Umgang mit Psychisch kranken Eltern und ihren Kindern Y. Gudlowski Charité Universitätsmedizin Berlin Früherkennungs- und Therapiezentrum für beginnende Psychosen Berlin / Brandenburg Kinder psychisch kranker Eltern Mehr als 3 Mio. Kinder in Deutschland haben psychisch erkrankte Eltern. 1.555.000 1.230.000 740.000 270.000 Auszüge aus der High-Risk-Forschung Kinder psychisch kranker Eltern haben ein bis zu10-fach erhöhtes Risiko, selbst eine psychische Erkrankung oder psychische Auffälligkeiten auszubilden 1/3 der Kinder zeigt keinerlei Beeinträchtigungen 1/3 der Kinder zeigt vorübergehende Auffälligkeiten 1/3 der Kinder zeigt persistierende High-Risk-Forschung Risikofaktoren Einfluss nehmen: •genetische Ausstattung •individuelle Risikofaktoren (Symptomverhalten, kognitive und emotionale Beeinträchtigung der erkrankten Eltern) •psychosoziale Risikofaktoren (familiäre Konflikte, soziale Isolation, expressed emotions, finanzielle Probleme, High-Risk-Forschung Risikofaktor Krankheit • Involviertheit der Kinder in die Symptomatik • Chronizität • Alter des Kindes bei Krankheitsbeginn • Krankheitsdiagnose / Komorbidität • Stigma und soziale Isolation (vgl. Sollberger) Bildquelle: Fotolia_20267207 High-Risk-Forschung Risikofaktor Familie • Auflösung der Familienstruktur • ehelicher und familiärer Streit • eingeschränktes Coping der Eltern • unsichere Bindung • emotionale Deprivation • sozio-ökonomischer Status (vgl. Sollberger) das elterliche Verhalten: Baby und Kleinkindalter • Unterbrechungen in der Aufmerksamkeit und Zuwendung • Anklammerung oder Zurückweisung durch die Eltern • Störung in der Sensitivität (die Fähigkeit, kindliche Signale wahrzunehmen, richtig zu interpretieren sowie prompt und angemessen darauf zu reagieren) Mutter-Baby-Interaktion MUTTER BABY unberechenbar, impulshaft sehr wachsam, beobachtend unempathisch depressiv anmutend aggressiv ablehnend angespannt, ängstlich, erstarrt nicht unterstützend (vgl. Deneke) entwicklungsverzögert Film Belastungen der Eltern Einschränkung der Erziehungskompetenzen • • • • • • Beziehungsfähigkeit Kommunikationsfähigkeit Fähigkeiten zur Grenzsetzung Förderfähigkeit Vorbildfähigkeit Fähigkeit zum Alltagsmanagement Einschränkung der Erziehungskompetenzen • Beziehungsfähigkeit – – – – Empathie und Perspektivenübernahme positive Gefühle zeigen Zuneigung und Liebe zeigen Geborgenheit, Schutz und Verlässlichkeit vermitteln Einschränkung der Erziehungskompetenzen • Kommunikationsfähigkeit – – – – zuhören miteinander reden und erzählen angemessen auffordern angemessen verbal und nonverbal reagieren Einschränkung der Erziehungskompetenzen • Fähigkeiten zur Grenzsetzung – Absprachen treffen – eindeutige Regeln setzen – Konsequenzen realisieren – konsistentes Erziehungsverhalten Einschränkung der Erziehungskompetenzen • Förderfähigkeit – Unterstützung und Ermutigung – Anregungen vermitteln – Anforderungen setzen – Aufgaben und Verantwortung übertragen Einschränkung der Erziehungskompetenzen • Vorbildfähigkeit – Selbstdisziplin zeigen – Impulskontrolle zeigen – eigenes handeln reflektieren – Selbstkontrolle (besonders bei negativen Emotionen) Einschränkung der Erziehungskompetenzen • Fähigkeit zum Alltagsmanagement – Versorgung und Pflege – Organisation des Haushalts – des Familienlebens – Strukturierung des Alltags Belastungen