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9. November 1934
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT
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REPETITORIUM
Vorlesungen über Erkrankungen des Respirationssystems (mit Ausschluß der Tuberkulose)
Von Prof. H. y. HOESSLIN, Direktor der Innejen Abteilung des Oskar Ziethen-IÇrankenhauses in Berlin-Lichtenberg
mit ihr verbunden sind - die so gut wie stets auf ihren Zu- sind die Tierversuche bekannt, in denen eine Infektion
sammenhang mit einer Grippeinfektion hinweisen und sich mit Pneumokokken nur dann stattfand, wenn das Tier
auch fast nur zu Grippezeiten zeigen -, wird der Arzt ge- einer starken Abkühlung ausgesetzt wurde und sich nicht
beten, findet aber dann außer einer Rötung der Rachen- dagegen schützen konnte.
Die ersten bei der akuten Bronchitis stattfindenden Verorgane und vielleicht etwas unreinem Atmen keine rechten
lokalen Erscheinungen, die ihm den oft recht schweren All- änderungen der Schleimhaut sind kaum zu erfassen. Es
dürfte sich um eine starke Hyperämie der Schleimhaut
gemeinzustand erklären könnten.
Die akute Bronchitis oder Tracheobronchitis zu normalen handeln, verbunden mit einer Störung der normalen Sekretion,
Zeiten als selbständige Erkrankung entsteht wohl immer denn der Kranke spürt das Gefühl der Trockenheit, des
nur aus besonderen Anlässen, und das sind lokale A bkühlungen Brennens, des Kratzens, des Wundseins in Rachen, Kehlder Luftröhre und Bronchien bei scharfem Wind, bei großer kopf und Luftröhre, das sich mit stärkerem Schmerz verKälte, wenn also die Luft nicht vorerwärmt in die Bronchien bindet. Dieser wird bei Erkrankung der Luftröhre bekanntlich
einströmt, also auch besonders dann, wenn mit offenem über dem Brustbein empfunden. Der Reizhusten fördert
Munde geatmet wird. Die Empfänglichkeit hierfür ist sehr zunächst auch keinen Auswurf zutage, der erst im folgenden
verschieden groß, auch ohne daß besondere Ursachen, Spitz- Stadium mit der wiedereinsetzenden zunächst schleimigen,
rachen, enge Nasengänge oder Wucherungen vorliegen und dann mehr eitrigen Sekretion erfolgt, bis er endlich wieder
die Nasenatmung erschweren oder bei körperlicher Bewegung versiegt. Je tiefer die Entzündung hinabsteigt, desto eitriger
durch den Mund geatmet wird. Zweifellos spielt gleichzeitige und kleingeflockter ist der Auswurf, sodaß man schon aus
körperliche, zumal übermäßige Anstrengung, wie bei Märschen, seinem Aussehen sich ein Bild vom Orte der Erkrankung
Dauerläufen auch insofern eine erhebliche Rolle, als durch machen kann. Bronchialepithelien, in frischen Fällen noch
sie die Widerstandskraft des Körpers geschwächt und dieser mit Flimmerbesatz, fehlen nie. Die Temperatur ist dabei meist
Infektionen leichter zugänglich wird. Empfindlichere Men- nur um einige Zehntel Grad und für einen oder zwei Tage,
schen versuchen sich bei solchen Gelegenheiten schon dadurch selten länger erhöht, das Ailgemeinbefinden wenig gestört.
Sehr viel häufiger führt eine unvermerkte Abkühlung zur
zu schützen, daß sie ein Taschentuch vor den Mund oder mit
Bronchitis,
wenn also, wie man annimmt, der Körper infolge
den Zähnen halten.
des zu geringen Reizes nicht entsprechend reagiert. Schon dem
Auf die Dauer scheint, wenn man sich auf Schilderungen Laien, der besorgten Mutter sind die Folgen zu lange dauernder
aus dem nördlichen Amerika verlassen darf, das Aussetzen Abkühlung der Hände des Kranken oder Rekonvaleszenten beim
der Luftwege einer ungewöhnlich tiefen Außentemperatur Lesen eines Buches im Bette bekannt. Ganz besonders leicht
schwere Schäden hervorzurufen, es bleibt dann nicht bei tritt sie auf, wenn man sich an einem schönen Frühjahrstage bei
einer einfachen Bronchitis, sondern es entwickeln sich
schwerste, zum Tode führende Bronchiolitiden.
