Eltern – Baby – Psychotherapie, Behandlung psychisch kranker Eltern mit ihren Babys, Behandlungskonzept der Hamburger Eltern-Baby-Tagesklinik Dr. med. Christiane Deneke, Hamburg Inhalt n n n n n n n n n Wer ist der Patient? Wodurch entstehen Probleme in der frühen Lebenszeit? Wie äußern sie sich? Psychische Erkrankungen in der Schwangerschaft Postpartale psychische Erkrankungen Möglichkeiten der Intervention Psychotherapie Interaktion Konzept der Hamburger Eltern-Baby-Tagesklinik Wer ist der Patient? n n n n n n Erwartung und Geburt eines Kindes machen die Kindheitsgeschichte der Eltern wieder lebendig Die unbewussten Einstellungen der Eltern beeinflussen den Umgang mit dem Baby maßgeblich Das Baby reagiert – offenbar auch schon intrauterin – auf die Gefühle der Eltern Das Baby bringt eigene Merkmale mit, die die Eltern beeinflussen Die auf diese Weise entstehenden Teufels- oder „Engelskreise“ (Papousek) werden durch psychosoziale Risiko- /Schutzfaktoren verstärkt/ abgeschwächt Der „Patient“ ist also die prozesshafte Einheit von Eltern, Säugling und Umfeld Wodurch entstehen Probleme in der frühen Lebenszeit? n Eigene unbewältigte Kindheitsgeschichte der Eltern q q q q q Identifikation mit dem Baby – eigene Traumata werden wiedererlebt Identifikation mit dem traumatisierenden eigenen Elternteil Gespenster im Kinderzimmer: Kind repräsentiert eine signifikante Person/ Beziehungserfahrung der eigenen Geschichte Beziehungsmuster werden wiederholt Kind repräsentiert unbewusste eigene Aspekte (narzißtische Projektionen, Richter) Wodurch entstehen Probleme in der frühen Lebenszeit? n n n Paarkonflikte tauchen auf/ verschärfen sich q Unterschiedliche biographische Hintergründe, werden wieder virulent q Unterschiedlicher Einstellungen zur Eltern-/ Partnerschaft werden aktuell q Ungewohnte Belastung durch das Baby führt zu Konflikten Defizite in der psychosozialen Einbettung der jungen Familie (s. Risikofaktoren) Die genannten Faktoren begünstigen die Entstehung oder Exazerbation psychischer Erkrankungen der Eltern Beitrag des Säuglings zu Problemen in der Beziehung n Biologische Ausstattung q q q q Frühgeburtlichkeit Krankheit Behinderung Schwierige Temperamentsmerkmale n n n n Irritabilität Zurückgezogenheit Regulationsprobleme Wechselwirkung Anlage/ Umwelt Psychosoziale Risikofaktoren n n n n n n n n n Frühe Elternschaft Ein-Eltern-Familie Disharmonische Partnerschaft Niedriges Bildungsniveau Soziale Isolation Ungünstige sozio-ökonomische Bedingungen Wenig unterstützende Familienumwelt Psychische Erkrankung Ungenügende Bewältigungskompetenzen Ressourcen n n n n n n n n n n Geplante, gewünschte Schwangerschaft Stützende Paarbeziehung Triadische Kapazität der Eltern Freude an der Elternschaft Freier Zugang zu Kindheitserlebnissen Ablösung vom Elternhaus (bezogene Individuation) Gute Beziehung zur eigenen Mutter Unterstützendes soziales Netz Fehlen psychosozialer Stressfaktoren Gute Bewältigungskompetenzen Anpassungs- und Entwicklungsaufgaben der Eltern n n n Prä-, peri- und postnatale Beziehungsaufnahme zum Kind Aufbau von Selbstvertrauen in die eigenen intuitiven Kompetenzen Übergang zur Elternschaft q q n n n Identität in der Elternrolle finden Von der Zweier- zur Dreierbeziehung Psychodynamische Reorganisation, Aktivierung