun jedoch kein Verständnis von Pädagogik als Förderung der Entwicklung individueller Subjektivität, das Sozialität nur als Schranke und Grenze der individuellen Entwicklung betrachtet. Denn Geiger geht in dezidierter Kritik zeitgenössischer Reformpädagogik von der Annahme einer grundlegenden „Polarität des Ich-selbst und Ich-mit-anderen" (ebd., 80) aus, d.h. der Gleichzeitigkeit des Bedürfnisses nach Entfaltung der ,individuellen Eigenart" (ebd., 80) einerseits, des „Drangs zur Vergesellschaftung" (ebd., 80) andererseits. Vor diesem Hintergrund wird die Annahme, dass Pädagogik Erziehung und Bildung von Individuen' sei, in Frage gestellt: „Nicht das Individuum also ist... zu erziehen, sondern der Mensch ist in der Entfaltung seiner individuellen sowohl als seiner vom Uranfang gegebenen sozialen Anlagen im Rahmen seiner die sozialen Bedingungen einschließenden Lebenswelt zu fördern" (ebd., 81). Akzentuiert wird damit, dass Vergesellschaftung nichts dem Einzelnen äußerliches, sondern subjektives Bedürfnis und konstitutive Bedingung der Entwicklung menschlicher Individualität und Subjektivität ist. Angelegt ist damit bei Geiger eine solche Theorie der Erziehung und Bildung, die Individuierung und Vergesellschaftung nicht als einen Gegensatz -individuelleAutonomie versus gesellschaftliche Schranken und Zwänge-fasst, sondern als einander wechselseitig bedingende Aspekte eines unauflöslichen Zusammenhanges. Damit ist ein nach wie vor unhintergehbarer Ausgangspunkt pädagogischer Theorie benannt: das Erfordernis einer eigenständigen theoretischen Begründung pädagogischer Praxis auf der Grundlage einer Klärung des konstitutiven Zusam- 28 Albert Scherr menhanges von Sozialität und Subjektivität. Zu einer solchen Klärung leisten Anerkennungstheorien, wie sie klassisch bei George Wilhelm Friedrich Hegel, William James und George Herbert Mead vorliegen (s. Habermas 1998; Honneth 1993; Todorov 1998), einen zentralen Beitrag. Denn dort wird die wechselseitige Anerkennung von Individuen als Subjekte (Beachtung und Wertschätzung) nicht nur als eine „Zielvorstellung bloß vorausgesetzt, sondern als Konstitutionsbedingungen des Selbstbewusstseins begriffen, auch wenn diese nicht notwendig auch empirisch stets als erreicht zu betrachten ist' (Bambey 1991, 7). Die grundlegende Annahme, dass die Entwicklung der individuellen Subjektivität abhängig ist von der Teilnahme an sozialen Beziehungen, in denen Individuen als eigenständig sprach-, handlungs- und entscheidungsfähige Subjekte anerkannt werden, ist nicht nur sozialphilosophisch fundiert. Sie findet Bestätigung auch in den Ergebnissen derempirischen Sozialisationsforschung (s. Scherr2002) sowie der entwicklungspsychologischen Bindungsforschung, wie zuletzt Krappmann (2001) nachweist. Sozialphilosophische bzw. sozialwissenschaftliche Anerkennungs- und Subjekttheorien unterschiedlicher Provinienz 0 haben ihre Gemeinsamkeit darin, dass sie mit jeweils spezifischer Akzentsetzung und mit je eigenen begrifflichen Mitteln darauf ausgerichtet sind, Verschränkungen von individueller Subjektivität mit sozialen Anerkennungsformen und -verhältnissen zu analysieren.' Vor dem Hintergrund des in diesen Theorien entfalteten Reflexionspotentials werden im Weiteren Subjektbildung` und Ermöglichung gegenseitiger Anerkennung' als unterscheidbare, aber aufeinander bezogene pädagogische Grundprinzipien bestimmt. Beansprucht wird damit eine empirisch fundierte und zugleich normativ gehaltvolle Zielbestimmung, die zunächst wie folgt zusammenfassend charakterisiert werden kann: Anerkennungs- und subjekttheoretischfundierte Pädagogik beab- sichtigt, zur Entwicklung von Selbstwahrnehmung Selbstachtung, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmungsfähigkeit inAnerkennungsverhältnissen beizutragen. Dazu ist es unverzichtbar, Individuen Erfahrungen derAnerkennung (im Sinne von Beachtung und Wertschätzung) ihrer Erfahrungen, Fähigkeiten, Bedürfnisse, Interessen und Lebensentwürfe zugänglich zu machen sowie Prozesse der Aneignung und kritischen Oberprüfung vielfältiger Sichtweisen ihrer selbst, der Gesellschaft und der Natur anzuregen. 2. Subjektivität, Anerkennung und organisierte Pädagogik Der Begriff Anerkennung referiert zunächst auf unabhängig von theoretischen Bemühungen und empirischer Forschung zugängliche Beobachtungen und Erfahrungen: Individuen streben nach Beachtung und Wertschätzung, sie leiden unterauferlegter Isolation und Abwertungen. „All 1 want is a little respect','singt Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 29 Aretha Franklin, Norbert Elias postuliert auf der Grundlage seiner Beobachtung aggressiver Jugendlicher ein „nie gestilltes Bedürfnis nach einer Erhöhung der Selbstachtung" (Elias/Scotson 1993, 307), Tvetzan Todorov (1998, 38) nimmt an, dass die alltägliche Wertschätzung ebenso unverzichtbar sei wie tägliche Nahrung. Solche Behauptungen gewinnen ihre Evidenz aus ihrer Übereinstimmung mit Alltagserfahrungen, die wohl jedem Leser einschlägiger Texte zugänglich sind. Auch bedarf es keiner entwickelten Theorie, um die Annahme zu plausibilisieren, dass Individuen die Fähigkeit besitzen und das Recht beanspruchen, eigenverantwortlich zu entscheiden und zu handeln, also in einem wie immer auch elementaren Sinne Subjekte ihrer Lebenspraxis sind. Mit solchen Hinweisen ist aber noch keine Begründung dafür formuliert, weshalb soziale Anerkennung und Subjektivität zentrale Ideen für pädagogische Theorien und pädagogische Praxis sind bzw. sein sollen. Pädagogische Relevanz gewinnen sie erst im Kontext von Überlegungen, die pädagogischer Praxis die Aufgabe zuweisen, in besonderer, die organisierte Erziehung und Bildung von anderen gesellschaftlichen Teilbereichen unterscheidender Weise gegenseitige Anerkennung und individuelle Autonomie zu ermöglichen. Solche Überlegungen wurden und werden vor allem in solchen Beiträgen zur Sozialphilosophie und Gesellschaftstheorie vorgetragen, die als Kritik gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse angelegt sind. Die Vorstellung, dass menschliche Individuen autonome und unabhängige Subjekte sein sollen, wurde in einer für die Pädagogik folgenreichen Weise zuerst seitens der Philosophie der Aufklärung' in Kritik von Herrschaftsverhältnissen formuliert, die den Beherrschten abverlangen, sich dem Willen und den Anweisungen jeweiliger Herren zu unterwerfen, ihnen damit weder Eigenverantwortlichkeit noch Selbstbestimmungsfähigkeit zugestehen, sowie in der Kritik der Selbsteinfügung in solche Verhältnisse." Demgegenüber werden die Individuen mit naturrechtlichen Begründungen, die heute nicht mehr überzeugen, als autonome Subjekte postuliert, die in der Lage sind, eigenverantwortlich rational fundierte und moralisch rechtfertigbare Entscheidungen zu treffen (s. dazu Meueler 1993, 13 