Die Abkühlung des ganzen Körpers als solche spielt nicht
immer die Rolle, die man ihr eigentlich zutrauen möchte.
Die eigens darauf gerichteten Versuche und alltäglich gemachten Beobachtungen zeigen, daß ein Bad in Gletscherwasser oder ein Spaziergang in allzu leichter Kleidung an
einem strengen Wintertage bei Menschen, die nicht schon
sowieso leicht an einer Bronchitis erkranken und die sich
sonst wohl und leistungsfähig fühlen, ohne jede nachteilige
Wirkung vertragen wird. Der Körper schützt sich hier vor
zu großem Wärmeverlust durch entsprechende Verengerung
seiner Hautgefäße. Schwieriger ist für viele schon der Schutz,
wenn ein Aufenthalt in einem überhitzten Zimmer vorausgegangen oder durch Arbeit der Körper in Schweiß geraten
warmer Lufttemperatur auf feuchtem oder kaltem Boden lagert
oder gar einschläft. Die Temperaturunterschiede von Luft zu
Boden brauchen dabei nicht einmal groß zu sein. Möglich, daß
auch die sog. ,,traumatische" Bronchitis Bewußtlosgewordener
darauf zurückzuführen ist; in anderen Fällen vielleicht auch auf
die mangelhafte Durchlüftung infolge der schmerzgehemmten
Atmung, wobei auch kleine Blutungen mit und ohne nachfolgende
Infektion eine Rolle spielen mögen. Die starke reflektorische
Atemhemmung bei einem unvermuteten Schlag oder Fall auf
die Brust, besonders ihre seitlichen Teile, ist wohl jedem aus eigener
Erfahrung bekannt.
Bekannt sind ferner Erkrankungen der Luftwege nach einer
ungewohnten starken Sonnenbestrahlung, unabhängig von der
Umgebungstemperatur. Es ist nicht entschieden, ob hier lediglich eine blande Sekretionsvermehrung der Schleimhaut durch
gebildete Reizstoffe statthat oder ob eine vorübergehende
Widerstandsschwächung, eine der Abhärtung vorausgehende
negative Phase mit erhöhter Infektionsbereitschaft vorliegt.
war. Im ersten Falle scheint die Umstellung der Haut- Das ausgesprochene Müdigkeitsgefühl in diesem Zustande spricht
letzterem Sinne. Leichte Temperatursteigerung kommt in
gefäße und wohl auch dei Bronchialschleimhaut auf die in
beiden Fällen vor. In wenigen Tagen sind die ganzen Erschei1
vgl. Nr. 41, 2. Nr. 43, 3. Nr. 44.
nungen abgelaufen, sie sind fast nie so schwer wie die aus gleicher
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4. Über akute und chronische Bronchitis
Die akute BronchiUs des Erwachsenen ist für den Arzt eine Kälte häufig nicht rasch genug zu erfolgen, um genügenden
verhältnismäßig seltene Erkrankung, da er ihretwegen zu- Schutz gegen die Abkühlung zu gewähren, und im zweiten
meist nicht aufgesucht wird. Nur dann, wenn schwerere All- kommt vielleicht noch die stärkere Abkühlung lokaler,
gemeinerscheinungen, Abgeschlagenheit, Kopf-, Brust- und besonders empfindlicher Stellen sowie eine geringe ReGliederschmerzen oder höheres und länger andauerndes Fieber aktionsfähigkeit durch das Schwitzen in Betracht. Ebenso
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Die Höhe der Reiz der Typhusbazillen als Ursache der einfachen Bronchitis
Lufttemperatur spielt bei der Entstehung keine Rolle, denn annehmen dürfen, sondern zumeist eine von den obersten
gelegentlich hat allzu intensive Höhensonne, also Ultraviolett- Luftwegen absteigende Infektion. Gelegentlich findet man
lichtbestrahlung die gleichen Folgen.
