2 0 17 / N r. 2 CLASS : aktuell Association of Classical Independents in Germany Meccore String Quartet Jung und leidenschaftlich Klaus Heymann Naxos – die Erfolgsgeschichte Ekaterina Litvintseva Neues Album: Turning Point Rita Karin Meier und das Belenus Quartett Effektvolles Feuerwerk von H. Baermann Christian Thielemann / Staatskapelle Dresden pflegen Anton Bruckner Stimmungen Max Reger Telemann-Variationen op. 134 Ernst-Ludwig von Hessen und bei Rhein Draußen – 6 Stimmungen für Klavier Andreas Hering Castigo 0278 Lieder von Robert Franz Robin Tritschler, Tenor Graham Johnson, Klavier Hyperion CDA68128 Samuel Barber The Lovers Martin Häßler, Bariton Landesjugendchor Sachsen Jugendsinfonieorchester Leipzig Ron-Dirk Entleutner Nostalgia Giovanni Battista Somis Sonate a flauto solo e violoncello o cembalo Wolfram Schurig, Flöte Johannes Hämmerle, Cembalo Rondeau ROP6138 fra bernardo fb1711192 CLASS: brand aktuell Violin Concertos XXI Violinkonzerte des 21. Jahrhunderts Zeitgenössische Werke von Nikolaus Fheodoroff und Mikhail Kollontay (Vol. 1) Elena Denisova, Solo-Violine Collegium Musicum Carinthia RTV Orchestra Moscow Alexei Kornienko, Leitung TYXart TXA17093 Just for Fun Georg Friedrich Händel In den angenehmen Büschen Daniel Schnyder Chorales and Interludia David Popper Requiem op. 66 Robert Schumann aus „Kinderszenen“ Claude Debussy Clair de Lune Steven Verhelst Trombone Quartet no. 1 Antonio Lotti Crucifixus Charles Small Conversation Martin Fondse Low End Hifi World Trombone Quartet Joseph Alessi, Michel Becquet, Jörgen van Rijen, Stefan Schulz Arcantus ARC16004 Orchesterwerke von Lalo und Roussel Edouard Lalo Symphonie Espagnole Albert Roussel Concert pour Petit Orchestre, Concerto pour Piano Svetlin Roussev, Violine Alain Raës, Klavier Orchestre de Douai, Jean-Jacques Kantorow Arcantus ARC16006 Gustav Holst Quintett in a-Moll, Op. 3 für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott; Three Pieces für Oboe und Streichquartett; Terzetto für Flöte, Oboe und Klarinette in zwei Sätzen; Bläserquintett in As-Dur, Op. 14 für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott; Sextett e-Moll für Oboe, Klarinette in A, Fagott, Violine, Viola und Violoncello Ensemble Arabesques Farao Classics B 108 098 Handel – German Arias Werke von Georg Friedrich Händel, Adam Krieger und Heinrich Schmelzer Fritz Spengler, Altus Christian Voß, Barockvioline Ensemble Contrapunct_us Klanglogo KL1520 MAHLER – SCHOECK – STRAUSS Lieder – Kernstück des Albums ist das „Wandsbecker Liederbuch“ des Schweizers Othmar Schoeck Britta Glaser, Sopran Matthias Veit, Klavier TYXart TXA17089 CLASS : aktuell Class: aktuell 2 / 2017 Inhalt Sind Sie gut im Kopfrechnen? Die meisten von uns verlassen sich da lieber auf ihren Computer oder ihr Handy. Früher halfen auch Taschenrechner, Rechenschieber, Abakus. Ich persönlich rechne gerne mithilfe einer Klaviertastatur, genauer gesagt: mit der in zwölf Tonschritte gegliederten Oktave. Im täglichen Leben haben wir ja vor allem mit dem Dezimalsystem zu tun – da ist das Zwölfersystem doch mal eine nette Abwechslung, nicht wahr? Das Einmaleins der Chromatik 4 Meccore String Quartet Debüt mit Grieg 6 Ekaterina Litvintseva stellt ihr zweites Rachmaninow-Album vor 7 Feurig, schwungvoll und historisch Andrzej Szadejko präsentiert Orgelwerke von F. W. Markull 8 Rudolf Innig beschließt die Einspielung des Orgelwerkes von Felix Nowowiejski 9 Eine Legende wird 90 Herzlichen Glückwunsch, Michael Gielen! Durch zwölf teilen lässt sich die Oktave also leicht – daraus ergibt sich die chromatische Tonleiter. Durch sechs geteilt bekommen wir dagegen eine Ganztonskala – mit ihr hat zum Beispiel Debussy gerne gerechnet – sorry: komponiert. Vier kleine Terzen ergeben zusammen ebenfalls eine Oktave (heißt das dann: Anderthalbtonskala?), ebenso drei große Terzen (Doppelganztonskala?). Bei den Quarten wird es interessant. Die Division 12:5 ergibt nun einmal einen Bruch, das lässt sich nicht lösen, ohne die Klaviertasten zu zerstückeln. Daher die Frage: Wie viele Quarten muss man über­ einanderlegen, um von einem Ton C wieder zu einem Ton C zu gelangen? Die Antwort gibt uns die Uhr des Quintenzirkels, der ja gleichzeitig auch ein Quartenzirkel ist. Wir müssen zwölf Quarten übereinanderschichten, wir gehen dabei durch alle Töne der chromatischen Tonleiter. Die Höhe dieses Quartengebäudes beträgt fünf Oktaven. Teilen wir die Oktave durch zwei, erhalten wir die verminderte Quint, den schlimmen Tritonus. Mit diesem bösen Buben wollen wir uns jetzt nicht weiter beschäftigen, nur so viel: Er ist seinerseits durch 1, 2, 3 und 6 teilbar. Ziehen Sie selbst Ihre musikalischen Schlüsse! Die größeren Intervalle wiederum verhalten sich analog zu den kleinen. Um mit Quinten von C nach C zu kommen, müssen wir (wie bei der Quart) zwölf übereinander schichten – ein Turm von sieben Oktaven Höhe! Von den kleinen Sexten brauchen wir von C nach C nur drei (wie bei der großen Terz), allerdings streckt sich das über zwei Oktaven. Von den großen Sexten vier (wie bei der kleinen Terz), aber über drei Oktaven. Und so weiter. Die zwölfschrittige Chromatik ist ein Ergebnis der europäischen Musikgeschichte. Ihre wissenschaftliche Grundlage erhielt sie ums Jahr 1600. Für die Frequenzhöhen spielte dabei die zwölfte Wurzel aus 2 als Faktor eine wichtige Rolle, das ist die Zahl 1,05946... – oder als Bruch geschrieben: 196:185. Alle Musiker heute sollten sich diese Zahl übers Bett hängen und täglich zu ihr ein Dankgebet sprechen. Anders gesagt: Die Zwölfton-Chromatik ist eine vollkommen willkürliche Konstruk­ tion. Die Natur selbst kennt nur die Oktave und andere Obertöne, aber keine Chromatik. Ökonomische Musikkulturen kommen daher auch locker mit fünf Tönen pro Oktave aus. Verschwenderische dagegen brauchen durchaus mehr als zwölf. Auch bei uns gibt es sensible Seelen, die sich täglich fragen: Ist es nicht schade um die unendlich vielen Frequenzen zwischen den Klaviertasten? Vor der Durchsetzung der gleichmäßig temperierten Stimmung gab es tatsächlich auch Cembali mit 19 oder 31 Tasten pro Oktave. In der Moderne experimentierte man unter anderem mit 30, 36, 43, 48, 52, 72 und sogar 84 Tonstufen. Was für brillante Aussichten wären das für den mathematikbegeisterten Musikliebhaber! Zum Glück ist der Kopf nicht nur zum Rechnen da. Man kann mit ihm auch einfach nur Musik hören. Viel Spaß bei beidem wünscht 10 Bruckner Pflege durch Christian Thielemann und die Staatskapelle Dresden 11 Maria Luisa Cantos gratuliert Enrique Granados zum 150. Geburtstag 12 Eine Box zum Jubiläum 30 Jahre Naxos 13 Frank Bungarten stellt vor: Johann Kaspar Mertz, der letzte Wiener Virtuose 14 30. Firmenjubiläum von Naxos Vom Low Budget Label zum Global Player 17 Ein ausdrucksstarkes Plädoyer für die Freiheit vom Berlage Saxophone Quartet 18 Effektvolles Feuerwerk von H. Baermann mit Rita Karin Meier und dem Belenus Quartett 19 Das Klaviertrio – Folge 2 Von der Frühromantik ins 19. Jahrhundert 21 Haiou Zhangs pianistisch musikalische Fingerabdrücke 23 Luiza Boracs Pianoportrait von Enescu, Ravel, Debussy, Mihalovic und Schumann 25 Giorgos Kanaris und Thomas Wise widmen sich den Sehnsuchtsliedern von Beethoven und Schubert 26 Kathrin Christians spielt Flötenkonzerte von Feld, Theodorakis und Weinberg 28 Im Blickpunkt Neuheiten vorgestellt von CLASS 29 Angelika Nebel, Klavier, spielt Bach-Bearbeitungen und Transkriptionen 30 Ammiel Bushakevitz spielt Schuberts späte Klavierminiaturen Impressum Herausgeber/Verlag: CLASS e.V. Association of Classical Independents in Germany Bachstraße 35, 32756 Detmold Tel. 05231- 938922 [email protected] Redakteur (v.i.S.d.P): Dr. Rainer Kahleyss Anzeigen: Gabriele Niederreiter Grafische Gestaltung: Ottilie Gaigl Druck: Westermann Druck, Braunschweig Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Ihr Hans-Jürgen Schaal Druckauflage: 105.550 1. Quartal 2017 ISSN: 2195-0172 Titel-Foto: Arek Berbecki geprüfte Auflage Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de Ausgabe 2017/2 3 CLASS : aktuell Jung, leidenschaftlich, wild… Foto: © Federal Studio – OCL.ch Das Meccore Quartett debütiert bei MDG mit Grieg Fotos: © Arek Berbecki; rotes Foto: © Marie Pierre Tremblay E in weiteres aufregendes Debüt bei MDG: Das Meccore String Quartet lässt frischen Wind durch die Kammermusikwelt wehen! Passend dazu haben sich die vier Musiker die Streichquartette von Edvard Grieg aufs Pult gelegt – markiert doch das verstörendgroßartige g-Moll-Quartett op. 27 die Zeitenwende von Romantik zu Impressionismus. Dass Grieg sein zweites Quartett nicht vollenden konnte, tut der Qualität des überlieferten Fragments keinen Abbruch. Und die Meccores entschädigen für die fehlenden Sätze auf dieser SACD mit einer Fuge – sie stammt noch aus den frühen Lehrjahren des norwegischen Meisters. Unerfüllte Sehnsucht durchzieht das g-MollQuartett, dessen autobiografischen Bezüge Grieg selbst angedeutet hat, hatte sich doch in den 1870er Jahren das Verhältnis zu seiner Ehefrau verschlechtert. Der thematische Rückgriff auf eine eigene Liedkomposition „Spielmannslied“ (op. 25/1) auf einen Text von Henrik Ibsen „Nach ihr nur stand mein Verlangen, jede sommerhelle Nacht…“ bildet die Basis für die ganze Komposition als Spiegel seiner seelischen Verfassung. Dass der Beginn mit schroffen Fortissimo- Akkorden daherkommt, hat manchen Zeitgenossen irritiert – nicht jedoch Claude Debussy, der hier die Inspiration für sein Quartett in derselben Tonart fand. Aus der Keimzelle des Beginns entwickelt Grieg fast sämtliche Themen und Motive des viersätzigen Werkes, das erst ganz am Schluss eine geradezu apotheotische Erlösung erfährt. 4 Ausgabe 2017/2 Ein zweites Quartett in lichtem F-Dur blieb unvollendet, zu gefragt war Grieg als Pianist auf der ganzen Welt, und zu selten fand er die erforderliche Zurückgezogenheit zum Komponieren. „Wie ein alter norwegischer Käse“, der mit der Zeit immer besser wird, harrte das Werk auf seinen Schöpfer, doch es reichte am Ende nur für einige Skizzen. Die beiden vollendeten Sätze bilden den CLASS : aktuell Aktuelle Konzerte: 19. | 20. 05. 2017 Auditorio Sony, Madrid 23. 05. 2017 Philharmonie Arthur Rubinstein, Łódź 18. 06. 2017 Auditorio Sony, Madrid 24. 06. 2017 Philharmony, Lublin 22. 07. 2017 Atma, Zakopane 04. | 05. 08. 2017 Teatro Angela Peralta, San Miguel de Allende 17. 09. 2017 Evangelische Kirche, Zielona Góra 18. 09. 2017 Music Academy, Katowice 27. 09. 2017 Stadsgehoorzaal, Leiden 30. 09. 2017 Jagdsaal, Schwetzingen meccorequartet.com Edvard Grieg (1843-1907) Streichquartett op. 27 Quartett F-Dur, Fuge Meccore String Quartet MDG 903 1998-6 (Hybrid-SACD) größten Kontrast zur erwachsenen Schwester, so leicht und unbeschwert ist die Stimmung. Einem Blick in die Studierstube eines Hochbegabten gleich kommt die als Übungskomposition angefertigte Fuge, die schon den typisch nordischen Tonfall der großen Werke atmet. Jung, leidenschaftlich, wild… die aufwühlendste Energie versteht das in Warschau beheiAusgabe 2017/2 5 matete Meccore String Quartet großartig aufs Podium zu bringen, unterstützt auch dadurch, dass alle Konzerte im Stehen gespielt werden. Das ist auch rein klanglich ein spür­bares Erlebnis bei dieser Aufnahme und besonders gut in der dreidimensionalen Wiedergabe der hochauflösenden Super Audio CD zu hören. Lisa Eranos CLASS : aktuell Der junge Rachmaninow Foto: © Marion Koell Ekaterina Litvintseva legt mit dem Album „Turning Point“ eine zweite Einspielung mit Werken von Rachmaninow unter dem Label Profil Edition Günter Hänssler vor und unterstreicht einmal mehr ihre enge Verbundenheit zu dem Komponisten. E katerina Litvintseva hatte bereits als „Zugabe“ ihrer ersten CD mit Werken von Rachmaninow (Profil PH 13042) den Walzer aus den Morceaux de salon op. 10, eingespielt. Nun folgen mit den kompletten Salonstücken und den Variationen über ein Thema von Chopin zwei weitere Rachmaninow-Zyklen. Bei ihren Einspielungen mit Werken des noch jungen Komponisten geht die Pianistin nicht chronologisch vor, sondern folgt ihrer Intuition. Die Pianistin ist mit Rachmaninows Musik groß geworden, und sie bedeutet ihr viel. Sie weiß, dass man von einer russischen Pianistin auch russisches Repertoire erwarte. In Deutschland, so ihre Wahrnehmung, spiele man gerne Rachmaninow, um zu beeindrucken. Sie hat indes ihre Interpretationen so angelegt, „dass einerseits die russische Schule mit ihrer Expressivität, anderseits die deutsche Stilrichtung mit ihrer Klarheit und ihrer Phrasierungskunst zur Geltung kommt.“ Ihr geht es bei Rachmaninow gerade nicht um vordergründige Brillanz, sondern die Tiefe seiner Musik. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie am nördlichen Polarkreis, blickte aus dem Fenster auf das Eismeer mit der klaren Luft und den im Winter wie gemeißelt erscheinenden Eisbrocken und erlebte im Sommer die zauberhafte Farbenpracht der Tundra. Dieses Leben prägte www.ekaterinalitvintseva.com auch am Klavier den Sinn für Klarheit, für hinaus zu einer fast scheuen Empfindsamkeit und tiefen Emotionalität. Mit ihrem Album Rachmaninov – Early piano works: The Depth of the Unspoken hat sie unter Beweis gestellt, dass sie eine grandiose Rachmaninow-Interpretin ist, die »mit viel Gefühl und mit erstaunlicher gestalterischer Kraft und Tiefe« (Concerti) zu überzeugen weiß. Auf der neuen CD Turning Point kann Sergei Rachmaninow „Turning Point“ Piano works Ekaterina Litvintseva, Klavier Profil Edition Günter Hänssler PH17032 Bereits erschienen: Sergei Rachmaninow „The depth of the unspoken“ Early Piano Works Ekaterina Litvintseva, Klavier Profil Edition Günter Hänssler PH14042 6 Ausgabe 2017/2 man ihr Gespür für und die Verbundenheit mit der Musik des Komponisten erneut erleben. Ekaterina, aufgewachsen in Anadyr im nordöstlichsten Teil Russlands am Beringmeer, hat einen unkonventionellen pianistischen Werdegang hinter sich. Ohne Druck, aber mit lei­ denschaftlicher Ungezwungenheit hat sie das Klavierspiel studiert und ihren eignen, individuellen Stil erarbeitet. Manuela Neumann Fotos: © Martin Doering CLASS : aktuell Andrzej Szadejko Bucholz-Orgel in St. Nikolai, Stralsund Feurig, schwungvoll und historisch Andrzej Szadejko präsentiert Orgelwerke von F. W. Markull A ls Friedrich Wilhelm Markull 1887 im Alter von 71 Jahren starb, sprachen Nachrufe vom „kenntnisreichsten Musiker, vortrefflichsten Orgelspieler u. Componist für Kirche, Schule, Salon und klassischer Orchesterwerke“. Da hatte Markull in über fünfzig Jahren das Danziger Musikleben, das bei seinem Dienstantritt völlig am Boden lag, aus dem Nichts wieder aufgebaut und zu prachtvoller Blüte gebracht. Aus seinen unzähligen Orgelkompositionen hat Andrzej Szadejko einen attraktiven Querschnitt ausgewählt und an der historischen Bucholz-Orgel der St. Nikolaikirche in Stralsund neu eingespielt – eine willkommene Fortsetzung der vielversprechend aufgelegten Reihe „Musica Baltica“ (s. CLASS:aktuell 1-2017). Als Wunderkind betrat Markull das musikalische Podium, und bereits mit 20 Jahren wurde er zum Ersten Organisten der Oberpfarrkirche St. Marien zu Danzig berufen. Die dreimanua­ lige Orgel mit 50 Registern bot alles, was das norddeutsch-romantische Musikerherz begehrte. Das Instrument wurde 1945 mit der Marienkirche und der gesamten Danziger Innenstadt vollständig zerstört; der typisch frühromantische Klang ist aber glücklicherweise in der aufwändig restaurierten Stralsunder Buchholz-Orgel von 1841auch für heutige Ohren erhalten. Davon profitieren besonders die vielen kleinformatigen Werke, die einen Großteil von Markulls Orgelschaffen ausmachen. Vieles dürfte Verwendung im Gottesdienst gefunden haben; so finden sich Choralvorspiele und -bearbeitungen, Nachspiele und Trios. Typisch romantisch auch die Vortragsbezeichnungen: Von „Langsam ohne zu schleppen“ über „Lebendig mit sehr fliessendem Vortrage“ bis zu „Feurig und schwungvoll“ reichen die Anweisungen, die ein abwechslungsreiches Hörelebnis garantieren. Die Fantasie op. 23 ist das einzige größere Werk in Andrzej Szadejkos kenntnisreicher Zusammenstellung. Allerdings geht Markull hier formal wie harmonisch sehr eigene Wege: Erst im triumphalen Finale erscheint der zu Grunde liegende Choral „Christus der ist mein Leben“ in klarer Gestalt. Besonders in der dreidimensionalen Wiedergabe dieser liebevoll in der großen Akustik der Nikolaikirche ausbalancierten Super Audio CD ist der jubelnde Abschluss ein gran­ dioses Hörvergnügen! Klaus Friedrich Außerdem erschienen: Musica Baltica – Vol. 1 Kantaten des Barock aus Danzig (Werke von Meder, du Grain, Freislich und Pucklitz) Solisten; Goldberg Vocal Ensemble Goldberg Baroque Ensemble Andrzej Szadejko, Ltg. MDG 902 1989-6 (Hybrid-SACD) Musica Baltica – Vol. 2 Friedrich Wilhelm Markull (1816-1887) Orgelwerke Vol. 1 Andrzej Szadejko, Bucholz-Orgel (1841) St. Nikolaikirche Stralsund MDG 906 1990-6 (Hybrid-SACD) Ausgabe 2017/2 7 CLASS : aktuell Aktuelle Konzerte: 24. 06. 2017 Lambertikerk, Hengelo (NL) 03. 07. 2017 St. Albert-Kirche, Pulawy (PL) 23. 08. 2017 Konstantin Basilika, Trier 15. 09. 2017 Heilig-Kreuz-Kirche, Detmold 27. 10. 2017 Philharmonie, Danzig (PL) 22. 12. 2017 Rudolf-Oetker-Halle, Bielefeld www.rudolf-innig.de Großtat und Ereignis Rudolf Innig beschließt die Gesamteinspielung des Orgelwerks von Felix Nowowiejski M it der Gesamtaufnahme aller neun Orgelsinfonien von Felix Nowowiejski hat Rudolf Innig vor einigen Jahren eine diskografische Großtat präsentiert – und gleichzeitig einen nahezu völlig vergessenen Meister des spätromantischen Orgelklangs rehabilitiert. Später kam eine Aufnahme kleinerer Orgelstücke hinzu. Die vier „Concerti“ schließen nun diese verdienstvolle Reihe ab, mit der das gesamte Orgelwerk des polnischen Meisters jetzt erstmals vollständig bei MDG auf CD vorliegt. Wer bei den „Concerti“ ein Orchester erwartet, wird sich jedoch enttäuscht sehen – allerdings nur für kurze Zeit: So farbenreich wie Innig die großartige romantische Sauer-Orgel im Bremer Dom einsetzt, vermisst man Streicher und Bläser nicht eine Sekunde. Und auch harmonisch geben sich die Stücke durchaus ambitioniert. Warum Nowowiejski die groß­ formatigen, mehrsätzigen Werke mit „Concerti“ betitelt, muss Spekulation bleiben. Ob auch er vor der Erweiterung der magischen „Neun“ bei den Sinfonien zurückschreckte? Die Concerti entstanden in schwieriger Zeit: Gerade hatte mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen, und Nowowiejski, den biografische Stationen eng mit Deutschland verbanden, geriet unter den neuen Machthabern ins berufliche wie persönliche Abseits. Da wundert es nicht, dass die Werke immer mal wieder autobiografische Züge aufweisen – auch wenn die tröstliche, am Osterfest orientierte Zuversicht des vierten Concertos angesichts des Entstehungsjahres 1941 etwas verfrüht erscheint. Auch in der kleinen Form hat Nowowiejski Beachtliches geleistet. Ob Choralpräludien (op. 9) oder Charakterstücke (op. 31), ob gottesdienstbegleitend (Offertoire) oder konzerttauglich (Marche solennelle) – immer wieder findet er individuelle Ausdrucksformen, die Rudolf Innig mit tief empfundenem musikalischem Gespür zu gestalten weiß. Und wie immer bei MDG sorgt das fein abgestimmte Klangbild in der prächtigen Akustik des Bremer Dom für ein rundum überzeugendes Musikerlebnis, das die Wiederentdeckung des polnischen Komponisten zum Ereignis werden lässt. Lisa Eranos Außerdem erschienen: Felix Nowowiejski (1877-1946) Sämtliche Solokonzerte für Orgel op. 56 Pièces pour Orgue op. 2, 7, 8, 9 & 31 Rudolf Innig, Sauer-Orgel Bremer Dom Felix Nowowiejski Sämtliche Orgelsinfonien op. 45 MDG 317 0757-2 (3 CDs) Felix Nowowiejski Orgelwerke: In Paradisum op. 61 Drei Weihnachtsfantasien Mater dolorosa MDG 317 1997-2 (2 CDs) MDG 317 0973-2 8 Ausgabe 2017/2 WERGO CLASS : aktuell WER 73602 (CD) Produktion: SR / SWR Jetzt neu bei WERGO Eine Legende wird 90 Herzlichen Glückwunsch, Michael Gielen! Unanswered Love Aribert Reimann | Wolfgang Rihm | Hans Werner Henze mit Ersteinspielungen WER 69602 (3 CDs) M ichael Gielen wird 90, und die Klassikwelt feiert den bedeutenden Dirigenten, der als musikalische Referenz ebenso wie als politischer Querdenker von sich reden machte. Aus gesundheitlichen Gründen beendete der Dirigent 2014 seine aktive Karriere, die vor allem durch die Tätigkeit als langjähriger Chefdirigent beim SWR Symphonieorchester BadenBaden und Freiburg geprägt war. Sein Ruhm ist noch immer ungebrochen, und so ist es kein Wunder, dass SWR Classic, das Label des Südwestrundfunks, Michael Gielen eine ganze Boxen­ edition gewidmet hat, die aus dem Stand zum Verkaufsschlager wurde. Nun erscheint bereits die fünfte Folge der auf zehn Volumina angelegten Michael Gielen Edition. Der Beitrag zur Reihe ist ausschließlich dem Werk Béla Bartóks und Igor Strawinskys gewidmet und zeigt, was für ein herausragender Dirigent Gielen auch in diesem Repertoire war. Alle Aufnahmen, die von 2005 bis 2008 auf vier SWRmusic-Alben sukzessive erschienen waren, werden hier wiederveröffentlicht, ebenso Strawinskys „Scherzo à la Russe“, das bereits in einer SWRmusic-Kompilation von 2002 verfügbar war. Aber wie immer bei der Michael Gielen Edition gibt es auch bislang noch ungehörte Archivschätze: Historische Aufnahmen aus den 1960erund 1970er-Jahren, entstanden in Saarbrücken und Stuttgart zeigen Gielen als energischen Jungdirigenten, wobei Strawinskys komplette „Pulcinella“-Musik inklusive Gesang erklingt. Ein faszinierendes Tondokument, an dem nicht nur Sammler ihre helle Freude haben werden! Strawinskys „Variations“ wurden bei Gielens letztem Konzert in Freiburg aufgeführt. Bei dieser Gelegenheit hat er dem Publikum das ungewöhnliche Stück in einer launigen Ansprache erläutert, die im Programm dieser Box eben- Paul Hindemith Die Streichquartette Gesamteinspielung Michael Gielen Edition – Vol. 5 Werke von Béla Bartók und Igor Strawinsky Juilliard String Quartet: Robert Mann / Joel Smirnoff / Smuel Rhodes / Joel Krosnick Christian Ostertag, Robert Leonardy, Stella Doufexis, Edda Moser, Christian Elsner, Werner Hollweg, Rudolf Rosen, Barry McDaniel WDR Rundfunkchor Köln, Anton Webern Chor Freiburg, SWR Vokalensemble Stuttgart, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken Michael Gielen WER 51232 (CD) Koproduktion: HR Foto: © Wolfram Lamparter Juliane Banse: Sopran / Christoph Poppen: Leitung / Deutsche Radio Philharmonie SWRmusic SWR19023CD falls im Original-Ton zu hören ist (die Transkription der Worte Gielens findet man zudem im Booklet zur Box auch zum Nachlesen). Für Michael Gielen ist „Strawinsky unter den ganz großen Meistern des 20. Jahrhunderts.“ Ebenso Bartók, von dessen „Wunderbarem Mandarin“ – hier in einer fulminanten Aufnahme von 2007 – Gielen meint: „… ganz wunderbar (...) mit den Resten eines Impressionismus, aber schon in einem expressionistischen Geist geschrieben, ein Farbenwunder …“. Ausgabe 2017/2 Barbara Heller Herbstmusik Patchwork / La Caleta / Streichquartett 1958 / Eins für Zwei / Herbstmusik / Arriba! / Zwiegespräche / Minutentrios / Lalai – Schlaflied zum Wachwerden? Verdi Quartett / Susanne Stoodt: Violine / Katharina Deserno: Violoncello / Gesa Lücker: Klavier René Brinkmann 9 Fordern Sie bitte unseren Katalog an! WERGO, Weihergarten 5, 55116 Mainz, Deutschland [email protected] | www.wergo.de CLASS : aktuell Edition Staatskapelle Dresden | Vol. 42 – Anton Bruckner Symphonie Nr. 4 Es-Dur „Romantische“ Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann Profil Edition Günter Hänssler PH16064 PH10031 PH12016 PH15013 Gewachsene Tradition: Bruckner-Pflege der Staatskapelle Dresden Das Label Profil-Edition Günter Hänssler veröffentlicht mit der Vol. 42 der Edition Staatskapelle Dresden Bruckners 4. Symphonie unter der Leitung von Christian Thielemann. Z war gilt Dresden, anders als Wien, München oder das benachbarte Leipzig, bis heute nicht explizit als „BrucknerStadt“. Dennoch haben die Werke des gebürtigen Oberösterreichers auch in der sächsischen Residenzstadt eine lange Tradition, und dies insbesondere in den Konzerten der einstigen Hof- und heutigen Staatskapelle. Bereits im Dezember 1885, ein Jahr nach der Leipziger Uraufführung der siebten Symphonie, die Bruckner den internationalen Durchbruch brachte, erklang mit der Dritten erstmals ein Werk Bruckners in Dresden. Die Leitung hatte Musikdirektor Ernst von Schuch, der sich in seiner langen Amtszeit (1872-1914) besonders für das damalige zeitgenössische Musikschaffen einsetzte und schließlich zum „Leibdirigenten“ von Richard Strauss avancierte. Das Publikum in der Semperoper reagierte auf die „Wagner-Symphonie“ mit Irritation und Ablehnung – trotzdem setzte Schuch, ein Landsmann Bruckners, der den Komponisten seit einer Begegnung bei den Bayreuther Festspielen auch persönlich kannte, in den kommenden Jahrzehnten nahezu sämtliche Bruckner-Symphonien aufs Programm. Die erste Aufführung der „romantischen“ Vierten in Dresden fand im November 1895 in der Semperoper statt; am Pult stand diesmal Kapellmeister Adolf Hagen, und die Kritik aus den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ spiegelt das Unverständnis wider, das Bruckners Werken zu dieser Zeit auch andernorts entgegengebracht wurde: „… Dabei kann es der Komponist nicht unterlassen, jeden Augen- blick zu den stärksten Orchestermitteln zu greifen. Kaum hat er uns in poetische Stimmung gesetzt, so packt er auch schon Hörner, Trompeten, Posaunen und Pauken zu förmlichen Accordbündeln zusammen, um damit ein Blitzfunkeln und Donnerkrachen herauszuschlagen, daß einem Hören und Sehen vergeht …“. Spätestens seit der Jahrhundertwende schlug die Kritik aber in Begeisterung um: Schuchs Nachhaltigkeit in der Programmplanung zahlte sich aus, und er verhalf den Werken Bruckners in Dresden nach und nach zu wichtigen künstlerischen Erfolgen. Damit war die Grundlage für eine anhaltende Bruckner-Pflege gelegt; fortan bildeten die Werke des österreichischen Symphonikers einen zentralen Bestandteil im Repertoire des Wagnerund Strauss-Orchesters Staatskapelle. Generalmusikdirektor Fritz Busch etwa dirigierte noch Profil Edition Günter Hänssler PH12011 10 Ausgabe 2017/2 im Februar 1933 – in seinem letzten Symphoniekonzert vor der Vertreibung aus Dresden (dokumentiert in der Edition Staatskapelle Dresden, Volume 30) – eine Aufführung von Bruckners »Romantischer«. Und sein Nachfolger Karl Böhm realisierte 1936/37 die allerersten SchallplattenAufnahmen der vierten und der fünften Symphonie in den damals im Rahmen der BrucknerGesamtausgabe gerade erst erschienenen Originalfassungen (wiederveröffentlicht in der Edition Staatskapelle Dresden, Volume 32). Auch nach dem Krieg und der großräumigen Zerstörung Dresdens wurde schnell wieder Bruckner gespielt: So dirigierte der junge Generalmusik­ direktor Joseph Keilberth zwischen 1945 und 1950 den vermutlich ersten vollständigen Zyklus aller „originalen“ Bruckner-Symphonien überhaupt. 