Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)

Werbung
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
Im Hannoveraner Ortsteil Stöcken wurde unmittelbar neben
der damaligen Accumulatoren-Fabrik AG, der heutigen
Varta AG, ein Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme errichtet. Zwischen dem Marienwerder Wald und
dem Rossbruchgraben, ungefähr 120 Meter südlich des
Werkes, war das Lager von einem Häftlingsvorauskommando ab dem 17. Juli 1943 auf einer Brachfläche errichtet worden. Als die ersten Baracken fertig gestellt waren, erreichten weitere Transporte aus dem Hauptlager Neuengamme
das Lager. Im Juli 1944 waren etwa 1500 Männer im Lager.
Überlebende berichteten, dass es monatlich einen Austausch
von kranken Häftlingen gegen neue Arbeitskräfte aus dem
Hauptlager Neuengamme gegeben habe. Neben den Bau-
KZ-Gedenkstätte Neuengamme | Reproduktion nicht gestattet
2
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
arbeiten zur Fertigstellung und Erweiterung des Lagers wurden die Häftlinge in der Accumulatoren-Fabrik in der Produktion von U-Boot-Batterien eingesetzt. Hierzu gehörte
die Arbeit in der Bleigießerei, in der Säureabteilung und an
den heißen Konterwalzen. Fehlender Arbeitsschutz führte
zu Unfällen und Gesundheitsschäden. Im Lager Stöcken
wurden 403 Tote registriert. Eine nicht bekannte Zahl von
Häftlingen wurde ins Hauptlager Neuengamme zurücktransportiert oder starb aufgrund von Krankheiten und allgemeiner Körperschwäche.
Im ersten Jahr des Bestehens des Außenlagers wechselten die Lagerführer mehrmals: Dem SS-Oberscharführer
Johannes Pump folgte bald der SS-Untersturmführer Hugo
Benedict und diesem der SS-Untersturmführer Hans Hermann Griem. Im Juli 1944 wurde SS-Hauptsturmführer Kurt
Klebeck Kommandant, der diese Funktion bis zur „Evakuierung“ ausübte und nach Benedict gleichzeitig Stützpunktleiter aller Hannoveraner Außenlager des KZ Neuengamme
wurde.
Im Zuge der Räumung verließen in der Nacht vom 6. auf
den 7. April 1945 die „marschfähigen“ Häftlinge das Außenlager Stöcken zu Fuß in Richtung Bergen-Belsen, wo sie am
8. April eintrafen. Häftlinge, die nicht Schritt halten konnten, wurden von SS-Wachleuten erschossen.
Die kranken Häftlinge wurden am 8. April per Bahn aus
Stöcken abtransportiert. Über Fallersleben und Wolfsburg
erreichte der Zug Mieste, von wo aus die Häftlinge nach
Gardelegen weitermarschierten. Am 13. April wurden sie
dort gemeinsam mit einer größeren Gruppe von Häftlingen
aus dem KZ Mittelbau-Dora in eine Feldscheune geführt,
die anschließend in Brand gesetzt wurde.
3
4
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
Lagerskizze, vermutlich im Rahmen von Ermittlungen zu Verbrechen im Außenlager HannoverStöcken erstellt, nicht datiert.
(MDF, 30C0500040)
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
5
6
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
Zeichnung von René Baumer,
8. Februar 1944: die Accumu­
latoren-Fabrik, vom Lager aus
gesehen.
(MOL, N3944)
Zeichnung von René Baumer,
2. April 1945: der Ausgang des
Lagers zur Fabrik.
(MOL, N3934)
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
7
8
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
Bericht des ehemaligen Lager­
ältesten Jósef Gras für die
Vereini­gung der Verfolgten des
Naziregimes, nicht datiert.
(SAPMO-BArch, BY 5 V 279/66)
Hannover-Stöcken (Accumulatorenfabrik)
Schreiben von Oberingenieur Hallenberg, Zentralverwaltung der
Accumulatoren-Fabrik in Berlin,
vom 3. März 1943 an die Direktion des Werks Hannover über den
Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen.