Hierher gehören auch die nicht selten nach Verbreniunget zu allerdings von Anfang an eine Beteiligung der Bronchialbeobachtenden Bronchitiden. Für ihre Entstehung ist die gleiche schleimhaut an der Erkrankung.
Ursache maßgebend wie in den vorgenannten Fällen. Ob die
Die Tracheobronchitis als Teilerscheinung der Grippe wurde
durch Gewebszerfall gebildete Histamin- oder Adenylsäure- schon kurz erwähnt. Hier handelt es sich ausgesprochen um
ähnlich wirkenden Stoffe direkt oder durch Herabsetzung des
gesamten Gefäßtonus an der Widerstandsverminderung be- eine absteigende Erkrankung, die man am Krankenbett bis
teiligt sind, ist nicht ermittelt. Vielleicht würden sich ent- in die kapillaren Bronchien und Alveolen hinein oft genug
verfolgen kann. Außerordentlich rasch tritt hier, auch bei
sprechende Versuche an infizierten Tieren lohnen.
Ferner kennen wir die Bronchitiden bei Einazmung reizender anscheinend geringer Ausbreitung, Zyanose auf, stets ein
Gase in Gewerbebetrieben wie als Kampfgasvergiftungen. An Zeichen, daß Zirkulation und Gasaustausch nicht mehr in
erster Stelle stehen hier Chlorverbindungen, insbesondere das Ordnung sind. Sie kommt hier, und das stimmt auch mit
Phosgen, dessen Wirkung sich bei länger dauernder Einatmung
nicht auf die Bronchien und Bronchiolen beschränkt, sondern anderen Erscheinungen überein, in erster Linie durch verdurch die Chiorverätzung zur Zerstörung des Alveolargewebes langsamte Strömung in zu weiten venösen Kapillarschenkeln
mit folgendem Lungenödem führt. Sekundär tritt nach Über- und subpapillären Venennetzen zustande, gleichzeitig vielstehen der ersten Erscheinungen bakterielle Infektion ein. Auch leicht auch durch vermehrte Sauerstoffabgabe dortseibst.
scheint nicht selten eine gewisse Uberempfindlichkeit der
Sie ist 'nie leicht zu nehmen, auch bei geringem AnfangsbeBronchialschleimhaut zurückzubleiben, allerdings nicht so häufig,
funde.
Wie weit hier der Influenzabazillus, wie weit ein unals es auf Grund angestrebter Rentenverfahren scheinen könnte.
Wenn auch Arbeiter, die dauernd schädlichen Reizen ausgesetzt bekanntes filtrierbares Virus als primärer Erreger in Betracht
sind, lernen oberflächlich zu atmen, und so eine zu intensive kommt, soll unerörtert bleiben, ist letzten Endes auch noch
Berührung des Lungengewebes mit den Reizstoffen verhindern, nicht völlig geklärt. Sekundär siedeln sich noch alle möganderseits zweifellos eine gewisse Gewöhnung eintritt, so
führen solche Dauerreize mitunter doch zu chronischer Ent- lichen Bakterien auf der Bronchialschleimhaut an und wirken
zündung. Tabak und Alkohol sind auch hierher zu rechnen. ihrerseits als weiterer Reiz.
Gelegentlich treten auch Streptokokken, Staphylokokken,
Schließlich sind auch die Bronchitiden vom Ertrinkungstode Geretteter, zum Teil durch den Reiz des eingedrungenen Wassers, Pneumokokken, der Micrococcus catarrhalis, der Tetragenes
mehr allerdings durch die hierbei erfolgte Stauung in einzelnen
Lungenteilen zu erklären. (Ausführlicheres siehe bei den Ausführungen über Aspirationspneumonien.)