f.). Vor dem Hintergrund der Erfahrung des deutschen Faschismus hat insbesondere die Kritische Theorie an Subjektbegriffe der Aufklärungsphilosophie in der Überzeugung angeknüpft, dass „Erziehung zur Mündigkeit"-so der programmatische Titel eines grundlegenden Textes von Theodor W. Adorno - unverzichtbar sei, um eine Wiederkehr des Faschismus zu verhindern. Erziehung nach dem Holocaust sei nur noch als eine „Erziehung zu kritischer Selbstreflexion" sinnvoll, formuliert Adorno (1970, 90). Ihr Ziel müsse darin bestehen, Menschen „davon abzubringen, ohne Reflexion auf sich selbst nach außen zu schlagen" (ebd.). Erziehung und Bildung sollen demnach dazu beitragen, dass Individuen befähigt werden, Distanz zu gesellschaftlichen Erwartungen 30 Albert Scherr einzunehmen, Ideologien, Vorurteile und Feindbilder kritisch zu überprüfen, sich eigener Ängste und Empfindungen von Hass und Wut bewusst zu werden und auf dieser Grundlage Handlungen nicht nur unter zweckrationalen, sondern auch unter normativen Gesichtspunkten abzuwägen. Subjektivität wird hier als die Fähigkeit menschlicher Individuen beansprucht, auf der Grundlage kritischrationaler Abwägungen und unter Berücksichtigung ethisch-moralischer Prinzipien verantwortlich zu entscheiden, selbstbestimmt zu handeln und gleichberechtigte Beziehungen zu anderen einzugehen, die damit ihrerseits als Subjekte anerkannt werden. Anders formuliert: Nur ihrer selbst bewusste Subjekte können andere I ndividuen als selbstbewusste Subjekte anerkennen. Subjektivität und gegenseitige Anerkennung sind demnach prozessual unauflöslich ineinander verschränkt. Die zentrale Bedeutung, die dem Zusammenhang von Subjektivität und sozialer Anerkennung in der Theorie Adornos zugewiesen wird (s. Ritsert 1983, 169 ff.), basiert auf der Überzeugung, dass „der Mensch als Individuum nur in einer gerechten, menschlichen Gesellschaft zu sich kommt" (Adorno 1956, 48). Eine gerechte und humane Gesellschaft und eine ihr angemessene Pädagogik sind so betrachtet daran zu erkennen, dass die Eigenständigkeit und Selbstbestimmungsfähigkeit der Individuen respektiert und gefördert werden. Vor diesem Hintergrund ist das „Primat der Gesellschaft über die Individuen", die Reduzierung des Individuums „zum bloßen Exemplar seiner Gattung, auf das es nicht so sehr ankomme" (ebd., 45), zentraler Gegenstand von Adornos Gesellschaftskritik. Versuche, auf dieser Grundlage eine kritische Erziehungswissenschaft zu entwickeln, bleiben aber zunächst aus der gegenwärtigen Perspektive entwickelter soziologischer Gesellschaftstheorie" nicht mehr tragfähigen „verfallsgeschichtlichen Generaldiagnosen" (Tenorth 1999, 154) verhaftet, deren Gesellschaftsbild, - wie Tenorth (1999) kritisch aufzeigt - gerade darauf hinausläuft, die Möglichkeit einer Pädagogik der Subjektbildung weitgehend zu bestreiten.'' Gleichwohl aber sind mit dem Insistieren auf dem Zusammenhang von Gesellschafts- und Subjektentwicklung unhintergehbare Gesichtspunkte für eine Klärungdes Selbstverständnisses pädagogischer Theorie und Praxis angegeben: Ausgehend von der Einsicht in die unauflösliche Einbettung des individuellen Bildungsprozesses in soziale Beziehung akzentuiert die kritische Theorie die übergreifenden gesellschaftlichen Kontexte, in denen soziale Beziehungen - und damit auch pädagogische Beziehungen - situiert sind (vgl. Vogel 1992). Pädagogische Beziehungen können demnach nicht als ein isoliertes Geschehen analysiert und konzipiert werden, sondern sind als gesellschaftlich strukturierte Praxis in den Blick zu nehmen. Eine PädagogikderAnerkennungkannalso nicht da von absehen, dassGesellschaftsstrukturen, insbesondere Funktionszuweisungen an pädagogische Organisationen, soziale Ungleichheiten sowie Macht- und Herrschaftsverhältnisse dem pädagogischen Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 31 Handeln selbst nicht äußerlich sind, sondern für dieses unhintergehbare und in dieses eingreifende Bedingungen darstellen. In Kontexten organisierter professioneller Pädagogik müssen Pädagogen und ihre Adressaten folglich damit rechnen, dass Chancen der Anerkennung ihrer Erfahrungen, Interessen, Bedürfnisse und Fähigkeiten durch vorgegebene organisatorische Festlegungen und pädagogische Programme reduziert sind, pädagogisches Handeln zugleich aber von der Intention getragen ist, darauf nicht reduzierbare intersubjektive Anerkennungsverhältnisse und Subjektbildungsprozesse zu ermöglichen. In der durch die Vorgaben der Selektion für Karrieren und der Leistungskonkurrenz strukturierten Schule etwa sind die Möglichkeiten der Anerkennung des Schülers als autonomes Subjekt seiner Lebenspraxis eng begrenzt. Pädagogische Kommunikation in der Organisation Schule ist folglich mit einer unauflöslichen Paradoxie konfrontiert, die nicht überwunden werden kann und die von den Schülern auch beobachtetwird: Pädagogische Kommunikation adressiert sich hier sowohl an Kinder und Jugendliche als in ihrer Entwicklung zu fördernde Subjekte als auch zugleich an Schüler, die nach Maßgabe unterschiedlicher Leistungen bewertet werden (Luhmann 1996; vgl. auch den Beitrag von Helsper/Lingkost in diesem Band). Insofern sind Schüler in der Schule „wohl beraten, wenn sie sich darauf einstellen, dass das Ganze letztlich doch auf Selektion hinausläuft" (Luhmann 1996, 288). Analog hierzu kann außerschulische Jugendpädagogik nicht i gnorieren, dass ihre gesetzlich vorgegebenen Bildungsziele Eigenverantwortlichkeit und „Gemeinschafsfähigkeit'-so die Diktion des Kinder- und Jugendhilfegesetzes - sind. Pädagogische Anerkennung ist folglich voraussetzungsvoll und zielgerichtet, nicht die zweckfreie Anerkennung individueller Subjektivität, sondern advokatorisches Handeln vordem Hintergrund je bestimmter Vorstellungen über anstrebenswerte Bildungsprozesse (s. Brumlik 1992). 3. Dimensionen sozialer Subjektivität Schwierigkeiten bei der Beanspruchung von Subjektivität und Anerkennung als pädagogische Grundbegriffe resultieren weiter daraus, dass die neuere, unter den Leitbegriffen Systemtheorie, Konstruktivismus, Postmoderne und Dekonstruktion geführte erziehungs- und sozialwissenschafliche Diskussion den Subjektbegriff selbst problematisiert hat." Wie insbesondere Stuart Hall (1992) aufgezeigt hat, lassen sich die Theorien von Karl Marx und Luis Althusser, Sigmund Freud und jacques Lacan, Ferdinand de Saussu re, Jacques Derrida und Michael Foucault sowie die feministische Kritik der Gleichsetzung von männlich und menschlich als unterschiedliche Formen der Infragestellung der Vorstellung lesen, Individuen verfügten als voneinander unabhängige und mit sich selbst identische Einzelne über die Ursachen und Gründe ihres Empfindens, Denkens und Handelns. 