Biologische Systeme mit Missbrauchspotenzial

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Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum
für Naturwissenschaft und Friedensforschung
Forschungsstelle
Biologische Waffen und Rüstungskontrolle
Biologische Grundlagen der Friedensforschung
Biologische Systeme mit
Missbrauchspotenzial
Gentechnik:
Missbrauchspotenziale
+
Dual-Use-Aspekte
Dual-Use-Potenzial (Beispiele)
Einsatz gentechnischer Verfahren, um:
o
eine Übertragbarkeit von Mikroorganismen zu erreichen oder ihre
Infektiösität zu erhöhen
o
die Virulenz von Mikroorganismen oder Toxinen zu erhöhen
o
eine Resistenz von Mikroorganismen gegen therapeutische oder
prophylaktische Substanzen zu verstärken oder zu induzieren
o
die Umgehung diagnostischer Methoden zu ermöglichen
o
die Verbreitungsfähigkeit, Ausbringungsfähigkeit oder „Waffenfähigkeit“
von Mikroorganismen und Toxinen zu erhöhen
o
gänzlich neue Pathogene zu generieren oder bereits zurückgedrängte
Pathogene wieder zu erschaffen
Quelle: www.rki.de/DE/Content/Forsch/Dual-Use-Risiken/hausverfuegung.html; modifiziert
Dual-Use-Potenzial (Beispiele)
In der Vergangenheit kritisch diskutierte Experimente:
o
2001: Herstellung eines rekombinanten Mäusepockenvirus mit
unerwarteter Steigerung der Letalität
(Jackson RJ et al.; Expression of mouse interleukin-4 by a recombinant ectromelia virus suppresses cytolytic lymphocyte responses
and overcomes genetic resistance to mousepox. J Virol. 2001; 75(3): 1205–10)
o
2002: Biosynthese und biochemische Testung eines Virulenzfaktors des
humanen Pockenvirus
(Rosengard AM et al.; Variola virus immune evasion design: Expression of a highly efficient inhibitor of human complement; PNAS.
2002; 99: 8808-13)
o
2002: Chemische Synthese der Erbinformation des Poliovirus und
Erzeugung infektiöser Viren in Zellkulturversuchen
(Cello et al.; Chemical synthesis of poliovirus cDNA: generation of infectious virus in the absence of natural template. Science. 2002,
297:1016–18)
o
2005: Wiedererschaffung und Testung des nicht mehr zirkulierenden
Influenzavirus von 1918 (Auslöser der „Spanischen Grippe“)
(Tumpey TM et al.; Characterization of the Reconstructed 1918 Spanish Influenza Pandemic Virus. Science. 2005; 310:277-80)
Dual-Use-Potenzial (Beispiele)
In der Vergangenheit kritisch diskutierte Experimente:
o
2011: Herstellung eines rekombinanten H5N1 Vogelgrippe-Virus mit
künstl. erzeugter aerogener Übertragbarkeit zwischen Säugetieren
(Herfst S et al.; Airborne transmission of influenza A/H5N1 virus between ferrets. Science. 2012; 336:1534–41)
o
2013: Herstellung eines rekombinanten Hundestaupe-Virus (verwandt mit
Masern-Virus) mit postuliert höherer Aufnahmewahrscheinlichkeit durch
menschliche Zellen
(Bieringer M et al.; Experimental adaptation of wild-type canine distemper virus (CDV) to the human entry receptor CD150. PlosOne.
2013; 8: e57488)
Umgang mit der Dual-Use-Problematik
• Bekanntmachung einschlägiger Verhaltenskodices (z.B. der DFG)
• Bewusstsein für mögliche Dual-Use-Risiken der eigenen
Laborarbeit bei den relevanten Akteuren schaffen!
• Aufnahme entsprechender Unterrichtseinheiten in die Curricula
(Schule/Universität)
• Fortlaufende Technikfolgenabschätzung und Risikobewertung (bei
staatlichen Stellen (ZKBS), aber auch durch zivilgesellschaftliche
Akteure)
• Transparenz fördert Vertrauen in wissenschaftliche Arbeit und
trägt zum gesamtgesellschaftlichen Dialog bei!
Mögliche Risiken der Gentechnik
• Unkontrollierter Eingriff in die Natur durch (unbeabsichtigte)
Vermehrung von GVO (z.B. Verdrängung der Wildtypen durch
Überwachsen?!)
• Unbeabsichtigtes Auskreuzen kann den natürlichen Genpool
unkontrolliert verändern (Auftreten neuartiger, unerwartet
schädlicher GVO?)