Letzten Endes ist auch die Heufieber-Bronchitis Tbersensibilisierter auf besondere Reize chemischer Natur zurückzuführen.
sowie auch der Meningokokkus und andere, alle meist zu Zeiten
Die bakterielle wirksame Infektion erfolgt also in allen
geschilderten Fällen kaum primär, lediglich infolge starker
lich auf den ostindischen Inseln, später auch im Mittelmeer
und vereinzelt auf dem europäischen Festlande beobachtet
Virulenz vorhandener oder hinzugekommener Keime, sondern
chäten im schleimig eitrigen, zum Unterschied von anderen
gewöhnlichen Bronchitiden oft mit Blut versetzten Auswurf
gefunden wurden, gehört hierher. Die akuten Formen sind
erst nach Schädigung der lokalen und allgemeinen Widerstandskraft. Auch im Verlaufe verschiedener Infektionskrankheiten ist die Bronchialschleimhaut, man kann sagen
regelmäßig miterkrankt. Teils gehört ihre Erkrankung zu
den primären Erscheinungen wie bei den Masern, bei denen
Haut wie Schleimhäute gleichmäßig und zu gleicher Zeit
beteiligt sind. Ebenso ist es bei den echten Pocken, gelegentlich auch bei Windpocken. Auch die Bronchitis im Ausschlag-
stadium der Syphilis zählt hierher. Man hat allerdings den
Erreger auf der Bronchialschleimhaut bzw. im Auswurf
noch nicht gefunden, was aber in erster Linie mit dem Fehlen
kleinerer oder größerer Endemien als primäre Erreger auf.
Im übrigen ist ihre Rolle meist nicht recht zu erkennen.
Auch die CasteUcinische Spirochätenbronchitis, die hauptsäch-
wurde und bei der mitunter große Mengen recht variabler Spiro-
allerdings seltener als die protrahiert verlaufenden. Doch kommen
auch diese alle schließlich zur Ausheilung. Es wird noch darüber
gestritten, um welche Form der Spirochate es sich handelt,
manche halten sie für die gewöhnliche Mundspirochäte.
Eine begleitende Bronchitis finden wir bei nicht wenigen Erkrankungen, die nur Teile des Bronchialbaumes oder des Lungengewebes befallen haben, so z. B. bei der kruppösen Pneumonie,
bei Tumoren, bei tuberkulösen Infekten. Bei letzteren ist
Neigung zu nicht spezifischen, meist auch ohne besondere
Schädigung
vorübergehenden leichteren Bronchitiden,
»Er-
kältungen" zuweilen stark ausgeprägt, wenn auch individuell
des Auswurfs bei den sehr geringfügigen Erscheinungen sehr verschieden. Es scheint, als ôb in solchen Fällen die ganzen
zusammenhängt. In anderen Fällen ist es wohl die mangel- Schleimhäute der Luftwege auch weitab vom tuberkulösen Herd
sich in erhöhter Reizbarkeit befinden und daher auf kleinste
hafte Durchlüftung der Lunge, die zur Blutstauung und 'Schädigungen
jeder Art stark reagieren. Die Bronchitis ist nicht
damit zur erleichterten Ansiedlung von Bakterien an einzelnen
Stellen führt, sei es, daß sie die Luftwege herabwandern,
auf den direkten Einfluß des Tuberkelbazillus zurückzuführen,
sonst würde man ihn im Auswurf dieser vorübergehenden
sei es, daß sie im Blute zirkulieren und sich an Orten verlang-
Bronchitiden vorfinden, was nicht der Fall ist. Dagegen ist es
samter Strömung und verstärkter Exsudation festsetzen, so
im Verlaufe septischer Erkrankungen oder des Typhus abdominalis. Die Rolle der Typhusbazillen für die Entstehung
möglich, daß durch ihn die große Empfindlichkeit der Bronchial-
der Bronchitis ist übrigens nicht groß, denn die Typhusbazillen
fehlen im rein bronchitischen Auswurf, während sie im
schleimhaut herbeigeführt wird, die Bronchitis also vielleicht
in ähnlicher Weise erklärt werden kann wie die seröse Pleuritis.
Auch die Neigung ,,lymphatischer Kinder" zu ewig wiederkehrenden derartigen Erscheinungen erhöhter Exsudation gehört hierher.
Auch bei Lun gencibszessen oder lokalisierten Bronchiektasien
hämorrhagisch-pneumonischen während der Kontinua regelhören
wir häufig bronchitische Geräusche, verteilt über beiden
mäßig vorhanden sind. Bei der Benommenheit der Patienten
Lungen. Man kann sich vorstellen, daß die Schleimhaut durch
und der damit verbundenen oberflächlichen Atmung und un- Aspiration eitrigen Sekretes von der erkrankten Stelle aus
zweckmäßigen Körperlage im Bett wird man also nicht den gereizt bzw. infiziert wird. Die individuelle Widerstandsfähigkeit
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Ursache entstandenen Mandelentzündungen.