der Kinder Kindliches erleben in Krankheitsphasen In akuten Krankheitsphasen der Eltern beschreiben 8-13-jährige Kinder: •Verunsicherung •Angst •Überforderung •Unruhe •Ratlosigkeit •Verzweiflung Traumatische Trennungserlebnisse –teilweise dramatische Einweisungsszenen –keine Information über die Dauer der Trennung –eine Information über die Schwere der Erkrankung –Fremdunterbringungen –Übersehenwerden – Parentifizierung – Miterleben der Verschlechterung des Gesundheitszustandes – Krankheitsbeginn mit offenen Konflikten und Streitigkeiten, u. U. Suizidandrohungen und – versuche Broschüre „Warum ist Mama so seltsam?“ Y. Gudlowski Bilder: www.salomeas-bilder.de – Unterschiedlichkeit ihrer eigenen und der Realität ihrer Eltern – Loyalitätskonflikte – Loyalitätskonflikte zwischen den Eltern – Fehlen einer verständnisvollen Bezugsperson – Geheimhaltungsgebot und soziale Isolation – Gefühl des Alleingelassenseins – Schuldgefühle • Abwertungs- und Ausgrenzungserlebnisse Familiäre Schutzfaktoren: – Erziehungsklima (emotional herzlich und zugewandt bei klaren, festen Verhaltensregeln) – gute Paarbeziehung der Eltern – Art und Umgang des erkrankten Elternteils mit der Erkrankung – Umfang und Qualität des sozialen Netzwerks offene Fragen? Was ist eine Persönlichkeitsstörung? Persönlichkeitsstörungen • • • • sind… Interaktionsstörungen Beziehungsstörungen ehemals überlebenswichtige Strategien zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse manipulativ und daher mit hohen Kosten für Betroffene und Umfeld verbunden Persönlichkeitsstörungen sind Interaktionsstörungen: •Diese Patienten sind aufgrund ihrer jeweiligen Störung im Umgang mit anderen sehr schwierig, dies ist Bestandteil ihrer Störung. •Sie sind für helfende Angebote nur schwer zugänglich und kaum zur Veränderung bereit. •Sie lösen kurz- bis langfristig ausgeprägte Frustration bei Interaktionspartnern aus. 36 Persönlichkeitsstörungen sind Beziehungsstörungen: •Persönlichkeitsstörungen sind eigentlich keine Störungen der Persönlichkeit, sondern der Beziehungsgestaltung! •Die Betroffenen weisen ungünstige Überzeugungen (Schemata) über sich selbst und Beziehungen auf. •Aufgrund dieser Überzeugungen weisen diese Personen ungünstige, also „kostenintensive“ Strategien der Beziehungsgestaltung auf. 37 Persönlichkeitsstörungen sind ehemals überlebenswichtige Strategien zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse (Motive), wie z.B. •Verlässlichkeit / Bindung •Solidarität •Anerkennung •Wichtigkeit •Autonomie •geschützte Grenzen und Territorialität 38 Frustrierte Motive Erhält das Kind diese Rückmeldungen nicht, entwickelt es negative Überzeugungen über sich (Selbst-Schemata), wie: •„Ich bin nicht wichtig.“ •„Ich bin eine Belastung für andere“ •„Ich bin schädlich für andere“ •„Ich bin abstoßend.“ •„Ich bin unfähig.“ 39 Frustrierte Motive Und es entwickelt negative Überzeugungen über Beziehungen (Beziehungs-Schemata), wie z.B.: •„Beziehungen sind nicht verlässlich.“ •„In Beziehungen wird man nicht ernst genommen.“ •„Beziehungen sind sind gefährlich / bedrohlich.“ •„Niemand hört einem zu.“ •„Beziehungen engen ein.