• Unbeabsichtigte Schädigung von Mensch und Umwelt durch
gentechnisch veränderte Produkte
• Mögliche Konfliktpotenziale innerhalb einer Gesellschaft (z.B.
Ablehnung grüner Gentechnik), aber auch zwischen Staaten (z.B.
Marktbarrieren, Produkthaftung)
Gliederung
Beispiele für biologische Systeme mit Missbrauchspotenzial:
Agro-Gentechnik
Molecular Pharming
Reproduktives und therapeutisches Klonen
Genom-Editierung
Agro-Gentechnik
Rekombinante Ebola-Vakzine
Phoolcharoen et al., PNAS 108 (51). 2011
KanR
http://www.78stepshealth.us/transposable-elements/genetic-engineering-in-plants.html
Biolistische Transformation
Problem: Viele Getreidearten (Ausnahme: Mais) und andere Pflanzenarten
lassen sich nicht durch Agrobacterium tumefaciens transformieren.
Abhilfe: biolistische Transformation
Prinzip:
DNA-beschichtete Gold- oder Wolframpartikel werden mit Hilfe
einer „Gen-Kanone“ in Pflanzenzellen geschossen
http://passel.unl.edu/Image/siteImages/GeneguncycleLG.jpg
http://www.bio-rad.com
Transgene Pflanzen
• Stellen gentechnisch veränderte Organismen dar (GVO, gvPflanzen)
• Entstehen durch Übertragung rekombinanten Genmaterials
(Zielgen - z.B. herbizidresistentes Enzym - sowie Restriktionsschnittstellen, ggf. Promotor, Antibiotikaresistenz-Gen)
• Technik, Freisetzung, Inverkehrbringen und Risikobewertung
werden kontrovers diskutiert
• (Noch) nicht das Ende einer alten Ära (klassische Züchtung),
sondern eher Übergang in eine neue Ära (Agro-Gentechnik)
Transgene Pflanzen
• 1994: weltweite erste gv-Pflanze (Tomatensorte mit
verminderter Fäulnisneigung) erhält Zulassung für USA
• 1996: gv-Sojabohne (Roundup-Ready Soybeans, Monsanto)
erhält Zulassung für EU (Großbritannien)
• Seit 1998 Anbau von gv-Mais (Sorte MON 810, Fa. Monsanto)
in der EU (seit 2009 Anbauverbot in D)
• 2010-2013 war gv-Kartoffelpflanze (Sorte Amflora)
zugelassen (seit 2011 in EU nicht mehr angebaut)
Transgene Pflanzen
http://www.kup.at/kup/pdf/306.pdf
Transgene Pflanzen
• EU: mehrstufiges Zulassungsverfahren einschl. Labor- und
Gewächshausversuchen
• Dann Freilandversuche („Freisetzung“: Anbau zu Testzwecken)
auf Versuchsfeldern
• Vermeidung der Auskreuzung rekomb. Erbanlagen: 150 m
Abstand zu einem Feld mit konventioneller Landwirtschaft,
300 m zu Ökolandbauflächen
• Vermeidung einer Vermischung auf Anbaufeld: nach
Bepflanzung z.B. mit gv-Mais darf im Folgejahr kein wt-Mais
angepflanzt werden!
Transgene Pflanzen
• Aktuell Anbau von gv-Pflanzensorten in 5 EU-Ländern
(Portugal, Spanien, Tschechien, Slowakei, Rumänien) zulässig
• In Deutschland findet seit 2012 kein Anbau von gv-Pflanzen
mehr statt!
• 2015: EU beschließt neue Regeln für Anbau gv-Pflanzen ->
jedes Mitgliedsland kann selbst über Zulassung/Verbot
entscheiden
Transgene Pflanzen
• Antrag auf Zulassung des Inverkehrbringens von gv Lebensund Futtermitteln (kommerzieller Anbau, Handel)
• Auch für Import aus Drittstaaten erforderlich
• In der EU z. Zt. 58 zugelassene gv-Pflanzen: Mais, Sojabohnen,
Ölraps, Baumwolle, Zuckerrübe
• Alle 10 Jahre muss diese EU-Zulassung neu beantragt werden!