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ist hier außerordentlich verschieden. Wie groß sie unter Umständen sein kann, sahen wir kürzlich bei einer nicht mehr
jungen Patientin mit Echinokokkusabszeß, die im Verlaufe von
Monaten gewaltige Mengen eines mit massenhaft vereiterten
kleinen Zysten durchsetzten fetiden Auswurfes entleerte, ohne
daß es zu einer Infektion der Bronchialschleimhaut in der übrigen
Lunge kam, wiewohl genug Gelegenheit zur Aspiration eitriger
Sputumteilchen gegeben war.
Bronchitiden entstehen, als Sekundärerkrankung fort-
gepflanzt, ferner nicht selten bei Erkrankwngen des NasenRachen-Raumes und der Nebenhöhlen. Behinderung der Nasen-
atmung, Tieferwandern von Keimen und, bei ungenügender
Sekretentleerung, gelegentlich auch Aspiration von Sekret
bilden jedes für sich allein oder gemeinsam die Ursache. Es
ist oft ganz erstaunlich, wie rasch eine schon lange bestehende
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enthaltenden Auswurf verläuft . Man wird hier schon regelmäßig eine frühzeitige Verkalkung der Rippenknorpel, zumal
der ersten und zweiten Rippe antreffen. Es handelt sich also
um Zustände, die dem Asthma bronchiale sehr nahe stehen,
worauf auch Vorgeschichte und Familienerhebung hindeuten.
Die Erscheinungen können ganz akut und ohne Restzustand
vorübergehen und jahrelang nicht mehr auftreten. In anderen
Fällen schließen sich dann alljährlich, zumal im Herbst oder
Frühjahr, ähnliche akute Katarrhe an, die Erkrankung wird
mehr und mehr chronisch, wir finden zu keiner Zeit mehr die
Lungen völlig frei von bronchitischen Geräuschen, und ein
gewisser Grad von Atemnot verläßt den Patienten überhaupt
nicht mehr.
Auch ohne asthmatische Komponente entwickeln sich mit
den Jahren zunächst unscheinbare und vorübergehende Bronchialkatarrhe zu. Dauerzuständen. Ganz besonders werden
sie durch anhaltende Reize wie Alkohol, Tabak, Dauerreden,
oder immer von neuem auftretende Bronchitis nach Entfernung einer Rachenmandel, eitriger Tonsillen, nach Ausheilung eines Empyems der Kiefer- oder Stirnhöhle verschwindet. Trotz langen Bestehens war sie ihrem ganzen Witterungsunbilden gefördert. Aber auch hier finden wir
Charakter nach daher nicht zur chronischen sondern zur meist die Neigung zur frühzeitigen Erstarrung der Rippenakuten Bronchitis zuzurechnen. In höherem Alter kann sie knorpel, und oft schon Ende der Zwanziger Jahre haben wir
sich allerdings leichter zur chronischen Bronchitis umbilden.
Natürlich fördert jedes Atemh'indernis zunächst das Ent-
stehen einer Bronchitis, die je nach der Lage desselben die
ganze Lunge oder nur einzelne Bronchialbezirke betrifft.
das ausgeprägte Bild des primär starren Brustkorbes vor uns.
Für manche Fälle mag auch die Versteifung und Verkrümmung des Wirbelsäule infolge Verkalkung und Verknöcherung
der Zwischenscheiben für diesen Zustand die Verantwortung
Die damit verbundene Sekretstauung, später die hinzu- tragen, die Regel ist dies aber bestimmt nicht (siehe auch
tretende Atelektase geben den Boden für die Ansiedlung unter Emphysem).