Das Dokument lag der Staatsanwaltschaft Hannover 1963 als
Beweisstück bei ihren Ermittlungen zu Verbrechen im Außenlager
Hannover-Stöcken vor.
(SLG H, 2 Ks 2/63)
11
Beiliegend überreichen wir Ihnen Abschrift unsere Briefes
an das OKM [Oberkommando der Marine], Abteilung
M Rü V, vom 20.2.43, sowie Abschrift unserer Aktennotiz
vom 27.2.43, die wir an Werk Hagen, Mob-Büro, sandten.
Wir erhielten darauf das Schreiben vom Werk Hagen vom
1.3.43, von dem Ihnen Durchschlag zuging. Wir haben das
OKM im Sinne des Hagener Schreibens vom 1.3. nochmals
informiert und darauf hingewiesen, dass bereits im Januar
1941 die Angelegenheit durch Herrn SS-Oberführer Glücks
geprüft und dabei festgestellt wurde, dass das Werk Hannover für den Einsatz derartiger Leute nicht in Frage kommt.
Das OKM hat sich dieserhalb nochmals mit den betreffenden Stellen in Verbindung gesetzt und teilte uns Herr
Korv-Kapt. [Korvetten-Kapitän] Feye heute telefonisch mit,
dass der Bericht von Herrn SS-Oberführer Glücks bekannt
sei, dass sich aber inzwischen in der Ansicht betreffs der
Unterbringung dieser Leute verschiedenes geändert habe.
Übrigens geht die Anregung nicht von dem OKM, sondern
von dem Minister für Bewaffnung und Munition (Herrn
Stadtrat Dr. Schieber) aus, der größten Wert darauf legte,
die Leute aus den KZ-Lägern produktiv einzusetzen und SSObersturmbannführer Maurer beauftragt sei, diese Angelegenheit im Bezirk Hannover zu prüfen.
Wir gaben Herrn Dir. Clostermann hiervon heute telefonisch
Kenntnis. Der Besuch im Werk Hannover soll am Mittwoch,
d. 10.3.43, vormittags stattfinden. An diesem Besuch nehmen SS-Obersturmbannführer Maurer, Korv-Kapt. Feye, ein
Herr von der Rüstungsinspektion Hannover und der Kommandeur des zuständigen KZ-Lagers teil.
12
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
Zur Durchführung von Arbeiten in der Kunststoffhalle ist
der Einsatz von 500 Häftlingen vorgesehen, die mit je etwa
250 in Tag- und Nachtschicht beschäftigt werden sollen.
1.) Unterbringung
Die Unterbringung der Häftlinge soll in dem zu errichten[d]
en Lager, welches auf dem nahe bei der Fabrik gelegenem
und besichtigten Gelände erstellt wird, erfolgen.
Schreiben des Chefs des Amtes
D II im SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt, SS-Standartenführer Gerhard Maurer, vom 11.
März 1943 an die AccumulatorenFabrik AG Hannover über
die Errichtung des Außenlagers
Hannover-Stöcken. Das Dokument lag der Staatsanwaltschaft
Hannover 1963 als Beweisstück
bei ihren Ermittlungen zu Verbrechen im Außenlager HannoverStöcken vor.
(SLG H, 2 Ks 2/63)
Das Lager wird ihrerseits für die Aufnahme von 1000
Häftlingen vorgesehen. Der Ausbau soll zunächst für die
Aufnahme von 500 Häftlingen durchgeführt werden. Bis
zum 20. März wird Ihnen vom Kommandanten des KL Neuengamme, dem das zu errichtende Arbeitslager unterstellt
wird, ein Bebauungsplan für dieses Unterbringungslager
übersandt. Sodann soll die erste Baracke durch ihre Arbeitskräfte aufgestellt werden, damit dann das Häftlingsvorkommando nach dort in Marsch gesetzt werden kann. Dieses
Vorkommando wird beim Aufstellen der weiteren Baracken
eingesetzt. Das Lager wird von Ihnen für die Unterbringung
der Häftlinge kostenlos zur Verfügung gestellt. Unterkunftseinrichtungen, wie Betten, Strohsäcke, Schränke, Tische,
Schemel, usw., und die gesamte Kücheneinrichtung mit
Küchengeräten werden von Ihnen gestellt. Die Kosten für
die Schaffung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen
sowie sonstige Kosten, wie Heizung, Beleuchtung, Wasser
und die laufenden Unterhaltungskosten des Lagers werden
ebenfalls von Ihnen getragen.