• Berücksichtigung aktueller Stand Forschung + Risikoanalyse
Verzeichnis in EU zugelassener gv-Pflanzen
http://passel.unl.edu/Image/siteImages/GeneguncycleLG.jpg
Transgene Pflanzen
• In EU besteht Kennzeichnungspflicht für Lebens- und
Futtermittel, die aus GVO bestehen oder GVO enthalten
• Ausnahmen:
o Lebensmittel mit zufälligen oder techn. unvermeidbaren
Spuren von GVO (oder aus GVO hergestelltem Material)
bis zu einem Anteil von max. 0,9 %
o Produkte, die von Tieren stammen, die mit gentechnisch
veränderten Futtermitteln gefüttert wurden
• Freiwilliges Siegel „Ohne Gentechnik“ für Produkte v. Tieren,
die nicht mit gv-Pflanzen gefüttert wurden
International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (ISAAA)
„ISAAA is a not-for-profit international organization that shares the benefits of crop biotechnology“
EU: Portugal, Spanien, Tschechien, Slowakei, Rumänien
http://www.isaaa.org/resources/publications/briefs/49/pptslides/default.asp
„transGEN wird im Wesentlichen finanziert durch Forum Bio- und Gentechnologie - Verein zur Förderung der
gesellschaftlichen Diskussionskultur e.V.“ (Kooperationspartner u.a. BASF, Bayer Crop Science, Dow Agro Science)
0,1 Mio ha
24 Mio ha
42 Mio ha
73 Mio ha
http://www.transgen.de/anbau/flaechen_international/531.doku.html
Transgene Pflanzen
Einige Beispiele für gv-Pflanzen:
• Schädlingsresistente Maissorte (Bt-Mais MON810)
• Herbizidtolerante Sojabohnensorte (Roundup-Ready)
• Vitamin A-reiche Reissorte (GoldenRice)
• Trockenstress-toleranter Mais (Drought Gard)
Maissorte MON810 (Bt-Mais)
• Problem: Maispflanzen in Monokulturen stark von Befall
durch Larven des Maiszünslers betroffen
• Folgen: Pflanzenstängel geschwächt, Pilzbefall, Absterben
befallener Pflanzen, reduzierter Ernteertrag
• Lösung: Schädlingsabwehr durch natürlich vorkommendes
Insektengift („Bt-Toxin“) aus Bakterium Bacillus thuringiensis
• Gentechnische Veränderung: Erzeugung rekombinanter
Maispflanzen, die modifiziertes Bt-Toxin in den Pflanzenzellen
aufweisen -> nach erstem Verzehr stirbt Larve!
Maissorte MON810 (Bt-Mais)
Bakterien bilden Sporen (Dauerform)
und Proteinkristalle bestehend aus
Cry-Protein (insektizides Toxin)
Schünemann et al., ISRN Microbiology. 2014
Bt-Toxin bildet nach Aktivierung Poren in Plasmamembran betroffener Darmepithelzellen
> Osmotischer Schock führt zum Zelltod
> Raupe stellt Fressvorgang ein
> Tod durch Verhungern
Bravo A et al., BBA. 2004
Maissorte MON810 (Bt-Mais)
• Entwickelt durch Firma Monsanto (USA)
• Seit 1998 kommerzieller Anbau in Europa
• Seit 2009 ist Anbau in Deutschland verboten (ebenso in
Österreich, Ungarn, Griechenland, Frankreich, Luxemburg,
Italien und Polen)
• Risikoannahme: Schädigung von Nichtzielorganismen (wie
Schmetterlinge, Bienen, Marienkäfer, Köcherfliegenlarven)
• Datenlage nicht eindeutig (EFSA: keine direkte Gefahr für
menschliche u. tierische Gesundheit oder die Umwelt)
Roundup-Ready Sojabohne
Unbehandelt: Beikräuterbewuchs!
Behandelt: Abtötung
Beikräuter
Einsatz des Herbizids Roundup zur Vernichtung von Beikräutern
Einsatz von Glyphosat
• 1970: Glyphosat gezielt als Herbizid entwickelt (Fa.
Monsanto, USA), 1971 patentiert
• 1974: Glyphosat wird als Totalheribizid Roundup auf den
Markt gebracht
• 1996: Einsatz auch in Kombination mit gv-Pflanzen
(aktuell sind 85 % der angebauten gv-Pflanzensorten Glyphosat-resistent)
• 2011: ca. 650.000 t weltweit eingesetzt (häufigste Herbizid)
• 2012 in Deutschland ca. 6.000 t auf 39 % der Anbauflächen
eingesetzt; ca. 40 t im Haus- und Kleingartenbereich
Herbizid-tolerante gv-Pflanzen: Roundup-Ready Soja
EPSP-Synthase
(5-Enolpyruvylshikimat3-phosphat-synthase)
Glyphosat
(N-(Phosphonomethyl)glycin)
X
Glyphosat blockiert das
Enzym EPSP-Synthase
Rekombinante
EPSP*-Synthase
Vermittelt HerbizidToleranz gegen
Glyphosat
Glyphosat hemmt so die Synthese essentieller Aminosäuren
Einsatz von Glyphosat
Bedenken gegen die Anwendung:
• Massiver Einsatz von Glyphosat (= hoher Selektionsdruck)
fördert Entwicklung resistenter Beikräuter
• Glyphosat selbst weist geringe Toxizität gegenüber
Nichtzielorganismen auf (wirklich?!)