von Keimen ab, die emphysematös erweiterten Teile bleiben
anscheinend mehr verschont. Die Neigung Kyphoskoliotischer
In den infolge der Erstarrung ihrer Hülle nicht mehr genügend sich erweiternden und wieder zusammenziehenden
zu Bronchitiden ist sicher ebenfalls auf die mangelhafte Bronchien und Lungen spielen sich nun verschiedenartige
Durchlüftung einzelner wenig entfaltungsfähiger Teile der Erkrankungen des Bronchialgewebes ab, alle ausgesprochen
Lungen zurückzuführen, in späteren Jahren vielleicht noch chronischen Charakters. Neben der mangelnden Exkursionsbegünstigt durch die erlahmende Herztätigkeit.
fähigkeit hängt das Chronischwerden wohl auch mit einer
Eine besondere Stellung nimmt die akute Erkrankung der angeborenen oder, zumal in der Kindheit durch Keuchhusten
feinsten Bronchien, die sich auch noch in die Alveolargänge oder Masern erworbenen Schwäche des Bronchialgewebes zuhinein erstreckt und als Bronchiolitis oder ha pillare Bronchitis sammen. In den Abschnitten über das Emphysem und über
bezeichnet wird, ein. Klinisch wird man sie in der Regel Bronchiektasien wird mehr darüber gesagt. Hier sollen nur
nur schwer von der Herdpneumonie unterscheiden, auch das einige besondere Formen des chronischen Luftröhrenkatarrhes erRöntgenbild läßt häufig im Stich, und nur die allgemeine wähnt werden.
Ausbreitung spricht für den besonderen Charakter dieser
Die Bronchialschleimhaut verändert mit dem Festhaf ten
immer sehr schwer, häufig letal verlaufenden Erkrankung. einer Entzündung nach und nach ihren Charakter. Das oberAtemnot und Zyanose bei auffallend schnell versagendem flächliche Epithel verliert seinen Flimmerbesatz, wird platter,
Herzen sind besondere Kennzeichen, der Auswurf wird meist die Schleimdrüsen atrophieren mehr oder weniger, auch die
sehr rasch stark eitrig. Der Erreger kann wechseln. Warum Art des sezernierten Schleimes ändert sich, er wird im alldie Infektion so außerordentlich heftig verläuft, läßt sich gemeinen weniger konsistent, dünnflüssiger, ohne an Kohärenz
nicht sagen. Lokalisierte Erscheinungen in einzelnen Bron- zu verlieren, mit der Zeit nimmt er einen eigentümlichen süßchialbezirken entpuppen sich zuweilen als Folgen einer Ate- lichen, manchmal an Leim erinnernden Geruch an. Mehr und
lektase - auf eine etwa begleitende Dämpfung ist zu achten -, mehr wird auch das peribronchiale Gewebe in die Erkrankung
die prognostisch stets günstig zu beurteilen ist. Darüber mehr einbezogen, es entstehen Wandverdickungen und Infiltrate,
in einer späteren Vorlesung.
in extremen Fällen schließt sich eitrige Zerstörung der BronEinfache Bronchitiden als Erkrankungen für sich sind, wie chialschleimhaut an. Bei der putriden Bronchitis oder
wir sehen, also nicht besonders häufig, haben immer beson- eiternden Bronchiektasien ist der Auswurf schließlich wie
dere Gelegenheitsursachen, und than wird gut tun, sich in eitrig geworden. Im übrigen kann man auch den Sitz der
allen Fällen zu vergewissern, besser noch die Untersuchung chronischen Entzündungen aus der Flockung des Eiters und
der Nasen-Hals-Organe dem Facharzt zu überlassen, ob nicht aus seinem Schleimgehalt und der Art ihrer Vermengung vernoch eine besondere Krankheit dahintersteckt. Dies gilt ferner muten.