eigener Bindungs- und Beziehungserfahrungen Balance zwischen reaktivierten eigenen kindlichen Bedürfnissen und elterlicher Fürsorge Bindung und Lösung, Abhängigkeit und Autonomie Die wichtigsten Konflikte mit der Mutterschaft n Autonomie/ Abhängigkeit q n Aus eigenen unbefriedigenden bzw. bedrohlichen Beziehungserfahrungen progressive Abwehr in Form beruflicher Tüchtigkeit, Perfektion, distanzierter Beziehungen. Zusammenbruch in Konfrontation/ Identifikation mit dem abhängigen/ beziehungsfordernden Säugling bzw. der eigenen Abhängigkeit/ dem eigenen Nähewunsch Selbstliebe/ Mutterliebe q Das (gesellschaftlich geprägte) Ideal kollidiert mit eigenen unbefriedigt gebliebenen Bedürfnissen. Kind wird je nach Ausmaß der eigenen Aggression als Überforderung oder als Konkurrenz erlebt Wie äußern sich Probleme in der frühen Lebenszeit? n Während der Schwangerschaft q q n hochgradige Ambivalenz, Paarkonflikte, Ängste, Depression (bis zu einem gewissen Grad völlig normale Anpassungsreaktion) Neubeginn oder Exazerbation bestehender psychischer Krankheiten Postpartal q q q q Wie oben, außerdem: keine Freude am Kind, Ablehnung des Kindes, Aggressionen gegen das Kind Regulationsstörungen, Entwicklungs- und Gedeihstörungen ohne organische Ursache, reaktive Bindungsstörung Störungen der Interaktion Diese Dinge treten kaum isoliert auf Psychische Erkrankungen in der Schwangerschaft n n Grundsätzlich: die Schwangerschaft bietet keinen besonderen Schutz gegen psychische Erkrankungen, und die Zeit nach der Geburt bringt das höchste Risiko im Leben einer Frau, psychisch zu erkranken! Depressive Störungen q q q q q q 70% der Schwangeren berichten zeitweise Symptome einer Depression (abzuklären sind: physiologische Erscheinungen der Schwangerschaft, Schilddrüsenunterfunktion, diabetische Stoffwechsellage, Anämie) 10% haben bei strenger Diagnostik eine klinisch relevante depressive Störung Risikofaktoren: frühere Depression, familiäre Belastung, negative Lebensereignisse, Partnerprobleme, Schwangerschaftskonflikt, Ablehnung der Schwangerschaft Depression während der Schwangerschaft und Häufung von Risikofaktoren: Prädiktionsindex für postpartale Depression Stress, Ängste + Risikofaktoren in der Schwangerschaft sagen erhöhte Irritierbarkeit des Neugeborenen voraus Diese begünstigt wiederum das Auftreten einer postpartalen Depression (bei 80% vs. 19% bei risikobelasteten Müttern mit unauffälligen Neugeborenen) Psychische Erkrankungen in der Schwangerschaft n Schizophrenie q q q q Ein kleiner Teil erscheint besonders stabil (Schutz durch hohen Östrogenspiegel) Die Mehrheit ist schon während der Schwangerschaft überlastet, überfordert und deshalb rückfallgefährdet Schwangerschaften schizophrener Frauen sind besonders oft ungeplant oder unbedacht, Vorsorge, körperliche Pflege und Ernährung schlechter, Versuche vorzeitiger Selbstentbindung, Missbrauch des Föten und Neonatizid häufiger als im Durchschnitt Mehr Frühgeburten, perinatale Komplikationen, untergewichtige Neugeborene, was wiederum die Belastung der Mutter verstärkt Psychische Erkrankungen in der Schwangerschaft n Angststörungen q n Zwangsstörungen q q n Sowohl Besserung als auch Verschlimmerung in der Schwangerschaft möglich, keine Prädiktoren Deutlich erhöhtes Risiko