• Erhöhte Toxizität von Glyphosat-Präparaten durch Zusätze
wie z.B. Tallowamin (ein Tensid) -> „Cocktail“-Effekt
Einsatz von Glyphosat
Diskutierte Gesundheitsgefahren:
• Glyphosat kann in Nahrungskette verbleiben, gelangt so in
menschlichen und tierischen Organismus
• Glyphosat wirkt möglicherweise krebsauslösend (z. B.
Verdachtsfälle in Argentinien)! Schädigt Darmflora?!
• 03/2015: Studie einer WHO-Einrichtung (Internat. Agency for
Research on Cancer, IACR) stuft Glyphosat als beim
Menschen „wahrscheinlich krebserregend“ ein
• Einstufung aber umstritten (s. Mitteilung des BfR, BRD)
Einsatz von Glyphosat
Diskutierte Umweltgefahren:
• Herbizid verbleibt für Tage im Boden und gelangt durch
Auswaschung von den Ackerflächen in Oberflächenwässer
• Schädigung von Wasserorganismen (im Laborversuch
nachgewiesen)
• Selektion auf besonders herbizidresistente Beikräuter
(„Superunkräuter“) wie Amaranthus palmeri
Risiken + Missbrauchspotenziale
• „Agrochemisches Wettrüsten“: kombinierter Herbizideinsatz
bzw. Entwicklung besserer Herbizide erforderlich! Neue,
passende gv-Pflanzensorten nötig!
• Steigende Abhängigkeit der Landwirte vom Hersteller der gvPflanzensorte (z.B. Koppelgeschäft gv-Samen + Herbizid)
• Friedliche Koexistenz möglich zwischen verschiedenen
Bewirtschaftungsmodellen (GVO contra Ökolandbau)?!
• Einmal ausgebrachte GVO bzw. rekombinante Erbanlagen
nicht mehr aus Natur rückholbar -> unbeabsichtigte Folgen
möglich
Risiken + Missbrauchspotenziale
Einsatz neuester gentechnischer Verfahren („gene editing“):
• Keine GVO nach GenTG, da keine transgenen Pflanzen!!
(genetische Veränderung von klassischer Züchtung nicht zu unterscheiden, z.B.
keine Markergene erforderlich)
• Zielgenau verändertes Genom ergibt Pflanze mit vorbestimmten Produkteigenschaften
• Beispiel: „ge“-Raps der Sorte „SU Canola“; 2014 auf den
Markt gebracht durch Fa. Cibus (USA); Produktmerkmal:
Herbizidtoleranz (Sulfonylharnstoffe)
Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und Tiere:
Von Molecular Farming zu Molecular Pharming
Molecular Farming
Einsatz von GVO zur Produktion nachwachsender Rohstoffe, Nahrungsergänzungsmittel, Feinchemikalien etc.
Molecular Pharming
Einsatz von GVO zur Produktion pharmazeutisch und therapeutisch
wirksamer Substanzen wie Antikörper, Enzyme, Impfstoffe etc.
Vorteile
Verbesserte Produktqualität durch Auswahl mehrzelliger Organismen
wie Pflanzen oder höhere Tiere
Schnelle Adapation der
Größe von Herden gv-Tiere
Anbaufläche gv-Pflanzen
Gentechnisch hergestellte Pharmaka
Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA):
„Derzeit sind in Deutschland nach vfa-Recherchen mindestens
176 Arzneimittel mit 134 Wirkstoffen zugelassen, die
gentechnisch hergestellt werden (Stand: 26.03.2015).
