Familie Durch eine Modifikation hat diese Dahlie neben ansonsten farbig normalen Blütenblättern auch ein weißes gebildet. Kuriositäten im eigenen Garten Doppelte Blüten, lustige Nasen, bunt gemusterte Blätter: Manchmal bringt die Natur ausgefallene Pflanzen, Blätter und Blüten hervor. Gartenexpertin Erika Brunken von der Niedersächsischen Gartenakademie stellt Kuriositäten aus dem Garten vor. W enn alles gut läuft, wachsen Pflanzen im Garten, auf dem Feld und in der Natur normal heran. Form, Farbe und Größe passen. Dass es so ist, steuern im Wesentlichen die Hormone. Sie fördern und hemmen die Wachstumsvorgänge. Blätter, Blü­ ten, Triebe – alle unterliegen dieser Steuerung. Die Hormone regeln, wie dick z. B. ein Baumstamm wird, wel­ chen Wuchstyp eine Pflanze hat und wie groß sie wird. Gerät der Hormon­ haushalt einer Pflanze z. B. durch Stress (Hitze, Trockenheit) durcheinander, entstehen kuriose Erscheinungen. Die entstandenen kleinen Fehler können Zufallsfunde oder das Ergebnis einer langjährigen, harten Züchtungsarbeit mit Kreuzungen, Vermehrungen und 170 top agrar 4/2014 Auslesen sein. Doch wie sehen solche pflanzlichen Veränderungen aus? Und welche Ursachen haben sie? Abweichungen in der Farbe Farbveränderungen von Blättern be­ zeichnen Fachleute als Panaschierung. Die abweichende Farbe entsteht im Blattgewebe durch das Fehlen von Chlo­ rophyll (Blattgrün). So kommen weiße Blattflächen und gelbe oder rote Farb­ stoffe zum Zug. Pflanzen mit panaschierten Blättern oder verändertem Laub sind aus unse­ ren Gärten nicht mehr wegzudenken. Sie sind durch Züchtungen entstanden, z. B. der Eschenahorn (Acer negundo) und der Pagodenhartriegel (Cornus con­ troversa ‘Variegata’), die Japanische Dieser Schalenfehler beim Apfel sieht fast „gewollt“ aus. HEFT + Auch unsere Leser haben in ihren Gärten Kuriositäten entdeckt. Diese finden Sie unter www.topagrar.com/gartenkurios Aralie (Aralia elata ‘Variegata’) und die Stechpalme (Ilex aquifolium‚ ‘Silver Queen’) oder der Buntlaubige Spitz­ahorn (Acer platanoides ‘Drummondii’) bilden mit ihren hellen, weißgrünen, gelbgrü­ nen oder rotgrünen Blätterkleidern be­ sondere Hingucker im Garten. Wie solche Panaschierungen entste­ hen, ist nicht eindeutig geklärt. Wahr­ scheinlich sind es spontane Mutationen, die zufällig aufgetaucht sind. Wenn sich die buntlaubigen Sorten bewährt haben, werden sie in Baumschulen vermehrt und in den Handel gebracht. Danach können sie in die Gärten von Sammlern und Liebhabern Einzug halten. Durch Mutationen, Modifikationen oder Chimären entstehen weitere unge­ wöhnliche Farbveränderungen wie der Schalenfehler beim Apfel oder weiße Einzelblüten in ansonsten farbig nor­ malen Blüten. Verbänderungen Veränderte Formen Kartoffeln in Herzform und Mohrrü­ ben mit Armen und Beinen tauchen in der Natur recht häufig auf. Stress wie Hitze oder Trockenheit bringt bei Kar­ toffeln den Hormonhaushalt durchein­ ander. Die Folge: Deformierte Knollen, Kettenwuchs und Kindelbildung. Die Beinigkeit bei Mohrrüben kann an einer Verdichtung des Bodens liegen. Wenn Himbeerfrüchte sich spalten, liegt vermutlich ein Fehler bei der Blü­ tenbildung vor. Zipfel, Rollen und Nasen In die Stoffwechselvorgänge von Pflanzen können sich auch Insekten ak­ tiv einklinken. Bei der Eiablage oder durch den Speichel von Blattsaugern gelangen Wuchsstoffe in die Saftströme der Pflanzen, die ein für die Pflanze un­ typisches Wachstum hervorrufen. Es bilden sich spitze, kugelige, flachrunde oder anders verdickte Gallen. Apfelgallen an den Blättern der Eiche entstehen durch die Eichengallwespe. Die Nasen an den Blättern von Linden rufen Gallmilben hervor. Für die stark eingerollten Laubblätter an Rosen und Fotos: Brunken Beim Kandelaber-Ehrenpreis (Veroni­ castrum virginicum) verbreitern sich häufig die Blütenstände. Sie sehen flach und dick aus, als ob mehrere Blüten­ ähren nebeneinanderliegen und mitein­ ander verschmolzen sind. Solche kuriosen Erscheinungen nennt man Verbänderungen. Auch beim Lö­ wenzahn beobachtet man recht häufig, dass die Blütenstiele verbreitert sind. Auf einer Wiese mit blühendem Lö­ wenzahn findet man zahlreiche verbän­ derte Knospen, Stängel und auch Blü­ ten. Bei der Drachenkastanie (Aesculus hippocastanea ‘Monsterosa’) und bei der Drachenweide (Salix rosmarinifolia ‘Sekka’) ist die Verbreiterung der Triebe typisch und gewollt, denn sie bringt dem Gehölz den typischen zierenden Effekt. Mögliche Auslöser einer Verbände­ rung sind Schädigungen durch Viren und Bakterien, Chemikalien, radioak­ tive Strahlung oder spontane Mutatio­ nen. An mehr als hundert Pflanzenar­ ten hat man bisher in der Natur Ver­ bänderungen beobachtet. Die gespaltene Himbeere ist das Resultat eines Blütenfehlers. Die Nasen an diesem Lindenblatt hat die Gallmilbe hervorgerufen. Verbänderungen beim Kandelaber-Ehrenpreis (oben) und beim Löwenzahn (unten). Beide neigen zu solchen Kuriositäten. Pappeln ist die Blattrollwespe verant­ wortlich. Alle Verdickungen im Gewebe oder das Rollen von Blättern haben die Auf­ gabe, den Insektenlarven Schutz vor natürlichen Feinden und vor Austrock­ nung zu bieten oder als Nahrung zu die­ nen. Die Pflanze zieht keinerlei Nutzen aus dieser Lebensgemeinschaft. Ver­ mutlich versucht die Pflanze sogar, das schädigende Insekt einzukapseln, um den Schaden weitgehend abzugrenzen. Meist leben die Pflanzen mit den Gal­ len oder dem eingerollten Laub ohne große Beeinträchtigung weiter. Die Natur ist eben nicht immer per­ fekt. Gut für den aufmerksamen Gar­ tenfreund, der sich so immer wieder an neuen Kuriositäten erfreuen kann. top agrar 4/2014 171