1946 erklang in diesem Zusammenhang auch die Urfassung der dritten Symphonie zum ersten Mal: Der Staatskapelle kam damit, wenn auch spät, noch der Rang eines Bruckner-Uraufführungsorchesters zu (Hintergründe hierzu liefert der Mitschnitt dieser Fassung unter Yannick Nézet-Séguin aus dem Jahr 2008, erschienen in der Edition Staatskapelle Dresden als Vol. 39). Die Bruckner-Tradition der Staatskapelle Dresden ist bis heute lebendig. Beispielhaft für die jüngere Geschichte sind die inzwischen legendäre Gesamteinspielung der Bruckner-Symphonien unter Eugen Jochum aus den Jahren 1975 bis 1980, Konzerte und Aufnahmen unter Giuseppe Sinopoli und Bernard Haitink sowie der aktuelle BrucknerZyklus unter Chefdirigent Christian Thielemann. Tobias Niederschlag Foto: © Samuel Schweizer CLASS : aktuell www.mlcantos.com Hitparade – zum 150. Geburtstag Maria Luisa Cantos präsentiert Enrique Granados V or ziemlich genau 100 Jahren kam Enrique Granados ums Leben, als sein Schiff auf der Rückreise von einem umjubelten Aufenthalt in New York in den Wirren des Ersten Weltkriegs von einem deutschen U-Boot im Ärmelkanal abgeschossen wurde. Mit ihm versanken zahlreiche Manus­krip­te des berühmten Pianisten in den eiskalten Fluten – ein unersetzlicher Verlust, wie Maria Luisa Cantos, Grande Dame der spanischen Klaviermusik, in ihrer jüngsten Einspielung erahnen lässt. Dass Granados, nachdem er zunächst gerettet wurde, sich erneut ins Wasser stürzte, um seine geliebte Frau zu retten und dabei zu Tode kam, erweitert die überaus tragische Episode um eine zutiefst romantische Komponente. Und ein wahrhaft romantischer Geist muss Granados gewesen sein. Nicht ohne Grund stellt Cantos die „Escenas románticas – romantische Szenen“ in den Mittelpunkt ihres sehr per­ sönlichen Programms. Von der beginnenden „Mazurka“ bis zum abschließenden „Epilog“ finden sich immer wieder Anklänge an Chopins poetische Klavierminiaturen, deren emotiona- len Ausdruck Granados allerdings um ein Vielfaches zu vertiefen versteht. Dazu tragen auch die leisen Töne ihren Teil bei, wie in Cantos´ zauberhafter „Berceuse“ ergreifend zu erleben ist. Zum Walzer hatte Granados eine intime Beziehung, die sich durch sein gesamtes Schaffen zieht. Die „Valses poéticos – poetische Walzer“, schon in jungen Jahren komponiert, spielte er immer wieder; sie fanden sich auch im Reise­ gepäck für Amerika. Vom intim-sehnsuchts­ vollen Charakter, wie er Anfang und Beschluss des kleinen Zyklus prägt, bis zum ausgelassenwilden Drehtanz erschafft Granados einen ganzen Kosmos von Gefühlen und Assoziationen. Natürlich darf „Quejas – Klage“ aus den „Goyescas“ nicht fehlen. Nicht umsonst ist dieses herzzerreißende Stück wohl Granados´ populärste Komposition geworden – eine schmachtende Adaption schaffte es mit Johannes Heesters sogar in die Hitparaden! Maria Luisa Cantos versteht es meisterhaft, den tiefen Empfin­ dungen dieser Musik, mit der sie den größten Teil ihres Lebens verbracht hat, auf dem großen Steinway Konzertflügel nachzuspüren. Ohne falsche Sentimentalität gratuliert sie auf dieser luxuriös ausgestatteten MehrkanalSACD im 2+2+2-Klang dem Kom­ ponisten zum 150. Geburtstag – herzlichen Glückwunsch! Klaus Friedrich Enrique Granados (1867-1916) Klavierwerke Maria Luisa Cantos, Klavier MDG 904 2003-6 (Hybrid-SACD) Ausgabe 2017/2 11 NEU BEI ONDINE LARS VOGT LUDWIG VAN BEETHOVEN Klavierkonzerte Nr. 1 und 5 Royal Northern Sinfonia Mit seinem neuen Zyklus sämtlicher BeethovenKlavierkonzerte verbindet Lars Vogt seine mit Leidenschaft aufgebauten Karrieren als Dirigent und Pianist in einem der aufregendsten BeethovenProjekte unserer Zeit ODE1292-2 CLASS : aktuell Qualität, Treue und günstige Preise: 30 Jahre Naxos! 1987, als die Firma Naxos mit ihrer so einfachen Geschäftsidee an den Start ging, hätte wohl niemand geahnt, dass diese Firma innerhalb weniger Jahre zum Marktführer der Branche aufsteigen würde: Gute Klassik-Aufnahmen zum extragünstigen Preis? Das klingt fast schon banal. Aber es entpuppte sich als eine veritable Revolution in einem Marktumfeld, das bis dahin fast nur Höchstpreise kannte. Inzwischen feiert man bei Naxos das 30-jährige Firmenbestehen, und die Laune ist bestens. Noch immer ist Firmengründer Klaus Heymann Chef des Unternehmens, das inzwischen das größte Vertriebsnetzwerk für klassische Musik weltweit stellt und auf mehr als 9.000 Albumveröffentlichungen zurückblicken kann. Wie will man aus diesem unglaublichen Angebot Highlights auswählen? Da muss der Boss persönlich ran! Naxos-Firmengründer Klaus Heymann wählte deshalb die 30 Alben der Naxos-Jubiläumsbox persönlich aus. Das Ergebnis ist spekta­kulär: Die 30 besten Alben aus 30 Jahren Naxos. Beeindruckend wird sichtbar, wie konsistent über all die Jahre die Qualität der oft als „Billigheimer“ geschmähten Marke doch war, und wie sich Qualität eben am Ende immer durchsetzt. Scheinbar nebenbei hat das Label, das die Klassikwelt nachhaltig veränderte, für eine Repertoirevielfalt gesorgt, die man noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Ganze Œuvres von Komponisten wurden bei Naxos veröffentlicht, wobei sich wohl kein anderes Label auf die Fahnen schreiben kann, mehr Welt-Ersteinspielungen veröffentlicht zu haben. Die Box wirft auch ein Licht auf bedeutende Künstler, die inzwischen untrennbar zum Gesicht des Naxos-Labels gehören, wie beispielsweise der Pianist Boris Giltburg, die Weltklassegeigerin Tianwa Yang, Dirigierveteran Leonard Slatkin, die wohl berühmteste Dirigentin Marin Alsop, Cello-Überflieger Gabriel Schwabe, Starflötist Patrick Gallois, die hervorragende Violinvirtuosin Takako Nishizaki, die seit den Anfangstagen dem Label die Treue hält, Star-Cellist und Dirigent Julian Lloyd Webber, Eldar Nebolsin, Jenő Jando, Maria Kliegel, und viele viele mehr. Die Box erzählt auch die Geschichte der Plattenfirma, der ihre Künstler gerne treu bleiben – und das sagt oft mehr als tausend Worte! 30 Jahre NAXOS – The Anniversary Collection Takako Nishizaki Marin Alsop Jenő Jandó Adriane White Boris Giltburg Tianwa Yang JoAnn Falletta Maria Kliegel Henning Kraggerud Gabriel Schwabe Leonard Slatkin Antoni Wit Idil Biret u.v.a. Naxos 8.503293 Im Vertrieb der NAXOS Deutschland GmbH www.naxos.de · www.naxosdirekt.de 12 Ausgabe 2017/2 René Brinkmann CLASS : aktuell Aktuelle Konzerte: 06. 08. 2017 Montafoner Resonanzen Kloster Gauenstein, Schruns 26. 10. 2017 Spandauer Gitarrenfest, Eröffnungskonzert Zitadelle Spandau, Berlin (27.– 28. 10. Meisterkurs) 17. 11. 2017 Hofkapelle der Residenz, München www.frankbungarten.de Foto: © Thomas Struth Weitere Einspielungen: Fundamental, großartig voluminös Frank Bungarten, Mertz und die Wiener Kontragitarre W as für ein Sound! Diese Bässe! Für seine neueste Aufnahme mit Werken des Gitarrenvirtuosen Johann Kaspar Mertz hat sich Frank Bungarten ein ganz besonderes Instrument ausgesucht: Die Kontragitarre, gefertigt nach einer exemplarisch erhaltenen historischen Vorlage Johann Gottfried Scherzers, verfügt auf einem zweiten Hals über eine Reihe zusätzlicher Basssaiten. Damit ist es jetzt möglich, die opulente Klanglichkeit von Mertz´ Kompositionen hautnah zu erleben – wohl erstmals seit dem Tod des Wiener Meisters im Jahre 1856. Für die erst postum veröffentlichten Fantasien op. 65 und die „Harmonie du soir“ rechnete Mertz ganz offensichtlich mit dem zusätzlichen Volumen im Bass. Nur auf der zehnsaitigen Kontragitarre lassen sich die Werke unmittelbar so spielen, wie sie notiert sind. Und wer sich anfänglich fragt, wie man auf der Gitarre eine „Orgelfuge“ darstellen kann, wird spätestens mit den gewaltig einsetzenden „Pedal“-Tönen hellauf begeistert sein! Welch hohe Ansprüche Mertz an seine eigene Musik stellte, lässt sich eindrucksvoll an der Bearbeitung von sechs Schubert-Liedern ablesen. Neben den Originalen verwendet er die hochkomplexen und fantasievollen Transkriptionen, die Franz Liszt für seine eigenen überaus erfolgreichen Klavierrecitals angefertigt hatte – ein waghalsiges Unterfangen, mit frappanter Wirkung: Die Echo-Wirkung im „Ständchen“, die bei Schubert so nicht vorgesehen ist, ist schlichtweg grandios! Sage und schreibe 34 Opernparaphrasen hat Mertz auf sein Instrument komponiert. Die orches­ trale Vorlage verlangt geradezu nach der Klangfülle der Kontragitarre. Und mit Frank Bungarten Federico Moreno Torroba (1891-1982) Castillos de España, Puertas de Madrid, Preludio, Madroños, Nocturno MDG 905 1915-6 (Hybrid-SACD) Heitor Villa-Lobos (1887-1959) Sämtliche Solo-Werke MDG 905 1629-6 (Hybrid-SACD) Mario Castelnuovo-Tedesco (1895-1968) 24 Caprichos de Goya op. 195 findet auch Verdis „Ernani“ den Interpreten, der die abenteuerlichen technischen Schwierigkeiten der Bearbeitung vergessen lässt. Beste Voraussetzungen für ein ungetrübtes Musikvergnügen, das schon den Stereohörer verblüfft, aber noch gesteigert wird mit der Möglichkeit der Mehrkanalwiedergabe. Diese in passender Akustik des Konzertsaals der Abtei Marien­ münster sorgfältig produzierten 2+2+2 - Aufnahme vermittelt das Gefühl des unmittelbaren Dabeiseins. Was für ein Gitarrenklang… Lisa Eranos Johann Kaspar Mertz (1806-1856) Der letzte Wiener Virtuose Frank Bungarten, Kontragitarre 10-Saiten-Gitarre nach J.G. Scherzer, 1861 MDG 905 1954-6 (Hybrid-SACD) Ausgabe 2017/2 13 MDG 305 0725-2 (2 CDs) „Cancion y Danza“ Werke von Bach, Sor, Granados, Turina, Ponce u.a. MDG 305 1246-2 CLASS : aktuell 30 Jahre NAXOS – vom Low Budget Label zum Global Player W Foto: © Emily Chu ir versetzen uns zurück ins Jahr 1987: Die Klassikwelt ist im Wandel! Die CD ist dabei, die Schallplatte abzulösen. Und das zum stolzen Preis! 30 bis 40 DM kostete 1987 eine CD mit klassischer Musik. Das sollte man sich heute noch einmal vor Augen führen, um zu verstehen, was es bedeutete, als plötzlich eine neue Firma auf den Plan trat, die Klassik in Digitalaufnahmen und auf CD verkaufte, dies aber zum Preis von gerade mal 10 DM! Diese Firma hieß Naxos – ein Name, der in die Klassik-Szene der ausgehenden 1980erJahre einschlug, wie eine Kanonenkugel! Was heute klingt, wie eine einfache Idee, die jeder hätte haben können, war damals eine Markt­revolution! Und die entfachte eben nicht jeder, sondern nur einer: Der deutsche Unternehmer Klaus Heymann. Heymann, der bereits in den 1960er-Jahren nach Hongkong ausgewandert war, zunächst als Journalist, später als Vertriebsleiter für HifiEquipment tätig war, hatte erkannt: Es gab da eine Marktlücke! Der Markt dürstete nach Digitalaufnahmen (das Kürzel „DDD“ stand in den Anfangstagen der CD für besonders gute Klang­ qualität), doch davon gab es damals nur wenige und die nur zum Höchstpreis. Naxos krempelte mit seinem Preis-/ Leistungsmodell den kompletten Markt um. Plötzlich gab es solide Einspielungen klassischer Standardwerke in neuester Digitaltechnik zu einem Preis, den sich jeder leisten konnte. Und wollte! In Windeseile eroberte Naxos Marktanteil um Marktanteil. Allein die erste Naxos-Einspielung der berühmten Vier Jahreszeiten mit Takako Nishizaki verkaufte sich bis heute 1,4 Millionen Mal. Andere Alben waren ähnlich erfolgreich und sind es bis heute. Naxos wurde binnen weniger Jahre zum Weltmarktführer für klassische Musik in allen Formaten – nachdem Klaus Heymann frühzeitig begonnen hatte, sich auch von der CD als bestimmendem Medium wieder zu lösen und weiter in die Zukunft zu denken: Mit der Naxos Music Library, 2004 ins Leben gerufen, zählte er zu den Erfindern des Musikstreamings – ein Wort übrigens, das es damals noch nicht einmal gab. Heute ist Musikstreaming in weiten Teilen der Welt die bestimmende Art des Musikgenus- 14 Ausgabe 2017/2 CLASS : aktuell Es ist eine der allerersten NAXOS-CDs aller Zeiten und bis heute die Erfolgreichste: Takako Nishizakis Bestseller Einspielung von Vivaldis „Le Quattro Stagioni“. Die beliebte Aufnahme, die zu den meistverkauften Vier Jahreszeiten-Einspielungen überhaupt gehört, erscheint bei NAXOS nun in einer frischen jungen Optik als Neuauflage. Naxos längst zum Pre­mi­um-An­bie­ter aufgestiegen. Naxos steht heute nicht nur für ein gigantisches Repertoire (das größte aller Klassikfirmen) von mehr als 9.000 lieferbaren Alben, sondern inzwischen auch für echte Stars: Die Weltklasse­ geigerin Tianwa Yang etwa bekam schon zweimal den ECHO Klas­sik. Naxos-Exklusivpianist Boris Giltburg startet derzeit durch mit einer Welt­karriere, wie sie im Buche steht, NaxosJungstar Gabriel Schwabe gilt gar als der verheißungsvollste Cellist seiner Generation. Dieser Erfolg der „Jungen“ zieht auch langjährig etablierte Künstler an, die mit den geschäftlichen Gepflogenheiten anderer Plattenfirmen zunehmend unzufrieden sind: Gi­tarren-Welt­ wunder Pepe Romero etwa nimmt heute fast ausschließlich für Naxos auf, ebenso Diri­gen­ ten­legende Leonard Slatkin, Flöten-Superstar Patrick Gallois und Star-Cellist und Dirigent Julian Lloyd-Webber. Spricht man mit ihnen und anderen typischen „Naxos-Künstlern“, fällt auf, dass die Musiker oft in einem geradezu herz­ lichen Ton von der Firma reden, bei der sie veröffentlichen. Es muss wohl daran liegen: Wer als Künstler mit Naxos spricht, kann sich darauf verlassen, dass man über Musik spricht – nur über Musik! Naxos beschäftigt keine Hochglanzfotografen, Visagisten, Typberater oder nötigt Geigerinnen zu „Lounge“-Auftritten in vermeintlich hippen Discos und Clubs. Zugegeben: Mit Naxos redet man deswegen in der Regel auch nicht über kurzfristige ChartErfolge. Aber eben nur deshalb, weil die NaxosStrategie langfristig ausgelegt ist. Das Motto: Lieber 1,4 Millionen Exemplare eines Albums in 30 Jahren verkaufen, als mit Tausend Exemplaren binnen vier Wochen in die Charts zu schießen, um danach auf Null abzustürzen. Fast alle Alben, die in der 30-jährigen Geschichte des Naxos-Labels veröffentlicht wurden, sind auch heute noch erhältlich. Eine Ausnahme im schnelllebigen Musikbetrieb. Naxos ist und bleibt ein Erfolgsmodell. Sicher auch für die nächsten 30 Jahre! René Brinkmann Sergej Rachmaninow Études-tableaux, op. 39, Moments musicaux, op. 16 Boris Giltburg, Klavier Johannes Brahms Cellosonaten und Lieder Gabriel Schwabe, Cello Nicholas Rimmer, Klavier NAXOS 8.573469 NAXOS 8.573489 Antonio Vivaldi Die vier Jahreszeiten Takako Nishizaki Capella Istropolitana Stephen Gunzenhauser NAXOS 8.550056D Eugène Ysaÿe Violinsonaten op. 27 Tianwa Yang NAXOS 8.572995 Preisgekrönt: Tianwa Yangs Einspielung der Violinsonaten von Eugène Ysaÿe brachte Ihr den ECHO 2015 als Instrumentalistin des Jahres ein. ses geworden: 2016 hat (global betrachtet) der Umsatz mit Streaming und Downloads erstmals den Umsatz mit physischen Tonträgern wie Schallplatten und CDs überflügelt. Während viele Firmen, gerade im Klassikbereich, mit dieser Entwicklung zu kämpfen haben, geht es Naxos bestens. Frühzeitig wurde darauf geachtet, den Vertrieb für physische Produkte selbst in der Hand zu haben. Mit mehr als 60 Vertriebs­ niederlassungen rund um die Welt stellt Naxos das größte Netzwerk dieser Art in der Welt der Klassik. Und digital war man sowieso von Beginn an besser aufgestellt als andere. Naxos hat sich in den nunmehr 30 Jahren seiner Existenz beständig gewandelt und fortentwickelt. Kritiker hatten der Firma anfangs ein schnelles Ende vorherge­sagt. Pustekuchen! Vom Label für das gu­te Preis-/Leistungsverhältnis mit den auffälligen weißen Coverartworks ist Ausgabe 2017/2 15 Profil Edition Günter Hänssler Jahrespreis 2017 der Bruckner Society of America für Gerd Schaller! ANTON BRUCKNER SYMPHONY No. 9 Gerd Schaller & Philharmonie Festiva CD PH16089 »Schaller´s durchgehende Konzentration hypnotisiert den Hörer regelrecht und trägt ihn auf Wellen eines brillanten Sounds.