während der Schwangerschaft Erhöhte Rate von Ersterkrankungen Bipolare Störungen q q Manche Patientinnen bleiben auch nach Absetzen der Prophylaxe ausgeglichen In 50% erneute Krankheitsphase Psychische Erkrankungen in der Schwangerschaft n Konflikt- und Anpassungsreaktionen bei „glückloser“ Schwangerschaft q q q q q q Ungelöste Schwangerschaftskonflikte Durch die Schwangerschaft wieder aufgetauchte oder verstärkte eigene unverarbeitete psychische Probleme („Gespenster“) Interruptio, Fehlgeburt Schwangerschaftskomplikationen, traumatisch erlebte Schwangerschaft Drohende Frühgeburt Drohende Behinderung, Missbildung, angeborene Erkrankung des Kindes Postpartale psychische Erkrankungen n „Babyblues“ Anpassungsreaktion leichterer Art, schwerere Erkrankung darf nicht als Babyblues verharmlost werden! Alles, was länger als 3-5 Tage dauert und/ oder schwerer erscheint als eine leichte depressive Verstimmung, muss rasch behandelt werden! n n n Postpartale Depression nach 10–15% aller Geburten Postpartale Psychose nach 0,1-0,2% aller Geburten Postpartale Anpassungsstörung nach traumatischer/ Frühgeburt, bei Missbildung, Krankheit, Behinderung des Kindes n Exazerbation bestehender Erkrankungen q q q q q Bipolare Störung: in 30-50% schwere Wochenbettpsychose, Prädiktionsindex: Erstgeburt, Sektio, frühere Wochenbettpsychosen Angststörungen: deutlich erhöhte Vulnerabilität (90% der Frauen mit früheren Panikstörungen erleiden Rückfall im Wochenbett) Zwangsstörungen: deutlich erhöhtes Risiko Persönlichkeitsstörungen: oft erst einmal als Depression „maskiert“ Schizophrenie: hohe Rückfallrate Hospitalisierung in der Psychiatrie in den ersten 30 Tagen nach einer Geburt 35fach, in den ersten 90 Tagen noch 12,7fach erhöht Regulationsstörungen n n n n Sehr häufige Störungsbilder (hohe Vulnerabilität in dieser Lebensphase): 20-35% Exzessives Schreien: mehr als 3 Wochen an mehr als 3 Tagen über mehr als 3 Stunden (WesselRegel), Eltern hilflos Schlafstörungen oft Ausdruck einer ungelösten Trennungsproblematik Fütterstörung q q Füttersituation von den Eltern längere Zeit als unangemessen empfunden Kind nimmt nicht zu oder verliert mindestens einen Monat Gewicht Entwicklungs- und Gedeihstörungen n n n Retardierung der Entwicklung (global = motorisch, kognitiv, sozial-emotional) tritt relativ rasch auf: schon 3 Monate mit einer depressiven Mutter als alleiniger Bezugsperson haben deutliche Folgen, die aber auch rasch wieder ausgeglichen werden können. Je länger die Deprivation anhält, desto schwerer und weniger gut kompensierbar die Folgen Gedeihstörung: Körpergewicht konstant unter der Norm, dauerhafte körperliche Schädigung möglich. Ohne globale Retardierung: Anzeichen für chronische Fütterprobleme, mit globaler Retardierung: Anzeichen für schwere Deprivation Starke Retardierung ohne oder mit Gedeihstörung eines ansich gesunden Kindes ist Symptom stärkerer Vernachlässigung, eine mehrdimensionale Intervention ist erforderlich Reaktive Bindungsstörung n n n n Zeichen von Vernachlässigung/ Misshandlung/ Missbrauch Abnormes Beziehungsmuster zu den primären Betreuungspersonen mit widersprüchlichen sozialen Reaktionen: Furchtsamkeit, Dissoziation oder Aggressivität gemischt mit Zuwendung Zuwendung eher zu anderen als den primären