“ 40 Frustrierte Motive verändern die Wahrnehmung im Erwachsenenalter • Die Person, die auch im Erwachsenenalter diese Schemata aufweist, geht mit negativen Erwartungen und hoch sensibilisiert (in „Alarmbereitschaft“) in Interaktionen hinein. • Sie springt sofort (und z.B. aggressiv) auf kleinste (vermeintliche) Signale an, die eine Gefährdung ihrer Motive (z.B. nicht ernst genommen werden) anzeigen. 41 Frustrierte Motive führen zur Entwicklung manipulativer Strategien • z.B. durch „Produzieren von Symptomen“ (Kopfschmerzen, Ängste, Hilflosigkeit), um Bezugspersonen dazu zu veranlassen, die Bedürfnisse doch noch (wenigstens für kurze Zeit) zu befriedigen. • Die Bezugsperson weiß aber gar nicht, dass sie „gezwungen“ wird, ein Motiv zu befriedigen. 42 Kosten manipulativer Strategien • Manipuliert man (fast) immer, sind Beziehungen nicht ausgeglichen (der Eine gibt, der Andere nimmt). • Massive Manipulationen erschöpfen und verärgern den Interaktionspartner. • Massive Manipulationen erschöpfen den Manipulierenden (denn je weniger der Interaktionspartner mit der Zeit darauf reagiert, desto härtere Geschütze muss der Manipulierende auffahren). „Immer mehr 43 Festgefahrene Strategien • Diese Strategien sind automatisiert und rigide (d.h. die Person kann gar nicht mehr anders). • Diese Strategien werden in allen Lebensbereichen angewandt (z.B. nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im Privatleben und gegenüber unbekannten Personen). • Die Person kann gar nicht mehr erkennen, dass sie sich manipulativ verhält (die 44 offene Fragen? Was ist Borderline ? • In Deutschland leiden ca. 1,5 % der Bevölkerung an einer Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline • ca. 60%-70% der Erkrankten sind weiblich • ca. 80% leiden unter früher Traumatisierung • 8-14% aller stationär behandelten psychiatrischen Patienten • 30% aller stationär behandelten Persönlichkeitsstörungen • das Suizidrisiko liegt bei 4 - 9% „...Wenn ich ins Nichts, in die Hoffnungslosigkeit stürze, kann ich meinen Körper nicht mehr spüren. Mein innerer Schmerz ist überwältigend und ich habe das Gefühl, innerlich auszubluten. Es ist fast unmöglich, diesem Gefühl etwas entgegenzusetzen. Um wieder eine Vorstellung von den Grenzen meines Körpers zu bekommen, schneide ich mir mit Rasierklingen die Arme und manchmal den ganzen Körper auf... Erst wenn ich den Schmerz spüre, gewinne ich langsam wieder Boden unter den Füßen.“ Christiane - aus: Leben auf der Grenze von Andreas Knuf (Hrsg) 48 „Das Verhältnis zwischen mir und meinem Sohn war sehr schlecht zu der Zeit. Er zeigte kaum Interesse an mir. Ich konnte ihn versorgen, mich aber nicht mit ihm beschäftigen. Unbewusst gab ich ihm die Schuld für meinen Zustand. Und litt doch selbst so stark unter den Schuldgefühlen. Wenn andere Mütter mit ihren Kindern auf dem Spielplatz waren, blieben wir zu Hause. Andere Kinder durften toben und spielen, mein Sohn musste sich immerzu ruhig verhalten, da sonst meine Kopfschmerzen nicht auszuhalten waren.“ 49 (Regine Schaub: Leben auf der Grenze) „...Die Angst, in der Erziehung meines Sohnes alles falsch zu machen, ist immernoch da. Und auch die Schuldgefühle halten sich. Manchmal gelingt es mir nicht, meine Wut zu zügeln, dann schreie ich ihn an. Ich werde sehr schnell wütend... Oft gelingt es mir, mich zu verstellen. Innerlich schreie ich oder weine, nach außen hin bin ich ruhig und freundlich. Aber immer klappt das nicht. Der Kleine hat mich schon oft zusammenbrechen gesehen. War mit dabei, wenn ich stundenlang geweint habe und nicht mehr weiter wusste... Auch meine Selbstverletzung musst er schon miterleben. In diesen Momenten stehe ich völlig neben mir, nehme meine Umwelt nicht mehr wahr, so auch mein Kind nicht. Erklären kann ich es ihm nicht, ich wüsste nicht wie. Wie erklärt man einem Dreijährigen, wenn man sich mit der Schere die Hand aufschneidet?...