« (Bruckner Journal London) 2 CD Mit vervollständigtem Finale nach Originalquellen von Gerd Schaller 3 CD CD PH12022 CD PH15004 CD PH13049 CD PH14020 CD PH14021 CD PH13027 CD PH15035 CD PH16034 2 CD 4 CD Profil CD PH11028 Edition Günter Hänssler www.haensslerprofil.de Profil Medien GmbH · Hauffstr. 41 · D-73765 Neuhausen a. d . F. Fon: +49 (0 )71 58 -9 87 85 21 · Fax: +49 (0 )71 58 -70 91 80 . [email protected] · www.haensslerprofil.de www.naxos.de Fotos: © Sarah Wijzenbeek CLASS : aktuell Atemberaubend Berlages ausdrucksstarkes Plädoyer für Freiheit N ach dem phänomenalen Erfolg ihres Debütalbums „Saxofolk“ wagt sich das Berlage Saxophone Quartet auf gänzlich anderes Terrain. Fünf berühmte Komponisten, die im Konflikt mit den politischen Verhältnissen ihrer Zeit standen, liefern intensive Schlüsselwerke, die in den virtuosen Bearbeitungen für vier Saxofone aus völlig neuer Perspektive zu betrachten sind. „In Search of Freedom“ wird so zu einem Plädoyer für die Freiheit der Kunst, die auch bei eingeschränkter persönlicher Freiheit immer Bestand hat. Hanns Eisler, Kurt Weill und Erwin Schulhoff fielen gleich aus mehreren Gründen ins Visier der Nationalsozialisten. Den Kommunisten nahestehend, zum Teil jüdischer Abstammung und dann auch noch „entartet“ komponieren – das hatte in Deutschland keine Zukunft. Und während Weill und Eisler im amerikanischen Exil durchaus erfolgreich waren – der eine am Broadway, der andere in Hollywood – geriet Schulhoff zwischen die Fronten und fand in der Lagerhaft den Tod. Songs aus Weills „Dreigroschenoper“ und Eislers 6. Suite (aus der Filmmusik zu „Le grand jeu“) stehen hier an der Seite von Schulhoffs „5 Stücke für Streichquartett“, denen als Suite populärer Tänze vom Walzer bis zum Tango alles Politische fernzustehen scheint. Arvo Pärt geriet nach seiner Hinwendung zu religiös-meditativer Musik auf den Index der sowjetischen Machthaber. „Fratres“ ist eines seiner ersten Stücke dieser Art; Vineta Sareika, Primgeigerin des Artemis Quartetts, übernimmt dabei den bei aller scheinbaren Einfachheit anspruchs- Aktuelle Konzerte: 14. 05. 2017 Vorden (NL) 26. 05. 2017 Pristina (Kosovo) 11. – 18. 06. 2017 Oerol Festival Terschelling (NL) 19. 08. 2017 s`Hertogenbosch (NL) 20. 08. 2017 Barchem (NL) www.berlagesaxophonequartet.com 21. – 27. 08. 2017 Alcorisa (ES) vollen Violinpart. Die flächige Harmonik entfaltet in der Besetzung mit Saxofonen eine geradezu hypnotische Wirkung – grandios! Dmitrij Schostakowitschs Verhältnis zur sow­ jetischen Staatsmacht war durchaus ambivalent. Und ob seine Huldigungskompositionen nicht vielleicht doch bereits Karikatur sind, ist bis heute umstritten. Zweifellos aber gehört sein 8. Streich­ quartett zu den ergreifendsten Werken überhaupt. Und wie die Berlages die abrupten Wechsel zwischen erschütternder Klage und ekstatischem Rhythmus gestalten, macht diese hochauflösend vibrierende Super Audio CD zu einem unvergesslichen ja schier atemberaubenden Erlebnis. Lisa Eranos „In Search of Freedom“ Werke von Hanns Eisler, Kurt Weill, Arvo Pärt, Erwin Schulhoff, Dmitri Schostakowitsch Vineta Sareika, Violine Berlage Saxophone Quartet MDG 903 1999-6 (Hybrid-SACD) Außerdem erschienen: „SaxoFolk“ Werke von Farkas, Pierné, Grieg, Schulhoff, Mussorgsky, Ligeti, Piazzolla, Albeniz Berlage Saxophone Quartet MDG 903 1834-6 (Hybrid-SACD) Ausgabe 2017/2 17 CLASS : aktuell Effektvolles Feuerwerk Die Klarinettenquintette von Heinrich Baermann www.ritakarinmeier.ch A ls Carl Maria von Webers Inspirationsquelle ist Heinrich Baermann heute durchaus bekannt. Der berühmte Virtuose, dem Weber alle seine Klarinettenkonzerte auf das Blatt komponierte, griff auch immer wieder selbst zur Feder – und das mit beachtlichem Erfolg. Mehrere Dutzend Werke sind überliefert. Rita Karin Meier und das Belenus Quartett widmen sich den drei Quintetten für Heinrich Baermann (1784-1847) Klarinettenquintette op. 19, 22 & 23 Rita Karin Meier, Klarinette Belenus Quartett MDG 903 1988-6 (Hybrid-SACD) Klarinette und Streicher, die das vielgerühmte kantable Spiel ebenso wie die legendären virtuosen Fähigkeiten Baermanns aufs vorzüglichste zum Leben erwecken. Besonders im f-Moll-Quintett op. 22 ist die Nähe zu Weber nicht zu überhören. Schon der ungestüme Beginn der Streicher, der das sehnsuchtsvoll-drängende Allegro non troppo einleitet, ist Romantik pur. Und die großartige Opernszene des zweiten Satzes bietet Rita Karin Meier die besten Gelegenheiten, ihren wundervoll warmen Ton in allen nur erdenklichen Schattie- 18 Ausgabe 2017/2 rungen zu präsentieren. Eine bemerkenswerte Berühmtheit erlangte das Adagio des auch heute noch recht häufig zu hörenden Quintetts op. 23: Nach seiner Wiederentdeckung 1922 wurde es zunächst als ein Werk Richard Wagners angesehen – wenn das kein Ausweis für Qualität ist! Dass Bärmann auch aberwitzig virtuose Partien für sein Instrument komponierte, dürfte kaum überraschen. Besonders in den Schlusssätzen zündet er ein wahres Feuerwerk an Effekten, das dem Publikum den Atem stocken lässt. Vor allem das Rondo aus op. 19 hat es in sich: Schon das Ritornell mit seinen quirligen Triolenketten verlangt der Solistin das Äußerste ab. Und wenn dann die Klarinette durch sämtliche Lagen und Register rauscht, hält es niemanden auf den Sitzen! Auch wenn die Klarinette ganz eindeutig im Brennpunkt ist, gelingt es Bärmann die vier Streicher so einzubeziehen, dass echte Kammermusik entsteht. Die ist beim Belenus Quartett bestens aufgehoben: Das junge Schweizer Ensemble harmoniert ausgezeichnet mit Rita Karin Meiers Klarinettenspiel, wohl nicht zuletzt auch dank gemeinsamer Erfahrungen aus der Zürcher Oper. Klangtechnisch als hochauflösende Super Audio CD in dreidimensionaler Klangwiedergabe produziert, wird diese äußerst unterhaltsame Produktion zu reinem Musikgenuss. Klaus Friedrich Foto: R. K. Meier © Raphael Zubler, Belenus Quartett © Angelika Annen www.belenusquartett.ch CLASS : aktuell Ein kammermusikalisches Juwel: Das Klaviertrio Teil 2: Von der Frühromantik ins 19. Jahrhundert MDG 342 1166-2 Franz Schubert (1797-1828) N achdem die Wiener Meister Haydn, Mozart und Beethoven das Klaviertrio zu einer ersten Blüte ge­ führt hatten, war es Franz Schubert, der das noch junge Genre in die Welt der Romantik führte. Ein seliges Träumen Erst gegen Ende seines Lebens wandte sich Schubert dem Klaviertrio zu. Einen äußeren Anlass – etwa in Form eines Kompositionsauftrages – schien es nicht zu geben, lediglich die Begeisterung für die außergewöhnliche Besetzung, mit der Beethoven einst debutierte... Bis zu seinem 30. Lebensjahr komponierte Schubert mit Vorliebe Streichquartette. Gemischte kammermusi­ kalische Besetzungen sind bei ihm rar. Sein erstes Klavier­ trio entstand 1827, also ein Jahr vor seinem frühen Tod. Ob für die Entstehung von D 898 ein konkreter Anlass bestand oder ob Schubert das Trio mit Blick auf die einschlägigen Kataloge verfasste, ist bis heute nicht ge­ klärt. Es deutet aber viel darauf hin, dass es im direkten zeitlichen Umfeld mit dem „Notturno“ entstand, dessen Autograph und Entstehungsdatum überliefert sind. Robert Schumann schwärmte von den Werken sei­ nes Komponistenkollegen wie ein Werbetexter unserer Tage. Für ihn war das B-Dur-Trio ganz und gar „leidend, weiblich und lyrisch“. Schon der erste Satz sei so „anmutig, vertrauend, jungfräulich“, das Adagio gar „ein seliges Träumen, ein Auf- und Niederwallen schön menschlicher Empfindung“. Nur wenige Wochen nach Beginn des Musikunter­ richts beim Hofkapellmeister Antonio Salieri entstand zwischen dem 27. Juli und dem 28. August 1812 ein einzelner, „Sonata“ überschriebener Klaviertrio-Satz in B-Dur (D 28). Bemerkenswert an dieser frühen Kom­ position ist allerdings weniger die bereits erkennbare eigene musikalische Sprache, als vielmehr die unge­ zählten nachträglichen Korrekturen, mit denen der 15jährige das Autograph in die Welt entließ. Ganz anders Schuberts Klaviertrio Es-Dur (D 929) – ein Werk aus der Spätzeit des Komponisten, das gleicher­ maßen exzellente wie erfahrene Interpreten erfordert: Das Wiener Klaviertrio gestaltete mit diesem Werk sein exklusives MDG-Debüt (MDG 3421167-2). Als „Zugabe“ dieses Vol. 1 der Gesamteinspielung hören wir zum ersten Mal hier die beiden Urtext-Varianten des EsDur-Trios, die durch verlegerische Ungenauigkeiten bis dato verschüttet waren. Die Sorgfalt, mit der die Musiker bei der Vorbereitung der Aufnahmen zu Werke gehen, schließt die philologische Kontrolle der auto­ graphen Partituren grundsätzlich ein – in diesem Fall stellte die Wiener Nationalbibliothek die wertvollen Handschriften zur Verfügung. Den ungewöhnlichen Anspruch des Werkes erfassten die gebildeten Zeitgenossen schon beim ersten Anhören. Der Korrespondent der Leipziger Allgemeinen musika­ lischen Zeitung: „Kein gewöhnlicher Geist spricht uns in ihm an; es ist neu, eigenthümlich, großartig, seltsam, stechend, kräftig und zart; kein Geklimper: Musik.“ Schubert probierte seine Kompositionen aus: In „Privatkonzerten“, die vom Geiger Schuppanzigh ver­ anstaltet wurden, kam sein Trio am 28. Januar 1828 zur Aufführung. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit fanden diese Schubertiaden allerdings längst nicht mehr statt: Die Verleger schickten ihre Späher – schon bald „biss“ einer an: Als „Opus 100“ erschien das Trio wenige Monate später in Leipzig. Bis heute gehört das B-Dur Klaviertrio (D 898) von Franz Schubert zu den bekanntesten, aber auch schwierigsten Werken dieser bei Schubert so seltenen Gattung. Das junge deutsch-tschechische Max-BrodTrio hat dieses kammermusikalische Schwergewicht für Audiomax aufgenommen (Audiomax 703 1608-2). Ausgabe 2017/2 19 MDG 342 1167-2 Audiomax 703 1608-2 MDG 303 0921-2 MDG 303 0922-2 CLASS : aktuell Robert Schumann (1810 -1856) Concerto CD2065 Das Forschen bricht sich Bahn Kaleidos KAL63312 MDG 303 1241-2 Wir hatten schon darauf hingewiesen: einer der glühendsten Verehrer Schubertscher Klaviertrio-Kunst war Robert Schumann. Der komponierte seine eigenen Trios erst, nachdem er sich intensiv und erfolgreich mit Liedern und Sinfonien auseinandergesetzt hatte. Doch schon während der Arbeit an seinem ersten Klaviertrio begann er bereits ein zweites und drittes – seine Haus­ haltsbücher aus dieser Zeit enthalten immer häufiger die Eintragung „Triogedanken“. Schumann wurde von zeitgenössischen Kritikern den großen Entdeckern der Zeit gleichgesetzt: Angesichts des Klaviertrios d-Moll op. 63 schrieb die Neue Zeitschrift für Musik 1848: „Hier und dort treibt die Schöpferkraft des Meisters unablässig vorwärts nach neuen Richtun­ gen, das Forschen bricht sich Bahn in ferne Regionen, erspäht werthvolle Schätze, erbeutet sie sicher ...“ Ein Jahr später erschienen Robert Schumanns sel­ ten gespielte Phantasiestücke. Der berühmte Biograph Hermann Abert charakterisiert die humorvollen, traum­ haften, ebenso liebenswürdigen wie geistvollen Beiträge zur Kammermusik zu recht als „Studien über allerhand Spezialitäten des romantischen Geistes.“ „Zwar haben wir es mit keinem so gewaltigen Pro­ ducte wie es der Autor in seinem ersten Trio (d-Moll) bietet, zu tun, aber mit einem viele kostbare Kleinodien in sich bergenden Stück.