Betreuungspersonen, wenn Schutz oder Trost gebraucht wird Mehrdimensionales Vorgehen erforderlich Alarmsignale n Mutter/ Vater q q n Kind q q q q n Angstvolles Erstarren (freezing) „Wegtreten“ (Dissoziieren) Anklammern an Fremde Deutliche Vernachlässigungszeichen Umgebung q n Nicht reflektierbare Gleichgültigkeit, Ablehnung des Kindes, offene Feindseligkeit Selbstgefährdung Gewalt, Alkohol, Drogen Grenze für Psychotherapie, mehrdimensionales Vorgehen erforderlich Möglichkeiten der Intervention n n n Allgemein q Unterstützung der Eltern q Organisation von Begleitung zuhause q Kontakte, Beschäftigungsangebote mit Kind Förderung einer positiven Beziehung zum Kind q Sensitivitätstraining (Babymassage, PEKIP etc) q Anleitung im Umgang Spezifische Beratung q Krankheitsbezogen q Entwicklungsbezogen Symptombezogen (z.B. bei Regulationsstörungen) q n Psychiatrische Behandlung Psychotherapie Grundsätzlich: positive, ressourcenorientierte Einstellung zu den Eltern! n Psychotherapie in der frühen Kindheit n n Schwangerschaft Säuglings- und Kleinkindzeit q q q n Indikationen für q q q n Analytisch orientierte Verfahren Am Verhalten orientierte Verfahren Arbeit mit Video Einzeltherapie Mutter/ Vater/ Kind Paartherapie Gruppentherapie Berücksichtigung des psychosozialen Umfelds Psychische Erkrankung in der Schwangerschaft : Behandlung n n n n n Grundsätzlich: Ernstnehmen, denn psychisch belastete Schwangere neigen eher zum Herunterspielen ihrer Probleme (Erwartungsdruck) Konfliktzentrierte Gespräche, Beratung über Hilfen Häufige Kontakte, Aufbau eines unterstützenden sozialen Netzes Psychotherapie bei entsprechender Indikation Medikamentöse Behandlung: Risiko und Nutzen abwägen, bei stärkerer Symptomatik gelegentlich auch im 1. Trimenon unerlässlich Psychotherapie in der Schwangerschaft n n n n Psychoanalytisch orientiert Einzeltherapie der werdenden Mutter bei reaktivierten eigenen Konflikten aus der Vergangenheit – aber auch hier Einbeziehung des Partners bedenken, der in die Problematik involviert ist Partnertherapie bei entsprechenden Problemen Bei früherem sexuellen Missbrauch an Vorkehrungen für die Geburt denken Psychotherapie von Säuglingen und Kleinkindern mit ihren Eltern n n n „Rein“ psychoanalytisch orientiert: Arbeit an den inneren Vorstellungsbildern der Eltern, die in Anwesenheit des Babys auftauchen. Video hilfreich, aber nicht erforderlich. Eltern-Säuglings-Psychotherapie nach S. Fraiberg: psychoanalytisch orientiert mit aktiver Förderung einer positiven (Mutter-) Übertragungsbeziehung zwischen Therapeutin und Mutter. Hausbesuche günstig. Besonders geeignet für Risikogruppen. Video hilfreich, aber nicht erforderlich. Psychoanalytisch orientierte Video-Mikroanalyse (B. Beebe): Videosequenzen werden mit den Eltern angeschaut, die dabei auftauchenden Gefühle, Erinnerungen, Konflikte zum Thema gemacht Psychotherapie von Säuglingen und Kleinkindern mit ihren Eltern „Interaction - Guidance“ (Susan McDonough): stark ressourcenorientierte, am konkreten Verhalten orientierte Video - Feedback - Methode. Besonders geeignet für Risikogruppen. n „Watch, Wait and Wonder“: Video - Feedback, bei dem die Eltern erst einmal nur sich zurückhalten und ihr Kind beobachten sollen. Besonders geeignet für überstimulierende Eltern n „Augenblicke der Begegnung“: kommunikationszentrierter Ansatz (M. Papousek), wobei glückliche Momente von gutem Eltern - Kind - Kontakt herausgegriffen und positiv verstärkt werden. Alle genannten und die vielen ungenannten Methoden ähneln sich mehr als dass sie sich unterscheiden Die Väter werden nur fakultativ mit einbezogen. n Besondere Formen n n n Psychoanalytische „Einzeltherapie“ des Säuglings (Schule Lacan: Dolto, Eliacheff) Mutter-Vater-Baby-Therapie, abgeleitet vom Lausanner Spiel zu dritt (Fivaz, v. Klitzing) Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung beim Baby und Kleinkind: schrittweise Annäherung an das Trauma von einer sicheren Basis aus Indikationen für andere Settings n Einzeltherapie q q n Paartherapie q n Wenn die Partnerprobleme im Vordergrund stehen bzw. die Problematik immer wieder schüren. Gruppentherapie q n Mutter oder Vater: wenn die individuellen Probleme mit der Elternschaft im Vordergrund stehen bzw. durch Eltern-BabyBeratung oder –Therapie deutlich geworden sind Kind: bei Kleinkindern ab ca. 2 J bei schwerer, verfestigter Symptomatik infolge traumatischer Einwirkungen und/ oder wenig zugänglichen Eltern (natürlich ist dabei auch intensive Arbeit mit den Bezugspersonen notwendig) Mütter-Baby-Gruppen, Müttergruppen, Vätergruppen, auch ergänzend zu anderen Behandlungsformen als zusätzliche Unterstützung: Austausch, Überwindung von Scham und Isolation, Lernen am Modell Flexibles Setting q Günstig: bis ein Fokus gefunden wird oder auch auf Dauer Besonderheiten der Psychotherapie in der frühen Kindheit (Stern: Mutterschaftskonstellation) n n n n Positive, die Eltern wertschätzende und ermutigende Einstellung Weniger abstinente Haltung Einbeziehen der nonverbalen Signale des Babys Flexibilität: Therapien können sehr rasch Erfolg haben, bei den nächsten Entwicklungsschritten aber erneut gebraucht werden Warum ist die Interaktion so wichtig? n n n Die Erfahrungen des Babys im Zusammenleben mit seinen Eltern bilden die Grundlage seiner seelischen Struktur. Wiederkehrende kleinste Kommunikationseinheiten werden zusammen mit dem begleitenden Gefühl gespeichert. Sie bilden die Grundlage für Erwartungen an die Umwelt und das Selbsterleben. Es ist also die Interaktion, über die sich elterliche Einstellungen und Probleme mitteilen und Eingang in die Ausbildung der psychischen Struktur des Kindes finden (Selbstbild, Erwartungen an andere, Vertrauen in die eigenen Selbstwirksamkeit bzw. in die Unterstützung durch andere Menschen etc.). Eine anhaltende Störung der Eltern - Kind - Interaktion sagt spätere psychische Entwicklungsprobleme des Kindes voraus Daher ist die Beobachtung und Behandlung der Interaktion ein wichtiger Bestandteil der frühen Interventionen Postpartale psychische Erkankungen Interaktion ¢ ¢ Grundsätzlich keine Spezifität, d.h. jeder Einzelfall muss individuell eingeschätzt werden Stärkere Beeinträchtigung des Interaktionsbeitrags der Mutter bei — — — — — Florider Plus-Symptomatik Ausgeprägter Minus-Symptomatik Schizophrenen vs. bipolaren vs. unipolar depressiven Störungen Zusätzlichen belastenden Faktoren (schlechte Partnerbeziehung, schlechte Kindheitserfahrungen) In Fällen mit zusätzlicher Risikobelastung chronifiziert die Störung der Interaktion und bildet damit