32 Albert Scherr Vielmehr ist das individuelle Empfinden, Denken und Handeln in gesellschaftlich vorgegebene soziale Strukturen und Beziehungen eingebettet und ohne deren Berücksichtigung in seiner Entstehung und Entwicklung nicht verständlich. Individuen sind demnach nicht autonome Subjekte ihrer Lebenspraxis, sondern diese geschieht unter Bedingungen, die die Lebensführung der Einzelnen in hohem Maß beeinflussen, sich auf ihr Empfinden, Denken und Handeln auswirken. Charles Taylor (1996, 71) argumentiert entsprechend, dass das Selbst nur „in Geweben des sprachlichen Austausches" existieren kann und es für den Einzelnen unmöglich sei, ohne einen sozialen Rahmen auszukommen. Man muss solche Kritik des Subjektbegriffs nicht bestreiten, um dennoch geltend machen zu können, dass der Begriff Subjektivität eine elementare Qualität menschlichen Erlebens, Denkens und Handelns charakterisiert. Denn Subjektivität ist keineswegs mit individueller Autonomie im Sinne umfassender Unabhängigkeit von sozialen Bedingungen identisch. Dass „der Mensch von Grund auf durch entsprechende andere" existiert, „Mitmensch" ist, „ehe er auch Individuum ist" (Adorno 1956, 42), ist ein für die Kritische Theorie Adornos ebenso wie für George H. Mead (1932, 168) selbstverständlicher Gedanke. In der Tradition der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule bezeichnet der Begriff Subjektivität nicht individuelle Unabhängigkeit von sozialen Lebensbedingungen, sondern vielmehr den sozialwissenschaftlich nicht plausibel zu bestreitenden Sachverhalt, dass menschliche Individuen in ihrem Erleben, Denken und Handeln nicht durch angeborene Instinkte und soziale Festlegungen determiniert sind, vielmehr durch ein reflexives und offenes Verhältnis zu sich selbst charakterisiert werden können. Diesbezüglich können vier Dimensionen 1 4 unterschieden werden: - Individuen erleben sich selbst als mit bestimmten Bedürfnissen und Empfindungen ausgestattete Wesen (Subjektivität als Selbstgefühl und Selbstwahrnehmung, - sie nehmen zu ihren Eigenschaften, Fähigkeiten, Bedürfnissen und Interessen bewertend Stellung (Subjektivität als Selbstbewertung), - sie kommunizieren und handeln auf der Grundlage eines bestimmten Wissens über sich selbst ( Subjektivität als Selbstbewusstsein) - und sie sind in der Lage, zwischen Alternativen abzuwägen, Möglichkeiten zu ergreifen und zu verwerfen, also auf der Grundlage von Entscheidungen selbstbestimmt zu handeln ( Subjektivität als Selbstbestimmungsfähigkeit). Solche Bestimmungen finden neuerdings eine Bestätigung auch durch Ergebnisse der Hirnforschung. Wolf Singer, Forschungsdirektor für hirnbiologische Forschung am Max-Planck-Institut formuliert (2001: 3 f.): „Funktion unseres Gehirns ist, für die Emergenz von Bewusstsein verantwortlich sein zu können .... (...) Der Vorschlag ist, dass wir die Erfahrung, ein freies, selbstbestimmtes Ich zu sein, aus der Spiegelung unseres Selbst im jeweils anderen Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 33 gewinnen, aus Dialogen des Formats: ,ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß'... oder ,ich weiß, dass Du weißt, wie ich fühle'. Die Möglichkeit, in solche Diskurse einzutreten, eröffnet sich uns, weil wir über hinreichend differenzierte Gehirne verfügen, um eine Theorie des Geistes zu formulieren." Menschliche Individuen sind so betrachtet, in der Sprache der modernen Systemtheorie formuliert,` keine Trivialmaschinen, die aufÄnderungen in ihrer natürlichen und sozialen Umwelt durch feststehende Verhaltensweisen reagieren (s. von Foerster 1997, 40; Luhmann 1995, 67 f.). Sie verarbeiten Impulse und Informationen vielmehr auf der Grundlage komplexer emotionaler und kognitiver Strukturen in einer Weise, die geschichtsabhängig und nicht vorhersehbar ist. Individuen werden systemtheoretisch als psychische Systeme charakterisiert, die mit der Fähigkeit zur „Selbstbeobachtung" (Nassehi 1999, 101) ausgestattet und i n der Lage sind, sich ihrer I ndividualitirät un rer Verwendung der Unterscheidung „Identität des Selbst und Differenz der Selbste" (ebd., 101) zu versichern.'' Entsprechend formuliert Heinz von Foerster (1997, 51) als Grundsatz einer systemtheoretischen Ethik: „Handle stets so, dass Du die Anzahl der Möglichkeiten vergrößerst!". Individuen sind als Subjekte prinzipiell in der Lage, sich Erwartungen entgegenzusetzen, mit Gewohnheiten zu brechen, Behauptungen zu hinterfragen, Normen zu ignorieren und Unerwartetes zu tun. Sie können auf der Grundlage rationaler Abwägungen über Motive, Mittel, Zwecke und Folgen ihres Handels oder Unterlassens Entscheidungen treffen, Handlungsoptionen unterBerücksichtigung ihrer eigenen Empfindungen, Bewertungen und ihres Wissens ergreifen oder verwerfen. Der Begriff Subjektivität kann jedoch nicht sinnvoll für die Behauptung beansprucht werden, Individuen seien in ihrem Empfinden, Denken und Handeln sozial voraussetzungslose und unabhängige Wesen. Wie George Herbert Mead (1962) grundlegend und in Anknüpfung an die William James" und die Hegel'sche Sozialphilosophie gezeigt hat, entwickeln Individuen ihre Subjektivität in Auseinandersetzung mit den Erwartungen bedeutsamer Anderer (s. Habermas 1988). Sie sind dazu auf die Teilnahme an sozialen Beziehungen und die kommunikative Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und Fähigkeiten angewiesen. Wie Individuen sich selbst emotional erleben (Selbstgefühl), wahrnehmen und wie sie sich selbst bewerten (Selbstwertgefühl), ist abhängig von Erfahrungen der sozialen Wertschätzung und Missachtung. Das Selbstwertgefühl kann durch negative Bewertungen erheblich beschädigt werden, das Bild der eigenen Person, wie Goffman (1972) gezeigt hat, durch Etikettierungen weitreichend verunsichert und in Frage gestellt werden. Auch das Wissen über sich selbst (Selbst-Bewusstsein) entwickelt sich in der Auseinandersetzung mit den Bildern der eigenen Person, die andere mitteilen. 