“ Clara Schumann, die das zweite Trio besonders schätzte, war verärgert über das diffenzierte Echo – Der Rezensent hatte die satztechni­ sche Raffinesse in der Tat wohl überhört. Der Aufenthalt Schumanns in Leipzig Mitte März 1852 sollte sein letzter werden: In einer „musikali­ schen Morgenunterhaltung“ stellte der von Krankheit gezeichnete Schumann sein neues, drittes Trio vor, das von der Kritik schulterzuckend aufgenommen wurde. Heute ist es kaum vorstellbar, dass man mit dem genialen Werk damals nichts anzufangen wusste. Schumann und Ersteinspielung? Das Trio Parnassus führt mit seiner Ge­ samtveröffentlichung des Schumannschen KlaviertrioSchaffens überraschenderweise auch in kammermusi­ka­ lisches Neuland (MDG 303 0921-2 und MDG 303 0922-2). Eine kongeniale Bearbeitung von Theodor Kirchner rettet eine Komposition vor dem Vergessen: Der Schu­ mann-Schüler ersetzt in den Studien op. 56 den längst ausgestorbenen Pedalflügel durch das Klaviertrio. Auch die Bilder aus Osten op. 66 sind für uns heute eine Reise ins Unbekannte: Schumanns fünf prägnante Charakter­ stücke – bei Lesen arabischer Erzählungen entstanden – zählten im 19. Jahrhundert zu seinen bekanntesten Werken und erlebten zahlreiche Bearbeitungen. Die hier erstmals eingespielte Fassung der ursprünglich vierhän­ dig gesetzten Bilder, greift den Hausmusikgedanken auf, dem das Original verpflichtet ist, und sind auch heute gehört mitreißende Triowerke. Das Trio di Parma erweitert auf dem Doppelalbum Concerto CD2065 den Blick auf Schumanns kammer­ musikalische Welt ebenfalls; zu den Klaviertrios treten die „Phantasiestücke“ op. 88 und die „Sechs Stücke in kanonischer Form op. 56“. Eine Klammer zwischen Schubert und Schumann schafft eine Einspielung des mehrfach preisgekrönten Morgenstern Trios, die Schuberts 2. Trio op. 100 mit Schumanns 1. Trio op. 63 verbindet (Kaleidos KAL63312). BIS-SACD-2109 Audiomax 903 1793-6 (Hybrid – SACD) MDG 303 0805-2 MDG 303 0806-2 20 Ausgabe 2017/2 Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) CLASS : aktuell Beim Schubert-Trio hat sich das Morgenstern Trio für die ursprüngliche Fassung ohne die vielfach üblichen Kürzungen entschieden (einzig die Wiederholung der Exposition wird nicht gespielt), wodurch der 4. Satz seine monumentale Länge behält. Das Meistertrio der Gegenwart Hochaufstrebender Künstler der jüngsten Zeit Ebenfalls der Stadt Leipzig verbunden war ein heute Vergessener: Woldemar Bargiel (1828-1897). Das Trio Parnassus schließt daher mit der Erstveröffentlichung der Klaviertrios von Woldemar Bargiel eine Lücke (MDG 303 0805-2, MDG 303 0806-2). S 22 Fingerprints J. S. Bach: Chromatische Fantasie und Fuge d-moll BWV 903 Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate F-Dur KV 332 Ludwig van Beethoven: Klaviersonate C-Dur op. 53 „Waldstein“ Alexander Skrjabin: Albumblatt Es-Dur op. 45/1 Claude Debussy: Etude No 11 „Pour les arpèges composés“ Maurice Ravel: La Valse | Wang Jianzhong: Liuyang River Haiou Zhang, Klavier hänssler Classic HC17022 Musikalische Fingerabdrücke M it einem sehr persönlichen Album präsentiert der chinesische Pianist Haiou Zhang sein bereits drittes Album bei Hänssler Classic. „Meine neue CD Fingerprints enthält Kompositionen verschiedener Stil-Richtungen und Epochen; so unterschiedlich die Werke auch sind – sie haben eines gemeinsam: Mit jedem dargebotenen Stück verbinde ich großartige, mitunter berührende. Konzerterlebnisse. Jedes Stück habe ich mindestens 50 mal weltweit vorgetragen. Diese vielschichtigen Konzerterfahrungen sind nun auf CD gebündelt und die Aufnahmen, die in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin eingespielt und aufgezeichnet wurden, enthalten für mich die musikalischen Essenzen, die Tonbilder zum Leben erwecken.“ Die CD eröffnet ein Spektrum von Bach bis China – mit jedem Stück sieht der junge Ausnahmepianist einen besonderen Bezug zu seiner musikalischen Karriere – und so kann der Titel Fingerprints durchaus auch doppeldeutig stehen, nämlich auf der einen Seite für die Beweisführung einer bis dato gelungenen und sehr erfolgreichen musikalische Laufbahn und auf der anderen Seite für eine unverwech­ selbare Werke-Deutung. Manuela Neumann Ausgabe 2017/2 21 Foto: © J. Krueger-M. Robert Schumann verweist uns (biographisch) nach Leipzig. In keiner anderen Stadt als Leipzig hätte Felix Mendelssohn Bartholdy derartige Erfolge feiern können: Seine Klaviertrios spiegeln auf Schritt und Tritt die klassisch-humanistischen Ideale ihres Schöpfers wieder. Mendelssohn vereinigte Gefühl und Geist – ganz so, wie es die an­ spruchsvolle und hochgebildete Öffentlichkeit Leipzigs verlangte. Kunst war nicht mehr ein oberflächliches Vergnügen, sondern wurde mit Verstand und Vernunft verbunden. Die Uraufführung des d-Moll-Trios fand am 1. Februar 1840 im Rahmen einer „Musikalischen Abendunterhaltung“ in Leipzig statt. Der als Kritiker gefürchtete Robert Schumann bezeichnete das Stück als „das Meistertrio der Gegenwart“ und Mendelssohn als den „Mozart des 19ten Jahrhunderts“ – umgehend eroberte das Werk die Salons und die Konzertsäle der Welt. Wie viel Mendelssohn an dieser Entwick­ lung gelegen war, zeigt die Tatsache, dass er alle Störungen, und seien sie noch so lukrativ, bei der Arbeit an seinen Streichtrios absagte: im Jahre 1845 sogar eine Einladung in die Carnegie-Hall New York („Das ist ja so weit wie eine Reise zum Mond!“). Mendelssohn wollte beim Komponieren Ruhe: „sans Reise, sans Musikfest, sans everything“. 1845, zeitgleich mit dem „Elias“ entstanden, befasst sich auch das letzte zum Druck freigegebene Kammermusikwerk Mendelssohns mit religiösen Themen. Ein freier Choral, der an „Vor deinen Thron tret ich hiermit“ erinnert, tritt am Schluss hinzu – bemerkenswert für eine Kammermusikkomposition, und für Mendelssohn, dem letzte Gewiss­ heiten in Glaubensdingen fremd waren, aber zugleich Ausdruck ro­ mantisch-sehnsüchtigen Suchens. Mendelssohns erstes Trio wurde von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen und eroberte sich sofort einen festen Re­per­toireplatz in der noch jungen bürgerlichen Hausmusik. Schumann bezeichnete Mendelssohn in seiner euphori­ schen Rezension als „Mozart des 19. Jahrhunderts“. Das Trio Parnassus entführt mit seiner Gesamtveröffentlichung des Mendelssohnschen Klaviertrio-Schaffens (MDG 303 1241-2) in eine bes­ sere Welt – in die des ungebrochenen Schönheitsideals. Wen wun­dert dies bei einem Ensemble, dessen bisher erschienene musikalische „Reiseberichte“ vom internationalen Publikum mit größtem Interesse verschlungen wurden. Die Einspielung des Sitkovetsky-Trios auf BISSACD-2109 steht dem in Nichts nach. Und noch einmal Mendelssohn: Voll jugendlichem Elan und virtu­ osem Esprit zaubern die jungen Musiker des Trio Alba eine frische Mendelssohn-Deutung auf die Bühne, eine Super Audio CD im besten 2+2+2 Sound, die in ihrem mitreißendem Schwung und audiophilen Klang rundum begeistert (Audiomax 903 1793-6). CLASS : aktuell Woldemar Bargiel (1828-1897) MDG 303 1665-2 MDG 303 0655-2 MDG 303 0656-2 MDG 303 0657-2 MDG 942 1962-6 (Hybrid-SACD) Die Familie Bargiel gehörte zur haute volaute der Berliner und Leipziger Musikkultur, was schon an den verwandtschaftlichen Bindungen abzulesen ist: Woldemar Bargiels Mutter war mit dem Vater von Clara Schumann verheiratet, die weltberühmte Pianistin also seine Halbschwester. Bargiel hatte eine Ausbildung von exquisiter Qualität: Er sang als Knabe im berühmten Berliner Domchor und erhielt schon früh Komposi­ tionsunterricht bei keinem geringeren Musiktheorie­ lehrer als Siegfried Wilhelm Dehn. Durch Vermittlung von Robert Schumann kam er an das weltberühmte Leipziger Konservatorium und studierte bei den „Päpsten der Kompositionslehre“ Ignaz Moscheles und Moritz Hauptmann. Bargiels professorale Karriere führte vom Kölner Konservatorium über Rotterdam nach Berlin, wohin ihn Joseph Joachim an die Hochschule holte. Von dort aus arbeitete er mit Brahms an der Chopin- und SchumannGesamtausgabe. Und die Musik Bargiels begeisterte um die Mitte des Jahrhunderts nicht nur das Konzert­ publikum, sondern auch die Fachwelt. Er wurde von Schumann in dessen berühmten Aufsatz „Neue Bahnen“ in einem Atemzuge mit Johannes Brahms genannt – als „hochaufstrebender Künstler der jüngsten Zeit“. Seine klangschönen, zuweilen harmonisch kühnen Komposi­ tionen brachten Schumann dazu, sich für eine Druck­ legung des Trios op. 6 einzusetzen. 1852 schrieb Schu­ mann an seinen Verleger: „Wie steht es mit dem Trio von W. Bargiel? Ich glaube, Sie haben kein Risiko dabei!“ Noveletten in Schumann-Tradition Leipzig, immer wieder Leipzig als eine der zentralen Musikstädte im 19. Jahrhundert. Auch der Däne Niels Wilhelm Gade (1817-1890) wurde von dieser Stadt ge­ prägt, in der er sich 1843 aufhielt. Hier fand er An­ schluss an die Kreise um Mendelssohn und Schumann, hier wurde seine 1. Sinfonie uraufgeführt, und er durfte das Gewandhausorchester dirigieren. Von Leipzig aus unternahm Gade eine Europareise und kehrte erst 1848 nach Kopenhagen zurück, um in seiner Heimatstadt den Musikverein zu beleben und ein Konservatorium zu gründen, dessen Direktor er bis zum Lebensende blieb. MDG 303 1615-2 MDG 303 1755-2 22 Ausgabe 2017/2 Niels Wilhelm Gade (1817-1890) Nur ein Scherzo zeugt von der ersten KammermusikKomposition des 19-jährigen Geigers, der eigentlich ein Klavierquartett schreiben wollte. Drei Jahre später versuchte sich Gade erstmals an einem Trio. Über den ersten, äußerst gelungenen Satz kam er jedoch nicht hinaus. Der Durchbruch gelang ihm 1853, nach Rück­ kehr aus Leipzig. Er komponierte fünf Sätze für ein Klaviertrio und nannte sie in bester Schumann-Tradition „Noveletten“. Es ist interessant, wie das Trio Parnassus den kompositorischen Ablauf in seiner Einspielung (MDG 303 1665-2) erhellt, indem es auch den ursprüng­ lich vorgesehenen Schlusssatz aufgenommen hat. Mit dem einzigen echten Klaviertrio gelang Niels Wilhelm Gade 1862/63 zugleich seine reifste Komposition über­ haupt. Das F-Dur-Trio hat vier Sätze mit dem Scherzo an zweiter Stelle. Nicht nur das in hellsten Farben erstrah­ lende, orchestrale Finale bietet den drei Musikern eine optimale Gelegenheit, ihre mehrfach prämierte Spitzen­ klasse erneut unter Beweis zu stellen. Meister der himmlischen Längen Ein Meister großformatiger und gleichzeitig groß­ artiger Kammermusik war Johannes Brahms. Kein Genie hat so rigoros Skizzen vernichtet wie er: Das überbor­ dende Talent ließ den pubertierenden Jugendlichen komponieren, was das Zeug hielt: Brahms schrieb mindestens 150 Werke vor seinem op. 1 und tapezierte damit sein Zimmer. Als er dann mit 20 Jahren durch die Bekanntschaft mit Schumann ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit katapultiert wurde, schämte er sich seiner „Jugendsünden“ und vernichtete Frühwerke, Skiz­ MDG 942 1512-6 (Hybrid-SACD) CLASS : aktuell zen und Frühstadien seiner Werke restlos: das H-Dur-Trio überlebte, weil es „aus Versehen“ schon gedruckt war. Brahms straffte 35 Jahre später sein op. 8 und nahm ihm den jugend­ lich-schwärmerischen Tonfall; die heute äußerst selten zu hörende Frühfassung erhält selbst in den identischen Passagen durch andere Tempi eine ungeahnte Frische und besticht durch seine „himmlische Länge“ und eine deutlich konzentrierte Anlage. An seinen Verleger kommentierte Brahms die Revision, gewohnt maliziös: „…dass das alte zwar schlecht ist, ich aber nicht behaupte, das neue sei gut!“ Dabei gehört schon das Anfangsthema zum Schönsten, was der junge Komponist je zu Papier gebracht hat, und das Scherzo fand der erfahrene Altmeister dann offenbar doch nicht so schlecht: es ist nahezu unverändert übernommen. Kurios: Da Brahms‘ Freund und Geiger Joseph Joachim es nicht leiden konnte, zu lange auf seinen ersten Einsatz warten zu müssen, kompo­ nierte der junge Brahms für den Beginn ein paar kommentierende Einwürfe für die Violine hinzu. Später nahm er auf derartige Künstler­ befindlichkeiten keine Rücksicht mehr, und so entfaltet das Cellothema des Anfangs seine Pracht jetzt ganz ungestört. 30 Jahre brauchte Brahms dann, um ein zweites Klaviertrio zu beginnen; in vermeintlich schlichtem C-Dur eröffnet op. 87 tiefe Abgründe, die immer wieder von grandiosem Leuchten abgelöst werden. Das c-Moll-Trio op. 101 ist „leidenschaftlich, aber maßvoll“ (wie eine Freundin von Brahms bemerkte) – auf das Wesentliche konzentriert. Und Clara Schumann gab zu: „Noch kein Werk von Johannes hat mich so ganz und gar hingerissen ...“ Bei ihrer auf drei CDs herausgegebenen Gesamteinspielung sämt­ licher Klaviertrios von Brahms (MDG 303 0655-2, MDG 303 0656-2, MDG 303 0657-2) geht das Trio Parnassus editorisch einen besonde­ ren Weg: Es flankiert die großen Trios mit einer Rarität, die in keiner Sammlung fehlen darf: die Bearbeitung der Streichsextette op. 18 und 36 für Klaviertrio von Theodor Kirchner. Die Komponisten Theodor Kirchner und Brahms verband eine lange Freundschaft. Kirchner, der mit seinen Klavierkompositionen unzählige Schmuck­stücke schuf, entdeckte in den großen, zugleich filigranen Kom­ positionen seines berühmteren Zeitgenossen eine Wesensverwandtschaft, die zu Bearbeitungen geradezu herausforderte: Kirchner wurde zum Lieblings-Arrangeur von Brahms, und seine Bearbeitungen erreichten gegen Ende des 19. Jahrhunderts traumhafte Druckauflagen. Kirchners Bearbeitung vom Sextett op. 18 für Streichtrio ist ein wichtiger Zeitzeuge – ein Beleg dafür, dass man es im letzten Jahrhundert mit der Original­ treue nicht päpstlicher als der Papst hielt: Kein Wunder, daß der pro­ testantische Brahms angesichts der Kirchnerschen Bearbeitung die Chan­ ce sah, sein Werk in einem neuen, faszinierenden Licht zu sehen. Auch Kirchners Arrangement vom Sextett op. 36 ist meisterhaft – so genial, dass Brahms im typischen Under­ statement bemerkte, solche Ausga­ ben „können sogar einen miserablen Komponisten noch zu was machen“. S 24 George Enescu und seine französischen Zeitgenossen Luiza Borac ist für ihre Neigung zu George Enescu bekannt: 2014 promovierte die Pianistin mit der Forschung über das Klavierwerk George Enescus und erhielt summa cum laude an der Musik Universität Bukarest im Bereich Musikwissenschaft. Nun präsentiert sie bei Profil ein Doppelalbum, das durchaus als Widmung zu verstehen ist. B is dahin wurde die Bedeutung des rumänischen Komponisten, Violinvirtuosen, Pianisten, Dirigenten und Musikpädagogen George Enescu für die Kultur seiner zweiten Heimat, Frankreich, nur beiläufig wahrgenommen. Zusammen mit dem Bildhauer Constantin Brancusi, dem Schriftsteller Tristan Tzara, dem Maler Marcel Janco, die beide massgeblich zur Entstehung des 1916 in Zürich begründeten und 1920 in Paris weiterentwickelten Dadaismus beitrugen, bildet Enescu eine der wichtigsten rumänischen Stützen des Kulturaustausches in der französischen Metropole. Im Gegensatz