die Grundlage späterer Psychopathologie des Kindes Beobachtungen bei depressiven Müttern Ungestörte mütterliche Kompetenz möglich n Unterstimulation (mangelnde Responsivität) n Überstimulation (Kontrolle) n Wechsel dieser Zustände n Depressive Mütter sind meist weniger positiv unterstützend, weniger spielerisch, empathisch, fähig zur Regulation schwieriger Zustände beim Kind. Ein schwer depressiver Mensch ist als einzige Bezugsperson nicht geeignet Suizidgefahr beachten! n Beobachtungen bei manischen Müttern n n n n Ungestörte mütterliche Kompetenz nicht vorhanden Erhebliche Überstimulation mit positiver oder negativer, oft rasch wechselnder affektiver Tönung Gefährdung des Kindes durch unangemessenen Umgang, oft wird es behandelt, als sei es schon groß Ein Kind soll nicht mit einer akut manischen BP alleine bleiben! Beobachtungen bei schizophrenen Müttern n n n n n Ungestörte mütterliche Kompetenz phasenweise, abwechselnd mit anderen Interaktionsweisen Akute wahnhaft-halluzinatorische Symptomatik: Mutter soll nicht mit dem Kind alleine bleiben Bei Minus-Symptomatik: Nicht-Responsivität (als einzige Bezugsperson nicht geeignet) Achtung: das Kind kann in ein Wahnsystem einbezogen sein Denkstörungen können Gefährdung des Kindes bedeuten Beobachtungen bei Müttern mit Angstoder Zwangsstörungen n n n Enger Spielraum für einfühlsame Pflege, unbeschwertes Spiel und empathisch begleitete Exploration Bei Überschreiten der Grenzen starke, angstvoll bis aggressiv getönte Kontrolle Achtung: enger Einbezug in ein Angst- oder Zwangssystem bedeutet Gefährdung der kindlichen Entwicklung Beobachtungen bei Müttern mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen Sensitivität n Unterstimulation n Überstimulation n Erstickende Zärtlichkeit n Aggressive Ablehnung n Misshandlung In unvorhersehbar raschem Wechsel Die Unterstützung und Begleitung dieser Mütter und ihrer Kinder ist besonders wichtig und schwierig wegen der wechselnden Zustände, der u. U. plötzlich eintretenden Gefährdung des Kindes und der Nähe/ Distanzprobleme der Mütter. Langjährige Vertrauensbeziehungen sind notwendig! n Probleme in der frühen Entwicklung Beobachtungen der Hamburger Eltern-Baby-Tagesklinik n Auffälligkeiten der Kinder q q q q q q Reaktive Bindungsstörungen (45%) Regulationsstörungen (33%) Entwicklungsverzögerungen (33%) Hyperaktivität, riskantes Verhalten (17%) Gedeihstörung (11%) Frühe Anzeichen für Entwicklung eines falschen Selbst (Parentifizierung): ängstlicher Gehorsam, übermäßige Fürsorglichkeit als Versuch, die Mutter zu kontrollieren (30%) Verteilung der Bindungsmuster in Deutschland (nach Ziegenhain) n n n n Sichere Bindung bei 45 % der Kinder Unsicher-vermeidend bei 28 % Unsicher-ambivalent bei 7% Desorganisiert bei 20% q q q q q q Bei 50-80% misshandelter Kinder Bei 25-60% der Kinder mit depressiven Eltern Bei 40-55% der Kinder, deren Eltern unverarbeitete Verluste hatten Bei 43% der Kinder von alkohol-/drogenabhängigen Eltern Bei 20-60% der Kinder von jugendlichen/ alleinerziehenden Müttern Bei 35 % der Kinder mit schweren Auffälligkeiten wie Autismus, DownSyndrom, neurologischen Krankheiten Hamburger Eltern-Baby-Ambulanz und -Tagesklinik n Spezialambulanz seit 1994 Zielgruppe: psychisch belastete Eltern (meist Mütter) mit