“ Regine Schaub - aus: Leben auf der Grenze von Andreas Knuf (Hrsg) ICD-10 Diagnoseschlüssel: F60.31 – Verzweifeltes Bemühen, reale oder imaginäre Trennungen zu vermeiden – Ein Muster von instabilen, aber intensiven interpersonellen Beziehungen, die durch einen Wechsel zwischen extremer Idealisierung und Abwertung charakterisiert sind. – Identitätsstörungen: Chronische und erheblich gestörte, verzerrte oder instabile Vorstellungen oder Gefühle für sich selbst (z.B. das Gefühl nicht zu existieren oder das Böse zu verkörpern). – Impulsivität in mind. 2 Gebieten, die potentiell selbstschädigend sind (z.B. Geldausgeben, Sex, Drogenmissbrauch, Diebstahl, rücksichtsloses Fahren, Essstörungen) – Wiederkehrende Suiziddrohungen, -gesten oder versuche oder selbstschädigendes Verhalten – Affektive Instabilität: Ausgeprägte Sensibilität der Stimmung (üblicherweise wenige Stunden bis selten wenige Tage anhaltend) – Chronisches Gefühl von Leere – Unangemessene intensive Wut oder Schwierigkeiten, Wut oder Ärger zu kontrollieren (z.B. häufige Phasen von schlechter Laune, konstantem Ärger, häufig wiederkehrende körperliche Kämpfe). – Vorübergehende, stressabhängige schwere dissoziative Symptome oder paranoide Vorstellungen. Beziehungsgestaltung Umgang mit Betroffenen • spontane Kontaktabbrüche • Spannungen • plötzliches Verlassen von Gesprächssituationen • heftige Reaktionen • hohe Verletzbarkeit • Angst vor / Wunsch nach Nähe Fragen zur Beziehungsgestaltung 1 • Wie geht es mir im Kontakt mit dem Patienten? • Welche Gefühle habe ich? • Was löst der Patient mit seinem Verhalten in mir aus? Fragen zur Beziehungsgestaltung 2 • Wie möchte der Patient von mir wahrgenommen werden? • Was wünscht sich der Patient von mir? • Was möchte er mit seinem Verhalten erreichen? offene Fragen? Gespräche mit den Eltern Fragen, die helfen… Kontaktaufnahme Die Kontaktaufnahme gestaltet sich je nach • • • • • Schweregrad der Kindeswohlgefährdung, Akuität und Art der elterlichen Erkrankung, Kranheitseinsicht, sozialem Umfeld und Art der Einrichtung (Kita, Jugendamt , Familienberatungsstelle etc.) unterschiedlich. Bitte nicht psychologisieren! • Bleiben Sie bitte bei der Kontaktaufnahme thematisch bei Ihrem Aufgabenfeld, nämlich der Einschätzung einer möglichen Kindeswohlgefährdung und deren Kommunikation ! • Es geht nicht darum, den Elternteil mit einer Verdachtsdiagnose zu konfrontieren! Bleiben Sie thematisch beim Kind! • Der Ausgangspunkt Ihrer Kontaktaufnahme ist immer das Kind, nicht die Erkrankung des Elternteils. • Schildern Sie daher immer nur, was Ihnen am Kind bzw. seinen Lebensumständen auffällt und bleiben Sie auf einer beschreibenden Ebene (also vermeiden Sie Vermutungen über mögliche Ursachen). Bleiben Sie thematisch beim Kind! • Vermeiden Sie daher auch, vom Vorhandensein einer psychischen Erkrankung automatisch auf eine Gefährdung des Kindeswohls zu schließen bzw. umgekehrt anhand der Kindesauffälligkeiten auf eine