zu seinen ebenfalls in Paris ansässigen Landsleuten Stan Golestan und Filip Lazăr, der 1928 Mitbegründer der progressiven Kammermusikgesellschaft „Triton“ wurde, übte Enescu einen nachhal­ tigen Einfluss auf das Musikleben der Seinestadt aus. Als prägende Vor­ bilder wirkten zur selben Zeit auch die rumänischen Pianisten Clara Haskil und Dinu Lipatti. Schon 1895 nach Paris übersiedelt, setzte sich Enescu als Dirigent besonders für Claude Debussy, Paul Dukas, Gabriel Fauré, Edouard Lalo und Maurice Ravel ein. Manuela Neumann Inspirations & Dreams Enescu, Ravel, Debussy, Mihalovici, Schumann Opus Magnum – Transkriptionen Luiza Borac, Klavier Johannes Brahms (1833 – 1897) Profil Edition Günter Hänssler PH17000 Ausgabe 2017/2 23 CLASS : aktuell Benjamin Godard (1849 -1895) und Léon Boëllmann (1862 -1897) BIS-SACD-2059 In einer Einspielung auf Super Audio CD in drei­ dimensionaler 2+2+2-Wiedergabe (MDG 942 1962-6) präsentiert das Wiener Klaviertrio das erste Volume sei­ ner neuen Gesamteinspielung, die als Resüme einer fast 30-jährigen Bühnenpräsenz gelten kann. Besonders das elfengleiche Scherzo hat es in sich; eine lohnende Auf­ gabe für Stefan Mendl, der mit seinen Wiener Kollegen auf dem ehrwürdigen Steinway D „Manfred Bürki“ einen geisterhaften Spuk zelebriert, dass einem der Schauer über den Rücken läuft. Entzückend und ohne zu zögern empfehlenswert Audiomax 703 1682-2 MDG 342 1261-2 MDG 342 1262-2 Werfen wir nun einen Blick über die Grenzen Deutschlands und wenden uns zunächst nach Paris. Auch dort konnte das Trio Parnassus einen wertvollen Schatz heben: Die Klaviertrios von Benjamin Godard (1849 -1895) (MDG 303 1615-2). Die Klaviertrios des Komponisten waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den europäischen Salons äußerst populär und ge­ fragt. Der englische Kammermusik-Papst Walter Wilson Cobbett adelte die Werke vor 100 Jahren sogar als „entzückend und ohne zu zögern empfehlenswert“. Über Benjamin Godard ist selbst in der einschlägigen Literatur wenig bekannt. Er stammt aus gutsituiertem Pariser Elternhaus und wurde als Wunderkind berühmt. Schon früh begann er mit dem Violinunterricht. 1865, mit 16 Jahren, schrieb er seine erste Sonate für Geige und Klavier. Godard zählte zur Jeune Académie Française, deren Mitglieder in ihre Werke einen französischen Tonfall einbringen wollten. Europaweit hat sich Godard einen Namen als hervorragender Sinfoniker und Opern­ komponist gemacht. Höchste Ehren wurden ihm zuteil, als er 1887 als Professor ans Pariser Conservatoire berufen wurde. Sicherlich würde er in der Musikge­ schichte eine größere Rolle spielen, wenn er nicht im frühen Alter von 45 Jahren gestorben wäre. Godards Klaviertrios aus den Jahren 1880 und 1884 sind zur Aufführung in den bürgerlichen Salons gedacht und erfreuten sich vor allem dort einer großen Beliebt­ heit. Lyrische Abschnitte wechseln in den Werken mit hochdramatischen Einfällen. Die Virtuosität und der Klangsinn der Instrumentalisten werden aufs Höchste gefordert. Als hübsche Dreingabe enthält diese Aufnahme die Berceuse aus der Oper „Jocelyn“, ein so raffinierter Einfall, dass sie als ständiges Repertoire in zahllosen Bearbeitungen auch heute immer wieder zu hören ist. Weit mehr als nur eine Suite Gothique Concerto CD2078 Auch ihm war nur ein kurzes Leben beschieden: Léon Boëllmann (1862 -1897). 160 Werke hat er in die­ ser kurzen Spanne geschaffen, doch nur die grandiose „Suite Gothique“ für Orgel konnte sich im Konzertbetrieb behaupten. Dabei gibt es unschätzbare Kostbarkeiten zu 24 entdecken: Das Trio Parnassus präsentiert, unterstützt von Gérard Caussé an der Viola, drei Kammermusik­ werke des französischen Spätromantikers, die sich hinter den Schöpfungen seiner Freunde Saint-Saëns oder Fauré nicht zu verstecken brauchen (MDG 303 1755-2). 1862 im Elsass geboren, wuchs Boëllmann im po­ litischen wie kulturellen Spannungsfeld zwischen dem sich gerade konstituierenden Deutschen Reich und der Grande Nation auf. Auch wenn sich die Familie für die französische Seite entschied, sind die Einflüsse der deut­ schen Nachbarn in seiner Musik unüberhörbar, die Romantiker haben deutliche und wohltuend schwelgeri­ sche Spuren hinterlassen. Aber auch das Französische lässt sich nicht verleugnen, was die Pariser Zeitgenossen zu schätzen wussten: Das klanglich ungemein reizvolle Klaviertrio op. 19, rhythmisch raffiniert und von über­ raschend individueller Form, wurde von der Société des Compositeurs ausgezeichnet, ebenso das groß ange­ legte Klavierquartett, das in seinen ersten drei Sätzen einen gewaltigen emotionalen Bogen spannt, der von einem energiegeladenen Finale gekrönt wird. Zum Andenken an einen groSSen Künstler Wechseln wir nun die Richtung und wenden uns gen Osten, nach Prag und nach Moskau. Die Klaviertrios von Smetana und Tschaikowsky präsentiert das Wiener Klaviertrio auf der Hybrid - SACD MDG 942 1512-6. Innerhalb von nur zwei Monaten schrieb Smetana sein Trio in g-Moll op. 15, bei dessen Uraufführung in Prag am 3. Dezember 1855 er selbst am Klavier saß. Publi­ kum und Kritiker rea­gierten kühl, doch Franz Liszt war voll des Lobes für dieses Werk, das Smetana auch im hohen Alter noch spielte, als er bereits völlig ertaubt war. Sein privates Geheimnis: Er hatte in dem Werk seine Trauer um seine früh verstorbene Tochter verarbeitet. Nur durch Zufall erfuhr Peter Tschaikowsky im Herbst 1881 vom Tod seines Förderers und Mentors Nikolaj Rubinstein. In tiefer Trauer komponierte er das Trio in a-Moll op. 50, dem er ausdrücklich den Un­ter­ titel „à la mémoire d’un grand artiste“ gab. Obwohl nur zwei Sätze, erreicht das Werk mit ca. 45 Minuten wahrhaft sinfonische Ausmaße. Auf seiner bei BIS erschienenen Einspielung (BISSACD-2059) kombiniert das Sitkovetsky-Trio Smetanas op. 15 mit dem 3. Trio aus der Feder von Dvořák. Die beiden großformatigen Trios werden hier ergänzt durch die 1902 geschriebene einsätzige „Elegie“ aus der Feder von Josef Suk, Student bei Antonín Dvořák und später sein Schwiegersohn. Ausgabe 2017/2 CLASS : aktuell Früher Meister der entwickelnden Variation Sehnsuchtslieder Außer im Operngesang ist Giorgos Kanaris auch im Liedbereich tätig. Zusammen mit dem Dirigenten und Pianisten Thomas Wise hat er zahlreiche Liederabende mit Werken, wie Schumanns Dichterliebe, Liederkreis, Schuberts Schwanengesang und Winterreise sowie Lieder von R. Strauss und Pfitzner gestaltet. Nun legt das Duo eine neue Aufnahme bei Hänssler Classic vor. W o immer im Bereich der Kunst eine Definition im Sinne von Abgrenzung versucht wird, wird die Abgrenzung selber zur Kunst, manchmal sogar künstlich. Die Musik bildet da keine Ausnahme, und die musikalische Gattung des Kunstliedes erst recht nicht. Definition im Sinne von Einschließen macht die Sache einfacher. Ohne Frage zählen die beiden Liederzyklen auf dieser CD als Kunstlieder. Ludwig van Beethoven (1770 -1827) schrieb sein Opus 98 im Jahre 1816, die Musikwissenschaft bezeichnet „An die ferne Geliebte“ meist als ersten Liederzyklus überhaupt. Franz Schubert (1897-1828) schrieb seinen „Schwanengesang“ in seinem Todesjahr 1828, die Lieder wurden erst postum als Sammlung herausgegeben. Interessant ist nun, dass die Bezeichnung Kunstlied erst einige Zeit nach dem Tode der beiden Komponisten vom Musikschriftsteller, Kapell­ meister und Komponisten Carl Koßmaly (1812-1893) im Jahr 1841 eingeführt wurde. In Abgrenzung zu Volkslied und Kirchenlied. Diese beiden haben eine bis weit in die Vorgeschichte reichende Tradition, als Texte und Melodien nur mündlich weitergegeben wurden. Die An­ fänge des Kunstliedes als von einem namentlich bekannten Komponisten vertonte Lyrik eines namentlich bekannten Textdichters reichen wohl bis zur Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert zurück, wo auch die Ur­ sprünge der neuzeitlichen, westeuropäischen Oper zu suchen sind. Aber natürlich reichen die Wurzeln tiefer, man denke nur an die Minne­ lieder des hohen Mittelalters. Manuela Neumann Ausgabe 2017/2 Franz Schubert Schwanengesang D 957 Ludwig v. Beethoven An die ferne Geliebte op. 98 Giorgos Kanaris, Bariton Thomas Wise, Klavier hänssler Classic HC16080 25 Fotos: © G. Kanaris: Thilo Beu, Theater Bonn; T. Wise: Felix Wise Nun zu einem der ganz großen Meister auf dem Gebiet des Klavier­ trios in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Antonín Dvořák. Mit seinem B-Dur-Trio wollte Dvořák der Musikwelt zeigen, dass er seine „verrückte Periode“ – wie er sie später selbst bezeichnete – weit hinter sich gelassen hatte. Nach einem Exkurs als Experimentator zur so genannten neudeutschen Schule hatte er zu den klassischen Vor­ bilder und deren traditionellen Normen zurückgefunden: Die Balance im Kleinen wie im Großen läßt sein Trio zu einer ausgewogenen und raffi­ nierten Komposition werden. Mehr noch: Ohne jemals ein Werk von Brahms kennen gelernt zu haben (man kannte ihn um 1875 in Prag noch nicht), entwickelt Dvořák eine Art der Themenverarbeitung, die der später von Brahms bis zur Perfektion gebrachten „entwickeln­ den Varia­tion“ entspricht. Diese kleinsten, voneinander abgeleiteten melodischen und rhythmischen Be­standteile nutzt Dvorák aus, um sein erstes Klaviertrio komposito­ risch als ein Werk wie aus einem Guss zu präsentieren. Die Arbeit an dem Klaviertrio f-Moll op. 65 muss denkbar mühsam vonstat­ ten gegangen sein: Mehrfach hat Antonin Dvorák (1841-1904) Dvořák Teile gestrichen und durch neue ersetzt. Nach dem Tod seiner Mutter und einem gehörigen OpernMisserfolg hatte er den Lebensmut verloren: Trotzig gibt sich die Musik mit ihrer dramatischen Gestik, ihrem hochexpressiven Ausdruck und ihren starken Kontrasten. In der Oper hatte man ihm die dramatische Begabung abgesprochen – mit seinem Trio op. 65 sollte er die Fach­ welt fulminant eines Besseren belehren. Op. 90 ist kein für das 19. Jahrhundert typisches Klavier-Trio. Dvořáks Komposition hat sechs statt vier Sätze. Drei davon lässt er „atta subito“, also direkt miteinander verkettet spielen. Die Harmonie ent­ spricht ebenfalls nicht dem Lehrbuch, denn eine feste Grundtonart lässt sich nicht ausmachen. Schließlich ist auch von der typischen Sonaten­ hauptsatzform nichts zu spüren. Dennoch gehört das Werk mit dem Na­ men „Dumky“ („Gedanken“) zu den meist gespielten Werken der Klavier­ trio-Literatur. „Dumka“ ist auch die Bezeichnung für ein ukrainisches Volkslied in schwermütigem, schmerzvollem Ton. Das Dumky-Trio ist auch sozusagen das Scharnier zwischen zwei Aufnahmen mit Klaviertrios Dvořáks, denn es ist auf beiden enthalten: einmal die Einspielung des Max Brod Trios mit den Trios opp. 65 und 90 (Audiomax 703 1682-2) und zum anderen die Gesamtaufnahme der Klaviertrios durch das Wiener Klaviertrio mit den Trios opp. 23 und 65 (Vol. 1 – MDG 342 1261-2) und opp. 26 und 90 (Vol. 2 – MDG 342 1262-2). Eine weitere Gesamt­ einspielung der zwischen 1875 und 1891 entstandenen Klaviertrios durch das Trio di Parma findet sich auf Concerto CD2078. Mit Dvořáks Dumky-Trio geht stilistisch und in der Erweiterung, ja Auflösung der Formensprache der Wiener Klassik längst das Tor auf zu den aufregenden Entwicklungen im 20. Jahrhundert, denen wir uns im nächsten Beitrag widmen wollen. Lisa Eranos, A. Rainer Die Kasseler Musiktage präsentieren CLASS : aktuell „Die Musik ist vom Leben nicht zu trennen“ Tianwa Yang D as Experiment ist geglückt: Kathrin Christians verzaubert das Publikum mit ihren Flötenkonzerten auf Bühnen in Europa, Asien und Afrika. Besonders intensiv beschäftigt sie sich mit selten gespielten Werken der Romantik bis hin zur Neuzeit. Nun legt die junge Flötistin ihre Debüt-CD bei Hänssler Classic vor. Das Pro­ gramm ist außergewöhnlich, entspricht aber genau dem, was Kathrin Christians ausmacht. So ist für sie die Biografie eines Komponisten auch ein Auswahl-Kriterium. Sie sagt: „Die Musik ist vom Leben nicht zu trennen. Mich haben die Lebensgeschichten immer mehr fasziniert in meiner Recherche und dann ist da diese nicht zu leugnende Verbin­ dung der drei Komponisten. Weinberg wurde verfolgt, war im Konzen­ trationslager. Seine Biografie wird sehr stark von diesen Erlebnissen dominiert. Theodorakis war auch in Konzentrationslagern, ist ja ein höchst politischer Komponist. Dann habe ich erfahren, dass Feld ein prominentes Stasimitglied war. Ich sehe mich nicht nur als Musikerin, sondern ich glaube, dass gerade die Musik eine Verpflichtung an uns richtet, dass wir für andere Menschen eintreten und Werber der Menschenrechte sind.“ Manuela Neumann »Lieben Sie Brahms?« 24. – 27. August 2017 Kassel Foto © Irène Zandel Tianwa Yang Violine Wen Xiao Zheng Viola Mikael Samsonov Violoncello Nicholas Rimmer Klavier WWW.FESTIVAL-BEGEGNUNGEN.DE Jindřich Feld (1925 - 2007) Concerto per Flauto ed Orchestra (1954) Mikis Theodorakis (*1925) Adagio for Solo-Flute, String Orchestra & Percussion Mieczysław Weinberg (1919 -1996) Concerto No. 2 Op. 148 bis Kathrin Christians, Flöte Württembergisches Kammerorchester Heilbronn (WKO) Ruben Gazarian Hänssler CLASSIC HC16099 26 Ausgabe 2017/2 Foto: © Janine Kühn „Meine Mutter sagte immer, ich sei ein Experiment gewesen“, erzählt Kathrin Christians lachend. „Sie war fest davon überzeugt, dass die Gebärmutter das erste Klassenzimmer des Menschen ist und ließ mich schon in ihrem Bauch klassische Musik hören.