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
Die für den Aufbau des Lagers erforderlichen Kontingente
werden von Ihnen beschafft. Ich bitte, die Beschaffung der
Kontingente nach Eingang des Planes aus Neuengamme
nebst Materialberechnung beschleunigt durchzuführen,
damit mit dem Aufbau des Lagers baldigst begonnen werden kann. Die Wachmannschaften werden außerhalb des
Lagers untergebracht.
2.) Bekleidung
Die Kosten für die Bekleidung der Wachmannschaften und
der Häftlinge sowie deren Instandhaltung und Reinigung
werden vom KL Neuengamme getragen.
3.) Verpflegung
Die Verpflegung der Wachmannschaften und der Häftlinge
bezahlt die Verwaltung des KL Neuengamme. Die Zubereitung der Verpflegung sowie die Zurverfügungstellung der
Kontingente sind Angelegenheit des KL Neuengamme.
4.) Zahl der Häftlinge und Entgelt
Das tägliche Entgelt für die dort eingesetzten Häftlinge
beträgt RM 6,– für einen Facharbeiter und RM 4,– für einen
Hilfsarbeiter. […] Ohne Berechnung bleiben die kranken
Häftlinge, die nicht zur Arbeit eingesetzt werden können.
[…] Die kranken Häftlinge, die zur Arbeit nicht wieder eingesetzt werden können, werden gegen arbeitsfähige Häftlinge
vom KL Neuengamme ausgetauscht, so dass die Gesamtzahl
von 500 bestehen bleibt. […]
5.) Sonstiges
Das KL Neuengamme trägt weiterhin die Kosten für die
ärztliche Betreuung der Wachmänner und der Häftlinge, die
Beschaffung der Arzneimittel, der Krankenhauskosten usw.
13
14
Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik)
Nach der Besichtigung an Ort und Stelle ergab sich folgendes:
Das Luftgau-Kommando XI L[uft] S[chutz]-Außenstelle,
Hannover, trägt keine Bedenken, da es sich um die Unterbringung von Häftlingen handelt, bei denen ein größerer
Anmarschweg gemäß Verfügung der SS vermieden werden
muss. Bei der Errichtung sind die Richtlinien vom Reichsarbeitsminister vom 10.10.41 einzuhalten. Für den Schutz der
Barackenbewohner ist durch Anlage einfacher Deckungsgräben Sorge zu tragen. Das Barackenlager ist hinsichtlich
Farbe so zu tarnen, dass es der Umgebung angepasst ist.
[…] Zum 20. d. M. werden von dem Lager-Kommandanten
Hamburg-Neuengamme die Bauunterlagen erwartet. Nach
Eingang derselben wird der Vorsitzende der RüstungsKommission gebeten, die Genehmigung zur Freigabe der
Baracken […] und der Baustoffkontingente und aller Einrichtungen zu erteilen.
(SLG H, 2 Ks 2/63)
Aktenvermerk über eine Besprechung am 15. März 1943 zwischen Vertretern der Wehrmacht,
der Wirtschaft und der Stadtverwaltung in Hannover über die
Luftschutzmaßnahmen für das
Außenlager Hannover-Stöcken.
Das Dokument lag der Staats­
anwaltschaft Hannover 1963 als
Beweisstück bei ihren Ermittlungen zu Verbrechen im Lager vor.
Herunterladen