psychische Erkrankung zu schließen! Nicht die Diagnose ist entscheidend! • Hinter einer Diagnose kann sich ein breites Spektrum an Symptomen und deren Schweregraden verbergen. • In welcher Form sich dies auf das Kind auswirkt, geht aus der Diagnose nicht hervor! • Beschreiben Sie, was Ihnen am Kind und den Lebensumständen auffällt! Beschreiben Sie das Problem kleinteilig anhand von Bespielen • Keine Diagnose stellen, sondern Auffälligkeit anhand von Beispielen schildern: • „Mir (bitte in der Einzahl sprechen, sonst wirken Sie bedrohlich) ist aufgefallen, dass sie oft (z.B. dann und dann) nach Alkohol gerochen haben, wenn Sie Katja abholen!“ Beschreiben Sie das Problem kleinteilig anhand von Bespielen • „Mir ist aufgefallen, dass Sie Tim oft anschreien, wenn er sich die Jacke nicht schnell genug anzieht.“ • „Es ist schon oft vorgekommen, dass Sie Ihre Tochter nicht von der Kita abgeholt haben und mitteilten, der Babysitter habe dies vergessen.“ weitere Beispiele • Zustand der Kleidung des Kindes • Zustand der Wohnung (nicht: „Sie sind ein Messi“, sondern: „An der Wohnung ist mir dieses und jenes aufgefallen…“. • „Ihr Kind erschien häufig nicht zum Unterricht !“(nämlich dann und dann). Beispiele anstelle von Vermutungen • Je kleinteiliger und konkreter Ihre Beschreibungen sind, desto deutlicher können Sie machen, wo Sie das Problem sehen. • Hierzu bedarf es keiner (Verdachts-) Diagnose des Elternteils! Hilfe ohne Diagnose • Viele Hilfen können auch ohne offizielle Diagnose angeboten werden. • Um eine (erste) Brücke zu bauen, kann es sinnvoll sein, den Elternteil selbst zu fragen, welche Hilfe er sich wünschen würde, um das vorher beschriebene Problem zu lösen. Hilfe jenseits der Diagnose • „Würde es Sie entlasten, wenn man für Katja eine Hausaufgabenhilfe organisieren würde?“ • „Könnten Sie sich vorstellen, dass es helfen würde, wenn jemand Thomas an den und den Tagen aus der Kita abholen würde?“. Hilfe Schritt für Schritt • Auch wenn diese Hilfen nur einen geringen Teil des Problems lösen, stellen sie eine erste vertrauensbildende Maßnahme dar, ohne unnötig zu pathologisieren • Hierdurch kann sich der / die Betroffene ermutigt fühlen, mehr von sich preiszugeben und nach mehr Hilfen (z.B. einer Psychotherapie) zu fragen. Diagnose bekannt, Kindeswohl unbekannt • Umgekehrt kann es auch der Fall sein, dass Sie über eine bereits gestellte Diagnose informiert sind, aber nur sehr vage Hinweise auf eine (mögliche) Auswirkung auf das Kind haben. Fragen Sie den Elternteil am besten selbst, ob er sich Sorgen macht! • In der Regel dürfen wir psychisch erkrankten Eltern zutrauen, dass sie sich selbst aufgrund ihrer Erkrankung Sorgen um ihre Kinder machen. • Geben Sie einem psychisch kranken Elternteil bitte immer erst einmal einen Vertrauensvorschuss! Fragen Sie den Elternteil am besten selbst, ob er sich Sorgen macht! • „Machen Sie sich Sorgen, dass sich Ihre Erkrankung auf Ihr Kind auswirken könnte?“ • „In welcher Weise meinen Sie, wirkt sich das aus?“ • „Wobei ist Ihnen das aufgefallen?