Wichtige Anwendungsbereiche sind u.a. Diabetes (Insuline),
Multiple Sklerose und rheumatoide Arthritis
(Immunmodulatoren), Krebserkrankungen (monoklonale
Antikörper), angeborene Stoffwechsel- und
Gerinnungsstörungen (Enzyme, Gerinnungsfaktoren) sowie
Schutzimpfungen (Gebärmutterhalskrebs, Hepatitis B).“
http://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/amzulassungen-gentec.html
Gentechnisch hergestellte Pharmaka
Die größten Marktanteile haben:
• Erythropoietin („EPO“, Bildung roter Blutkörperchen)
• Insulin (Behandlung des Diabetes mellitus)
• Interferone (z.B. Begleittherapie bei Krebserkrankungen)
• Blutgerinnungsfaktoren (Behandlung der Bluterkrankheit)
http://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/33747/rote-gentechnik?p=all
Molecular Pharming mit gv-Nutztieren
• 2006: Erstzulassung ATryn (Fa. GTC Biotherpeutics, USA) für
Europa
• Gentechnisch veränderte Ziegen liefern über ihre Milch den
Blutgerinnungshemmer Antithrombin III
• Anwendung: Prophylaxe von Thromboembolien
http://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/amzulassungen-gentec.html
http://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/amzulassungen-gentec.html
Reproduktives und therapeutisches Klonen:
Fortpflanzungsklonen
und
Forschungsklonen
Klonen
• „Klon“ (gr. für Schössling, Zweig):
Durch ungeschlechtliche Vermehrung erzeugte,
genetisch identische Nachkommenschaft eines
Spenders
• Nicht auf Organismen beschränkt, sondern auch für
einzelne Organe, Gewebe und Zellen möglich
• Ziele: „therapeutisches“ o. reproduktives Klonen
Fortpflanzungsklonen
Anwendungen:
• Klonen von Nutztieren und Nutzpflanzen mit idealen
Produkteigenschaften
• Klonen von Versuchstieren mit ausgewählten Eigenschaften
• Klonen vom Aussterben bedrohter Arten von Lebewesen
• Klonen von Menschen??? (Verboten in Deutschland und in
40 weiteren Ländern!)
Fortpflanzungsklonen
Methoden:
• Somatischer Zellkerntransfer (SCNT)
• Herstellung induzierter pluripotenter Stammzellen
(iPS) für tetraploide Komplementierung o. Keimzellmanipulation
Begriffliche Abgrenzung: Klonierung ist Herstellung
identischer Kopien von DNA-Sequenzen!
Somatischer Zellkerntransfer (SCNT)
• 1901: Hans Spemann teilt Zellen eines Embryos im Zwei-ZellStadium und erhält zwei vollständig entwickelte Individuen
-> frühe Embryonalzellen weisen Potenz auf, sich in einen
neuen Organismus zu entwickeln
• 1924: Spemann schlägt Methode für Zellkerntransfer vor
• 1952: Erstmals erfolgreiche Übertragung von Zellkernen aus
Blastozystenzellen auf Eizellen des Leopardfroschs (Rana
pipiens)
• 1958: Erste Übertragung von Zellkernen aus adulten
Körperzellen des Afrikan. Krallenfroschs (Xenopus laevis)
Klonen durch Zellkerntransfer (SCNT)
Transgene Tiere in der Landwirtschaft
Zielstellung: verbesserte Produktmerkmale, neue tierische Produkte
Vorgehen: gezielte Übertragung neuer oder modifizierter Gene in das
Genom geeigneter Nutztierarten (von Art zu Art = „Transgen“)
Vorteile: keine Kreuzung oder Hybridisierung erforderlich
Methoden:






Rekombinante Retroviren
Pronukleäre DNA-Mikroinjektion
Spermien-vermittelter DNA-Transfer
Rekombinante embryonale Stammzellen
Keimzelltransplantation
Zellkerntransfer zur Klon-Erzeugung („klonieren“)
Fortpflanzungsklonen durch SCNT
• 1996: erster Säugetierklon („Klon-Schaf“ Dolly)
• 1997: Mausklone erzeugt (verbesserte Technik)
• 1998 – 2005: Rind, Ziege, Schwein, Katze, Pferd, Büffel,
Hirsch, Hund, Wolf...
• 2007: erster Klon eines Primaten (Rhesusaffe)
Transgene Tiere in der Landwirtschaft
Klon-Schaf „Dolly“: 05.07.1996 – 14.02.2003 (Lebensalter: <7 Jahre; 12 Jahre erwartbar)
Roslin Institute, Schottland
Drei „Mütter“:
- Genetische Mutter (= Zellkern einer Körperzelle aus Eutergewebe; Alter: 6 J.)
- Eizellspenderin (Eizelle wurde entkernt, dann mit ZK aus #1 supplementiert)
- Leihmutter (Eizelle in Gebärmutter eingepflanzt)
•Dolly hatte 3 gesunde Nachkommen
•„Vorzeitige“ Alterserscheinungen: Arthritis
•Schwere Lungenerkrankung -> eingeschläfert
•Von 277 Versuchen war 1 erfolgreich!