Säuglingen oder Kleinkindern bzw. schon in der Schwangerschaft Rahmen: kinder- und jugendpsychiatrische Institutsambulanz n Eltern-Baby-Tagesklinik seit 1998 Zielgruppe: psychisch belastete Eltern (vor allem Mütter) mit Babys < 1 Jahr Rahmen: 4 Behandlungsplätze in eigenen Räumen der kinder- und jugendpsychiatrischen Tagesklinik Angebote n Ambulanz q q q q q n Diagnostik Krisenintervention Beratung Behandlung Begleitung, Nachsorge Tagesklinische Behandlung Diagnostik n n n n n n Mutter: psychiatrischer Status (Krankheit, Selbstund Fremdgefährdung, Kompetenzen, insbesondere Empathie und Fähigkeit zur Selbstreflektion) Kind: Entwicklung, Probleme, insbesondere akute Gefährdung, Ressourcen Interaktion Partnerschaft: Unterstützung, Belastung? Weitere Familie: Unterstützung, Belastung? Soziales Netz Krisenintervention n n n Rasche Diagnostik und Einschätzung der Gefährdung von Mutter und Kind Lösungsorientiertes Vorgehen, d.h. die Familie verlässt den Raum nicht ohne eine konkrete Perspektive Möglichkeiten: Beratung, Medikation, Vermittlung stationärer Aufnahme mit/ ohne Kind, sofortige Entlastung der Familie, z.B. durch Haushaltshilfe Beratung n n n n n Krankheitsbezogen Entwicklungsbezogen Symptombezogen Die Ressourcen bestärken, aktivieren Organisatorisch: Unterstützung, Psychotherapie und kompensatorische Betreuung des Kindes vermitteln, das soziale Netz ausbauen etc. Behandlung n n n n n Psychotherapeutisch: Fokus auf Probleme mit der Elternschaft (Gespenster im Kinderzimmer, Traumata, Enttäuschung durch das reale Kind, Konflikte, z. B. Autonomie - Abhängigkeitskonflikt) Psychiatrisch, medikamentös (Kenntnisse über Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit!) Fokus auf Interaktion (Video - Feedback, nicht kritisierend, positiv verstärkend) Arbeit mit der Familie, dem sozialen Umfeld In der Tagesklinik zusätzlich q q q q q Pflege: Anleitung, Unterstützung, Modell, pos. Verstärkung Babymassage, Musiktherapie: Sensitivitätstraining Bewegungstherapie Interaktionstherapie: Video-Feedback Entwicklungsfördernde Behandlung des Babys Begleitung n n n n n Niederschwellig Langfristig Am Bedarf der Familie orientiert Nachbetreuung nach der akuten Phase, nach Entlassung aus tagesklinischer oder stationärer Behandlung Langfristige Nachbetreuung zur Sicherheit der Kinder und Familien vor allem bei chronischen Belastungen Eltern-Baby-Tagesklinik Aufnahmeindikationen n Mutter (Vater) q q q n Mutter-Kind-Beziehung q n Schwerwiegende Interaktionsstörung Kind q q q n Mangelnde Impulskontrolle Latente Suizidalität Nicht beherrschbare Ängste Regulationsstörung Entwicklungsverzögerung Bindungsstörung Soziales Netz: wenig tragend Eltern-Baby-Tagesklinik Kontraindikationen n n n n Fehlende Krankheitseinsicht Hoch akute Zustände Akute Suzidalität Nicht reflektierbare bzw. kontrollierbare Gefährdung des Kindes durch Misshandlung, Vernachlässigung Eltern-Baby-Tagesklinik Behandlungsmodule n Pflege q q q Unterstützung der Mutter/ des Vaters im Umgang mit sich selbst (Selbstpflege, Tagesstruktur, Wechsel von Anstrengung und Entspannung etc.) Unterstützung der Mutter/ des Vaters im Umgang mit dem Baby (Entlastung, Anleitung, Modell – dabei ausschließlich positive Verstärkung, weder Kritik noch Konkurrenz) Betreuung des Kindes (Sorge für sein körperliches Wohl, Regulationshilfe, Stimulation, Förderung im Einzel- und Gruppenspiel) Eltern-Baby-Tagesklinik Behandlungsmodule n Psychiatrisch – psychotherapeutische Behandlung q q q q q q q q Psychiatrische Diagnostik und Pharmakotherapie (in Zusammenarbeit mit der Erwachsenenpsychiatrie) Entwicklungsdiagnostik des Kindes und Planung der daraus resultierenden Behandlung Psychoanalytisch orientierte Einzelbehandlung der Mutter/ des Vaters (Fokus: Konflikt mit der Elternschaft) Videogestützte Interaktionsbehandlung Eltern-Kinder-Gruppe Paar-/ Familientherapie Vätergruppe Ambulante Nachsorge Eltern-Baby-Tagesklinik Behandlungsmodule n Fachtherapien q q q q Tanz- und Bewegungstherapie (Gruppen-, Einzelund Mutter-Kind-Behandlung) Ergotherapie (Eltern-Kind-Spielbehandlung, Anleitung zur Babymassage, sensorische Integrationsbehandlung) Musiktherapie ( Einzelbehandlung der Mutter, Mutter-Kind-Behandlung) Physiotherapie (Krankengymnastik für das Kind, Anleitung der Mutter im „Handling“, Massage für die Mutter) Eltern-Baby-Tagesklinik Behandlungsmodule n Sozialpädagogische Beratung q q q Unterstützung bei der materiellen Sicherung des Lebens (Sozialhilfe, Rente, Wohnung etc.) Vermittlung zusätzlicher Betreuungsangebote (Haushaltshilfe, Sozialpädagogische Familienhilfe etc.) Vermittlung der Unterstützung nach Entlassung (Tagespflege, Sozialpädagogische Familienhilfe, Ambulante psychiatrische Pflege, Betreutes Wohnen, Patenfamilie etc.) Voraussetzungen für diese Arbeit n Um den unterschiedlichen Aspekten gerecht zu werden q q q n Multidisziplinäres Team Regelmäßige Fortbildung Gemeinsame Schulung der Wahrnehmung Um die notwendige nicht parteiliche Haltung zu garantieren („Großelternübertragung“) q q Intensive Besprechungen Regelmäßige Supervision Ansätze zur Prävention n Stärkung protektiver Faktoren q q q q q q q q Gute Eltern-Kind-Beziehung Selbstreflexive Funktion der Eltern Offene Kommunikation in der Familie Anwesenheit und Verfügbarkeit einer gesunden Bezugsperson für die Kinder Möglichkeiten für die Kinder, wenigstens zeitweise ein unbelastetes Leben zu führen, einen eigenen Entwicklungsraum zu haben Gutes unterstützendes soziales Netz Austausch mit anderen ähnlich Betroffenen Abbau von Tabus in der Öffentlichkeit Präventive Interventionen n n n n n n n n n n Beratung für psychisch belastete Schwangere Beratung/ Behandlung bei Krisen nach der Geburt Gemeinsame Behandlung von Mutter und Kind in der Psychiatrie, dabei Augenmerk auch auf die Beziehung und die Entwicklung des Kindes Einbeziehen der Kinder in die Behandlung des Elternteils Familienberatung Enlastung der Eltern, Entlastung der Kinder Präventionsgruppen für Kinder, Gruppen für erwachsene Kinder Ausgleichende Freizeitangebote für die Kinder Elterngruppen Öffentlichkeitsarbeit The Tree (D. W. Winnicott) Mother below is weeping, weeping, weeping Thus I knew her Once, stretched out on her lap as now on dead tree I learned to make her smile to stem her tears to undo her guilt to cure her inward death To enliven her was my living Weitere Informationen n n n n n n n n www.frauen-und-psychiatrie.de www.schatten-und-licht.de www.marce-gesellschaft.de www.seelennot-ev.de www.bapk.de www.bag-kipe.de www.kipsy-net www.kinder-kranker-eltern.de