Wiederentdeckte Avantgarde : Asmara : Afrikas Hauptstadt der Moderne Autor(en): Tietz, Jürgen Objekttyp: Article Zeitschrift: Werk, Bauen + Wohnen Band (Jahr): 94 (2007) Heft 3: Stahl und Raum = Acier et espace = Steel and space PDF erstellt am: 22.08.2017 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-130522 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch Forum|Ausstellung standen auf Initiative der Projektgruppe Asmara der Übernahme Asmaras durch britische und – eines Zusammenschlusses von äthiopische Streitkräfte endete 1941 die italieni¬ Mit ihren weit gespannten Flügeln erinnert die Eritreern sowie äthiopischen und deutschen Architekten in Zu¬ sammenarbeit mit dem Verein Solidarisch Leben Lernen e.V. – wurde die Ausstellung am Bauhaus ehemalige Fiat-Tagliero-Werkstatt an ein Flug¬ in Dessau entwickelt. Zahlreiche Fotografien und Eritreas 1993 andauerte. Heute präsentiert sich zeug kurz vor dem Start. Fast dreissig Meter kra¬ die anschaulich geschriebenen Texte der Ausstel¬ Asmara als ein einzigartiges Freiluftmuseum mo¬ gen ihre stützenfreien Seitendächer aus, und auch lungstafeln führen die Besucher in dieses weit¬ derner Architektur, dem bröckelnder Putz und in der Seitenansicht sprüht das 1938 nach einem gehend unbekannte Kapitel der Architekturge¬ verblichene Farben wenig von seinem Charme Entwurf des italienischen Architekten Giuseppe Pettazzi errichtete Gebäude nur so vor futuristi¬ scher Dynamik. In eleganten Schwüngen und Stu¬ fen türmt sich sein Mittelteil empor, um schliess¬ lich in zwei schlanken Fahnenmasten dem Himmel entgegen zu streben. Nur der ausgeblichene rote schichte ein. Dabei macht die Ausstellung mit und seiner Einzigartigkeit rauben können. Schriftzug des norditalienischen Automobilkon¬ zerns, der in grossen Lettern auf dem Turm prangt, Architektur des Novecento, die den Rückbezug zur Klassik suchte, bis zu Futurismus, Art Deco und der bröckelnde weisse Putz erinnern daran, und Razionalismo. Wiederentdeckte Avantgarde Asmara – Afrikas Hauptstadt der Moderne Dornröschenschlaf, der bis zur Unabhängigkeit Hälfte des 20. Jahrhunderts: Ihr weiter stilisti¬ die grosse Kathedrale von 1895, die Oreste Sca¬ scher Bogen spannte sich vom Jugendstil über die navini entworfen hat. Die historisierende For¬ mensprache des Ziegelbaus erinnert an Vorbilder aus der norditalienischen Lombardei. Bereits in den 1920er Jahren wurde sie durch einen grösse¬ ren Neubau im gleichen Stil ersetzt und mit ei¬ nem Campanile versehen. Doch es sind vor allem Gebäude wie das um 1938 entstandene rationalistische Tourismusmi¬ nisterium, die den Charakter Asmaras ausmachen. Bereiche mit einer Lochfassade und Abschnitte, die ein Raster aus rechteckigen Balkonen zeigen, fügen sich zu einer abwechslungsreichen und dif¬ ferenzierten Gestaltung. Seine besondere Dyna¬ mik erhält das Ministerium jedoch durch die abgerundete Ecksituation, die fast vollständig verglast ist. Das Selam Hotel, das Rinaldo Borgnino und Ugo Rame 1937 entworfen haben, präsentiert sich als ein reduzierter rationalistischer Baukörper, eine pure zweigeschossige «Kiste» mit schlichter vertikaler Gliederung. Weit stärker dem Art Deco verpflichtet ist dagegen das Kino Impero mit sei¬ nen drei Reihen runder Lampen, die jeweils von massiven Rahmen eingefasst sind und die der dunkelbraunen Fassade eine zusätzliche Schwere Italienische Eroberung Asmara ist nicht nur ein land oder Turin, sucht man diese noch heute be¬ schen Moderne. Zugleich ist die Stadt ein wichti¬ eindruckend avantgardistisch anmutende Werk¬ statt vergebens. Stattdessen gehört sie zu dem reichen architektonischen Erbe der Moderne, das ges Zeugnis für die aggressive der eritreischen Hauptstadt Asmara ihren einzig¬ Italiener Eritrea, doch vor allem in den Jahren zwischen 1934 und 1940 wurde Asmara von der faschistischen Regierung mit hohem finanziellem vergleichbar mit Tel Aviv. Kein Wunder also, dass das rasante Wachs¬ fiel stattdessen in eine Art Eine Vielfalt von Bauten in den Zentren der italienischen Moderne, in Mai¬ ckung bedeutet. Weder durch den Zweiten Weltkrieg noch durch die Auseinandersetzungen während des eritre¬ ischen Befreiungskrieges gegen Äthiopien be¬ schädigt, gilt Asmara heute als eines der am voll¬ ständigsten erhaltenen Ensembles der Moderne – Sie eröffnet zugleich einen Einblick in die Vielfalt der italienischen Moderne während der ersten schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Doch selbst für viele Architekturhistoriker eine Entde¬ Kolonialzeit und mit ihr tum der Stadt. der Entstehungsgeschichte Asmaras vertraut und dass das heute als