“ Im Blickpunkt CLASS : aktuell Kammermusik Erik Satie (1866-1925) Franz Liszt (1811-1886) Distant Friends Andreas Seidel, Violine Steffen Schleiermacher, Klavier MDG 613 2011-2 Was hat Franz Liszt mit Erik Satie gemeinsam? Der brillante Virtuose und Magier pianistischer Opulenz mit dem minimalistischen Klang-Asketen? Steffen Schleiermacher hat im nahezu unbe­ kannten Spätwerk erstaunliche Paral­ lelen zum etwa zeitgleich entstandenen Frühwerk des anderen entdeckt. Ge­ meinsam mit Gewandhauskonzertmeis­ ter Andreas Seidel präsentiert er seine frappanten Erkenntnisse nun dem Pub­ likum – Überraschungen garantiert! Die Verwandtschaft ist sofort ohren­ fällig: Außerordentlich karg kommen Liszts späte Klavierstücke daher; Einstim­ migkeit bestimmt über weite Strecken das Klanggeschehen, und von romanti­ scher Üppigkeit ist nun wirklich nichts mehr übriggeblieben. Als „enthäutete Musik“ hat Erik Satie seinen eigenen Kompositionsstil einmal beschrieben – keine Bezeichnung könnte für Liszts späte Werke treffender sein! Türöffner Statische Klänge und entwicklungs­ lose Abfolgen von unaufgelösten Ak­ korden versetzen Saties Musik in einen permanenten Schwebezustand, der ohne Anfang und Ende auskommt. Damit öff­ nete er nachfolgenden Komponisten­ generationen eine Tür, durch die auch Franz Liszt, wäre er etwas jünger gewe­ sen, sicher noch gerne gegangen wäre. Bohuslav Martinů (1890 -1959) Sämtliche Klaviertrios: Cinq pièces brêves Klaviertrio Nr. 2 d-Moll Klaviertrio Nr. 3 C-Dur Bergerettes Trio Martinů Musicaphon M56970 Kammermusik eines der Großen des 20. Jahrhunderts, interpretiert von einem herausragenden Ensemble. Das Trio Martinů entstand 1990 am Prager Konservatorium. In seiner heutigen Be­ setzung (Petr Jiříkovský, Klavier; Pavel Šafařík, Violine; Jaroslav Matějka, Violon­ cello) spielt es seit 1993. Seit seinem Bestehen errang das Trio, dessen künst­ lerisches Wachstum auch dem Mitglied des weltberühmten Smetana-Quartetts, Antonin Kohout, zu verdanken ist, zahl­ reiche Erfolge und bedeutende Auszeich­ nungen. Zu diesen Erfolgen zählen die Teilnahme am Semifinale des internati­ onalen Wettbewerbs in der italienischen Stadt Trapani, der dritte Preis im inter­ nationalen Wettbewerb für Kammer­ ensembles in Heerlen (Niederlande) im Jahre 1992 und dann besonders der ers­ te Platz in demselben Wettbewerb drei Jahre später (1995). Alle drei Mitglieder des Trios sind hervorragende Solisten und machen regelmäßig Aufnahmen für den Tschechischen Rundfunk. Hervorragende Solisten Pavel Šafařík und Jaroslav Matějka fungieren als Vertreter der jeweiligen Konzertmeister des Sinfonieorchesters (FOK) der Hauptstadt Prag, und Petr Jiříkovský, der auch als Solist und als Dirigent auftritt, lehrt Klavier am Pra­ ger Konservatorium. Cécile Chaminade (1857-1944) Klaviertrios op. 11 & 34 Werke für Violine, Cello & Klavier Trio Parnassus MDG 303 2002-2 Violinduos von Eugène Ysaÿe (1858 -1931) und Wolfgang Marschner (*1926) Myvanwy Ella Penny Friederike Starkloff Coviello CLASSICS COV91706 Eingängige Melodien, betörende Har­ monie und immer wieder brillante Virtu­ osität kennzeichnen Cécile Chaminades unvergleichliche Popularität zu Lebzei­ ten. Als gefeierte Pianistin bereiste sie die alte und neue Welt, war bei Queen Victoria zum Tee und wurde als erste Komponistin überhaupt in die franzö­ sische Ehrenlegion aufgenommen. Nur einzelne ihrer zahlreichen Werke finden sich heute einmal auf den Programm­ zetteln; umso verdienstvoller ist diese neueste Einspielung, mit der das inter­ national vielfach ausgezeichnete Trio Parnassus einen weiteren Beitrag zur längst fälligen Wiederentdeckung leistet. Bereits als ganz junges Mädchen machte Cécile in Paris mit eigenen Kompositionen auf sich aufmerksam. Sie genoss die Anerkennung Bizets, nahm Unterricht bei Godard und unter­ hielt auch sonst beste Beziehungen zu den Größen der französischen Musik. Neben den beiden großformatigen Werken finden sich auch bezaubernde Charakterstücke in der schönen Zusam­ menstellung des Trio Parnassus, die den Esprit des Pariser Salons vergangener Tage versprühen. Unter Kennern In seiner über 30jährigen Geschichte hat das Trio Parnassus an der Seite von MDG so manchen musikalischen Schatz gehoben. Gesamtaufnahmen der Trios von Widor, Lalo und Godard zeugen von einem tiefen Verständnis für die besonderen Farben der französischen Musik. Mit Johann Blanchard am Klavier bereichert ein ausgewiesener Kenner Cécile Chaminades das fantasievolle Spiel von Julia Galić und Michael Groß – eine wunderbare Entdeckung! Ausgabe 2017/2 27 „Das Violinduo Penny-Starkloff setzt die Tradition und Verkörperung eines besonderen Klangbildes gepaarter Vio­ linen nicht nur fort, sondern belebt es in exzellenter Weise. Dies war der Haupt­ anreiz für mich, für diese Kombination meine Sinfonischen Variationen zu schrei­ ben.“ Wolfgang Marschner selbst schrieb dies in seiner Einführung zu diesem erst im November 2016 von den beiden Solistinnen uraufgeführten Werk. Virtuoses Geigenspiel Marschner ist nicht nur Komponist, sondern selbst ein virtuoser Geiger, der die klanglichen Möglichkeiten meister­ lich ausschöpft und die beiden Violinen „wie ein Quartett“ klingen lässt, wie Mywanwy Ella Penny sagt. Den Fokus auf virtuoses Geigenspiel teilt Marschner mit Eugène Ysaÿe, der seinerzeit einer der berühmtesten Solisten war. Seine Sonate für zwei Violinen verlangt den beiden Geigerinnen ebenfalls alles an musikalischer und technischer Qualität ab: Im üblichen Ysaÿe-Stil ist es gepickt mit Doppelgriff- und Akkordpassagen, Staccato-Läufer und springenden Arpeg­ gien, was sie – wie auch die ungewohn­ ten Farben in Marschners tänzerischen Bagatellen – bravourös meistern. Edition VIOLIN SOLO R E N AT E EGGEBRECHT V I O L I N E NEU Im Blickpunkt CLASS : aktuell Kammermusik Chor W.A. Mozart (1756 -1791) Frühe Streichquartette Vol. 2 KV 156, 157, 168 & 173 Leipziger Streichquartett MDG 307 1976-2 Sonaten 1, 2, 3 Vol. 9 TRO-CD 01450 Renate Eggebrecht zeigt hier einmal mehr, dass sie keine Grenzen in der Kunst des Violinspiels kennt! Sonaten / Suiten Vol. 8 TRO-CD 01447 „… nicht eine einzige leere Note…“ … eine Musik, die technisch sehr anspruchsvoll und strukturell streng durchdacht ist, aber ihre tief empfundene Emotionalität nie verleugnet. Vor diesem Hintergrund geraten Weinbergs Werke zu Spiegelbildern seiner Seele. Programmatische Anwandlungen, biografische Einflüsse und komplexes musikalisches Denken durchdringen sich. … In der Expressivität seiner Musiksprache, in der Dichte und Intensität der Strukturen, in ihrer enormen Steigerung von Tempo und Dynamik, gewinnt Hartmanns Musik ganz eigencharakteristische Züge – eine Intensität der Klangsprache, die man in ihrer Unmittelbarkeit sofort erkennt und nie mehr vergisst. Unendlich muss sich Wolfgang Amadeus im öden Salzburg gelangweilt haben! Wie gut, dass der ehrgeizige Vater immer wieder für ausgedehnte Konzert­ reisen sorgt. So entstanden unterwegs in Italien und in Wien auch jene drei­ zehn Streichquartette, von denen das Leipziger Streichquartett jetzt die zweite Folge eingespielt hat. Die pure Lust am Ausprobieren ist den Stücken anzuhören: Die beiden hier musizierten „Mailänder“ Quartette KV 156 und 157 nehmen Elemente der italienischen Sinfonia auf, die beiden „Wiener“ KV 168 und 173 wiederum las­ sen erahnen, welche Offenbarung der Besuch im unangefochtenen Zentrum der Musik für den siebzehnjährigen Mozart gewesen sein muss. So enden beide Quartette mit der für das damalige Wien obligatorischen Fuge; aber wäh­ rend eine geradezu archaische Wendung die getragene Fuge des Quartetts in dMoll beschließt, kommt die Fuge des F-Dur-Quartetts wie ein wilder Kehraus mit rasanten Sechszehntelläufen daher. Aufbruch Das Leipziger Streichquartett spürt dem Entdeckungsdrang des jugendli­ chen Komponisten mit hörbarer Freude nach. Historisch informiert und mit Bö­ gen aus der Entstehungszeit der Werke lassen sich die vier Musiker genussvoll auf das Spiel mit dem Überraschenden ein. Gänzlich unakademisch und fern jedweder historisierender Dogmatik sor­ gen sie für ein Hörvergnügen, das die dritte Folge mit Spannung erwarten lässt. Johann Christoph Friedrich Bach (1732-1795) „Miserere mei“ „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ Mária Zádori, Sopran Lena Susanne Norin, Mezzo-Sopran Guy de Mer, Tenor Klaus Mertens, Bariton Das Kleine Konzert Rheinische Kantorei, Hermann Max (Ltg.) MDG 602 1994-2 Johann Christoph Friedrich Bach war ein Kind seiner Zeit. Und das war eine Zeit des Umbruchs und tief­ greifender Veränderungen, politisch wie kulturell, ge­ sellschaftlich wie philosophisch. Das „Miserere“ und die Motette „Wachet auf! ruft uns die Stimme“ dokumentieren diese Umwälzungen exemplarisch. In einer Übernahme aus dem Schallarchiv präsentiert MDG eine inzwischen schon historische Aufnahme, die der Pionier der histo­ risch informierten Musikpraxis Hermann Max mit der Rheinischen Kantorei und seinem Ensemble „Das Kleine Konzert“ für den WDR produziert hat. Wachet auf! Der „Bückeburger Bach“ traf am aufgeklärten Hof des Fürsten zu Schaumburg-Lippe auf den einige Jahre jüngeren Johann Gottfried Herder. In selten inniger Künst­ lerfreundschaft rangen die beiden um ein klares Verhältnis von Wort und Musik. Bach erlaubte er sich, die inhalt­ liche Schwere des Bußpsalms „Miserere“ durch elegante Melodieführung und lockere Artikulation zu mildern. Glücklicher Zufall: Das lange verschollene „Miserere“ fand sich erst 1975 bei einer Londoner Auktion wieder… Nur knapp zehn Jahre nach dem „Miserere“ zeigt die Mottete „Wachet auf! ruft uns die Stimme“ ein ganz anderes Bild: Die Musik emanzipiert sich von der reinen Textausdeutung und gewinnt eine unabhängige Gestalt. So ganz geheuer scheint es Bach dabei nicht gewesen zu sein: Der Schlusschoral stammt fast Ton für Ton aus der Feder des übermäch­tigen Vaters… Erhältlich im Fachhandel Vertrieb: Klassik Center Tel. 0561 935 14 0 • Fax 0561 935 14 15 [email protected] • www.classicdisc.de TROUBADISC Tel. +49 (0) 89 7142357 [email protected] • www.troubadisc.de 28 Ausgabe 2017/2 CLASS : aktuell Hanns Eisler (1898 -1962) Lieder Vol. 1 Lieder und Balladen 1929 -1937 Holger Falk, Bariton Steffen Schleiermacher, Klavier MDG 613 2001-2 „Ändere die Welt, sie braucht es“ – Hanns Eisler hat sich dieser Aufforderung nicht entzogen. Zwischen Weltwirtschafts­ krise und „Drittem Reich“ versuchte der überzeugte Kommunist, mit den Mit­ tel seiner Musik Einfluss zu nehmen. Holger Falk und Steffen Schleiermacher präsentieren als erste Folge einer Edition mit Liedern von Hanns Eisler Stücke aus der Zeit zwischen 1929 und 1937, zu denen fast ausschließlich Bertold Brecht die Texte lieferte; eine längst fällige Rehabilitation des lange Zeit vor allem als DDR-Staatskünstler wahrge­ nommenen Komponisten. Die Bandbreite ist groß: Vom überaus derben „Lied vom Anstreicher Hitler“ über das beklemmende „O Falladah, wie du da hangest“ bis zu Kabarettstücken wie dem „Stempellied“, das die Ver­ elendung vieler Menschen während der Weltwirtschaftskrise mit original Ber­ liner „Herz und Schnauze“ thematisiert, reicht das Repertoire. Klassen Kampf! Und ab und zu gibt es auch ein Déjàvu: Das „Bankenlied“ könnte angesichts der Krise des Finanzsystems aktueller kaum sein, und auch beim „Lied vom SA-Mann“ sind Parallelen zu unserer Zeit in beunruhigender Weise augenfällig. Ohne erhobenen Zeigefinger und fern jeder angestrengten Moralpädagogik zeigen Falk und Schleiermacher diese engagierten Stücke als das, was sie sind: Echte Kunstwerke, die klangscharf sati­ rische Blicke in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts erlauben, die niemanden unberührt lassen. Gitarre Strahlen. Licht. Alois Bröder (*1961) Strahlen. Licht. Dieter Mack (*1954) Saitenlinien Ulrich Leyendecker (*1946) Drei Nocturnes Michael Warren Barrett (*1987) Ocean-Still Sidney Corbett (*1960) Gertrude‘s Delirium Timo Jouko Herrmann (*1978) La Lira d‘Orfeo Maximilian Mangold, Gitarre Musicaphon M55726 Neue Kompositionen für Gitarre solo, die sämtlich für Maximilian Mangold geschrieben wurden. Mangold gilt nach Journalistenmeinung „...als einer der im Augenblick künstlerisch interessan­ testen deutschen Gitarristen”; er wurde sogar schon als „Ausnahmegitarrist” bezeichnet. Mangold gibt als gefragter Solist zahlreiche Konzerte in Deutsch­ land und Europa und ist ein ebenso vielseitiger Kammermusiker in Duos mit Harfe, Flöte, Klavier, Cembalo, Hammer­ flügel, Traversflöte und Sprecher, im Trio mit Flöte und Bratsche sowie mit dem Vlach-Quartett-Prag. Künstlerisch interessant Sein außerordentlich umfangreiches Repertoire dokumentiert sich auch in 21 CD-Einspielungen, die in der Fach­ presse überschwänglich gelobt und als Referenzaufnahmen gepriesen werden. Johann Sebastian Bach (1685 -1750) Opus Magnum – Transkriptionen Angelika Nebel, Klavier hänssler CLASSIC HC16101 Opus Magnum Der Musik Johann Sebastian Bachs kann man sich unter verschiedenartigen Aspekten und auf unterschiedlichen Ebenen nähern. Eine Autorität in Sachen Bach-Bearbeitungen und Transkriptionen ist Angelika Nebel. Ihre vierte CD erscheint bei Hänssler Classic. B ei den Transkriptionen Bachscher Musik stehen in der Regel weniger aufführungspraktische Fragen im Vordergrund, wie sie von den Apologeten der authentischen Darbietungsweise Alter Musik ins Zentrum gerückt wurden und werden. Sondern es geht eher um Auseinandersetzungen von Musikern späterer Generationen mit der Bachschen Musik, um höchst individuelle Verneigungen vor dem Genius. Es ist anzunehmen, dass die Klavierbearbeitungen unter den Bach-Transkriptionen den größten Anteil einnehmen, was allein durch die Möglichkeiten des Instruments bedingt ist. Die hier vorliegende CD mit Bach-Bearbeitungen für Klavier ist die vierte Einspielung mit der Pianistin Angelika Nebel. Und so viel darf schon verraten werden: Die Aufnahme ist mit ihren 12 Transkriptionen die erste von zwei CDs, die dem Angelika Nebel Tonarten-Modell des Wohltemperierten Claviers folgen und somit gemeinsam eine Art Opus Magnum werden. Auch dieses Mal präsentiert die Künstlerin – neben den deutschen Bearbeitern – Transkriptionen internationaler Musiker. Nebel setzt somit erneut ein Zeichen für die Verehrung des großen Thomaskantors weltweit – und die Pianistin hat auch diesmal wieder, wie auf der vorhergehenden CD „Illuminationes“, selbst zur Feder gegriffen. Manuela Neumann Ausgabe 2017/2 29 Foto: © Ilona Antina Lied Im Blickpunkt Foto: © Stephan Walzl CLASS : aktuell Der späte Horn Klavier Schubert und die Klavierminiatur Geboren in Jerusalem und aufgewachsen in südafrika, entwickelte ammiel Bushakevitz schon in jungen Jahren eine besondere Vorliebe für die Musik von Franz schubert. Er ist Preisträger des internationalen schubert Wettbewerbs Dortmund und wurde vom internationalen Franz-schubertinstitut in Wien ausgezeichnet. Nun erscheint bei Hänssler Classic eine CD mit schuberts impromptus und Klavierstücken. 