“ Fragen, die helfen, Schwieriges zur Sprache zu bringen: • Wobei könnten Sie eine Unterstützung gebrauchen bzw. was ist passiert? • Hier könnten unterschiedliche Schwierigkeiten benannt werden: – entweder zum Kind hin – „es macht dies oder jenes nicht“, „ich verstehe nicht, was das Schreien bedeutet“ – – oder zu einem Elternteil hin – „ich komme mit dem oder dem nicht klar“, „ich halte das oder das nicht gut aus“, „ich habe mir dies oder jenes ganz anders vorgestellt“.) Fragen, die die bisherigen Bemühungen erkunden und die eigenen Erklärungsversuche der Eltern ernst nehmen: • Was haben Sie bisher versucht? Was wollten Sie damit erreichen? • Wie ist Ihnen das gelungen? • Was ging schief? • Haben Sie eine Idee, warum? Fragen, die Hilfeerwartungen und Motivation sichtbar machen und erste diagnostische Eindrücke ermöglichen: • Wie haben Sie uns gefunden? Haben Sie schon anderes probiert? • Was wünschen Sie sich am meisten? • Was befürchten Sie aber eventuell auch? • Wer interessiert sich noch für Sie und Ihr Kind? Haben Sie Unterstützung? • Darf ich Ihr Baby anschauen und ein bisschen mit ihm sprechen? Je nach Angebot und persönlichem Arbeitsrahmen könnte dann begonnen werden, einen Arbeitsvertrag auszuhandeln und genaue Absprachen zu treffen. Fragen, die behutsam den ersten Kontakt beenden und weitere Schritte markieren können: • Wie geht es Ihnen jetzt? • Können wir uns für heute verabschieden? • Denken Sie, es reicht, wenn wir uns in einer Woche / drei Tagen (je nach Problemlage und Arbeitsrahmen) hier wieder treffen? Fragen, die behutsam den ersten Kontakt beenden und weitere Schritte markieren können: • Würden Sie sich gleich melden, wenn Sie mich auch vor unserem nächsten Termin brauchen? • Haben Sie sich gemerkt/notiert, wie Sie mich erreichen können? Vermeiden von Eskalationen • Gehen Sie immer nur so schnell vor, wie es der Akuität der Kindeswohlgefährdung angemessen ist! • Akzeptieren Sie, dass auch sehr widrige Lebensumstände nicht sofort (manchmal auch gar nicht) geändert werden können. • Wägen Sie auch immer die Nachteile / schädlichen Einflüsse Ihrer Intervention ab. Schädliche Interventionen • Der „große Wurf“ kann sich schnell als Steinwurf in die Glasscheibe erweisen! • Die Dinge „langsam ins Rollen“ zu bringen, hat hingegen weniger Zerstörungskraft. • Nehmen Sie sich daher die Zeit, Vor- und Nachteile möglicher Interventionen abzuwägen! Helfende Institutionen Verantwortungsgemeinschaft Jugendamt Kinder- u. Jugendpsychiater Sozialpsychiatrischer Dienst Familie Psychiater Kinder-u. Jugendgesundheitsdienst (KJGD) Kita/Schule Betreuungshilfe n. SGB XII Träger von Erziehungshilfen Gesetzlicher Betreuer Familiengericht Klinik Polizei Marlis Kurzhals - Jugendamt Berlin Mitte - Zentrale Kinderschutzkoordination 85 Rechtliche Grundlagen für das Handeln von Helfern Was besagt der Schutzauftrag nach §8a SGB VIIII? Gesetzliche Grundlagen • Berliner Kinderschutzgesetz Ziel ist es laut § 1, Kinder und Jugendlichen eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen und sie vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen. Dazu soll die Kooperation zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen aufgebaut werden. Ein weiteres Ziel ist die Steigerung der Vorsorgeuntersuchungen für Kinder. Der § 8, Abs. 1 verpflichtet „das Jugendamt, das Gesundheitsamt und das Sozialamt (zu) gewährleisten, dass Schwangere, Mütter und Väter in belasteten Lebenslagen, mit sozialer Benachteiligung oder individueller Beeinträchtigung frühzeitig durch Beratung auf Unterstützungsmöglichkeiten, Hilfen und Leistungen hingewiesen werden.