Tankstelle genutzte Gebäude artigen Charakter verleiht. Eine Metropole, die sche Ort der architektoni¬ italienische Koloni¬ alpolitik in Afrika, die ihren Höhepunkt unter Benito Mussolini erlebte. Bereits 1889 besetzten Engagement systematisch ausgebaut, um als Brü¬ ckenkopf für die italienische Eroberung Äthio¬ piens 1935 zu dienen. So entstand mit Asmara ein «Piccolo Roma » dessen italienische Bevöl¬ kerung innerhalb weniger Jahre von 4000 auf 70000 Einwohner wuchs. Dem entsprach eine Verdoppelung der einheimischen Bevölkerung Zu den beherrschenden Bauten der Stadt zählt die Hauptstadt Eritreas Teil des Weltkulturerbes werden soll, in dem die Architektur des 20. Jahr¬ hunderts derzeit deutlich unterrepräsentiert ist. Einblicke in die faszinierende Architekturwelt auf 200000 Einwohner. der ostafrikanischen Stadt bietet die Wanderaus¬ errichtet wurde. Doch zugleich spiegelte sich in der Architektur auch die faschistische Politik der verleihen. stellung «Asmara – Afrikas heimliche Hauptstadt der Moderne» die bis zum 15. April 2007 im Rassentrennung wider. Das zeigte sich an den kragende Vordächer und langestreckte Fenster¬ Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt a. M. niedrigeren Wohnstandards für die einheimische bänder fügen sich in Asmara allerorten zu einem zu sehen ist und im Juli 2008 auch in Turin auf dem UIA Weltkongress gezeigt werden soll. Ent- Bevölkerung, der die enorme Bautätigkeit wäh¬ Festival modernistischer Formen. So auch bei rend der dreissiger Jahre kaum zu gute kam. Mit «Mai Jah Jah» einer 64 werk, bauen + wohnen 3|2007 Bis heute ist das ostafrikanische Asmara auf den ersten Blick als eine Stadt zu erkennen, die nach den Konzepen der europäischen Moderne Abgerundete Ecken, runde Fenster, mutig aus¬ ursprünglich lediglich als Forum|Ausstellung 1 2 3 4 1 Fiat-Tagliero-Werkstatt 2 Tourismusministerium 3 Hotel Selam 4 Kino Impero 5 Foyer Cinema Odeon 5 3|2007 werk, bauen + wohnen 65 Forum|Ausstellung Zu und Dynamik der Entwürfe unmittelbar zu spü¬ rung als Afrikas heimlicher Hauptstadt der Mo¬ beiden Seiten von einer Treppe flankiert, bildet ihre Kaskade als abstrakte Plastik das Zentrum ei¬ ren und unterstreichen erneut, welches hoch¬ derne schwerlich allein auf Eritrea abgewälzt wer¬ rangige bauliche Erbe Asmara besitzt. Darüber ner städtischen Platzanlage. hinaus wirft das chronologisch aufgebaute Buch den kann. Zudem gilt es, der Stadt auch bei an¬ deren Problemen Hilfestellung zu leisten, wie der «La Fontana» bezeichneten Brunnenanlage. mit einen kurzen Blick auf die Architektur nach dem Versorgung der Bevölkerung Zwei Bücher als Aufruf zum Engagement Ende der italienischen Kolonialzeit 1941. An die Die Wiederentdeckung Zusätzlich zur Ausstellung ist neben dem kleinen Stelle der Moderne trat ein malerischer Traditio¬ bes Asmaras ist also gleichbedeutend mit der Auf¬ Buch aus dem Berliner Jovis-Verlag die Veröf¬ fentlichung von Edward Denison, Guang Yu Ren und Naigzy Gebremedhin zu Asmara empfeh¬ lenswert. Sie bietet neben einer Einführung in die Planungs- und Baugeschichte der Stadt auch zahlreiche ausgezeichnete Abbildungen. Hinzu kommt eine Auswahl historischer Fotografien, nalismus. Die Architekten freilich blieben diesel¬ forderung, sich für Erforschung und Schutz die¬ ben, die bereits während der faschistischen Epo¬ ses ergänzt um Entwurfszeichnungen einiger Bauten Asmaras. In diesen Zeichnungen sind Radikalität che gebaut hatten. So etwa Capellano: In seinen Frischwasser. des architektonischen Er¬ Denkmals zu engagieren. Jürgen Tietz im Fall von Roberto rustikalen Villen setzte er nach 1941 an die Stelle der futuristischen Dyna¬ mik einen heimeligen Rundbogentraditionalismus. Abschliessend blicken Denison, Yu Ren und Gebremedhin zudem auf die Zukunft Asmaras, dessen kostenintensive Erhaltung und Restaurie- Jochen Visscher Hg.), Stefan Boness Fotografien): Asmara, The frozen city, Jovis Verlag Berlin 2006, dt, engl., ital. Fr. 28.–/¤ 16.–, ISBN 3-936314-61-6. 96 S., Edward Denison, Guang Yu Ren, Naigzy Gebremedhin: Asmara, Africa’s Secret Modernist City, London Merrell 2003, Paperback, 240 S., Fr. 67.50/£ 24.95, ISBN 1-8589-4382-4 1-8589-4209-8 Innovation und Hightech im Aussenbereich Hartmann bietet Lebensqualität: Sonnen- und Wetterschutz Hartmann öffnet Ihnen Tür und Tor: automatische Garagentore HARTMANN + CO AG/SA Storen-, Tor- und Metallbau Längfeldweg 99 / PF 8462 2500 Biel-Bienne 8 Tel. 032 346 11 11 Fax 032 346 11 12 [email protected] www.hartmanncoag.ch Hartmann setzt visionäre Architektur um: Fassadenbau Hartmann ist immer für Sie da: auch bei Service und Reparaturen