1827. Das Jahr, in dem Franz Schubert seinen dreißigsten Geburtstag feierte, war das vorletzte seines Lebens. Es wurde überschattet von einem Werk, das vielleicht das am häufigsten analysierte seines Œuvres ist: Winterreise. Schubert komponierte diesen „Zyklus schauerlicher Lieder“ in zwei Teilen zu jeweils zwölf Liedern, den ersten im Frühjahr 1827, den zweiten gegen Ende des Jahres. Dazwischen entstand die erste Gruppe von Klavierstücken, die unbenannt blieben, vom Verleger aber als Vier Impromptus bezeichnet wurden. Zusammen sollten sie erst 1857, fast dreißig Jahre nach Schuberts Tod veröffentlicht werden. Mit seiner späten Begeisterung für lyrische Klavierminiaturen etablierte Schubert dieses neue Genre, zu dessen frühesten Beiträgen Bagatellen von Beethoven gehören, Nocturnes von John Field oder die Impromptus seines tschechischen Zeitgenossen Jan Václav Voříšek. Damit war die Grundlage gelegt für zwei der größten Komponisten lyrischer Klavierminiaturen, nämlich Felix Mendelssohn-Bartholdy und Robert Schumann. Von Schubert unmittelbar beeinflusst waren zwei weitere Komponisten für Klavier, die, obwohl ideell durchaus unterschiedlich ausgerichtet, eine tiefe Liebe zu Schubert teilten und einen erheblichen Anteil an seinem Nachruf hatten: Franz Liszt und Johannes Brahms. Manuela Neumann Salut à la Foret Werke von Rainulphe M. Marquis d‘Osmond, Carl A. Hänsel, Oliver Kersken, Robert Stark und Franz Abt Deutsches Horn Ensemble Coviello CLASSICS COV91707 Für die Berufsgruppe der Hornisten brachte das 19. Jahrhundert entschei­ dende Veränderungen – allerdings zu­ nächst nicht nur positive. Die neu erfun­ denen Ventile für Blechblasinstrumente ermöglichten zwar chromatisches Spiel, brachten aber erhebliche Probleme in Tongebung und Spieltechnik mit sich. Ventilhörner Es gibt kaum noch wirklich spielbare Instrumente aus der Frühzeit des Ventil­ horns um 1850; will man den Original­ klang der Romantik wieder erlebbar machen, muss man also Instrumente aus der Zeit nachbauen, natürlich ohne die Fehler, die die Ventile damals ver­ ursachten. Genau das gaben die Herren des Deutschen Hornquartetts in Auftrag, Andreas Jungwirth realisierte den Bau nach ihren Vorstellungen. Gleichzeitig grub das Ensemble, ergänzt von der Ei­ genkomposition seines Mitglieds Oliver Kersken, reizvolle und weitgehend unbe­ kannte Original-Werke der Zeit wieder aus. Ein spannender Blick auf ein bisher wenig beleuchtetes Kapitel historischer Aufführungspraxis ist das Ergebnis. Franz Schubert (1797-1828) Vier Impromptus, D 899; Drei Klavierstücke, D 946 Grätzer Walzer, D 924 Ammiel Bushakevitz, Klavier hänssler ClassiC HC16094 30 Ausgabe 2017/2 à la russe Sergei Rachmaninow (1873 -1943) Sonate Nr. 1 in d-Moll, op. 28 Pyotr Ilyich Tschaikowsky (1840 -93) Méditation et Passé lointain aus 18 Morceaux, op. 72 Scherzo à la russe, op. 1/1 Igor Strawinsky (1882 -1971) Danse infernale Berceuse & Finale aus L’Oiseau de feu (transcr. Guido Agosti) Mily A. Balakirev (1837 -1910) Islamey, op. 18 Alexandre Kantorow, Klavier BIS-SACD-2150 Nach seinem gefeierten ersten Al­ bum für BIS mit Liszts Klavierkonzerten wendet sich der junge Pianist, noch kei­ ne 20 Jahre alt, nun seinen russischen Wurzeln zu. Der Sohn des Geigers und Dirigenten Jean-Jacques Kantorow hat schwergewichtige und höchst anspruchs­ volle Literatur für diese Einspielung aus­ gesucht. Er eröffnet gleich mit der ge­ wichtigen ersten Sonate Rachmaninows, die von Goethes „Faust“ inspiriert ist und die drei Hauptcharaktere des Dramas, Faust, Gretchen und Mephisto, nach­ zeichnet. Dazwischen neben Unterhalt­ samem von Tschaikowsky Musik von Strawinsky, der das Klavier als „Schlag­ instrument“ bezeichnete – und oft genug auch so behandelte. Guido Agosti hat die Stücke aus dem „Feuervogel“ denn auch entsprechend umgesetzt. Teuflisch schwer Den Beschluss bildet Balakirevs „orientalische Fantasie Islamey“, eine der Ikonen der Klavierliteratur. Das teuflisch schwer zu spielende Werk animierte Ravel, etwas technisch noch anspruchsvolleres zu schreiben – das Resultat war „Gaspard de la nuit“. Im Blickpunkt CLASS : aktuell Konzert MAHLER SONG CYCLES Orchester PTC 5186576 Marc Albrecht, Alice Coote, Netherlands Philharmonic Orchestra BIS-SACD-2078 Auf zwei vorangegangenen SACDs haben sich Sudbin und Vänskä bereits mit großem Erfolg mit den drei letzten Klavierkonzerten Beethovens auseinan­ der gesetzt. Für die beiden noch aus­ stehenden Konzerte haben sie sich mit der Tapiola Sinfonietta zusammen ge­ tan, einem der führenden Ensembles Skandinaviens und für diese noch mehr den Prinzipien der frühen Wiener Klassik verhafteten Konzerte sehr gut disponiert. Immerhin begann Beethoven mit der Ar­ beit am 2. Konzert noch in Bonn, sieben Jahre, bevor das 1. Konzert fertig wurde. Ne Alb ues um Bereits erschienen MDG 335 2016-2 (2 CDs) Anton Rubinstein war einer der erfolgreichsten Kom­ ponisten seiner Zeit. Seine zweite Sinfonie „Ozean“ erlebte über 200 zeitgenössische Aufführungen, so viele wie kaum ein anderes Werk. Aus dem reichhaltigen Reper­ toire einer jahrelangen Zusammenarbeit mit dem Sin­ fonieorchester Wuppertal hat MDG diese Sinfonie jetzt frisch aufgelegt, zusammen mit weiteren hochkarätigen Kompositionen des russischen Romantikers. Mit dabei der damals noch weitgehend unbekannte Alban Gerhard, der mit Rubinsteins Cellokonzert für riesiges Aufsehen sorgte. Senkrechtstarter Während der nächsten zehn Jahre nahm sich der Komponist das Manu­ skript immer wieder vor und revidierte es grundlegend bis hin zur Komposition eines neuen Finalsatzes, und so erlangte das C-Dur Konzert zuerst Veröffentli­ chungsreife. Beide Konzerte entstanden lange, bevor Beethoven sich mit dem symphonischen Genre auseinander setzte, und der Einfluss Mozarts und Haydns ist hier noch evident in der Interaktion zwischen Solist und Orchester. Und doch sind die typischen Merkmale des Beethoven-Stils schon erkennbar. Als reisender Virtuose war Rubinstein selbstverständ­ lich auf der Höhe der Zeit – und manchmal ihr gar vor­ aus: Sein Cellokonzert ist tatsächlich der erste russische Beitrag zur Gattung, und auch die erste russische Sin­ fonie stammt aus seiner Feder. Dass der weltgewandte Meister keinerlei Berührungsängste mit fremden Kulturen kannte, zeigen die orientalischen Klänge in „Der Dämon“ ebenso wie die blökende Schafherde aus „Don Quixote“ und auch die „Ouverture triomphale“ macht mit allerlei Tschingderassabum ihrem Namen alle Ehre… Das Sinfonieorchester Wuppertal versteht es blendend, diese Energie auf dem Podium zu entfesseln. George Hanson lässt seinen Musikern freien Lauf, und die legen­ däre Akustik der Historischen Stadthalle Wuppertal tut ihr Übriges, um auch die Musikfreunde im heimischen Wohnzimmer mit ursprünglicher Musikalität zu überwäl­ tigen – Bravi, bravissimi! PTC 5186 502 Immer wieder revidiert Anton Rubinstein (1829 -1894) Orchesterwerke Don Quixote op. 87 Ballettmusik aus „Der Dämon“ Konzert für Violoncello und Orchester Sinfonie Nr. 2, Ouverture triomphale op. 43 Valse caprice, Trot de Cavalerie Sérénade Russe Nr. 1 op. 93 Alban Gerhardt, Violoncello Sinfonieorchester Wuppertal George Hanson, Ltg. PTC 5186 487 Ludwig van Beethoven (1770 -1827) Klavierkonzerte: Nr. 1 C-Dur op. 15 Nr. 2 B-Dur op. 19 Yevgeny Sudbin, Klavier Tapiola Sinfonietta, Osmo Vänskä www.pentatonemusic.com Erhältlich überall im Fachhandel und bei Ausgabe 2017/2 31 Im Vertrieb von NAXOS Deutschland Im Blickpunkt CLASS : aktuell Alte Musik Fro bin ich dein – Musical treasures from 16th century Basel Werke von Paul Hofhaimer, Ludwig Senfl, Claudin de Sermisy u.a. Ensemble Canti B Coviello CLASSICS COV91708 „Ich scheine mir an einem angeneh­ men Ort der Musen zu leben“, schreibt der berühmte Humanist Erasmus von Rotterdam in einem Brief aus dem Jahre 1516. Er lebte zu dieser Zeit aber nicht mehr in den Niederlanden, sondern in Basel, das sich schon im späten 15. Jahr­ hundert zu einem Zentrum des Buch­ drucks und des Humanismus entwickelt hatte. Das blieb natürlich nicht ohne Wirkung auf das Musikleben: Es er­ blühte zu ungeahnter Vielfalt. Was lag also näher für das Ensemble Canti B, als seiner Heimatstadt ein musikalisches Denkmal zu setzen. Kaleidoskop der Musik des 16. Jahrhunderts In unterschiedlichsten Gesängen und Tänzen aus dem frühen 16. Jahr­ hundert entsteht ein Kaleidoskop der faszinierend vielfarbigen Kultur der welt­ politisch aufregenden Zeit der Refor­ mation. Nach sorgfältigem Quellenstu­ dium richtet das Ensemble alle Werke selbst für originalgetreue Instrumente ein und gibt so jedem sein ganz eigenes, unverwechselbares Klangbild. Heroines of Love and Loss Henry Purcell: Oh! lead me to some peaceful gloom; Dido’s Lament John Bennet: Venus’ Birds Barbara Strozzi: Lamento (Lagrimemie); L’Eraclitoamoroso Claudia Sessa: Occhiiovissidi voi Anon.: The Willow Song; O death, rock me asleep Francesca Caccini: Lasciatemiqui solo Lucrezia Vizzana: O magnum mysterium Giovanni Kapsberger: Toccata Arpeggiata Alessandro Piccinini: Ciaccona Antonio Vivaldi: Cellosonate g-Moll RV 42 Ruby Hughes, Sopran Mime Yamahiro Brinkmann, Cello Jonas Nordberg, Laute BIS-SACD-2248 Vor unseren Ohren erscheinen hier die Jungfrau Maria und Dido, Königin von Karthago, ebenso wie Shakespeares Desdemona und die unglückliche Anne Boleyn, die 1536 im Londoner Tower auf ihre Hinrichtung wartet. Aber das Album bietet noch vier andere Heldinnen, denn wir hören Musik von Komponistinnen, die zwischen 1590 und 1675 aktiv waren. Frauen, die sich mit viel Courage über die Konventionen ihrer Zeit hinweg­ setzten und im typischen Männerberuf „Komponist“ aktiv wurden. Frauenpower Vielfach waren vor 1700 Komponis­ tinnen zugleich Nonnen und konnten so ihrer Berufung im Schutz der Klos­ termauern nachgehen. Auf dem Reper­ toire dieser SACD betrifft das Claudia Sessa und Lucrezia Vizzana. Francesca Caccini und Barbara Strozzi dagegen leb­ ten als freischaffende Komponistinnen in Florenz bzw. in Venedig. Was wieder­ um den Vorteil hatte, dass sie nicht an kirchliche Konventionen gebunden waren und begeistert den stile moderno aufnah­ men, den Claudio Monteverdi etabliert hatte. Beide wurden für ihre Vokalmusik gefeiert, denn sie machten „die Worte zum Beherrscher der Harmonie, nicht zu ihrem Diener“ (so Monteverdis Bruder Giulio Cesare). 32 Giuseppe Antonio Brescianello (1690 -1758) Concerti à 3, Vol. 1 Der Musikalische Garten Coviello CLASSICS COV91705 Giuseppe Antonio Brescianello gehört zu den italienischen Barockmeistern, die zumindest in Mitteleuropa bis heute nicht sehr geläufig sind und daher zu lohnenden Entdeckungen einladen: In seinen „Concerti“ führt Brescianello die Möglichkeiten des freundschaftlichen Wettstreits zwischen den beiden grund­ sätzlich gleichwertigen Violinstimmen kunstvoll vor. In den klangschönen lang­ samen Sätzen versuchen sich die beiden im instrumentalen „Cantabile“ zu über­ bieten durch schöne Melodie-Wendun­ gen, überraschende Verzierungen und galante Floskeln. Die schnellen Sätze stellen dagegen die Virtuosität der bei­ den Geiger in den Mittelpunkt und be­ ziehen oft die Cello-Stimme in den kon­ zertanten Wettstreit mit ein. Meister der Variation Mit den ersten sechs, die zum ers­ ten Mal auf CD erscheinen, aus der Sammlung von 12 Concerti à 3 bringt das Ensemble Der musikalische Garten besonders abwechslungsreiche Blüten­ pracht zu Gehör, die sofort plausibel machen, dass Brescianello zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein hoch ange­ sehener Komponist war. Ausgabe 2017/2 Johann Sebastian Bach (1685 -1750) Gloria in Excelsis Deo Gloria in excelsis Deo, BWV 191 Lobe den Herrn, meine Seele, BWV 69 Freue dich, erlöste Schar, BWV 30 + Interviews und Specials Blazikova, Blaze, Türk, Kooij Bach Collegium Japan, Masaaki Suzuki BIS-BD-2201 (Blu-ray mit englischen Untertiteln. Sound LPCM Stereo / LPCM 5.0 Surround) Diese Blu-ray eröffnet die Möglich­ keit, das Bach Collegium nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen, und zwar an seinem künstlerischen Heimatort: Der Shoin Chapel der Women’s Univer­ sity in Kobe, wo die Einspielung aller geistlichen Kantaten Bachs zwischen 1995 und 2013 erfolgte. Die Aufzeichnung entstand während der Aufnahmen zur letzten Folge der Kantatenserie. Der Film bietet alle drei Kantaten in voller Länge, dazu Interviews und Specials. Sehr inte­ ressant für Fans der Serie, anhand der Filmaufzeichnungen auch etwas von der räumlichen Atmosphäre mitgeteilt zu bekommen, unter der die Einspielun­ gen stattfanden. Persönliche Erfahrungen Masaaki Suzuki und Mitglieder des Ensembles wie auch des Tonmeister­ teams berichten über ihre ganz persön­ lichen Erfahrungen mit Bachs Musik, die sie in dieser langen Zeit machten – zwischen Start und Ende lagen immer­ hin 18 Jahre! Und schließlich werden wir eingeladen auf einen japanischen Markt, um für die Feier nach dem Abschluss der Aufnahmen einzukaufen.