Im einzelnen werden die klinischen Formen in erster Linie
besonders für die bisher nicht erwähnte akute Bronchitis
junger Leute, die mit leichten Atembeschwerden und einem nach dem Auswurf unterschieden und benannt. Wir kennen
zähschleimigen, an eosinophilen Zellen reichen, auch Bron- einen trockenen Katarrh mit wenigen groben Rasselgeräuschen
chialepithelien und einzelne Charcot-Leydensche Kristalle und spärlichem, meist schleimigem Auswurf; die sog. Bron-
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chitis pituitosa, früher fälschlich auch serosa genannt, deren gerade bei Mitralfehlern, daß durch eine unter anderen UmTräger reichlichen, dünnen, zähflüssigen, rein schleimigen ständen günstig wirkende tiefe Atmung der Blutzufluß in
Auswurf mit ganz wenigen Formelementen entleeren, dann die Lungen verstärkt und dadurch die Stauung vergrößert
eine Bronchitis mucopurulenta mit aus Schleim und Eiter wird. Liegt das Hindernis im linken Herzen nicht vor, so
gemischtem Auswurf, die häufigste Form der chronischen sehen wir bei entsprechender Besserung der Herztätigkeit
Bronchitis mit Ruhezeiten und Wiederaufflackern, dieses alle Bronchialgeräusche wieder verschwinden, und auch das
meist zur Winterszeit, in Regenperioden oder nach ,,Erkäl- Röntgenbild zeigt uns mit der Verschmälerung der Gefäßtungen". Dann die Bronchoblennorrhoe mit der Absonderung schatten deutlich die Entlastung an. Doch wird der Zustand
eines reichlichen ziemlich dünnen Eiters, unter welcher nur allzu leicht chronisch.
Über die Therapie der ahuten Bronchitis, sofern sie als
Bezeichnung sich sicher viele Fälle von diffusen Bronchiektasien befinden, die man früher noch nicht als solche erkannt selbständige Krankheit auftritt, . ist nicht viel zu sagen. Die
hat. Dann die schwere eitrige Bronchitis und Bronchiolitis alten Hausmittel, zu denen auch eine Schwitzpackung gemit fast dauerndem so gut wie rein eitrigem Auswurf, eine hört, genügen in der Regel. Der neuerdings im Transpulmin
Form, der wir hauptsächlich im Alter begegnen. Bei der ( zusammen mit Chinin) wieder hochgekommene Kampfer ist
Untersuchung fällt außer der Dyspnoe der geringe Lokal- zweifellos von guter Wirkung auf Atmung und Abhusten,
befund auf, wir hören nur ganz vereinzelte mittel- und klein- das gleiche kann man von den Bierschen Äther-Ölinjektionen
blasige Rasselgeräusche und gelegentliches Schnurren und sagen. Im großen und ganzen ist aber auch von der einfachen
nur nach Hustenstößen etwas mehr. Sie läßt zunächst an Bronchitis zu sagen, daß man sie nicht zu leicht nehmen und
Tuberkulose denken, doch ist nichts davon nachweisbar, den Patienten ins Bett stecken soll, wenn die Erscheinungen
auch nicht im Röntgenbild oder bei der Autopsie, dagegen nicht nach ein oder zwei Tagen verschwunden sind. Manchmal
bestehen verdickte Bronchialwände bei leicht erweitertem, nötigt schon das Aligemeinbefinden dazu. Im übrigen hat
reinen Eiter enthaltendem Lumen. Therapeutisch ist sie man sich stets sorgfältig zu vergewissern, ob die Bronchitis
wenig zugänglich, ihre Prognose ist auf die Dauer stets nicht nur Teilerscheinung einer übergeordneten Erkrankung
schlecht. Diese Form ist streng zu unterscheiden von der stets oder in anderen Fällen der erste Ausdruck besonderer Konrascher und äußerst schwer verlaufenden putriden oder stitutionseigentümlichkeiten des Befallenen ist. Am häufignekrotisierenden Bronchitis, deren rein eitriger,. faulig rie- sten trifft man auf eine asthmatische Grundlage, die von
chender, gelegentlich auch elastische Fasern der Bronchial- manchen zur eosinophilen Diathese gezählt wird, oder sie
wand enthaltender Auswurf auf den schweren Zerstörungs- hat sich auf dem Boden einer tuberkulösen Infektion entprozeß der Bronchien und ihrer nächsten Umgebung hinweist. wickelt, oder sie ist schließlich auch als erstes Anzeichen
Kurz erwähnt sei auch die seltene sog. plastische oder pseudomem- diffuser bronchiektatischer Erweiterungen zu bewerten.