34 Albert Scherr Subjektivität ist deshalb notwendigsoziale Subjektivität, d .h. in ihrerEntrüicklung von der Teilnahme an sozialen Beziehungen abhängig. Selbstgefühl, Selbstbewertung Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung sind Qualitäten individueller Lebenspraxis innerhalb sozialer Beziehungen, sie setzen gesellschaftliches Zusammenleben vor- aus. Selbstbestimmung ist immer nur in Bezug auf die je konkrete soziale Lebenssituation möglich. Insofern sind die „asozialen Denkströmungen" kritikbedürftig (Todorov 1998, 15 ff.), die Sozialität als Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung isolierter und individuellen Zwecken folgender Individuen denken. Sozialität ist, nicht zuletzt als Anerkennung, das jeder Individuierung vorausgehende Phänomen. Unter sozialpsychologischen und soziologischen Gesichtspunkten ist zudem die Annahme hoch plausibel, dass Individuen nach der Aufrechterhaltung und Stärkung eines positiven Selbstwertgefühls streben (s. Elfas/Scotson 1993, 307) und dazu aufsoziale Beziehungen angewiesen sind, in denen ihnen Erfahrung der Wertschätzung ihrer Bedürfnisse, Eigenschaften und Fähigkeiten zugänglich sind. Zu sprach- und handlungsfähigen Individuen, die in der Lage sind, sich selbst, die Welt und andere in dieser Welt zu verstehen, werden wir also durch die Teilnahme an sozialen Beziehungen, die als Anerkennungsverhältnisse charakterisiert werden können. Als Anerkennungsverhältnisse können solche sozialen Beziehungen charakterisiert werden, in denen Individuen nicht nur als ein Instrument für fremde Zwecke, z.B. als Arbeitskraft, von Bedeutung sind, sondern in denen ihr Recht auf und ihre Fähigkeit zu Selbstbestimmung respektiert werden (s. Honneth 1992). Subjektivität - Selbstgefühl, Selbstwahrnehmung, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmungsfähigkeit - sind so betrachtet keine unveränderlichen Eigenschaften menschlicher Individuen, sondern in ihrer Entwicklung und Entfaltung abhängig von jeweiligen sozialen Kontexten und in diesen möglichen Erfahrungen. Ein negativer Beleg für diese Behauptung ist der Beobachtung zu entnehmen, dass Individuen unter Bedingungen umfassender Isolation nicht in der Lage sind, ihr Selbstbild und ihre Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Wendet man diese grundsätzlichen Überlegungen empirisch, dann ist die Frage zu stellen, in welchem Maß je gegebene soziale Strukturen - die Codes und Programme von Funktionssystemen und Organisationen, daran angelagerte soziale Ungleichheiten, die Erwartungsstrukturen und Interaktionsrituale in sozialen Gruppen und Familien, politische Macht- und Herrschaftsverhältnisse, Prozesse der Normsetzung und Normdurchsetzung usw.-die Selbstbestimmungsfähigkeit der Individuen fördern oder einschränken, welche Vorgaben sie für das Selbstverständnis (das emotionale Erleben der eigenen Person und das Wissen über die eigene Person) etablieren sowie ob und unter welchen Bedingungen sie positives Selbstwertgefühl durch soziale Wertschätzung unterstützen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Strukturen und Programme der organisierten Pädagogik. Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 35 4. Gesellschaftliche Kontexte einer Pädagogik der Anerkennung I m Interesse einer gesellschaftstheoretischen Fundierung ist Pädagogik vor diesem Hintergrund aufgefordert, gesellschaftliche Strukturen und Prozesse als Bedingungen zu untersuchen, die die Möglichkeiten der Entfaltung individueller Subjektivität und den Zugang zu Chancen sozialer Anerkennung strukturieren. Dies schließt die Frage ein, welche Möglichkeiten und Hindernisse für eine Pädagogik der Anerkennung und Subjektbildung durch die Organisationsformen des Erziehungssystems selbst und seine gesellschaftlichen Funktionszuweisungen gegeben sind." Funktionsimperative der gesellschaftlichen Teilsysteme, Macht- und Herrschaftschaftsverhältnisse, soziale Benachteiligungen und Ausgrenzungen, Vorurteile und Gender-Stereorype usw. sind so betrachtet deshalb für die pädagogische Theorie und Praxis zentrale Sachverhalte, weil sie mit der Beschränkung von Chancen der Selbstbestimmung und mit der Verweigerung sozialer Wertschätzung der Erfahrungen, der sozialen Identitäten und der Lebensentwürfe von Individuen einhergehen. Darauf hat bereits Bernstein (1971) in seiner fundamentalen Kritik kompensatorischer Erziehung hingewiesen. Nicht nur, so Bernstein (ebd., 36), teilen die räumlichen, sachlichen und personellen Rahmenbedingungen des schulischen Unterrichts Lehrern und Schülern den Grad an gesellschaftlicher Wertschätzung bzw. Missachtung in einer Weise mit, die „die Erwartungen und Motivationen von Lehrenden wie Lernenden" (ebd., 36) beeinflussen. Hinzu kommt, dass schulische Curricula mit einer systematischen Entwertung der außerschulischen Erfahrungen von Schülern einhergehen können: „Alles, was das Kind außerhalb der Schule beeinflusst, Bedeutung und Zweck für es hat, hört auf, wertvoll zu sein; weder wi rd diesem Bedeutung zuerkannt, noch bietet es Chancen für das Vorwärtskommen in der Schule. Das Kind muss sich auf eine neue, veränderte Struktur von Bedeutungen einstellen, ob in der Form von Lesebüchern, der Art des Sprachgebrauchs und Dialektes oder in den Mustern sozialer Beziehungen." (ebd., 37)." Die Auseinandersetzung mit den nicht hintergehbaren gesellschaftlichen Vorgaben und Einschränkungen ihrer Möglichkeiten ist ein zentraler analytischer Ausgangspunkt anerkennungs- undsubjekttheoretisch fundierter Pädagogik. Ihre Perspektive gewinnt sie in der Bestimmung von Möglichkeiten der Entwicklung von Selbstwahrnehmung, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmungsfähigkeit in pädagogischen Arrangements und Beziehungen, die durch externe gesellschaftliche (ökonomische, rechtliche, religiöse usw.) Vorgaben und Erwartungen gerade nicht umfassend determiniert sind. Eine pädagogische Programmatik der Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen gewinnt ihre Plausibilität darüber hinaus daraus, dass die Strukturbe- 36 Albert Scherr dingungen der modernen Gesellschaft eine eigenverantwortliche und selbstbesti mmte Lebensführung der Individuen ermöglichen und erzwingen. Die Lebensführung von Einzelnen und Familien wird in der funktional differenzierten Gesellschaft nicht umfassend durch eine einheitliche religiöse, ökonomische oder politische Ordnung reguliert (s. Luhmann 1993 und 1997, 595 ff). Ernährungsvorlieben, Konsumpräferenzen, sexuelle Orientierungen, religiöse Glaubensüberzeugungen usw. werden den Einzelnen und sozialen Gruppen nicht mehr von einer zentralen Instanz vorgeschrieben. An die Stelle solcher Regulierungen der Lebensführung sind einerseits die individuelle Freiheit negativ begrenzende Normen des Rechts und andererseits der Zwang getreten, sich selbst - bei Strafe des Scheiterns - an den Teilnahme- und Erfolgsbedingungen auszurichten, die Betriebe als Organisationen des Wirtschaftssystems, Schulen als Organisationen des Erziehungssystems, Parteien als Organisationen staatlicher Politik, Krankenhäuser als Organisationen des Gesundheitssystems usw. festlegen. Wer sich in seiner Lebensführung den jeweiligen Bedingungen nicht anpassen kann oder will, kommt nicht hoch oder geht unter, formulierte bereits Max Weber (1972, 61). Scheitern an den Teilnahmebedingungen der Funktionssysteme und Organisationen wird in entwickelten Wohlfahrtsstaaten durch sozialstaatliche Leistungen mehr oder weniger erträglich gemacht (s. dazu ausführlich Bommes/Scherr 2000). Gesellschaften ohne ausgebauten Wohlfahrtsstaat verweisen die Individuen stärker auf ihre Eigenverantwortlichkeit und reagieren auf die unerwünschten Folgen von Armut und sozialer Ausgrenzung mit einem Ausbau der Gefängnisse. Unabhängig von diesbezüglichen