Wikipedia
http://science.howstuffworks.com
Forschungsklonen mittels SCNT
• Zellkerntransfer von Spenderzellen auf entkernte Eizelle
• In vitro Kultivierung des Embryos (ca. 5 Tage)
• Zerstörung des Embryos und Entnahme embryonaler
Stammzellen (ESZ)
• In Zellkultur Stimulation der Ausdifferenzierung der ESZ in
gewünschte Zelltypen
-> Ziel: Ersatz funktionsuntüchtiger Zellen, Gewebe oder
Organe durch geklontes, nachgezüchtetes Zellmaterial
Forschungsklonen mittels SCNT
Forschungsklonen mittels iPS
• Entnahme adulter Zellen (z.B. Hautzellen) des Spenders
• Reprogrammierung der adulten Zellen zu induzierten
pluripotenten Stammzellen (iPS)
• In Zellkultur Stimulation der Ausdifferenzierung dieser iPS in
gewünschte Zelltypen
Forschungsklonen mittels iPS
http://www.zellux.net
Forschungsklonen mit SCNT
• 2007: Gewinnung embryonaler Stammzellen aus Blastozyste
eines geklonten Primaten (Rhesusaffe)
• 2008: erstmals menschliche Embryonen erfolgreich geklont,
Gewinnung embryonaler Stammzellen aus zuvor durch SCNT
erzeugten Eizellen (ZK stammte aus adulten Hautzellen)
• 2013: Erzeugung embryonaler Stammzellen aus geklonten
humanen Embryoblastzellen (Masahito Tachibana, Shoukhrat Mitalipov)
• 2014: Erzeugung von ES-Zellen aus geklonten humanen
Embryonen auch älterer Spender (35 u. 75 Jahre alt)
-> Klonen von Menschen zu Fortpflanzungszwecken wird
damit technisch immer wahrscheinlicher!
Tetraploide Komplementierung
• 2009 im Tierversuch iPS-Zellen in tetraploiden Embryo
eingeführt, Austragen durch Leihmuttertier
• Zellen des tetraploiden Embryos bilden nur extrakorporales
Gewebe (z.B. Plazenta)
• Aus den iPS-Zellen reift ein vollständig entwickelter
Organismus heran (Klon des iPS-Zell-Spenders)
• Funktioniert z. Zt. nur in Verbindung mit tetraploiden
Embryonalzellen
-> Prinzipiell auch mit humanen iPS durchführbar!
Fortpflanzungsklonen mittels iPS?
http://www.zellux.net
Ethische Fragen zum reproduktiven Klonen
Zwei Szenarien können diskutiert werden:
(A) Gegenwärtig resultieren Klonexperimente in (i) hohen
Verlustraten geklonter Embryonen, (ii) geringer Ausbeute
erfolgreich ausgetragener Feten, (iii) oftmals
missgebildeten oder vorzeitig erkrankenden Klonen
(B) Zukünftig sei die Erzeugung geklonter Nachkommen
genauso sicher und effizient wie Standardmethoden der
künstlichen Befruchtung
Ethische Fragen zum reproduktiven Klonen
• Für Szenario A ergibt sich eine eindeutige Ablehnung des
reproduktiven Klonens durch verschiedene Interessenvertreter aus Wissenschaft, Politik, Religion
• Aber: Einschränkung der Forschungsfreiheit wäre bei
Tierversuchen nicht begründbar!
• Forschungen zum Fortpflanzungsklonen beim Menschen
werden gegenwärtig abgelehnt (u.a. in D verboten!)
• Zukünftig Änderung „Risiko-Nutzen-Verhältnis“ möglich:
Entscheidung noch offen (Gesellschaftliche, politische und
juristische Entscheidungsfindung! Neue Ethikvotum!)
Ethische Fragen zum reproduktiven Klonen
Für Szenario (B) werden verschiedene Aspekte zur Bewertung
herangezogen:
• Verlust der individuellen Identität?
• Genetische Ausstattung bestimmt nur Teil der
gelebten Identität
• Situation vergleichbar mit eineiigen Zwillingen
• Stellt der Spender (das „Original“) ein psychosozial
belastendes Vorbild für den Klon dar?
• Recht auf eigene Lebensführung dürfte nicht durch
Vorliegen eines ident. Genoms eingeschränkt sein
• Verlust der Menschenwürde?
• Klone würden nicht als minderwertig anzusehen sein
(Sklave, Ersatzorganspender, „Sicherheitskopie“)
Ethische Fragen zum reproduktiven Klonen
Für Szenario (B) werden verschiedene Aspekte zur Bewertung
herangezogen:
• Verlust der individuellen Identität?