Für die Behandlung der chronischen Bronchitis gilt das
gleiche. Vielfach trifft sie hier mit der des Emphysems zusammen, bei den schweren progredienten Erkrankungen
tischen Anfällen, nur sind sie oft noch viel heftiger, und
auch die Befallenen zeigen viele Eigentümlichkeiten typischer können wir nur für kurze Zeit einzelne Symptome lindern.
Nur auf zwei Punkte sei noch besonders hingewiesen, das
Asthmatiker. Unter extremster Atemnot und Erschöpfung
kommt es oft - zuweilen erliegt der Patient auch im Anfall - sind die günstige Wirkung eines Aufenthalts in klimatisch
zur Entleerung weitverzweigter Bronchialausgüsse. Diese be- günstig gelegenen Höhenorten, wobei wir die Auswahl von
stehen manchmal aus reinem Fibrin, daher auch der Name solchen mit feuchter und mit trockener Luft treffen müssen,
Bronchitis fibrinosa, häufiger sind sie rein schleimiger Natur,
mit anhaftenden oder eingeschlossenen eosinophilen Zellen und und dann von Ateniübungen in allen denjenigen Fällen, in
Charcot-Leydenschen Kristallen. Man sieht gelegentlich aber denen der Brustkorb frühzeitig zu erstarren droht oder in
auch leichtere Formen. Die Behandlung ist die gleiche wie im denen akute Katarrhe sich allzu lange hinziehen. Voraussetzung
schweren Asthmaanfall.
ist natürlich auch hier, daß zuerst alle Herde, von denen eine
Zum Glück ebenfalls selten ist die Bronchiolitis obi itercins, Dauerinfektion ausgehen könnte, aufgesucht und beseitigt
jene schwere Entzündung der feinsten Bronchien, die mit zu-
branöse Bronchitis, die entweder akut oder mehr chronisch unter
äußerst heftigen Exazerbationen verläuft. Diese Anfälle ähneln
in ihrem ganzen Charakter außerordentlich den schweren asthma-
nehmender Ausfüllung und Verödung der feinsten Luftwege und der
Lungenbläschen durch wucherndes Bindegewebe unter schwerster
werden. Leider werden diese Atemübungen, die auch sonst für
Atemnot und Zyanose, die hier schließlich auf die zu geringe
Gutes haben, weder in der Schule noch später genügend gepflegt.
die Ausbildung des Brustkorbes wie für die Zirkulation ihr
Sauerstoffaufnahme und die sich immer mehr verstärkende Kreislaufinsuffizienz zurückzuführen ist, in wenigen Monaten unfehl-
Ganz besonders ist auch auf den Zustand des Herzens zu
achten,
zumal bei älteren Leuten. Auch da, wo sich eine
bar zum Tode führt, einer der traurigsten Eindrücke für den
machtlos dastehenden Arzt. Die Ursache dieser eigentümlichen Kreislaufschwäche nicht deutlich ausprägt, wo man bei
flüchtigem Befühlen des Pulses nichts davon merkt, wirkt
Bindegewebswucherung ist unbekannt.
Eine große Rolle spielt die Stauungsbronchitis Herzkranker,
insbesondere bei der Mitraistenose, bei welcher sie infolge
der rasch auftretenden Stauung im Lungenkreislauf schon
frühzeitig
oft als erstes Krankheitszeichen - auftritt und
stets eine erhebliche Verschlechterung des Zustandes bedeutet. Die Verlangsamung der Blutströmung in den Lungen,
als deren Zeichen wir in extremen Fällen die Infarzierung ansehen müssen, und die damit verbundene Sekretvermehrung
geben die Möglichkeit leichter Infektion ab. Nachteilig wirkt
eine Digitalis- oder Strophanthinbehandlung oft überraschend
gut. Auch rein diagnostisch, zur Prüfung der Herz-Kreislauffunktion leistet sie uns schon gute Dienste. Bei den
akuten Kollapszuständen, die im Verlauf schwerer akuter
verbreiteter Erkrankung der kleinen und kleinsten Bronchien
zuweilen recht unvermutet eintreten, sind die Analeptika,
Koffein, Kampfer, Cardiazol, Coramin, Icoral, die gleichzeitig auch die Atmung anregen, nicht zu entbehren.
(Anschr. des Verf.: Berlin W i5, Fasanenstr. 27)
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