Unterschieden aber können moderne Gesellschaften i nsgesamt als Gesellschaften beschrieben werden, in denen die Situation der Individuen als „Exklusionsindividualität" (Luhmann 1997, 618 ff) charakterisiert werden kann. D.h.: Das Leben der Einzelnen vollzieht sich nicht mehr in einem umfassenden und unauflöslichen sozialen Kontext, sei es einer Familie, einem Stand oder einer Organisation, der ihre Lebensbedingungen und Lebenschancen dauerhaft festlegt. Damit werden Zugehörigkeiten prinzipiell wählbar und es eröffnen sich Entscheidungsmöglichkeiten. Für ihre Lebensführung sind die Einzelnen jedoch zugleich darauf angewiesen, Zugang zu vielfältigen sozialen Systemen, Partnerschaften, Familien, Schulen, Betrieben, massenmedial verbreiteten Informationen, Einrichtung der Rechtsvertretung usw. zu finden. Chancen sozialer Anerkennung und der selbstbestimmten Lebensführung sind damit in verschiedener Hinsicht begrenzt sowie in Abhängigkeit von verfügbaren ökonomischen, sozialen, kulturellen und psychischen Ressourcen sozial ungleich verteilt. Einschränkungen der Möglichkeiten individueller Selbstbestimmung resultieren also in der modernen Gesellschaft einerseits aus Strukturbedingungen der funktional differenzierten Gesellschaft, ihrer Funktionssysteme und Organisationen, der ungleichen Verteilung von ökonomischen, sozialen und kulturellen Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 37 Ressourcen der Lebensgestaltung sowie der ungleichen Prägung des Alltagslebens durch den Zwang der materiellen und psychischen Existenzsicherung. Andererseits sind die kulturellen und erzieherischen Verhältnisse dahingehend in den Blick zu nehmen, ob sie Individuen Chancen derAnerkennung und vielfältige Möglichkeiten der Lebensführung zugänglich machen, oder aber daraufausgerichtet sind, vorgegebene Lebensbedingungen und an diese angepasste herrschaftskonforme Weisen der Lebensführung als alternativlose darzustellen. 5. Pädagogik als Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen Die Beziehungen menschlicher Individuen zu sich selbst, zu anderen und zur Natur sind durch genetische Dispositionen und angeborene Instinkte nicht festgelegt. Sie nehmen sich selbst und andere vielmehr auf der Grundlage von Wahrnehmungs- und Deutungsmustern wahr, die sie in den Kulturen der Gesellschaft vorfinden und sich in Sozialisationsprozessen aneignen. Die Vorstellungen, die Individuen sich über sich selbst und die Welt machen, sind nicht einfach Ergebnis ihrer materiellen Lebensbedingungen, sondern Ergebnis eines eigenständigen Konstruktionsaktes, dem sozial vorgegebene Muster zugrunde liegen. Solche Wahrnehmungs- und Deutungsmuster umfassen, wie Alfred Schütz (1974) gezeigt hat, grundlegende Typisierungen, die uns überhaupt erst in die Lage versetzen, die soziale und natürliche Wirklichkeit als eine geordnete und verständliche wahrzunehmen, in der wir zielgerichtet handeln können. So unterscheiden Kulturen etwa zwischen essbaren und nicht-essbaren Tieren und etablieren damit folgenreiche Vorgaben für das Erleben von und den Umgang mit Tieren. Individuen erleben sich und andere als Frauen oder Männer, und dies geschieht auf der Grundlage des sozial gültigen Wissens um die als typisch geglaubten Eigenschaften von Frauen und Männern, das Individuen sich durch die Teilnahme an alltäglicher Kommunikation aneignen. Solche Typisierungen umfassen auch Unterscheidungen von Menschengruppen als Angehörige von sozialen Klassen oder ethnischen Gruppen, die mit weit reichenden Annahmen über charakteristische Eigenschaften und Fähigkeiten einhergehen. Typisierungen statten uns nicht nur mit für die Selbst- und Fremdwahrnehmung basalen Schemata aus. Sie beinhalten auch grundlegende Bewertungen, die es uns erlauben, etwa einen schönen von einem hässlichen Körper zu unterscheiden. Sozialisation kann vor diesem Hintergrund als ein Prozess verstanden werden, der wesentlich in der Aneignung der grundlegenden Wahrnehmungs-, Bewertungsund Deutungsschemata besteht, die wir als selbstverständlich gültige Schemata der Kulturen vorfinden, in denen wir aufwachsen. Kulturen haben so betrachtet einen enormen Einfluss auf die Individuen, denn sie legen weitgehend fest, wie Individuen sich selbst und andere erleben und bewerten, was sie als normal und was sie 38 Albert Scherr als abweichend erleben, was als erstrebenswert und was sie als verachtenswert bewerten. Theorien in der Tradition des symbolischen Interaktionismus haben wiederkehrend aufgezeigt, dass Individuen jedoch nicht Gefangene einer Kultur sind, die Deutungs-, Handlungs- und Bewertungsschema einer Kultur als eindeutige Regeln anwenden. Erleben, Denken und Handeln besteht vielmehr im kreativen und eigensinnigen Umgang mit vorgefundenen Mustern und Regeln unterschiedlicher Kulturen. Denn diese legen nicht fest, wie konkrete Individuen in konkreten Situationen empfinden, denken und handeln können oder sollen. Sie wirken vielmehr als Begrenzungen des Möglichkeitsraumes, in dem sich Individuen bewegen. Entsprechend bestimmt Stuart Hall (2000, 106) Kulturen als „ein Gefüge von Einschränkungen ... ohne die wir nicht sprechen" und nicht zu einem Verständnis unserer Identität gelangen können. Auch Anthony Giddens (1984, 1 ff.) Theorie der Strukturierung weist darauf hin, dass Strukturen das individuelle Erleben, Denken und Handeln sowohl ermöglichen als auch einschränken. Sie wirken, wie insbesondere Pierre Bourdieu (1987, 97 ff.) gezeigt hat, als generative Strukturen, die Grundlage der kreativen Hervorbringungen der Individuen sind. Ohne eine Sprache können wir nicht sprechen, die Sprache schränkt ein, was gesagt werden kann und wie es gesagt werden kann, sie legt aber nicht fest, was wir i n einer konkreten Situation äußern. Individuen sind so betrachtet immer schon Subjekte ihrer Lebenspraxis. D.h.: Ihr Erleben, Denken und Handeln ist in seiner konkreten Ausprägung nicht genetisch oder sozial determiniert, sondern vollzieht sich als aktive Leistung, als notwendig eigensinniger und kreativer Umgang mit den vorgefundenen kulturell en Mustern, Schemata, Regeln und Normen. Das heißt jedoch nicht, dass Individuen im Verhältnis zu den Denkstilen, Werten und Normen autonom sind, die sie gesellschaftlich vorfinden. Denn wir wachsen immer in einem bestimmten kulturellen Kontext auf, der ein bestimmtes Wissen, bestimmte Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Deutungsschemata vorgibt und andere ausschließt. Der Möglichkeitsraum individueller Eigensinnigkeit ist also durch die Rahmungen der Kultur beschränkt. Kulturelle Macht besteht so betrachtet wesentlich darin, Individuen die jeweils dominante Kultur als alternativlose darzustellen und ihnen den Zugang zu anderen Weisen des Erlebens, Denkens und Handelns zu erschweren. Die Aufgabe einer Pädagogik, die sich am Ziel der Entfaltung von Subjektivität orientiert, kann vor diesem Hintergrund erstensdarin gesehen werden, Individuen solches Wissen, solche Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Deutungsschema zugänglich zu machen, die sie sich nicht ohnehin durch das ganz normale Heranwachsen, die Sozialisation in Familien, Schulen, Betrieben und durch die Teilnahme an der massenmedialen Kommunikation erschließen. Es geht also um Bildung, d.h. um die Eröffnungen neuer Horizonte des Erlebens, Denkens und Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 39 Handelns. Pädagogik akzeptiert damit die vermeintliche Alternativlosigkeit der dominanten Kultur nicht und will Individuen in die Lage versetzen, deren Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Sie kann grundlegend als eine Praxis charakterisiert werden, die Möglichkeiten anderen Erlebens, Denkens und Handelns eröffnet (s. Grossberg 1 994, 18). Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Die Kultur des Konsumkapitalismus verfügt über hocheinflussreiche Möglichkeiten, den Glauben zu verbreiten, dass der Besitz bestimmter Waren ein zentrales Ziel der individuellen Lebensführungsein soll. Im Extremfall werden Individuen veranlasst, bestimmte Kleidungsstücke bestimmter Marken als unverzichtbares Definitionselement ihrer Identität zu betrachten. Demgegenüber steht Pädagogik vor der Aufgabe, Individuen zur Distanz gegenüber der Überzeugung zu verhelfen, dass sich die Wertschätzung und die Identität aus seinem Konsum ableiten sowie durchschaubar zu machen, worin die kulturelle Macht der Konsumkultur begründet ist (s. Willis 1 990). Auf Subjekt-Bildung zielende Pädagogik versteht sich zweitens nicht als bloße Vermittlung des gesellschaftlich als gültig und wertvoll betrachteten Wissens, nicht als ein einseitiger Transport wissenswerten Wissens in die Köpfe der Lernenden. Ihr Gegenstand sind vielmehr die grundlegenden Beziehungen, die Individuen zu sich selbst undzu anderen, zu den gesellschaftlichen Strukturen und zur Natur eingehen. Sie sieht ihren Auftrag darin, Individuen Möglichkeiten einer Klärung, Überprüfung und Veränderung dieser Beziehungen anzubieten. Ihr grundlegendes Interesse ist die Erweiterung der Horizonte, vor deren Hintergrund Individuen ihre lebensgeschichtlichen Erfahrungen und ihre aktuelle Situation i nterpretieren sowie ihre lebenspraktische Zukunft entwerfen. Dies schließt die reflektierte Auseinandersetzung mit der individuellen Lebensgeschichte und Lebenssituation und das darin begründete Verständnis der eigenen sozialen und persönlichen Identitäten ein. Anerkenn ungs- und subjekttheoretisch fundierter Pädagogik stellt sich deshalb drittens die Aufgabe, Individuen bei Vergewisserung über ihre Lebensgeschichte sowie der Überprüfung und Klärung ihrer Identitäten zu unterstützen. Sie setzt nicht voraus, dass Individuen eine kulturelle Identität haben, die durch ihre soziale und ethnische Herkunft bestimmt und unveränderlich ist, sondern will Individuen befähigen, sich mit Identifikationen und Zugehörigkeiten kritisch auseinander zu setzen. Eine solche Pädagogik kann viertensdadurch charakterisiert werden, dass sie die subjektiven Erfahrungen, das lebenspraktische Wissen, die Ängste und Hoffnungen ihrerAdressaten nicht ignoriert oder für unbedeutsam erklärt, sondern dass sie diese aufgreift und als wichtig betrachtet. Denn wenn es darum gehen soll, Individuen Möglichkeiten eines anderen Selbst- und Weltverständnisses zu eröffnen, dann haben sich entsprechende Angebote daran zu bewähren, ob sie zu einem Albert Scherr 40 besseren Verständnis der konkreten Erfahrungen und der konkreten Lebenssituation ihrer Adressaten verhelfen. Dies aber ist nur dann möglich, wenn Themen und Inhalte von Erziehung und Bildung auf entsprechendes Vorwisssen Bezug nehmen, wenn dieses zur Sprache gebracht werden kann und nicht ignoriert wird. Pädagogische Praxis ist deshalb fünftens aufgefordert, sich als eine „dialogic practice, which aims to allow the silenced to speak" (Grossberg 1994, 16) zu verstehen. Wenn es hier darum geht, Erfahrungen zu klären, andere Sichtweisen eigener Erfahrungen zu ermöglichen, verfestigte Wahrnehmungs-, Deutungs- und Bewertungsschemata aufzubrechen, dann kann dies nur in Prozessen geschehen, in denen sich Chancen eröffnen, solche Erfahrungen zur Sprache zu bringen. Dies hat zur Bedingung, dass Teilnehmer an Erziehungs- und Bildungsprozessen als Subjekte anerkannt werden, deren Erfahrungen und deren Wissen relevant und nicht minderwertig ist, in denen sich Lehrer und Schüler als Partner in einem Dialog respektieren. Die Anerkennung der Individuen als Subjekte, als selbstbewusstseins- und selbstbestimmungsfähige Personen, ist also nicht nur Ziel, sondern auch Methode pädagogischen Handelns. Pädagogische Praxis vollzieht sich in kleinen Schritten, die darauf ausgerichtet sind, Möglichkeiten einer selbstbestimmten Lebenspraxis zu eröffnen, gegebene Beschränkungen, die Individuen auferlegt sind und die sie sich selbst auferlegen, zu überwinden. Dies erfordert grundlegenden Respekt vor der Eigenverantwortlichkeit der Einzelnen für ihre Lebensgestaltung. Anmerkungen 1 Trotz aller Skepsis gegenüber ihren Möglichkeiten wird der Pädagogik recht Vielfältiges zugetraut und zugemutet. So war in den 80er Jahren Friedenserziehung en vogue, was seit der Umdefinition von Armeen zu vermeintlichen Menschenrechtsorganisationen nicht mehr als zeitgemäß gilt. Anfang der 90er Jahre und aktuell soll Pädagogik einen Beitrag zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt leisten. Neuerdings zeichnet sich eine neue Konjunktur ökonomisch akzentuierter Bestimmungen des Bildungsauftrags ab, die mit dem erwartbaren Scheitern bildungsökonomischer Illusionen zu Ende sein wird; vielleicht gewinnt dann in Folge des Klimawandelns wieder das Programm der Ökopädagogik Einfluss. Man kann den Eindruck gewinnen, dass andernorts nicht lösbare Probleme gerne in pädagogische Programme umformuliert werden. Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 41 2 Inzwischen liegt bei der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz sogar bereits ein Multiplikatorenpaket mit dem Titel „Subjektorientierung als didaktisches Prinzip" vor. 3 Dieser Beitrag ist als einEinführungstextangelegt,derbegrifficheGrundlagenverdeutlichr; er basiert auf einem zuerst für eine US-amerikanische Publikation verfassten Artikel, der für diesen Band überarbeitet und erweitert wurde. 4 Theodor Geiger (1891-1952) ist ein heute nur noch Insidern bekannter Begründer der Erziehungs- und Bildungssoziologie; er hat Mitte der 1920er Jahre die klassische Studie, Die soziale Schichtung des deutschen Volkes' vorgelegt, die eine mehrdimensionale Ungleichheitstheorie enthält, die vieles vorwegnimmt, was in Pierre Bourdieus Theorie des sozialen Raumes dargestellt ist. 1993 wurde ihm seine Lehrbefugnis an der Universität Braunschweig entzogen und er floh nach Dänemark. 