• Genetische Ausstattung bestimmt nur Teil der
gelebten Identität
Der
Klon kann
selbst nicht
in seineZwillingen
Erzeugung
• Situation
vergleichbar
mit eineiigen
•einwilligen,
Stellt der Spender
(das „Original“)
ein psychosozial
trägt aber
den Großteil
der Risiken.
belastendes Vorbild für den Klon dar?
• Recht auf eigene Lebensführung dürfte nicht durch
Vorliegen eines ident. Genoms eingeschränkt sein
• Verlust der Menschenwürde?
• Klone würden nicht als minderwertig anzusehen sein
(Sklave, Ersatzorganspender, „Sicherheitskopie“)
Stellungnahme Deutscher Ethikrat
Gesetzliche Regelungen bereits umfassend, erfordern aber
Präzisierung v.a. bezüglich iPS
-> Klare Empfehlung, ein international gültiges Verbot zum
Klonen von Menschen zu erwirken!
Genom-Editierung
Genome Editing: CRISPR/Cas9
• Clustered Regularly Interpaced Short Palindromic
Repeats
• CRISPR-assoziiertes Protein 9
• Vorkommen: Bakterien und Archaeen
• Aufgabe: vermittelt adaptive Immunität gegen
fremde Nukleinsäure (Viren, Plasmide)
Genome Editing: CRISPR/Cas9
Funktionsprinzip
• Bei Erstkontakt werden Bruchstücke fremder Nukleinsäuren
an best. Stellen, den CRISPR-Loci, in das Genom der Wirtszelle
eingebaut („immunologisches Gedächtnis“)
• Transkription der CRISPR-Loci und nachfolgende Verarbeitung
liefert crRNA-Bibliothek
• crRNA-Oligonukleotide weisen komplementäre Basenabfolge
spezifisch für best. fremde Nukleinsäuren (NS) auf
• In Zelle patrouillierender Überlebenskomplex enthält einzelne
cRNA und vermittelt nach Bindung den Abbau fremder NS
Genome Editing: CRISPR/Cas9
Bhaya et al., Annu. Rev. Genet. 2011. 45:273–97
Genome Editing: CRISPR/Cas9
Bhaya et al., Annu. Rev. Genet. 2011. 45:273–97
Genome Editing: CRISPR/Cas9
Gentechnische Anwendung
• CRISPR/Cas9-System erlaubt präzises Schneiden von DNADoppelsträngen an vausgewählten Sequenzabschnitten
• Weniger komplex in der Anwendung als bisherige gentechn.
Verfahren (Zink-Finger-Nukleasen, TALEN)
• Methode zur Gen-Manipulation (nach Schneiden Einbau eines
modifiz. Genabschnitts mittels homologer Rekombination)
• Methode zur Gen-Inaktivierung (Schneiden resultiert in
Verlust eines Genabschnitts)
RNA-geleitete Genom-Editierung durch Cas9-Enzym
RNA-Cas9-Komplex
gebunden an DNA
Cas9 schneidet
DNA-Zielsequenz
Gen-Manipulation
Gen-Inaktivierung
Künstl. eingebracht!
Esvelt et al. eLife 2014;3:e03401
Historie von CRISPR-Grundlagenforschung & Methoden zur Genom-Editierung
>380 Publikationen
hierzu bereits erschienen!
Doudna et Charpentier, Science, 2014
Aktuelle Berichterstattung
(Beispiel: Neue Züricher Zeitung, 26. November 2014)
http://www.nzz.ch/wissenschaft/medizin/ein-neues-werkzeug-beschleunigt-die-forschung-1.18432046
Ethische Implikationen der Genom-Editierung
Artikel in Science, 3. April 2015
By David Baltimore ,1 Paul Berg, 2 Michael Botchan ,3,4 Dana Carroll, 5 R. Alta Charo, 6 George Church, 7
Jacob E. Corn, 4 George Q. Daley ,8, 9 Jennifer A. Doudna ,4, 10 * Marsha Fenner ,4 Henry T. Greely, 11 Martin
Jinek, 12 G. Steven Martin, 13 Edward Penhoet, 14 Jennifer Puck, 15 Samuel H. Sternberg ,16
Jonathan S. Weissman ,4, 17 Keith R. Yamamoto4,18
Ethische Implikationen der Genom-Editierung
• Konferenz in Napa (Kalifornien, USA): 01/2015
• Anlass: Beginn einer neuen Ära der Humanbiologie ?!