“ Marlis Kurzhals - Jugendamt Berlin Mitte - Zentrale Kinderschutzkoordination 88 Gesetzliche Grundlagen • Die AV Kinderschutz Jug Ges Regelt die Zusammenarbeit zwischen Jugend- und Gesundheitsämtern im Fall einer Kindeswohlgefährdung Verpflichtet diese Ämter, über einen zentralen Krisendienst rund um die Uhr erreichbar zu sein Beschreibt die Verfahrensstandards zur Risikoeinschätzung (Vier-Augen-Prinzip) Marlis Kurzhals - Jugendamt Berlin Mitte - Zentrale Kinderschutzkoordination 89 Möglichkeiten der Unterstützung durch das Jugendamt • Frühe Hilfen – Familienhebammen – Aufsuchende Elternhilfe • Hilfen zur Erziehung (SGB VIII § 27ff) – Ambulante Hilfen (Erziehungsberatung, Familienrat, Familienhilfe, Krisenhilfe) – Stationäre Hilfen (Pflegestellen, Heimgruppen, Erziehungsstellen) • Mutter (Eltern)-Kind-Einrichtungen • Inobhutnahme des Kindes bei akuter Kindeswohlgefährdung, die nicht anders abgewendet werden kann. Marlis Kurzhals - Jugendamt Berlin Mitte - Zentrale Kinderschutzkoordination 90 Frühe Hilfen… Frühe Hilfen… Frühe Hilfen… Voraussetzungen für ein Gelingen der Hilfe Akzeptanz der Krankheit seitens der Eltern entwickeln Gemeinsame Sicht der familiären Situation erreichen Gemeinsamen Hilfeplan für die alltägliche Unterstützung entwickeln Plan für eine Krisensituation vereinbaren Marlis Kurzhals - Jugendamt Berlin Mitte - Zentrale Kinderschutzkoordination 94 Hotline Kinderschutz • Die Erreichbarkeit des Jugendamtes in Fragen des Kinderschutzes wird durch den bezirklichen Krisendienst Kinderschutz von montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr über die Bezirkseinwahl plus der einheitlichen Apparatnummer 55555 gewährleistet. • Außerhalb dieser Zeiten wird die Erreichbarkeit und Weiterleitung der Meldungen über die „Berliner Hotline-Kinderschutz“ mit der Telefonnummer 61 00 66 sichergestellt. Aufgaben der überregionalen, spezialisierten Kinderschutz-Projekte • Die Projekte bieten eine niedrigschwellige Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Bezugspersonen der Familie bei vermuteter oder realer Kindeswohlgefährdung. • Je nach Konzeption des Projektes kann die Beratung kurzfristig als Krisenberatung auch telefonisch erfolgen. • In der Regel können die Rat Suchenden einen längerfristigen Beratungsprozess wahrnehmen. • Mitarbeiter/innen von öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe, der Schulen und des Gesundheitswesens werden bei der Einschätzung von Kindeswohlgefährdung unterstützt. • Darüber hinaus halten die Projekte präventive Angebote vor. Der Berliner Wegweiser gibt Auskunft über Unterbringungsmöglichkeiten in Krisen oder Behandlung durch Kliniken, über gemeinsame Wohnformen für Eltern und Kind im Rahmen der Jugendhilfe und im Rahmen der gemeindepsychiatrischen Versorgung, über ambulante Familien- und Einzelhilfe, über Arbeitsmöglichkeiten für psychisch kranke Mütter und über Erziehungs- und Familienberatungsstellen. Bezogen werden kann der Wegweiser über [email protected]. Sozialpsychiatrischer Dienst niederschwellige psychiatrische Beratung Beratung bei psychischen, familiären und sozialen Problemen Vermittlung von konkreten Hilfs-, Untersuchungsund Betreuungsmaßnahmen, von Gruppenangeboten für Betroffene Hausbesuche Vielen Dank! Kontaktdaten: Y. Gudlowski [email protected] 030 / 450 617 042 I. Lägel [email protected]