5 Hintergrund dessen ist die Kritik von Theorien, die Sozialisation und Erziehung als Anpassung asozial gedachter Individuen an die ihnen vermeintlich äußerlichen Erfordernisse sozialen Zusammenlebens bestimmen. 6 S. als Übersichten Grubauer u.a. 1992; Habermas 1988; Honneth 1992; Luhmann 1993; Ritsert 1993 und 2001; Taylor 1996; Todorov 1998. In der neueren deutschsprachigen erziehungswissenschaftlichen Diskussion fungiert Honneth (1992) als der zentrale Referenzautor für anerkennungstheoretische Argumentationen; dies ist insofern problematisch, als seine hegelianische Kernfigur des Kampfes um Anerkennung dazu tendiert zu übersehen, dass das Herr-Knecht-Verhältnis nicht problemlos als das Kernparadigma menschlicher Sozialität beansprucht werden kann (s. dazu kritisch Gross 1994; Todorov 1998, 33 ff) 7 Individualisierung kann entsprechend auch nichts anderes meinen als einen Wandel der Formen dieses Zusammenhanges, was in trivialisierten Varianten der Individualisierungsthese gelegentlich übersehen wird; s. zur Kritik Scherr 2000. 8 Respekt, ein in der pädagogischen Fachliteratur leider unüblicher Begriff, kann als Wertschätzung des anderen unabhängigvon der besonderen Gestalt seiner Lebenspraxis verstanden werden. 9 Die Formulierungen dieses Absatzes sind grobe Vereinfachungen und dienen als solche nur der Markierung des roten Fadens des Diskurses. 1 0 Kant fordert bekanntlich den Mut ein, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, appelliert also an den Willen, sich nicht unterzuordnen. Il Angesprochen istdamitdieanhaltendeKrisedesMarxismusalsTheorieunddieVerlagerun i nnovativer gesellschaftstheoretischer Entwicklungen in den Kontext der Systemtheorieg Luhmann'scher Prägung. 12 Jürgen Ritsert hat in zahlreichen Studien den Versuch einer solchen Reinterpretation Adornos unternommen, die sich der verfallsgeschichtlichen Deutung entzieht bzw. diese deutlich relativiert (s. etwa Ritsert 1983 und 2001). 13 Diese Behauptung trifft selbstverständlich auf die Arbeiten von Peter Euler, Andreas Gruschka, Ludwig Ponkratz, Heinz Sünker, Michael Winkler u.a. nicht zu (s. etwa die Beiträge in Sünker/Krüger 1999). 14 Die gängige Rede von Identität fasst die drei ersten Dimensionen in unklarer Weise zusammen. 15 Bekanntlich hat Luhmann verschiedentlich eine dezidierte Kritik des Subjektbegriffs formuliert (etwa: Luhmann 1997, 1016 ff.). Diese bestreitet aber gerade nicht die Autono- Albert Scherr 42 Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen 43 mie individuellen Denkens und Handelns im Verhältnis zu sozialen Prozessen, sondern Grossberg, Lawrence 1994: Introduction: Bringin' it all back home - Pedagogy and Cultural (Luhmann 1995,55). DieNäheLuhmannszursubjekttheoretischen Diskussion wird weiter auch daran deutlich, dass Sozialisation theoretisch als Selbstsozialisation gefasst wird, was Grubauer, Franz/Risert, Jürgen/Scherr, Albert/Vogel, Martin R. (Hrsg.) 1992: Subektivität Bildung - Reproduktion. Weinheim Differenzierung und Individualität kann hier nicht eingegangen werden; s. dazu Luhmann (1993) und Nassehi (1999, 85 ff. und 105 (E) sowie die Hinweise im folgenden Abschnitt. Hall, Stuart 1992: The Question of Cultural Identity. In: Smart Hall u.a. (ed.): Moderniry and „nur" die Annahme weltkonstitutiver Subjektivität und hält die Frageeiner Konvergenz der eigenen Überlegungen mit der Tradition der Bewusstseinsphilosophie ausdrücklich offen nicht determinierte Eigenaktivität psychischer Systeme voraussetzt. 16 Auf die gesellschaftstheoretischen Bestimmungen des Zusammenhanges von funktionaler 17 „Das soziale Selbst des Menschen ist die Anerkennung, die er von seinem Mitmenschen erhält. Wir sind nicht nur Herdentiere, die gerne in der Nähe der Gefährten sind, wir haben auch die angeborene Neigung, von anderen Wesen unserer Gattung bemerkt, billigend bemerkt zu werden."games 1904, 293) Damit ist eine m.E. zentrale Aufgabe erziehungswissenschaftlicher Forschung benannt. 18 19 Ein solcher Bruch mit der vorschulischen Erfahrung ist gleichwohl nicht vermeidbar; s. Schwander 1990. Literatur Adorno, Theodor W. 1956: Individuum. In: Institut für Sozialforschung: Soziologische Exkurse. Frankfurt/M., S. 40-49 Adorno, Theodor W. 1970: Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt/M. Bambey, Andrea 1991: Das Geschlechterverhälmis als Anerkennungsverhältnis. Frankfurt/M. Bernstein, Basil 1971: Der Unfug mit der kompensatorischen Erziehung. In: Bernstein, Basil u.a. (Hrsg.): Lernen und soziale Struktur. Amsterdam, S. 34-47 Bommes, M./Scherr, A. 2000: Soziologie der Sozialen Arbeit. Weinheim/München Bourdieu, Pierre 1985: Sozialer Raum und Klassen. Frankfurt/M. Bourdieu, Pierre 1987: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt/M. Braverman, Harry 1974: Labor and Monopoly Capital. The Degradation of Work in The Twentieth Century. New York/London Brumlik, Micha 1992: Advokatorische Ethik. Bielefeld Norbert/Scotson, John L. 1965: Etablierte und Außenseiter. Frankfurt/M. 1993 (The Elias, Established and the Outsiders, London Von Foerster, Heinz 1997: Abbau und Aufbau. In: Simon, Fritz B. (Hrsg.): Lebende Systeme. Frankfurt/M., S. 32-51 Freire, Paolo 1970: Pädagogik der Unterdrückten. Reinbek Geiger, Theodor 1930/1977: Erziehung als Gegenstand der Soziologie. In: Götz, Bernhard/ Kaltschmid, Jürgen (Hrsg.): Erziehungwissenschaft und Soziologie. Darmstadt, S. 63-89 Giddens, Anthony 1984: The Constitution of Sociery. Cambridge Goffman, Erving 1972: Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt/M. Gross, Peter 1994: Der Kampf als Maß aller Dinge? In: Soziologische Revue, 17. Jg., S. 16-21 Studies. In: Henry A. Giroux/Peter McLaren (ed.): Between Borders. Pedagogy and the Politics of Cultural Studies. New York/London, S. 1-28 Habermas, Jürgen 1988: Individuierung durch Vergesellschaftung. In: ders.: Nachmethaphysisches Denken. Frankfurt/M., S. 187-241 its Fumres. Milton Keynes: Polity Press/The Open University, S. 271-316 Hall, Stuart 2000: „Ein Gefüge von Einschränkungen". In: Engelmann, Jan (Hrsg.): Die kleinen Unterschiede. Der Cultural-Studies-Reader. Frankfurt/New York, S. 99-122 Honneth, Axel 1992: Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatiksozialer Konflikte. Frankfurt/M. Honneth, Axel 1993: The Critique of Power: Reflective Stages in a Critical Theorry. Cit Press James, William 1904: Principles in Psychology. Bd. 1. New York Krappmann, Lothar 2001: Bindungsforschung und die Kinder- und Jugendhilfe - was haben sie einander zu bieten? In: Neue Praxis, H. 4, S. 338-356 Luhmann, Niklas 1993: Individuum, Individualität, Individualismus. In: Ders.: Gesellschafsstruktur und Semantik. Bd. 3. Frankfurt/M., S. 