• Beratung über wissenschaftliche, medizinische, juristische
und ethische Tragweite der neuen Techniken zur
Manipulation von Genomen
• Empfehlungen zum Umgang mit aktuellen Entwicklungen
-> Ziel: Genom-Editierungstechniken sollen sicher und ethisch
vertretbar in ihrer Anwendung sein!
Napa-Konferenz 2015: Empfehlungen
• Wissenschaftlich fundierte öffentliche Diskussion erforderlich
• Sicherheit und Effizienz der technischen Verfahren müssen gegeben sein,
bevor (wenn überhaupt!) die Genom-Editierung humaner Keimzellen für
klinische Anwendungen zulässig wäre
• Einrichtung von Foren zum Informationsaustausch und zur Bereitstellung
von Lehrmaterialien
• Transparente Forschung -> Risiken und potentieller Nutzen der neuen
Techniken soll nachvollziehbar werden
• Zusammenbringen einer global repräsentativen Gruppe von Experten und
Interessenvertretern aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft u.a.; ggf. weitere
Handlungsempfehlungen/Richtlinien entwickeln
Genome Editing: CRISPR/Cas9
Anwendungsbeispiele für die Erzeugung von GVO mittels CRISPR/Cas9
Doudna et Charpentier, Science, 2014
Genome Editing: CRISPR/Cas9
Anwendungsgebiete für den Einsatz des CRISPR/Cas9-Systems
Doudna et Charpentier, Science, 2014
„Gene Drives“
(Gen-Konversionswerkzeuge)
Theoretisch vollständige Genpool-Veränderung möglich!
Gene Drives als Anwendungskonzept
Esvelt et al. eLife 2014;3:e03401
Missbrauchspotenziale
• Gentechnische Verfahren ermöglichen immer tiefere
Eingriffe in verschiedene biologische Systeme
• Gezielte Merkmalsveränderungen unterschiedlicher Arten
von Organismen erlaubt die Erringung von Monopolen
• Pflanzen und Tiere als optimierte Produktionsmittel für
schädliche biologische Agenzien??
• Genom-Editierung (GE) ermöglicht theoretisch die Schaffung
vollständig neuer Lebensformen
-> Ethische Fragen! Internationale Konvention zur Eindämmung der
unkontrollierten Anwendung des Klonens und der GE?!
DANKE!
Fig. 3. Evolution and structure of Cas9. The structure of S. pyogenes Cas9 in
the unliganded and RNA-DNA–bound forms.
Doudna et Charpentier, Science, 2014
Fig. 4. CRISPR-Cas9 as a genome engineering tool. (A) Different strategies for introducing blunt double-stranded DNA breaks
into genomic loci, which become substrates for endogenous cellular DNA repair machinery that catalyze nonhomologous end
joining (NHEJ) or homology-directed repair (HDR).
Doudna et Charpentier, Science, 2014
http://www.scbio.de/crispr-cas9_system.html
Glyphosphat blockiert EPSPS-Enzym des Shikimat-Wegs
zur Biosynthese essentieller Aminosäuren
Glyphosat
(N-(Phosphonomethyl)glycin)
Tetraploide Komplementierung
• Differenzierung von iPS-Zellen zu Keimbahnzellen
• Nach Implantation in Keimdrüsen Ausdifferenzierung zu voll
funktionsfähigen Keimzellen (Ei- und Samenzellen)
• Im Tierversuch wurden bereits jeweils lebensfähige
Nachkommen mit diesen geklonten Keimzellen erzeugt
• Prinzipiell auch in vitro Fertilisation unter Verwendung dieser
geklonten Ei- und Samenzellen möglich
-> Neuer Organismus wäre kein Klon, hätte aber
nur ein genetisches Elternteil!
Fortpflanzungsklonen
Embryonen-Schutzgesetz (1990)
... Strafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis
möglich für den, der „künstlich bewirkt, dass
ein menschlicher Embryo mit der gleichen
Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein
Fötus, ein Mensch oder ein Verstorbener
entsteht“
Stammzellgesetz (2002)
Regelt Einfuhr und Verwendung humaner
embryonaler Stammzellen (hES):
Verbot von Einfuhr und Verwendung hES außer
für besonders gut begründete
Forschungszwecke
Resolution UN-Vollversammlung (2005)
Unverbindliche Deklaration
Empfiehlt Ablehnung des reproduktiven
Klonens humaner Embryos und des
therapeutischen Klonens mit humanen Zellen
H. Niemann, Züchtungskunde, 81, (6) S. 406–413, 2009
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