149-258 Lohmann, Niklas 1995: Die Autopoiesis des Bewusstseins. In: ders.: Soziologische Aufklärung 6. Opladen, S. 55-112 Luhmann, Niklas 1995: Takt und Zensur im Erziehungssystem. In: Luhmann, Niklas/Schorr, Karl-Eberhard (Hrsg.): Zwischen System und Umwelt. Frankfurt/M., S. 279-294 Luhmann, Niklas 1997: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M. McLaren, Peter 1994: Multiculturalism and the postmodern Critique: Toward a Pedagogy of Resistance and Transformation. In: Henry A. Giroux/Peter McLaren (ed.): Between Borders. Pedagogy and the Politics of Cultural Studies. New York, S. 192-224 Mmd, George Herbert 1932/reprinted 1980: The Philosophie of the Present. EditedhyArthur E. Murphy. Chicago Mead, George Herbert 1962: Mind, Self and Society. Edited by C. W. Morris, Chicago Meuler, Erhard 1993: Die Türen des Käfigs. Stuttgart Nassehi, Armin 1999: Differenzierungsfolgen.Opladen Rissen, Jürgen 1983: Hegel verstehen. Frankfurt/New York Ritsert, Jürgen 2001: Soziologie des Individuums. Darmstadt Scherr, Albert 1997: Subjektorientierte Jugendarbeit. Weinheim/München Scherr, Albert 1998: Subjektivität und Anerkennung. In: Kiesel, Doron/Scherr, Albert/Thole, Werne (Hrsg.): Standottbestimmung Jugendarbeit. Schwalbach/Ts., S. 147-163 Scherr, Alben 2000: Individualisierung-Moderne-Postmoderne. In: Kron, Thomas (Hrsg.); Individualisierung und soziologische Theorie. Opladen, S. 185-202 Schert, Alben 2002: Sozialisation, Person, Individuum. In: Korte, Hermann/Schäfers, Bernhard (Hrsg.): Einführung in die Hauptbegriffe der Soziologie. Opladen, S. 45-66 Scherr, Albert 2001: Interkulturelle Bildung als Befähigung zu einem reflexiven Umgang mit kulturellen Einbettungen. In: Neue Praxis, H. 4/2001, S. 347-357 Schwandet, Michael W. 1990: Schulstart: Anfang als Bruch und Wiederholung. In: Lohmann, 44 Albert Scherr Niklas/Schort, Karl-Eberhard (Hrsg.): Zwischen Anfang und Ende. Frankfurt/M., S. 113161 Schütz, Alfred 1974: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Frankfurt/M. Sennen. Richard 1998: The Corrosion of Charakter. New York e/ lobal/n /fazarp frankfun . mpg. d g Singer, Wolf2001:Ignorabimus?-Ignoramus. www.mpih tikel Sünker, Heinz/Krüger, Heinz-Hermann (Hrsg.) 1999: Kritische Erziehungswissenschaft am Neubeginn? Frankfurt/M. Taylor, Charles 1996: Quellen des Selbst. Frankfurt/M. Todorov, Tzvetan 1998: Abenteuer des Zusammenlebens. Frankfurt/M. Vogel, M.R. 1992: Bildung zum Subjekt - Selbst und gesellschaftliche Form. In: Grubauer, Franz u.a. (Hrsg.): Subjektivität - Bildung - Reproduktion. Weinheim Weber, Max 1972: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Tübingen Willis, Paul 1990: Common Culture, Boulder: Westview Winkler, Michael 1988: Eine Theorie der Sozialpädagogik. Stuttgart Anerkennung, Respekt und Achtung 45 Benno Hafeneger Anerkennung, Respekt und Achtung. Dimensionen in den pädagogischen Generationenbeziehungen Inder pädagogischen Diskussion gibt es etwa seit Mitte der 90er Jahre eine Thematisierung von Generationenverhältnissen und -beziehungen und damit eine' Renaissance pädagogischer Kategorien und Dimensionen. Es mehren sich die Themen des pädagogischen Denkens über Beziehung und den Umgang im Mikrokosmos von Schule und Jugendarbeit, die lange Zeit vernachlässigt wurden und - bezogen auf ihren historischen Fundus - verschüttet waren. Sowohl in der allgemein- und schulpädagogischen Diskussion als auch in der Sozialpädagogik und J ugendhilfe, der Jugendarbeit und politischen Bildung wird (wieder) über die pädagogischen Binnenverhältnisse (den Binnenraum), über mikrodidaktische Fragen, Professionalität und die Bedeutung von (in der Schule) organisierten und (in der Jugendarbeit) offenen pädagogischen Generationenbeziehungen sowie pädagogisches Handeln mit all ihren zugehörigen Strukturfragen nachgedacht und empirisch geforscht (vgl. Combe/Helsper 1996). Neben Begegnung, Dialog, Beziehung, Takt oder auch Vertrauen, Klima und Atmosphäre haben die drei pädagogischen, mikrodidaktischen und berufsethischen Kategorien Anerkennung, Respekt und Achtung historisch wie aktuell eine besondere Bedeutung. Sie gehören als Arbeit, Aufgabe und Auftrag, als Interaktion zwischen den Professionellen und seiner Klientel -sowie gleichzeitig an das Soziale und Strukturelle rückgebunden - zum Spannungsfeld und Kernstück des beruflichen Selbstverständnisses. Bei den drei Dimensionen mit der zugehörigen Selbstachtung, -anerkennung und dem Selbstrespekt wird davon ausgegangen, dass gelingende Lern- und Bildungsprozesse an interaktive Prozesse und an deren Verwobenheit gebunden sind. Dem liegt wiederum die Annahme zugrunde, dass Lernen immer auch „durch die Personen hindurchgehen" und dieAneignungvon Welt und Sachen/Sachverhalten immer auch davon abhängig ist, welche erwachsenen Personen wie i n den pädagogischen Generationenbeziehungen „wirken" und vermitteln bzw. selbst im Spannungsfeld von Vermittlung und Aneignung mit ihnen umgehen. Dam it wird ein Feld betreten, das von vielfältigen Antinom ien und Ambivalenzen-zwischen Kontrolle (Disziplinierung) und Unterstützung (Förderung) - geprägt ist, und das u.a. die Gefahr beinhaltet Erziehung und Bildung zu pädagogisieren und zu harmonisieren oder auch wieder zu verzaubern und damit Strukturen und Bedingungen - des Bildungssystems - unter den Benno Hafeneger Peter Henkenborg Albert Scherr (Hrsg.) Benno Hafeneger Peter Henkenborg Albert Scherr (Hrsg.) Pädagogik der Anerkennung Grundlagen, Konzepte, Praxisfelder Menschen sind auf soziale Anerkennung angewiesen. auf soziale Beziehungen, in denen sie Beachtung und Wertschätzung erfahren. Die- se grundlegende sozialphilosophische Einsicht wird in den Beiträgen dieses Bandes für die pädagogische Theorie und die empirische For- schung fruchtbar gemacht. Die Autoren, ausgewiesene Erziehungs- und Sozialwissenschaftler. stellen die Grundlagen einer Pädagogik der Anerkennung dar und zeigen deren Bedeutung für unterschied che Bereiche pädagogischer Praxis auf. Damit leistet der vorliegende Band einen wichtigen Beitrag zur Klärung des Selbstverständnisses moderner Pädagogik. Er fordert ZU einer Analyse der Anerkennungsverhältnisse in pädagogischen Institutionen und Prozessen auf. Darüber hinaus werden Argumente entwickelt, die dazu befähigen. kritische Distanz zu den vielfältigen gesellschaftlichen Aufgabenzuweisungen an die schulische und außerschulische Erziehung und Bildung einzunehmen. Die Pädagogik der Anerkennung ist ein Grundprinzip pädagogischen Handelns. Deshalb wendet sich das Buch an alle, die in dem Feld Schule. Hochschule und Jugend- und Erwachsenenbildung tätig sind. ä) N 2 Q) r U a D ö c ö c) • x C m Q) Y C Q G) • Y • c 0) a I SBN 3-87920-273-7 O x 0) d C i 47 i/4' Iman •' pr Politik und Bildung Pädagogik der Anerkennung Grundlagen, Konzepte, Praxisfelder